KW 48/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Geht’s noch?!?!
(zeit.de, Alice Bota & Michael Thumann, Audio: 41:50 Minuten)
Der Journalist und Dokumentarfilmer Hubert Seipel, bekannt für seine Bücher über und Interviews mit Wladimir Putin, soll Recherchen von ZDF und “Spiegel” zufolge 600.000 Euro aus dem Umfeld des russischen Präsidenten erhalten haben. Der NDR hat daraufhin eine Untersuchungskommission eingerichtet, der Verlag Hoffmann und Campe Seipels Bücher aus dem Verkauf genommen. Im “Ostcast” von “Zeit Online” sprechen Alice Bota und Michael Thumann über den Fall.

2. Übersehen Medien vor lauter Einzelfällen strukturellen Antisemitismus?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 28:16 Minuten)
Diese Woche gab der Musiker Gil Ofarim zu, sich einen antisemitischen Übergriff gegen ihn durch einen Hotelmitarbeiter in Leipzig nur ausgedacht zu haben (in seiner Kolumne bei radioeins hat der “6-vor-9”-Kurator eine Einordnung versucht). Im “Übermedien”-Podcast hat sich nun Holger Klein mit Laura Cazés unterhalten, die bei der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland den Bereich Kommunikation und Digitalisierung leitet. In dem Gespräch geht es um die Fragen: “Was können Journalist:innen besser machen, wenn sie über Antisemitismus berichten? Welche Stimmen werden zu wenig gehört? Und was hat sich seit dem 7. Oktober, dem terroristischen Überfall der Hamas auf Israel, für Jüdinnen und Juden in Deutschland verändert?”

3. Krieg in Nahost: Medien und die Vielfaltsgesellschaft
(sueddeutsche.de, Nadia Zaboura & Nils Minkmar, Audio: 40:46 Minuten)
“Wie hat sich die Berichterstattung deutscher Medien seit dem Hamas-Massaker am 7. Oktober verändert? Welche Rolle spielen veränderte Gewohnheiten der Mediennutzung dabei, wie der Nahostkrieg sich in der deutschen Vielfaltsgesellschaft niederschlägt?” Darüber diskutieren Nadia Zaboura und Nils Minkmar in ihrem Podcast “quoted” mit dem Medienwissenschaftler und Politologen Kai Hafez.

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4. “Auf dem Silbertablett”
(message-online.com, Leonie Urbanczyk, Audio: 27:00 Minuten)
Nicht nur Journalistinnen und Journalisten, die im Investigativbereich oder in Ländern mit autoritären Regierungen arbeiten, sondern prinzipiell alle Medienschaffenden können mit digitalen Mitteln beobachtet, bestohlen oder auf unterschiedlichste Weise angegriffen werden. Wie können sich die in dieser Hinsicht gefährdeten Personen davor schützen? Darüber hat sich Leonie Urbanczyk mit Annkathrin Weis unterhalten, die als Journalistin und Sicherheitstrainerin in diesem Bereich tätig ist.

5. Kilian Riedhof: Der Fernsehfilm muss raus aus der Behaglichkeit
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 21:26)
Anlässlich der TeleVisionale, einem Film- und Serienfestival in Baden-Baden, hat sich Alexander Matzkeit mit dem Filmregisseur und Autor Kilian Riedhof unterhalten, der Teil der Festivaljury ist. Die zunehmende Spaltung der Gesellschaft müsse in Fernsehfilmen dargestellt werden, so Riedhof. Das Fernsehen müsse seine Komfortzone verlassen: “Wir können uns nicht mehr verkriechen in unserem bundesdeutschen Kokon, sondern müssen uns einer stark veränderten weltpolitischen Situation stellen.”

6. Wie politisch ist das Wetter?
(open.spotify.com, Christian Jakubetz, Audio: 29:04 Sekunden)
Im “Satzzeichen”-Podcast begrüßt Christian Jakubetz den Meteorologen und Fernsehmoderator Karsten Schwanke, der für die ARD tätig ist und dort unter anderem im “Wetter vor acht” kurz vor der “Tagesschau” und in den “Tagesthemen” zu sehen ist. Es geht unter anderem um den Wandel der Wetterpräsentation in den vergangenen Jahrzehnten und um die Frage, wie der Klimawandel eingeordnet werden kann.

“Go fuck yourself”, Wohnungslose mit Obdach, Einfache “Tagesschau”

1. »Go f*** yourself« – Musk beschimpft abtrünnige Werbekunden
(spiegel.de)
Mehrere Unternehmen hatten ihre Werbung auf X/Twitter eingestellt, nachdem Eigentümer Elon Musk in einem Beitrag antisemitische Äußerungen gemacht hatte, die zu einer Kontroverse und einer Verurteilung durch das Weiße Haus führten. Nun hat Musk die abtrünnigen Werbekunden auf einer Konferenz wüst beschimpft (“Go fuck yourself!”) und dabei explizit Disney-Chef Bob Iger erwähnt. Sollte X finanziell scheitern, müssten sich diese einstigen Werbekunden öffentlich rechtfertigen, so Musk.

2. ARD will “Tagesschau” in einfacher Sprache starten
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Wie Uwe Mantel bei “DWDL” berichtet, plant die ARD, ihre barrierefreien Angebote auszubauen, einschließlich der Einführung einer täglichen “Tagesschau”-Ausgabe in einfacher Sprache. Dieser Schritt sei Teil eines neuen Aktionsplans zur Barrierefreiheit, für den bis 2025 insgesamt 3,4 Millionen Euro investiert werden sollen. Die Zielgruppe für die “Tagesschau” in einfacher Sprache umfasse unter anderem die 6,2 Millionen Menschen in Deutschland, die als funktionale Analphabeten gelten.

3. Wohnungslose leben nicht zwingend auf der Straße
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 2:09 Minuten)
Im “Sprachcheck” des Deutschlandfunks thematisiert Annika Schneider das oft verzerrte Bild von Wohnungslosigkeit in Medien, das vor allem Obdachlose auf der Straße zeige, während die Realität für die meisten Wohnungslosen anders aussehe. In Deutschland lebe die Mehrheit von ihnen nicht auf der Straße, sondern bei Bekannten oder in Obdachlosenunterkünften, und stelle damit den größten Teil der von Wohnungsnot betroffenen Menschen dar.

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4. Mit neuem Etikett zu Fördermitteln
(taz.de, Michael Bartsch)
In Sachsen würden freie Radios wie coloRadio in Dresden steigende Reichweiten und technischen Fortschritt verzeichnen, stünden aber vor finanziellen Herausforderungen und Unsicherheiten bezüglich der Förderung durch die sächsische Landesmedienanstalt. Ein neuer Wettbewerber, Radio WSW, der früher ein kommerzielles Format hatte, beantrage nun ebenfalls Fördermittel, was zu Spannungen führe. Die Situation spiegele die aktuellen Debatten um die Definition und Förderung des nichtkommerziellen Lokalfunks in Sachsen wider, schreibt Michael Bartsch in der “taz”.

5. Der Exxpress deckt einen EU-Skandal auf, der keiner ist.
(kobuk.at, Livio Koppe)
Livio Koppe kritisiert bei “Kobuk” einen Bericht des österreichischen Portals “Exxpress”, nach dem die EU für jede Abschiebung eines Flüchtlings in die Türkei 4,7 Millionen Euro gezahlt habe. Die EU-Gelder seien jedoch nicht direkt für die Rückführungen verwendet worden, sondern laut EU-Kommission für Grundbedürfnisse der Menschen, Bildung, Gesundheitsversorgung, kommunale Infrastruktur, Berufsausbildung und Grenzmanagement. Ein Sprecher der EU-Kommission sowie der Migrationsforscher Jochen Oltmer hätten “Kobuk” bestätigt, dass es falsch sei, die EU-Zahlungen ausschließlich auf die Abschiebekosten zu beziehen.

6. Linke Zeitungen in der Krise
(verdi, Günter Herkel)
Linke Zeitungen in Deutschland wie das “Neue Deutschland” und die “junge Welt” stünden vor finanziellen Schwierigkeiten, die durch die Auflösung des traditionellen linken Milieus und die Identitätskrise der politischen Linken verstärkt würden. Doch die immer neuen Appelle an die Spenden- und Solidaritätsbereitschaft des Publikums würden in Zeiten von Inflation und schwindender Kaufkraft an Grenzen stoßen, konstatiert Günter Herkel. Ein weitere Grund für die Krise ist aus seiner Sicht die zunehmende “Parzellierung” der Öffentlichkeit und die damit einhergehende Zersplitterung der linken Bewegung: “An der Schwelle zur digitalen Gesellschaft haben sich Öffentlichkeit und Gegenöffentlichkeit zudem radikal verändert. Social Media ermöglicht es selbst kleinsten Interessensgruppen, eigene Kommunikationskanäle zu schaffen und die eigene Peergroup zu bedienen.”

Abgehörtes Pressetelefon, Erfundene Autoren, Revolutionäre Geduld

1. Der Streit um das abgehörte Pressetelefon geht weiter
(netzpolitik.org, Anna Biselli)
Nachdem bekannt geworden war, dass die bayerische Polizei das Pressetelefon der “Letzten Generation” abgehört hatte, wandten sich drei betroffene Journalisten gemeinsam mit Reporter ohne Grenzen und der Gesellschaft für Freiheitsrechte an das Amtsgericht München, um die Maßnahme überprüfen zu lassen. Wie Anna Biselli bei netzpolitik.org berichtet, habe das Amtsgericht die polizeiliche Maßnahme für rechtmäßig erklärt. Die Organisationen und die Journalisten würden nun Beschwerde beim Landgericht einlegen, da sie in dem Vorgang einen klaren Verstoß gegen die Pressefreiheit sähen, insbesondere weil gezielt Gespräche von Journalistinnen und Journalisten abgehört worden seien.
Weiterer Lesehinweis: Der Bayerische Journalisten-Verband geht weiter gegen Abhörung eines Pressetelefons der “Letzten Generation” vor. (bjv.de)

2. WDR-Redakteur temporär in der Türkei festgenommen
(wdr.de, Samuel Acker)
Wie der WDR aus Sicherheitsgründen erst jetzt berichtet, wurde Tuncay Özdamar, Leiter der türkischen Redaktion von WDR Cosmo und seit rund 20 Jahren ausschließlich deutscher Staatsbürger, Ende September bei der Einreise in die Türkei überraschend festgenommen. Özdamar konnte nach einer Nacht in Haft und einer Anhörung die Türkei wieder verlassen, das Ermittlungsverfahren gegen ihn laufe aber weiter. “Festgenommen wurde Tuncay Özdamar mutmaßlich aus geradezu grotesken Gründen. Seine Ermittlungsakte lässt für den Zustand der türkischen Justiz Schlimmstes vermuten”, schreibt Samuel Acker bei WDR.de. Tipp: Es lohnt sich unbedingt, auf die unten im Beitrag verlinkten Fortsetzungsseiten zu klicken.
Weiterer Lesehinweis: Reporter ohne Grenzen verurteilt Festnahme von WDR-Redakteur in der Türkei. (reporter-ohne-grenzen.de)

3. «Sports Illustrated» liess KI Autoren und Texte erfinden
(infosperber.ch, Pascal Sigg)
Das vergleichsweise kleine Online-Medium “Futurism” hat aufgedeckt, dass die große und traditionsreiche US-Medienmarke “Sports Illustrated” KI-generierte Beiträge veröffentlicht hat, die die Redaktion mit gefälschten Fotos nicht existierender Autorinnen und Autoren versehen hat. Dabei habe es sich meist um Produktrezensionen gehandelt, die auf die Shops der jeweiligen Anbieter verwiesen hätten. Nachdem “Futurism” die Verantwortlichen mit den Vorwürfen konfrontiert hat, seien die Seiten gelöscht worden.

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4. “Traurig, enttäuscht, wütend”
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Wie kürzlich in den “6 vor 9” zu lesen war, stellt das ambitionierte Konstanzer Online-Magazin “Karla” seine Arbeit ein. Dem Mitte vergangenen Jahres gestarteten digitalen Stadtmagazin war es nicht gelungen, die notwendigen finanziellen Mittel für den Weiterbetrieb zu akquirieren. Das sei ein Verlust für Konstanz, aber auch ein Warnsignal für den gemeinnützigen Journalismus, schreibt Josef-Otto Freudenreich. Er hätte dem Magazin allerdings mehr Geduld empfohlen: “Mehr revolutionäre Geduld und darüber nachdenken, was falsch gelaufen ist, was besser zu machen ist.”

5. Fast jeder dritte Jugendliche erlebt im Netz sexuelle Belästigung
(zeit.de)
Die Studie “Jugend, Information, Medien” 2023 zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger (PDF) habe ergeben, dass Jugendliche im Internet häufig sexueller Belästigung, Beleidigungen und “Fake News” ausgesetzt seien. Laut der Umfrage wurden jedes dritte Mädchen und jeder vierte Junge im Jahr 2023 im Internet sexuell belästigt. Die Studie, die 1.200 Jugendliche in Deutschland im Alter von 12 bis 19 Jahren befragt hat, zeige auch, dass 23 Prozent der Jugendlichen im Monat vor der Befragung ungewollt mit pornografischen Inhalten konfrontiert worden seien.

6. “Streichkonzert im Blindflug”: Beim HR-Hörfunk brodelt’s
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Uwe Mantel berichtet über die geplanten Sparmaßnahmen beim Hörfunk des Hessischen Rundfunks (HR) und die von der HR-Belegschaft befürchteten Folgen. Die Einsparungen würden als Bedrohung der Programmvielfalt gesehen und könnten nach Ansicht der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu zunehmenden Leerstellen im Programm sowie zu einem Legitimationsproblem des öffentlich-rechtlichen Rundfunks führen​​​​. Im Sender zirkuliere ein offener Brief an Intendant Florian Hager, der bereits von über 130 Personen unterzeichnet worden sei. Dort sei von einem “Raubbau in den Hörfunk-Programmen” die Rede.

Ofarim gesteht Lüge, Widerstand gegen Meta-Abo, Glühwein-TV

1. “Die Vorwürfe treffen zu”: Ofarim gesteht Lüge bei Prozess in Leipzig
(lvz.de, Frank Döring)
Im Prozess gegen Gil Ofarim wegen Verleumdung und falscher Verdächtigung hat der Musiker überraschend ein Geständnis abgelegt. Er hatte behauptet, in einem Leipziger Hotel antisemitisch beleidigt worden zu sein, was, wie Ofarim nun zugibt, frei erfunden war. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage in Höhe von 10.000 Euro eingestellt. Der Zentralrat der Juden schreibt in einer Stellungnahme auf X/Twitter: “Damit hat Gil Ofarim all denen, die tatsächlich von Antisemitismus betroffen sind, großen Schaden zugefügt.”

2. Widerstand von NOYB gegen Meta-Abo
(netzpolitik.org, Leonhard Pitz)
Die österreichische Organisation “None Of Your Business” (“NOYB”) geht juristisch gegen Metas neues Abo-Modell vor, das europäische Nutzerinnen und Nutzer zwinge, entweder für den Datenschutz zu zahlen oder Tracking zu akzeptieren. Dies sei aus Sicht der NGO rechtswidrig und schließe arme Menschen aus. Felix Mikolasch, Datenschutzjurist bei “NOYB”, sagt: “Das EU-Recht verlangt, dass die Einwilligung den freien Willen der Nutzer:innen darstellt. Im Widerspruch zu diesem Gesetz erhebt Meta eine ‘Datenschutzgebühr’ von bis zu 250 Euro pro Jahr, wenn jemand es wagt, sein Grundrecht auf Datenschutz wahrzunehmen.”

3. Piraten der Pressefreiheit
(taz.de, Johanna Treblin)
Radio Dreyeckland, das erste freie Radio Deutschlands, sei 1977 als Reaktion auf die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Fessenheim im Elsass und als Plattform für Graswurzeljournalismus gegründet worden. Der Sender habe eine “kleine Medienrevolution” ausgelöst und den Weg für weitere selbstorganisierte, nichtkommerzielle Radiosender geebnet. In diesem Jahr geriet Radio Dreyeckland in die Schlagzeilen, als bei Geschäftsführer Andreas Reimann und Redakteur Fabian Kienert Hausdurchsuchungen stattfanden. Johanna Treblin fasst in der “taz” die Geschichte des Senders von der Gründung bis heute zusammen.

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4. Instagram schlägt Erwachsenen gezielt sexualisierte Inhalte mit Kindern vor
(spiegel.de)
Nach Recherchen des “Wall Street Journal” (nur mit Abo lesbar) habe der Instagram-Algorithmus insbesondere Followern von Teenagern und jungen Influencern offenbar gezielt sexualisierte Inhalte mit Minderjährigen empfohlen. Diese Inhalte seien häufig mit Werbung großer Marken verknüpft gewesen, was zu Beschwerden und dem Rückzug einiger Werbetreibender von der Plattform geführt habe. Problematisch erscheint, dass Instagram sich der Thematik wohl bewusst war, aber nicht entschieden genug eingeschritten ist.

5. 15 Jahre Neue deutsche Medienmacher*innen
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Die “Neuen deutschen Medienmacher*innen”, eine Organisation zur Förderung von Vielfalt in den Medien, feiern ihr 15-jähriges Bestehen. Ursprünglich ein Stammtisch von etwa 200 Journalistinnen und Journalisten mit internationaler Herkunft umfasst das Netzwerk heute rund 2.000 Medienschaffende. Es hat unter anderem ein Glossar für diversitätssensible Berichterstattung entwickelt, ein Mentoring-Programm ins Leben gerufen und es vergibt den Medien-Negativpreis “Die Goldene Kartoffel”. Isabelle Klein hat sich mit Geschäftsführerin Elena Kountidou über Diversität in den Medien unterhalten.

6. Aufgedeckt: Es gibt Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 1:40 Minuten)
Boris Rosenkranz hat sich mit einem Glühwein vor das Empfangsgerät gesetzt und sich von der öffentlich-rechtlichen Weihnachtsstimmung verzaubern lassen: “In vielen Städten haben die Weihnachtsmärkte eröffnet! ARD und ZDF haben ihre Spürnasen auf die Übertragungs-Schlitten gesetzt und rausgeschickt. Seht her, was sie entdeckt haben!”

“Wetten, dass..?”, Weder Geisel- noch Gefangenenaustausch, “Karla”

1. Kritik an “Wetten dass”
(tiktok.com, Alana Reimer, Video: 4:36 Minuten)
Die letzte Ausgabe von “Wetten, dass..?” mit Thomas Gottschalk war nach Ansicht einiger Medien kein Ruhmesblatt für den Entertainer: “Jetzt bleibt er als verbitterter Alter in Erinnerung, der nicht einsehen will, dass seine zunehmenden Aussetzer und sexistischen Geschmacklosigkeiten einfach nicht mehr lustig sind, und deshalb wütend aufhört”, konstatiert beispielsweise Lukas Wallraff in der “taz”. Doch auch an anderer Stelle tut sich Kritik auf – und die dreht sich um den Umgang mit einem im Rollstuhl sitzenden Wettkandidaten. Alana Reimer erklärt in einem sehenswerten Video die “unangenehme Szene”.

2. Zehn häu­fige Fehler in der Straf­jus­tiz­be­rich­t­er­stat­tung
(lto.de, Urban Sandherr)
Urban Sandherr, Richter am Kammergericht, beschreibt bei “Legal Tribune Online” typische “Fehler in der Strafjustizberichterstattung”. Einer sei beispielsweise die fälschliche Behauptung, die Staatsanwaltschaft erlasse Haftbefehle; tatsächlich würden Haftbefehle in der Regel vom Gericht, meist dem Amtsgericht, erlassen. Dieser und andere Fehler würden auf ein mangelndes Verständnis grundlegender Rechtsprinzipien wie Rechtsstaatlichkeit, Gewaltenteilung und Strafrechtspflege hindeuten, nicht nur in der Boulevardpresse, sondern auch in der breiteren Justizberichterstattung, kritisiert Sandherr.

3. Weder Geisel- noch Gefangenenaustausch
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio: 1:52 Minuten)
Einige Medien verwenden im Zusammenhang mit der Nahost-Berichterstattung die Begriffe “Geiselaustausch” und “Gefangenenaustausch”. Stefan Fries hält diese Wortwahl für falsch. Streng genommen sei es nicht mal ein Austausch: “Die Hamas übergibt ihre Geiseln an Israel. Israel dagegen übergibt die Gefangenen nicht an die Hamas, sondern lässt sie an die Orte im Westjordanland und in Ost-Jerusalem zurückkehren, an denen sie zuvor gelebt haben.”

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4. Gericht stärkt Presseausweis
(djv.de, Hendrik Zörner)
Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sieht der Deutsche Journalisten-Verband den bundeseinheitlichen Presseausweis gegenüber dem Ausweis eines kommerziellen Anbieters aufgewertet. Das Urteil sei gegen eine Aktiengesellschaft ergangen, die Presseausweise an überwiegend nebenberuflich tätige Fachjournalisten ausgibt und eine Gleichstellung mit dem bundeseinheitlichen Presseausweis verlangt hatte. Das Gericht habe entschieden, dass eine solche Gleichstellung für das Funktionieren einer freien Presse nicht erforderlich sei.

5. Immer mehr Medien machen Schluss mit Twitter
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Dem unter seinem ursprünglichen Namen Twitter bekannten Netzwerk X laufen immer mehr Nutzerinnen und Nutzer weg, darunter zahlreiche Medien. Nun hat sich auch die Redaktion von “Correctiv” verabschiedet: “In den vergangenen Monaten haben die Verbreitung von Desinformation und Hassrede auf der Plattform deutlich zugenommen. Dessen Eigentümer selbst verbreitet rassistische, antisemitische und populistische Inhalte. CORRECTIV nimmt seine Verantwortung als gemeinwohlorientiertes Medienhaus wahr und verlässt den Kurznachrichtendienst.”

6. Darum stellen wir unseren Betrieb ein
(karla-magazin.de)
Ein ehrgeiziges lokaljournalistisches Onlineprojekt aus Konstanz gibt auf. Dem Mitte vergangenen Jahres gestarteten digitalen Stadtmagazin “Karla” ist es offenbar nicht gelungen, die für den Weiterbetrieb notwendigen Finanzmittel zu akquirieren: “Von den vier Stiftungen, mit denen wir im Gespräch waren, hat sich leider nur eine zu einer Förderung entschlossen – und das auch nur unter der Bedingung, dass weitere Stiftungen ebenfalls unterstützen. Damit ist unser Finanzierungsmodell für 2024 nicht tragfähig und wir sehen keine Chance, karla am Leben zu halten.”

Springer stellt “Bild TV” ein, Faszination für True Crime, “noFake”

1. Springer-Verlag stellt “Bild TV” ein
(tagesschau.de)
Der Axel-Springer-Konzern beendet die lineare Verbreitung seines Fernsehsenders “Bild TV” zum Ende des laufenden Jahres. Das Bewegtbildangebot von “Bild” werde ab 2024 auf einer eigenen digitalen Plattform konzentriert, einige Sportformate sollen zu “Welt TV” wechseln. “Bild TV” war im August 2021, nach dem Aufbau eigener Studios und Redaktionen sowie dem Erwerb einer Sendelizenz, als frei empfangbares 24-Stunden-Fernsehprogramm gestartet.

2. Konfrontation und Recherche-wie umgehen mit der AfD
(sr.de, Kai Schmieding & Michael Meyer, Audio: 18:42 Minuten)
Mit den steigenden Zustimmungswerten für die AfD gerate die Partei noch stärker in den Fokus der medialen Berichterstattung. Doch das gestalte sich mitunter schwierig, da die AfD ein problematisches Verständnis von der Rolle von Medien habe. Darüber sprechen Kai Schmieding und Michael Meyer in “Medien – Cross und Quer” mit dem Journalisten Olaf Sundermeyer.

3. Mit Kompetenz gegen Desinformation
(journalist.de, Caroline Lindekamp)
Caroline Lindekamp, Leiterin des Projekts “noFake” bei “Correctiv”, schreibt im “journalist”, dass zur Bekämpfung von Desinformation nicht nur reaktive Faktenchecks (debunking), sondern auch präventive Maßnahmen (prebunking) notwendig seien: “Aktuell reichen die Anstrengungen keiner Plattform aus: Sie sind besser darin, ihre Bemühungen imagewirksam nach außen zu tragen als die Masse an Desinformation tatsächlich und nachhaltig in den Griff zu bekommen. Um die Auswirkungen auf Demokratie und Gesellschaft zu mildern, wird es wichtig bleiben, Informationskompetenz zu stärken, Faktenchecks zu verbreiten und eine vielfältige Medienlandschaft zu fördern.”

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4. Struck: “Wir haben Business Punk nicht aus reiner Sentimentalität übernommen”
(clap-club.de, Daniel Häuser)
Die Übernahme des Magazins “Business Punk” durch die Weimer Media Group habe vor allem wegen des Vorwurfs “undurchsichtiger Zustände” und Kritik am Gründer Wolfram Weimer für Aufsehen gesorgt. Daniel Häuser hat bei “Business-Punk”-Manager Andreas Struck nachgefragt, wie das Medienunternehmen auf die Vorwürfe reagiert.

5. Newsletter Netzwerk Recherche 227 vom 24.11.2023
(netzwerkrecherche.org, Daniel Drepper)
Wie immer eine Empfehlung wert, nicht nur für investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten: der Newsletter des Netzwerk Recherche (NR). Die aktuelle Ausgabe beginnt mit einigen Worten von NR-Mitvorstand Daniel Drepper zu NR-Mitglied Hubert Seipel, der für ein Buch über Wladimir Putin mehr als 600.000 Euro von einem Putin-Freund erhalten haben soll. Außerdem gibt es wie immer einen Überblick über medienrelevante Nachrichten, Veranstaltungen, Preise und Stipendien.

6. “Faszination für das Echte”
(taz.de, Carolina Schwarz)
Carolina Schwarz hat für die “taz” mit der Kulturwissenschaftlerin Christine Hämmerling über True-Crime-Formate gesprochen. In dem Interview geht es auch um den Vorwurf, es sei moralisch falsch, sich von wahren Verbrechen unterhalten zu lassen, und um den gefürchteten Nachahmungseffekt.

KW 47/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Empathie im Journalismus
(youtube.com, Isabel Schayani, Video: 57:50 Minuten)
Die WDR-Journalistin Isabel Schayani spricht in einem Vortrag über die Rolle und die Herausforderungen von Empathie im journalistischen Kontext. Schayani diskutiert, wie Empathie die journalistische Arbeit beeinflussen kann, insbesondere im Hinblick auf die Wahrung professioneller Distanz und die Gefahr, zu parteiisch zu werden. Anhand eigener Erfahrungen, wie der Berichterstattung aus dem Flüchtlingslager Moria, veranschaulicht sie das Spannungsfeld zwischen empathischer Anteilnahme und journalistischer Objektivität.

2. Die geheimen ARD-Verträge: Das kostet die neue Talkshow mit Caren Miosga
(macht-und-millionen.podigee.io, Solveig Gode & Kayhan Özgenc, Audio: 36:34 Minuten)
Bei “Macht und Millionen” geht es um die neue ARD-Talkshow von Caren Miosga, die 2024 den Sendeplatz von Anne Will übernehmen wird. Vertrauliche Dokumente, die “Business Insider” vorliegen, sollen zeigen, dass Miosgas Sendung günstiger sein wird als die ihrer Vorgängerin. In der Episode werden die Recherchen von Tobias Fuchs vorgestellt, die detaillierte Einblicke in die Kostenstrukturen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geben, darunter Kalkulationen, Gewinnberechnungen und Verhandlungsprotokolle.

3. Wie wird berechnet und entschieden, wie hoch der Rundfunkbeitrag ist?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 29:48 Minuten)
Die KEF, die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten, wird voraussichtlich eine leichte Erhöhung des Rundfunkbeitrags empfehlen, doch einige Bundesländer wollen wohl mauern und eine Erhöhung verhindern. Holger Klein spricht mit dem Medienjournalisten Steffen Grimberg über den Fall und die unterschiedlichen Interessenlagen.

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4. Interview mit Melanie Amann
(koschwitz-zum-wochenende.podigee.io, Thomas Koschwitz, Audio: 15:06 Minuten)
In der aktuellen Folge von “Koschwitz zum Wochenende” spricht die stellvertretende Chefredakteurin des “Spiegel”, Melanie Amann, über “Spiegel”-Gründer Rudolf Augstein und dessen anhaltenden Einfluss auf das Magazin sowie auf den deutschen Journalismus im Allgemeinen. Dabei geht es unter anderem um die langfristigen Auswirkungen der “Spiegel”-Affäre auf die politische Berichterstattung.

5. Nehmt Hilfe an!
(hinterdenzeilen.de, Niklas Münch & Tobias Hausdorf, Audio: 32:40 Minuten)
“Hinter den Zeilen” befasst sich mit dem neuen Hilfsangebot des Netzwerk Recherche: die Helpline für Journalistinnen und Journalisten. Die Initiative bietet eine Anlaufstelle für Medienschaffende, die aufgrund von Problemen wie belastenden Recherchen, Konflikten mit Vorgesetzten oder öffentlichen Anfeindungen Gesprächsbedarf haben. Malte Werner und Ute Korinth von der Helpline erzählen, wie es zu dem Angebot kam.

6. Wer ist noch zuständig für Wahrheit?
(open.spotify.com, Tim Guldimann, Audio: 50:25 Minuten)
Tim Guldimann hat gleich zwei hochkarätige Medienpersönlichkeiten zu Gast: Judith Wittwer, Chefredakteurin der “Süddeutschen Zeitung”, und Claus Kleber, ehemaliger Anchorman des “heute journal”. Angesichts der Sozialen Medien und der damit verbundenen Probleme sprechen die drei über die Fragen: “Kommt uns die Wahrheit abhanden? Was ist Wahrheit?”

Schieflage bei Radio Bremen, KI regulieren?, Recherche trifft Show

1. Finanzielle Lage bei “Radio Bremen” weiter angespannt
(t-online.de)
Ein Bericht des Landesrechnungshofs Bremen offenbare eine finanzielle Schieflage bei Radio Bremen, der kleinsten ARD-Anstalt. Die finanzielle Lage des öffentlich-rechtlichen Senders sei angespannt, insbesondere wegen der in den Wirtschaftsplänen enthaltenen Zukunftsverpflichtungen für die Altersversorgung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Radio Bremen habe zwar in den Jahren 2021 und 2022 Überschüsse erzielt, diese seien aber nur auf Sonder- und Einmaleffekte zurückzuführen. Kritisiert werden auch die hohen Bezüge der Intendantin und die Aufwandsentschädigungen für ehemalige Aufsichtsratsmitglieder einer Tochtergesellschaft.

2. Gesetzlicher Rahmen nötig
(djv.de, Hendrik Zörner)
Das Bundeswirtschafts- und das Bundesverkehrsministerium sind mit den Vorschlägen des Europäischen Parlaments zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz offenbar nicht zufrieden und bevorzugen eine Selbstverpflichtung statt gesetzlicher Verpflichtungen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hält das für den falschen Weg: “Wenn es nur eine Selbstverpflichtung gibt, ist das eine Einladung zum Missbrauch”, so der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster: “Die Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und Medien wären dramatisch und vermutlich irreparabel.”

3. Recherche trifft Show
(taz.de, Ann-Kathrin Leclère)
Bei der Veranstaltung “Jive Klima” in Berlin sprachen neun Journalistinnen und Journalisten über konstruktiven Klimajournalismus, unterstützt von einem Mini-Orchester. Das Format, inspiriert von TED-Talks und Stand-up-Comedy aus den USA, präsentiere Journalismus live auf der Bühne und habe bereits in Ländern wie Frankreich und Finnland große Hallen gefüllt. Ann-Kathrin Leclère hat sich die Show angesehen.

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4. Journalistinnen protestieren in offenem Brief gegen Schließung von Torial.
(turi.de, Elisabeth Neuhaus)
Wie “turi2” berichtet, protestieren mehr als 30 Personen “einer losen Organisation von FLINTA-Journalist*innen aus dem deutschsprachigen Raum” in einem offenen Brief gegen die Schließung des Journalismus-Netzwerks “Torial”. Sie fordern, die Plattform zu erhalten: “Torial ist eine einzigartige Plattform, die es Redaktionen ermöglicht, freiberufliche Journalist*innen zu spezifischen Themen oder Regionen zu finden. Gleichzeitig bietet sie freien Journalist*innen die Möglichkeit, ihr Portfolio zu präsentieren und wertvolle Verbindungen in der Branche zu knüpfen. Mit der Abschaltung von Torial würde ein funktionierendes und äußerst wichtiges Werkzeug einfach verlorengehen.”

5. Ulrike Simon soll den RBB schon wieder verlassen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” unter Berufung auf “Medieninsider” (nur mit Abo lesbar) berichtet, liegt die langjährige Medienjournalistin Ulrike Simon, die 2021 zum RBB wechselte, mit ihrem Arbeitgeber im Clinch. Sie soll den öffentlich-rechtlichen Sender verlassen. Timo Niemeier hat die möglichen Hintergründe und Umstände des Falls zusammengefasst, der derzeit offenbar ein Arbeitsgericht beschäftigt.

6. Verharmlosende Sprache: Mangelnde Sorgfalt oder Absicht?
(infosperber.ch, Marco Diener)
Marco Diener kritisiert den sorglosen Umgang mit Sprache in vielen Medien, insbesondere bei der Berichterstattung über schwerwiegende Ereignisse. Er weist darauf hin, wie Medien durch Euphemismen wie “neutralisieren” statt “erschießen” die Realität verharmlosen. Der fahrlässige Sprachgebrauch betreffe nicht nur Medienschaffende: “Verbreitet ist er auch in der Wissenschaft, in der Werbung, in der Politik. Eigentlich bei uns allen. Denn präzises Formulieren kann schwierig sein. Und anstrengend.”

Kontrolliert euch!, Grimme-Institut in Finanznot, Influencer-Lifestyle

1. Kontrolliert euch!
(taz.de, Elisa Pfleger)
Christine Knaevelsrud ist Professorin für Psychologie an der Freien Universität Berlin und am Deutschen Zentrum für Psychische Gesundheit. Der “taz” hat sie fünf mögliche Strategien für den Umgang mit belastenden Kriegsnachrichten genannt: “Reaktion annehmen und ­Wirkung verstehen”, die “eigenen Intentionen hinterfragen”, “Zeitfenster festlegen”, sich vom Kriegs­geschehen abgrenzen und den “Austausch suchen”.

2. Aktionsplan zur Regulierung von Social Media vorgestellt
(epd.de)
Der von der Unesco vorgestellte Aktionsplan zur Regulierung Sozialer Medien sei das Ergebnis eines umfassenden Konsultationsprozesses, bei dem über 18 Monate lang mehr als 10.000 Beiträge aus 134 Ländern gesammelt wurden. Laut Unesco-Generaldirektorin Audrey Azoulay hätten Soziale Medien zwar den Fortschritt bei der Redefreiheit gefördert, aber auch die Verbreitung von Falschinformationen und Hassrede beschleunigt, was eine große Gefahr für den gesellschaftlichen Zusammenhalt darstelle: “Um den Zugang zu Informationen zu schützen, müssen wir diese Plattformen unverzüglich regulieren und zugleich das Recht auf freie Meinungsäußerung und Menschenrechte beschützen”.

3. Grimme-Institut in Finanznot
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries)
Wie gestern in “6 vor 9” zu lesen war, befindet sich das Grimme-Institut, vor allem bekannt durch den renommierten Grimme-Preis, in einer finanziellen Schieflage mit einem Defizit von 320.000 Euro in diesem Jahr und voraussichtlich 430.000 Euro im kommenden Jahr. Diese Situation hat in der Medienbranche Besorgnis ausgelöst. Es gibt bereits zwei offene Briefe zu dem Thema. Auch René Martens, freier Medienjournalist und Mitglied der Grimme-Nominierungskommission, sorgt sich um die Zukunft der Medienpreise.

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4. EU fördert Medien-Zusammenarbeit über Grenzen hinweg
(verdi.de)
Die Europäische Kommission fördert mit elf Millionen Euro die “grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Nachrichtenmedien sowie Medien, die einen direkten Beitrag zum demokratischen Leben leisten”. Der verlinkte Artikel gibt Auskunft darüber, wer sich bis wann um die Fördermittel bewerben kann. Weitere Informationen finden sich auf der eigens eingerichteten Webseite der Europäischen Kommission.

5. “Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Uwe Esser von ARD Media äußerte sich gegenüber “DWDL” zufrieden mit der TV-Vermarktung im Jahr 2023, die trotz einiger Herausforderungen fast das Niveau des Vorjahres erreicht habe. Das Jahr werde als Erfolg gewertet, insbesondere wegen der stabilen Reichweiten im Vorabendprogramm und trotz der allgemein sinkenden Reichweiten in der Branche: “Es war ein schwieriges Jahr, aber wir sind zum Ende hin mit einem blauen Auge davongekommen und liegen, den WM-Effekt herausgerechnet, knapp unter Vorjahr.”

6. Bali, Benz & Balenciaga: Hat der Luxus-Lifestyle ausgedient?
(ndr.de, Philipp Nöhr, Video: 23:49 Minuten)
Influencer präsentieren auf Social Media einen luxuriösen Lebensstil mit First-Class-Flügen, teuren Klamotten und Autos, was insbesondere junge Menschen beeinflusst, wie Studien zeigen. In dem Film des Medienmagazins “Zapp” kommen verschiedene Stimmen zu Wort: Lion Salijevic, Erfinder des Formats “Wie viel ist dein Outfit wert”, die Influencerin Marie von den Benken, die Nachhaltigkeits-Influencerin Milena Glimbovski sowie Kapitalismuskritiker und Influencer-Experte Ole Nymoen.

7. X – Muss man da jetzt nicht raus?
(radioeins.de, Lorenz Meyer, Audio: 4:38 Minuten)
Als zusätzlicher Link, weil in eigener Sache: Bei radioeins durfte der “6-vor-9”-Kurator etwas über die jüngsten Entwicklungen bei X sagen, dem Twitter-Nachfolger. Es geht um einen selbsternannten Freiheitskämpfer, das Vereinsheim der Hells Angels und die Frage, warum man manchmal ein Frosch sein sollte.

Kriminelle Energie, Razzia für rechtens erklärt, X verklagt Kritiker

1. Wie viel kriminelle Energie steckt im Bundestag?
(tagesspiegel.de, Jost Müller-Neuhof)
Wenn gegen Abgeordnete des Deutschen Bundestags ein Strafverfahren läuft, werde die Bundestagsverwaltung informiert, die Öffentlichkeit erfahre davon jedoch meist nichts. Erstmals befasse sich nun der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit dieser Praxis. Anlass sei ein fast zehnjähriger Rechtsstreit zwischen dem “Tagesspiegel” und der Bundestagsverwaltung. Im Kern gehe es um die Transparenz der Staatsgewalt und die Frage, ob der Auskunftsanspruch der Presse auch parlamentarische Angelegenheiten umfasst oder auf die Exekutive beschränkt ist.

2. Oberlandesgericht erklärt Razzia bei Radio-Redakteur für rechtens
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck)
Wie Sebastian Meineck unter Berufung auf eine “Tagesschau”-Meldung berichtet, hat das Oberlandesgericht Stuttgart eine frühere Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe revidiert und eine Hausdurchsuchung bei einem Redakteur von Radio Dreyeckland für rechtmäßig erklärt. Vorausgegangen war eine Beschwerde der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die dem Journalisten vorwirft, eine verbotene Vereinigung unterstützt zu haben. Meineck fasst den aktuellen Sachstand des Falls und dessen wechselvolle Vorgeschichte zusammen.

3. FAQ zur Situation der Medien im Gazastreifen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Der aktuelle Krieg zwischen Israel und der Hamas erweise sich als einer der gefährlichsten für Journalisten im 21. Jahrhundert, so die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG): “Insgesamt beklagt Reporter ohne Grenzen derzeit bereits 44 getötete Medienschaffende, die meisten starben durch israelisches Bombardement. Warum ist das so? Können Medien im Gazastreifen überhaupt noch sicher berichten, und wie glaubwürdig sind ihre Informationen?” Diese und viele weitere Fragen versucht ROG nun in einem FAQ zu beantworten.

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4. Twitter-Nachfolger X verklagt Kritiker
(spiegel.de)
Die Plattform X, ehemals bekannt als Twitter und nun unter der Leitung von Elon Musk, hat rechtliche Schritte gegen die medienkritische Organisation Media Matters for America eingeleitet. Vorausgegangen war ein Bericht von Media Matters, der aufzeigte, dass auf X geschaltete Werbung neben extremistischen Inhalten ausgespielt wurde, woraufhin sich große Werbekunden wie IBM, Apple und Disney zurückzogen.

5. Was bedeutet die Präsidentschaftswahl für die Medien?
(deutschlandfunk.de, Sören Brinkmann, Audio: 4:29 Minuten)
Nach seinem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen in Argentinien plane Javier Milei weitreichende Privatisierungen, die auch den öffentlichen Rundfunk betreffen. Allerdings gebe es für diese Pläne derzeit keine Mehrheit im Land. ARD-Korrespondentin Anne Herrberg gibt im Deutschlandfunk weitere Einordnungen zu dieser Entwicklung.

6. “Pluralistische Medienlandschaft ohne Grimme schlicht undenkbar”
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Das Grimme-Institut, bekannt durch den renommierten Grimme-Preis, befinde sich in einer finanziellen Notlage mit einem Defizit von 320.000 Euro in diesem Jahr, das im nächsten Jahr voraussichtlich auf 430.000 Euro ansteigen werde. Diese Situation habe in der Medienbranche Besorgnis ausgelöst. Nun appellieren 100 Medienpersönlichkeiten an die Gesellschafterinnen und Gesellschafter des Instituts, für eine “langfristig adäquate finanzielle Ausstattung des Grimme-Instituts und seiner Preise” zu sorgen.

Charta zu KI und Journalismus, Aus für Zustellförderung, Seelenlos

1. RSF stellt Charta zu KI und Journalismus vor
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat zusammen mit 16 Partnerorganisationen die “Pariser Charta für Künstliche Intelligenz (KI) und Journalismus” veröffentlicht (PDF, englisch), die zehn Grundsätze für den Einsatz von KI im Journalismus definiert: “Die Charta greift journalistische Grundwerte auf und legt besonderen Wert auf die zentrale Rolle der menschlichen Entscheidungsfindung und Verantwortung beim Einsatz von Technologien”, so Christophe Deloire, Generaldirektor von Reporter ohne Grenzen.
Weiterer Lesehinweis: Robert Habeck will “vernünftige” KI-Regulierung auf europäischer Ebene (zeit.de).

2. Zustellförderung kommt nicht
(faz.net)
Die Bundesregierung habe in ihrem Koalitionsvertrag zwar versprochen, sie werde eine Förderung der Zeitungszustellung prüfen, doch dazu werde es auch 2024 nicht kommen. Dies führe zu Frustration bei den Verlegerverbänden, die an der Glaubwürdigkeit der Regierung zweifeln und betonen, dass die Förderung einer freien und unabhängigen Presse für den demokratischen Konsens und den Erhalt der Medienvielfalt unverzichtbar sei.

3. EU-Kommission will nicht mehr bei Musk werben
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die Europäische Kommission habe ihre Werbeaktivitäten auf der von Elon Musk übernommenen Plattform Twitter/X eingestellt, da sie die Verbreitung von Fehlinformationen und eine mögliche Rufschädigung befürchte. Zuvor hätten bereits bekannte Marken und Unternehmen wie Apple, IBM, Disney, Warner Brothers, Paramount und Sony ihren Rückzug von der Plattform angekündigt.

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4. Erhöhung des Rundfunkbeitrags? Brandenburg bleibt beim “Nein”
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die KEF (Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten) werde voraussichtlich eine leichte Erhöhung des Rundfunkbeitrags empfehlen. Davon dürfen die Bundesländer, die einer Erhöhung formal zustimmen müssen, nur in Ausnahmefällen abweichen. Dazu wird es nun wohl kommen: Das Land Brandenburg habe seinen Widerstand gegen die Erhöhung bekräftigt und angekündigt, mit Nein zu stimmen.

5. Telegram und die antisemitische Verrohung des Diskurses
(belltower.news)
Der Artikel von “Belltower.News” analysiert die Entwicklung der antisemitischen Beiträge in der rechtsextremen und verschwörungsideologischen Szene auf Telegram in Deutschland, insbesondere im Zusammenhang mit dem Krieg in Nahost. Die Diskussionen würden eine deutliche Verrohung und Instrumentalisierung des Konflikts zeigen, wobei verschiedene rechtsextreme Gruppen und Persönlichkeiten ihre eigenen antisemitischen und verschwörungsideologischen Erzählungen verbreiten.

6. Seelenlos reisen
(uebermedien.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris beschreibt die jüngsten inhaltlichen Veränderungen bei “Merian”. Das Reisemagazin, das einst für seine kulturell angereicherten Reportagen über einen bestimmten Ort bekannt war, hat nach einer längeren Pause sein Konzept grundlegend überarbeitet. Unter der Leitung von Verleger Sebastian Ganske habe sich “Merian” von seinem monothematischen Ansatz verabschiedet und präsentiere sich nun als klischeebehaftetes Luxus-Reisemagazin, das weitgehend mit PR-Material bebildert sei und keine originellen Ideen oder Inhalte biete, schreibt Pantelouris: “Wenn das jetzt alles ein bisschen negativ klingt, dann war ich nicht deutlich genug: Es ist furchtbar.”

Angriff auf Reporter, Zensur oder verpasste Chance?, Förderung

1. Erneut Angriff auf Reporter
(taz.de)
Wie die “taz” berichtet, wurde ein Journalist der “Ostthüringer Zeitung” bei einer AfD-Veranstaltung in Thüringen bedroht und angegriffen. Außerdem habe er in allen vier Reifen seines Autos Schrauben bemerkt, die bis zum Kopf eingedreht gewesen seien. Bereits im August 2022 war derselbe Journalist vom damaligen Bürgermeister der thüringischen Kleinstadt Bad Lobenstein angegriffen worden. Der Deutsche Journalisten-Verband Thüringen, die Landespressekonferenz und die Thüringer Landesregierung verurteilen den aktuellen Vorfall scharf.

2. Die ARD setzt israelkritischen Film ab: Vorsicht? Angst? Oder doch Zensur?
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
In einem Text für den “Spiegel” hat Arno Frank die Absetzung des preisgekrönten palästinensischen Films “Wajib” durch die ARD mit deutlichen Worten kritisiert: “Eine Zensur findet statt” (nur mit Abo lesbar). Beim “Tagesspiegel” hat sich nun Joachim Huber mit der Absetzung des Films sowie mit Franks Kritik auseinandergesetzt. Eine Zensur könne Huber darin nicht erkennen, wohl aber eine verpasste Chance: “Die ARD, eine öffentlich-rechtliche Institution, hätte die Gelegenheit nutzen sollen, den Film zu zeigen und gleichzeitig in eine Diskussion einzubetten. Erst ‘Wajib’, dann ‘hart aber fair’.”

3. Journalismus-Förderung: Die Ausgangsthesen sind falsch
(flurfunk-dresden.de, Peter Stawowy)
Bezugnehmend auf einen “Spiegel”-Gastbeitrag von Sebastian Turner (nur mit Abo lesbar), kritisiert Peter Stawowy die bisherigen Ansätze der Journalismusförderung in Deutschland. Er argumentiert, dass diese auf falschen Annahmen beruhten, insbesondere auf der Vorstellung, es fehle an lokalen Informationsangeboten. Stawowy hält sowohl die staatliche Presseförderung als auch konkrete Vorschläge für unzureichend: “Die Ausgangsthese ist falsch. Wir haben nicht zu wenige Informations-Angebote im lokalen Bereich. Wir haben zu wenig Journalismus, der sich kritisch und distanziert mit staatlichem und institutionellem Handeln auseinandersetzt.” Er prognostiziert, dass es keinen wirtschaftlich erfolgreichen Lokaljournalismus mehr geben wird, sondern dass sich die Menschen ihre lokalen Informationen selbst suchen und verbreiten werden.
Weiterer Lesehinweis: Macht endlich gemeinnützigen Journalismus möglich: “Die Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag versprochen, gemeinnützigen Journalismus zu ermöglichen. Doch bei der aktuellen Reform der Gemeinnützigkeit stockt es – ein fataler Fehler für unsere Demokratie.” (correctiv.org, David Schraven)

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4. Dein Bild als Beute
(netzpolitik.org, Vincent Först)
Vincent Först hat für netzpolitik.org aufgeschrieben, wie Menschen auf der Jagd nach authentischen Inhalten für ihre Social-Media-Kanäle die Privatsphäre und die Rechte ihrer Mitmenschen missachten. Das könne im Prinzip jeden treffen, so Först: “Selbst diejenigen, die sich den sozialen Medien entziehen, laufen Gefahr, von Creator:innen zu Subjekten ebendieser gemacht zu werden. So entsteht eine neue Form der privaten Überwachung. Dahinter stehen nicht wie üblich datenhungrige Konzerne oder Sicherheitsbehörden, sondern Menschen mit gezückten Smartphones, die jederzeit auf ‘Record’ drücken können, um uns ihrem ‘Content Gaze’ zu unterwerfen.”

5. Corona-Untersuchungsausschuss – Landtag empört über Nordkurier-Berichte
(nordkurier.de)
Die Berichterstattung des “Nordkuriers” über den Corona-Untersuchungsausschuss des Brandenburger Landtags führte zu einer ungewöhnlichen Beanstandung durch die Landtagsverwaltung. Hauptkritikpunkte seien Zitate aus vertraulichen Ausschussdokumenten und die namentliche Nennung einer Virologin, die mit Christian Drosten in Verbindung gebracht wurde. Der “Nordkurier” verteidigt seine Berichterstattung und veröffentlicht sowohl das Beschwerdeschreiben der Landtagsverwaltung als auch die eigene Antwort darauf.

6. Musk verschreckt weitere große Werbekunden
(spiegel.de)
Wie der “Spiegel” berichtet, haben große Werbekunden wie Apple und Disney nach einem Eklat um Antisemitismus und Nazi-Inhalte auf Elon Musks Plattform X (vormals Twitter) die dortige Schaltung von Werbung gestoppt. Die Werbetreibenden würden damit auf Berichte reagieren, nach denen ihre Anzeigen neben Nazi-Posts und antisemitischen Äußerungen erschienen, woraufhin X behauptete, Marken nicht “aktiv neben dieser Art von Inhalten” zu platzieren. Zusätzlich zu dieser Kontroverse habe Musk selbst für Aufsehen gesorgt, indem er einen antisemitischen Post billigte, was unter anderem vom Weißen Haus scharf kritisiert wurde.

KW 46/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Geht’s noch? Weshalb haben Medien Hubert Seipels Putin-PR so gerne verbreitet?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 25:54 Minuten)
Der Journalist und Dokumentarfilmer Hubert Seipel, bekannt für seine Bücher über und Interviews mit Wladimir Putin, soll Recherchen von ZDF und “Spiegel” zufolge 600.000 Euro aus Russland erhalten haben. Der NDR hat daraufhin eine Untersuchungskommission eingerichtet, der Verlag Hoffmann und Campe Seipels Bücher aus dem Verkauf genommen. Im “Übermedien”-Podcast spricht Holger Klein mit der Osteuropa-Historikerin Franziska Davies über den Fall, die nicht überrascht ist, dass Seipel Geld aus Russland bekommen hat.

2. Schlagabtausch zwischen Lindemann-Anwalt und Spiegel-Anwalt über MeeToo
(youtube.com, Felix W. Zimmermann, Video: 1:06:58 Stunden)
Im “LTO-Streitgespräch” zwischen den Rechtsanwälten Simon Bergmann (vertritt unter anderem Till Lindemann und Luke Mockridge) und Marc-Oliver Srocke (vertritt unter anderem den “Spiegel”) diskutieren die beiden Juristen anhand aktueller Fälle über das Thema Verdachtsberichterstattung. Außerdem geht es um Cancel Culture, Berichterstattung trotz eingestellter Ermittlungsverfahren und den sogenannten “fliegenden Gerichtsstand”. Eine leidenschaftlich geführte und medienethisch wie rechtlich spannende Debatte.

3. Mafia, Korruption, Sex: Die Skandale des Silvio Berlusconi
(macht-und-millionen.podigee.io, Solveig Gode & Kayhan Özgenç, Audio: 53:23 Minuten)
In “Macht und Millionen” berichten Solveig Gode und Kayhan Özgenç von “Business Insider” regelmäßig über spektakuläre Wirtschaftsverbrechen. Diesmal geht es um die Skandale des italienischen Medienmoguls Silvio Berlusconi und insbesondere um dessen Verbindungen zur Mafia.

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4. Wie wir durch True Crime zu Mittätern werden
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 20:10 Minuten)
Bei “Läuft”, der “Programmschau” von epd medien und Grimme-Institut, geht es in der aktuellen Folge um das erfolgreiche, aber nicht unumstrittene True-Crime-Genre. Der Schriftsteller und Fernsehkritiker Torsten Körner findet es beispielsweise “einerseits widerlich, zum anderen lächerlich – und auf jeden Fall medienethisch bedenklich”. Alexander Matzkeit hat Körner nach dessen Beweggründen für diese Einschätzung gefragt.

5. Undercover in der Hitler-Zeitung
(br.de, Linus Lüring & Victoria Koopmann, Audio: 23:24 Minuten)
In der Sendung “Undercover in der Hitler-Zeitung” geht es um die journalistische Undercover-Arbeit von Paula Schlier im Jahr 1923. Sie schleuste sich damals in den “Völkischen Beobachter” ein, das Propagandablatt der NSDAP, um zu den Machenschaften der Nationalsozialisten zu recherchieren. Dabei wurde sie überraschend Zeugin des historischen, gescheiterten Hitler-Putsches vom 8. November 1923. Die von der BR-Journalistin Paula Lochte recherchierte Geschichte basiert auf Schliers Tagebüchern und Memoiren und bietet Einblicke in die Frühzeit des Nationalsozialismus.

6. Galleripky – Fotografie mit Paul Ripke
(ardmediathek.de, Benjamin Rost, Videoserie mit vier Folgen zu je etwa 30 Minuten)
Fotograf, Podcaster, Multitalent Paul Ripke hat für die ARD recherchiert, wie erfolgreiche Fotografen und Fotografinnen zu ihren Bildern kommen. In der ersten Folge geht es um Eventfotografie (“vom Rockfestival zur Trauung”), in der zweiten um Porträtfotografie (“Intimität im Studio”), in der dritten um Naturfotografie (“Alpenpanorama und Wildlife”) und in der vierten Folge um Straßenfotografie (“Architektur und Ruhrgebiets-Flair”).

Chronologie einer Geisterfahrt, Kein Glyphosat, “Mitbürger”-Begriff

1. Chronologie einer Geisterfahrt
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz)
Anhand bislang unveröffentlichter Akten aus dem Bundeswirtschaftsministerium zeigt Ingo Dachwitz, warum die Regierung mit dem Versuch einer Presseförderung scheiterte und wie groß der Einfluss der Presseverleger auf den Prozess war. So heiße es in einem Schreiben eines Staatssekretärs aus dem Ministerium an den Verlegerverband BDZV: “Wir tun alles, um die Belange der Verlagsbranche so gut wie möglich zu berücksichtigen”.

2. AfD muss ARD-“Monitor” zu Parteitag zulassen
(faz.net)
Wie der WDR meldet, hat das Landgericht Erfurt eine einstweilige Verfügung gegen die AfD Thüringen erlassen, nach der die Partei Journalistinnen und Journalisten des ARD-Magazins “Monitor” Zugang zum Landesparteitag gewähren muss. Die AfD hatte dem Fernsehteam zuvor die Akkreditierung verweigert, weil sie dessen Berichterstattung ablehnt. Ellen Ehni, Chefredakteurin Politik und Zeitgeschehen des WDR, kommentiert: “Das ist ein Erfolg für die freie Berichterstattung in diesem Land – und für die Demokratie. Das Gericht bestärkt uns in unserem Auftrag. Dazu gehört auch die Berichterstattung über Landesparteitage, bei denen kritische Fragen selbstverständlich möglich sein müssen.”

3. Weshalb man Juden nicht “Mitbürger” nennen sollte
(deutschlandfunk.de, Henry Bernhard)
Henry Bernhard diskutiert die problematische Verwendung des Begriffs “jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger”. Er argumentiert, dass die Bezeichnung eine sprachliche Grenze schaffe, die “Jude” als abweichend von der “Normalität” darstelle. Dies gelte auch in anderen Fällen: “Wer den anderen mit einem vorgesetzten Adjektiv als ‘Mitbürger’ bezeichnet, zieht eine Grenze zwischen sich und ihm, zwischen sich und ‘dem Anderen’, dem er aber verbal in paternalistischer Pose wohlmeinend auf die Schulter klopft. Man sagt ihm dabei, dass man selbst ‘normal’ sei, der andere aber irgendwie anders. Oder auch schwächer, betreuungsbedürftig.”

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4. Das ist kein Glyphosat. Das auch nicht. Das auch nicht. Das auch nicht.
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier kritisiert bei “Übermedien” die falsche Bebilderung von Glyphosat in der Berichterstattung mehrerer Medien. Anhand von Beispielen zeigt er, dass häufig Bilder von Traktoren, die über Felder fahren und dabei verschiedene Substanzen versprühen, fälschlicherweise als Illustrationen für Glyphosat verwendet werden. Solche Aufnahmen würden einen falschen Eindruck vom Einsatz des umstrittenen Unkrautvernichters vermitteln und die Unkenntnis der Redaktionen über die tatsächliche Wirkungsweise und Anwendung von Glyphosat zeigen.

5. Sinn und Zweck
(journalist.de, Jennifer Spatz & Celine Schäfer)
Der “journalist” hat sich bei Medienschaffenden, Wissenschaftlerinnen und Strategen umgehört, wie sie zum Thema “Purpose” stehen: Wie spiegelt sich das Thema Sinn in der Medienbranche wider? Dabei wird deutlich, dass der oft missverstandene oder ignorierte Begriff eine vielschichtige Bedeutung haben und ganz individuell bewertet werden kann.

6. “Stumpf jeden Scheiß zu präsentieren – ich würde mich schämen” – Oliver Kalkofe über Social Media und TV.
(turi.de, Markus Trantow)
In einem Interview mit “turi2” äußert sich Oliver Kalkofe, unter anderem bekannt durch seine satirische Fernsehsendung “Kalkofes Mattscheibe”, kritisch über Social Media und Fernsehen. Er zeigt sich besorgt über Jugendliche, die Influencern nacheifern, und über die Tendenz des Fernsehens, irreführende oder minderwertige Inhalte zu präsentieren. Kalkofe reflektiert auch den Wandel in der Werbelandschaft, indem er die vergangene Ära von Werbeikonen wie Frau Sommer und Herrn Kaiser mit der heutigen Generation von Influencern vergleicht (der Beitrag ist ein Auszug aus dem “turi2”-Podcast mit Kalkofe, der Ende September erschienen ist).

“Süddeutsche” bedauert, AfD vs. “Monitor”, Reichelts Taliban-Tweet

1. »Süddeutsche Zeitung« bedauert »Fehler« in Berichterstattung über Jens Söring
(spiegel.de)
Die “Süddeutsche Zeitung” hat für Fehler in der Berichterstattung über den in den USA verurteilten Mörder Jens Söring um Entschuldigung gebeten. Chefredakteur Wolfgang Krach räumte gegenüber dem Medienmagazin “Zapp” ein (Pressemitteilung, Video), dass die Journalistin Karin Steinberger gegen Ende ihrer Recherchen die notwendige journalistische Distanz zu Söring und dessen Umfeld verloren habe. Auch Steinberger, die Söring über zwölf Jahre bis zu dessen Freilassung im Dezember 2019 begleitet und mehr als ein Dutzend Artikel über den Fall geschrieben hat, bedauerte, in einigen E-Mails Grenzen überschritten zu haben.

2. “Monitor” darf nicht zu AfD-Landesparteitag
(dwdl.de, Manuel Weis)
Wie “DWDL” berichtet, hat die thüringische AfD dem TV-Magazin “Monitor” den Zutritt zu ihrem Landesparteitag verweigert, mit der Begründung, dass bei der ARD-Sendung “überhaupt nicht mehr von einer journalistischen Berichterstattung die Rede sein” könne. “Monitor”-Chef Georg Restle kritisiert die Entscheidung als “Offenbarungseid eines rechtsextremen AfD-Landesverbandes, der zeigt, was die Partei von kritischem Journalismus und Meinungsfreiheit in diesem Land hält”. Der WDR prüfe rechtliche Schritte gegen die verweigerte Akkreditierung.

3. Julian Rei­chelt muss Taliban-Tweet löschen
(lto.de, Max Kolter)
Das Kammergericht Berlin hat auf Betreiben des Bundesministeriums für Zusammenarbeit und Entwicklung einen Tweet des ehemaligen “Bild”-Chefredakteurs Julian Reichelt untersagt, in dem dieser behauptete, Deutschland habe 370 Millionen Euro Entwicklungshilfe an die Taliban gezahlt. Das Gericht habe darin eine unwahre Tatsachenbehauptung gesehen, die geeignet sei, das Vertrauen der Bevölkerung in die Bundesrepublik zu gefährden. Diese Entscheidung stelle eine Abkehr von der vorherigen Einschätzung durch das Landgericht Berlin dar, das Reichelts Tweet noch als zulässige Meinungsäußerung eingestuft habe.

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4. “Musk hat einen Safe Space für Rassisten geschaffen”
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Seit der Übernahme von Twitter durch Elon Musk ist laut einer Untersuchung des Center for Countering Digital Hate (CCDH) eine Zunahme von Rassismus und Antisemitismus auf der Plattform zu beobachten. Die Untersuchung ergab, dass 98 Prozent der gemeldeten hasserfüllten Beiträge online blieben, darunter solche, die zu Gewalt aufrufen, den Holocaust leugnen oder Nazis verherrlichen. Imran Ahmed vom CCDH kommentiert: “Das ist das unvermeidliche Ergebnis, wenn man Sicherheits- und Moderationspersonal abbaut […] und jedem, der bereit ist, 8 US-Dollar pro Monat zu zahlen, mehr Sichtbarkeit bietet. Musk hat einen safe space für Rassisten geschaffen und versucht, aus der Straffreiheit, die sie dazu bringt, marginalisierte Gemeinschaften anzugreifen, zu belästigen und zu bedrohen, eine Tugend zu machen.”

5. KI-Jobs im Journalismus: Wettrennen gegen die Technologie
(fachjournalist.de, Gunter Becker)
Gunter Becker beschäftigt sich beim “Fachjournalist” mit der wachsenden Bedeutung von KI-bezogenen Jobs in der Medienbranche. Einige Medienhäuser würden inzwischen aktiv nach Spezialisten für Künstliche Intelligenz suchen, um Redaktion, Marketing und Management zu optimieren. Becker hat mit einem erfahrenen Chefredakteur und einem Medienwissenschaftler darüber gesprochen, ob damit bereits eine neue Jobwelle auf die Branche zurollt oder ob es sich noch um vereinzelte “Pionier-Stellen” handelt.

6. Google-KI sagt Wetter genauer und viel sparsamer als die besten Supercomputer vorher
(derstandard.at, Andreas Proschofsky)
Andreas Proschofsky beschreibt, wie Googles Künstliche Intelligenz namens Graphcast die Genauigkeit und Effizienz von Wettervorhersagen verändert. Laut Google übertrifft Graphcast die derzeit besten Systeme in den meisten Fällen und könne Wettervorhersagen für zehn Tage in nur einer Minute erstellen, wobei es lediglich einen Bruchteil der Energie herkömmlicher Supercomputer verbrauche.

600.000 Euro aus Russland?, Reißerische Talkshowtitel, Auf1-Deal

1. Journalist Hubert Seipel: 600.000 Euro aus Russland?
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Der Journalist und Dokumentarfilmer Hubert Seipel, bekannt für seine Bücher über und Interviews mit Wladimir Putin, soll laut ZDF und “Spiegel” 600.000 Euro aus Russland erhalten haben. Diese Information beruhe auf vertraulichen Dokumenten aus der internationalen Recherche “Cyprus Confidential”. Seipel habe die finanzielle Unterstützung durch den russischen Oligarchen Alexej Mordaschow bestätigt, betone aber, dass dies keinen Einfluss auf den Inhalt seiner Bücher gehabt habe. Der NDR, für den Seipel mehrfach Putin interviewt hatte, sieht das anders und hat eine Untersuchungskommission eingesetzt: “Es besteht der Verdacht, dass wir und damit auch unser Publikum vorsätzlich getäuscht worden sind. Dem gehen wir jetzt nach und prüfen rechtliche Schritte”, so NDR-Intendant Joachim Knuth.

2. Doch keine “Medienrevolution”
(taz.de, Anne Fromm)
Der Fernsehsender Auf1, der für die Verbreitung von Verschwörungsmythen und rechter Hetze bekannt ist, darf in Deutschland nicht mehr über Satellit senden. Der in Österreich gegründete Sender, der vor allem bei Corona- und Klimawandelleugnern, Putin-Fans und Rechtsextremen beliebt ist, hatte es mit einem Trick ins deutsche Fernsehen geschafft: Er hatte Sendezeit bei einem Regionalsender gekauft. Nun habe die Landesmedienanstalt Baden-Württemberg entschieden, dass dieser Deal gegen den Medienstaatsvertrag verstößt und die Ausstrahlung von Auf1 in Deutschland nicht mehr erlaubt ist.

3. Reißerische Talkshowtitel und der Gaza-Konflikt
(deutschlandfunk.de, Sascha Wandhöfer)
Sascha Wandhöfer beschäftigt sich in seinem Beitrag mit der Verwendung von dramatischen und reißerischen Überschriften in politischen Talkshows, insbesondere im Kontext des Krieges in Nahost. Solche Titel könnten zwar hohe Einschaltquoten generieren, hätten aber auch negative Effekte wie Themenverdrossenheit und Nachrichtenmüdigkeit. Experten und Medienforscher betonen die Notwendigkeit eines sorgfältigen Framings und plädieren für konstruktivere Ansätze in der Berichterstattung, um eine bessere Diskussions- und Problemlösungskultur in der Gesellschaft zu fördern.

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4. Ampel will Streaming von Gerichtsprozessen ermöglichen
(spiegel.de)
Nach Informationen des “Spiegel” plant die Ampelkoalition, das Streaming von Gerichtsverhandlungen zu ermöglichen, so dass Prozessbeteiligte an Zivilgerichten digital an den Verhandlungen teilnehmen können. Der Gesetzesentwurf sehe auch vor, dass Videoverhandlungen der Öffentlichkeit per Streaming zugänglich gemacht werden können.

5. Gazprom-Lobby: Sigmar Gabriel erstreitet Halbsatz gegen CORRECTIV
(correctiv.org, Justus von Daniels & Annika Joeres)
Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel hat eine einstweilige Verfügung gegen das Recherchezentrum “Correctiv” erwirkt, um die Darstellung seiner Haltung zu Russland in einem Artikel über die “Gazprom-Lobby” zu korrigieren. Trotz dieser gerichtlichen Entscheidung bleibe die Grundaussage des Artikels bestehen, schreibt “Correctiv”. Man werde gegen das Urteil Berufung einlegen: “Wir halten diese Entscheidung in mehrfacher Hinsicht für höchst problematisch. Vor allem befürchten wir, dass es der Presse künftig schwer gemacht wird, komplexe Sachverhalte zusammenfassend auf den Punkt zu bringen”, so der “Correctiv”-Anwalt.

6. “Stört soziale Harmonie”: Nepal verbietet TikTok
(orf.at)
Die nepalesische Regierung plane, die Videoplattform TikTok zu verbieten, da sie der Ansicht sei, dass die App negative Auswirkungen auf die “soziale Harmonie” im Land habe. Die Ankündigung des Verbots habe in der Öffentlichkeit große Aufregung ausgelöst. Kritiker sähen in der Maßnahme einen Versuch, die Meinungsfreiheit zu beschneiden.

KI-Regeln und KI-Fälschungen, Twitter und der Rechtsruck, ARD-Presseclub

1. Künstliche Intelligenz als “unterstützendes Werkzeug”
(deutschlandfunk.de, Martin Krebbers, Audio: 5:02 Minuten)
Mehrere Journalismusverbände, darunter der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), haben die sogenannte Paris-Charta unterzeichnet, die Grundregeln für den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in Medien festlegt. Diese Regeln betonen, dass KI im Journalismus nur als unterstützendes Werkzeug eingesetzt werden sollte, wobei die redaktionelle Verantwortung und die Verpflichtung zur Transparenz bei KI-generierten Inhalten gewahrt bleiben müssen. KI könne unterstützend wirken, etwa beim Vorlesen, Untertiteln oder Transkribieren, dürfe aber nicht zu einem synthetischen Journalismus führen, so der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster.

2. Falsche tagesschau-Audiodateien im Umlauf
(tagesschau.de, Carla Reveland & Pascal Siggelkow)
Der “Tagesschau”-“Faktenfinder” warnt vor gefälschten, KI-generierten Audiodateien, die vermeintlich von der “Tagesschau” stammen sollen. Diese Soundclips würden suggerieren, dass sich die Redaktion für angebliche Lügen in ihrer Berichterstattung entschuldige, insbesondere zu Themen wie dem Krieg in der Ukraine und der Corona-Pandemie.

3. Plädoyer für den mündigen Zuschauer. Der “Presseclub” in der ARD
(epd.de, Christopher Hechler)
Christoph Hechler lobt die Sendung “Presseclub”, die sich wohltuend von anderen öffentlich-rechtlichen Talkshows abhebe. Besonders angetan ist er von der anschließenden Diskussion mit den Zuschauerinnen und Zuschauern: “Richtig glänzen kann der ‘Presseclub’ aber dann, wenn er seine bei Phoenix, WDR5 und im Netz ausgestrahlte Verlängerungs-Viertelstunde für die ‘Nachgefragt’-Rubrik nutzt – denn immer wieder präsentieren sich die Zuschauer als informierte Journalismus-Interessierte, die am Diskussionstisch in der Sendung ebenso gut aufgehoben wären wie manche Teilnehmer.”

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4. Twitter, der Rechtsruck und die paralysierte Linke
(mspr0.de, Michael Seemann)
Michael Seemann diskutiert den politischen Rechtsruck in Deutschland und dessen möglichen Zusammenhang mit dem Niedergang von Twitter. Der Wegfall von Twitter als einheitlicher Vernetzungsraum für die linksliberale bis linksradikale Szene habe zu einer Fragmentierung und einem Verlust an diskursiver Relevanz geführt. Seemann befürchtet, dass sich die jüngere Generation zunehmend von textbasierten Diskursen abwendet und stattdessen auf visuellen Plattformen wie TikTok, Instagram und YouTube kommuniziert, wo reflektierte linke Stimmen in die Minderheit geraten könnten.

5. Was sind extrem rechte Memes?
(belltower.news)
Der Artikel auf “Belltower.News” beschäftigt sich mit rechtsextremen Memes in der Internetkommunikation. Solche Memes würden als Propagandainstrumente und zur Verbreitung extremistischer Ideologien eingesetzt, indem sie komplexe politische Themen vereinfachen und emotionalisieren. Sie trügen zur Normalisierung von Hass und Diskriminierung bei und dienten in extremistischen Online-Communities als Mittel der Identitäts- und Gruppenbildung. Die Aufklärungsbroschüre kann hier als PDF heruntergeladen werden.

6. Das passiert, wenn man eine Schimpfwort-Forscherin in eine Talkshow einlädt
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 1:23 Minuten)
Himmel, Arsch und Zwirn! Boris Rosenkranz hat in unterhaltsamen 83 Sekunden zusammengeschnitten, was passiert, wenn eine Expertin fürs Schimpfen in eine TV-Talkrunde eingeladen wird.

Anti-SLAPP-Richtlinie, Wert von Silbereisen, Ende der “Klaukästen”

1. Offener Brief an die EU
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen (ROG) und 73 weitere zivilgesellschaftliche Organisationen zeigen sich besorgt über den aktuellen Stand der Verhandlungen zur Anti-SLAPP-Richtlinie der EU, die Medienschaffende und Menschenrechtsaktivisten vor Einschüchterungsklagen schützen soll. Ohne die Möglichkeit, unbegründete Klagen frühzeitig abzuweisen, verliere die Richtlinie ihre Wirkung. ROG betont die Notwendigkeit einer starken Anti-SLAPP-Gesetzgebung in Europa, um Journalisten, Aktivisten und NGOs wirksam vor Einschüchterungsklagen zu schützen.

2. Bilder aus Gaza: Ein Balanceakt für die Medien
(ardmediathek.de, Marie Blöcher & Kim Kristin Mauch, Video: 15:56 Minuten)
Das Medienmagazin “Zapp” beschäftigt sich mit der schwierigen Berichterstattung über den Gaza-Krieg. Sowohl die Terrororganisation Hamas als auch die israelische Armee würden versuchen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Da Journalistinnen und Journalisten nicht in den Gaza-Streifen reisen könnten, seien die Berichte der sogenannten Stringer umso wertvoller. Dabei handelt es sich um freie Mitarbeiter, die vor Ort ansässig sind und zum Teil direkt aus dem Geschehen berichten. Die Berichterstattung sei trotzdem ein Balanceakt.

3. Was kosten die Shows von Florian Silbereisen?
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Markus Ehrenberg diskutiert im “Tagesspiegel” die finanziellen Aspekte der vom MDR produzierten Shows von Florian Silbereisen. Der Sender soll von 2020 bis 2023 angeblich rund 45 Millionen Euro für Silbereisens Shows ausgegeben haben, was Fragen nach der Angemessenheit der Ausgaben für öffentlich-rechtliche Medien aufwerfe. Eine Gremiensitzung zur Zukunft Silbereisens beim MDR sei wegen Krankmeldungen abgesagt worden, was Ehrenberg nachdenklich stimmt: “Drückt man sich da womöglich vor einer Entscheidung? Es wäre vielleicht interessant zu erfahren, ob es auch in den nächsten Jahren so viel öffentlich-rechtliches Geld für Silbereisen-Shows gibt. Private können da kaum mithalten.”

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4. Staatsstreiche gegen Pressefreiheit
(taz.de, Katrin Gänsler)
Die Westafrika-Korrespondentin Katrin Gänsler weist in der “taz” auf die kritische Lage des Journalismus in der westafrikanischen Sahelzone hin. Seit August 2020 habe es in Westafrika sechs Staatsstreiche gegeben, die zu einer zunehmenden Unterdrückung der Pressefreiheit geführt hätten, insbesondere in den Ländern Burkina Faso, Mali und Niger. Journalistinnen und Journalisten würden dort häufig bedroht, verhaftet oder sogar getötet.

5. Das Ende der Klaukästen
(clap-club.de, Daniel Häuser)
Der Axel-Springer-Konzern habe das Ende der sogenannten “Klaukästen” angekündigt, in denen seit Jahrzehnten Boulevardtitel wie “Bild” in Städten zum Mitnehmen angeboten werden. Ab dem 20. November werde die München-Ausgabe der “Bild”-Zeitung nicht mehr in diesen Kästen erhältlich sein, weitere Städte sollen folgen. Das Unternehmen wolle sich auf den stationären Einzelhandel konzentrieren und Kosten sparen. Die Entscheidung sei Teil der “Digital-Only”-Strategie von Springer-Chef Mathias Döpfner und ein weiterer Schritt weg von den traditionellen Vertriebswegen für Printmedien.

6. Ein berühmter YouTuber rettet Afrika – glaubt er jedenfalls
(spiegel.de, Heiner Hoffmann)
Heiner Hoffmann beschreibt eine Aktion des weltweit erfolgreichsten Youtubers “MrBeast”, der für ein Video 100 Brunnen in Afrika bohren ließ, um den dort lebenden Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser zu ermöglichen. “MrBeast” behauptete in seinem Video, dass diese Brunnen 500.000 Personen versorgen könnten, aber diese Zahl sei stark übertrieben und viele der Brunnen seien noch nicht funktionsfähig. Die Aktion habe in Kenia eine Debatte über die Rolle der Regierung und das Konzept des “weißen Retters” ausgelöst.

KW 45/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Taiwancast 35: China-Korrespondent Philipp Mattheis
(intaiwan.de, Klaus Bardenhagen, Audio: 56:39 Minuten)
Wer sich für China und Taiwan interessiert, kommt in der aktuellen Folge des “Taiwancast” gleich doppelt auf seine Kosten: Der Journalist und “Taiwancaster” Klaus Bardenhagen hat den Journalisten Philipp Mattheis zu Gast, der bereits auf ein bewegtes Korrespondentenleben zurückblicken kann und jahrelang für große Magazine aus Shanghai berichtet hat. Unbedingt hörenswert, weil der Podcast viele Schilderungen und Einschätzungen bietet, die man vielleicht nur in einem solchen Gespräch bekommt.

2. Weshalb sterben so viele Journalisten im Gaza-Krieg?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 23:07 Minuten)
“Es ist der tödlichste Beginn eines Krieges im 21. Jahrhundert”, sagt Christopher Resch, Pressesprecher der Organisation Reporter ohne Grenzen, beim Blick auf die Zahlen getöteter Journalisten und Journalistinnen in Gaza und in Israel. Im “Übermedien”-Podcast spricht Resch auch über die Vorwürfe gegen Agentur-Reporter aus Gaza, Helfer der Terroristen der Hamas zu sein, sowie über die Vermutung, dass das israelische Militär zumindest vereinzelt gezielt Journalisten ins Visier nimmt.

3. Kriegspropaganda: Journalisten zwischen Wahrheit und Desinformation
(br.de, Nina Landhofer, Audio: 23:11 Minuten)
Vergangenes Wochenende haben wir hier auf eine Gemeinschaftsproduktion von “BR24 Medien” und dem ARD-Podcast “Lost in Nahost” aufmerksam gemacht (Wie kommen Journalisten an Informationen aus Gaza und Israel?). Darin ging es um die schwierigen Bedingungen für das Korrespondententeam, das derzeit nicht in den Gaza-Streifen kann, und die Wichtigkeit der dortigen Mitarbeiter. Diese Woche gibt es quasi eine Fortsetzung: “Julio Segador aus dem ARD-Studio in Tel Aviv berichtet, wie ihn Propagandavideos, Des- und Falschinformationen zugespielt werden – und wie er damit umgeht. Außerdem erklärt BR24-Faktencheckerin Julia Ley, wie sie Informationen überprüft – manchmal in Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen in den ARD-Studios vor Ort.”

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4. Richard C. Schneider – “Draußen ist immer Gefahr”
(hr2.de, Jagoda Marinić, Audio: 1:45:39 Stunden)
In “Freiheit Deluxe” spricht Journalist und Autor Richard C. Schneider anlässlich der aktuellen Ereignisse im Nahen Osten mit Gastgeberin Jagoda Marinić unter anderem über die Darstellung von Gewalt in Medien, das Aufwachsen mit dem Trauma der Eltern und die komplexen Perspektiven des Nahostkonflikts.

5. The Pioneer: Wie gewinnt man Abonnenten mit Newslettern und Podcasts?
(podcasters.spotify.com, Lennart Schneider, Audio: 1:11:56 Stunden)
Zu Gast bei “Subscribe Now” ist Moritz Klein von “The Pioneer”, dem Medienunternehmen des ehemaligen “Handelsblatt”-Chefredakteurs Gabor Steingart. “The Pioneer” ist wegen seiner Wirtschaftsnewsletter und Podcasts bekannt, aber auch wegen seines Medienschiffs, mit dem die Crew durch das Berliner Regierungsviertel schippert. In dem Gespräch geht es vor allem um die Frage, wie das Unternehmen aus Leserinnen und Lesern zahlende Kundinnen und Kunden macht.

6. Krisen, Kriege, Katastrophen – nur noch zum Abschalten?
(youtube.com, Susanne Amann, Audio: 54:06 Minjuten)
Das Vertrauen in Medien ist schwer angeschlagen, viele Menschen wenden sich von den klassischen Medienangeboten ab und meiden Nachrichtensendungen. Was bedeuten diese Entwicklungen für unsere Demokratie? Und was können die Medien selbst tun, um diesen Trends entgegenzuwirken? Wie muss Journalismus sich verändern, wenn sich um uns herum alles ändert? Darüber diskutierten beim Festival “b future”: Katrin Eigendorf (ZDF-Korrespondentin), Daniel Kraft (Pressesprecher Bundeszentrale für politische Bildung), Ulla Fiebig (SWR-Direktorin) und Gordian Fritz (RTL-Reporter).

Lauernde Schlupflöcher, Selbstzensur aus Angst, Streik-Ende in Hollywood

1. Proisraelische NGO erhebt Vorwürfe gegen Agenturfotografen aus Gaza
(spiegel.de)
Die pro-israelische NGO “Honest Reporting” erhebt schwere Vorwürfe gegen freie Fotografen aus Gaza, die für westliche Nachrichtenagenturen arbeiten. Diese hätten vorab von den Angriffen der Hamas auf Israel gewusst. Die betroffenen Agenturen AP und Reuters weisen die Vorwürfe entschieden zurück und betonen, ihre Bilder seien deutlich nach dem Beginn der Angriffe entstanden.

2. Diese Schlupflöcher lauern
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz)
Die neue EU-Verordnung zu politischer Online-Werbung führe zwar zu mehr Transparenz, indem sie Kennzeichnungspflichten einführe und Auskunft über Targeting-Kriterien sowie die Finanzierung von Anzeigen verlange, sie bleibe aber hinter den Erwartungen zurück, da gezielte Werbung mit Einwilligung weiterhin erlaubt sei. netzpolitik.org-Redakteur Ingo Dachwitz ist unzufrieden mit der Verordnung, die Schlupflöcher lasse und politisches Targeting nicht verhindere: “Der sicherere Weg wäre gewesen, politisches Targeting klar zu verbieten oder zumindest die dafür nutzbaren Daten drastisch zu beschränken, etwa auf Alter, Geschlecht und Ort.”

3. Grow-Stipendium von Netzwerk Recherche
(netzwerkrecherche.org)
Drei gemeinnützige Medienprojekte wurden mit dem Grow-Stipendium des Netzwerk Recherche und der Schöpflin Stiftung ausgezeichnet: die Journalistin Nalan Sipar für deutsch-türkische Klimanachrichten auf Social Media, Podcasterin Nine-Christine Müller für die Weiterentwicklung ihres Podcasts über ostdeutsche Identitäten und die Gründer Tobias Hübers und Daniel Moßbrucker für ein Unternehmen, das Redaktionen IT-Support bei Recherchen bietet. Neben einer Anschubfinanzierung von je 3.000 Euro erhalten die Stipendiatinnen und Stipendiaten ein Jahr lang Beratung und Weiterbildung durch das Netzwerk Recherche.

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4. A. L. Kennedy über Selbstzensur aus Angst: “Viele Bücher erscheinen gar nicht”
(derstandard.at, Michael Wurmitzer)
In einem Interview mit dem “Standard” spricht die britische Autorin A. L. Kennedy von einer zunehmenden Selbstzensur britischer Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus Angst vor Angriffen konservativer Medien und Politiker. Dies führe dazu, dass viele Bücher nicht veröffentlicht würden. Es gebe eine große Nervosität unter “Autoren darüber, dass sie von der konservativen Presse und rechten Politikern gecancelt und dämonisiert werden, die die Kontrolle über das Narrativ haben wollen. Autoren sind nervös, etwas zu sagen, das die Daily Mail nicht mögen könnte.”

5. heise online auf Mastodon: Bilanz nach dem ersten Jahr im Fediverse
(heise.de, Martin Holland)
Martin Holland zieht Bilanz über das erste Jahr von “heise online” auf Mastodon, einer Twitter/X-Alternative. Die Redaktion habe festgestellt, dass das Netzwerk eine ernstzunehmende Alternative mit einem starken Wachstum der Nutzerzahlen und Interaktionen sei, wobei die absoluten Besuchszahlen über Mastodon immer noch niedriger seien als über Twitter. Trotz eines allgemeinen Rückgangs der Zugriffe und Interaktionen im Laufe des Jahres bleibe Mastodon eine kostengünstige Plattform mit einer aktiven Community.

6. Schauspieler beenden Streik
(taz.de)
Nach einem fast viermonatigen Streik haben sich die Hollywood-Schauspielerinnen und -Schauspieler einerseits und die großen Filmstudios andererseits auf einen neuen Vertrag geeinigt. Dieser sehe Mindestlöhne sowie einen neuen Beteiligungsbonus für Filme und Serien bei Streamingdiensten vor. Die Vereinbarung mit einem Volumen von mehr als einer Milliarde US-Dollar enthalte auch Schutzmaßnahmen gegen die unerlaubte Nutzung von Bildern, die von Künstlicher Intelligenz erstellt wurden, um der Sorge der bislang Streikenden Rechnung zu tragen, durch digitale Doubles ersetzt zu werden. Mit dieser von der Gewerkschaft SAG-AFTRA ausgehandelten Vereinbarung kann die Produktion in Hollywood zum ersten Mal seit Mai wieder normal laufen.

Neutrale Umschläge, Teure Fotos von Helene Fischer, Politik-Werbung

1. “Jüdische Allgemeine” soll in neutralen Umschlägen geliefert werden
(t-online.de, Martin Küper)
Die Mitglieder der Israelitischen Kultusgemeinde München haben die “Jüdische Allgemeine” gebeten, ihre abonnierten Zeitungen künftig in neutralen Umschlägen zu erhalten. Dahinter steht die Sorge, dass die sichtbare Zugehörigkeit zum jüdischen Glauben zu Gewalt gegen die jeweilige Person führen könnte. Die Gemeinde habe ihre Mitglieder zudem aufgefordert, sich in der Öffentlichkeit nicht als Juden zu erkennen zu geben und Pro-Palästina-Demonstrationen zu meiden.

2. Springer soll 80.000 Euro wegen Fotos von Helene Fischer zahlen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” unter Berufung auf einen “Übermedien”-Artikel (nur mit Abo lesbar) berichtet, hat das Landgericht Berlin den Axel-Springer-Verlag zu einer Entschädigungszahlung von 80.000 Euro verurteilt, weil die Zeitungen “Bild” und “B.Z.” unerlaubt Fotos von Helene Fischer und deren Baby veröffentlicht hatten. Das Gericht sah in der Veröffentlichung eine schwere Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Sängerin, die zwei Tage lang von einem Fotografen verfolgt worden sei. Springer prüfe derzeit, ob mal gegen das Urteil Rechtsmittel einlegen will.

3. Nach Interessenkonflikten: “Spiegel” plant nicht mehr mit seinem Autor
(uebermedien.de, Lisa Kräher)
Ein Journalist und Männermodel steht in der Kritik, weil er für den “Spiegel” über Themen aus seiner Modeltätigkeit geschrieben hat, ohne dies transparent zu machen. Der “Spiegel” habe nach Prüfung der Texte festgestellt, dass bei sechs Reiseberichten Transparenzhinweise fehlten, und diese nachträglich ergänzt. Als Konsequenz plane das Magazin vorerst keine weitere Zusammenarbeit mit dem umtriebigen Journalisten: “Dass wir dem Hinweis auf Gefälligkeitsjournalismus nicht sofort nachgegangen sind, bedauern wir sehr”, so die Pressestelle des “Spiegel”.

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4. Kritik an Menschenrechtslage in Deutschland
(reporter-ohne-grenzen.de)
In der von Reporter ohne Grenzen (ROG) veröffentlichten Rangliste der Pressefreiheit ist Deutschland innerhalb weniger Jahre um acht Plätze von Rang 13 auf Rang 21 abgerutscht. ROG-Geschäftsführer Christian Mihr vermisst selbstkritische Töne der Bundesregierung und merkt an: “Auch bei der Aufnahme gefährdeter Journalistinnen und Journalisten aus Russland oder Afghanistan blieb die Bundesregierung hinter ihren Ankündigungen zurück, sich aktiv für Menschenrechte und Pressefreiheit einzusetzen. Das ist nicht konsistent mit dem eigenen Anspruch in Sachen Menschenrechte.”

5. Strengere EU-Regeln für politische Werbung im Netz
(deutschlandfunk.de, Carolin Born)
Die EU hat neue Regeln für politische Werbung im Internet beschlossen, um Manipulationen zu verhindern und die Transparenz zu erhöhen. Künftig müssen politische Anzeigen klar gekennzeichnet sein, einschließlich der Angabe von Informationen über die Finanzierung und den Betrag, der für die Werbung bezahlt wurde. Außerdem plane die EU eine Datenbank, in der Auftraggeber und Finanzierung von Online-Anzeigen erfasst werden.

6. “Ein Katz-und-Maus-Spiel”
(taz.de, Amira Klute)
Der Rundfunk in Deutschland feiert sein 100-jähriges Bestehen, und von Beginn an gab es Bestrebungen, das Medium unabhängig und selbstbestimmt zu nutzen. Amira Klute sprach mit Alex Körner, einem Kenner der Geschichte und der Gegenwart der Freien Radios. Bereits in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hätten sich Radiobegeisterte zusammengeschlossen: “Schon im April 1924 gründete sich der Arbeiter-Radio-Klub. Da traf man sich zum Basteln und Radiohören. Solche Werkstätten gab’s bald in über 150 Städten. Die Mitglieder haben schnell gemerkt, dass das Programm wenig mit ihrer Lebensrealität zu tun hatte. Man wollte selbst zu Wort kommen.”

Viel Hölle und wenig Himmel, Abschied von Print, Zwist um Mediatheken

1. Viel Hölle und ein kleines Stück Himmel
(freischreiber.de)
Freischreiber, der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, hat seinen “Himmel-und-Hölle-Preis” für das Jahr 2023 verliehen, mit dem die herausragende Unterstützung für Freie beziehungsweise besonders negative Einflüsse auf deren Arbeitsbedingungen gewürdigt werden. Der Hölle-Preis ging an Bertelsmann-Manager Thomas Rabe für “die Zerschlagung von Gruner+Jahr, die Zersetzung von Redaktionen und den ignoranten Umgang mit Freien”. Der Himmel-Preis ging an Joachim Telgenbüscher, Redaktionsleiter von “Geo Epoche”, für seinen erfolgreichen Widerstand gegen die Einstellung des Magazins durch RTL.

2. Abschied von Print auf die harte Tour
(journalist.de, Henning Kornfeld)
Der Beitrag von Henning Kornfeld im “journalist” macht noch einmal auf die dramatische Lage der Zeitungsbranche aufmerksam. Fast 40 Prozent der Abonnentinnen und Abonnenten seien älter als 75 Jahre, in den nächsten fünf bis zehn Jahren drohe ein dramatischer Rückgang der Printauflagen, so ein Experte. Kornfeld berichtet von der schwierigen Situation der Verlage, einerseits die Kosten für Print zu senken und andererseits die Transformation zum Digitalen voranzutreiben.

3. Vaunet stört sich an US-Blockbustern in der ZDF-Mediathek
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Timo Niemeier berichtet bei “DWDL” über einen Streit zwischen dem Privatsenderverband Vaunet und den öffentlich-rechtlichen Sendern. Die Privaten seien verärgert, dass die Öffentlich-Rechtlichen seit Juli US-Serien und -Blockbuster in ihre Mediatheken stellen. Dabei gehe es auch um die Auslegung der geltenden Regeln: “Wenn das ZDF für Filme wie Men in Black 3 den besonderen Kultur- und Bildungsauftrag des öffentlich-rechtlichen Profils bemüht oder das Auffüllen programmlicher Vielfalt mit beliebten Mainstream-Blockbustern begründet, führt das den gezielt einschränkenden Charakter dieser Mediatheken-Regelung vollständig ad absurdum”, so Vaunet-Chef Claus Grewenig.

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4. Journalismus braucht Förderung
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert die Einrichtung einer staatsfernen Journalismusförderung, die an bestimmte Bedingungen wie Tarifbindung und angemessene Honorare geknüpft ist. Dies haben die 200 Delegierten des DJV-Verbandstags in Magdeburg beschlossen, um den Journalismus insbesondere im digitalen Bereich zu unterstützen. Der frisch gewählte neue DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster betonte in diesem Zusammenhang, dass die Förderung von Printausgaben nicht ausreiche, sondern die eigentliche Herausforderung im Aufbau digitaler journalistischer Angebote liege.

5. Media Freedom Coalition: Hintergründe und Ambitionen
(de.ejo-online.eu, Roja Zaitoonie)
Die Media Freedom Coalition ist ein Bündnis von 50 Ländern, das 2019 gegründet wurde, um die Medienfreiheit und den Schutz von Journalistinnen und Journalisten zu verbessern. Dabei ziele sie “insbesondere auf die Verbesserung politischer, rechtlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen ab, die eine unabhängige, diverse und plurale Medienlandschaft fördern”. Roja Zaitoonie erörtert in ihrem Beitrag die Ziele der Koalition und fasst die Ergebnisse eines Evaluierungsberichtes zusammen, der sich vor allem mit der Startphase des Projekt beschäftigt.

6. Ferngespräche: Spanien
(ardaudiothek.de, Holger Klein, Audio: 54:04 Minuten)
In den radioeins-“Ferngesprächen” lässt Holger Klein Korrespondentinnen und Korrespondenten über deren jeweilige Region zu Wort kommen. Diesmal hat er sich mit Franka Weltz zusammengeschaltet, die von Madrid aus über aktuelle Ereignisse in Spanien, Portugal, Gibraltar und Andorra berichtet. Ein besonderer Schwerpunkt des Gesprächs sind die Wahlen in Spanien im vergangenen Sommer und die schwierige Regierungsbildung, die sich bis in den Oktober hineinzog.

“Bild”-Werbekampagne, Durchgeboxt, Einfluss der Bilder aus Nahost

1. Kampagne gegen Auflagen-Absturz
(taz.de, Valérie Catil)
Der Springer-Verlag hat in der vergangenen Woche eine groß angelegte Werbekampagne für die “Bild”-Zeitung gestartet, mit der offenbar der rapide Rückgang der verkauften Auflage gestoppt werden soll. Valérie Catil kommentiert in der “taz”: “Mit der ‘Bild bleibt Bild’-Kampagne gibt das Blatt seinen Leser_innen das Gefühl, resistent gegen Wandel zu sein, nicht progressiv oder ‘woke’ sein zu müssen. Die Bild tut so, als springe sie auf den Anti-Establishment-Zug auf. Dabei schaufelt sie ihm Kohle in den Schlund und ist selbst maßgeblich für diese Stimmung verantwortlich.”

2. ARD-Team von israelischen Soldaten festgehalten
(tagesschau.de)
Ein ARD-Team soll im Westjordanland von israelischen Soldaten festgehalten und bedroht worden sein. Die Soldaten hätten sich aggressiv verhalten, Waffen auf das Team gerichtet und es gefilmt. Christian Limpert, Leiter des ARD-Studios Tel Aviv, kommentiert den Vorgang: “Für uns ist es der zweite Vorfall innerhalb einer Woche. Unser Team hat sich klar als akkreditierte Pressevertreter ausgewiesen und war fernab militärischer Sicherheitsbereiche. Wir können das Vorgehen des israelischen Militärs nicht akzeptieren.”

3. Jugendliche und die Bilder aus Nahost
(wdr.de, Christoph Sterz, Audio: 4:40 Minuten)
Grausame Bilder aus dem Nahen Osten hätten einen besonders starken Einfluss auf Jugendliche, deren Gehirn sich noch in der Entwicklung befindet. Christoph Sterz sprach mit der Neurowissenschaftlerin Maren Urner und mit Steffen Bronner von der Online-Jugendberatung Juuuport über das Thema, mit dem sich auch Eltern auseinandersetzen sollten.

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4. Durchgeboxt: RBB-Staatsvertrag
(verdi.de, Günter Herkel)
Günter Herkel kommentiert den neuen RBB-Staatsvertrag. Dieser sei von den beteiligten Landesregierungen gegen breiten Widerstand und ohne öffentliche Anhörung durchgesetzt worden, um die Sichtbarkeit Brandenburgs im Programm zu erhöhen. Dies werde als Eingriff in die Programmautonomie des öffentlich-rechtlichen Senders empfunden und verursache zusätzliche Kosten. Trotz finanzieller Engpässe enthalte der Vertrag aber auch positive Elemente wie die Deckelung der Gehälter und eine verbesserte Kontrolle des RBB. Der Vertrag muss noch von den Landesparlamenten ratifiziert werden und könnte Anfang 2024 in Kraft treten.

5. Meta verbietet offenbar Einsatz von KI-Produkten für Wahlwerbung
(spiegel.de)
Meta, der Mutterkonzern von Facebook und Instagram, plant offenbar, den Einsatz seiner KI-Produkte für Wahlwerbung zu verbieten, um das Potenzial für die Verbreitung von Falschinformationen einzuschränken. Die neuen Regeln würden die bereits bestehenden Vorschriften für Online-Werbung erweitern und den Einsatz generativer KI-Tools einschränken. Diese Maßnahme kommt zu einer Zeit, in der die Besorgnis über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz zur Manipulation von Wahlkampagnen, wie etwa die Erstellung von Deepfakes, zunimmt.

6. Hans Meiser, der Grenzgänger des Privatfernsehens
(dwdl.de, Alexander Krei)
Alexander Krei erinnert an den kürzlich verstorbenen Fernsehmoderator Hans Meiser, an die Höhe-, aber auch an die Tiefpunkte in dessen Karriere. Meiser habe es wie kaum ein anderer verstanden, Einschaltquoten zu erzielen, auch auf umstrittene Weise wie durch ein Live-Telefonat mit einem der Geiselnehmer von Gladbeck oder in seiner als zu drastisch kritisierten Unfallserie “Notruf”. Meiser starb im Alter von 77 Jahren kurz nach einem neuen Sendestart bei einem kleinen Radiosender in Schleswig-Holstein.

Freiheit im Fadenkreuz, “Rassige Schönheiten”, Antisemitischer Hass

1. Freiheit im Fadenkreuz
(taz.de, Jean-Philipp Baeck & Christian Jakob & Luisa Kuhn)
“Seit Jahren wird der Journalist Alexander Roth wegen seiner Berichterstattung von Rechten attackiert. Er macht weiter – trotz Morddrohungen.” Der “taz”-Artikel beschreibt, wie Journalisten und Journalistinnen in Deutschland zunehmend zur Zielscheibe rechter Hetze und Gewalt werden, wobei die Angriffe sowohl online als auch offline stattfinden: “In einer einjährigen Recherche hat die taz die Kampagne gegen den Waiblinger Journalisten rekonstruiert, hat vor Ort recherchiert, Beteiligte mit ihrer Hetze konfrontiert und das Social-Media-Netzwerk analysieren lassen, in dem sich der Hass verbreitet.”

2. “Rassige Schönheiten”: Für “das neue” sehen Schwarze Frauen alle gleich aus
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Das Regenbogenblatt “das neue” von der Bauer Media Group, die sich auf ihrer Website für Vielfalt und gegen Diskriminierung ausspricht, veröffentlichte einen Artikel, in dem darüber spekuliert wird, ob Boris Becker seinem Sohn die Freundin ausspannen könnte, weil diese “sonnengeküsste Haut, rehbraune Augen, eine dunkle Mähne” habe – angeblich ähnlich wie Boris Beckers Ex-Frauen. Der Artikel verwendet den Begriff “rassige Schönheiten” und stellt die “unfassbare Vermutung” auf, dass Becker und dessen Sohn das gleiche “Beuteschema” hätten, was kritische Fragen bezüglich rassistischer Stereotype und der redaktionellen Linie aufwirft. Auf Nachfrage von “Übermedien” distanziert sich der Verlag von einem möglichen Vorwurf und betont, in Zukunft “noch genauer auf eine sensible Wortwahl zu achten.”

3. Ermittler verzeichnen deutliche Zunahme antisemitischer Hasskommentare
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
Verschiedene Behörden berichten von einem Anstieg antisemitischer Straftaten im Internet seit Anfang Oktober, wobei die hessische Hatespeech-Meldestelle “Hessen gegen Hetze” eine Vervierfachung der Meldungen zu antisemitischen Online-Beiträgen verzeichnet habe. Auch das Bundeskriminalamt verfolge eine steigende Anzahl von Hinweisen auf antisemitische Online-Postings und arbeite an einem Auswertungsprojekt, um intensiv antisemitische Straftäter zu identifizieren und Ermittlungsverfahren in den Bundesländern einzuleiten.

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4. Der RBB braucht Zukunft – aber seine eigene
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) strebt nach einer Krisenphase unter neuer Leitung einen Neuanfang an. Ein neuer Staatsvertrag, den die Landesregierungen von Berlin und Brandenburg ohne Mitbestimmungsrecht des Senders abgeschlossen haben, gebe ihm jedoch eine straffere Agenda vor, kommentiert Joachim Huber im “Tagesspiegel”. Der Vertrag soll die Sichtbarkeit Brandenburgs im öffentlich-rechtlichen RBB erhöhen und führe sowohl eine Gehaltsobergrenze für die Geschäftsführung als auch eine stärkere Kontrolle des wirtschaftlichen Verhaltens ein. Maßnahmen, bei denen laut Huber der Verdacht aufkommen darf, “dass die Politik die Schwächephase des Senders ausnutzen wollte, um ihre Vorstellung von einem durchregionalisierten RBB durchzusetzen.”

5. “Wir müssen schauen, was eigentlich unsere Rolle ist”
(journalist.de, Kathi Preppner)
Timo Conraths, seit März Hauptgeschäftsführer des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), spricht im Interview mit dem DJV-eigenen Magazin “journalist” über die Notwendigkeit einer Neupositionierung des Verbandes, um auf die rasanten Veränderungen in der Medienlandschaft reagieren und die Rolle des Verbandes neu definieren zu können. Er erläutert die Herausforderungen in der Tarifpolitik, insbesondere im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und in den Verlagen, und betont die Bedeutung von Tarifverhandlungen in Zeiten hoher Inflation und schwieriger Arbeitsbedingungen. Und natürlich geht es auch um die Herausforderungen, die Künstliche Intelligenz für den Journalismus und das Urheberrecht mit sich bringt.

6. Rudolf Augstein: “Journalist des Jahrhunderts” und seine “Machtworte”
(mediummagazin.de, Annette Milz & Andreas Spaeth)
Rudolf Augstein, der Gründer des “Spiegel”, wurde 1999 vom “medium magazin” als “Journalist des Jahrhunderts” ausgezeichnet. Am Wochenende wäre Augstein 100 Jahre alt geworden. Für das “medium magazin” ein guter Anlass, auf das letzte große externe Interview Augsteins hinzuweisen (PDF). Darin äußerte er sich zu Themen wie der Anpassung des “Spiegel” an den Zeitgeist bis hin zu journalistischen Tabus und betonte die Bedeutung von Authentizität und Tradition im Journalismus.

KW 44/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Was kann das “Bild”-“Manifest” außer spalten?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 15:37 Minuten)
Die Redaktion der “Bild am Sonntag” hat vor einigen Tagen ein eigenes “Manifest” für Deutschland veröffentlicht (das der “Postillon” bereits mit guten Belegen dekonstruiert hat). Nun spricht Holger Klein im “Übermedien”-Podcast mit dem Journalisten Nils Minkmar über das Dokument, das dieser für “spalterisch” sowie “gedanklich und sprachlich verunglückt” hält.

2. Alles anders machen – Das kurze Leben der Ost-taz
(ardmediathek.de, Michael Biedowicz, Video: 43:39 Minuten)
Nach dem Fall der Mauer startete mit der “ost-taz” der Versuch, eine ost-westdeutsche Zeitung auf dem Medienmarkt zu etablieren. Regisseur Michael Biedowicz, Gründungsmitglied der “ost-taz”, hat einen spannenden Dokumentarfilm über das Experiment gedreht. Gunter Becker findet in seiner ausführlichen Filmkritik im “Fachjournalist” lobende Worte für diesen Film über ein “vergessenen Stück deutscher Zeitungsgeschichte”: “Die Doku macht wegen ihres rasanten Tempos, des lakonisch-trockenen Erzähltons der Protagonist:innen und der pointierten Montage jede Menge Spaß beim Ansehen.”

3. Giovanni di Lorenzo in der Hörbar Rust
(ardaudiothek.de, Bettina Rust, Audio: 1:27:39 Stunden)
In der “Hörbar Rust” erzählt Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der “Zeit”, Autor, Herausgeber und Moderator der Talkrunde “3 nach 9”, warum er nicht Psychotherapeut oder Manager geworden ist und warum es ihn zum Journalismus gezogen hat (seine lange Medienkarriere begann ganz unspektakulär mit einem Schülerpraktikum).

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4. Mediensozialisation in der Langzeitstudie
(podcast.leibniz-hbi.de, Johanna Sebauer, Audio: 37:10 Minuten)
Paulina Domdey und Katrin Potzel untersuchen in ihrer Studie “Connected Kids” die Wirkung von Medien auf Kinder und Jugendliche. Im “Bredowcast” berichten sie über Aufbau und Inhalt der Studie sowie über die verschiedenen Herausforderungen, die ein solches Langzeitprojekt mit sich bringt.

5. Wie kommen Journalisten an Informationen aus Gaza und Israel?
(br.de, Nina Landhofer, Audio: 22:34 Minuten)
Die aktuelle Folge von “BR24 Medien” ist eine Gemeinschaftsproduktion mit dem ARD-Podcast “Lost in Nahost” und behandelt die schwierigen Bedingungen für das Korrespondententeam, das derzeit nicht in den Gaza-Streifen kann. Umso wichtiger seien deshalb die beiden Mitarbeiter der Korrespondenten vor Ort in Gaza.

6. Jens Söring: Medienkarriere eines Mörders
(ndr.de, Lea Eichhorn, Video: 35:53 Minuten)
Bereits im Februar vergangenen Jahres schrieb Medienkritiker Stefan Niggemeier bei “Übermedien” über “Die erstaunliche Medienkarriere des verurteilten Doppelmörders Jens Söring”. Für das Medienmagazin “Zapp” hat Lea Eichhorn das Thema aufgegriffen und auch mit Niggemeier über den Fall gesprochen, bei dem einige Medien nicht unbedingt eine glückliche Rolle spielen.

Kurbjuweit-Interview, Attrappe war Attrappe, Transformer-Moment

1. Dirk Kurbjuweit kritisiert SZ – und sagt, wie er Spiegel-Chefredakteur wurde
(kress.de, dpa, Sven Gösmann und Anna Ringle)
Dirk Kurbjuweit, der im Mai auch für ihn überraschend zum Chefredakteur des “Spiegel” berufen wurde, hat der dpa ein Interview gegeben. Aufhänger ist die Erinnerung an “Spiegel”-Gründer Rudolf Augstein, der am Wochenende 100 Jahre alt geworden wäre. In dem Gespräch geht es um das Vermächtnis des Magazingründers, um Kurbjuweits Gedanken zu Gegenwart und Zukunft des “Spiegel”, aber auch um das dunkle Kapitel um den Reporter Claas Relotius.

2. Wie Twitter einem Datenforscher das Leben schwer macht
(netzpolitik.org)
Der Berliner Datenanalyst Travis Brown wurde von Twitter gesperrt, als er zu Hass auf der Plattform recherchierte. Trotz einer vorübergehenden Freischaltung nach einem Gerichtsbeschluss wurde sein Account nach einem erneuten Rechtsstreit wieder gesperrt. Brown, der von der Organisation HateAid unterstützt wird, sieht in Twitters Vorgehen einen Versuch, Forschung zu Extremismus und Desinformation zu unterdrücken.

3. Ein neues Werkzeug zur Wirkungsmessung von investigativem Journalismus
(de.ejo-online.eu, Anya Schiffrin & Judith Odenthal)
Anya Schiffrin berichtet über ein neues Werkzeug, das Medienorganisationen ermöglichen soll, die Wirkung ihrer investigativen Projekte zu messen. Durch die Messung könnten Medienunternehmen beispielsweise vor Beginn einer langwierigen Recherche feststellen, ob es ein Publikum für eine ausführliche Berichterstattung gibt, oder Geldgebern die Wirkung einer Reportage aufzeigen.

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4. Maja Göpel über den Einfluss von Medien auf die öffentliche Meinung
(youtube.com, Medientage München, Sebastian Bergsteiner, Video: 7:22 Minuten)
“Wie beeinflussen Medien die öffentliche Meinung und das gesellschaftliche Bewusstsein für die großen Fragen unserer Zeit?” Darüber hat Sebastian Bergsteiner am Rande der Medientagen München mit der Transformationsforscherin Maja Göpel gesprochen.

5. Der Transformer-Moment
(internationalepolitik.de, Johannes Kuhn)
Die rasante Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) wirft Fragen zu einer globalen Regulierung auf. Es gibt sowohl positive Aussichten, wie Fortschritte in der Medizin, als auch Bedenken, wie Massenarbeitslosigkeit durch Automatisierung. Derzeit wird weltweit über eine transnationale Regulierung von KI diskutiert, ein konkreter globaler Rahmen steht jedoch noch aus. Johannes Kuhn fasst den aktuellen Stand der Debatte und die Spannungsfelder der KI-Regulierung zusammen.
Weiterer Lesehinweis: Vielleicht ein bisschen viel Science-Fiction: “In London diskutieren Staatschefs und Elon Musk darüber, wie man zukünftige Super-KI absichern kann. Ganz schön früh, wenn man bedenkt, was ChatGPT heute kann.” (zeit.de, Jakob von Lindern)

6. Entwarnung nach Handgranaten-Alarm beim Hessischen Rundfunk
(hessenschau.de)
Nachdem eine Reinigungskraft einen Gegenstand gefunden hatte, der wie eine Handgranate aussah, wurden zwei Gebäude des Hessischen Rundfunks evakuiert. Der später als Attrappe identifizierte Gegenstand wurde von Spezialisten untersucht und als ungefährlich eingestuft. Die Attrappe war versehentlich in der Redaktion zurückgelassen worden und war Teil einer Recherche – zur Echtheit und Verwechselbarkeit von Attrappen.

Straffreiheit beenden, Fit für die Generation TikTok, Burn-out-Schutz

1. Straffreiheit beenden
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat sich einem Aufruf der UNESCO angeschlossen und fordert ein Ende der Straffreiheit (beziehungsweise Straflosigkeit) bei Morden und Gewaltverbrechen an Journalistinnen und Journalisten. Anlässlich des Internationalen Tages gegen die Straffreiheit am heutigen 2. November kritisiert der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall, dass Täter in vielen Ländern keine Sanktionen zu befürchten hätten, obwohl in den vergangenen 30 Jahren 1.600 Medienschaffende gewaltsam ums Leben gekommen seien. Nur in 10 Prozent der Fälle sei es zu Gerichtsverfahren gekommen.

2. Wortwahl, Quellen, Social Media
(taz.de, Daniel Zylbersztajn-Lewandowski)
Daniel Zylbersztajn-Lewandowski, Großbritannien-Korrespondent der “taz”, berichtet von zahlreichen Beschwerden, die die öffentlich-rechtliche BBC wegen ihrer Berichterstattung über den Nahostkonflikt erhalten habe. Die Kritik komme von beiden Seiten, wobei die Wortwahl der BBC, ihre Quellen und der Umgang mit Sozialen Medien im Mittelpunkt stünden. Auch innerhalb des Senders gebe es Proteste und sogar Kündigungen.

3. “Gutes Sicherheitsmanagement ist der beste Burn-out-Schutz”
(journalist.de, Marlene Halser)
Yemile Bucay arbeitet als Sicherheitsexpertin für Journalistinnen und Journalisten und berät Redaktionen in Sicherheitsfragen. Im Interview mit dem “journalist” gibt sie Einblicke in die vielfältigen Aspekte des Themas und betont die Notwendigkeit eines umfassenden Sicherheitsverständnisses, das physische, psychische und soziale Risiken einschließt. Sie sagt: “Allen Beteiligten muss klar sein, dass Sicherheit in diesem Beruf sehr leicht erodiert und dass man nicht mehr ordentlich arbeiten kann, wenn Sicherheit nicht gegeben ist.”

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4. EU-Datenschutzbehörde will Meta personalisierte Werbung verbieten
(spiegel.de)
Die europäische Datenschutzbehörde EDPB will Meta, dem Mutterkonzern von Facebook und Instagram, personalisierte Werbung untersagen und hat die irische Datenschutzbehörde angewiesen, dies im gesamten Europäischen Wirtschaftsraum durchzusetzen. Meta hatte auf die europäische Gesetzgebung mit der Ankündigung einer werbefreien, aber kostenpflichtigen Abo-Option für seine Plattformen reagiert, die ab November für mindestens 9,99 Euro pro Monat verfügbar sein soll. Die EDPB habe den Vorschlag von Meta zur Kenntnis genommen und werde ihn nun gemeinsam mit der irischen und anderen Datenschutzbehörden prüfen.

5. Helene Reiner – Host der “News-WG”
(podcasters.spotify.com, Lisabell Shewafera, Audio: 36:02 Minuten)
Der Podcast “Inside Medien” stellt die BR-Journalistin Helene Reiner vor, die beim Bayerischen Rundfunk als Autorin und Presenterin für das Instagram-Nachrichtenformat “News-WG” arbeitet. Reiner sammelte Erfahrungen durch Praktika beim ZDF in Paris, bei der “FAZ” und der ARD-Sendung “Anne Will” und war von 2016 bis 2018 Volontärin beim BR. Im Podcast teilt sie ihre Erfahrungen, spricht über ihren beruflichen Werdegang, ihre besondere Begegnung mit Emmanuel Macron und gibt Tipps für angehende Moderatorinnen und Moderatoren.

6. Wie Verlage ihre Produkte fit machen für die Generation TikTok.
(turi2.de, Anne-Nikolin Hagemann)
Um in der digitalen Welt sichtbar zu bleiben und ein jüngeres Publikum anzusprechen, müssen Medien mit der Zeit gehen und die Präsentation ihrer Produkte entsprechend anpassen. Wie das geschehen kann, beschreibt Anne-Nikolin Hagemann anhand von praktischen Beispielen – von “Spiegel” und “Welt” bis hin zu Burda und “Apotheken Umschau”.

RBB-Staatsvertrag in Kritik, “Gegen Gruselgehalt”, Grusel-TV

1. Geplanter RBB-Staatsvertrag weiter in der Kritik
(epd.de)
Die Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg (RBB) Ulrike Demmer habe ihre Kritik am geplanten RBB-Staatsvertrag bekräftigt, insbesondere an der Einrichtung eines “Kollegialorgans” und der Eröffnung eines weiteren Regionalbüros in Brandenburg. Demmer habe betont, dass der RBB ein “Heimatsender” für Berlin und Brandenburg sei, und sich für eine Investition “in Journalismus anstatt in Miete” ausgesprochen. Der Staatsvertrag stehe weiterhin in der Kritik, da er nach Ansicht einiger Experten die Rundfunkfreiheit verletze und zu mehr Bürokratie führe.

2. “Gegen Gruselgehalt!” Beschäftigte der Frankfurter Rundschau kämpfen weiterhin für einen Tarifvertrag
(dju.verdi.de, Ute Fritzel)
Die Beschäftigten der “Frankfurter Rundschau” haben an Halloween erneut für einen Tarifvertrag und eine bessere Bezahlung demonstriert. Zuvor habe Geschäftsführer Max Rempel mitgeteilt, dass der Arbeitgeber nicht bereit sei, die Verhandlungen wieder aufzunehmen. Die Gewerkschaften Verdi und DJV Hessen fordern die Anerkennung des Flächentarifvertrages für Redakteurinnen und Redakteure an Tageszeitungen.

3. Keine Medienhetze
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appelliert an die Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Pro-Palästina-Demos, Journalistinnen und Journalisten “nicht zu behindern, anzupöbeln oder zu beschimpfen”, und betont die Bedeutung einer freien, unabhängigen und kritischen Berichterstattung. Es habe Berichte von DJV-Mitgliedern gegeben, die bei einigen Demonstrationen massiv angegangen und bei ihrer Arbeit behindert worden seien.

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4. Berlusconi: “Wollen großen europäischen Sender schaffen”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Wie “DWDL” unter Berufung auf die österreichische Nachrichtenagentur APA berichtet, hat Pier Silvio Berlusconi, Chef des Konzerns MediaForEurope und Sohn des verstorbenen italienischen Medienunternehmers Silvio Berlusconi, angekündigt, einen großen europäischen Fernsehsender gründen zu wollen: “Um dem Druck der multinationalen Konzerne standzuhalten, müssen wir größer werden. Wir sind nicht daran interessiert, einen Fernsehsender in Frankreich oder Deutschland zu kaufen, sondern wir wollen einen großen europäischen Sender schaffen”, so Berlusconi, der wegen Steuerbetrugs in einer anderen Mediensache schon mal zu 14 Monaten Haft verurteilt worden war.

5. Anika Decker – Sex und Pasta
(hr2.de, Freiheit Deluxe, Jagoda Marinić, Audio: 1:50:13 Stunden)
Im Podcast “Freiheit Deluxe” spricht die Drehbuchautorin und Regisseurin Anika Decker über viel Persönliches, aber auch über den laufenden Rechtsstreit um eine faire Beteiligung an den Erlösen der Filme “Keinohrhasen” und “Zweiohrküken”. Decker erzählt, wie sich dieser Konflikt auf ihre Beziehungen in der Filmbranche ausgewirkt habe und warum sie von vielen Einladungslisten gestrichen worden sei.

6. Öffentlich-rechtliches Fernsehen: gruselig
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video 2:30 Minuten)
Dass Halloween auch auf einer anderen Ebene gruselig sein kann, zeigt der zweieinhalbminütige Zusammenschnitt verschiedener Halloween-Inhalte aus mehreren öffentlich-rechtlichen Fernsehsendungen.

“Postillon” vs. “Bild”, “Nahtlose Heimat”, Bebilderungszwang

1. 7 Punkte aus dem “Bild-Manifest”, bei denen die “Bild”-Zeitung selbst durchfällt
(der-postillon.com)
An manchen Tagen findet sich in den “6 vor 9” eine Meldung des Satiremagazins “Postillon”, heute sogar auf Platz 1. Die Satiriker haben nämlich das am Wochenende veröffentlichte “Bild”-“Manifest” aufgegriffen, das in 50 Punkten darlegen will, was die deutsche Gesellschaft zusammenhält. Anhand von sieben konkreten Beispielen macht der “Postillon” klar, dass die “Bild”-Redaktion den eigenen Ansprüchen nicht gerecht wird. Den Abschluss bildet die provokante Frage des “Postillon”, wann die Regierung “diese Chaoten” endlich abschiebt.

2. Wie berichten ohne Fakes?
(deutschlandfunk.de, Anh Tran & Christoph Sterz, Audio: 6:49 Minuten)
Der Deutschlandfunk beschäftigt sich mit den Herausforderungen der Berichterstattung über den Konflikt zwischen Israel und der Hamas, insbesondere mit der Verbreitung von Falsch- und Desinformation im Internet. Sophie Timmermann vom Faktencheck-Team von “Correctiv” gibt Einblicke, wie Desinformation aufgedeckt werden kann, und betont die Notwendigkeit, mit Informationen aus Sozialen Medien vorsichtig umzugehen. Sowohl pro-israelische als auch pro-palästinensische und pro-Hamas-Kanäle würden gezielt Falschinformationen verbreiten.

3. Unbefriedigende elf Seiten
(taz.de, Michael Sontheimer)
Im Wahlkampf habe sich Annalena Baerbock noch für die Freilassung von Wikileaks-Gründer Julian Assange eingesetzt, doch als Außenministerin zeige sie wenig Engagement für den inhaftierten Journalisten, meint Michael Sontheimer in der “taz”. Baerbocks Staatssekretär habe auf eine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dağdelen geantwortet, die Bundesregierung vertraue der britischen Justiz und äußere sich grundsätzlich nicht zu vertraulichen Gesprächen mit anderen Regierungen. Die 11-seitige Replik auf Dağdelens 28 Fragen gebe kaum befriedigende Antworten und zeige, dass die Bundesregierung den Beschluss des Bundestages, sich für die Freilassung Assanges einzusetzen, ignoriere.

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4. “Warum muss ich eigentlich Infrastrukturen schaffen, bei denen jeder Artikel ein Bild braucht?”
(de.ejo-online.eu, Marcus Kreutler)
Felix Koltermann, Kommunikationswissenschaftler, Journalist und Fotograf, beleuchtet in diesem Interview den Status quo des deutschen Fotojournalismus, die Rolle von Bildredaktionen und die Problematik des “Bebilderungszwangs” im Online-Journalismus. Er betont die Notwendigkeit einer transparenten Bildunterschrift, kritisiert den exzessiven Einsatz von Symbolbildern und fordert ein Überdenken der Infrastrukturen im Online-Journalismus, um der “Falle der Visualisierung” zu entkommen und die Qualität der Bildverwendung zu verbessern.

5. Staatsanwaltschaft stellt Betrugsverfahren gegen Reichelt ein
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Wie “DWDL” unter Berufung auf die “FAZ” berichtet, hat die Berliner Staatsanwaltschaft das Betrugsverfahren gegen den entlassenen “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt eingestellt, weil sich der Verdacht nicht erhärtet habe. Reichelts ehemaliger Arbeitgeber, der Axel-Springer-Verlag, hatte ihn angezeigt, weil Reichelt angeblich gegen Klauseln in dessen Aufhebungsvertrag verstoßen haben soll. Offen bleibe, ob Reichelt gegen Springer wegen falscher Anschuldigung vorgehen wird, während Springer die Entscheidung der Staatsanwaltschaft respektiere und keine Rechtsmittel einlegen wolle.

6. Wie die ARD Audiothek Radioheimat werden will
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 34:29 Minuten)
Die Audiothek der ARD strebe danach, eine “nahtlose Heimat” für alle Radiohörerinnen und -hörer zu werden, wie aus einem Gespräch mit Anke Mai, SWR-Programmdirektorin für Kultur, Wissen und junge Formate, hervorgeht. In der Diskussion werden die Entstehung der Audiothek, ihre aktuellen Stärken und Schwächen sowie die Zukunftspläne der ARD-Anstalten für die Plattform beleuchtet.

Umfrage zur Meinungsfreiheit, “Helpline”, Himmel- und Hölle-Preise

1. Umfrage zur Meinungsfreiheit: suggestiv, diskriminierend und rassistisch
(uebermedien.de, Lisa Kräher)
Lisa Kräher kritisiert in ihrem Kommentar bei “Übermedien” eine Umfrage der “Ruhr Nachrichten” zur Meinungsfreiheit, die sie als “suggestiv, diskriminierend und rassistisch” beschreibt. Die Umfrage, die Teil einer sechsmonatigen Serie zu verschiedenen gesellschaftlichen Themen ist, enthalte Fragen, die bestimmte diskriminierende Begriffe und Stereotype reproduzieren und infrage stellen würden, ob diese als diskriminierend einzustufen sind.

2. Wie Medien über die AfD berichten
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 33:28 Minuten)
Der Deutschlandfunk greift regelmäßig Kritik von Hörerinnen und Hörern auf und diskutiert sie im Podcast “Nach Redaktionsschluss”. Diesmal kommt ein Hörer zu Wort, der die Berichterstattung über die AfD kritisiert – diese konzentriere sich zu sehr auf die ausländerfeindlichen Aspekte der Partei. Mit dem Hörer diskutieren Ann-Katrin Müller vom “Spiegel”, die Populismusforscherin Paula Diehl und der Medienjournalist Michael Borgers.

3. Newsletter Netzwerk Recherche
(netzwerkrecherche.org, Christian Esser)
Der Newsletter des Netzwerk Recherche vom 27. Oktober behandelt verschiedene Themen, die für Journalistinnen und Journalisten, aber auch für Medieninteressierte im Allgemeinen relevant sind. Vorgestellt wird unter anderem eine neue “Helpline” für Journalistinnen und Journalisten, die ab dem 2. November zur Verfügung steht und Unterstützung bei psychischen Belastungen biete. Außerdem gibt es Informationen zu verschiedenen journalistischen Projekten, Recherchen und Veranstaltungen.

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4. Nominiert: 2 x Himmel, 3 x Hölle
(freischreiber.de)
Freischreiber, der Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, stellt die Nominierten für seinen “Himmel- und Hölle-Preis” 2023 vor, mit denen die herausragende Unterstützung für Freie beziehungsweise besonders negative Einflüsse auf deren Arbeitsbedingungen gewürdigt werden. Für den “Hölle-Preis” sind zwei Medienmanager und ein Verlag nominiert, darunter die Mediengruppe Klambt für ihre restriktiven Rahmenverträge und Gerrit Bastian Mathiesen vom Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag für seine herablassenden Äußerungen über freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auf der anderen Seite stehen eine Freischreiberin und ein Redaktionsleiter als Kandidaten für den “Himmel-Preis”, die sich besonders für die Belange von Freien beziehungsweise die Erhaltung eines Magazins eingesetzt hätten.

5. Journalismus und Künstliche Intelligenz
(tagesspiegel.de, Kurt Sagatz)
Kurt Sagatz denkt im “Tagesspiegel” über den Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus nach und stellt die neun Grundsätze des ZDF für den Einsatz generativer KI vor. Wie Redaktionen mit dem Thema umgehen, sei ihnen selbst überlassen, so Sagatz, es sollte jedoch “grundsätzlich gelten, dass KI-Inhalte kenntlich gemacht werden und Medien transparent mit den eigenen Entwicklungen in Sachen KI umgehen”.

6. Mund halten im Zeitalter von Social Media
(blog-cj.de)
Christian Jakubetz diskutiert die Bedeutung des Zuhörens im Zeitalter von Social Media und kritisiert die vorherrschende Kultur des ständigen Redens und Postens. Er betont, dass in Sozialen Netzwerken oft zu viel geredet und zu wenig zugehört werde, was zu einer Verstärkung von Unwissenheit und Ignoranz führen könne: “Natürlich, jeder hat das Recht, sich zu äußern. Es geht nicht darum, das Grundrecht zu bestreiten. Sondern um die Frage des ‘Wie’. Und ob es unbedingt klug ist, immer zu allem irgendwas sagen zu wollen, und das auch noch möglichst laut und mit Cool-Attüde.”

KW 43/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Krieg in Nahost: Verantwortung der Medien
(sueddeutsche.de, Nadia Zaboura & Nils Minkmar, Audio: 33:47 Minuten)
Im Medienpodcast “quoted” geht es um die Berichterstattung über den Nahostkonflikt und die damit verbundene Verantwortung der Berichtenden. Für Nadia Zaboura und Nils Minkmar stellen sich verschiedene Fragen: “Berichten die Medien angemessen? Wählen sie die richtigen Worte, zeigen sie angemessene Bilder? Gelingt es, die Geschehnisse in Israel und Palästina in einen Kontext zu setzen, ohne zu relativieren, was nicht relativiert werden darf?”

2. Macht Künstliche Intelligenz den Journalismus besser?
(br.de, Linus Lüring, Audio: 22:50 Minuten)
“BR24 Medien” beschäftigt sich mit dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz im Journalismus – von der Euphorie über die neuen Möglichkeiten bis hin zu kritischen Fragen nach den Grenzen der Technologie und ethischen Aspekten. Linus Lühring und das BR24-Team sprachen dafür mit verschiedenen Expertinnen und Experten wie Katharina Barley (Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments), Alena Buyx (Vorsitzende des Deutschen Ethikrates), Mirko Drenger (Geschäftsführer Antenne Deutschland) und Björn Ommer (Leiter der Computer Vision & Learning Group an der LMU München).

3. Erdogans Influencer: Wie sie rechte Propaganda verbreiten
(ndr.de, Manuel Biallas, Video: 16:07 Minuten)
Die Wiederwahl von Präsident Recep Tayyip Erdoğan kam auch durch die Stimmen der Wahlberechtigten in Deutschland zustande, von denen fast zwei Drittel für Erdoğan stimmten. Influencer wie Bilgili Üretmen und Yunus Celep, die in Deutschland für den neuen und alten Präsidenten und dessen Partei AKP werben, sollen das beeinflusst haben. “Zapp”-Autor Manuel Biallas ist der Sache nachgegangen.

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4. Diversität beginnt im Writer’s Room
(deutschlandfunknova.de, Tom Westerholt & Anna Wollner, Audio: 46:43 Minuten)
Bei Deutschlandfunk Nova geht es unter anderem um die Bedeutung von Diversität und nachhaltiger Produktion in der deutschen Filmindustrie. Juliana Maug, Diversity Managerin bei der Filmproduktionsgesellschaft UFA, betont, dass Diversität bereits “im Writer’s Room”, also in der Phase der Stoffentwicklung und des Drehbuchschreibens, beginnen sollte, um authentische und vielfältige Geschichten zu erzählen.

5. Sind ALLE Reaction-Videos verboten?
(youtube.com, Christian Solmecke, Video: 21:58 Minuten)
Auf Youtube gibt es eine Vielzahl sogenannter Reaction-Videos, in denen Youtuber, Influencer oder Livestreamer auf ein bereits bestehendes Video oder einen anderen Film reagieren. Manchmal nehmen sie dafür nur kurze Ausschnitte, manchmal ganze Sendungen. Das wirft die Frage nach der Rechtmäßigkeit auf. Rechtsanwalt Christian Solmecke zeigt anhand von Beispielen, was aus seiner Sicht erlaubt ist und was nicht.

6. Vom Hörfunk zu Audio? – 100 Jahre Radio
(sr.de, Kai Schmieding & Michael Meyer, Audio: 19:05 Minuten)
Kai Schmieding und Michael Meyer haben sich mit Hans-Ulrich Wagner vom Leibniz-Institut für Medienforschung über 100 Jahre Radio unterhalten.
Weiterer Hörtipp: Radio gestern, heute, morgen – Sondersendung zu 100 Jahren Radio (wdr.de, Steffi Orbach, Audio: 44:26 Minuten).

Ringen um Gemeinnützigkeit, Ein Jahr Musk, KI-Grundsätze des ZDF

1. Die Bundesregierung muss gemeinnützigen Journalismus endlich möglich machen
(netzpolitik.org, David Schraven)
David Schraven, “Correctiv”-Gründer und Vorstand des Forums Gemeinnütziger Journalismus, sorgt sich in einem Gastbeitrag um die im Koalitionsvertrag versprochene steuerrechtliche Anerkennung des gemeinnützigen Journalismus: “Sollte sich die Bundesregierung entscheiden, den Koalitionsvertrag nicht umzusetzen und den gemeinnützigen Journalismus zu ignorieren, wird sie einen neuen Keil zwischen die privilegierten Zentren und die vernachlässigten ländlichen Räume treiben, in denen kein Ersatz für wegbrechende Medien geschaffen werden kann.”

2. KI-Grundsätze des ZDF
(zdf.de)
“Das ZDF sieht im Einsatz von generativer KI Chancen, aber auch Risiken. Es geht deshalb offen und zugleich kritisch mit dem Thema um. Generative-KI-Tools sollen die Arbeit der Redaktionen unterstützen, aber nicht ersetzen.” Das ZDF hat neun Grundsätze zum eigenen Umgang mit Künstlicher Intelligenz (KI) vorgelegt. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert Medienunternehmen auf, sich ebenfalls mit dem Thema auseinanderzusetzen: “Es ist gut, dass das ZDF einen Rahmen schafft”, so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall, “aber genauso dringend sind KI-Regeln bei den anderen Sendern und Verlagen, die sie bisher noch nicht haben.”

3. Content-Moderator bekommt Recht
(verdi.de)
Der Content-Moderator Cengiz Haksöz hat die Arbeitsbedingungen bei seinem Arbeitgeber Telus International öffentlich kritisiert und sei daraufhin ausgesperrt und mit einer fristlosen Kündigung bedroht worden, während er gleichzeitig Wahlvorstandsvorsitzender für eine Betriebsratswahl war. Mit Unterstützung der Gewerkschaft Verdi habe er dagegen geklagt und vor dem Arbeitsgericht Düsseldorf Recht bekommen. Das Gericht habe nach Verdi-Angaben keine ausreichenden Gründe für eine fristlose Kündigung gesehen und betont, dass konstruktive Kritik an den Arbeitsbedingungen zulässig sei.

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4. Medienvertrauen: Die unantastbare Variable der Demokratie
(de.ejo-online.eu, Roman Winkelhahn)
“Während Diskussionen über Desinformation, Medienkompetenz, ‘Fake News’ und Plattformmacht den medienpolitischen Diskurs prägen, wird das Medienvertrauen selten direkt angesprochen. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass das Medienvertrauen der Bevölkerung vom demokratischen Staat nicht angetastet werden kann, obwohl – oder gerade weil – es eine Voraussetzung für die Demokratie ist.” Roman Winkelhahn behandelt das Thema Medienvertrauen und dessen zentrale Rolle in der Demokratie, wobei er auf die Herausforderungen und die Fragilität dieses Vertrauens hinweist.

5. Müssen sich Medienmarken vom Screen emanzipieren, Jochen Wegner?
(turi2.de, Jochen Wegner)
Jochen Wegner, Chefredakteur von “Zeit Online”, thematisiert in seinem Gastbeitrag für “turi2”, wie sich Medien aus seiner Sicht an die digitale Welt anpassen müssen. Er erklärt, dass “Zeit Online” nicht nur Artikel für den Bildschirm produziere, sondern auch Podcasts und Live-Events anbiete, um ein breiteres Publikum zu erreichen. Wegner betont, dass die Zukunft der Medien in der Nutzung von Künstlicher Intelligenz und anderen Technologien liege, um Inhalte auf verschiedenen Plattformen und in verschiedenen Formaten verbreiten zu können. Medienunternehmen müssten lernen, den “Kleintierzoo digitaler Angebote” effektiv zu nutzen.

6. Ein Jahr Twitter unter Elon Musk – eine Bilanz in fünf Grafiken
(wiwo.de, Tobias Gürtler)
Ein Jahr nach der Übernahme von Twitter durch Elon Musk hat sich sowohl die Plattform als auch das Unternehmen dahinter mit drastischen Stellenkürzungen, schwerwiegenden Eingriffen und der Umbenennung in X stark verändert. Mangels verlässlicher wirtschaftlicher Kennzahlen sei es nicht einfach, eine belastbare Bilanz zu ziehen, schreibt Tobias Gürtler in der “Wirtschaftswoche”. Er hat sich die bekannten Parameter vorgenommen und die Daten in verschiedene Grafiken umgesetzt, die den Rückgang der Nutzerzahlen, der Reichweite und der Werbeeinnahmen dokumentieren.
Weiterer Lesetipp: Der Discounter Aldi Nord hat eine Stellungnahme zu einem Vorfall auf X/Twitter veröffentlicht, bei dem es zu rassistischen Kommentaren und Diskriminierung in Bezug auf die Darstellung von Models im aktuellen Werbeprospekt gekommen sei: “Da seitens der Plattformbetreiber nicht ausreichend gegen solche sogenannte Hate Speech vorgegangen wird, haben wir entschieden, selbst aktiv zu werden.”

Leergeräumte Arbeitsplätze, Streit um Werbeverbot, Fotojournalismus

1. Gefährdet Cem Özdemirs geplantes Werbeverbot wirklich den Journalismus?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 21:40 Minuten)
Holger Klein und sein Gast Martin Rücker setzen sich im “Übermedien”-Podcast kritisch mit einer Kampagne auseinander, die von Verbänden der Werbebranche, der Lebensmittelindustrie und privaten Medien ins Leben gerufen wurde, um gegen das von Bundesernährungsminister Cem Özdemir geplante Werbeverbot für ungesunde Kinderprodukte zu protestieren: “Was hat es mit dem geplanten Werbeverbot eigentlich auf sich? Wie berichten Medien darüber? Und welche Wirkung könnte so ein Gesetz eigentlich haben?”

2. Brutal vom Hof gejagt
(taz.de, Wilfried Urbe)
Wilfried Urbe berichtet in der “taz” über die unerfreulichen Entwicklungen beim Kölner DuMont-Verlag: “Für 200 Festangestellte sowie zahlreiche befristet Beschäftigte der hauseigenen Druckerei des DuMont-Verlags war es ein Schock: Als sie Anfang Oktober wie gewohnt zur Arbeit gingen, hatte jemand ihre Arbeitsplätze leergeräumt. Zu belichtende Druckerplatten, Beilagen oder Papierrollen – alles war am Feiertag zuvor mit Lkws nach Koblenz geschafft worden, wo fortan preisgünstiger der Kölner Stadtanzeiger, die Kölnische Rundschau und das Boulevardblatt Express produziert werden.” Nun würden die Gewerkschaften mit dem Verlag über einen Sozialplan verhandeln.

3. Quartalsberichte aus der Medienwirtschaft 3/2023
(dju.verdi.de, Gert Hautsch)
Bei Zeitungen, Zeitschriften und Büchern sinken Auflagen und Umsätze, audiovisuelle Medien und Games wachsen, während der Videostreaming-Markt gesättigt scheint. Dies und mehr zeigen die Quartalsberichte der Gewerkschaft Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union, die sich in “Branchenübersichten” (PDF), “Konzernübersichten” (PDF) und dem Bericht über “Übernahmen, Beteiligungen und Gemeinschaftsunternehmen” (PDF) aufteilen.

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4. “Was ist es uns wert, dass es gute Dokus gibt?”
(dwdl.de, Uwe Mantel)
“DWDL” berichtet von den Medientagen München, wo über die Rolle des Dokumentarfilms in der heutigen Medienlandschaft diskutiert wurde. Dokumentarfilme hätten Blockbuster-Potenzial, seien aber unterfinanziert, so die Produzenten. Stagnierende Budgets trotz allgemeiner Preissteigerungen würden sich negativ auf die Qualität der Filme auswirken – besonders gefährdet seien die Recherche- und Vorproduktionsphasen.

5. Fotojournalismus und Bildredaktion – wohin geht der Weg?
(fachjournalist.de, Ralf Falbe)
Andreas Trampe, “Senior Photo Editor” in der Bildredaktion des “Stern”, berichtet im Interview mit dem “Fachjournalist” über seine langjährigen Erfahrungen und gibt Einblicke in die Welt des Fotojournalismus und der Bildredaktion. Er betont die Bedeutung von Emotionen, hoher Bildqualität und journalistischer Relevanz für gute Fotos. Außerdem geht Trampe auf die Herausforderungen und Zukunftsperspektiven der Branche ein, die sich auch durch Künstliche Intelligenz bedroht sieht.

6. Twittert Lauterbach privat oder hoheitlich?
(lto.de, Marie Winzek & Markus Sehl)
Bei “Legal Tribune Online” schreiben Marie Winzek und Markus Sehl über ein Gerichtsurteil, nach dem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf seinem privaten Social-Media-Account einen Journalisten blockieren darf. Das Amtsgericht Berlin-Mitte habe entschieden, dass der Twitter- beziehungsweise X-Account von Lauterbach privat betrieben werde und daher keine “virtuelle öffentliche Einrichtung” darstelle, weshalb kein genereller Auskunftsanspruch des Journalisten bestehe.

Angriffe und Drohungen, Timeline des Grauens, Schönheitswahn

1. Angriffe und Drohungen in der ganzen Konfliktregion
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” (“ROG”) berichtet über Angriffe und Drohungen gegen Medienschaffende im Nahen Osten, insbesondere im Gazastreifen, im Westjordanland, im Südlibanon und in Israel. Nach den Terrorangriffen der Hamas auf Israel seien Journalistinnen, Journalisten und Redaktionen besonders gefährdet beziehungsweise unter Druck. Elf Medienschaffende seien bei israelischen Luftangriffen in Gaza und im Süden des Libanons getötet worden. “ROG”-Vorstandssprecherin Katja Gloger betont die Notwendigkeit unabhängiger Berichterstattung aus dem gesamten Konfliktgebiet und warnt vor den wachsenden Gefahren für Journalistinnen und Journalisten in der Region.

2. 30 Jahre Schutz der Pressefreiheit
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio: 6:21 Minuten)
Immer wieder setzen Reporter und Reporterinnen in Krisengebieten ihr Leben aufs Spiel. Seit 30 Jahren unterstützt der Verein “Journalisten helfen Journalisten” diese mutigen Menschen und deren Familien. Isabelle Klein sprach mit Mitbegründerin Christiane Schlötzer, deren Verein bisher mehr als 1.000 Betroffenen geholfen hat.

3. Die Timeline des Grauens
(zeit.de, Eike Kühl)
Ein Jahr ist es her, dass Elon Musk stolz mit einem Waschbecken in der Twitter-Zentrale einmarschierte, und seitdem ist bei dem Kurznachrichtendienst so viel passiert, dass man es kaum fassen kann. Eike Kühl bezeichnet diese ersten zwölf Monate des Unternehmens unter Elon Musk als “einige der chaotischsten und absurdesten in der bisherigen Geschichte der Technikbranche” und hat zur besseren Orientierung “eine unvollständige Übersicht der Ereignisse” zusammengestellt.

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4. Google-Kampagne hilft Menschen, Manipulationen im Internet zu erkennen
(belltower.news)
Google hat in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen in Deutschland eine “Prebunking”-Kampagne gestartet, um Desinformation im Internet zu bekämpfen und Menschen zu helfen, Manipulationen zu erkennen. Im Mittelpunkt der Kampagne stand die Aufklärung über gängige Manipulationstechniken wie Dekontextualisierung, Panikmache und Whataboutism. Die Aktionsvideos liefen mindestens sechs Wochen lang als Anzeigen bei Youtube, Facebook und Instagram, berichtet die Redaktion “Belltower.News” der Amadeu Antonio Stiftung, die an der Aktion beteiligt war.

5. US-Bundesstaaten verklagen Meta wegen Gefahren für Kinder
(spiegel.de)
Mehrere US-Bundesstaaten hätten den Technologiekonzern Meta, die Muttergesellschaft von Facebook und Instagram, wegen der Suchtgefahr seiner Sozialen Netzwerke verklagt. Die Klage werfe Meta vor, die Öffentlichkeit über die erheblichen Gefahren seiner Plattformen für die psychische Gesundheit insbesondere von Kindern und Jugendlichen getäuscht zu haben. Die klagenden Bundesstaaten würden Funktionen wie “Gefällt mir” und Benachrichtigungen, die junge Nutzerinnen und Nutzer an den Bildschirm fesseln, kritisieren und beanstanden, dass die Nutzung dieser Plattformen zu Problemen wie Essstörungen beiträgt.

6. Schönheitswahn und Deepfake-Pornos – Jasmin Gnu im Talk
(ardmediathek.de, Aminata Belli & Aurel Mertz, Video: 22:19 Minuten)
Passend zum vorherigen Link eine Empfehlung für das Gespräch mit der Youtuberin und Influencerin Jasmin Gnu, die eindringlich vor den körperlichen und mentalen Gefahren der oberflächlichen Social-Media-Welt warnt. Gnu kennt viele der von ihr kritisierten Verhaltensweisen aus eigener Erfahrung und kann daher besonders glaubwürdig darüber berichten.

Anfragen der “Welt”, Vorgefasste Gefühlsmeinung, Knappe Zeit

1. Wie die “Welt” Prominente vorführt, weil sie ihr kein “Statement gegen den Judenhass” schicken
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Die “Welt” kritisierte jüngst Prominente, die auf die Anfrage, ein Statement “gegen Judenhass” abzugeben, nicht reagiert oder der Redaktion abgesagt haben. Der Artikel der “Welt” suggerierte, dass das Schweigen der Prominenten eine stillschweigende Zustimmung zu dem Hass auf Juden sein könnte. Boris Rosenkranz kritisiert diesen Ansatz und betont, dass die Nichtbeantwortung einer Presseanfrage viele Gründe haben kann und nicht zwingend eine Meinung zum Thema widerspiegelt. Sein Fazit: “Man wird den Eindruck nicht los, dass die ‘Welt’ mit diesem Artikel nicht eine berechtigte Debatte für eine wichtige Sache führen, sondern eine Kampagne fahren wollte, um einzelne Prominenten schlecht aussehen zu lassen.”

2. “Es gibt eine vorgefasste Gefühlsmeinung”
(deutschlandfunk.de, Anh Tran, Video: 8:53 Minuten)
Die Journalistin Esther Schapira kritisiert im Deutschlandfunk, dass Falschmeldungen der Hamas aus Gaza von Medien verbreitet wurden, da sie eine gefühlte Wahrheit bei vielen Journalisten und Journalistinnen bestätigten würden. Schapira betont, dass Antisemitismus in Redaktionen lange verharmlost worden sei. Sie sieht einen Zusammenhang zwischen der Verbreitung solcher Falschmeldungen und vorgefassten Meinungen in den Köpfen vieler Medienschaffender.

3. So katastrophal bewertet die Medienbranche Twitter
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz & Markus Reuter)
netztpolitik.org hat sich in der Medienbranche zum Zustand von Twitter/X umgehört. Journalistinnen und Journalisten sowie ganze Medienhäuser würden einen Verlust von Relevanz und Reichweite bemerken, die Plattform als “toxisch” beschreiben und überlegen, sie zu verlassen. Die Antworten würden ein Dilemma spiegeln: “So kritisch viele die Entwicklung bei X sehen: Solange Medien und Politik weiter in großer Zahl dort anzutreffen sind, ist es schwer, die Plattform zu verlassen.”

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4. RSF und HateAid fordern stärkere Nutzerrechte
(reporter-ohne-grenzen.de)
Gerade Medienschaffende seien auf Social-Media-Plattformen oftmals sexualisierten Beleidigungen, Morddrohungen und Verleumdungen ausgesetzt; die Reaktionen der Plattformen seien oft unzureichend. Dagegen setzen sich die Organisationen Reporter ohne Grenzen (ROG) und HateAid ein und appellieren an den Deutschen Bundestag, mit einem Gesetz gegen digitale Gewalt die Betroffenen besser zu schützen. “Nicht erst seit der Berichterstattung über das Querdenken-Milieu beobachten wir eine starke Zunahme von Hass und Hetze gegen Medienschaffende im Netz. Das führt zu Selbstzensur und stellt eine Gefahr für die Informationsfreiheit in Deutschland dar”, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr.

5. Die Zeit ist knapp
(taz.de, David Muschenich)
Lokale Medien stehen derzeit vor zahlreichen Herausforderungen. Um Lösungsansätze zu diskutieren, trafen sich Journalistinnen und Journalisten bei der Konferenz Correctiv.Lokal. Themen wie die Zukunft des Lokaljournalismus, Klima und Vielfalt in den Redaktionen standen auf dem Programm. Das Netzwerk Correctiv.Lokal versuche, den vielfältigen Herausforderungen durch Kooperation und Erfahrungsaustausch zu begegnen.

6. RBB erhöht die Forderungen gegen Ex-Intendantin Schlesinger
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” berichtet, hat der RBB seine Forderungen gegen die ehemalige Intendantin Patricia Schlesinger vor Gericht auf 270.000 Euro erhöht. Dabei gehe es vor allem um die Rückzahlung variabler Bezüge. Während Schlesinger die Vorwürfe der Vetternwirtschaft und Verschwendung zurückweist, erhebe sie ihrerseits Forderungen gegen den öffentlich-rechtlichen Sender und verlange die Auszahlung ihrer Versorgungsleistungen.

Verdacht, “Purpose”, Jugendwort “goofy”

1. “Wir wollen niemanden canceln”
(taz.de, Carolina Schwarz)
Seit dem Aufkommen der #MeToo-Bewegung habe die Verdachtsberichterstattung über sexualisierte Gewalt zugenommen, wobei Journalistinnen und Journalisten strengen Regeln folgen müssten. Lena Kampf, stellvertretende Leiterin des Ressorts Investigative Recherche bei der “Süddeutschen Zeitung”, spricht über die Herausforderungen und juristischen Auseinandersetzungen, die mit einer solchen Berichterstattung einhergehen. Sie betont die Bedeutung von eidesstattlichen Versicherungen für die Glaubwürdigkeit von Zeugenaussagen und die Notwendigkeit, das Informationsinteresse der Öffentlichkeit mit dem Persönlichkeitsrecht der Betroffenen abzuwägen.

2. Warum Löschen keine gute Lösung ist
(netzpolitik.org, Carla Siepmann)
Online verbreiten sich Informationen, einschließlich Falschmeldungen, besonders schnell. Um einen demokratischen Diskurs zu gewährleisten, sollten falsche oder gefälschte Inhalte jedoch nicht voreilig gelöscht werden, findet Carla Siepmann: “Statt auf Eile zu setzen, sollten wir stärker gegen Desinformation vorgehen, indem mutmaßlich falsche Inhalte gekennzeichnet und kommentiert werden. Ansonsten droht eine Zensur des digitalen Raums.”

3. US-Journalistin festgenommen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Nach Informationen von Reporter ohne Grenzen (ROG) wurde die amerikanisch-russische Journalistin Alsu Kurmaschewa am 18. Oktober in Kasan, der Hauptstadt der autonomen russischen Teilrepublik Tatarstan, verhaftet. Sie soll sich in Russland nicht als “ausländische Agentin” registriert haben. Kurmaschewa arbeite für den US-finanzierten Sender Radio Free Europe/Radio Liberty und habe sich intensiv mit den Problemen nationaler Minderheiten in Tatarstan und Baschkortostan beschäftigt. ROG befürchtet, dass Russland verhaftete Journalistinnen und Journalisten wie Kurmaschewa als Druckmittel einsetzen könnte und fordert ihre sofortige Freilassung.

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4. Journalismus braucht Strukturen, die seinem “Purpose” gerecht werden
(journalist.de, Patrick Breitenbach)
Unternehmensberater und Innovationsmanager Patrick Breitenbach diskutiert die Bedeutung von “Purpose” im Journalismus und betont, dass viele Organisationen sich von ihrem ursprünglichen Zweck entfernt haben. Für Medienorganisationen hat er einen wichtigen Tipp: “Besinnt euch auf den ursprünglichen Zweck des Journalismus und beginnt endlich damit, an den Strukturen und nicht an den Psychen eurer Mitarbeitenden zu arbeiten.”

5. Bei diesen Artikeln über KI hätte Heute.at besser eine KI gefragt
(kobuk.at, Andrea Gutschi)
Wie “Kobuk” berichtet, hat die österreichische Gratis-Tageszeitung “Heute” in mehreren Artikeln über Künstliche Intelligenz (KI) übertriebene oder falsche Behauptungen aufgestellt, beispielsweise dass ChatGPT einen Master-Abschluss habe, dass KI bald für Wladimir Putin Entscheidungen treffen werde, und dass eine KI die Menschheit vernichten wolle. Andrea Gutschi kritisiert die ungenaue und unseriöse Berichterstattung und stellt klar, dass viele der Behauptungen nicht der Wahrheit entsprechen.

6. “Goofy” ist Jugendwort des Jahres 2023
(tagesschau.de)
“goofy” wurde zum Jugendwort des Jahres 2023 gewählt. Weitere Finalisten sind “side eye” (in etwa: skeptischer Blick) und “NPC”, eine Abkürzung für “non-player character” aus Videospielen. Tagesschau.de geht den Fragen nach, ob Jugendliche solche Wörter wirklich benutzen, was eine junge Poetry-Slammerin von Jugendwörtern hält und wofür diese eigentlich gut sind.

KW 42/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Bad news are good news? Wenn schlechte Nachrichten zuviel werden
(ardaudiothek.de, Nina Landhofer, Audio: 26:12 Minuten)
“Bad news are good news” ist ein Prinzip, das seit rund 100 Jahren im Journalismus gilt, Aufmerksamkeit erregt und heute vielleicht als Clickbait bezeichnet werden könnte. Schon in den 1950er-Jahren hätten Forscher vor den negativen Folgen dieses Ansatzes gewarnt, doch geändert habe sich wenig. Nina Landhofer hat sich mit Medienwissenschaftler Uwe Krüger über Lösungsansätze unterhalten.

2. Weil der Verlag sich ändern muss
(youtube.com, Thomas Knüwer, Video: 30:45 Minuten)
“Das Vertrauen in große Medienmarken ist auf einem Tiefpunkt angelangt – und ihre wirtschaftliche Situation sieht oft nicht besser aus. Daran sind sie selbst mit Schuld. Was muss sich ändern, damit große Medienmarken ihre Funktion wieder erfüllen und sie sich gleichzeitig wieder finanzieren?” Thomas Knüwer wäscht den Verlagen eine halbe Stunde lang in seiner bekannt direkten Art den Kopf.

3. Dennis Horn über Elon Musk und Twitter / X
(denkangebot.org, Katharina Nocun, Audio: 1:07:04 Stunden)
In über 200 Folgen hat Dennis Horn mit Gavin Karlmeier im gemeinsamen Podcast “Haken dran” über die Entwicklungen bei X (ehemals Twitter) diskutiert. Jetzt ist er zu Gast bei Katharina Nocun, und die beiden haben jede Menge Gesprächsstoff: “Jüdische Verbände kritisieren eine massive Zunahme von Hassbotschaften und Antisemitismus auf X/Twitter. Journalisten beklagen außerdem eine wahre Flut an Desinformation – und machen sich große Sorgen in Bezug auf anstehende Wahlen – auch in den USA.”

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4. Generative KI verändert die Medienlandschaft!
(youtube.com, Video: 1:06:34 Stunden)
Im “X Club” des SWR wird die Rolle der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) in der Medienlandschaft diskutiert. Gäste wie Sven Sobotta von baden.fm sprechen über den Einsatz von KI im Radiojournalismus, während Elisabeth L’Orange von Oxolo Tools vorstellt, die automatisch Werbevideos aus Amazon-Produktlinks generieren. Johannes Schmid-Johannsen vom SWR erzählt, wie der öffentlich-rechtliche Sender die Potenziale von KI nutzt, um den Journalismus zu unterstützen und die Qualität der Angebote zu verbessern.

5. Kein Ende im Streit um Presseähnlichkeit?
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 33:24 Minuten)
Die Debatte darüber, wie “presseähnlich” öffentlich-rechtliche Angebote im Internet sein dürfen, ist mit dem Medienstaatsvertrag 2018 eigentlich beigelegt, flammt aber immer wieder auf. So kritisiert der Verleger Arist von Harpe, der 2020 die “Hamburger Morgenpost” übernommen hat, den NDR und prangert unlauteren Wettbewerb an. Im Podcast “Läuft” spricht er mit der Medienjournalistin Ellen Nebel über die anhaltenden Auseinandersetzungen und die Aussichten auf eine mögliche Versöhnung.

6. Rettet Booktok die Buchläden?
(zeit.de, Carla Neuhaus & Zacharias Zacharakis, Audio: 50:38 Minuten)
In “Ist das eine Blase?”, dem Wirtschaftspodcast von “Zeit” und “Zeit Online”, spricht Nina Hugendubel, Geschäftsführerin der Buchhandelskette Hugendubel, über die Bedeutung des TikTok-Phänomens “Booktok” für ihr Unternehmen und erzählt, wie Buchhändler zu beliebten Influencern auf der Plattform werden.

Was ist Desinformation?, KI in der Schule, Babylonische Verwirrung

1. Entscheidet jetzt die EU, was Desinformation ist?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 32:28 Minuten)
Holger Klein spricht im “Übermedien”-Podcast mit Autor, Moderator und Strategieberater Hendrik Wieduwilt über das Digitale-Dienste-Gesetz der EU, das unter anderem Social-Media-Plattformen zwinge, Inhalte stärker zu moderieren: “Unklare Nachrichtenlagen, wie sie derzeit in Nahost vorliegen, werden so auch zur Herausforderung für die Meinungs- und Pressefreiheit: Was fällt unter Desinformation? Was wird gelöscht und wie wird es transparent gemacht? Wer entscheidet das? Und werden offizielle Einschätzungen der EU bevorzugt?”

2. Mit Wasserzeichen gegen die babylonische Verwirrung
(netzpolitik.org, Daniel Leisegang)
“In der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel verwirrt Gott die Sprache der Menschen, sodass sie sich nicht mehr verständigen können. Wie berechtigt die Sorge vor einer Verwirrung durch generative KI ist, hat sich in der vergangenen Woche einmal mehr deutlich gezeigt.” Auf netzpolitik.org beschäftigt sich Daniel Leisegang mit der Schwierigkeit, echte von gefälschten Bildern zu unterscheiden.

3. Wie KI Schule macht
(verdi.de, Susanne Stracke-Neumann)
Susanne Stracke-Neumann hat das Netzwerktreffen der Initiative “Journalismus macht Schule” besucht, der Medienhäuser und Organisationen wie SWR, “Correctiv” und “Lie Detectors” angehören. Es sei vor allem über Künstliche Intelligenz (KI) und deren Einfluss auf die deutsche Bildungslandschaft diskutiert worden, wobei Themen wie KI im Unterricht, Medienkompetenz von Lehrkräften und das Erkennen von “Fake News” im Vordergrund standen.

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4. Bert Habets: “Wir haben keine Zeit zu verschenken”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“DWDL”-Chefredakteur Thomas Lückerath hat sich mit dem ProSiebenSat.1-Chef Bert Habets über die Neuausrichtung des Unternehmens unterhalten. Habets betont im Interview die Notwendigkeit von Veränderungen, um im Unterhaltungssektor wettbewerbsfähig zu bleiben. Dabei geht er auch auf die schrumpfenden Werbeeinnahmen ein. Er habe “noch nie zwei Jahre hintereinander einen so deutlichen Rückgang des Werbemarktes um jeweils neun bis zehn Prozent erlebt”.

5. Erlesenes: Von kulturellen Stereotypen, amerikanischem Arbeitskampf und weitverbreiteten Kompetenzlücken beim FBI
(reframetech.de, Asena Soydaş & Michael Puntschuh)
Asena Soydaş und Michael Puntschuh haben bei “Reframetech” (“Algorithmen fürs Gemeinwohl”) eine bunte Medienrundschau zusammengestellt. Darin geht es unter anderem um die Schwierigkeiten von KI-Bildgeneratoren, die Vielfalt unserer Welt korrekt abzubilden, und den monatelangen Streik der Drehbuchautoren und -autorinnen in den USA rund um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz in der Filmindustrie.

6. Deutschlandfunk verlässt (teilweise) Twitter
(twitter.com, Deutschlandfunk Lab)
Der Twitter-Exodus geht weiter: Nun haben auch das Deutschlandfunk Lab und das Deutschlandfunk-Hauptstadtstudio “angesichts der Entwicklungen auf dieser Plattform” den Kurznachrichtendienst verlassen. Die Hauptkanäle des Deutschlandfunks und weitere Unterredaktionen scheinen hingegen noch aktiv zu sein.

Prechtsprechung, Der Krieg der Bilder, “Collateral Damage”

1. Precht bittet um Entschuldigung, Lanz fühlt sich nach Vorwürfen “wirklich verletzt”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Markus Lanz und Richard David Precht haben auf die Kritik an der jüngsten Folge ihres Podcasts reagiert. Precht hatte darin fälschlicherweise behauptet, ultraorthodoxe Juden dürften aus religiösen Gründen nicht arbeiten (“Ein paar Sachen wie Diamanthandel und ein paar Finanzgeschäfte ausgenommen”), woraufhin das ZDF die Passage gestrichen hatte. Sowohl Precht als auch Lanz wurden für die Podcastfolge heftig kritisiert und teilweise als Antisemiten bezeichnet. Nun gehen sie in einer Sonderausgabe auf die Vorwürfe ein, die sie nach 24 Minuten beenden. “Zum Glück für die beiden, denn es hat nicht viel gefehlt und sie hätten ihren Klartext mit Fragezeichen versehen”, schreibt Joachim Huber.

2. Krieg der Bilder
(taz.de, Monika Hübscher)
Monika Hübscher berichtet in der “taz” über die Social-Media-Kriegsführung der Hamas. Der Einsatz Sozialer Medien in der Kriegsführung durch die Terrororganisation habe bereits am Tag des Angriffs auf Israel begonnen. Hübscher warnt davor, die derzeit im Umlauf befindlichen Gräuelbilder zu teilen: “Auch wenn manche Social-Media-Nutzer diese krassen Bilder und Videos nur auf ihren Profilen teilen, um über diese Verbrechen zu informieren, verbreiten sie damit doch Hamas-Propaganda. So werden Use­r*in­nen in den Netzwerken Teil der erfolgreichen algorithmischen Kriegsführung der Hamas.”
Weiterer Lesetipp: “Klare Parteilichkeit ist möglich”: “Nach den Hamas-Angriffen verbreiten auch deutsche Medien antisemitische Vorurteile. Kim Robin Stoller über die hohe Bedeutung, Sprache zu entlarven.” (taz.de, Erica Zingher)

3. “Wir können uns da auf keine Seite schlagen”
(deutschlandfunk.de, Jan-Christoph Kitzler, Audio: 8:02 Minuten)
Jan-Christoph Kitzler, Nahost-Korrespondent für Deutschlandfunk und ARD, betont, dass er sich bei seiner Berichterstattung aus dem Nahen Osten nicht auf eine Seite schlagen könne. Nach einem Raketeneinschlag im Al-Ahli-Krankenhaus in Gaza, bei dem zunächst von Hunderten Toten die Rede war, müsse er in seiner Berichterstattung vorsichtig sein und beide Seiten der Geschichte berücksichtigen. Kitzler könne derzeit nicht direkt aus dem Gazastreifen berichten und sei daher auf Informationen von Nachrichtenagenturen und lokalen Journalisten, sogenannten Stringern, angewiesen.

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4. Wir müssen darüber reden, wie wir über Künstliche Intelligenz berichten.
(wissenschaftskommunikation.de, Marcus Anhäuser)
Ein Jahr nach dem Start von OpenAIs Bildgenerator DALL-E und der Künstlichen Intelligenz (KI) ChatGPT wird im Journalismus diskutiert, wie über KI berichtet werden soll. Für Marcus Anhäuser stellen sich dabei einige Fragen: “Wie sollten Journalist*innen (und auch Kommunikator*innen) über Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz und Maschinellem Lernen basieren, berichten? Was braucht es, um Rezipient*innen angemessen und mit einem kritischen Blick über die neuesten Entwicklungen zu informieren? Welche Fragen müssen sie stellen, um sich reflektiert mit KI auseinanderzusetzen?”

5. Streit um News-App: Verleger verklagen den SWR
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie erwartet, haben 16 südwestdeutsche Verlage im Streit mit dem SWR um die “Newszone”-App eine Klage angekündigt, berichtet Timo Niemeier bei “DWDL”. Damit gehe der Streit zwischen den Verlagen und dem öffentlich-rechtlichen Sender in die nächste Runde. Der SWR prüfe nun, wann die App wieder veröffentlicht werden könne – eine neue Version sei von einem möglichen Verbot nicht betroffen.

6. Verfolgung Assanges Gefahr für Medien weltweit
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Verfolgung des WikiLeaks-Gründers Julian Assange durch die USA stellt nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen (ROG) eine Bedrohung für die Medien und das Recht auf freie Information weltweit dar. In der neuen Anzeigenkampagne “Collateral Damage” machen ROG und verschiedene Redaktionen auf diese Gefahr aufmerksam. Das Thema sei hochaktuell: Eine Auslieferung Assanges von Großbritannien an die USA könne bereits in wenigen Wochen erfolgen.

Von “Bild” bedroht?, Freundliche “Krone”, Mehr Urlaubsgeld

1. Stefan Mross wirft “Bild”-Unterhaltungschefin Drohungen vor
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Der Schlagersänger und Moderator Stefan Mross habe in einem Social-Media-Post die “Bild”-Unterhaltungschefin Tanja May scharf kritisiert und ihr vorgeworfen, ihm über seinen Manager gedroht zu haben. Mross beschwere sich über die negative Berichterstattung der “Bild”-Redaktion über ihn und behaupte, May habe gedroht, “ganz andere Geschichten aus der Schublade zu holen”, wenn er nicht rechtliche Schritte gegen einen ihrer Artikel einstellt. Der Axel-Springer-Verlag, zu dem “Bild” gehört, habe sich nicht zu den Vorwürfen geäußert.

2. Kaum Hilfe für Exiljournalisten
(verdi.de)
Journalistinnen und Journalisten in Afghanistan seien laut Erkenntnissen der Organisation Reporter ohne Grenzen durch die Bedrohung und Verfolgung durch die Taliban in ständiger Gefahr. Das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan der Bundesregierung soll gefährdeten Medienschaffenden helfen, doch bisher habe keine der von der Organisation vorgeschlagenen Personen nach Deutschland einreisen können. In Summe seien nur 13 Menschen eingereist. Reporter ohne Grenzen kritisiere die mangelnde Unterstützung und fordere die Bundesregierung auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden sowie die Aufnahmeentscheidungen zu beschleunigen.

3. So freundlich berichteten “Krone” und “Heute” im Wahlkampf 2017 über Sebastian Kurz
(kobuk.at, Franziska Schwarz)
Franziska Schwarz beschäftigt sich bei “Kobuk” mit der Berichterstattung der österreichischen Medien “Krone” und “Heute” über Sebastian Kurz im Wahlkampf 2017. Eine Analyse von mehr als 1.100 Artikeln zeige, dass das Boulevardblatt “Kronen Zeitung” besonders positiv über Kurz berichtet habe, während die Gratiszeitung “Heute” eine weniger eindeutige Tendenz zeige. Gegen die “Heute”-Herausgeberin Eva Dichand werde dennoch ermittelt. Es bestehe der Verdacht, dass Kurz im Gegenzug für Inserate und ein günstigeres Stiftungsgesetz positive Berichterstattung erhalten habe. Auch gegen Eva Dichands Ehemann, “Krone”-Herausgeber Christoph Dichand, wird ermittelt.

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4. TV-Nachrichten in der Schweiz: “Das Wichtige des Tages” ohne den Globalen Süden?
(de.ejo-online.eu, Ladislaus Ludescher)
Die wichtigste Schweizer Nachrichtensendung, die “Tagesschau” des SRF, berichte in nur rund 10 Prozent ihrer Sendezeit über den Globalen Süden, obwohl dort rund 85 Prozent der Weltbevölkerung leben. Trotz bedeutender humanitärer Krisen und Konflikte im Globalen Süden, wie dem Bürgerkrieg in Tigray und der humanitären Krise im Jemen, werde diesen Themen wenig bis keine Aufmerksamkeit geschenkt. Ladislaus Ludescher erinnert am Schluss seiner Analyse daran, “dass der Wert von Nachrichtengeschehen nach ihren menschlichen Dimensionen und nicht nach ihrem geografischen Standort beurteilt wird.”

5. Das Warten auf den TikTok-Account
(deutschlandfunk.de, Magdalena Neubig, Audio: 5:01 Minuten)
Der Deutschlandfunk berichtet über eine Diskussion im Hamburger Körber-Forum zum digitalen Umgang von Kindern mit Smartphones und Sozialen Medien. Während einige Eltern ihren Kindern den Zugang zu Plattformen wie TikTok verwehren wollen, würden Experten betonen, dass nicht das Smartphone an sich, sondern bestimmte Anwendungen das Problem seien. Der Psychologe Christian Montag empfiehlt, Soziale Medien nicht vor dem 13. Lebensjahr zu nutzen, während andere die Verantwortung der Eltern betonen, den digitalen Konsum ihrer Kinder zu überwachen und zu begleiten.

6. Mehr Urlaubsgeld für Freie
(djv.de, Paul Eschenhagen)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) begrüßt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, dass arbeitnehmerähnliche Freie beim Deutschlandradio Anspruch auf ein höheres Urlaubsgeld haben, da Wiederholungshonorare in die Berechnung einbezogen werden müssen. Bis 2017 wurden diese Honorare in die Berechnung einbezogen, ab 2018, als der WDR die Abrechnungen übernahm, nicht mehr, was zu einer Kürzung des Urlaubsgeldes führte. DJV und Verdi hatten erfolgreich gegen diese Praxis geklagt. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall weist darauf hin, dass die Entscheidung auch rückwirkend gelten könnte.

Berichten über Nahost, Senioren Zukunft des TV, Immobilienverkäufe

1. Ausnahmezustand: Berichten über den Krieg in Nahost
(sr.de, Katrin Aue & Thomas Bimesdörfer, Audio: 15:49 Minuten)
Katrin Aue und Thomas Bimesdörfer diskutieren mit Tobias Kühn von der “Jüdischen Allgemeinen” darüber, wie deutsche Medien über den aktuellen Konflikt im Nahen Osten berichten: Wer wird als Aggressor dargestellt und wer als Leidtragender? Welche Veränderungen könnten und sollten in der Berichterstattung vorgenommen werden?

2. Der RBB drängt auf den Immobilienmarkt
(tagesspiegel.de, Anna Ringle)
Wie der “Tagesspiegel” berichtet, will der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) im Rahmen seines Sparprogramms seinen gesamten Immobilienbestand auf mögliche Verkäufe überprüfen. Die neue Intendantin Ulrike Demmer habe bestätigt, dass es zu weiteren Immobilienverkäufen kommen werde, der genaue Umfang sei aber noch unklar. Dieser Schritt sei Teil der Bemühungen des RBB, bis Ende 2024 eine Finanzlücke von 49 Millionen Euro zu schließen.

3. “Senioren sind die Zukunft des linearen Fernsehens”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath hat mit der TV-Expertin Virginia Mouseler über aktuelle Entwicklungen auf dem Fernsehmarkt gesprochen. Ein bemerkenswerter Trend sei, dass Dating-Formate für Seniorinnen und Senioren immer beliebter werden. Als Beispiele nennt Mouseler “The Golden Bachelor” auf dem US-Sender ABC und “My Mum, your dad” auf Vox. Sie betont, dass diese Zielgruppe die Zukunft des linearen Fernsehens sei und dass “Old-School-Fernsehen” ein möglicher Trend für lineare Fernsehsender sein könnte.

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4. Franca Lehfeldt verlässt Springer-Verlag
(spiegel.de, Anton Rainer)
Franca Lehfeldt, Chefreporterin bei Welt TV und Ehefrau des Finanzministers Christian Lindner, verlässt laut einer dem “Spiegel” vorliegenden Abschiedsmail zum Monatsende den Axel-Springer-Verlag. Offenbar will sie eine Agentur für Kommunikation und Marketing gründen, was sie gegenüber der “Zeit” 2022 noch ausgeschlossen habe.

5. Fusionen sind noch keine Reformen
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Leonhard Dobusch diskutiert bei netzpolitik.org die Frage, ob Fusionen öffentlich-rechtlicher Medien die richtige Antwort auf die digitalen Herausforderungen sind. Fusionen könnten kurzfristig hohe Investitionen erfordern und nicht unbedingt zu den erhofften Einsparungen führen. Helfen könnte ein kooperativer und dezentraler Ansatz, der auf offene Software, Standards und Protokolle setzt und ein kooperatives Management fördert.

6. Wahl pro Pressefreiheit
(div.de, Paul Eschenhagen)
Bei den jüngsten Wahlen in Polen habe sich eine klare Mehrheit für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und freie Medien ausgesprochen. Die Wählerinnen und Wähler hätten sich gegen die nationalpopulistische Partei PiS und für das demokratische Parteienbündnis von Oppositionsführer Donald Tusk entschieden. Trotz der Schwierigkeiten bei der anstehenden Regierungsbildung seien die Aussichten für die Pressefreiheit in Polen, die unter der PiS-Regierung stark gelitten habe, positiv, meint Paul Eschenhagen in seinem Kommentar.

Nahost-Konflikt, ZDF löscht Precht-Aussage, Apocalypse not now

1. Warum wird es immer so emotional, wenn es um den Nahost-Konflikt geht?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 15:02 Minuten)
“Was sollten Journalistinnen und Journalisten beachten, die über den Nahost-Konflikt berichten? Und warum ist es nicht gut, von der einen und der anderen Seite zu sprechen?” Darüber hat sich Holger Klein mit der Politikwissenschaftlerin, Ärztin und Journalistin Gilda Sahebi unterhalten: “Warum wird es immer so emotional, wenn es um den Nahost-Konflikt geht?”
Weiterer Lesetipp: Die EU-Kommission erhöht den Druck auf X (vormals Twitter): “Die EU-Kommission leitet eine Untersuchung gegen die Plattform X ein. Der Vorwurf: Sie gehe nicht ausreichend gegen Falschinformationen nach den Angriffen auf Israel vor.” (zeit.de, Meike Laaf)

2. ZDF löscht Precht-Aussage über orthodoxe Juden
(spiegel.de)
In einer kürzlich erschienenen Episode des ZDF-Podcasts “Lanz und Precht” hat sich Richard David Precht in einer Art über das orthodoxe Judentum geäußert, die viel Kritik hervorgerufen hat. Besonders deutlich äußerte sich die israelische Botschaft in Berlin auf dem Kurznachrichtendienst X (vormals Twitter): “Lieber Richard David Precht, wenn man keine Ahnung vom Judentum hat, sollte man besser nichts darüber sagen, als uralte antisemitische Verschwörungstheorien aufzuwärmen.” Die ZDF-Redaktion hat inzwischen die umstrittene Passage entfernt und nachträglich ein Statement von Precht eingefügt.

3. Apocalypse – not now
(taz.de, Christian Jakob)
Christian Jakob beleuchtet bei taz.de, wie Medien die Darstellung von Krisen oft verschärfen, was bei Menschen zu Überwältigung und Entmutigung führe. Dem könne jedoch von Medienseite entgegengewirkt werden: “Mit der Zumutung der Wirklichkeit muss man leben. Mit einem wettbewerbsgetriebenen Alarmismus, der sich verschärfende Krisen noch weiter anspitzt, und Social-Media-Echokammern, die Fatalismus zementieren, nicht.”

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4. Transparency Russia: Aus dem Exil gegen Korruption
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
Transparency Russland, ein Zweig der NGO Transparency International, wurde von der russischen Regierung als “ausländischer Agent” eingestuft und musste 2022 das Land verlassen. Trotz des Exils setze die Organisation ihre Arbeit fort und führe investigative Recherchen durch. Im Interview spricht Geschäftsführer Ilya Shumanov über seine Arbeitsbedingungen vor der Flucht ins Ausland und darüber, was sich für ihn im Exil verändert hat.

5. Umfassendes Forschungsprojekt zum gemeinwohlorientierten Journalismus gestartet
(netzwerkrecherche.org)
Das Netzwerk Recherche will mit vier europäischen Partnern den gemeinwohlorientierten Journalismus in Europa erforschen. Ziel sei es, detaillierte Daten über die unabhängige Medienlandschaft zu sammeln: “Wir möchten wissen, welche Geschäftsmodelle unter welchen Bedingungen am besten funktionieren, wie es den Medienorganisationen gelingt, die Zahlungsbereitschaft beim Publikum zu wecken, und wo die größten Hindernisse für nachhaltiges Wachstum liegen.” Wer in einer gemeinnützigen Redaktion arbeitet und die Aktion unterstützen möchte, findet den Fragebogen hier (englisch, circa 30-45 Minuten).

6. Muss der Beitragszahler die Sendungen der Kirchen bezahlen?
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Derzeit wird diskutiert, ob es angemessen ist, dass die evangelische und die katholische Kirche bei ARD und ZDF sowie im Deutschlandradio insgesamt 14 Stunden Sendezeit pro Woche erhalten, die sie selbst gestalten können und deren Kosten die Sender tragen. Joachim Huber kommentiert: “Keine Lösung wäre es, wenn die Konfessionen mittels einer medialen Reformation aus den Programmen vertrieben werden, dafür zeugen selbst die schwindenden Mitgliederzahlen für eine große, weiterhin bestehende Relevanz. Aber eines darf passieren: Dass die evangelische und die katholische Kirche ihre Verkündigungssendungen selber bezahlen. So viel Einsatz für den lieben Gott darf schon sein.”

KW 41/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Mediale Problemzone? – Berichterstattung über Ostdeutschland
(ndr.de, Konstanze Nastarowitz & Mandy Mülling, Video: 15:06 Minuten)
“33 Jahre nach der Wiedervereinigung sollte die Mauer gänzlich verschwunden sein, doch sie verharrt in den Köpfen und Unterschiede zwischen Ost und West bleiben. Welche Rolle spielen dabei die Medien?”, fragen Konstanze Nastarowitz und Mandy Mülling im NDR-Medienmagazin “Zapp”. Für ihre Suche nach einer Antwort haben sie unter anderem mit Jan Hollitzer, Chefredakteur der “Thüringer Allgemeinen”, und Anne Hähnig, Leiterin des Leipziger Büros der “Zeit”, gesprochen.

2. KI im Journalismus in 10 Jahren
(soundcloud.com, Sascha Fobbe, Audio: 36:57)
In der aktuellen Folge des Podcasts “Ohne Block und Bleistift” spricht Sascha Fobbe mit Dennis Horn über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Journalismus. Horn rät zur Gelassenheit, warnt vor dystopischen Vorstellungen und betont die Notwendigkeit des menschlichen Gewissens im Journalismus. Medienhäuser sollten sich proaktiv den Herausforderungen der Zeit stellen und die Entwicklung von KI in der Branche aktiv mitgestalten, um nicht, wie in den Anfangszeiten von Social Media, ins Hintertreffen zu geraten.

3. Kriegsreporter Friedhelm Brebeck: Schicksal ist, was kommt
(br.de, Martin Durm, Audio: 41:23 Minuten)
Friedhelm Brebeck, einer der prominentesten Kriegsreporter der 90er-Jahre, berichtete unter lebensgefährlichen Bedingungen aus Kriegs- und Krisengebieten wie dem damals belagerten Sarajevo. Martin Durm hat sich mit dem fast 90-jährigen Brebeck über dessen einzigartiges Journalistenleben und dessen Erfahrungen unterhalten.

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4. Radio macht Geschichte
(ardaudiothek.de, Audio: 15 Folgen zu je 12 bis 14 Minuten)
Wann gab es die erste Live-Reportage eines Fußball-Länderspiels? Inwieweit hat Radio dem Jazz und der Popmusik zum Durchbruch verholfen? Was brachte der Rundfunk Neues für die Kultur? Die 15-teilige Serie “Radio macht Geschichte” erkundet die Einflüsse des Radios seit dessen erster Ausstrahlung in Deutschland im Jahr 1923. Die Gemeinschaftsproduktion von RBB Kultur, SWR Wissen und MDR Kultur bietet eine informative und unterhaltsame Reise durch 100 Jahre Radiogeschichte.

5. Populismus – Fake News als politischer Kampfbegriff
(deutschlandfunknova.de, Nina Bust-Bartels, Audio: 39:26 Minuten)
Im Vortrag der Kommunikationswissenschaftlerin Jana Egelhofer geht es um den Begriff “Fake News”, der oftmals tendenziös und als politischer Kampfbegriff verwendet werde. Egelhofer erklärt, wie der Begriff die politische Debatte beeinflusst und das Vertrauen in die Medien untergräbt.

6. Die kleine Youtuberin aus Nordkorea
(youtube.com, Camille Bourleaud, Video: 11:35 Minuten)
Der Arte-Beitrag von Camille Bourleaud stellt die elfjährige “Song A” aus Nordkorea vor, die auf Englisch über ihr Leben in der Hauptstadt Pjöngjang und ihre Freizeitaktivitäten berichtet. Die Bilder sollen authentisch wirken, unterliegen aber der staatlichen Kontrolle und verdeutlichen die Absicht des Regimes, Influencer-Plattformen für eigene Botschaften zu nutzen, um ein geschöntes Bild des Landes zu erzeugen.

Lindemann verliert, Google zahlt, Zwangsvollstreckung für Hildmann

1. “Rammstein”-Sänger verliert vor Gericht gegen die “SZ”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Wie Joachim Huber berichtet, hat das Landgericht Frankfurt eine der ersten großen Recherchen über Rammstein-Sänger Till Lindemann für zulässig erklärt. Der am 2. Juni dieses Jahres in der “Süddeutschen Zeitung” (“SZ”) erschienene Beitrag (nur mit Abo lesbar) beschreibt ein Casting-System, mit dem Lindemann junge Frauen zu Partys eingeladen haben soll, sowie mehrere sexuelle Kontakte zwischen ihm und Konzertbesucherinnen. Trotz der Einwände von Lindemanns Anwälten, dass die sexuellen Handlungen einvernehmlich gewesen seien und die Berichterstattung die Intimsphäre des Sängers verletze, habe das Gericht laut “SZ” die Unterlassungsklage abgewiesen, da die Darstellung des Casting-Systems im öffentlichen Interesse liege, insbesondere im Hinblick auf die Prävention.

2. Google zahlt Verlagen 3,2 Millionen Euro pro Jahr
(spiegel.de)
Laut einer Mitteilung von Google habe sich das Unternehmen mit der Verwertungsgesellschaft Corint Media, von der sich einige deutsche Verlage vertreten lassen, geeinigt, jährlich 3,2 Millionen Euro für die Nutzung von Presseinhalten zu zahlen. Diese Zahlung sei Teil einer vorläufigen Übereinkunft nach jahrelangem Streit um die Nutzung von Presseinhalten durch Google und liege weit unter den Vorstellungen der Verwertungsgesellschaft, die allein für das Jahr 2022 eine Zahlung von 420 Millionen Euro gefordert habe.

3. Zwangsvollstreckung bei Attila Hildmann: Erfolg für Volker Beck und HateAid
(hateaid.org)
Der in die Türkei geflohene ehemalige Kochbuchautor und aktuelle Verschwörungsideologe Attila Hildmann muss per Zwangsvollstreckung eine Geldentschädigung aus den Erlösen seiner Buchverkäufe zahlen. Wegen massiver Angriffe auf den Politiker Volker Beck war Hildmann zu einer Zahlung in Höhe von rund 1.000 Euro (plus Verfahrenskosten) verurteilt worden, der er nicht nachgekommen war: “Die Erlöse werden so lange gepfändet, bis die Forderung vollständig abgegolten ist”, teilt die Organisation HateAid mit, die das Verfahren gegen Hildmann vorfinanziert hatte.

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4. Frankfurter Rundschau: Beschäftigte fordern Fortsetzung der Tarifverhandlungen
(dju.verdi.de, Ute Fritzel)
Die Beschäftigten der “Frankfurter Rundschau” (“FR”) kämpfen seit Monaten für faire Gehälter, bessere Arbeitsbedingungen und einen Tarifvertrag, doch die Verhandlungen seien im August einseitig von der Geschäftsführung abgebrochen worden. Die Gewerkschaften Verdi und DJV lehnen den Abbruch der Gespräche ab, da die Gehaltsstrukturanpassung angesichts der Inflation unzureichend sei und in vielen Fällen nicht einmal die Reallohnverluste der vergangenen Jahre ausgleiche. Um den Druck auf die Verleger zu erhöhen, planen die Beschäftigten der “FR” für den 17. Oktober eine “aktive Mittagspause” vor den Redaktionsräumen in Frankfurt.

5. Springers Politico startet mit Gordon Repinski und Cecil von Busse in Berlin
(kress.de, Marc Bartl)
Wie kress.de berichtet, startet “Politico”, das zum Springer-Verlag gehört, Anfang 2024 in Deutschland unter der Leitung von Gordon Repinski mit dem täglichen Newsletter “Berlin Playbook”. Cecil von Busse übernehme als Geschäftsführer die Verantwortung für den Markteintritt in Deutschland und den weiteren Aufbau der Medienmarke. Die Expansion sei Teil einer Partnerschaft zwischen Springer und Gabor Steingarts “Media Pioneer”.

6. Was kostet die Welt? Ein Magazin erklärt Kindern Wirtschaft
(uebermedien.de, Katrin Wilkens)
Katrin Wilkens stellt bei “Übermedien” ein Wirtschaftsmagazin für Kinder vor: “weil.” sei vom Carlsen Verlag und der Brand Eins Medien AG entwickelt worden, um Wirtschaftsthemen kindgerecht aufzubereiten. Ziel des Magazins sei es, Wirtschaft zeitgemäß, aber nicht belehrend zu erklären und Kindern ein besseres Verständnis für alle Vorgänge rund um Euro und Cent zu vermitteln.

Antidiskriminierung verlässt X, “Unglücklicher Zufall”, Müllhalde

1. Antidiskriminierungsbeauftragte ruft staatliche Institutionen zum Verlassen von X auf
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes hat angekündigt, X (ehemals Twitter) zu verlassen. Als staatliche Institution habe man eine Vorbildfunktion, daher sei ein Verbleib bei X nicht mehr vertretbar. Darüber hinaus fordert die Antidiskriminierungsstelle andere Institutionen auf, ebenfalls über einen Ausstieg nachzudenken: “Alle Ministerien und andere öffentliche Stellen sollten sich fragen, ob es weiterhin tragbar ist, auf einer Plattform zu bleiben, die zu einem Desinformations-Netzwerk geworden ist und dessen Eigentümer antisemitische, rassistische und populistische Inhalte verbreitet.”

2. Gute Nachrichten für den Sponsor
(taz.de, Gernot Knödler)
Wie die “taz” berichtet, ließ sich das “Hamburger Abendblatt” von der Firma Eins-Komma-Fünf-Grad und der städtischen Messegesellschaft eine Jubiläumsaktion sponsern, bei der der Hamburger Fernsehturm angestrahlt wurde. Unmittelbar neben dem Artikel zu dieser Aktion erschien ein großer Beitrag über Eins-Komma-Fünf-Grad, der den Verdacht der Schleichwerbung aufkommen ließ. Die Funke Mediengruppe, zu der auch das “Hamburger Abendblatt” gehört, habe den Vorwurf entschieden zurückgewiesen und die Artikelkombination als ” einen – wenn auch ob der Wirkung unglücklichen – Zufall” bezeichnet.

3. Rezeption des Israel-Angriffs auf Telegram
(belltower-news.de)
Die Monitoring-Redaktion von “Belltower News” hat sich angeschaut, wie Rechtsextreme und Verschwörungsverbreiter die Terrorangriffe auf Israel nutzen, um ihre Narrative bei Telegram zu verbreiten. Das Fazit: “Nach einem unendlich langen Terror-Wochenende gegen die israelische Bevölkerung wirkt Telegram wie eine brennende Müllhalde entfesselter Menschenfeindlichkeit.”

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4. Warum zahlen Nutzer nicht für Nachrichten?
(de.ejo-online.eu, Johanna Mack)
Johanna Mack fasst eine Studie zusammen, die vier Hauptgründe nennt, warum Nutzerinnen und Nutzer nicht für Nachrichten bezahlen: als zu hoch wahrgenommene Preise, genügend kostenlose Nachrichtenquellen, mangelnde Bindungsbereitschaft sowie Liefer- oder technische Probleme. Viele der Befragten seien sich nicht bewusst, dass es durchaus günstigere Angebote gibt, oder fühlen sich durch andere Dienste wie Netflix oder Spotify übersättigt. Auch die Vielfalt kostenloser Informationen und das Zögern, sich auf ein Medium festzulegen, wirke sich negativ auf die Zahlungsbereitschaft aus.

5. Der Flächenbrand
(journalist.de, Sonja Peteranderl)
Sonja Peteranderl beschäftigt sich beim “journalist” mit der alarmierenden Zunahme von Burn-out-Erkrankungen bei Journalistinnen und Journalisten, die auf das hohe Arbeitstempo und den Stress zurückzuführen sei. Studien aus den USA und Deutschland würden die Dringlichkeit des Problems belegen und eine bessere Unterstützung der Medienschaffenden fordern.
Weiterer Lesetipp: Von Risiken und Druck im Beruf: “Journalist*innen in Deutschland sehen sich in einem hohen Maß Stress ausgesetzt. Die Mehrheit hat in letzter Zeit Beleidigungen im Internet und Herabwürdigungen ihrer Arbeit erlebt. Das kam bei einer repräsentativen Befragung heraus, die jetzt im Arbeitspapier ‘Journalismus in Deutschland 2023: Aktuelle Befunde zu Situation und Wandel’ vom Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans Bredow-Institut (HBI) veröffentlicht wurde.” (verdi.de)

6. Niggemeier und Rosenkranz übergeben Leitung von “Übermedien”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Zum Schluss noch eine Personalnachricht von den Kollegen von nebenan: Wie “DWDL” unter Berufung auf eine Pressemitteilung von “Übermedien” berichtet, ziehen sich Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz aus der Geschäftsführung des Online-Magazins zurück. Ab 2024 soll Alexander Graf, bisher Chefredakteur des “Medium Magazins”, als neuer Geschäftsführer und Chefredakteur die Leitung übernehmen. Niggemeier und Rosenkranz würden “Übermedien” aber als Autoren und alleinige Gesellschafter erhalten bleiben.

Rammstein-Recherchen, Lob der Vielfalt, Internetkrieger Musk

1. “Unsere Recherchen zum Fall Rammstein”
(journalist.de,. Daniel Drepper)
Daniel Drepper, Leiter der Recherchekooperation von NDR, WDR und “Süddeutscher Zeitung”, schildert die umfangreichen Recherchen seines Teams zur Band Rammstein und zeichnet nach, wie diese in einen Kulturkampf mündeten: “Da die Vorwürfe, die juristische Aufarbeitung und das journalistische Handwerk oft kompliziert sind, zeitaufwändig und nur schwierig zu erklären, geht in der Diskussion vieles durcheinander. Das wird immer häufiger befeuert von einer Gegenseite, die durch aggressive Pressearbeit und das Erwecken falscher Eindrücke nicht nur rechtlich gegen die Recherchen vorgeht, sondern aktiv versucht, diese in der Öffentlichkeit zu diskreditieren. Auch deshalb sprechen wir derzeit vermehrt über unsere Arbeit.”

2. Internetkrieger in erster Reihe
(taz.de, Tatjana Söding)
Tatjana Söding beschäftigt sich in der “taz” mit dem “Rechtslibertarismus des Elon Musk”. Der US-Unternehmer, Eigentümer von X (ehemals Twitter) sowie CEO von Tesla und SpaceX sei in seinen Ansichten immer extremer geworden. Musk offenbare eine tiefe Ablehnung von Regeln und Normen sowie eine Tendenz zu rechten Ansichten. Das zeige sich beispielsweise in der Unterstützung rechter Tweets und der Verbreitung von Verschwörungserzählungen. Musk wehre sich gegen diese Vorwürfe und verweise auf sein Engagement für nachhaltige Energie und Umweltschutz.

3. Mitgliedstaaten müssen sich Parlament anschließen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Verhandlungen über das europäische Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act, EMFA) nähern sich in Brüssel ihrem Ende. Die Organisation Reporter ohne Grenzen drängt den Rat der Europäischen Union, den vom Europäischen Parlament verabschiedeten Entwurf des EMFA anzunehmen, der einen besseren Schutz für Medienschaffende vorsehe. Besonders umstritten sei derzeit noch ein Passus, der die Überwachung von Journalisten und Journalistinnen und die Vertraulichkeit ihrer Quellen betrifft.

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4. Neues Infoportal
(djv.de, Paul Eschenhagen)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat ein neues Informationsportal namens freien.info für freie Journalistinnen und Journalisten ins Leben gerufen. Das Portal biete ausführliche Informationen zur freiberuflichen Tätigkeit im Journalismus und soll Medienschaffenden bei der Existenzgründung helfen. Es enthalte berufsrelevante Informationen, die sowohl für Neueinsteiger als auch für erfahrene Journalistinnen und Journalisten nützlich seien.
Weiterer Tipp: Mit den “Freischreibern” gibt es seit 2008 auch einen (vom DJV unabhängigen) Berufsverband für freie Journalistinnen und Journalisten.

5. Ohne Vielfalt keine Demokratie
(verdi.de, Bärbel Röben)
Bärbel Röben berichtet über die Jahreskonferenz des Vereins Neue deutsche Medienmacher*innen. Dort wurde über die Bedeutung von Vielfalt im Journalismus und die Auswirkungen des aktuellen Rechtsrucks auf Medienschaffende diskutiert. Dabei wurde betont, dass guter Journalismus als “Grundpfeiler der Demokratie” Diskurse einordnen und marginalisierten Gruppen eine Stimme geben müsse. Röben fasst die Themen und Beiträge der Konferenz zusammen.

6. “… werden als verfassungswidrig aufgehoben.”
(arminwolf.at)
“Der Einfluss der Bundesregierung auf die ORF-Gremien ist zu groß. Das hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) jetzt in einem historischen Erkenntnis festgestellt. An dieser Entscheidung bin ich eventuell nicht ganz unschuldig”, schreibt der österreichische Moderator Armin Wolf in einem Blogbeitrag. Das aktuelle ORF-Gesetz, das die Bestellung von Stiftungs- und Publikumsrat regelt, müsse bis Ende März 2025 geändert werden. Wolf sieht darin eine historische Chance für die Unabhängigkeit der ORF-Gremien, ist aber skeptisch, ob die Politik in Österreich ihren Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Sender tatsächlich begrenzen wird.

Bei Opferbildern abwägen, Digital-Orakel, Stimmungsmache bei “Nius”

1. Presserat: Bei Opferbildern abwägen
(verdi.de)
Nach dem Angriff der Hamas auf Israel fordert der Presserat die Redaktionen auf, bei der Veröffentlichung von Fotos und Videos von Terroropfern sorgfältig abzuwägen und die Wirkung solcher Bilder zu berücksichtigen. “An der Berichterstattung über den beispiellosen Angriff der Hamas und die jetzt folgenden Kampfhandlungen besteht zweifellos ein überragendes öffentliches Interesse”, so Presserats-Sprecherin Kirsten von Hutten: “Dennoch müssen Redaktionen vor der Veröffentlichung von Fotos und Videos die Menschenwürde der Opfer und die Gefühle der Angehörigen im Blick behalten”.

2. BR und Arte beenden Zusammenarbeit mit Malcolm Ohanwe
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Der Bayerische Rundfunk (BR) und Arte haben die Zusammenarbeit mit dem Journalisten Malcolm Ohanwe beendet, nachdem dieser in einem Tweet Verständnis für den Angriff der Hamas auf Israel gezeigt habe. Der BR kritisierte Ohanwes Äußerungen als “menschenverachtend” und betonte, sie entsprächen nicht dem journalistischen Selbstverständnis des Senders. Ohanwe wiederum erklärte, er habe den Terror nicht relativiert oder gerechtfertigt.

3. Verhetzen, verunglimpfen, verachten
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier kritisiert bei “Übermedien” die rechte Medienplattform “Nius”. Dort wurde kürzlich eine propagandistisch zugespitzte Bildcollage veröffentlicht, in der eine Aussage von CDU-Chef Friedrich Merz aufgegriffen wurde, der zuvor behauptet hatte, Asylbewerber würden sich auf Kosten der Steuerzahler “die Zähne neu machen” lassen. Niggemeier kommentiert: “Es geht nur darum, Stimmung zu machen gegen all die Horden, die es sich angeblich auf Kosten der Deutschen, der Mehrheit, gut gehen lassen. Und es geht darum, diese Menschen zu benutzen, um Stimmung zu machen gegen Leute, die der fremdenfeindlichen Rhetorik von Merz widersprechen, die nicht den Reflex haben, dass man jetzt darüber nachdenken sollte, ob Asylbewerber eigentlich überhaupt zum Zahnarzt gehen müssen oder dürfen oder nicht die Schmerzen einfach aushalten sollten, irgendwo hört’s mit der Humanität ja auch mal auf.”

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4. Reporter ohne Grenzen auf Distanz
(taz.de, Florian Bayer)
Der Konflikt um den ORF-Ukraine-Korrespondenten Christian Wehrschütz spitzt sich offenbar zu. Der Rechtsanwalt Gabriel Lansky, der Wehrschütz vertritt, soll Reporter ohne Grenzen (ROG) Österreich verlassen haben, bevor er möglicherweise aus dem Vorstand ausgeschlossen werden konnte. Der Grund: Ein Interessenkonflikt, weil Lansky Wehrschütz vertrete und ihn gleichzeitig innerhalb von ROG unterstütze. Wehrschütz, dessen Akkreditierung als Journalist in der Ukraine bereits abgelaufen sei, war zuvor in die Kritik geraten, weil er die ukrainische Luftabwehr gefilmt und seine Beiträge mit prorussischen Propagandavideos versehen habe.

5. BDZV einigt sich mit DJV auf Inflationsausgleichsprämie
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” berichtet, hat sich der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) mit dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) auf eine Inflationsausgleichsprämie von 120 Euro monatlich geeinigt, die Redakteurinnen und Redakteuren von Tageszeitungen bis Ende des kommenden Jahres gezahlt werde. Die Vereinbarung verlängere jedoch den Gehaltstarifvertrag bis Ende 2024, was die Gewerkschaft dju kritisiere und als “tarifpolitische Bankrotterklärung” bezeichne.

6. Philipp Klöckner: Das Digital-Orakel von Ostvorpommern
(n-joy.de, Norbert Grundei, Audio: 1:28:54 Stunden)
Digital-Experte und Investor Philipp Klöckner ist einer der beiden Köpfe des hörenswerten “Doppelgänger-Tech-Talk”-Podcasts und profunder Kenner der Start-up-Szene. Norbert Grundei diskutiert mit Klöckner über dessen Karriereanfänge in Greifswald, den Streamingmarkt und gesellschaftliche Veränderungen.

Toter Vogel und blauer Himmel, Keine Medienvielfalt, Problem-Stimmen

1. Der blaue Vogel ist tot, lang lebe der blaue Himmel
(socialmediawatchblog.de, Martin Fehrensen & Simon Hurtz)
Im “Social Media Watchblog” beschäftigen sich Martin Fehrensen und Simon Hurtz mit Bluesky, das von vielen als Alternative zu Twitter gesehen wird. Es gebe einige Gründe für und gegen die Zukunft des Netzwerks. Während einige, wie Fehrensen, optimistisch sind und glauben, dass Bluesky einen nachhaltigen Hype auslösen kann, bleibt Hurtz skeptisch und hat mehr Fragen als Antworten. Eine lesenswerte Gegenüberstellung der wichtigsten Argumente.
Weitere Hör- und Lesetipps: Bei “Übermedien” hat sich Holger Klein mit Fehrensen über Bluesky unterhalten (25:56 Minuten). Beim SR hat Plattformexperte Michael Seemann seine Einschätzung dazu abgegeben (16:36 Minuten). Und bei der “taz” findet Carolina Schwarz, dass Bluesky unter den richtigen Bedingungen ein wichtiges demokratisches Instrument werden könnte.

2. Stern Preis für “Geschichte des Jahres” bleibt
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Die mit dem “Stern”-Preis 2022 ausgezeichnete “Spiegel”-Recherche über Ex-“Bild”-Chef Julian Reichelt bleibt trotz einer Korrektur des Nachrichtenmagazins ausgezeichnet. Das hätten Chefredaktion und Beirat des “Stern” nach einer erneuten Prüfung entschieden. Der “Spiegel”-Artikel sei zwar an einer Stelle korrigiert worden, weil sich eine Aussage über Reichelt als falsch herausgestellt habe. Der Beirat habe aber betont, dass der Kern des Artikels nicht angetastet und alle journalistischen Standards eingehalten worden seien.

3. Für Respekt in der Kommentar-Spalte
(taz.de, Fabian Schroer)
Community-Managerinnen und -Manager bei öffentlich-rechtlichen Sendern haben es manchmal nicht leicht. Der oft raue Umgangston und hasserfüllte Postings können psychisch belastend sein. Im Jahr 2022 habe beispielsweise das ZDF über 12 Millionen Kommentare auf seinen Social-Media-Kanälen erhalten, von denen nicht wenige Hass und Beleidigungen enthielten. KI-gestützte Modelle könnten in Zukunft helfen, Kommentare besser zu filtern. Bis dahin sei es wichtig, dass Community-Management als seriöse journalistische Arbeit anerkannt werde.

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4. Keine Medienvielfalt – Was Polen, Slowakei und Ungarn gemein haben
(ardaudiothek.de, Jonathan Schulenburg,Audio: 25:03 Minuten)
In “BR 24 Medien” geht es um die bedrohte Medienvielfalt in Ländern wie Polen, Ungarn und der Slowakei. Zu Gast sind Lutz Kinkel, Direktor des Europäischen Zentrums für Presse- und Medienfreiheit, der BR-Journalist und Osteuropa-Experte Henryk Jarczyk und die Journalistin Marianne Allweiss, die für die ARD über die Slowakei berichtet.

5. “Es ist erlaubt, Trash-TV zu mögen.”
(turi2.de)
Kai-Oliver Derks, Chefredakteur der Unterhaltungsnachrichtenagentur “Teleschau”, und “Teleschau”-Geschäftsführer Alexander Büttner sprechen im Interview mit “turi2” über die Entwicklung und Bedeutung der Fernsehkritik. Derks betont, dass es aus seiner Sicht Unsinn sei, wöchentlich mit Shows wie dem “Sommerhaus der Stars” abzurechnen und das Ende der Fernsehkultur zu prophezeien, während Büttner die Relevanz des gedruckten TV-Programms betont, da sich Millionen von Zuschauerinnen und Zuschauern nicht online über ihr Fernsehprogramm informieren würden.

6. Wenn die KI mit meiner Stimme spricht
(lto.de, Georg Manthey & Simon Liepert)
Mit fortgeschrittenen KI-Tools können menschliche Stimmen täuschend echt nachgeahmt werden, was ein erhebliches Missbrauchspotenzial birgt. Rechtlich sei die menschliche Stimme sowohl durch das Datenschutzrecht als auch durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Bei “Legal Tribune Online” betonen die Autoren Georg Manthey und Simon Liepert die rechtlichen Grenzen und den Schutz, den das Gesetz den Betroffenen bietet.

KW 40/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Medienjournalismus im Podcast mit Stefan Niggemeier und Nadia Zaboura
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 29:27 Minuten)
Der Medienkritiker Stefan Niggemeier ist nicht nur für seinen Unterhaltungspodcast mit Sarah Kuttner (“Das kleine Fernsehballett”) verantwortlich, sondern als einer der “Übermedien”-Geschäftsführer auch für den Podcast “Holger ruft an”. Nadia Zaboura wiederum podcastet wöchentlich mit ihrem Kollegen Nils Minkmar unter dem Dach der Civis Medienstiftung und der “Süddeutschen Zeitung” (“quoted – der Medienpodcast”). In “Läuft”, auch ein Podcast, sprechen sie darüber, warum sich Podcasts besonders gut für Medienthemen eignen, welches Feedback sie bekommen und welche Rolle sie persönlich in ihren Podcasts spielen.

2. Was mit dem neuen ARD-Studio Kiew besser werden soll
(deutschlandfunk.de, Stephan Beuting, Audio: 35:05 Minuten)
Seit dem 1. September ist Vassili Golod “crossmedialer Leiter” des ARD-Studios in Kiew. WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn begründete die Einrichtung des Studios damals so: “Wir haben das Studio in Kiew gegründet, weil es – selbst wenn der Krieg hoffentlich in naher Zukunft enden sollte – noch lange ein hohes Interesse an Berichterstattung aus der Ukraine geben wird. Dies wird nicht mehr wie in den vergangenen Jahren vom Standort Moskau aus zu leisten sein, denn eine Berichterstattung wird künftig immer beide Sichtweisen brauchen, die russische und die ukrainische.” Im Deutschlandfunk spricht Stephan Beuting mit Vassili Golod und der Osteuropa-Expertin Franziska Davies über die Berichterstattung aus der Ukraine.

3. Vor den Wahlen: Was bringen Umfragen eigentlich?
(tagesschau.de, Victoria Koopmann, Audio: 33:01 Minuten)
Am heutigen Sonntag finden in Hessen und Bayern Landtagswahlen statt. Seit mehr als 25 Jahren befragt die ARD die Bürgerinnen und Bürger nach ihren politischen Stimmungen und Ansichten und präsentiert die Ergebnisse im “Deutschlandtrend”. In einem etwa halbstündigen Audiobeitrag ermöglicht die ARD einen Blick in den “Deutschlandtrend”-Maschinenraum. Dazu hat die Redaktion die “Deutschlandtrend”-Moderatorin und WDR-Chefredakteurin Ellen Ehni ins Studio eingeladen.

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4. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk
(bpb.de, Holger Klein, Audio: 42:12 Minuten)
“Aus Politik und Zeitgeschichte”, ein Format der Bundeszentrale für politische Bildung, widmet sich diesmal dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und der Kritik an dieser Institution. Wie kann der öffentlich-rechtliche Rundfunk heute angesichts des Medienwandels seinen Auftrag am besten erfüllen? Darüber hat Holger Klein mit verschiedenen Expertinnen und Experten gesprochen: dem Historiker Konrad Dussel, der Publizistikwissenschaftlerin Ilka Jakobs, dem Medienjournalisten Christian Meier und der Journalistin Hadija Haruna-Oelker.

5. Angst vor rechten “Journos”?
(druckausgleich.podigee.io, Annkathrin Weis & Luca Schmitt-Walz, Audio: 56:51 Minuten)
Die Episode “Angst vor rechten ‘Journos’?” des Podcasts “Druckausgleich” beschäftigt sich mit der wachsenden Reichweite und den Ressourcen rechter Journalisten und Blogger, beispielsweise des ehemaligen “Bild”-Chefredakteurs Julian Reichelt. Diese Akteure würden den Journalismus nutzen, um ihre Absichten zu verschleiern, Tatsachen zu verdrehen und Menschen zu verunsichern. Die Moderatoren Annkathrin Weis und Luca Schmitt-Walz diskutieren, wie man auf diese Entwicklung reagieren sollte und welche konkreten Möglichkeiten es gibt, dagegen vorzugehen.

6. Musk, Macht, Meinung mit Susanne Stichler
(ardaudiothek.de, Sarah Bosetti, Audio: 1:03:26 Stunden)
In der aktuellen Folge von “Bosettis Woche” ist die Journalistin und Moderatorin Susanne Stichler zu Gast und erzählt unter anderem von ihren Erlebnissen am 33. Tag der Deutschen Einheit, sie spricht darüber, wie Sprachnachrichten das Verhältnis zu ihrer Cousine verbessert haben und wie sich der Ton in der gesellschaftlichen Debatte verändert hat. Außerdem geht es um die negativen Auswirkungen des Internets, insbesondere des Kurznachrichtendienstes X (ehemals Twitter).

Böhmermann siegt gegen Reichelt, X verliert Werbegeld, Populismus-Falle

1. Jan Böh­m­er­mann siegt gegen Julian Rei­chelt
(lto.de, Felix W. Zimmermann)
Ex-“Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt hatte wegen der Schönbohm-Sendung Vorwürfe gegen Jan Böhmermann und das “ZDF Magazin Royale” erhoben. Das Landgericht Hamburg habe ihm nun zentrale Aussagen aus seiner Sendung “Achtung, Reichelt!” untersagt – wegen unzulässiger Verdachtsberichterstattung und Unwahrheit. Insbesondere sei Reichelt verboten worden, den Verdacht zu verbreiten, das Bundesinnenministerium habe Einfluss auf den Inhalt der Böhmermann-Sendung genommen. Felix W. Zimmermann erläutert die vorgetragenen Argumente und juristischen Bewertungen des Streits.

2. KI als Bedrohung für das freie Internet
(netzpolitik.org, Leonhard Pitz)
Der “Freedom of the Net Report” der NGO Freedom House zeige, so Leonhard Pitz, dass Künstliche Intelligenz (KI) eine wachsende Bedrohung für die Freiheit im Internet darstelle. Autokratien würden KI zunehmend zur Desinformation einsetzen, wie etwa in Nigeria, wo ein KI-generierter Audioclip verbreitet wurde, der einen Präsidentschaftskandidaten der Opposition belastete. Trotz des Potenzials von KI für Desinformation und Zensur betone der Bericht, dass die Hauptarbeit im Bereich der Desinformation nach wie vor von Menschen und nicht von Maschinen geleistet werde.

3. Durchsucht, verhört, verhaftet
(taz.de, Natalie Mayroth)
Wie Natalie Mayroth berichtet, geht die indische Regierung hart gegen das regierungskritische Medium “Newsclick” vor, was zu landesweiten Protesten von Medienschaffenden führe. Die bekannte Schriftstellerin Arundhati Roy und weitere Journalistinnen und Journalisten kritisieren die Einschränkung der Pressefreiheit im Land. Die jüngsten Razzien und Verhaftungen von “Newsclick”-Mitarbeitern würden als Versuch gewertet, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.

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4. “X hat keinen Umgang mit Hassrede mehr”
(belltower.news, Theresa Lehmann)
In mehr als 200 Folgen hat der Podcast “Haken dran” von Gavin Karlmeier und Dennis Horn den Übergang von Twitter zu X dokumentiert, doch nun pausiert das Projekt. Karlmeier erzählt im Interview, wie die Idee zum Podcast entstand, wie dramatisch sich Twitter in der Elon-Musk-Ära verändert hat, und wie Medien, Politik und Zivilgesellschaft jetzt handeln sollten.

5. Elon Musks X verliert immer mehr Werbeeinnahmen
(spiegel.de)
Nach Angaben eines auf Werbeanalysen spezialisierten Unternehmens verzeichnet Elon Musks Plattform X, ehemals Twitter, einen drastischen Rückgang der Werbeeinnahmen – die Rede ist von mindestens 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Musk mache Aktivisten, insbesondere die Anti-Defamation League, für den Rückgang der Einnahmen verantwortlich.

6. Weidel, Söder, Merz: Die Populismus-Falle enthüllt
(ndr.de, Daniel Bröckerhoff, Video: 16:37 Minuten)
Daniel Bröckerhoff hat für das Medienmagazin “Zapp” das Verhältnis von Populismus und Medien untersucht. Vor allem Politikerinnen und Politiker wie Alice Weidel, Markus Söder, Friedrich Merz und Sahra Wagenknecht würden immer wieder mit populistischen Äußerungen auffallen. Bröckerhoff deckt verschiedene Strategien auf, mit denen sie um Aufmerksamkeit buhlen. Unterstützt wird er dabei vom Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje.

“Lasst Twitter brennen”, Mehr Komplexität wagen, Böhmermann

1. Warum Bluesky gerade durch die Decke geht – und was Mastodon daraus lernen kann
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Markus Reuter geht auf den aktuellen Massenumzug von Twitter/X zu Bluesky ein und zieht Vergleiche zu Mastodon. Seit dem Wochenende seien viele bekannte Twitter-Accounts, Journalisten und Medien zu Bluesky gewechselt, das zwar dezentral konzipiert sei, aber von einem Unternehmen kontrolliert werde. Was steckt hinter dem Hype? Und warum konnte Mastodon das Momentum seinerzeit nicht in ähnlicher Weise für sich nutzen?
Video-Tipp: Bei Youtube ruft Marina Weisband mit eindringlichen Worten (“Lasst Twitter brennen”) dazu auf, die Plattform Twitter zu verlassen, da sie zu einem Sammelbecken für Neonazis, Verschwörungstheoretiker und andere extremistische Stimmen geworden sei, die noch dazu vom Algorithmus bevorzugt würden. Weisband warnt davor, dass Journalisten und Politiker dort ein verzerrtes Bild der Gesellschaft erhalten könnten, und betont, dass es unmöglich sei, auf einer privaten Plattform gegen die Interessen des Eigentümers zu gewinnen.
Weiterer Lesetipp: In einem lesenswerten Statement erklärt der Social-Media-Experte Martin Fehrensen, warum er seinen Twitter-Account gelöscht hat. Elon Musk verfolge eine politische Agenda, die Plattform habe sich unter seiner Führung zu einem Netzwerk für Rechtsextreme entwickelt. Das neue X sei nicht für den Dialog, sondern für Eskalation konzipiert. Fehrensen glaubt, dass X nicht der richtige Ort für konstruktive Gespräche sei und ermutigt andere, ebenfalls ihre Accounts zu löschen: “Lösche aber auf gar keinen Fall das Feuer, das in dir brennt, um die Welt ebenfalls zu einem besseren Ort zu machen. Auch wenn Elon Musk alles daran setzt, dass es erlischen möge.”

2. “Humor darf den wahren Kern nicht verfälschen”
(journalist.de, Jan Freitag)
Jan Böhmermann gilt als eine der einflussreichsten Stimmen in Deutschland. Im Interview mit dem “journalist” spricht er unter anderem über seine Arbeit, die Bedeutung von Humor und die Herausforderungen, denen er in seiner Karriere begegnet ist. Böhmermann hebt hervor, dass für ein satirisches Produkt oft die bloße Wahrheit ausreiche und dass es wichtig sei, den Kern einer Sache humorvoll, aber wahrheitsgetreu zu ergründen. Dabei geht es auch um die Unterschiede zu Harald Schmidt: “Ich finde es immer schön, wenn Entertainment etwas Bedeutsames beinhaltet und Menschen nicht nur berührt, sondern auch betrifft. Kunst muss sich der Wirklichkeit verpflichtet fühlen. Harald kotzt bei solchen Sätzen, ich nicht. Ich halte sie aus.”

3. Caren Miosga würde »Tagesthemen« gern nach Berlin verlegen
(spiegel.de)
Am heutigen Donnerstag moderiert Caren Miosga ein letztes Mal die “Tagesthemen”. In einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur habe sie verraten, was sie sich für die in Hamburg produzierte Sendung wünscht: “Ich würde uns gern nach Berlin beamen, damit wir mehr Politikerinnen und Politiker im Studio hätten.” Gespräche mit einem direkten Gegenüber seien intensiver als jene über eine Fernverbindung. Nach 16 Jahren bei den “Tagesthemen” wird Miosga den Talk-Sendeplatz am Sonntagabend von Anne Will mit einer eigenen Sendung übernehmen. Sie freue sich auf den direkten Kontakt mit den Gästen.

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4. Presseähnlichkeit: EU-Kommission prüft mehrere Beschwerden
(epd.de)
Wie epd berichtet, prüft die EU-Kommission Beschwerden von Medienverbänden aus Österreich und Dänemark, die den öffentlich-rechtlichen Sendern in den jeweiligen Ländern eine presseähnliche Online-Berichterstattung vorwerfen. Demnach kritisieren der Verband Österreichischer Zeitungen und Danske Medier aus Dänemark, dass die öffentlich-rechtlichen Sender zu textlastige Online-Inhalte anböten, die den Angeboten von Zeitungen ähneln. In Deutschland strebe der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger wegen ähnlicher Vorwürfe ein Beihilfeverfahren bei der EU-Kommission an.

5. Fakten gegen Fakes: CORRECTIV startet Bildungskooperation mit TikTok
(correctiv.org)
Um einer möglichen Desinformation auf TikTok entgegenzuwirken, hat die Online-Journalistenschule “Reporterfabrik” von “Correctiv” eine Medienbildungskampagne in Zusammenarbeit mit der Videoplattform gestartet. Nutzerinnen und Nutzer aus Deutschland und Österreich, die Informationen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine suchen, werden auf eine Seite geleitet, die Tipps zum Erkennen von Falschnachrichten bietet. Die Kampagne, die bis Frühjahr 2024 läuft, umfasse auch fünf Videos, die Themen wie Quellencheck, Deep Fakes und kritisches Denken behandeln.

6. Weniger Selbstvergewisserung, mehr Komplexität
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
Langzeitdokumentationen wie “Ernstfall” von Stephan Lamby seien beliebt, aber in ihrer Erzählweise nicht wirklich informativ, findet Matthias Dell im Deutschlandfunk. Aus seiner Sicht gibt es Ansätze, die mehr Einblicke bieten. Dazu würden die Doku “Kevin Kühnert und die SPD”, die AfD-Beobachtung “Eine deutsche Partei” und die fünfteilige Arte-Doku-Serie “Capital B – Wem gehört Berlin?” über die Entwicklung Berlins nach der Wiedervereinigung gehören.

Medien und AfD, Faktenchecks, “ehemalig” und “damalig”

1. Medien und AfD: Extrem normal
(journalist.de, Michael Kraske)
Seit den Rekordumfragen der AfD steht die Partei wieder im Fokus des medialen Interesses. Michael Kraske diskutiert den journalistischen Umgang mit der AfD, ob im Lokalen auf kleiner oder im Fernsehen auf großer Bühne. Kraskes Beitrag ist ein Interview mit Uwe Vetterick, Chefredakteur der “Sächsischen Zeitung”, angefügt. Vetterick berichtet darin über den redaktionellen Umgang mit der AfD und weist auf ein aus seiner Sicht gefährliches Vorgehen hin: “Ein häufiger Fehler sind undifferenzierte Etikettierungen der AfD-Wähler. Natürlich sind etliche von ihnen Nazis, aber gewiss nicht alle. Solche Pauschalisierungen bewirken nach meiner Beobachtung nicht Reflexion und Einsicht, sondern eher Trotzigkeit.”

2. Gutachten nennt RBB-Wahl rechtswidrig
(verdi.de)
Laut einem Rechtsgutachten von Marcus Schladebach, Professor für Öffentliches Recht und Medienrecht an der Universität Potsdam, sei die Wahl der RBB-Intendanz im Frühjahr 2023 rechtswidrig, da sie an zahlreichen formalen und inhaltlichen Fehlern leide. Der Gutachter empfehle eine Neuwahl und spreche der seit 1. September amtierenden Intendantin Ulrike Demmer die Eignung für das Amt ab. Schladebach kritisiere zudem den Vorsitzenden des Rundfunkrats Oliver Bürgel und den brandenburgischen Ministerpräsidenten Dietmar Woidke wegen des Wahlverfahrens.
Weiterer Lesehinweis: Stefan Niggemeier hat eine recht klare Meinung zu den Einschätzungen und Aussagen Schladebachs und kommentiert bei “Übermedien”: “Das ‘Gutachten’ zur rbb-Intendantenwahl ist eine bizarre, entglittene Auftragsarbeit” (nur mit Abo komplett lesbar).

3. Jubiläumsausgabe mit 50 Erkenntnissen nach 100 Folgen
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Die netzpolitik.org-Reihe “Neues aus dem Fernsehrat” reflektiert seit 2016 den digitalen Wandel der öffentlich-rechtlichen Medien. In der 100. Ausgabe blickt Leonhard Dobusch, ehemaliges Mitglied im ZDF-Fernsehrat und aktuelles Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat, zurück und hebt hervor, dass Themen wie öffentlich-rechtliche Plattformen, Transparenz in der Rundfunkaufsicht und freie Lizenzen für öffentlich-rechtliche Inhalte dominierten. Insgesamt 50 seiner “Erfahrungen, Einsichten und Erkenntnisse” hat Dobusch kurz und prägnant zusammengetragen.

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4. So war das mit den Faktenchecks nicht gedacht
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Der Beitrag von Frederik von Castell bei “Übermedien” thematisiert die aktuelle Praxis von Faktenchecks in Medien. Er kritisiert, dass viele der sogenannte Faktenchecks nicht mehr nur die Fakten prüfen, sondern auch Kommentare und Wertungen enthalten, wie etwa bei den Überprüfungen von Äußerungen des CDU-Chefs Friedrich Merz über Asylbewerber. Von Castell argumentiert, dass durch solche Praktiken der Begriff “Faktencheck” immer mehr an Bedeutung verliere.

5. Warum wir oft fälschlicherweise von der “ehemaligen DDR” sprechen
(deutschlandfunk.de, Henry Bernhard)
Henry Bernhard weist in der Sprachkolumne “Sagen & Meinen” darauf hin, dass das Wort “ehemalig” von vielen Redaktionen, insbesondere im Bezug auf die DDR, oft falsch verwendet werde. Während es korrekt sei, von der DDR als “ehemalig” zu sprechen, wenn man die fünf “jetzt auch nicht mehr so neuen Bundesländer” meine, sollte man bei historischen Bezügen schlicht “DDR” und nicht “ehemalige DDR” verwenden. Außerdem erläutert Bernhard den Unterschied zwischen “ehemalig” und “damalig”, wobei sich “damalig” auf einen bestimmten Zeitpunkt in der Vergangenheit beziehe, während “ehemalig” einen früheren Zustand beschreibe.

6. Sendung mit der Maus: Türen auf für Pseudowissenschaft?
(volksverpetzer.de, Oliver Rautenberg)
Die “Sendung mit der Maus” ist für ihre Entscheidung kritisiert worden, im Rahmen ihrer Aktion “Türen auf mit der Maus” Kindern einen Besuch in einem Homöopathie-Labor zu ermöglichen. Viele Fans der Sendung hätten sich enttäuscht über diese Entscheidung geäußert, da Homöopathie nicht über den Placebo-Effekt hinaus wirke, so Oliver Rautenberg beim “Volksverpetzer”. Sein Fazit: “Die Maus genießt einen riesigen Vertrauensvorschuss, bei mir und bei den meisten anderen Maus-Fans. Den sollte sie nicht derart leichtfertig verspielen.”

Untergetaucht, Gestohlenes Wort, Chatkontrolle als Dauerthema

1. Untergetauchte Linksextremisten: Aktenzeichen NDR/WDR ungelöst
(uebermedien.de, Sebastian Weiermann)
Sebastian Weiermann kritisiert bei “Übermedien” die Berichterstattung von tagesschau.de über untergetauchte Linksextremisten. Die Nachrichtenseite habe Informationen von NDR und WDR über eine bevorstehende Öffentlichkeitsfahndung nach Johann G. und die Existenz von 20 untergetauchten Linksextremisten in Deutschland übernommen, wobei sich der Beitrag im Wesentlichen auf Angaben von Sicherheitsbehörden stütze und eine Einordnung fehle. Weiermann findet: “Dass sich ein Rechercheverbund, der sich investigativen Journalismus auf die Fahnen schreibt, für diese recht durchschaubare Sicherheitsbehörden-PR einspannen lässt, ist ein fragwürdiges Tauschgeschäft.”

2. Die Geburtsstunde der Synthetic Social Networks
(gutjahr.biz)
Wie der Konzern Meta auf einer Konferenz ankündigte, will er Facebook, Instagram und Whatsapp mit künstlich erzeugten Personas ausstatten, die sich an echten Berühmtheiten wie Football-Star Tom Brady, Rapper Snoop Dogg oder Starlet Paris Hilton orientieren. Richard Gutjahr hält dieses Spiel mit KI-Figuren für einen “diabolischen Schachzug” und kommentiert: “Falsche Freunde, denen wir unsere intimsten Gedanken, Sorgen, Wünsche und Ängste anvertrauen, damit IT-Konzerne unsere Stärken und Schwächen lebenslang auf ihren Servern speichern, auswerten und an Dritte verkaufen? Was könnte dabei wohl schiefgehen?”

3. Das gestohlene Wort
(zeit.de, Eike Kühl)
Bei “Zeit Online” thematisiert Eike Kühl die Verwendung von rund 197.000 Büchern aus illegalen Quellen für das Training großer KI-Sprachmodelle. Im Zentrum der Debatte steht der Datensatz “Books3”, der Werke von William Shakespeare bis Stephen King enthält und für KI-Modelle wie LLaMA von Meta und GPT-J von EleutherAI verwendet worden sei. Während einige Autorinnen, Autoren und Organisationen rechtliche Schritte gegen die aus ihrer Sicht unerlaubte Nutzung ihrer urheberrechtlich geschützten Werke einleiten, blicken andere, beispielsweise Stephen King, mit einer “schrecklichen Faszination” auf die unaufhaltsame Entwicklung kreativer Künstlicher Intelligenz.

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4. Beruf: Chatkontrolle
(netzpolitik.org, Chris Köver, Audio: 22:48 Minuten)
Im Mai 2022 schlug die EU-Kommission ein neues Gesetz zur Bekämpfung von sexualisierter Gewalt gegen Kinder vor: Private Chats und Nachrichten sollen nicht nur von Verdächtigen, sondern von allen Menschen in der EU gescannt werden. Seitdem gibt es heftige Kritik an diesem Vorhaben, Experten sprächen von einer “nie dagewesenen Überwachungsstruktur” und einem “digitalen Angriff” auf die Privatsphäre. Chris Köver hat sich mit ihrem netzpolitik.org-Kollegen Markus Reuter unterhalten: “Wie ist es, zwei Jahre lang rauf und runter über ein Gesetzesvorhaben zu berichten, das viele betrifft, aber nur wenige so richtig aufregt?”

5. Ändern und streichen
(taz.de, Mark Spitz)
Mark Spitz schreibt über die aktuellen Herausforderungen und Veränderungen beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR). Der Sender stehe symbolisch für den Reformdruck im öffentlich-rechtlichen System, insbesondere die Kulturformate hätten es schwer. Spitz geht in seinem Text auf verschiedene interne Probleme und Skandale des Senders ein. Außerdem thematisiert er die Auswirkungen der ARD-Reformen und der veränderten Mediennutzung auf den MDR und dessen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

6. “Dorthin schauen, wo nur äußerst selten hingeschaut wird.” – Antje Pieper über 50 Jahre “Auslandsjournal”.
(turi2.de)
Antje Pieper spricht im Interview mit “turi2” über das 50-jährige Bestehen des ZDF-“Auslandsjournals”, das sie seit 2014 moderiert. Sie betont die Bedeutung der Sendung in der heutigen Zeit, da sie die Möglichkeit biete, Geschichten hinter den Nachrichten zu erzählen und das Weltgeschehen aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. Pieper, die selbst neun Jahre als Studioleiterin in Rom tätig war, schätzt die Möglichkeit, nicht nur aus Mainz, sondern direkt von vor Ort berichten zu können, und hebt die Arbeit der Korrespondentinnen und Korrespondenten hervor.

KW 39/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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0. Wie BILD aus einem kleinen Blechschaden einen “SUFF-UNFALL” macht
(tiktok.com, BILDblog, Video: 1:59 Minuten)
Gestern haben wir vom BILDblog einen TikTok- und einen Instagram-Kanal gestartet. Im ersten Video zeigen wir, wie die “Bild”-Redaktion aus einem harmlosen Zusammenstoß zweier Autos einen skandalträchtigen Unfall mit “SUFF!”, “CRASH!” und “AUSRASTER!” eines Olympiasiegers bastelt. Und, das sei schon mal verraten, an diesem Wochenende wird es mit dem nächsten Video weitergehen.

1. Warum berichten überregionale Medien groß, wenn in Nordhausen gewählt wird?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 38:04 Minuten)
Normalerweise berichtet die “Tagesschau” nicht über Kommunalwahlen – es sei denn, es geht um einen möglichen Erfolg der AfD. Als der AfD-Kandidat bei der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters in Nordhausen scheiterte, berichtete jedoch nicht nur die “Tagesschau”, sondern zahlreiche überregionale Medien. Holger Klein hat sich mit Reporter Martin Debes über das Phänomen unterhalten und darüber gesprochen, “wie Medien ungewollt zur Partei gemacht werden und was sie aus der Wahl in Nordhausen lernen können”.

2. Der deutsche Osten und die Medien
(sueddeutsche.de, Nadia Zaboura & Nils Minkmar, Audio: 35:44 Minuten)
Auch mehr als drei Jahrzehnte nach der Wiedervereinigung fühlen sich viele Menschen aus Ostdeutschland in den Medien nicht angemessen repräsentiert und von ihnen oft bevormundet. Die Berichterstattung über Ostdeutschland, insbesondere vor dem Hintergrund der Erfolge der AfD, ist ein zentrales Thema der Debatte. Im Medienpodcast “quoted” diskutieren die Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura, der “SZ”-Autor Nils Minkmar und die Medienwissenschaftlerin Mandy Tröger über diese Thematik und über die Herausforderungen der medialen Darstellung Ostdeutschlands.

3. Tatort WhatsApp: Was Polizisten lustig finden
(zdf.de, ZDF Magazin Royale, Video: 33:56 Minuten)
“Polizist*innen schicken sich bei Whatsapp rassistische, antisemitische und andere menschenverachtende Memes. Sachen, die sie für richtig witzig halten.” Zusammen mit “FragDenStaat” hat sich das Team des “ZDF Magazin Royale” durch die Chats von rechtsextremen Polizistinnen und Polizisten eines Frankfurter Reviers gekämpft, damit jeder sehen kann, was für abstoßende Schrecklichkeiten da so von Beamtinnen und Beamten ausgetauscht werden.

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4. Polen
(ardaudiothek.de, radioeins Ferngespräche, Holger Klein, Audio: 55:47 Minuten)
In den radioeins-“Ferngesprächen” lässt Holger Klein Korrespondentinnen und Korrespondenten über ihre jeweilige Region zu Wort kommen. Diesmal hat er sich mit Martin Adam zusammengeschaltet, der seit September 2022 als ARD-Korrespondent in Warschau arbeitet. In dem Gespräch geht es unter anderem um die bevorstehenden Parlamentswahlen in Polen, um die Polarisierung und die Aggressivität des Wahlkampfs und um das polnische Deutschlandbild.

5. BÄM! Die Geschichte des Comics
(ardmediathek.de, ARD Kultur, Video: vier Folgen zwischen 19 und 24 Minuten)
Die vierteilige ARD-Reihe “BÄM!” beschäftigt sich mit der Geschichte des Comics. In Folge 1 geht es unter anderem um “Max und Moritz”, die “Abrafaxe” und die deutsche Mangaszene. Folge 2 spannt den Bogen von “Batman” und “Spider-Man” bis hin zu Graphic Novels. Folge 3 beschäftigt sich unter anderem mit “Tim und Struppi”, “Asterix” und den “Schlümpfen”. Und Folge 4 mit “One Piece”, “Akira” und “Dragon Ball”. Der Vollständigkeit sei jedoch angemerkt, dass die schnell geschnittene Zeichentrickserie sicher nicht für jeden etwas ist und auch einige Fehler enthalten soll.

6. Luksan Wunder: WTFM 100, null
(3sat1.de, Luksan Wunder, Video: 29:00 Minuten)
Das Comedy-Ensemble “LuksanWunder” dürfte vielen durch den (empfehlenswerten) Radio-Parodie-Podcast WTFM 100,Null oder seinen anarchischen Youtube-Kanal bekannt sein. Beim 3satFestival präsentierte das Social-Media-Künstlerkollektiv eine Medienshow voller kleiner und großer Albernheiten, musikalischer Parodien, Stand-ups und Sketchen.

Über Merz reden?, Schweizer Medien auf SVP-Kurs?, “Netzkulturcharts”

0. Achtung, es gibt etwas Neues: Das BILDblog ist jetzt auch bei TikTok und Instagram
(tiktok.com)
In eigener Sache, daher als zusätzlicher Link: Uns gibt es ab sofort auch bei TikTok und bei Instagram. Heute am Nachmittag und in den nächsten Tagen wird es dort die ersten Videos zu sehen geben. Wir würden – völlig unvoreingenommen, versteht sich – sagen: Folgen lohnt sich!

1. Merz, Migration, Medien
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Pia Behme)
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz steht wegen seiner Äußerungen in einer Talkrunde zur Asylpolitik im Mittelpunkt einer Debatte. Über Asylsuchende sagte er dort unter anderem: “Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.” Diese Äußerung wurde in den Sozialen Medien teils heftig kritisiert, da sie nicht zutreffend sei und es sich um populistische und rassistische Hetze handele. Der Deutschlandfunk fragt sich: “Müssen Medien wiedergeben, was der Chef der größten deutschen Oppositionspartei sagt? Und wenn, reicht es, das dann entsprechend zu kommentieren?”
Weiterer Lesetipp: Bei “Legal Tribune Online” gibt es “Asylrecht zum Mitreden”. Tanja Podolski führt dort unter anderem aus, welche Leistungsansprüche Asylsuchende wirklich haben.

2. “Hamburger Morgenpost” ab 2024 nur noch zum Wochenende
(dwdl.de, Manuel Weis)
Wie “DWDL” unter Berufung auf Informationen der “Medieninsider” (nur mit Abo lesbar) meldet, werde die “Hamburger Morgenpost” künftig nur noch einmal pro Woche erscheinen, am Wochenende. Das bedeute gleichzeitig den Abbau von 15 Arbeitsplätzen. Verleger Arist von Harpe sehe sich in seiner düsteren These bestätigt: “Die Zeit der gedruckten Tageszeitung nähert sich dem Ende.”

3. Wie die Schweizer Medien auf SVP-Kurs geraten sind
(republik.ch, Dennis Bühler)
Dennis Bühler schreibt beim Schweizer Onlinemagazin “Republik” über den Einfluss der nationalkonservativen SVP auf die Schweizer Medien, analysiert die Gründe für diese Entwicklung und macht sich Gedanken über mögliche Auswirkungen auf die öffentliche Meinung und die Demokratie in der Schweiz. Der ehemalige SVP-Bundesrat Christoph Blocher habe eins seiner Ziele erreicht: “SVP-Positionen sind heute journalistischer Mainstream.”

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4. Dein liebster Star und Chatbot
(zeit.de, Eike Kühl)
Wie Eike Kühl bei “Zeit Online” berichtet, hat die Facebook-Mutter Meta auf einer Konferenz eine Reihe neuer KI-Funktionen vorgestellt, darunter einen KI-Assistenten namens Meta AI für WhatsApp, den Facebook Messenger und Instagram sowie 28 personalisierte Chatbots mit eigenen “Persönlichkeiten, Meinungen und Interessen”. Diese Chatbots sollen mit Bildern von US-Prominenten wie dem Rapper Snoop Dogg, dem Ex-Footballspieler Tom Brady und dem Youtuber Mr. Beast beworben werden, um die Interaktion spielerischer zu gestalten. Kühls Fazit: “Es könnte der nächste Schritt sein, um generative KI in den Alltag der größeren Bevölkerung zu bringen.”

5. Jella Haase als Beste Schauspielerin für »Kleo« ausgezeichnet
(spiegel.de)
Beim Deutschen Fernsehpreis wurden vorgestern und gestern verschiedene Fernsehproduktionen und -persönlichkeiten prämiert. Als beste Schauspielerin wurde Jella Haase für ihre Rolle in “Kleo” ausgezeichnet. Weitere Preisträger sind die RTL-Reality-Show “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus” in der Kategorie “Beste Unterhaltungsreality” und die (vielfach kritisierte) ZDF-Verfilmung des Bestsellers “Der Schwarm” als bester Mehrteiler. Im Bereich Information wurden unter anderem Arndt Ginzel für dessen Ukraine-Berichterstattung sowie die “Tagesthemen”-Ausgabe aus Kiew sechs Monate nach Kriegsbeginn ausgezeichnet.

6. Olaf Meme Scholz, viral Hooks, das römische Reich, Edgar, Taylor & Travis
(dirkvongehlen.de)
Die “Netzkulturcharts” von Dirk von Gehlen für den September stellen verschiedene, aus seiner Sicht bemerkenswerte Online-Phänomene vor. An erster Stelle steht Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem “Augenklappen-Meme”, das von Gehlen als beeindruckende Social-Media-Aktion wahrnimmt. Weitere Themen sind “Viral Hooks”, der virale Trend rund um das Römische Reich auf TikTok, eine besondere Männerfrisur namens Edgar und ein TikTok-Spezial der Bundeszentrale für politische Bildung.

“Zuruf-Journalismus”, Falsche Debatte, Daubners Lachanfall

1. Die falsche Debatte
(deutschlandfunk.de, Marina Weisband)
Marina Weisband setzt sich im Deutschlandfunk mit der aktuellen Berichterstattung über Migration auseinander. Sie stellt fest, dass die Art der Berichterstattung Ängste in der Bevölkerung schüre, obwohl die Anzahl der Asylanträge in den vergangenen Jahren nicht signifikant gestiegen sei. Viele Alltagsprobleme in Deutschland hätten nichts mit Migranten zu tun, sondern mit anderen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen.

2. Artikel auf Zuruf: Wenn Lokaljournalismus sich als Beschwerde-Verstärker missversteht
(uebermedien.de, Felix Zimmermann)
Bei “Übermedien” kritisiert Felix Zimmermann die Arbeitsweise der Oldenburger “Nordwest-Zeitung”, die er als “Zuruf-Journalismus” bezeichnet. Sein Vorwurf: Die Redaktion veröffentliche viele Geschichten nur aufgrund von Beschwerden einzelner Personen und ohne ausreichende eigene Recherche oder Hintergrundinformationen. Und sie neige dazu, sich auf die Seite der Beschwerdeführer zu stellen, auch wenn die Beschwerden nicht repräsentativ für ein größeres Problem seien. Dieser “Zuruf-Journalismus” gebe “Wutbürgern Raum und hinterfragt deren Wut nur selten oder deckt Hintergründe auf, die die Wut vielleicht ein wenig relativieren könnten. Manchmal macht er sich deren Wut auch zu eigen”.

3. “Leute heute”-Abschied: Roter Teppich, blaues Blut, jetzt ist’s gut
(dwdl.de, Peer Schader)
Das ZDF-Promimagazin “Leute heute” wird nach 26 Jahren eingestellt. Es habe sich von anderen Boulevardformaten dadurch unterschieden, dass es vor allem auf “Positives, Glanz und Glamour” gesetzt habe. Peer Schader blickt ironisch zurück – und dankbar: “Weil mich kaum etwas anderes so sehr davon hätte überzeugen können, professioneller Medienkritiker zu werden, wie als ZDF-Praktikant eine zeitlang täglich die Botschaften eines Werbepartners mit Meldungen von ‘Leute heute’ im Netz zusammenzuparfümieren, damit durch ‘solche Verwertungserlöse (…) die Rundfunkgebühren einigermaßen erträglich gehalten werden’ können, wie man sich in Mainz auf Anfrage zu erklären wusste.”

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4. Auf die ganze Welt neugierig
taz.de, Dominic Johnson & Sven Hansen)
Der Journalist Willi Germund, ehemaliger Korrespondent der “taz”, ist im Alter von 68 Jahren gestorben. In einem Nachruf würdigt die Redaktion die Lebensleistung des weit gereisten Reporters, der mehr als 40 Jahre lang aus Lateinamerika, Afrika und Asien berichtet hat: “Er war einer der letzten Auslandskorrespondenten alten Schlages, ein Abenteurer, der immer neugierig blieb und stets Offenheit für andere Menschen zeigte.”

5. Zeitschriften-Umschau (September 2023)
(medienbildungshub.de)
Die “Zeitschriften-Umschau” für September auf medienbildungshub.de präsentiert Artikel aus aktuellen Fachzeitschriften zum Thema Medienbildung, Medienpädagogik und Medienkompetenz. Den Anfang macht die Zeitschrift “Medienimpulse”, die sich unter anderem mit der “medialen Materialität von Handys” in Filmen beschäftigt. Weitere besprochene Publikationen thematisieren den Umgang mit Künstlicher Intelligenz, die Verbindung von Ökonomie und Medien, die Medienkompetenz in der digitalen Welt und die Rolle von Social Media in der heutigen Gesellschaft.

6. Daubner bekommt Lachanfall in der tagesschau
(tagesschau.de, Video: 1:15 Minuten)
“Tagesschau”-Sprecherin Susanne Daubner ist selbst zum Berichtsgegenstand der “Tagesschau” geworden: durch einen Lachanfall – natürlich während der Aufzeichnung einer “Tagesschau”.

Geheimsache Nord Stream, Flüchtlings-Cover, X-Propaganda

1. Geheimsache Nord Stream: Wird die Aufklärung blockiert?
(ndr.de, Fritz Lüders, Video: 29:31 Minuten)
Vor einem Jahr wurde ein Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines verübt, bei dem drei der vier Pipelinerohre zerstört wurden. Seitdem recherchieren Journalisten und unabhängige Experten weltweit, um die Hintergründe des Anschlags aufzudecken. Dabei würden sie auf zahlreiche Hindernisse stoßen, darunter politischen Druck und Geheimhaltung seitens der Regierung. Das NDR-Medienmagazin “Zapp” ist der Sache nachgegangen und hat mit Journalistinnen und Journalisten gesprochen, die den Fall als einen der schwierigsten ihrer Karriere bezeichnen.

2. Wie der “Spiegel” sich aus einem Foto sein bedrohliches Flüchtlings-Cover bastelte
(uebermedien.de, Frederik von Castell)
Das aktuelle Titelbild des “Spiegel” zur deutschen Asylpolitik wurde vielfach kritisiert, unter anderem auch vom “6-vor-9”-Kurator (“Es ist für mich schwer nachvollziehbar, wie ein renommiertes Leitmedium wie der Spiegel, das für Qualitätsjournalismus stehen will, ein Titelbild veröffentlichen kann, das in Aufmachung und Bildsprache an die Angstmache und Hetze rechter Parteien und Verschwörungsblätter erinnert.”) Bei “Übermedien” hat Frederik von Castell die Bildquelle, die dem vom “Spiegel” verwendeten Ausschnitt zugrunde liegt, recherchiert und mit der Fotografin gesprochen. Es liege der Verdacht nahe, dass “das ‘Spiegel’-Cover mit dem Bild in der Realität nicht allzu viel gemein hat”.
Weiterer Hörtipp: Im NDR kommentiert Nadia Zaboura das Cover: “Man sieht nicht die Personen und die Lebensgeschichten, die damit verbunden sind, sondern es baut eine Art Bedrohungs-Szenario auf: Werden wir überrollt?” Neben ihrer Kritik macht Zaboura aber auch konkrete Vorschläge, was Medien in der Migrations-Berichterstattung aus ihrer Sicht verändern und besser machen können (ndr.de, Audio: 7:34 Minuten).

3. Lust auf die Zukunft
(journalist.de, Jeanne Wellnitz & Anna Faber)
Jeanne Wellnitz und Anna Faber beschäftigen sich im “journalist” mit Gegenwart und Zukunft des Klimajournalismus. Das Schweizer Onlinemagazin “Republik” habe beispielsweise ein “Klimalabor” ins Leben gerufen, in dem es gemeinsam mit seiner Leserschaft journalistische Inhalte entwickelt. Drei zentrale Erkenntnisse aus diesem Projekt seien: Die Mehrheit der Leserinnen und Leser wünsche sich konstruktive Berichte über mögliche Maßnahmen, sie möchten Dialogformate, die den Austausch mit Aktiven ermöglichen, und sie suchen nach Tipps, um Menschen in ihrem Umfeld für Klimathemen zu sensibilisieren.

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4. Investition in die Demokratie
(epd.de, Björn Staschen)
Die deutschen Printmedien leiden unter sinkenden Auflagen und wegbrechenden Werbeeinnahmen. Der Journalist und Medienberater Björn Staschen schlägt in einem Gastbeitrag alternative Fördermodelle vor, um das Mediensystem und die Demokratie zu stärken. Er nennt beispielsweise die Idee eines “Demokratiepasses”, mit dem Bürgerinnen und Bürger ein Jahresbudget für den Zugang zu Informations- und Meinungsbildungsmedien erhalten, und schlägt vor, Qualitätsstandards für Medienangebote festzulegen, die zur demokratischen Meinungsbildung beitragen.

5. Streit mit ARD & ZDF: BDZV wendet sich an EU-Kommission
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” berichtet, scheint die ursprüngliche Einigung zwischen Verlagen und öffentlich-rechtlichen Sendern aus dem Jahr 2018 gescheitert zu sein. Der Verlegerverband BDZV habe sich an die EU-Kommission gewandt und um Unterstützung im Streit mit ARD und ZDF um deren Textangebote im Internet gebeten. Der BDZV kritisiere, dass die Öffentlich-Rechtlichen online ein “presseähnliches Angebot” bereitstellen und damit den Verlagen Konkurrenz machen würden.

6. Einfluss von Propaganda-Accounts steigt
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 6:11 Minuten)
Im Deutschlandfunk hat sich Michael Borgers mit Roberta Schmid vom Faktencheck-Dienst “Newsguard” unterhalten. In dem Gespräch geht es vor allem um den wachsenden Einfluss von staatlichen Propaganda-Accounts auf der Plattform X (vormals Twitter). Die Interaktionsrate staatsnaher chinesischer, iranischer und russischer Medien sei in der Elon-Musk-Ära laut “Newsguard” um 70 Prozent gestiegen.

Mindesthonorare für Freie, Partei stört “Fernsehgarten”, Entsperrung

1. Mindesthonorare für Freie
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) appelliert an Kulturstaatsministerin Claudia Roth, bei der Festlegung von Honoraruntergrenzen im künstlerischen Bereich auch die freien Journalistinnen und Journalisten zu berücksichtigen. Roth hatte angekündigt, dass vom Bund geförderte Kultureinrichtungen ab dem kommenden Jahr Mindesthonorare an freie Künstlerinnen und Künstler zahlen müssen. Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall betont, dass Mindesthonorare in wirtschaftlich schwierigen Zeiten ein Schritt in die richtige Richtung seien.

2. Umbruch in schwierigen Zeiten
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Isabelle Klein, Audio: 6:21 Minuten)
Medienmogul Rupert Murdoch hat sich im Alter von 92 Jahren entschieden, in den Ruhestand zu treten und die Leitung seines Unternehmens News Corp. abzugeben. Die Führung der Firma wird nun von seinem ältesten Sohn Lachlan übernommen, während die Rollen der anderen Kinder Murdochs im Unternehmen noch unklar seien. Lachlan Murdoch übernehme die Leitung zu einer Zeit, in der die Medienbranche, insbesondere der Printmarkt, vor großen Herausforderungen stehe.

3. Hollywood läuft wieder
(taz.de)
Noch läuft ihr Streik, doch die Drehbuchautoren und -autorinnen der US-amerikanischen Film- und Fernsehindustrie haben anscheinend eine vorläufige Einigung mit den Studios erzielt, die eine Wiederaufnahme ihrer Arbeit ermöglichen könnte. Sie fordern eine bessere Bezahlung und Schutz vor den Auswirkungen der Künstlichen Intelligenz. Trotz der Einigung betont die Gewerkschaft WGA, dass der Streik bis zu einer endgültigen Einigung fortgesetzt werde.

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4. Sperrung von Achgut-Account war unzulässig
(spiegel.de)
Das Soziale Netzwerk X, vormals bekannt als Twitter, sei per Gericht verpflichtet worden, dem Blog “Die Achse des Guten” eine Entschädigung von etwa 1.400 Euro zuzüglich Zinsen für die temporäre Sperrung seines Accounts zu zahlen. Das Landgericht Karlsruhe habe entschieden, dass Twitter wettbewerbswidrig gehandelt und das Grundrecht auf Meinungs- und Pressefreiheit verletzt habe. Der Streit sei entstanden, nachdem “Achgut” auf Boykottaufrufe gegen Werbepartner reagiert habe, woraufhin Twitter den Account sperrte.

5. “Das Golden Age des Streaming ist vielleicht vorbei” – Nico Hofmann über Bildschirme und Business.
(turi2.de, Peter Turi)
Im Interview mit Peter Turi spricht Nico Hofmann, langjähriger CEO des Filmunternehmens Ufa, über die Veränderungen im Streaming-Markt, die Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Filmindustrie und die Bedeutung von Qualität und Geduld beim Filmkonsum. Hofmann betont, dass trotz des technologischen Fortschritts die menschliche Autorenschaft nicht durch KI ersetzt werden könne.

6. Kiewel findet es “ganz traurig”: “Die Partei” stört im “Fernsehgarten” – Chef Sonneborn spricht von Wette
(tagesspiegel.de, Nora Ederer)
Mitglieder der Satirepartei Die Partei haben die Oktoberfest-Ausgabe der ZDF-Sendung “Fernsehgarten” gestört. Moderatorin Andrea Kiewel bezeichnete die Aktion als “ganz traurig und ganz daneben”. Gegenüber Ippen.Media habe Partei-Chef Martin Sonneborn ironisch erklärt, man habe die Aufstellung der Europaliste feiern wollen: “Wir haben gewettet, für was es mehr Aufmerksamkeit gibt in den deutschen Medien: Wenn der aserbaidschanische Diktator Aliyew Bergkarabach überfällt oder wenn ‘Die Partei’ beim ‘Fernsehgarten’ in den Pool pinkelt.”

Teurer Talk, Virtuelle Influencer, Kellner wird nicht Koch

1. Reden ist teuer
(taz.de, Steffen Grimberg)
Steffen Grimberg diskutiert in der “taz” die Produktionskosten von Polit-Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen wie “Anne Will”, wo jede Ausgabe rund eine Viertelmillion Euro koste. Neben den Kosten kritisiert Grimberg auch die mangelnde Meinungs- und Themenvielfalt in den Sendungen. Als mögliche Lösung schlägt er eine vorübergehende Pause für politische Talkshows vor, um das eingesparte Geld in Dokumentationen mit mehr Vielfalt zu investieren.

2. Die schöne neue Welt der virtuellen Influencer
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Bei netzpolitik.org beschäftigt sich Markus Reuter ausführlich und mit vielen Querverweisen mit dem Phänomen der virtuellen Influencer, die durch Künstliche Intelligenz generiert werden und in Sozialen Medien wie Instagram, Twitter (X) und TikTok aktiv sind. Diese digitalen Persönlichkeiten werfen ethische Fragen auf, schreibt Reuter, da sie die Grenze zwischen Realität und Fiktion verwischen, aber auch neue Möglichkeiten für die Werbebranche bieten. Kommunikationswissenschaftlerin Nadja Enke zeige sich jedoch nicht sehr besorgt: “Es ist kein Massenphänomen und wird auch in Zukunft eher komplementär zu den echten Influencern stehen.”

3. KI: Der Kellner wird noch lange nicht Koch
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Medienexperte Christian Jakubetz argumentiert, dass die öffentliche Debatte über Künstliche Intelligenz (KI) oft von Extremen geprägt sei – entweder von übertriebener Euphorie oder von apokalyptischen Ängsten: “Beides ist nicht nur unangebracht, sondern in den allermeisten Fällen auch von grober Unkenntnis der Dinge geprägt”, so Jakubetz. Er ist überzeugt, dass KI in der Medienbranche ein nützliches Werkzeug sein werde, das Routineaufgaben automatisieren, aber die kreative Arbeit des Menschen nicht ersetzen könne.

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4. Warum eine “Auszeichnung für behinderte Journalist*innen”?
(journalismus-preis.org)
Die Otto Brenner Stiftung (OBS) hat eine “Auszeichnung für behinderte Journalist*innen” ausgeschrieben, die verschiedene Recherchestipendien und Geldpreise umfasst: “Mit der neuen OBS-Auszeichnung wollen wir Diversität als wichtigen Bestandteil unserer demokratischen Gesellschaft fördern”, so Jupp Legrand, Geschäftsführer der Stiftung. Die Ausschreibung endet am kommenden Samstag, 30. September: “Bewerben können sich Journalist*innen mit Behinderung bzw. Menschen mit Lernschwierigkeiten oder Lerneinschränkungen. Bewerbungen von Personen, die neu im Journalismus-Beruf sind, sind sehr willkommen.”

5. Newsletter Netzwerk Recherche 225
(netzwerkrecherche.org, Elisa Simantke)
Wie immer eine Empfehlung wert, nicht nur für investigativ arbeitende Journalistinnen und Journalisten: der Newsletter des Netzwerk Recherche. Die aktuelle Ausgabe bietet interessante Leseempfehlungen zur Verhaftung von Journalistinnen im Iran, zu Grundlagen der Verdachtsberichterstattung und zu außenpolitischen Themen. Darüber hinaus gibt es wie gewohnt einen Überblick über medienrelevante Nachrichten, Veranstaltungen, Preise und Stipendien sowie zahlreiche Hinweise auf Fortbildungsmöglichkeiten.

6. Elon Musk ist schuld: Bluesky hat jetzt 1 Million aktive Nutzer
(futurezone.at)
Wie auf futurezone.at zu lesen ist, verzeichnete das Soziale Netzwerk Bluesky einen starken Anstieg der aktiven Nutzerinnen und Nutzer, nachdem Elon Musk in einem Gespräch mit dem israelischen Premierminister die Möglichkeit angedeutet hatte, dass Twitter (X) kostenpflichtig werden könnte. Am Tag nach der Ankündigung hätten sich mehr als 50.000 Personen neu bei Bluesky angemeldet, wodurch die Gesamtzahl der Accounts auf rund 1,13 Millionen gestiegen sei. Andere Twitter-Alternativen wie Threads und Mastodon hätten einen geringeren Zuwachs verzeichnet.

KW 38/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Neues Feindbild Wettermoderatoren?
(ardaudiothek.de, BR24 Medien, Nina Landhofer, Audio: 23:44 Minuten)
Kürzlich haben wir in den “6 vor 9” einen Beitrag des NDR-Medienmagazins “Zapp” empfohlen, in dem die Wettermoderatoren Karsten Schwanke (ARD) und Özden Terli (ZDF) über zunehmende Anfeindungen berichten und ein Psychologe versucht, die möglichen Gründe dafür zu erklären. Auch der Bayerische Rundfunk greift das Thema auf und spricht mit der Medienwissenschaftlerin Gina Schad, dem Vorsitzenden des Bayerischen Journalisten Verbands Harald Stocker und der Autorin des “Zapp”-Beitrags Isabel Schneider.

2. 50 Jahre Grimme-Institut und Rupert Murdoch, der letzte Medienmogul?
(wdr.de, Sebastian Sonntag, Audio: 48:02 Minuten)
Das WDR5-Medienmagazin “Töne, Texte, Bilder” beschäftigt sich mit so unterschiedlichen Themen wie den Hoffnungen der Print-Branche auf Künstliche Intelligenz, dem Rückzug des 92-jährigen Medien-Moguls Rupert Murdoch, dem 50. Geburtstag des Grimme-Instituts und den Hilferufen bedrohter Nischen-Magazine.

3. Carsten Knop (Herausgeber, Frankfurter Allgemeine Zeitung / F.A.Z.)
(youtube.com, Chengguang Li, Video: 1:32:46 Stunden)
Die Veranstaltungsreihe “CEO Leadership Series” der TU München will “hochkarätige Führungskräfte mit jungen Studierenden zusammenbringen”. In der aktuellen Ausgabe ist Carsten Knop zu Gast, der auf ein interessantes und abwechslungsreiches journalistisches Berufsleben zurückblicken kann und seit 2020 einer der Herausgeber der “FAZ” ist.

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4. Keine Angst vor der KSK-Prüfung
(freienpodcast.letscast.fm, Der Freien-Podcast, Geraldine Friedrich & Francoise Hauser, Audio: 42:21 Minuten)
Viele freie Journalistinnen und Journalisten sind über die Künstlersozialkasse (KSK) versichert. Für die Beitragsberechnung geben sie jedes Jahr eine Prognose ab, in der sie das erwartete Einkommen des nächsten Jahres schätzen. Was passiert, wenn man geprüft wird und die Zahlen nicht stimmen? Was zählt zum Einkommen und was ist mit außerberuflichen Einkünften? Um diese und weitere Fragen geht es im “Freien-Podcast”, in dem diesmal Rechtsanwalt Andri Jürgensen zu Gast ist und Auskunft gibt.

5. Podiumsdiskussion: “Medien in Europa – mehr Regulierung für mehr Freiheit?”
(youtube.com, Jörg Wagner, Video: 1:15:44 Stunden)
Die dritte European Public Value Conference beschäftigte sich mit der Verantwortung öffentlich-rechtlicher Medien in und für Europa. Phoenix übertrug eine Podiumsdiskussion, bei der es um die Balance zwischen Regulierung und Freiheit ging. Es diskutierten Heike Raab (Staatssekretärin und Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien), Dieter Dörr (Gründungsdirektor des Mainzer Medieninstituts), Ferdinand Kirchhof (Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts a.D.), Sigrun Albert (Geschäftsführerin des Bundesverbands Digitalpublisher und Zeitungsverleger), Renate Nikolay (stellvertretende Generaldirektorin für Kommunikationsnetze, Inhalte und Technologien der EU-Kommission) und Ivo Indzhov (Dozent für Journalismus in Bulgarien).

6. Klassiker: Mail Ping Pong mit Riesen-Verteiler grandios vertont von SWR
(soundcloud.com, Sandra Müller, Audio: 3:55 Minuten)
Beim SWR ging neulich mal wieder eine Mail versehentlich an einen Massenverteiler. SWR3 hat das Missgeschick “grandios vertont”, findet Sandra Müller.

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ICE voll falsch

Man kann der Deutschen Bahn wirklich vieles vorwerfen: verspätete Züge, ausgefallene Züge, stehengebliebene Züge, überfüllte Züge, Züge, in denen die Klimaanlage nicht funktioniert, Züge, in denen die Heizung nicht funktioniert, Züge, in denen die Toiletten nicht funktionieren, und so weiter.

Eines kann man der Deutschen Bahn aber definitiv nicht vorwerfen – dass es sich hierbei um einen überfüllten ICE der Deutschen Bahn handelt:

Ausriss Bild-Zeitung - Münchner Philharmoniker geigen Bahn die Meinung
Ausriss Bild-Zeitung - Der ICE, mit dem die Musiker schließlich nach Berlin fuhren, war völlig überfüllt

Stattdessen dürfte es sich um den RE7 handeln, den “Rhein-Münsterland-Express”, der unter anderem zwischen Köln und Hamm fährt. Betrieben wird er nicht von der Deutschen Bahn, sondern von dem Verkehrsunternehmen National Express, das auf der Strecke einen Bombardier Talent 2 einsetzt.

Dass die “Bild”-Redaktion die Züge nicht auseinanderhalten kann, ändert übrigens nichts daran, dass die bei Facebook geäußerte Kritik der Münchner Philharmoniker an der Deutschen Bahn sehr berechtigt klingt.

Mit Dank an @mbayde für den Hinweis!

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Der Link als Tabu, Deepfakes, Sammelklage gegen OpenAI

1. Der Link, das ewige Tabu
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier kritisiert bei “Übermedien” die Praxis vieler Medienhäuser, insbesondere t-online.de, in ihren Artikeln die von ihnen verwendeten Quellen nicht zu verlinken. Dies widerspreche den Mindeststandards des Online-Journalismus und untergrabe die Glaubwürdigkeit: “Es ist so bezeichnend, dass rund 30 Jahre nach dem Beginn des Online-Journalismus in Deutschland grundlegende Standards wie das Verlinken von Quellen immer noch nicht selbstverständlich sind – und von manchen vermeintlich seriösen Redaktionen sogar ausdrücklich abgelehnt werden.” Zuvor hatten die “Medieninsider” über das Thema berichtet (nur mit Abo lesbar).

2. Mediale Glaubwürdigkeit in Gefahr
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio: 23:54 Minuten)
Im Deutschlandfunk spricht Sebastian Wellendorf mit der KI-Forscherin Maria Pawelec über die zunehmende Bedrohung der Glaubwürdigkeit von Medien und Journalismus durch Deepfakes. Pawelec fordert Maßnahmen von Politik und Plattformen, beispielsweise eine stärkere gesetzliche Regulierung und bessere Analysetools, um dem Problem zu begegnen. Sie betont auch die Notwendigkeit für das Publikum, eine gesunde Skepsis an den Tag zu legen und Informationen kritisch zu hinterfragen.

3. Untergang abgewendet: “Titanic” verkauft 6.000 neue Abos
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Wie bei “DWDL” zu lesen ist, habe das wirtschaftlich angeschlagene Satire-Magazin “Titanic” nach dem Start einer Rettungskampagne innerhalb von zwei Wochen 6.000 neue Abonnements und zusätzlich 500 T-Shirts verkaufen können. Außerdem habe die Redaktion 34.000 Euro an Spenden eingesammelt. Damit sei das Überleben des Magazins für mindestens ein Jahr gesichert. Chefredakteurin Julia Mateus äußerte sich auf “Titanic”-typische Weise: “Es wurde bestätigt, dass Print das Medium der Zukunft ist.”

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4. Haben Bild und B.Z. “journalistische Standards” gebrochen?
(lawblog.de, Udo Vetter)
Udo Vetter schreibt in seinem “Law Blog” über die Kritik der “taz” an den Zeitungen “Bild” und “B.Z.”, die geplante Straßenblockaden der “Letzten Generation” öffentlich gemacht hatten. Die “taz” wirft den Springer-Blättern vor, journalistische Standards verletzt und sich zu “Erfüllungsgehilfen der Polizei” gemacht zu haben. Vetter widerspricht diesen Vorwürfen und weist darauf hin, dass die Presse nach dem Pressekodex grundsätzlich keine Nachrichtensperren akzeptiere und die Polizei das Recht habe, “aktuelle Berichte über geplante Straftaten” zur Kenntnis zu nehmen.

5. Klimawandel: Warum Wettermoderatoren attackiert werden
(ndr.de, Zapp Medienmagazin, Isabel Schneider, Video: 9:19 Minuten)
Bei “Zapp” berichten die Wettermoderatoren Karsten Schwanke (ARD) und Özden Terli (ZDF) von zunehmenden Anfeindungen, weil sie die Klimakrise in ihren Wetterberichten thematisieren. Die Angriffe reichen von Beleidigungen und Unterstellungen bis hin zu Bedrohungen, wobei Terli auch rassistisch angefeindet wird. Der Psychologe Philipp Schmid bestätigt, dass solche Angriffe das Ziel haben, Wissenschaftler und Meteorologen einzuschüchtern und mundtot zu machen, um die Berichterstattung über das Klima zu unterdrücken.

6. Bestsellerautoren reichen Sammelklage gegen ChatGPT-Hersteller OpenAI ein
(spiegel.de)
Eine Gruppe von 17 Autorinnen und Autoren, darunter bekannte Namen wie John Grisham und George R.R. Martin, hat eine Sammelklage gegen den ChatGPT-Betreiber OpenAI eingereicht. Sie wirft dem Unternehmen vor, den Chatbot ohne Erlaubnis mit ihren Büchern trainiert zu haben. ChatGPT basiere auf “systematischem Diebstahl im großen Stil”. OpenAI habe in einer Stellungnahme betont, die Rechte der Autorinnen und Autoren zu respektieren und den Dialog zu suchen.

Referendarin beim Rechts-Sender, “weißer Ritter”, KI-Betrugsmasche

1. Grundschul-Referendarin moderierte bei rechtsextremistischem Sender – Ministerium wartete ab
(spiegel.de)
Der “Spiegel” berichtet unter Berufung auf den “Tagesspiegel” über eine 29-jährige Grundschulreferendarin in Brandenburg, die als Moderatorin für den rechtsextremistischen Sender Compact TV tätig war – mit Perücke und unter falschem Namen. Obwohl das brandenburgische Bildungsministerium seit Juli über mögliche rechtsextreme Verbindungen der Lehramtsanwärterin informiert gewesen sei, sei diese zunächst im Dienst belassen, nun jedoch freigestellt worden. Es bestünden erhebliche Zweifel an ihrer Verfassungstreue und Lehramtseignung.

2. RBB: Auch Kündigung der juristischen Direktorin war rechtens
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Wie Uwe Mantel bei “DWDL” berichtet, hat das Arbeitsgericht Berlin die Kündigung einer ehemaligen Justitiarin des RBB für rechtens erklärt. Der Vertrag sei wegen hoher Pensionszahlungen als sittenwidrig eingestuft worden. Zudem seien Pflichtverletzungen festgestellt worden. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, beide Seiten können noch Berufung einlegen.

3. “Viel Platz, viel Licht, viel Sicht”
(tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Joachim Huber kommentiert die Neuordnung der Immobilien des Axel-Springer-Konzerns in Berlin, die eine Vermietung der Altflächen vorsieht: “Die Büroflächen wurden von allem, was Zeitungsmenschen so hinterlassen, gereinigt. Der Axel Springer Verlag hatte sein Printportfolio ja radikal verkleinert, die verbliebenen und weiteren Mitarbeiter arbeiten trotz kostenlosen Frühstücks und Mittagessens gerne im Homeoffice – da haben sich die Hochhäuser wie von selbst geleert. Weil dieser Verlag seit jeher sehr viel vom Geldverdienen versteht, lag die großflächige Vermietung auf der Hand.”

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4. Großes Vorschusslob für neuen CNN-Chef Mark Thompson
(epd.de)
US-Medien begrüßen laut epd die Ernennung von Mark Thompson zum neuen CNN-Chef und bezeichnen ihn als “weißen Ritter” und “Transformationsführer”. Thompson, der zuvor als Aufsichtsratsberater bei Axel Springer tätig war, komme zu einer Zeit, in der CNN mit sinkenden Einschaltquoten zu kämpfen hat und eine neue politische Ausrichtung sucht.

5. EU-Kommissar hält an Lizenz zum Abklemmen sozialer Netze fest
(netzpolitik.org, Tomas Rudl)
Wie netzpolitik.org berichtet, hält EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton trotz heftiger Kritik aus der europäischen Zivilgesellschaft an der Möglichkeit fest, Soziale Netzwerke bei sozialen Unruhen abschalten zu können. Kritiker wie der Europaabgeordnete Moritz Körner (FDP) zeigen sich besorgt und warnen, dass solch drastische Maßnahmen zu Overblocking führen und die Meinungsfreiheit einschränken könnten.

6. Der Typ sieht aus wie ich, klingt (fast) wie ich. Aber ich bin es nicht wirklich… Echt nicht.
(twitter.com, Christian Sievers)
Bei Twitter, das von seinem Eigentümer auch als X bezeichnet wird, macht der ZDF-Moderator Christian Sievers auf eine “fiese Betrugsmasche mit KI” aufmerksam. Betrüger haben eine Szene aus dem “heute Journal” genommen und dem Moderator einen Werbetext für ihre Abzock-Idee untergeschoben – mit der vermeintlich echten Stimme von Christian Sievers.

KI-Autorin beim Kölner “Express”, Leuchtturm gesucht, Döpfners Mären

1. KI bei “express.de” mit Autorin Klara Indernach, die nicht existiert
(derstandard.de)
“Klara ist jung, blond, hübsch. Und auch ganz schön fleißig, ihr ‘Output’ ist groß. Für die Kölner Boulevardzeitung ‘express.de’ schreibt sie über nervige Whatsapp-Funktionen, Ungemach für Schlagersänger Stefan Mross, aber auch über die beliebtesten Supermärkte oder Todesfälle. Wie schafft sie das alles bloß?” Die Antwort erschließe sich bei einem Klick auf den Namen, schreibt der “Standard” in seiner Glosse: Die Autorin “Klara Indernach” sei kein Mensch, sondern stehe beim Kölner “Express” für automatisch generierte KI-Texte. Selbst das Autorenfoto sei von einer Künstlichen Intelligenz erzeugt worden.

2. Debatte über Unabhängigkeit von Experten
(deutschlandfunk.de, Michael Meyer)
Zeitungs- und Fernsehredaktionen sind bei ihrer Berichterstattung auf Expertinnen und Experten angewiesen, vor allem wenn es um komplexe Themen geht, bei denen der Sachverstand von Fachleuten gefragt ist. Bei deren Auswahl spiele aber nicht nur die Fachkompetenz eine Rolle, sondern auch die Fähigkeit, ein Thema gut erklären zu können, so Ellen Ehni, Chefredakteurin des WDR-Fernsehens. Darüber hinaus gehe es um weitere Fragen, wie die nach der Unabhängigkeit der eingeladenen Person.

3. Beschwerde bei der Europäischen Kommission gegen Hinweisgeberschutzgesetz
(whistleblower-net.de, Annegret Falter)
Das am 2. Juli dieses Jahres in Kraft getretene Hinweisgeberschutzgesetz, mit dem Deutschland die EU-Richtlinie zum Schutz von Hinweisgeberinnen und -gebern in nationales Recht umgesetzt hat, verstößt nach Ansicht des Whistleblower-Netzwerks in zwölf Punkten gegen die Richtlinie. Das Netzwerk hat deshalb Beschwerde bei der Europäischen Kommission eingereicht (PDF). Sollte Deutschland nicht nachbessern, könnte die Kommission ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren einleiten.

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4. Wenn die KI die Arbeit übernimmt
(netzpolitik.org, Nora Nemitz)
Das US-amerikanische Start-up HeyGen hat ein Übersetzungsprogramm entwickelt, das mit Künstlicher Intelligenz Videos in bis zu zehn Sprachen übersetzen kann und dabei sowohl die Stimme anpasst als auch die Lippenbewegungen in der jeweiligen Sprache synchronisiert. “Für Influencer*innen könnte das neue Reichweite bedeuten, Synchronsprecher*innen fürchten dagegen um ihre Jobs”, schreibt Nora Nemitz. In Japan habe der Berufsverband Arts Workers bereits Schadenersatz für Künstlerinnen und Künstler gefordert, deren Werke für das Training von KI-Systemen verwendet wurden.

5. Medienlandschaft sucht Leuchtturm
(verdi.de, Tilmann P. Gangloff)
Das Grimme-Institut, bekannt für die Verleihung des renommierten Grimme-Preises, steht aktuell vor großen Herausforderungen. Trotz seiner Bedeutung für die Medienlandschaft und die Qualität von Medieninhalten, habe das Institut in den vergangenen Jahren an Sichtbarkeit verloren. Es leide unter finanziellen Schwierigkeiten und struktureller Unterfinanzierung, während es gleichzeitig versuche, sich den digitalen Umwälzungen und neuen Medientrends anzupassen.

6. Die Mären des Mathias Döpfner in der KI-Version
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Springer-Chef Mathias Döpfner hat sich in einem Artikel zur Rolle von Künstlicher Intelligenz im Journalismus geäußert und deren Potenzial für die Medienbranche betont. Thomas Knüwer stimmt ihm in Teilen zu, widerspricht aber an anderer Stelle scharf und betont, dass Döpfner viele Aspekte von KI und Journalismus missverstehe oder falsch darstelle.

Schwierige Audio-Messung, Kulturkürzungen, ÖR-Bezahlangebote

1. Die Probleme mit der Online-Auswertung
(deutschlandfunk.de, Martin Krebbers)
Wenig überraschend: Der Konsum von Audioinhalten übers Internet werde immer beliebter. Die Arbeitsgemeinschaft Media-Analyse versucht mit der ma IP Audio, die Nutzung von Webradio-Livestreams zu messen, stößt dabei aber auf Schwierigkeiten. Im Interview mit dem Deutschlandfunk betont Jens Schröder vom Mediendienst “Meedia”, dass es schwierig sei, genaue Hörerzahlen zu ermitteln, da die Messung nur Livestreams, aber keine On-Demand- oder Podcast-Nutzung und nicht alle Sender erfasse.

2. Journalismus-Update: Nach Lösungen fragen
(verdi.de, Bärbel Röben)
In einer sich ständig verändernden und von Krisen geprägten Welt müssen Journalistinnen und Journalisten ihre Berichterstattung anpassen, indem sie nicht nur Probleme aufzeigen, sondern auch nach Lösungen suchen. Das sei jedenfalls der Tenor beim Journalismus-Festival b° future in Bonn gewesen. Bärbel Röben hat die Veranstaltung besucht und genau hingehört, was die Expertinnen und Experten über die Funktion von Medien zu sagen hatten.

3. NRW-Medienminister fordert Umdenken bei ARD Plus und ZDF Select
(dwdl.de, Manuel Weis)
Wie bei “DWDL” zu lesen ist, fordert der nordrhein-westfälische Medienminister Nathanael Liminski (CDU) eine Überprüfung der Bezahlangebote von ARD (ARD Plus) und ZDF (ZDF Select). Liminski kritisiere, dass durch derartige kostenpflichtige Angebote die Grenze zwischen privatem Medienunternehmen und öffentlich-rechtlichem Rundfunk verwischt werde. Er wolle das Thema auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung der Rundfunkkommission im Herbst setzen.

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4. Kathrin Röggla: Bei den Kulturkürzungen der ARD geht es nicht um Etats
(laeuft-programmschau.podigee.io, Alexander Matzkeit, Audio: 22:56 Minuten)
Alexander Matzkeit spricht mit der Schriftstellerin und RBB-Rundfunkrätin Kathrin Röggla über die geplanten Kürzungen im Kulturbereich der ARD, die von manchen als “Kulturkahlschlag” bezeichnet werden. Geht es nach dem ARD-Vorsitzenden Kai Gniffke, werde der Kulturetat nur umgeschichtet. Wer hat Recht?
Siehe dazu auch unseren Lesetipp vom 13. September: Sender spricht von “Kulturoffensive”, Proteste in München (spiegel.de).

5. “Wir entscheiden nach Leidenschaft”
(taz.de, Carolina Schwarz)
“Magazin für Text und Musik” lautet die Selbstbeschreibung von “Das Wetter”. Seit zehn Jahren veröffentlichen die Macherinnen und Macher das gedruckte Magazin in Eigenregie. Mit Katharina Holzmann und Sascha Ehlert hat Carolina Schwarz zwei von ihnen interviewt und ihnen gleich zu Beginn eine drängende Frage gestellt: “Wenn man euch googelt, kommen Wetterberichte oder Katastrophenmeldungen. Wieso habt ihr euch Das Wetter genannt?”

6. Alle Zahlen unseres Krisenmanagements
(katapult-magazin.de)
Wie das in finanzielle Schieflage geratene Medienunternehmen Katapult mitteilt, konnte die drohende Insolvenz abgewendet werden. Dies sei auf eine erfolgreiche Rettungsaktion zurückzuführen, zu denen der Verkauf von Shopartikeln und der Abschluss neuer Abonnements gehört habe. Außerdem habe man die Abonnementpreise erhöht und sich von einigen Projekten getrennt.

So viele Menschen könnten arbeiten und arbeiten auch schon

Kommen wir noch einmal zum Bürgergeld und der Frage, wie die “Bild”-Redaktion mit einseitiger und/oder unvollständiger und/oder verzerrter Berichterstattung versucht, Stimmung zu dem Thema zu machen.

Und zwar so:

Screenshot Bild.de - Neue Zahlen zum Bürgergeld - So viele Menschen könnten arbeiten, kriegen aber Stütze

Neue Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) belegen: Hunderttausende Menschen könnten in Deutschland arbeiten, bekommen aber Stütze vom Staat.

Im April 2023 zählte die BA rund 3,9 Millionen “erwerbsfähige Regelleistungsberechtigte”. Sprich: Menschen, die arbeiten könnten, aber Bürgergeld erhalten.

Mehrfach schreibt “Bild” im Artikel (und ja auch schon in der Überschrift), dass sogenannte erwerbsfähige Leistungsberechtigte arbeiten könnten, stattdessen aber Bürgergeld beziehen:

Der Anteil “erwerbsfähiger Leistungsberechtigter” – also Menschen, die arbeiten können, aber Bürgergeld erhalten – lag im April …

Nirgendwo im Text steht es explizit, aber es schwingt an vielen Stellen mit: Schaut euch nur diese Faulen an. Die könnten arbeiten, lassen sich aber lieber vom Staat aushalten.

Doch schon die statistische Grundannahme der “Bild”-Redaktion ist falsch.

Die Definition der Bundesagentur für Arbeit (BA) für erwerbsfähige Leistungsberechtigte lautet:

Als erwerbsfähige Leistungsberechtigte (ELB) gelten gem. § 7 SGB II Personen, die

• das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben,
• erwerbsfähig sind,
• hilfebedürftig sind und
• ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

3.938.055 ELB gab es im April dieses Jahres, der aktuellste Monat, für den aufgeschlüsselte Daten von der BA vorliegen (Excel-Datei). Während die “Bild”-Redaktion ihrer Leserschaft einhämmert, dass sie alle arbeiten könnten, ist es tatsächlich anders – ein beachtlicher Teil von ihnen arbeitet bereits: 779.801 Personen führt die BA als erwerbstätige erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Das sind 19,8 Prozent aller ELB. Manche von ihnen sind Selbstständige, die meisten aber sind abhängig erwerbstätig: Manche in Vollzeit, mehr in Teilzeit oder ausschließlich geringfügig beschäftigt, auch Auszubildende sind dabei. Sie alle arbeiten – und beziehen Bürgergeld als ELB. Häufig werden sie als “Aufstocker” bezeichnet.

Von ihnen ist im “Bild”-Artikel nichts zu lesen. Dort liest man nur platte Parolen wie: “Stütze statt Schuften”.

Und auch einen anderen Aspekt lässt die “Bild”-Redaktion völlig unerwähnt: Von den 3.938.055 ELB führt die Bundesagentur für Arbeit in ihrer Statistik nur 1.683.023 als arbeitslos (42,7 Prozent). Die anderen 2.255.032, also die Mehrheit (57,3 Prozent), sind “nicht arbeitslose ELB”. Und dafür gibt es ganz gute Gründe. Die BA schreibt in ihrem “Monatsbericht zum Arbeits- und Ausbildungsmarkt” (PDF) für den Monat August (der auf die aufgeschlüsselten Daten vom April zurückgreift) über die “Gründe für die Nicht-Arbeitslosigkeit erwerbsfähiger Leistungsberechtigter”:

Es sind vor allem drei Gründe, derentwegen erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht arbeitslos sind. Für 701.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte war eine Arbeit derzeit nicht zumutbar, weil sie entweder kleine Kinder betreuten bzw. Angehörige pflegten oder noch zur Schule gingen bzw. studierten. 441.000 Personen waren nicht arbeitslos, weil sie einer ungeförderten Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Wochenstunden nachgingen. 523.000 Personen haben an einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme oder an einem Integrationskurs teilgenommen.

Über diese Gruppen hinaus zählten 253.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte nicht als arbeitslos, weil sie arbeitsunfähig erkrankt waren. Und schließlich galten für 139.000 erwerbsfähige Leistungsberechtigte Sonderregelungen für Ältere.

Auch von diesen Personen, die “Leistungen aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende [erhalten], ohne arbeitslos zu sein”, wie die BA schreibt, liest man im “Bild”-Artikel nichts. Es handelt sich dabei natürlich auch um eine definitorische Frage, die die Zahlen für die Bundesagentur für Arbeit besser aussehen lassen kann. Aber dass “Bild” beispielsweise Schülerinnen und Schüler oder arbeitsunfähig Erkrankte als Menschen präsentiert, “die arbeiten könnten, aber Bürgergeld erhalten”, ist grotesk und eine stark verzerrte Wiedergabe der Statistik.

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Presserat rügt, Wagenknechts Medienhype-Partei, EU straft TikTok

1. Rügen wegen Vorverurteilung und Verstößen gegen den Opferschutz
(presserat.de)
Der Deutsche Presserat hat in seiner vergangenen Sitzung insgesamt 16 Rügen ausgesprochen. Einige der Rügen betrafen Vorverurteilungen, Verstöße gegen den Opferschutz und die journalistische Sorgfaltspflicht. So erhielt die Bild.de-Redaktion eine Rüge, weil sie einem Beschuldigten im Zusammenhang mit einem Kinderporno-Vorwurf nicht ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte. Gerügt wurden “Bild” und Bild.de auch für weitere Verstöße, wie die Darstellung der Vorwürfe gegen einen Rapper als Tatsache, die Veröffentlichung des Fotos eines Mordopfers sowie die erkennbare Abbildung ermordeter Kinder und deren Mutter.

2. “Natürlich habe ich Angst”
(taz.de, Johanna Treblin)
Devrim Akçadaǧ, deutscher Staatsbürger und Journalist kurdischer Herkunft, wurde während seines Urlaubs auf Sardinien von italienischen Behörden festgenommen, da die Türkei seine Auslieferung wegen einer angeblichen PKK-Mitgliedschaft fordert. Johanna Treblin hat Akçadaǧ gefragt, was genau ihm vorgeworfen wird, wie es zu seiner Festnahme und Inhaftierung kam, und was er von der Bundesregierung erwartet: “Die deutschen Behörden wissen, dass die Vorwürfe falsch sind und dass mich in der Türkei viele Jahre Gefängnis erwarten. In Italien entscheiden nicht nur Gerichte, sondern auch Behörden. Auf Gerichtsentscheidungen kann die Bundesregierung natürlich keinen Einfluss nehmen, aber bei den Behörden kann sie dies sehr wohl versuchen.”

3. Nun auch in “Zeit” und “Bild am Sonntag”: Wagenknechts Medienhype-Partei
(uebermedien.de, Johannes Hillje)
Seit Sommer 2022 gibt es Medienberichte über die mögliche Gründung einer neuen Partei durch Sahra Wagenknecht, obwohl die offizielle Gründung erst Anfang 2024 stattfinden könnte. Wagenknecht nutze die Medienaufmerksamkeit geschickt, indem sie Informationen nur häppchenweise preisgebe und so einen kontinuierlichen Medienhype erzeuge, findet der Politik- und Kommunikationsberater Johanns Hillje: “Sollte Wagenknecht ihre Partei tatsächlich bald gründen, wäre sie wohl auch die erste Medienhype-Partei unserer durchmedialisierten Demokratie.”

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4. Investigativer Journalismus
(mdr.de)
“Medien360G”, die “Medienkompetenzredaktion” des MDR, hat ein umfangreiches Dossier zum Thema “Investigativer Journalismus” veröffentlicht. Darin geht es unter anderem um die Frage, was eigentlich investigativer Journalismus ist, wie Medienschaffende aus dem Investigativbereich mit Drohungen, Angriffen und Klagen umgehen, und wie die Recherche-Redaktionen des MDR arbeiten.

5. Haushaltsmittel aufstocken
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) kritisiert die aus seiner Sicht zu geringe Erhöhung der Mittel für die Deutsche Welle: “Eine gerade mal einprozentige Erhöhung des Bundeszuschusses ist die versteckte Forderung der Politik an den Intendanten, Leute rauszuschmeißen oder ihre Reallöhne drastisch zu kürzen”, so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall: “Das haben die Kolleginnen und Kollegen bei der Deutschen Welle nicht verdient.”

6. EU verhängt Strafe in Höhe von 345 Millionen Euro gegen TikTok
(zeit.de)
Die Europäische Union hat gegen TikTok eine Geldstrafe in Höhe von 345 Millionen Euro verhängt, weil die Plattform gegen die Datenschutz-Grundverordnung verstoßen habe, insbesondere im Umgang mit Daten von Minderjährigen. Zu den Verstößen gehörten unzureichende Altersüberprüfungen bei der Registrierung und Voreinstellungen, die Beiträge von Kindern und Jugendlichen öffentlich sichtbar und kommentierbar machten. TikTok zeige sich mit der Höhe der Strafe nicht einverstanden und betone, dass viele der beanstandeten Einstellungen bereits vor Beginn der Untersuchung geändert worden seien.

KW 37/23: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Wochenendausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Embedded Journalism – Wie berichten aus Katastrophengebieten?
(sr.de, Florian Mayer & Michael Meyer, Audio: 15:48 Minuten)
Daniel Boehm ist Journalist und Korrespondent bei der “Neuen Zürcher Zeitung”, war kürzlich in Marokko und hat dort das Erdbebengebiet bereist. Mit Florian Mayer und Michael Meyer unterhält er sich über die schwierige Aufgabe, über Katastrophen zu berichten: Wie geht Journalismus unter Extrembedingungen?
Weiterer Hörtipp: Nach dem Erdbeben in Marokko: “Im Podcast erzählt Korrespondent Daniel Boehm von seiner Reise ins komplett zerstörte Bergdorf Aduz im marokkanischen Atlasgebirge. Er schildert, wie Hinterbliebene mit blossen Händen nach Verschütteten suchen, weil die Hilfe auf sich warten lässt.” (nzz.ch, David Vogel & Marlen Oehler, Audio: 17:13 Minuten)

2. Und der Alltag?
(sueddeutsche.de, Nils Minkmar & Nadia Zaboura, Audio: 42:50 Minuten)
Welches Bild zeichnen Medien vom Leben jüdischer Menschen in Deutschland? Über welche Ereignisse wird intensiv, über welche kaum berichtet? Welche Klischees werden bedient? Und welche Themen ausgespart? Darum geht es in der neuen Folge des Medienpodcasts “quoted”. Zu Gast ist diesmal der Journalist Ronen Steinke, innenpolitischer Korrespondent der “Süddeutschen Zeitung” und Autor des Buchs “Antisemitismus in der Sprache”.

3. “Tele Meloni” – ist Italiens Mediensystem in Gefahr?
(br.de, Linus Lüring, Audio: 29:44 Minuten)
Seit die rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni in Italien im Amt ist, gibt es im Mediensystem des Landes große Umwälzungen. Beim öffentlich-rechtlichen Sender RAI beispielsweise mussten der Intendant und weitere prominente Journalistinnen und Journalisten gehen. Ist die Unabhängigkeit der italienischen Medien in Gefahr? Und welche Rolle spielt dabei das Erbe des Medienmoguls und ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi? Darüber spricht Linus Lüring mit der Italien-Expertin Lisa Weiß.

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4. Kinder-Influencer verrichten Arbeit vor der Kamera
(n-tv.de, Caroline Amme, Audio: 10:12 Minuten)
Weltweit haben findige Eltern eine neue Einnahmequelle entdeckt und vermarkten ihre Kinder als Influencer auf Plattformen wie Instagram oder Youtube. Das bringt einige Probleme mit sich: Für viele Plattformen gibt es ein Mindestalter, die Einnahmen landen auf dem Konto der Eltern, die Grenzen zwischen Hobby und Kinderarbeit sind oft schwer zu ziehen und nicht zuletzt gilt es, die Persönlichkeitsrechte der Kinder zu wahren. “Wieder was gelernt” hat sich des Themas angenommen.

5. Katastrophen-Berichterstattung konstruktiv und Elon Musk-Biograf
(wdr.de, Sebastian Sonntag, Audio: 47:09 Minuten)
Beim WDR5-Medienmagazin “Töne, Texte, Bilder” werden die unterschiedlichsten medienrelevanten Themen behandelt. Unter anderem geht es um den journalistischen Umgang mit der Flutkatastrophe in Libyen, um mögliche Auswege aus Negativ-Nachrichten und um die Lehren aus der jüngst erschienenen Elon-Musk-Biografie. Die “Medienschelte” am Ende der Sendung beschäftigt sich ironisch mit der Berichterstattung über die vergangenen Fußball- und Basketball-Großereignisse.

6. Warum auf einmal ALLE Mark Zuckerberg lieben
(zdf.de, Was kostet die Welt?, Jessica von Blazekovic, Video: 18:38 Minuten)
Bei “Was kostet die Welt”, einem Kanal des jungen, öffentlich-rechtlichen Formats “Funk”, dreht sich alles um die Frage, wie es passieren konnte, dass der spröde und wenig charismatisch wirkende Mark Zuckerberg plötzlich für viele so etwas wie eine Identifikationsfigur und ein Hoffnungsträger ist. Jessica von Blazekovic hat sich mit der Wandlung des Meta-Chefs beschäftigt, die auch etwas mit seinem Rivalen Elon Musk zu tun hat.

Blockierter Journalismus, Causa Schönbohm, Ausgezeichnete Fotos

1. Google blockiert Journalismus über Pornoseiten
(netzpolitik.org, Sebastian Meineck)
Einer Recherche von netzpolitik.org zufolge hat Google seine Jugendschutzmaßnahmen so weit verschärft, dass nun auch journalistische Inhalte über Pornoseiten aus den Suchergebnissen entfernt werden. Sebastian Meineck erläutert das Phänomen anhand von konkreten Beispielen. Er habe sich deswegen auch an Google gewandt, wo man zunächst Interesse gezeigt, dann aber nur mit ausweichenden Sätzen reagiert habe.

2. “Werkzeuge wie Chat-GPT werden wir irgendwann so selbstverständlich nutzen wie Google”
(journalist.de, Ute Korinth)
Das Magazin “journalist” hat mit dem “Spiegel”-Kolumnisten und Professor für Digitale Kommunikation Christian Stöcker über den Einfluss von Künstlicher Intelligenz (KI) auf den Journalismus gesprochen. Stöcker betont, dass KI-Tools wie ChatGPT in Zukunft so selbstverständlich genutzt werden wie heute Google. Angesichts der exponentiellen Entwicklung von KI sei jedoch eine Regulierung notwendig: “Ich glaube – und habe das auch schon 2017 geäußert -, dass man Unternehmen, die KI-Systeme betreiben, verpflichten muss, Menschen mitzuteilen, wenn sie mit einer KI interagieren. Es wird schon bald KI-Systeme geben, die klingen wie ein Mensch. Die zweite Sache ist die Kennzeichnungspflicht von durch KI erzeugten Inhalten. Hier brauchen wir zeitnah eine Lösung. Der dritte Aspekt, und den finde ich wichtiger als alles andere, ist die Transparenz der Trainingsdatensätze.”

3. Durfte sie “Xxxxx-Xxxxxxxx” schreiben?
(deutschlandfunk.de, Katharina Thoms, Audio: 4:34 Minuten)
Das Landgericht Hamburg befasst sich unter anderem mit der Frage, ob die Bezeichnung “Xxxxx-Xxxxxxxx” (Update: Die Bezeichnung wurde inzwischen vom Gericht untersagt) in der medialen Berichterstattung zulässig war. Die Klage habe sich allerdings nicht gegen die “Bild”-Redaktion gerichtet, die den Begriff ursprünglich verwendet hatte, sondern gegen die Wochenzeitung “Kontext”, die das Wort lediglich zitiert hatte. Der betroffene Polizist verklagte die kleinere Redaktion.
Siehe dazu auch die Kolumne von Elena Wolf und das Editorial in “Kontext”.

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4. Ausgezeichnete Pressefotos
(verdi.de, Lars Hansen)
Der World Press Photo Award wird seit 1955 jährlich von der World Press Photo Foundation in Amsterdam verliehen. Im Rahmen der “Woche der Pressefreiheit” in Hamburg wurde jetzt die erste von mehreren Ausstellungen in Deutschland mit den prämierten Fotos eröffnet. Es ist unter anderem das Siegerfoto des Ukrainers Evgeniy Maloletka zu sehen, das eine schwangere Frau nach einem Luftangriff in Mariupol zeigt, sowie weitere ausgezeichnete Bilder, die wichtige globale Ereignisse und Themen festhalten.
Nachtrag: Der Veranstalter macht uns darauf aufmerksam, dass es sich (entgegen der Aussage im verlinkten Beitrag) nicht um “die erste von mehreren Ausstellungen in Deutschland” handelt: “In Berlin wurden die prämierten Aufnahmen in den letzten Monaten bereits gezeigt, ebenso in Jena und Balingen. Demnächst folgen noch Dortmund, Flensburg, Kitzingen und wir in Oldenburg.”

5. Journalismus aus dem Untergrund
(taz.de, René Martens)
Beim Exile Media Forum in Hamburg wurde die kritische Situation von Exiljournalistinnen und -journalisten diskutiert, insbesondere die Bedrohungen, denen sie ausgesetzt sind. So wurde beispielsweise Farzad Seifikaran, Chefredakteur des iranischen Exilmediums Radio Zamaneh, vom iranischen Außenministerium des Terrorismus beschuldigt. Das von der Körber-Stiftung organisierte Forum habe den Teilnehmenden auch eine Plattform geboten, um sich zu vernetzen und Unterstützung in praktischen Fragen wie Visa, Organisation und Finanzierung zu erhalten.

6. Müssen Böhmermann und das ZDF dem ehemaligen BSI-Chef Schmerzensgeld zahlen?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 35:02 Minuten)
Arne Schönbohm, ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, hat angekündigt, das ZDF wegen einer kritischen Darstellung in Jan Böhmermanns “ZDF Magazin Royale” zu verklagen. In der Sendung wurde Schönbohm eine Nähe zu einer Firma mit Verbindungen zum russischen Geheimdienst unterstellt, außerdem wurde er als “Cyberclown” bezeichnet. Im “Übermedien”-Podcast spricht Holger Klein mit Felix W. Zimmermann, Chefredakteur von “Legal Tribune Online”, über Schönbohms Klageaussichten.

Missglückter Ministeriums-Tweet, Klima, Böhmermann vs Reichelt

1. Verkehrsministerium macht falsche “Bild”-Meldung noch falscher
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
“Beeindruckend, auf ‘ne Art, wie viele Fehler man in einem Tweet unterbringen und wie wenige davon man im zweiten Anlauf korrigieren kann”, schreibt Stefan Niggemeier zu seinem Text über einen in mehrfacher Hinsicht missglückten Tweet des Bundesverkehrsministeriums. Niggemeiers Faktencheck bei “Übermedien” offenbart nicht nur inhaltliche Schwächen des Ministeriums, sondern auch dessen mangelnde Medienkompetenz und unzureichende Fehlerkultur – plus falsche “Bild”-Berichterstattung.

2. Klima als Dimension sichtbar machen – aber wie?
(journalist.de, Sara Schurmann)
Für Journalistinnen und Journalisten kann es herausfordernd sein, angemessen und fundiert über die Klimakrise zu berichten. Sara Schurmann, Mitgründerin des Netzwerks Klimajournalismus, zeigt in fünf Schritten auf, wie Medienschaffende die Klimakrise in ihrer Berichterstattung beleuchten können. Schurmann betont: “Journalist*innen müssen weder Klimawissenschaften studieren, noch den Journalismus neu erfinden, um gut und angemessen über die Klimakrise berichten zu können. Es reicht, sich die wichtigsten Zusammenhänge und unseren journalistischen Umgang damit tiefergehend bewusst zu machen.”

3. Rat und Parlament streiten, wann der Staat Journalist:innen hacken darf
(netzpolitik.org, Tomas Rudl)
Wie Tomas Rudl berichtet, will das EU-Parlament Journalistinnen und Journalisten und deren Quellen besser vor Überwachung schützen, doch die EU-Länder im Ministerrat würden Ausnahmen für die “nationale Sicherheit” fordern. Dieser Konflikt könnte nun im Rahmen des Europäischen Medienfreiheitsgesetzes eskalieren. Rudl erläutert die Gemengelage und die unterschiedlichen politischen Positionen.

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4. Jan Böhmermann schickt Julian Reichelt seinen Anwalt
(derstandard.at)
Der “Standard” berichtet unter Berufung auf Informationen der “Zeit” über eine juristische Auseinandersetzung zwischen Satiriker Jan Böhmermann und dem geschassten “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt. Dabei gehe es unter anderem um die Unterlassung der in der Sendung “Achtung, Reichelt!” getätigten Behauptung, das Bundesinnenministerium habe den früheren Präsidenten des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, “über die öffentlich-rechtlichen Medien mit frei erfundenen Vorwürfen hinrichten” lassen.

5. SWR-App: Schlichtung geplatzt
(verdi.de)
Das Schlichtungsverfahren zwischen dem Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und der ARD bezüglich der Nachrichten-App “Newszone” des öffentlich-rechtlichen SWR sei ohne Einigung zu Ende gegangen. Der BDZV halte die App für presseähnlich und somit für rechtswidrig. Der SWR prüfe eine erneute Veröffentlichung der App und biete den Verlagen Kooperationsmöglichkeiten an. Diese erwögen wiederum eine Beschwerde bei der Europäischen Kommission.

6. HiHö23: Wir brauchen euren Input
(freischreiber.de)
Die Vertretung freier Journalistinnen und Journalisten Freischreiber vergibt regelmäßig den “Himmel-und-Hölle-Preis”, mit dem sie “Engel und Teufel der Branche ehren und verdammen”. Vorschläge können noch bis zum 15. September eingereicht werden: “Wer hat euch im vergangenen Jahr unterstützt und damit euren freien Arbeitsalltag gen Himmel erhoben? Wer hat euch das Freiendasein zur Hölle gemacht?” Einen Rückblick auf die vorherigen Preisträgerinnen und Preisträger gibt es hier.

Der gesetzlich vorgeschriebene, jährliche “neue Ampel-Plan”

In dem Vorgang steckt eigentlich nichts Skandalöses: Jedes Jahr muss die jeweils amtierende Bundesregierung die sogenannten Rechengrößen der Sozialversicherung festlegen. Dazu gehören beispielsweise die Beitragsbemessungsgrenzen, die vorgeben, bis zu welcher Einkommensgrenze Beiträge für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung erhoben werden. Für das Einkommen, das oberhalb dieser Grenzen liegt, fallen keine Sozialabgaben an.

Die Regierung muss das machen, sie ist dazu verpflichtet – mehrere Gesetze schreiben diese Praxis vor. So steht beispielsweise zur Rentenversicherung in Paragraf 160 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch:

Die Bundesregierung hat durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates

1. die Beitragssätze in der Rentenversicherung,
2. in Ergänzung der Anlage 2 die Beitragsbemessungsgrenzen

festzusetzen.

In Paragraf 159 ist mit Blick auf die Beitragsbemessungsgrenzen das Wie geregelt:

Die Beitragsbemessungsgrenzen in der allgemeinen Rentenversicherung sowie in der knappschaftlichen Rentenversicherung ändern sich zum 1. Januar eines jeden Jahres in dem Verhältnis, in dem die Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer (§ 68 Abs. 2 Satz 1) im vergangenen zu den entsprechenden Bruttolöhnen und -gehältern im vorvergangenen Kalenderjahr stehen.

Im erwähnten Paragraf 68 Absatz 2 Satz 1 steht:

Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer sind die durch das Statistische Bundesamt ermittelten Bruttolöhne und -gehälter je Arbeitnehmer ohne Personen in Arbeitsgelegenheiten mit Entschädigungen für Mehraufwendungen jeweils nach der Systematik der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.

Das heißt: Die Bundesregierung muss die Rechengrößen der Sozialversicherung nicht nur jedes Jahr neu festlegen; sie hat dabei – beispielsweise bei der Ermittlung der Beitragsbemessungsgrenzen – auch nicht freie Hand, sondern muss sich an die Berechnungen des Statistischen Bundesamtes halten.

Wie gesagt: Eigentlich nichts Skandalöses, sondern alles gesetzlich so vorgesehen, wenn die amtierende Ampel-Regierung bald die neuen Rechengrößen beschließen will.

Die “Bild”-Redaktion gibt sich große Mühe, es anders wirken zu lassen:

Screenshot Bild.de - Neuer Ampel-Plan - Sozialbeitrags-Hammer ab 2024

Es sei ein “Plan der Bundesregierung”:

Der Plan der Bundesregierung: In der gesetzlichen Rentenversicherung und in der Arbeitslosenversicherung sollen bis zu einem Betrag von monatlich 7550 Euro (West) beziehungsweise 7450 Euro (Ost) Beiträge fällig werden.

Laut “Bild” handele es sich um einen “Vorstoß”, der “zuletzt für Zoff in der Ampel-Koalition” gesorgt habe. Und der Arbeitsminister mache Tempo:

Doch der zuständige Arbeitsminister Hubertus Heil (50, SPD) macht Tempo: Der Sozialbeitrags-Hammer soll schon am 11. Oktober vom Bundeskabinett auf den Weg gebracht werden.

Ohne Hubertus Heil zu nahe treten zu wollen: Er ist in diesem Sinne wahrlich kein besonderer Tempomacher. Die “Verordnung über maßgebende Rechengrößen der Sozialversicherung” wurde 2022 am 12. Oktober vom Bundeskabinett beschlossen, 2021 war es am 20. Oktober, 2020 am 14. Oktober, 2019 am 9. Oktober, 2018 am 10. Oktober, 2017 am 27. September und so weiter.

Wenn es in ihre Erzählung passt, erklärt die “Bild”-Redaktion einfach mal etwas sehr Übliches zum nächsten Aufreger-“Hammer”.

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Protest gegen “Kulturoffensive”, Europas Medien, KI-Sprachpapst

1. Sender spricht von »Kulturoffensive«, Proteste in München
(spiegel.de)
Rund 200 Menschen haben am Montag vor dem Hochhaus des Bayerischen Rundfunks (BR) in München gegen eine geplante Programmreform im Kulturbereich protestiert. In einem offenen Brief der Initiative “Störsender” kritisieren Kulturschaffende die Reform, durch die im kommenden Jahr “mehrere Stunden eigenständiges Kulturprogramm” verschwänden. Der BR spreche hingegen von einer geplanten “Kulturoffensive”.

2. ver.di fordert lückenlose Aufklärung der Verhaftung zweier Journalisten in Dortmund
(dju.verdi.de, Lisa Isabell Wahr)
Im August wurden nach Angaben der Gewerkschaft Verdi in Dortmund zwei Journalisten, die wegen eigener Recherchen vor Ort waren, in der Nähe eines Tatorts festgenommen und für 16 Stunden in Polizeigewahrsam gehalten. Während der Ermittlungen sei die Wohnung eines der Journalisten gewaltsam aufgebrochen und Arbeitsmaterial beschlagnahmt worden: “Wir bezweifeln, dass das Vorgehen verhältnismäßig war. Wenn Journalistinnen und Journalisten Sorge haben müssen, im Rahmen ihrer Berichterstattung von der Polizei in Gewahrsam genommen und über Stunden festgehalten zu werden, beschneidet sie das eindeutig in der Ausübung ihrer Tätigkeit und damit am Ende auch die Pressefreiheit.”

3. Europas Krisen und das Versagen der Medien – Die überfällige Europäisierung des Journalismus
(de.ejo-online.eu, Harald Schumann & Elisa Simantke)
“Seit Jahrzehnten berichten Europas Medien und ihre Journalistinnen und Journalisten über europäische Themen allein aus der jeweils nationalen Perspektive ihrer Sitzländer und mit geringer Kenntnis der Vorgänge in den EU-Institutionen und den jeweils anderen Staaten. Das gefährdet die europäische Demokratie – und die Pressefreiheit.” Harald Schumann und Elisa Simantke stellen verschiedene Beispiele vor, bei denen Medien in verschiedenen EU-Ländern wichtige Themen und Ereignisse falsch oder unvollständig dargestellt haben, und betonen die Notwendigkeit einer stärkeren europäischen Perspektive im Journalismus.

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4. Keine Spähsoftware gegen Journalisten
(djv.de, Hendrik Zörner)
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) fordert die EU-Institutionen auf, im Rahmen des EU-Medienfreiheitsgesetzes den Einsatz von Spähsoftware gegen Journalistinnen und Journalisten zu verbieten. Der vorliegende Gesetzentwurf habe Schlupflöcher, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten ausgenutzt werden könnten. Diese Lücken müssten geschlossen werden, so der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall: “Sonst besteht die Gefahr, dass übereifrige Ermittler ganz legal Spionageprogramme wie etwa Pegasus benutzen und so in jeden Redaktionsrechner eindringen können.”

5. Plattformaufsicht könnte Journalisten stärken
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Organisation Reporter ohne Grenzen unterstützt den Entwurf für das neue Digitale-Dienste-Gesetz zur Plattformregulierung, sieht aber weiteren Handlungsbedarf zum Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit: “Wenn uns Grundrechte wie Presse- und Informationsfreiheit wichtig sind, dann brauchen wir eine zentrale und durchsetzungsstarke Behörde, die die Rechte von Nutzerinnen und Nutzern gegen die Macht der Tech-Konzerne effektiv durchsetzt”, so Helene Hahn, die zuständige Referentin für Internetfreiheit bei Reporter ohne Grenzen.

6. Der künstliche Sprachpapst
(deutschlandfunk.de, Bettina Köster, Audio: 5:55 Minuten)
Der im November 2022 verstorbene Wolf Schneider gilt vielen als der “Sprachpapst” schlechthin. Ganze Generationen von Medienschaffenden haben seine Bücher gelesen. Nun sollen Schneiders Sprachempfehlungen in eine Künstliche Intelligenz einfließen, die von der “Reporterfabrik” entwickelt wird. Der Deutschlandfunk sprach mit Cordt Schnibben über das Projekt, das sich derzeit noch in der Testphase befindet.

Böhmermann-Zwist, Neue Leitlinien, Umtriebige TV-Doktoren

1. “Gerechtigkeit für alle Kriegsopfer”
(taz.de, Tigran Petrosyan)
Katerina Sergatskova, Chefredakteurin des unabhängigen Online-Mediums “Zaborona” in Kiew, spricht im Interview mit der “taz” über die Herausforderungen für Journalisten und Journalistinnen in der Ukraine. Trotz Schwierigkeiten wie dem eingeschränkten Zugang zu Kriegsgebieten und der Kommunikation mit dem Militär sieht Sergatskova auch Positives: “Der Journalismus in der Ukraine ist sehr gereift. Meines Erachtens hat sich eine große Solidarität unter den Medienschaffenden entwickelt. Sie sind bereit, sich gegenseitig zu helfen, nützliches Wissen zu teilen, voneinander zu lernen. Im Vergleich zum Anfang der Invasion sind wir heute viel besser vorbereitet und zuversichtlicher in unserem Handeln.”

2. Hat Jan Böh­m­er­mann wir­k­lich falsch berichtet?
(lto.de, Felix W. Zimmermann)
Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Arne Schönbohm, hat rechtliche Schritte gegen das ZDF und insbesondere gegen die Sendung “ZDF Magazin Royale” von Jan Böhmermann eingeleitet, da er sich durch die Berichterstattung falsch dargestellt fühlt. Schönbohm verlangt eine Geldentschädigung in Höhe von 100.000 Euro und wendet sich gegen bestimmte Behauptungen in der Sendung. Bei “Legal Tribune Online” hat sich der Jurist Felix W. Zimmermann den Fall angesehen und kommt zu folgendem Ergebnis: “Zusammenfassend ist die ZDF-Sendung zu Schönbohm aufgrund ihrer Einseitigkeit und Selektivität kein Ruhmesblatt für den ‘journalistischen Arm’ des ZDF Magazin Royals. Presserechtlich angreifbar ist der Bericht allerdings nicht, da er nach aktueller Kenntnislage keine falschen Tatsachenbehauptungen enthält.”
Weiterer Lesetipp: Beim “RedaktionsNetzwerk Deutschland” kommt Jan Böhmermann zu Wort: “Ein Komplott? Ein herrlich deutscher Quatsch”: Jan Böhmermann verteidigt “Cyberclown”-Recherchen (rnd.de, Imre Grimm).

3. Neue Leitlinien für Berichterstattung über assistierten Suizid
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein & Martin Krebbers)
Medien kommt bei der Berichterstattung über Suizide eine besondere Verantwortung zu, da diese zu Nachahmungstaten führen kann. Bisherige Leitlinien für Journalistinnen und Journalisten hätten den assistierten Suizid kaum berücksichtigt, dies ändere sich nun, insbesondere durch Empfehlungen aus Österreich. Dort wurde der “Leitfaden zur Berichterstattung über Suizid” (PDF) entsprechend aktualisiert: “In der medialen Berichterstattung über assistierte Suizide gelten grundsätzlich die gleichen Prinzipien wie generell in der Berichterstattung über Suizid.”
(Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222) erreichen kannst.)

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4. Journalistin Zhang Zhan: den Tod vor Augen
(reporter-ohne-grenzen.de)
In China werden kritische Medienschaffende nach wie vor gnadenlos verfolgt, wie die Fälle von Zhang Zhan, Yang Hengjun und Zhou Yuanzhi zeigen. Die Journalistin Zhang Zhan, die über die Anfänge der Covid-19-Pandemie in Wuhan berichtete, ist seit 2020 inhaftiert und durch einen Hungerstreik, mit dem sie ihre Unschuld beteuert, gesundheitlich schwer geschädigt. Die Organisation Reporter ohne Grenzen fordert die Freilassung aller in China inhaftierten Journalistinnen und Journalisten und weist auf die Risiken hin, denen diese ausgesetzt sind, sowie auf die häufige Verweigerung medizinischer Versorgung durch das Regime.

5. Bekannte TV-Doktoren nehmen auch Geld von Firmen
(infosperber.ch, Martina Frei)
Bei “Infosperber” geht es um die britischen Zwillingsbrüder und Ärzte Chris und Xand van Tulleken, die häufiger im TV auftreten. Diese hätten zugegeben, Geld von Firmen für Werbung und Vorträge angenommen zu haben. So seien Chris van Tulleken “routinemäßig” 20.000 britische Pfund für einen einstündigen Vortrag angeboten worden, während sein Bruder Xand rund 100.000 britische Pfund für eine Werbekampagne für private Bluttests erhalten habe. Aber auch die Tätigkeit der im deutschen Fernsehen aktiven Ärzte Eckart von Hirschhausen und Johannes Wimmer sei nicht immer unproblematisch.

6. Kann man sich den Fußball sparen?
(verdie.de, Günter Herkel)
Sport, insbesondere Fußball, ist eines der größten Zugpferde im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, entsprechend viel Geld geben die Anstalten aus, um Inhalte einzukaufen. Frauke Gerlach, Direktorin des Grimme-Instituts, schlägt nun vor, dass ARD und ZDF aufgrund der hohen Kosten für die Übertragungsrechte aus dem Bieterwettstreit um die teuren Fußballübertragungen aussteigen sollten. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk solle sich auf ein “unabhängiges, werteorientiertes und wissensbasiertes Programm” konzentrieren. Gunter Herkel hält davon gar nichts und spricht von einem “Schlag ins Gesicht von Millionen Beitragszahler*innen, die selbstverständlich Live-Sport im öffentlich-rechtlichen TV sehen wollen.”

“Bild”-Chefin nutzt deutsche Basketballer als Scheinargument

Deutschland ist Basketball-Weltmeister, zum allerersten Mal. Bei so einem historischen Ereignis muss natürlich die Chefin ran:

Screenshot Bild.de - Kommentar von Bild-Chefin Marion Horn - Heute sind wir alle Basketball!

Horn schreibt unter anderem:

Deutschland kann es also noch. Der Ball ist wieder im Spiel. Endlich wieder Sieger-Typen mit Biss und Charisma. Vielleicht liegt es daran, dass einige der Spieler in den USA spielen. Da zählt Gewinnen noch und Helden werden verehrt. Zumindest da, wo keine Männer in Frauen-Badeanzügen am Start sind.

Der letzte Satz kommt einigermaßen überraschend und lässt in seiner Form recht viel Spielraum für Interpretationen. Nehmen wir mal die für Marion Horn freundlichste und gehen davon aus, dass sich an der Stelle nicht einfach plumper Zorn auf trans* Personen Bahn bricht: Horn scheint auf Lia Thomas anzuspielen, eine trans* Frau, deren Erfolge beim Schwimmen auf College-Ebene für große Diskussionen gesorgt haben.

Dass Marion Horn selbst im Moment größter Verzückung – ihren Kommentar startet sie mit: “Haben Sie auch so gute Laune? Ich bekomme das Strahlen kaum noch aus dem Gesicht” – nicht in der Lage ist, ohne diese Giftspritze auszukommen, ist vor allem eins: traurig für Marion Horn.

Es soll hier aber vor allem um den anderen Aspekt in dem Zitat und dessen faktische Grundlage gehen: Vielleicht liege der WM-Triumph der “Sieger-Typen mit Biss und Charisma” daran, so Horn, “dass einige der Spieler in den USA spielen. Da zählt Gewinnen noch und Helden werden verehrt.”

Diese Aussage knüpft an eine aktuelle Diskussion an, in der es in ihrer Überspitzung letztlich darum geht, ob in Deutschland Leistung wumpe ist, ein ganzes Land verweichlicht, keinen Druck und Niederlagen mehr aushält und nichts mehr zustande bringt. Die Reform der Bundesjugendspiele wird dabei immer wieder genannt, genauso eine Änderung im Spielbetrieb des Kinderfußballs (weil man es derzeit an allen möglichen Stellen falsch hört: Nein, es werden dabei nicht Sieg und Niederlage abgeschafft, es geht weiterhin ums Gewinnen und Verlieren, was wegfällt sind die Tabellen).

In diese Debatte will Marion Horn also auch den WM-Sieg der deutschen Basketballer einrühren. Weil die überragenden Auftritte des Teams natürlich so gar nicht in den Abgesang auf die Leistungsnation Deutschland passen, muss Horn sich dafür ganz schön verbiegen.

Schauen und zählen wir doch einfach mal nach: Im deutschen Team spielen mit Dennis Schröder (Toronto Raptors), Daniel Theis (Indiana Pacers) sowie Franz und Moritz Wagner (beide Orlando Magic) vier Spieler in der nordamerikanischen Profiliga NBA. Die anderen acht deutschen Teammitglieder sind in Deutschland, Italien, Spanien und der Türkei aktiv.

Schröder und Theis wechselten beide von der Basketball-Bundesliga in die NBA. Die WagnerBrüder schafften beide von der Basketball-Bundesliga beziehungsweise von deutschen Nachwuchsteams übers US-College den Weg in die NBA. Keiner der vier ist in den USA aufgewachsen und hat dort mit dem Basketballspielen begonnen. Zumindest die Grundlangen für ihre Eigenschaften als “Sieger-Typen” dürften sie durchaus in Deutschland mitbekommen haben.

Halten wir also fest: vier NBA-Spieler in der deutschen Nationalmannschaft.

Damit ist deren WM-Sieg nach der Hornschen Logik ein noch viel größeres Wunder als er eh schon ist. Denn es gibt drei Mannschaften, in denen mehr Spieler im Land des Gewinnenzählens und der Heldenverehrung aktiv sind: Bei den USA stehen alle zwölf Spieler bei NBA-Vereinen unter Vertrag (im Halbfinale gewann Deutschland gegen die USA; bester Schütze in diesem Duell war mit Andreas Obst übrigens ein Spieler, der vielleicht mal in den USA Urlaub gemacht, aber noch nie in der dortigen Liga gespielt hat). Das Team landete auf Rang 4. In der australischen Mannschaft sind neun NBA-Spieler dabei gewesen (in der Vorrunde gewann Deutschland gegen Australien), die Australier wurden Zehnter. Und Kanada wurde mit sieben NBA-Spielern am Ende Dritter.

Dennis Schröder, Daniel Theis, Franz und Moritz Wagner waren ohne Zweifel von großer Bedeutung beim WM-Sieg der deutschen Mannschaft. Für Marion Horn dienen sie aber lediglich als Scheinargument für einen Kulturkampf.

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BILDblog-Klassiker

Im Luftraum ist hinten noch Platz

Vor gut einem Jahr sind sich im Luftraum über Frankfurt zwei Flugzeuge ungewöhnlich nahe gekommen. Der Vorfall wurde daraufhin von der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) überprüft, vergangene Woche hat sie ihren Untersuchungsbericht veröffentlicht.

“Bild” fasst ihn in der Frankfurter Regionalausgabe so zusammen:
Nur 30 Meter fehlten zur Flugzeug-Katastrophe
Online widmete Bild.de dem “Schockbericht” gleich zwei Artikel, beide mit derselben Grafik illustriert:
Nur 30 Meter fehlten zur Flugzeug-Katastrophe über Hessen!

Die Grafik zeigt die gefährliche Situation: Der Lufthansa-Airboss vorweg, der Aeroflot A 320 dahinter. Der Abstand: an einer Stelle gerade mal 30 Meter.

In den Artikeln selbst klingt das schon ein wenig anders:

Es war laut Flugsicherung der “gefährlichste Zwischenfall im deutschen Luftraum” seit langem, der sich am 13. Dezember 2011 um 14.27 Uhr und 55 Sekunden rund 1500 Meter über Raunheim abspielte …(…)

Die beiden Flugzeuge kommen sich immer näher, über Raunheim beträgt der Abstand der A320 zur gefährlichen “Wirbelschleppe” des riesigen Airboss gerade noch 30 Meter.

Genau: Der Abstand zur Wirbelschleppe betrug 30 Meter. Der Abstand zwischen den beiden Flugzeugen aber war laut Untersuchungsbericht erheblich größer. Vertikal waren die Maschinen nämlich knapp 61 Meter voneinander entfernt.

Ach so, und dann waren da noch 1.796 horizontale Meter zwischen den beiden Flugzeugen, die “Bild” ganz unterschlägt. Nach der Art, wie das Blatt rechnet, lägen Zugspitze und Mount Everest bloß läppische sechs Kilometer voneinander entfernt.

Die BFU betonte uns gegenüber auf Anfrage, unmittelbare Kollisionsgefahr habe zu keiner Zeit bestanden. Das steht auch explizit in dem Untersuchungsbericht. Doch darüber verliert der “Bild”-Redakteur (der den Airbus übrigens nach “Bild”-Art konsequent “Airboss” nennt) kein Wort.

Die Grafik, mit denen “Bild” und Bild.de die “gefährliche Situation”, diese Beinahe-“Flugzeug-Katastrophe” illustrieren, müsste also eigentlich in etwa so aussehen:

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Totrecherchiert

Als Wolfgang L. vor gut einem Monat seine Lokalzeitung aufschlug, war er fassungslos.

Denn:

Wolfgang [L.] (62) aus Heidelberg musste lesen, er sei tot

Oder anders:

Heidelberger Rentner (62) ist entsetzt - Ich las meine eigene TODESANZEIGE

Totgesagte leben länger…Fassungslos hält Rentner Wolfgang [L.] (62) aus Kirchheim seine eigene Todesanzeige in den Händen. […]

Rentner [L.] ist sich sicher: “Dahinter kann nur meine Noch-Ehefrau Uschi stecken. Wir sind seit einem halben Jahr getrennt, doch sie macht mir das Leben bis heute zur Hölle.”

Ganz ähnlich muss sich auch Hannah W. im Juni 2012 gefühlt haben. Oder Rudolf K. im Sommer 2008. Und eine andere junge Frau vor knapp zwei Wochen.

Denn auch sie schlugen die Zeitung auf und mussten lesen, sie seien tot. Genauer: Sie schlugen die “Bild”-Zeitung auf.

Im Fall von Hannah W. hatten “Bild” und Bild.de eine “Bluttat in Berliner WG” mit einem Foto der jungen Frau bebildert – obwohl sie weder, wie in dem Artikel behauptet, das Mordopfer war, noch sonst irgendetwas mit dem Vorfall zu tun hatte. Das Foto sowie biografische Details von Hannah W. hatten die Redakteure im sensationsgeilen Eifer kurzerhand aus dem Blog der Studentin geklaut (BILDblog berichtete).

Ende des vergangenen Jahres kam es in einem “Bild”-Artikel über den Unfalltod zweier Mädchen erneut zu einer solchen Verwechslung (BILDblog berichtete ebenfalls).

Und Rudolf K., Vater eines Opfers eines Autounfalls, über den die Boulevardpresse tagelang berichtet hatte, musste 2008 in “Bild” lesen, er sei an einem Herzinfarkt gestorben (BILDblog berichtete auch hier).

Es braucht also nicht die makabren Tricks irgendwelcher Noch-Ehefrauen, um quicklebendige Menschen für tot zu erklären und anderen das Leben zur Hölle zu machen. Nein, dafür braucht es nur die üblichen Methoden von “Bild” und Bild.de.

Auf Scientology-Tarnorganisation reingefallen

Der österreichische “Standard” stellte gestern fest, dass in Österreich immer mehr Menschen “mit subtilem Zwang” und “ohne ärztliche Untersuchung” in der Psychiatrie eingewiesen würden. Er schreibt:

Psychiatrische Zwangsbehandlungen sind Folter und gehören abgeschafft, sagt das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte. Die österreichische Bürgerkommission für Menschenrechte ergänzt: “In Österreich werden jährlich weit über 20.000 Anträge bei Gericht eingebracht, um unbescholtene Bürger in die Psychiatrie zwangseinzuweisen. Damit befindet sich Österreich im europäischen Spitzenfeld der Zwangspsychiatrierungen.” Sprecherin Birgit Karner fordert eine Revision des Unterbringungsgesetzes.

Allerdings ist die Quelle, mit der Österreichs “führende Qualitätszeitung” (Eigenbeschreibung) ihre Position hier untermauert, nicht gerade für ihre Seriösität bekannt. Denn die “österreichische Bürgerkommission für Menschenrechte” wurde 1976 von Mitgliedern der “Scientology Kirche Österreich” gegründet.

Das hätte der “Standard” auch eigentlich wissen müssen. Immerhin hat er bereits vor zwei Jahren kritisch darüber berichtet — wobei die Kritik damals nicht den Scientologen galt, sondern der Konkurrenz von “kurier.at”. Weil sie Werbung für die “Scientology-nahe Organisation” gemacht hatte.

Immerhin hat der Internetauftritt des “Standard” heute Nachmittag auf die zahlreichen Kommentare unter dem Artikel reagiert und ein “Update” veröffentlicht:

Bei der Bürgerkommission für Menschenrechte handelt es sich um eine Vorfeldorganisation der Scientology Kirche.

Mit Dank an Christian S.

Nachtrag, 10. April: In einem weiteren Update korrigiert sich der “Standard” auf seiner Internetseite jetzt ausführlicher:

Es wurden unter anderem veröffentlichte Daten der “Bürgerkommission für Menschenrechte” verwendet. Dass es sich hierbei um eine Vorfeldorganisation von Scientology handelt, haben wir leider übersehen. Leserinnen und Leser (sowohl von derStandard.at als auch der Printausgabe) machten umgehend auf dieses Versäumnis aufmerksam. (red)

Der BKA-Nazi-Lösch-Skandal, der keiner war (2)

Vor zwei Jahren berichtete “Bild am Sonntag” über einen “dubiosen” und “beispiellosen Vorgang” in den Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU: Ein Beamter der Bundespolizei, der für das BKA Handydaten ausgelesen hatte, solle diese im Dezember 2011 “nach Dienstschluss” “heimlich” und “systematisch” vernichtet haben (BILDblog berichtete):

“Experten” äußerten dem Blatt gegenüber sogleich den Verdacht, “dass das BKA Informanten im Umfeld der Neonazi-Bande schützen will.” Und Michael Backhaus, stellvertretender Chefredakteur der Zeitung, bezeichnete es in einem Kommentar als “offenkundig”, dass hier Beweismittel manipuliert oder gar zerstört wurden.

Das BKA wies die Vorwürfe noch selben Tag zurück und teilte mit:

Alle in der Berichterstattung der Bild am Sonntag vorgenommenen Mutmaßungen und getroffenen Schlussfolgerungen sind unzutreffend.

Richtig ist, dass dem BKA die ausgelesenen Handy-Daten weiterhin vollständig und unverändert für die Ermittlungen des Generalbundesanwaltes und des BKA zur Verfügung stehen.

Erst nach der Übergabe der Daten an das BKA habe man die Bundespolizei gebeten, die dort vorhandenen Kopien zu löschen. Der Vorwurf, man habe Beweismittel vernichtet und unterdrückt, sei “absurd”.

Der beschuldigte Bundespolizist ging gegen die Berichterstattung vor und erwirkte eine einstweilige Verfügung gegen die Axel Springer AG. Im April 2012 veröffentlichten “Bild am Sonntag” und Bild.de zwei Gegendarstellungen des Mannes, später wurden beide Medien außerdem dazu verurteilt, bestimmte Behauptungen zu unterlassen und eine Richtigstellung zu veröffentlichen.

Diese Entscheidung wurden nun auch vom Bundesgerichtshof bestätigt.

Die “Bild am Sonntag” hat die Richtigstellung in ihrer aktuellen Ausgabe auf Seite 3 abgedruckt — ziemlich genau zwei Jahre nachdem sie das Märchen vom BKA-Nazi-Lösch-Skandal in die Welt gesetzt hatte:
Richtigstellung - Richtigstellung zu "Warum ließ das BKA wichtige Nazi-Ermittlungsdaten heimlich löschen?" und zu "Kommentar Das BKA im Zwielicht" in BamS vom 12.02.2012, S. 6: Wir haben geschrieben: "Polizeihauptkommissar Jens B. ... Heimlich begab sich der Computerexperte ... der Bundespolizei am 8. Dezember vergangenen Jahres nach Dienstschluss an seinen Arbeitsplatz. ..." Dazu stellen wir fest: Herr B. war während der Behördenarbeitszeit tätig, nämlich bis 17:30 Uhr, vor Dienstschluss. - Wir haben weiter geschrieben: " ... wurde der Spezialist ... beobachtet, wie er systematisch Daten löschte. ... Denn der Bundespolizist Jens B. ... vernichtet an diesem Abend in der Datenbank seiner Dienststelle Handy-Daten." - Dazu stellen wir fest: Die Daten hat Herr B. von seinem Arbeitsplatz in den Trash-Ordner verschoben, sie blieben bei der Bundespolzei vorhanden. - Herr B. hat sie nicht vernichtet. - Wir haben weiter geschrieben im Zusammenhang mit B's Tätigkeit: " ... dass Polizisten Beweismittel manipulieren oder gar zerstören, wie hier offenkundig geschehen. Denn solche Daten enthalten möglicherweise Hinweise auf oder Beweise für bislang nicht aufgeklärte Verbrechen." Dazu stellen wir fest: Jens B. hat keine Beweismittel manipuliert oder zerstört. Die Daten sind bei der Bundespolizei vorhanden. - Die Redaktion

Laut der Gewerkschaft der Polizei ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Bonn “wegen diverser Straftatverdachte” weiter, weil aus dem “dienstlichen verschlossenen E-Mail-Postfach” des Bundespolizisten “eine E-Mail entwendet und […] in der BamS abgedruckt wurde.” Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten habe außerdem gegen einen der Autoren des “BamS”-Artikels einen rechtskräftigen Strafbefehl erlassen.

Ob der Verlag dem Beamten der Bundespolizei auch Schmerzensgeld zahlen muss, ist noch nicht entschieden.

Mit Dank auch an Steve.

Werben mit der Kraft des Vulkans

Haben Sie sich vor zwei Wochen zufällig die “Superillu” gekauft? Nein? Tja, Pech. Da haben Sie nämlich einiges verpasst:

Nein, wir meinen nicht den “Kult”-Film aus den 80ern oder die Geschichte über prominente Scheidungskinder (“Es kommt in den besten Familien vor”) oder die putzigen Fotos von Stefanie Hertels “Liebes-Reise” (die vermutlich eher so mittelromantisch war, weil nicht nur “Papa und Ehemann” mitgereist sind, sondern auch eine Horde von Fans, aber wurscht). Nein, wir meinen das große, herausnehmbare Ratgeber-Extra:

Auf den vier Zusatz-Seiten dreht sich alles um den Fersensporn, eine fiese Reizung im Fuß, die, wie gleich am Anfang erklärt wird, bei fast jedem zehnten Menschen auftrete. Aber keine Panik! Denn:

Wie man dem Fersensporn davonmarschieren kann, lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Und auf diesen Seiten wird dann zunächst erklärt, wie ein Fersensporn entsteht und welche “herkömmlichen” Methoden es gibt, ihn zu behandeln. Die sind aber meist ziemlich schmerzhaft und/oder sauteuer, wie der Leser schnell feststellen muss, doch zum Glück kennt die “Superillu” eine Lösung:

Wenn viele Methoden und Medikamente nicht den gewünschten Erfolg bringen, kann häufig die Homöopathie Linderung bringen. Das gilt auch für den Fersensporn. Ein spezielles Mittel aus Lava hat sich seit Jahrzehnten bewährt

Und um dieses “spezielle Mittel” geht es dann auch. Und mehr noch: In Wirklichkeit sind die vier Extra-Seiten gar kein Ratgeber, sondern ein Werbeprospekt für das homöopathische Mittel.

Mit Sätzen wie:

Bei der Behandlung eines Fersensporns wird das homöopathsiche Einzelmittel [XY] von Medizinern schon seit über 100 Jahren erfolgreich angewandt.

Oder:

Es kann dem Körper dabei helfen, den Entzündungsprozess in und um die Sehnenplatte unter dem Fuß in Eigenregie einzudämmen. Die Schmerzen lassen nach, oft bildet sich der Sporn zurück. Zudem vermuten Experten, dass homöopathische Mittel generell die Kommunikation der Körperzellen wiederherstellen können, was ebenfalls zur Heilung beiträgt.

Und so weiter. Die großen Vorteile des Mittels werden dann nochmal von einem “Homöopathie-Experten” gepriesen, der auch gleich schon mal erklärt, wie oft und in welchen Dosen es genommen werden sollte.

Und von außen sieht das Ganze aus wie … nun ja:

Die Fotos kommen zum Teil direkt vom Hersteller, der Deutschen Homöopathie-Union. Doch statt “Anzeige” steht über den Extra-Seiten das hier:

Wir wollten von der “Superillu” wissen: Handelt es sich tatsächlich um redaktionellen Inhalt? Oder um eine Anzeigenform? Oder gar um eine Mischung aus beidem?

Das vollständige Statement der “Superillu”-Sprecherin liest sich so:

Die Beilage in Super Illu 28/14 entspricht nicht unseren publizistischen Grundsätzen. Wir haben interne Richtlinien, die unlängst noch deutlicher formuliert worden sind, um Grauzonen künftig zu vermeiden.

Naja. Immerhin.

Bullshit im Sekundentakt

FOCUS Online ist eines der erfolgreichsten Online-Nachrichtenmedien in Deutschland. Mit schnellen Nachrichten und präzisen Analysen ist das Portal eine feste Adresse für Qualitätsjournalismus im Netz. FOCUS Online steht für hervorragenden Nachrichtenjournalismus.

(Zitat der Tomorrow Focus AG.)

Mein persönlicher Rekord im Surfen auf “Focus Online” liegt bei etwa zehn Minuten. Länger halte ich es da nicht aus.

“Focus Online” ist der Ein-Euro-Laden des deutschen Journalismus. Die ramschige Resterampe, auf der man alles findet, was selbst Klickfängern wie Bild.de zu billig war. “Focus Online” haut alles raus. Raus, raus, raus, irgendwer wird schon draufklicken.

Gerade bei medialen Großereignissen setzt “Focus Online” — hartnäckig wie kaum ein Medium sonst — auf die So-viel-wie-geht-Taktik.

Anfang vergangenen Jahres, nach dem Amoklauf im US-amerikanischen Newtown, veröffentlichte “Focus Online” in der ersten Woche nach der Tat 45 Artikel — nicht mal Bild.de hatte mehr zu bieten. Und dann diese Schlagzeilen: “Mutter des Amokläufers hatte Angst vor dem Weltuntergang”. “Schulkrankenschwester sah den Killer auf sich zukommen”. “Amokläufer nannte seine Mutter nur ‘Excuse Me'”. Solcher Quatsch, permanent.

Oder dieser unfassbare Live-Ticker zum Gesundheitszustand von Michael Schumacher, in dem dann verkündet wurde, dass der Verkäufer des Krankenhauskiosks nichts dazu wisse. Niemand sonst blies so lange und so ambitioniert irgendwelche Schumacher-Gerüchtefetzen in die Welt wie “Focus Online”.

Oder auch jetzt, nach dem Tod von Robin Williams. Allein in den ersten vier Tagen hat das Portal über 70 (!) Artikel dazu veröffentlicht:

  • Robin Williams stirbt im Alter von 63 Jahren
  • Fans trauern in Hollywood
  • Tod von Robin Williams
  • Schock und Trauer in Hollywood
  • Die Welt trauert um einen ihrer größten Schauspieler: Robin Williams ist tot
  • Robin Williams ist tot
  • Hollywood-Star Robin Williams ist tot
  • Williams’ langer Kampf gegen Alkohol und Depressionen
  • So emotional nehmen Freunde und Kollegen Abschied von Robin Williams
  • “Wir haben dich geliebt”: So trauert Hollywood um Robin Williams
  • Islamisten verhöhnen toten Schauspieler Robin Williams
  • Seine Tochter Zelda schreibt den wohl berührendsten Tweet
  • Sein letzter Tweet galt seiner Tochter
  • Zelda Williams’ rührender Abschieds-Tweet an ihren Vater
  • Sah Robin Williams den Suizid als letzten Ausweg?
  • Oscar-Academy verabschiedet sich mit herzzerreißendem Tweet von Robin Williams
  • Zitate zum Tod von Robin Williams
  • Video: Hollywood trauert um Robin Williams
  • Robin Williams – “Erfolg schützt nicht vor Depressionen”
  • Fragen und Antworten: “Erfolg schützt nicht vor Depressionen”
  • Warum wollte Robin Williams nicht mehr leben?
  • Williams hinterließ vier unfertige Filmprojekte
  • Fernsehsender ändern zum Tod von Robin Williams ihr Programm
  • Mehrere Fernsehsender ändern ihr Programm
  • Der Clown, der uns zum Weinen brachte: Robin Williams
  • Hintergrund: Seine wichtigsten Rollen
  • Dieses Grimassen-Gesicht werden wir vermissen!
  • Auf Tischen stehend: So nimmt das Netz Abschied von Robin Williams
  • Robin Williams und seine Susan – Ende einer großen Liebe
  • Oscar-Preisträger Robin Williams ist tot
  • Robin Williams – sein großes Leben in Bildern
  • Internet-Verwechslung von Robin und Robbie Williams
  • Fans verwechseln Robin und Robbie Williams
  • Robin Williams hat […]
  • Tod von Robin Williams erschüttert Hollywood
  • Tod von Robin Williams – Polizei schließt Fremdverschulden aus
  • Tod von Robin Williams: Polizei sieht kein Fremdverschulden
  • “Tagesthemen” ehren Williams mit “Dichter”-Anmoderation
  • ‘Hannoversche Allgemeine Zeitung’ zu Robin Williams
  • So fand sein Assistent den toten Robin Williams
  • “Robin Williams hatte das Bedürfnis, alle in Schenkelklopf-Ekstase zu versetzen”
  • Jetzt sprechen Robin Williams’ Kinder
  • Matt Damon: “Ich werde Robin Williams nie vergessen”
  • “Auf meinem Grabstein wird 1951-2014 stehen”
  • So moderierte Miosga die “Tagesthemen” für Williams auf dem Tisch
  • “O Captain! My Captain!” wird zum Twitter-Trend
  • So sorgte Robin Williams für seine Kinder vor
  • Pharell Williams trauert um Robin Williams
  • Die ergreifende Trauer seiner Kinder
  • Antisemitische Posts zum Tod von Robin Williams: Verroht das Internet?
  • Weltweit Betroffenheit nach Tod von Robin Williams
  • Robin Williams wird in “World of Warcraft” verewigt
  • “Was schuldet man einem derartigen Menschen? Alles!”
  • Robin Williams war kurz vor seinem Tod bei der Suchtberatung
  • Michael Mittermeier: “Wir machen mit einem Bruchteil seiner Möglichkeiten Comedy”
  • Abschied von Robin Williams: “Der Soldat hat die Waffen niedergelegt”
  • Wie Robin Williams’ Gorilla-Freundin trauert
  • Wurde Robin Williams am Set von “The Crazy Ones” rückfällig?
  • Kurz vor seinem Tod war Williams bei der Suchtberatung
  • Was dann folgte, war einmalig in meiner Laufbahn…
  • Twitter will auf Belästigung von Williams’ Tochter reagieren
  • Das Netz diskutiert: Durfte Miosga auf den Tisch steigen?
  • Darum stieg Caren Miosga auf den “Tagesthemen”-Tisch
  • Video: Broadway knipst für Robin Williams Lichter aus
  • Robin Williams litt an Parkinson im Frühstadium
  • Ehefrau: Robin Williams litt an Parkinson
  • Ehefrau offenbart: Robin Williams hatte Parkinson
  • Robin Williams hatte Parkinson: Das emotionale Statement seiner Frau im Wortlaut
  • Warum zerbrechen so viele Stars am Ruhm?
  • Robin Williams litt an Parkinson
  • User zwingen Zelda Williams, Twitter-Account zu löschen
  • (Details zu den Begleitumständen haben wir rausgekürzt.)

    Vieles davon ist Agenturmaterial, oft zusammengeschwafelt von “Spot on”, der von der dapd gegründeten Promi-Klatsch-Agentur. Aber auch solche Artikel werden auf der Startseite von “Focus Online” mitunter angeteasert wie eigene Beiträge:

    Jetzt mal ehrlich. Ein Gorilla, der den Schauspieler vor 13 Jahren mal getroffen … Als Nachricht? Auf der Startseite?

    Aber das ist das redaktionelle Konzept von “Focus Online”. Und es scheint zu funktionieren — die Williams-Artikel, egal wie bescheuert, zählten in den vergangenen Tagen immer zu den meistgelesenen auf “Focus Online”.

    Da juckt es dann auch niemanden, dass einige “News” gleich doppelt und dreifach veröffentlicht werden. Etwa die, dass Williams an Parkinson gelitten haben soll: Dazu gab es bei “Focus Online” einen Artikel von der dpa, einen von “Spot on”, einen eigenen Beitrag, noch einen von der dpa, ein Video sowie “das emotionale Statement” von Williams’ Witwe im Wortlaut.

    Bei dieser Artikelflut verlieren selbst die, die sie verantworten, den Überblick. Da kann es dann auch mal passieren, dass es zuerst heißt, der Tweet von Williams’ Tochter sei der “wohl berührendste Tweet des Jahres” — und nur drei Stunden später wird der Tweet der Oscar-Academy zum “emotionalsten” und “wahrscheinlich herzzerreißensten” Tweet hochstilisiert. Ein banales Beispiel zwar, aber bezeichnend dafür, wie “Focus Online” mit der gedankenlosen Raushau-Taktik auch noch den Rest der eigenen Seriosität aufs Spiel setzt.

    Der Veröffentlichungswahn macht aber nicht nur anfällig für Widersprüche und Ungenauigkeiten. Gerade im aktuellen Fall widerspricht das Dauerfeuer der Berichterstattung eben genau dem, was Medienforscher bei Suiziden von Prominenten immer wieder fordern: Zurückhaltung.

    “Focus Online” hält sich nicht zurück. “Focus Online” arbeitet stattdessen, wie andere auch, eifrig daran, die Selbstmordrate in die Höhe zu treiben. Das Portal berichtet sehr prominent, sehr detailliert und sehr emotional über den Suizid und missachtet (nicht nur) damit die wichtigen Richtlinien zur Verhinderung von Nachahmungstaten.

    Dass “Focus Online” und andere Medien die Berichte um Williams’ Tod ganz selbstverständlich mit Werbung zuballern, ist dabei noch das geringste Übel:

    “Focus Online” setzt auf Masse. Auf Emotionalisierung, Skandalisierung und Buzzfeedisierung — und ähnelt immer mehr dem, was “Bild” und andere Schundmedien in ihren Online-Portalen veranstalten. Nur dass die Leute von “Focus Online” immer noch so tun, als gebe es bei ihnen “Qualitätsjournalismus im Sekundentakt”.

    Mit Dank auch an Karl-Heinz U.

Das “BamS”-Märchen vom Weihnachtsmarktverbot

Heinrich (Name geändert) ist stinkesauer.

Ekelhaft diese Unterwürfigkeit und Arschkriecherei gegenüber dem Islam!
Das wird sich noch mal bitter rächen..

Auch Udo (Name geändert) kann es kaum fassen.

Diese grün-lings verseuchten Spinner bringen immer wieder etwas absurdes zustande !

Und bei der „Bild am Sonntag“ packen sie sich sowieso nur noch an den Kopf:

Den Anlass für die Empörung erklärte das Blatt in der vergangenen Ausgabe so:

Heute ist der erste Advent. Und viele werden den Sonntag für einen Spaziergang nutzen zu jener vorweihnachtlichen Festivität, die als Weihnachtsmarkt volkstümlich geworden ist, in Süddeutschland als Christkindlmarkt. Genau das passt aber nicht allen.

So muss etwa in Berlin, nicht nur in Kreuzberg, aber dort ausdrücklich, der Weihnachtsmarkt neuerdings „Winterfest“ heißen.

Die Botschaft ist eindeutig: Jetzt klauen uns die politisch Korrekten sogar schon unsere Weihnachtsmärkte!

Und um gleich zum Punkt zu kommen: Das ist alles Quatsch. Kein Kreuzberger Weihnachts- oder Wintermarkt musste sich umbenennen, und es hat sich auch keiner umbenannt. Es gibt auch keine Vorschriften oder Regeln dafür. Ob “Winter” oder “Weihnacht”, ist den Behörden völlig wurscht. Jeder Markt heißt so, wie er will, und neu ist das alles auch nicht.

Das „Winterfest am Mehringplatz“ gibt es schon seit 2012 und heißt seitdem so — ganz freiwillig, wie uns das Quartiersmanagement auf Nachfrage mitteilte.

Auch die Sprecherin des „Kreuzberger Wintermarkts“, der in diesem Jahr zum ersten Mal stattfindet, erklärte uns, dass der Name und das Konzept aus freien Stücken gewählt wurden. So steht es auch extra auf der Website:

Entgegen anderslautender Berichte geschah dies nicht auf Druck des Bezirksamtes Friedrichshain-Kreuzberg

Wie kommt die „BamS“ also auf die Idee, die Kreuzberger Politiker wollten uns die Weihnachtsmärkte verbieten? Nun:

In einem Sitzungsprotokoll des Kreuzberger Bezirksparlaments heißt es dazu: „Das Bezirksamt verständigt sich darauf, dass grundsätzlich keine Genehmigungen für Veranstaltungen von Religionsgemeinschaften im öffentlichen Raum erteilt werden.“

Auf diesem einen Satz basiert die ganze Geschichte.

Und es gibt ihn zwar tatsächlich, allerdings steht er nicht im Protokoll des Bezirksparlaments, sondern in dem des Bezirksamts — okay, kann passieren, aber was viel wichtiger ist: Er hat überhaupt nichts mit den Weihnachtsmärkten zu tun.

Sascha Langenbach, Sprecher des Bezirksamts Friedrichshain-Kreuzberg, sagte uns auf Nachfrage, die zitierte Entscheidung der „BamS“ (die übrigens von 2007 ist) beziehe sich auf Veranstaltungen, bei denen es um religiöse Selbstdarstellung im öffentlichen Raum gehe (das mit der Selbstdarstellung steht auch im Original-Zitat, die “BamS” hat es aber einfach rausgekürzt). Weihnachtsmärkte seien davon allerdings gar nicht betroffen. Kurzum:

Ich kann alle beruhigen: Das Abendland bleibt weiter bestehen, genauso wie die Weihnachtsmärkte in Friedrichshain-Kreuzberg — in diesem Jahr und auch in den nächsten Jahren. Wie die Märkte sich nennen, ist uns total egal.

Genau das hätten auch die drei (!) „BamS“-Autoren herausgefunden, wenn Sie beim Bezirksamt nachgefragt hätten, aber das haben sie nicht, so wie sie auch sonst alles vermieden oder verschwiegen haben, was das Märchen vom Weihnachtsmarktverbot als solches entlarvt hätte. Zum Beispiel erwähnen sie mit keinem Wort, dass es in Friedrichshain und Kreuzberg in diesem Jahr sehr wohl Weihnachtsmärkte gibt, etwa den “Weihnachtsmarkt in der Neuen Heimat”, den “Kiezweihnachtsmarkt am Café Eule”, den “Finnischen Weihnachtsmarkt”, den “Stralauer Weihnachtsmarkt”…

Aber statt erhellender Fakten liefert die “BamS” lieber: düstere Fragen.

Wird auf dem Altar der politischen Korrektheit die christliche Tradition geopfert?

Und überhaupt:

HABEN DIE NOCH ALLE LICHTER AM CHRISTBAUM?

Natürlich ist die Institution Weihnachtsmarkt an sich nicht wichtig. Aber wo führt es hin, wenn es schon verpönt ist, das Wort Weihnachten nur im Munde zu führen? Sind das christliche Erbe, unsere Kultur, unser Selbstverständnis, unser Wertekanon, auf das Treiben einer „Religionsgemeinschaft“ geschrumpft?

Zur Illustration der bedrohlichen Lage listet das Blatt noch andere Beispiele auf, etwa das aus Brüssel,

wo man den altehrwürdigen Weihnachtsbaum auf dem Grand Place aus Rücksichtsnahme auf religiöse Minderheiten durch eine abstrakte Konstruktion ersetzt hat.

Dabei ist die Motivation für den Austausch des Baums gar nicht eindeutig geklärt. Der Sprecher des damaligen Brüsseler Bürgermeisters etwa teilte schon vor zwei Jahren mit, dass die Rücksichtnahme auf andere Religionen keine Rolle gespielt habe. Die Stadt habe einfach etwas Neues ausprobieren wollen.

Ähnlich irrefürend auch das “BamS”-Beispiel aus Madrid,

wo Real jetzt das Kreuz aus seinem Vereinswappen getilgt hat, um die Fans im arabischen Raum und Kunden der sponsernden National Bank of Abu Dhabi nicht zu irritieren.

Was die Autoren nicht erwähnen: Real hat das Kreuz nur in arabischen Ländern gestrichen; in Europa wird weiterhin das ursprüngliche Wappen verwendet.

Und so konstruiert sich die “BamS” weiter ihre Geschichte zusammen, um am Ende frustriert festzustellen:

Uns ist wirklich nichts mehr heilig.

Natürlich hat das Blatt auch gleich eine Umfrage in Auftrag gegeben, und natürlich finden es demnach die meisten Deutschen voll blöd, “dass Weihnachtsmärkte in manchen Regionen in Wintermärkte umbenannt wurden, um Andersgläubige nicht zu stören”, und natürlich durfte auch “Bams”-Kolumnistin Margot Käßmann noch ihren Senf dazugeben (“Wenn wir alle Traditionen über Bord werfen, verlieren wir auch den Halt”), und natürlich verlief die “Diskussion auf Facebook”, die die “Bams” noch abgedruckt hat, ebenfalls sehr eindeutig:

Und klar darf man über die Frage “Winter” vs. “Weihnacht” oder über den vermeintlichen Verfall christlicher Werte diskutieren, aber dann sollte man doch bitte bei den Fakten bleiben. Die “BamS” aber verschweigt einfach die Hälfte, setzt falsche Behauptungen in die Welt, schreibt den Untergang des Abendlandes herbei — und die Leute kaufen es ihr reihenweise ab.

Der “Münchner Merkur” zum Beispiel, der lieber alles nachplapperte, statt selbst zu recherchieren. Oder Josef Zellmeier, seines Zeichens Parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, der zur “Zwangsumbenennung des Weihnachtsmarktes” sogar eigens eine Pressemitteilung herausgab, in der er darüber schimpft, dass die deutschen Traditionen einer “extrem linken Sprachdiktatur geopfert” würden:

Das ist ein Rückfall in kommunistische Zeiten, in denen man versucht hat, Nikolaus und Christkind durch Väterchen Frost zu ersetzen. Die Missachtung der eigenen kulturellen Prägung hat nichts mit Toleranz zu tun, ist vielmehr ein Auswuchs falsch verstandener Multikulti-Ideologie.

Das Schlimmste aber ist, dass die “Bild am Sonntag” mit ihrer Panikmache gerade jenen Leuten Munition liefert, die die Schuld nicht mehr nur bei den Politikern suchen, sondern vor allem bei den Moslems:

Die Umbenennung von Weihnachtsmarkt in Wintermarkt is der totale Schwachsinn, ich akzeptiere den Islam als Religion, warum akzeptieren vereinzelne Mosleme nicht die deutsche Kultur, in arabischen Laendern wie z.B. UAE oder Oman werden christliche Weihnachtsgebraeuche akzeptiert, in Geschaeften Weihnachtssachen verkauft Merry Xmas gewuenscht. In Berlin ist es nicht erlaubt (…)

(…) dass die Weisse Rasse so behandelt wird, ist unglaublich.
Unsere Braeuche und Kultur ist unser Leben.
Und die Neger und Muslime koennen bleiben wo der Pfeffer waechst!
Was waere denn wenn wir Weissen die Neger und Muslimenlaender in so einem Ausmass fluten wuerden wie die unser geliebtes Deutschland!
Nein, das duerfen Weisse nicht. Aber Neger und Muslime duerfen das!
Antirassismus ist gegen die Weissen!
So ists und nicht anderst. Wir sollen ausgerottet werden.
Wir brauchen keine Neger und Muslime. Wir haben bis jetzt auch ohne euch gut gelebt!
Denn wir tun was. Wir arbeiten. Und nicht betteln und 5mal am Tag den Kopf auf den Boden hauen und dann meinen man sei was besseres!

Von solchen Kommentaren finden sich im Internet Tausende. Gerade bei Facebook und auf rechten Blogs wurde der “BamS”-Artikel fleißig rumgereicht; für die Rassisten und Islamfeinde dient er seither als erschreckendes Beispiel dafür, dass die bösen Moslems und die Spinner von Grün-Dings die Islamisierung unseres schönen Landes vorantreiben. Auch die Rechtspopulisten von “Pegida” nutzen die Geschichte gerne als Beleg für die Abschaffung der christlichen Kultur.

Ähnlich verhielt es sich schon im vergangenen Jahr bei einem Artikel der “B.Z.” (gleiches Thema: “Kreuzberg verbietet Weihnachten”), der sich zwar später als irreführend herausstellte, die islamfeindliche Stimmung aber dennoch (oder: gerade deshalb) weiter anheizte. Oder bei der Idee mit dem “Sonne-Mond-und-Sterne-Fest”, die von den Medien ebenfalls verzerrt dargestellt und massiv attackiert wurde, womit sie vor allem den rassistischen Hetzern in die Karten spielten (BILDblog berichtete).

Die “B.Z.” hat in diesem Jahr übrigens auch schon gegen die “Wintermärkte” gewettert: Vor drei Monaten ereiferte sich Kolumnist Gunnar Schupelius ziemlich unentspannt darüber, warum “diese kirchenferne Gesellschaft” denn nicht mal “entspannt bleiben” könne, und bekam dafür vor allem aus der rechten Ecke viel Beifall.

Aber es sind leider nicht nur die Boulevardmedien, die solche ausländerfeindlichen Auswüchse durch ihre irreführende Berichterstattung befeuern. In der “FAZ” etwa erschien vor drei Tagen dieser Artikel:

Abgesehen davon, dass die Aussage ohnehin Blödsinn ist, macht die “FAZ” sogar den gleichen Flüchtigkeitsfehler wie die “BamS” (Bezirksparlament statt -amt), offenbar hat sich der Autor also nicht mal die Mühe gemacht, irgendwoanders zu recherchieren. So kann er zwar ebenfalls nur falsche Fakten bieten, aber hey, auch voll die lustigen Wortspielchen:

Und wo wir schon dabei sind, hätten wir, zur Adventszei-, Entschuldigung: zu dieser winterlichen, geruhsamen Zeit noch Vorschläge einzureichen: Wie wäre es, den Weihnachtsmann künftig anders anzusprechen, sagen wir, als „Mann mit der roten Mütze“? Wobei ja auch die Farbe rot eine christliche und jüdische Tradition hat. Wie wäre es also einfach mit „Mann“? So wird wirklich niemand mehr diskriminiert. (Aber was sagen dann die Frauen?) Denn darum geht es bei diesem besinnlichen – zum Teuf-, äh, Henker mit der Sprache: Darum geht es bei diesem „Fest“ ja auch. Alles andere wäre unchristli-, alles andere wäre nicht feierlich.

Jahahaha. Witzig. Und genauso wertlos wie der Lügenartikel der “BamS”, jedenfalls wenn man an einer ernsthaften Debatte interessiert ist. Aber das sind die Journalisten ja offenkundig leider nicht. Schön zu erkennen auch am Beitrag von “stern TV”. Das Magazin hatte zwar extra ein Kamerateam zum Bezirksamt geschickt, um die Lage vor Ort zu recherchieren (“Frohe Weihnachten, falls man das hier noch sagen darf”), trotzdem behauptet der Beitrag permanent, in Kreuzberg seien nur noch “Wintermärkte” erlaubt, weil das politisch korrekter sei. Moderator Steffen Hallaschka spricht von einer “unglaublichen Geschichte” und von “galoppierendem Wahnsinn”, das Bezirksamt bekommt schließlich sogar den Negativpreis “Stern der Woche” überreicht — obwohl die Leute von “stern TV” wussten, dass es die “Vorschrift”, von der sie berichten, gar nicht gibt und dass es auch weiterhin Weihnachtsmärkte geben wird. Der Bezirksamtssprecher hat es ihnen nämlich mehrmals erklärt. Auch vor laufender Kamera, aber das wollte “stern TV” dann lieber nicht senden.

Aber zurück zur “Bild am Sonntag”. Bei der hat sich das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg kurz nach der Berichterstattung über die falsche Darstellung beschwert. Und tatsächlich wird die Sache in der aktuellen Ausgabe endlich richtiggestellt. Allerdings auf “BamS”-Art: Statt einer Korrektur hat das Blatt nur ein winziges Statement der Bezirksbürgermeisterin abgedruckt — schön versteckt am unteren Rand der Leserbriefseite:

Der Artikel ist übrigens — obwohl die Leute von der “Bams” spätestens jetzt ganz genau wissen, dass er nicht der Wahrheit entspricht und sie damit Hass gegen Ausländer schüren — immer noch unverändert online.

Nachtrag, 15.15 Uhr: Wenigstens die “FAZ” hat ihren Online-Artikel inzwischen transparent korrigiert.

Siehe auch: Ein Weihnachtsmärchen (taz.de)

Vom Untergang des Abendlandes kann “Bild” ein Liedchen singen

Wenn die “Pegida”-Bewegung heute wieder Zuwachs bekommt, dann liegt das mit Sicherheit auch an Schlagzeilen wie dieser:

Das berichtet die “Bild”-Zeitung heute — in der Print-Version unter der Dachzeile: “Politiker fordern”.

Im Text heißt es:

Es soll eine Geste des Friedens, ein Zeichen der Verständigung sein: Christen sollen in den Gottesdiensten an Heiligabend auch ein muslimisches Lied singen!

Das regen Politiker und der Zentralrat der Muslime in Deutschland an.

„Es wäre ein tolles Zeichen des friedlichen Zusammenlebens der Religionen, wenn in der Kirche ein islamisches Lied gesungen würde und in der Moschee ein Weihnachtslied“, sagte der Grünen-Menschenrechtsexperte Omid Nouripour (39) zu BILD. (…)

Der baden-württembergische SPD-Abgeordnete Thomas Funk (52) erklärte: „Wir brauchen Verständnis, Achtung und Toleranz.“ Er fände es gut, wenn sich das „mit einem Lied befördern lässt“.

Welche muslimischen Lieder kommen infrage?

Der Chef des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek (45), macht einen Vorschlag: Tala’a al-badru alayna („Heller Mondschein leuchtet“) des Sängers Yusuf Islam (66, hieß vor der Konvertierung Cat Stevens). „Das wäre ein wunderbares Zeichen des Friedens und der Anteilnahme“, sagte Mazyek zu BILD.

Frieden und Anteilnahme waren unter den „Bild“-Lesern allerdings weniger zu spüren, sondern vor allem: Wut.

Bei Facebook schreien sie:

wir sind doch hier in deutschland oder?! wir sollten unsere kultur schützen und uns nicht in unserem eigenen land an andere anpassen! (60 Likes)

Ich glaube es hackt wenn die Muslime unsere Lieder singen, können wir weiterreden! (394 Likes)

Wie sagte ein Herr Sarazin noch…..
DEUTSCHLAND SCHAFFT SICH AB. (308 Likes)

Ich geh nachher lieber deutsche Lieder mit der PEGIDA singen (354 Likes)

Banane in der Birnen? Wird ja immer schlimmer. Geht doch mal gucken ob sie demnächst in der Moschee auch Schweineschnitzel und Glühwein verteilen als Zeichen eines GEMEINSAMEN Zusammenlebens. Lach (115 Likes)

Auch in anderen sozialen Netzwerken und in den Kommentarspalten der Islamhasserblogs brach ein (erneuter) Sturm der Empörung los.

Geht’s noch? Sollen wir den °Nicht-Christen° jetzt noch den Arsch lecken? Toll! Eher sterbe ich, als musl. Lieder zu singen!

WIE BESCHEUERT UND VERRÄTERISCH GEBEN SICH DIESE ISLAM-ARSCHKRIECHER NOCH BEI DER ABSCHAFFUNG UNSERER KULTUR UND UNSERER WERTE?!

Diese Anbiederung kann man nur noch widerlich nennen. Eine Bankrotterklärung ersten Ranges.
Bin glücklicherweise aus diesem Jesus-Verein ausgetreten.
Warum wird nicht auch das Horst-Wessel-Lied gesungen, oder “Hohe Nacht der klaren Sterne, die wie helle Brücken stehen…”?
Da ist doch auch von Brücken die Rede, die zur “Versöhnung” gebaut werden sollen.

Auf der Facebookseite des Grünen-Politikers Omid Nouripour stehen inzwischen Kommentare wie …




Auch Wolfgang Bosbach (CDU) hat sich schon zu Wort gemeldet — via “Focus Online”:

„Weihnachten ist kein Hochamt für Multikulti, sondern ein christliches Fest, bei dem traditionell nur christliche Weihnachtslieder gesungen werden. Dabei soll es bleiben“, sagte Wolfgang Bosbach am Montag zu FOCUS Online. „Mir ist auch nicht bekannt, dass in irgendeiner Moschee ,Stille Nacht, heilige Nacht‘ gesungen wird oder es entsprechende Pläne gibt“, fuhr der Innenpolitik-Experte der Union fort. „Bevor Herr Nouripour vorschlägt, dass der Muezzin zur Christmette ruft, hoffe ich sehr, dass es beim christlichen Glockenläuten bleibt.“

Und man kann ihnen (Bosbach ausgenommen) die Verunsicherung nicht mal richtig übelnehmen, schließlich erweckt die „Bild“-Zeitung den Eindruck, als sei diese Idee — diese „Forderung“ — auf Nouripours Mist gewachsen und als gebe es schon konkrete Pläne für die Umsetzung. Auch andere Medien, etwa “Spiegel Online” oder FAZ.net schreiben (bei “Bild” ab), diese “Forderung” sei von Nouripour “in die Debatte eingebracht” worden.

Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus. Tatsächlich stammt die Idee nämlich von „Bild“.

Omid Nouripour erklärte uns das Zustandekommen des Artikels heute so: Am vergangenen Dienstag habe ihn “Bild”-Autorin Karina Mößbauer (die den Artikel zusammen mit Ralf Schuler geschrieben hat) angerufen und sinngemäß gesagt:

Wir bringen zu Weihnachten ja immer gute Nachrichten. Und da haben wir uns gefragt, ob es nicht eine schöne Idee wäre, wenn in christlichen Weihnachtsgottesdiensten muslimische Lieder gesungen würden.

Daraufhin habe er geantwortet: Nein, das sei keine gute Idee. Wenn, dann sollte es eine Art Tausch geben: Muslimische Lieder in der Kirche, christliche Lieder in der Moschee. „Tolle Idee!“, habe die „Bild“-Autorin geantwortet.

Ja, toll. Denn so musste sie nur noch ein, zwei andere passende Zitate einsammeln — und fertig war die Schlagzeile. Vermutlich stand sie sogar vorher schon fest, und die “Bild”-Autoren haben nur so lange rumtelefoniert, bis sie prominente Stimmen gefunden hatten, die dazu passten.

Die Rechnung ist jedenfalls aufgegangen: Der Artikel gehört zu den Meistgelesenen auf Bild.de, wurde bei Facebook tausendfach geteilt.

Und die “Pegida”-Leute haben ein Scheinargument mehr für ihre Demonstrationen.

Auf seiner Facebookseite schreibt Omid Nouripour heute:

Der Vorschlag, wie er da steht, ist von der BILD-Zeitung – einem Politiker muslimischen Glaubens in den Mund gelegt. Mein Vorschlag war der eines Austauschs. Es würde auch vielen deutschen Moscheen gut zu Gesicht stehen, wenn dort die Weihnachtszeit besinnlich begangen werden würde.

So manche Reaktionen auf meiner Facebook-Seite zeigen, wie richtig mein Vorschlag eigentlich ist. Der gesellschaftliche Graben, der sich in unserem Land derzeit auftut, ist nicht der zwischen Christentum und Islam, sondern der zwischen demokratischen Kräften und der Feinde der Demokratie – ob Islamisten oder Pegida. Der Schulterschluss der Demokraten ist notwendig, nicht eine weitere Spaltung der Gesellschaft – wie ihm der Artikel der BILD-Zeitung Vorschub leistet.

So gelingt es der “Bild”-Zeitung mal wieder, den Keil noch weiter zwischen die Religionen zu treiben. Das ist natürlich nichts Neues. Aber man muss schon verdammt skrupellos sein, um dafür ausgerechnet die Zitate zu missbrauchen, die genau das Gegenteil bewirken sollten.

Nachtrag, 15.45 Uhr: Bild.de hat nochmal nachgelegt. Unter der Überschrift “Große Debatte um muslimische Lieder im Weihnachtsgottesdienst” wird jetzt auch das Bosbach-Zitat („Weihnachten ist kein Multi-Kulti-Hochamt”) aufgegriffen, auch andere Politiker und Kirchenvertreter kommen zu Wort. Dabei wird weiterhin der Eindruck erweckt, es gebe die “Forderung”, muslimische Lieder in christlichen Gottesdiensten zu singen. Die Umfrage für die Bild.de-Leser (“Deutschlands schnellste Meinung”) lautet dann auch: “Sollen wir im Weihnachtsgottesdienst auch ein muslimisches Lied singen?” (Aktuell: 97% für “Nein, Weihnachten ist ein christliches Fest”.)

Vermutlich war das auch die Grundlage, auf der Bild.de die Zitate eingeholt hat. Hans-Peter Uhl (CSU) zum Beispiel rumpelt: “Die Forderung ist kompletter Unsinn! Ich beanspruche ja auch nicht, dass in einer Moschee ,Stille Nacht, heilige Nacht’ gesungen wird.” Dass ein solcher Tausch gerade Teil des Vorschlags von Nouripour war, hat ihm der zuständige Zitate-Einholer von Bild.de offenbar lieber verschwiegen.

Das Facebook-Statement von Nouripour erwähnt Bild.de natürlich ebenfalls mit keinem Wort.

Nachtrag, 16.50 Uhr: “Spiegel Online” hat den Artikel korrigiert und eine Anmerkung dazu veröffentlicht.

Nachtrag, 17.50 Uhr: Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, von dem der Vorschlag zum Cat-Stevens-Song kam, hat sich inzwischen ebenfalls vom “Bild”-Artikel distanziert. Gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur sagte er, er sei bei der “Bild”-Anfrage davon ausgegangen, dass eine konkrete Gemeinde vorhabe, ein Zeichen zu setzen, und deshalb um einen Tipp gebeten habe.

Nachtrag, 22.10 Uhr: Auch FAZ.net hat den Artikel (einigermaßen) korrigiert und eine Anmerkung hinzugefügt.

Nachtrag, 23. Dezember: Die “Bild”-Zeitung hat heute eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie sich allerdings nur gegen den Vorwurf wehrt, sie habe Omid Nouripour falsch zitiert. Sein Zitat sei ungekürzt und unverändert abgedruckt worden, heißt es dort, was ja auch stimmen mag, aber immer noch nicht erklärt, warum “Bild” aus einem “Vorschlag” eine “Forderung” machte und warum in der Überschrift nicht der Tausch erwähnt wird, sondern bloß die muslimischen Lieder in christlichen Gottesdiensten. “Bild” geht auch nicht darauf ein, ob die grundlegende Idee von den Politikern kam, wie der Artikel suggeriert, oder doch von der Redaktion.

Inzwischen hat sich auch der dritte Politiker, der im Text zitiert wird, Thomas Funk (SPD), zu dem Artikel geäußert. Die Initiative sei natürlich nicht von den Politikern ausgegangen, sagte er gegenüber BILDblog, sondern von “Bild”. Er sei von “Bild” gefragt worden, was er von der Idee mit dem Liedertausch halte; sein Zitat sei dann auch korrekt wiedergegeben worden. Dennoch sieht er in der Aktion im Nachinein ein “vergiftetes Geschenk”. Der Artikel sei ja augenscheinlich nicht auf Weihnachten gemünzt worden, sondern auf den “Pegida”-Montag, und “Bild” habe den Artikel genutzt, um Öl ins Feuer zu gießen.

Nachtrag, 24. Dezember: Die Bundestagsabgeordnete Ute Finckh-Krämer (SPD) hat gestern auf Facebook mitgeteilt:

Ich kann bestätigen, dass Karin Mößbauer nicht nur Omid Nouripour diesen Vorschlag gemacht hat – sie hat mich nämlich auch gefragt, ob ich einen solchen Vorschlag unterstützen würde. Meine Antwort passte dann wohl nicht so gut in den Artikel, ich habe nämlich die Hoffnung geäußert, dass in vielen Weihnachtsgottesdiensten mit Respekt über Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen Glaubens gesprochen wird. Egal, ob sie schon seit Generationen hier leben oder gerade als Flüchtlinge hierher gekommen sind.

Nachtrag, 17. März 2015: Die Berichterstattung ist nun auch vom Deutschen Presserat missbilligt worden.

Der Griechen-Teufel mit dem Einzack

Endlich hat die „Bild“-Zeitung ein neues und von nun an bis in alle Ewigkeit gültiges Label für Yanis Varoufakis gefunden.

Bislang war sich das Blatt selbst nicht ganz einig, ob es den griechischen Finanzminister nun als „Griechen-Raffke“ bezeichnen soll oder doch lieber als „Radikalo-Griechen“ oder als „lederbejackten Rüpel-Rocker“ oder als „Posterboy-Finanzminister“ oder als „Griechenlands Radikalo-Naked-Bike-Rider“. Aber jetzt!

Jetzt ist er der Lügen-Grieche. Jeder kann ihn jederzeit darauf reduzieren: „Mister Stinkefinger“.

Ja, das steht da wirklich, und wir können nur erahnen, wie schwer es „Bild“-Reporter Peter Tiede gefallen sein muss, den Artikel nicht noch mit einem „HURRA!“ zu beginnen. Für ihn und „Bild“ steht fest: Varoufakis hat sich mit der Finger-Nummer endlich und endgültig selbst „zur Strecke gebracht“. Darum ist der heutige Artikel auch ein „BILD-Nachruf [!] auf Athens bekanntesten Selbstzerstörer“.

So schnell kann es gehen. Raketen-Aufstieg. Turbo-Abstieg.

Peinliche Nummer statt cooler Typ. (…)

Denn wer Yanis Varoufakis (53) sieht, sieht nun immer auch den Stinkefinger. Wer ihm zuhört, der hört nun auch immer „Stick the Finger to Germany!“ – egal, was er sagt. Er könnte auf ewig schweigen, sich die linke Hand abhacken – der Mittelfinger, den er 2013 auf einer Konferenz in Zagreb gen Deutschland reckte, wäre noch da.

Schließlich hat die „Bild“-Zeitung auch hart daran gearbeitet:

Auch andere Medien und Plattformen – vor allem Günther Jauchs Talkshow im Ersten – haben eifrig dazu beigetragen, den Finger in die Köpfe der Leser und Zuschauer zu prügeln. Seit Tagen wird er nicht wie das behandelt, was er ist — eine banale Randnotiz –, sondern zum wilden „Politikum“ hochgejazzt.

Um es nochmal zusammenzufassen: Vor zwei Jahren, als Varoufakis noch kein Minister, aber scharfer Kritiker der griechischen Regierung war, sprach er bei einer Veranstaltung darüber, dass er drei Jahre zuvor, also 2010, die damaligen Bedingungen, die von Deutschland und Europa für die Griechenland-Hilfe gestellt wurden, abgelehnt hätte. Stattdessen hätte er, so wie Argentinien, den Weg in den Staatsbankrott gewählt und Anfang 2010 erklärt, dass Griechenland pleite ist — und Deutschland damit „den Finger gezeigt“ und gesagt: „Jetzt könnt Ihr das Problem alleine lösen“.

Oder wörtlich:

My proposal was that Greece should simply announce that it is defaulting — just like Argentina did — , within the Euro, in January 2010, and stick the finger to Germany and say: „Well, you can now solve this problem by yourself.“

(Ein längeres Transkript der Rede samt Anmerkungen hat „Spiegel Online“ hier veröffentlicht.)

Anders gesagt: Varoufakis hat „uns“ den Finger gar nicht gezeigt. Also faktisch schon, aber gemeint war er bloß hypothetisch („hätte ihn zeigen sollen“), und zwar nicht in Richtung der deutschen Steuerzahler, sondern der deutschen Banken. Und er bezog sich nicht auf die Gegenwart, sondern auf 2010, als Varoufakis noch gar nicht Minister war und Griechenland noch keine Kredite bekommen hatte. Letzteres ist insofern wichtig, als “Bild” und andere Medien gerne suggerieren, der Finger sei eine Reaktion auf die Hilfspakete gewesen, nach dem Motto: Wir geben denen Milliarden — und kriegen dafür den Stinkefinger! Was Varoufakis aber (vereinfacht gesagt) eigentlich meinte, ist: Wenn man Euch den Finger damals gezeigt hätte, hättet Ihr womöglich gar nicht erst so viele Milliarden ausgeben müssen.

Das alles fanden die Redaktion von „Günther Jauch“ und die „Bild“-Zeitung aber entweder zu kompliziert oder zu unknallig für ihre Zuschauer und Leser, darum erweckten sie den Eindruck, die „drastische Geste“ („Bild“) beziehe sich auf die Gegenwart oder solle Deutschland beleidigen. Womöglich haben sie die Sache auch ganz bewusst verzerrt dargestellt, um Varoufakis schlecht dastehen zu lassen, was zumindest für “Bild” bei Weitem nicht das erste Mal wäre.

Allerdings trägt Varoufakis auch eine Mitschuld daran, dass die Sache heute immer noch ein Thema ist. Bei Günther Jauch behauptete er sofort, das Video sei gefälscht oder manipuliert („doctored“) worden und sagte: „I’ve never given the finger ever.“

Die Redaktionen von „Jauch“ und „Bild“ ließen das Video daraufhin von sogenannten Experten auf seine Echtheit prüfen. Ergebnis: Kein Hinweis auf eine Fälschung erkennbar. Auch Zeugen wurden aufgetrieben, die bei der Veranstaltung damals dabei waren und bestätigen konnten, dass der Finger zu sehen gewesen sei.

Denkbar ist nun aber auch, dass Varoufakis mit „manipuliert“ nicht das Video an sich meinte, sondern den irreführenden Einspieler bei Günther Jauch. So würde dann auch dieser Tweet Sinn ergeben, in dem Varoufakis einen Tag nach der Sendung das vollständige (und damit “unverfälschte”) Video der Rede selbst veröffentlichte:

Aber eine solche Interpretation kommt für die “Bild”-Zeitung natürlich nicht infrage. Für sie ist Varoufakis’ Reaktion nur eins: der Beweis dafür, dass er ein rotzfrecher Lügner ist.

In diesem Artikel (heute erschienen) gibt sich Peter Tiede dann auch keinerlei Mühe, den Kontext des Stinkefingers auch nur annähernd zu erklären. Der Leser erfährt bloß, dass Varoufakis den Mittelfinger 2013 “gen Deutschland reckte” und hinterher behauptete, das Video sei manipuliert worden. Ach, und natürlich, dass Varoufakis, der “Problem-Minister” und “Lügen-Grieche”, “nicht der sein will, der er ist”, und dass dieser “coole Typ ohne Schlips und mit Hemd über der Hose”, der “statt Dienstwagen 1300er Yamaha fuhr” und sich von “Yannis” in “Yanis” umbenannte (“Weil fast jeder zweite Mann in Griechenland ‘Yannis’ heißt, und Yanis mit einem ‘n’ da schon etwas Besonderes ist”), sich “selbst zu Kopf gestiegen ist”. Umso beruhigender, dass wenigstens die deutschen Journalisten auf dem Teppich bleiben.

Nachtrag, 20. März: Der Stinkefinger ist übrigens nicht von Jan Böhmermann & Crew in das Video hineinmontiert worden, wie sie seit Mittwochabend behaupten. Tatsächlich war #varoufake — zumindest spricht inzwischen alles dafür — ein geschickter Fake-Fake. Und falls Sie sich jetzt nur fragend am Kopf kratzen: Bitte einmal hier oder hier oder hier entlang.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Dirk Hoerens Hartzer-Käse

Stellen Sie sich vor, Sie sind Dirk Hoeren von der „Bild“-Zeitung und sollen tun, was Sie auch sonst tun, nämlich Stimmung machen, aber diesmal nicht gegen Rumänen und Bulgaren, sondern, wie früher, gegen die „faulen“ Hartz-IV-Empfänger.

Passenderweise hat die Bundesagentur für Arbeit jüngst eine Statistik veröffentlicht (Excel-Datei), in der es um die Sanktionen geht, die Hartz-IV-Empfänger bekommen, wenn sie zum Beispiel eine Arbeit verweigern oder einen Termin verpassen; eine seit jeher willkommende Hetzgrundlage für die Leute von “Bild”.

Ein kleines Problem ist nur: Eigentlich gibt die Statistik diesmal nichts her, womit man die „Hartzer“ (O-Ton Hoeren) schlechtmachen könnte. Im Gegenteil:

  • Die Zahl der Sanktionen ist in den vergangenen zwei Jahren kontinuierlich gesunken; 2014 waren es über 23.000 weniger als 2012.
  • Auch die durchschnittliche Sanktionsquote (in Bezug auf alle Leistungsberechtigten) hat sich verringert: von 3,4 im Jahr 2012 auf 3,2 im Jahr 2014.
  • Und vor allem: Die Anzahl der sanktionierten Leistungsberechtigten war im vergangenen Jahr mit grob 440.000 so niedrig wie seit 2007 nicht. Anders gesagt: Es wurden noch nie so wenige Hartz-IV-Empfänger bestraft wie im vergangen Jahr.

Damit lässt sich das Bild des faulen Hartzer-Packs natürlich nur schwer untermauern. Also was machen Sie? Klar: Einfach alles Positive ignorieren — und weiter nach einer Zahl suchen, die man den Schmarotzern um die Ohren hauen kann:

Schon eine Idee?

Dirk Hoeren hatte eine. Sein Artikel beginnt so:

Die Zahl säumiger Hartz IV-Empfänger, die Arbeit ablehnen oder Termine beim Jobcenter verpassen, geht einfach nicht zurück!

Hoeren pickt sich kurzerhand die Spalten 4 und 5 (Meldeversäumnisse) heraus, addiert sie — und behauptet dann, die Zahl „säumiger Hartz IV-Empfänger“ gehe „einfach nicht zurück!“ Das ist zwar nicht falsch. Aber eben nur ein Teil der Wahrheit.

Und während andere Medien titeln: “Zahl der Hartz-IV-Sanktionen weiter gesunken”, lautet die “Bild”-Überschrift:

Hoeren schreibt:

Drei Viertel der Strafen (747793) wurden wegen vergessener Termine beim Jobcenter oder ärztlichen Dienst ausgesprochen. Höchststand seit Einführung von Hartz IV 2005! Dabei erinnern Jobcenter die Hartzer seit April 2013 auf Wunsch per SMS an Termine.

Nur darf man dabei nicht vergessen: Diese Zahl bezieht sich auf ein ganzes Jahr — und verteilt sich auf sämtliche Hartz-IV-Empfänger. Um das mal in Relation zu setzen: Im Dezember 2014 beispielsweise gab es insgesamt 4.322.022 Leistungsberechtigte in Deutschland. Gut 90.000 Sanktionen wurden in diesem Monat ausgesprochen, davon 68.000 wegen Meldeversäumnissen. Selbst wenn man davon ausgeht, dass jede Sanktion gegen eine andere Person ausgesprochen wurde (und nicht mehrere Sanktionen pro Person), macht das eine „Faulen“-Quote von sage und schreibe 1,6 Prozent.

Auf das ganze Jahr bezogen (insgesamt 441.686 sanktionierte Personen, egal aus welchem Grund) ergibt sich eine Quote von gut 10 Prozent, was bedeutet, dass sich immerhin 90 Prozent aller Leistungsberechtigten nichts hat zu Schulden kommen lassen.

Darüber verliert Dirk Hoeren freilich kein Wort. Stattdessen zitiert er am Ende des Artikels noch Vertreter aus der Politik Union:

CDU-Wirtschaftsexperten halten Sanktionen gegen säumige Hartzer weiter für nötig. Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates: „Die hohe Zahl der Verstöße zeigt, dass sich zu viele Empfänger von Sozialleistungen in ihrer Lebenslage eingerichtet haben.“ Der Chef der CDU/CSU-Mittelstandsvereinigung, Carsten Linnemann: „Bei gut 700 000 Sanktionen allein wegen Meldeverstößen sehen wir, dass ‘Fordern und Fördern’ untrennbar zusammengehören.“

Vertreter der SPD, die die Sanktionen entschärfen wollen, kommen nicht zu Wort. Auch die Grünen, die die Sanktionen ebenfalls kritisch sehen, oder die Linke, die die Sanktionen ganz abschaffen will, werden mit keinem Wort zitiert.

Vielleicht hatte Dirk Hoeren einfach keine Zeit mehr dafür, schließlich musste auch noch einen Kommentar schreiben — in dem er fordert:

Die Jobcenter sollten sich endlich mit voller Energie um die Willigen kümmern können. Um diejenigen, die sich aus der Hartz-Misere herausarbeiten wollen. (…) Hunderttausende Hartz-Bezieher wollen lieber eine Stelle statt Stütze. Genau denen gehört die volle Aufmerksamkeit.

Die von Dirk Hoeren natürlich ausgenommen.

“Bild” am Grab von Andreas L.

Am vergangenen Samstag ist Andreas L., der Co-Pilot der Germanwings-Maschine 4U9525, auf dem Friedhof seiner Heimatstadt beerdigt worden.

Die „Rhein-Zeitung“ wusste schon ein paar Tage zuvor davon, hat es aber für sich behalten, „damit seine Familie und seine Freunde in Ruhe Abschied von ihm nehmen konnten“, wie Chefredakteur Christian Lindner erklärte. Gestern hat die Zeitung lediglich einen kurzen Satz über die Beerdigung geschrieben, der im Grunde nur die Information enthielt, dass sie stattgefunden hat.

Für dieses Vorgehen hat die Redaktion viel Lob bekommen. Auch wir wurden mehrfach darauf hingewiesen, da könnten wir doch ruhig mal über ein positives Beispiel berichten. Machen wir ja auch gerade, aber gezögert haben wir schon, und so ganz können wir die Begeisterung immer noch nicht teilen.

Erst einmal: So sah das Ganze gestern aus:

Die Meldung steht rechts oben, über der weißen Fläche:

Co-Pilot ist in seiner Heimat beerdigt worden
Montabaur. Der Germanwings-Co-Pilot Andreas L. (29), der im März 149 Menschen mit Absicht in den Tod geflogen hat, ist am Samstag in aller Stille in seiner Heimatstadt Montabaur beerdigt worden.*

Unter der weißen Fläche steht:

*Die Redaktion dieser Zeitung wusste vorab von dem Begräbnis. Wir haben uns dafür entschieden, darüber nur mit einem Satz zu berichten. Mehr zu unserer Entscheidung auf Rheinland-Pfalz

Im Innenteil schreibt Chefredakteur Lindner dann „in eigener Sache“ (online kostenpflichtig):

Ein Satz.
Das genügt.

Verantwortungsvolle Journalisten zeichnen sich auch durch Haltung aus. Gute Redaktionen reagieren auch im Internetzeitalter überlegt statt übereilt. Seriöse Zeitungen und Webseiten machen bewusst nicht alles, was möglich wäre.

Ganz in diesem Sinne hat die Redaktion dieser Zeitung nachgedacht, abgewogen, entschieden und gehandelt, als wir schon vor einigen Tagen erfuhren, dass der Co-Pilot Andreas L. (…) in seiner Heimatstadt Montabaur beerdigt wird. Wir haben diese Information bis zwei Tage nach der Beerdigung für uns behalten. Damit seine Familie und seine Freunde in Ruhe Abschied von ihm nehmen konnten. Damit die Weltpresse bei diesem Begräbnis nicht erneut über Montabaur herfällt. Damit Privates privat bleibt und nicht ohne Not und ohne Sinn öffentlich wird.

Ja, wir hätten aus der Ferne Fotos von der Beerdigung machen können. Ja, wir hätten die Beerdigung als einziges Medium beschreiben können. Ja, wir hätten die Bilder weltweit verkaufen, hätten unseren exklusiven Text deutschlandweit und auch international vermarkten können.

Auf all das haben wir bewusst verzichtet.

Das klingt alles sehr reflektiert, es klingt aber auch so, als solle man der „Rhein-Zeitung“ jetzt ganz doll dankbar sein. Aber wofür? Dafür, dass sie die Weltpresse doch nicht auf die Trauernden gehetzt hat? Dass sie sich dagegen entschieden hat, Kapital aus dem Leid der Angehörigen zu schlagen?

Auf all das haben wir bewusst verzichtet. Stattdessen setzen wir in der knappestmöglichen Form einen Schlusspunkt in diesem Drama um Flug 4U 9525 – indem wir in gerade mal in einem Satz melden, dass Andreas L. nun seine letzte Ruhe gefunden hat. Und wir machen unseren bewussten Verzicht auf jede weitere Zeile – auch stellvertretend für die vielen respektvollen Publikationen der Medienbranche – mit einem weißen Raum auf der Titelseite unserer Zeitung deutlich. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung 1946 überhaupt.

Nun ja. Kann man natürlich machen. Kann man aber auch lassen.

Wenn sich ein Koch abends ins Restaurant stellt und sich damit brüstet, dass er heute niemandem ins Essen gespuckt hat, dann ist das sein gutes Recht. Aber isst man nicht doch lieber dort, wo man das Gefühl hat, dass es keine Besonderheit ist, nicht ins Essen zu spucken, sondern der Normalzustand?

Nicht, dass wir uns falsch verstehen: Es ist toll, dass die „Rhein-Zeitung“ darauf verzichtet hat, etwas Schlimmes zu tun. Aber wir fänden es noch toller, wenn sie das als Selbstverständlichkeit betrachten würde. Das ist der Grund, warum wir uns etwas schwer damit tun, die „Rhein-Zeitung“ für diese Sache so zu feiern, wie sie es selbst tut. Aber das sind natürlich alles Maßstäbe für den Bereich des verantwortungsvollen Journalismus.

Nicht für die „Bild“-Zeitung.

Die hat das mit der Beerdigung gestern auch mitbekommen. Und sieht heute so aus:

Innen zeigt „Bild“ das Grab nochmal groß aus einer anderen Perspektive, der letzte Gruß der Eltern an ihren toten Sohn prangt als riesige Überschrift über dem Artikel.

Auch Bild.de zeigt das Grab groß auf der Startseite …

… den Rest gibt es aber nur gegen Bezahlung:

Wer alles zur Beerdigung kam, wie sich Verwandte und Freunde von dem Amok-Flieger verabschiedeten und was die Angehörige eines Friedhofsnachbarn sagt, lesen Sie mit BILDplus!

Die Fotos kommen übrigens von „Bild“-Fotograf Jürgen Mahnke — bisheriges Schaffen (Auszug): „Die schlimmsten Schießereien im Rhein-Main-Gebiet“, „Die spektakulärsten Unfälle im Rhein-Main-Gebiet“, „Die schlimmsten Bus-Unglücke im Rhein-Main-Gebiet“, „Die spektakulärsten Sportwagen-Unglücke im Rhein-Main-Gebiet“, „Die schlimmsten Tankzug-Unglücke im Rhein-Main-Gebiet“, „Die wildesten Verfolgungsjagden im Rhein-Main-Gebiet“, „Die gefährlichsten SEK-Einsätze im Rhein-Main-Gebiet“, „Die blutigsten Messerstechereien im Rhein-Main-Gebiet“.

Mahnke hat das Grab des Co-Piloten aus mehreren Perspektiven fotografiert, die Kränze und Blumen der Angehörigen, auch den Zettel, mit dem die Friedhofsverwaltung darauf hingewiesen hat, dass der Friedhof am Samstag gesperrt sei, und beim Grabschmuck der Freundin ist der Fotograf extra nah rangegangen, damit man ihre Abschiedsworte auch schön nachlesen kann (immerhin: die Namen der Angehörigen hat Bild.de verpixelt).





Wenn man das so sieht, lässt sich erahnen, was los gewesen wäre, wenn die Weltpresse doch vorher Wind von der Sache bekommen hätte, und irgendwie sind wir der “Rhein-Zeitung” dann doch dankbar.

Mit Dank auch an Christian P., Geesej R. und Markus G.!

Mit Pickelhaube auf Griechenland-Feldzug

Zum heutigen Krisentreffen der 19 Euro-Staatschefs in Brüssel haben “Bild” und Bild.de Angela Merkel nicht nur einen “5-Punkte-Plan” als Arbeitsauftrag mit auf den Weg gegeben, sie haben die Kanzlerin auch — der Situation angemessen — preußisch-eisern ausgestattet:


Hehe, verstehen Sie? Merkel müsse “‘preußische Tugenden’ beweisen”, eine “Eiserne Kanzlerin” fordert “Bild”, mit Pickelhaube, wie einst Bismarck. Also: “Hart bleiben, Frau Bundeskanzlerin”, und nicht den gierigen Griechen-Radikalos nachgeben. Oder in eine klare politische Forderung gegossen:

Ein Euro-Land, das keine Reformvorgaben mehr will, darf dafür keine neuen Mlliarden erhalten.

Die Schlagzeile und das Titelbild sorgten den Tag über für reichlich Aufregung. Joachim Huber vermutete in seinem “Tagesspiegel”-Kommentar beispielsweise, dass die “schräge Idee” der “Bild” eine Retourkutsche sei für einen griechischen Cartoon, der “die deutsche Griechenland-Politik mit dem Holocaust der Nazi-Deutschen assoziiert” hatte:

Jetzt die “Bild”-Revanche, eine bildhafte Revanche mit einer Kanzlerin, die den Syriza-Griechen mal zeigen soll, wo der deutsche Hammer hängt. Verfängt das? Will jemand ernsthaft, dass eine Bundeskanzlerin Politik nach Landsknechtmanier macht? Wir haben das Geld, Ihr die Schulden? Wir sind mächtig, Ihr ohnmächtig! Wir haben Milliarden, also kuscht gefälligst!

Die “The European”-Kolumisten Vincent-Immanuel Herr und Martin Speer veranlasste die Pickelhauben-Merkel auf dem “Bild”-Titel, einen offenen Brief mit grundsätzlicher Kritik an der Griechenland-Berichterstattung an “Bild”-Chef Kai Diekmann und dessen Redaktion zu schreiben:

Liebe Bild Redaktion, wir verlangen nicht von Ihnen, dass Sie die griechische Regierung oder das griechische Volk in höchsten Tönen loben, oder jede Entscheidung und Entwicklung unterstützen. Im Gegenteil, kritischer Journalismus ist gerade hier mehr nötig denn je. Daher: Nehmen Sie Ihre Verantwortung als eines der führenden meinungsbildenden Organe in Europa wahr und gestehen Ihren Leserinnen und Lesern die Möglichkeit zu, selber Abwägungen und Schlüsse zu ziehen, Meinungen zu formulieren und so Demokratie zu leben. Alles andere beschädigt nicht nur die Integrität Europas, sondern vernachlässigt auch Ihre eigenen Standards und journalistischen Grundsätze.

Und Kai Diekmann? Der konnte das ganze Bohei natürlich angeblich gar nicht verstehen. Man habe doch auch schon Mario Draghi, dem Chef der Europäischen Zentralbank, die Bismarck‘sche Pickelhaube aufgesetzt:

Mit seinem Tweet zum Draghi-Artikel wollte Diekmann zeigen, ja, was eigentlich? Dass er und sein Team schon im März 2012 auf diesen Wahnsinns-Einfall gekommen sind?

Nun ist es aber ein Unterschied, ob man einem italienischen Oberbanker eines der großen Symbole des preußischen Militarismus aufsetzt, um zu zeigen: “So deutsch ist der neue EZB-Chef”; oder ob man die deutsche Kanzlerin damit in den Kampf gegen Griechenland schickt.

Die Idee, Angela Merkel digital eine Pickelhaube zu verpassen, ist übrigens alles andere als neu. Die britische “Daily Mail” ist schon vor einem Jahr drauf gekommen:

Damals fand Bild.de die Aktion aber alles andere als lustig:

Mit Dank an @MarvinStr, Mathias R., Pascal W. und Raphael S.

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“Bild” druckt freiwillig zu kleine Gegendarstellung

Die heutige Titelseite der “Bild”-Zeitung sieht auf den ersten Blick ganz normal aus: ein bisschen Fußball (“Neuer Zwirn für Schweini”), ein bisschen mehr vom Wir-gegen-die-Griechen-Gefühl (“Merkel rettet Griechenland mit unserem Geld!”), was Kurioses (“Betrunkener Einbrecher schläft im Kofferraum ein”). Oben rechts wird’s aber eher ungewöhnlich, da steht nämlich das hier:

Sie bezieht sich auf die riesige “Bild”-Titelstory vom 17. Juni, in der das Blatt keinen Zweifel daran ließ, was nach der Urteilsverkündung im Tuğçe-Prozess (BILDblog berichtete) passiert ist:

Das Besondere an der Gegendarstellung auf der “Bild”-Titelseite von heute: Sie hätte in dieser Form gar nicht abgedruckt werden müssen.

Vor zwei Wochen hat das Landgericht Berlin zugunsten von Sadija M. eine einstweilige Verfügung erlassen und die “Bild”-Zeitung dazu verdonnert, eine Gegendarstellung abzudrucken. Gegen diese Abdruckanordnung hat “Bild” Widerspruch eingelegt, eine mündliche Verhandlung folgt in der kommenden Woche. Trotzdem hat sie schon heute eine Gegendarstellung veröffentlicht, allerdings nicht entsprechend den Vorgaben des Gerichts.

Warum? Der Grund könnte in eben diesen gerichtlichen Vorgaben liegen: Demnach muss das Wort “Gegendarstellung” in der Größe der Dachzeile der Erstveröffentlichung (“EKLAT NACH DEM HAFTURTEIL”) gedruckt werden, der dazugehörige Text (“In der BILD-Zeitung vom 17.06.2015 haben Sie auf …”) in der Größe der einstigen Überschrift (“Mutter des Schlägers spuckt auf Tugce-Foto!”). Das würde bedeuten, dass die Gegendarstellung am Ende in etwa so aussieht, wie die von Heide Simonis aus dem Jahr 2006.

Felix Damm, Anwalt von Sadija M., vermutet, dass die “Bild”-Zeitung sich mit dem Abdruck der kleinen Version für die mündliche Verhandlung wappnen will:

Es scheint die Hoffnung zu bestehen, das Gericht werde von der verfügten Abdruckanordnung derart abweichen, dass mit dem Abdruck der verkleinerten Version der gerichtlichen Entscheidung genügt wurde. Ich gehe allerdings davon aus, dass die „Bild“-Zeitung die Gegendarstellung noch einmal drucken muss, dann deutlich größer.

Warum “Bild” bei der Position bleibt, Sadija M. habe auf das Tuğçe-Foto gespuckt, steht auf Seite 6 der heutigen Ausgabe:

Dem Gericht legte [M.] eine eidesstattliche Versicherung vor, nach der sie nicht gespuckt habe.

Wir glauben, dass Frau [M.] lügt, und bleiben deshalb bei unserer Darstellung und werden Strafanzeige stellen.

Mehrere Zeugen haben den Vorgang beobachtet und gegenüber BILD bestätigt.

Interessanterweise berichteten auch andere Medien von einem Spucken nach der Verhandlung, sie ordneten es im Gegensatz zur “Bild”-Redaktion aber nicht unmittelbar Sadija M. zu.

Ihr Anwalt Felix Damm sagt, ihn erinnere die Art der “Bild”-Berichterstattung über seine Mandantin an eine “moderne Form der Sippenhaft”:

Als Sanel M. im Gefängnis saß, hat sich die “Bild”-Zeitung dessen Bruder vorgenommen. Als sie damit durch war, kam die Mutter dran. Es wird versucht, der Öffentlichkeit eine schuldige Familie zu präsentieren.

Deswegen gehe Familie M. nun juristisch gegen einzelne Veröffentlichungen vor. Erste Unterlassungserklärungen konnte sie bereits einsammeln. Zum Beispiel hatte “Bild” auch ein unverpixeltes Foto der Mutter abgedruckt. Das Blatt darf es nun nicht mehr zeigen — weiß sich aber natürlich zu helfen und druckt heute einfach ein anderes Foto der Mutter, schon wieder ohne jede Unkenntlichmachung. Auch dagegen wird sie sich nun wehren.„"

Exklusiv: “Bild” versteht Regierungspapier falsch

Ach, wie müssen sie sich gefreut haben in der „Bild“-Redaktion, als sie heute „exklusiv“ verkünden konnten:

Vor Verhandlung der Euro-Finanzminister um drittes Hilfspaket - Bundesregierung lehnt Griechen-Rettungsprogramm ab

Im Text schrieben die Griechenland-Chefhetzer Paul Ronzheimer und Dirk Hoeren:

Die Bundesregierung hält die Vereinbarung von Geldgebern und griechischer Regierung über ein drittes Rettungspaket für nicht ausreichend.

Nach BILD-Informationen aus EU-Kreisen sieht Berlin vor allem bei der Beteiligung des Internationalen Währungsfonds, der Schuldentragfähigkeit und den Privatisierungen noch offene Fragen.

„Bild“ berief sich dabei auf ein Papier, das auch den Springer-Kollegen der „Welt“ vorlag – und die interessanterweise zu einem ganz anderen Urteil kamen:

Das sah Ronzheimer natürlich anders:

Nun …

… anderthalb Stunden später schrieb die Nachrichtenagentur Reuters, das Wirtschaftsministerium sei „verwundert über den Bericht über eine angebliche Stellungnahme der Bundesregierung“. Das Ministerium beurteile „den Verhandlungsstand positiv“, und eine „abgestimmte Position der Bundesregierung gebe es noch nicht“. Auch das Finanzministerium erklärte, es habe zwar „Fragen formuliert“, diese seien aber „Teil des Prüfprozesses, der noch nicht abgeschlossen ist“. Kurzum:

Die Darstellung, die Bundesregierung lehne das Rettungsprogramm ab, sei falsch.

Spätestens da mussten sie das auch in der „Bild“-Redaktion einsehen. Inzwischen sieht die Überschrift des Artikels so aus:

Euro-Finanzminister wollen am Freitag abstimmen - Zoff zwischen Schäuble und Gabriel um 3. Griechen-Hilfspaket

Auch der Text wurde an einigen Stellen still und leise geändert. Unter anderem heißt es jetzt:

Die Darstellung, die Bundesregierung lehne das Rettungsprogramm ab, sei falsch, heißt es aus dem Finanzministerium.

Woher diese Darstellung kam, verraten Ronzheimer und Hoeren selbstverständlich nicht.

Krebserkrankung als Clickbait

Der Autor und Moderator Roger Willemsen ist an Krebs erkrankt und hat alle Auftritte in diesem Jahr abgesagt, wie sein Büro heute mitteilen ließ.

Die zur Bauer Media Group gehörende Fernsehzeitschrift “TV Movie” hatte die folgende Idee, wie man aus dieser Meldung maximales Kapital schlagen könnte:

Und nein, das ist leider kein Fake.

Mit Dank an @SvenRuoss.

Nachtrag, 23.15 Uhr: „TV Movie“ hat den Post gelöscht und eine Entschuldigung veröffentlicht:

Interessant, dass die Redaktion jetzt bemerkt, wie geschmacklos diese “Posting-Art” ist. Denn seit Monaten macht sie auf ihrer Facebook-Seite kaum etwas anderes. Hier nur eine minimale Auswahl:





Und permanent benutzt die „TV Movie“ den Tod berühmter Menschen, um die Leute auf ihre Seite zu locken:



























Und das sind nur die Todes-Postings der letzten sechs Wochen (mehr konnten wir uns nicht antun).

Immer wieder haben Leser dieses Clickbaiting in den vergangenen Monaten kritisiert. Aber erst jetzt fällt der “TV Movie” auf, dass da etwas dran sein könnte.

Nachtrag, 19. August, 15.40 Uhr: Die Redaktion hat sich jetzt noch einmal für den Willemsen-Post entschuldigt. Auf die anderen Einträge geht sie aber mit keinem Wort ein:

Nachtrag, 19. August, 16.40 Uhr: Im Wikipedia-Eintrag zur “TV Movie” steht seit gestern folgender Abschnitt:

Heute Mittag hat ein Wikipedia-Nutzer mehrmals versucht, diesen Abschnitt zu löschen. Seine IP ist registriert auf die Bauer Systems KG. Auf seiner Benutzerseite steht:

Der Abschnitt wurde inzwischen wiederhergestellt, der Nutzer wegen Manipulationen vorerst gesperrt.

Mit Dank an @AlexElvers!

Nachtrag, 9. August 2018: Günther Jauch, der auch im Posting abgebildet war, ist gegen “TV Movie” vorgegangen und hat nun, drei Jahre später, recht bekommen. Das Landgericht Köln stellte fest, dass die Verwendung von Jauchs Foto in diesem Zusammenhang “ungehörig” und rechtswidrig war. Außerdem stehe ihm eine Lizenzgebühr zu, weil der Verlag das Foto für kommerzielle Zwecke ausgenutzt habe.

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Wer gegen Massenunterkünfte ist, muss gegen Flüchtlinge sein

In Potsdam sieht es derzeit so aus, wie in vielen anderen Städten und Gemeinden: Die Verwaltung sucht dringend nach möglichem Wohnraum für Geflüchtete. Bei der durchaus schwierigen Suche nach freien Plätzen hat die Stadt Potsdam auch beim örtlichen Kulturzentrum “freiLand” nachgefragt. Und das hat in einem offenen Brief geantwortet:

Am Montag dem 14.09.2015 erreichte uns über eine Arbeitsgruppe der Stadt Potsdam die Anfrage, ob auf dem freiLand-Gelände über einen längeren Zeitraum Unterkünfte für Geflüchtete aufgestellt werden könnten. Längerer Zeitraum bedeutet hier eine Unterbringung von Flüchtlingen über mehrere Jahre und nicht ein vorübergehendes Provisorium.

Die Pläne sähen vor, “zwei Container mit Stoffdächern” aufzustellen, die “jeweils 48 Geflüchteten Platz bieten sollen.” In diesen Containern befänden sich lediglich Schlafplätze, “Sanitäreinrichtungen würden zusätzlich auf dem Gelände installiert werden.” Gemeinschaftsräume und Küchen seien nicht vorgesehen, die Beheizung solle per Heißluftgebläse erfolgen.

Das ist nach Meinung des Kulturzentrums keine angemessene Lösung:

Aus unserer Sicht ist diese Form der massenhaften Unterbringung von Geflüchteten über Monate und Jahre hinweg unzumutbar. Sie nimmt den Menschen die letzten Möglichkeiten, selbstbestimmt zu leben und zu handeln.

Das “freiLand”, nach eigenen Angaben recht aktiv in der Flüchtlingshilfe vor Ort, schreibt aber auch, dass es “absolut bereit” sei, “Menschen einen Zufluchtsort — auf bestimmte oder unbestimmte Zeit — zu bieten.”

Also: Ein Angebot, Flüchtlingen einen Platz zu bieten, gleichzeitig die Forderung nach einer würdevollen Unterbringung — müsste doch eigentlich was für die “Wir Helfer” der “Bild”-Zeitung sein. Oder?

Mal abgesehen von der Verkürzung, der Verdrehung und der einseitigen Auslegung des offenen Briefes: Einer Einrichtung, die sich für eine würdevolle Unterbringung von Geflüchteten stark macht, vorzuwerfen, sie sei “richtig herzlos”, ist so, als würde man dem FC St. Pauli vorwerfen, er hätte “Kein Herz für Flüchtlinge”.

Sind Medienberichte über Selbstmord gefährlich?

Im vergangenen Jahr fragte “Focus Online”:

… und erklärte:

Der Deutsche Presserat hat vor vielen Jahren eine (…) ethische Empfehlung beschlossen. Sinngemäß wird in dieser Empfehlung vorgeschlagen, weitgehend auf die Berichterstattung [über Suizide] zu verzichten. Zumindest nicht ausgebreitet und im Einzelnen bezogen auf die Person. (…)

Die ethische Selbstbeschränkung erwuchs aus der Angst vor einem Nachahmeffekt. Kurz gesagt: Berichterstattung würde andere zum Selbstmord anstiften.

Der “Focus Online”-“Experte” hat an dieser These so seine Zweifel. Viel näher geht er aber nicht darauf ein und lässt die Frage in der Überschrift unbeantwortet. Er will sich auch gar nicht damit befassen, denn:

Es geht mir an dieser Stelle nicht um die Diskussion, ob es einen Nachahmeffekt gibt oder nicht. Ich halte eine solche Diskussion grundsätzlich für überflüssig, zumal sich Suizid heutzutage, vor allem im Bereich Social Media, bereits öffentlich abspielt oder dort inszeniert wird.

Ahso.

Man kann lange über ethische Selbstbeschränkung reden oder nicht. Die Fakten sprechen eine eigene Sprache.

In der Tat.

Mitte der 70er-Jahre wies der amerikanische Soziologe David Phillips nach, dass immer, wenn die „New York Times“ prominent über einen Selbstmord berichtet hatte, die Zahl der Selbstmorde deutlich anstieg. Je länger und prominenter über den Suizid berichtet wurde, desto größer war der folgende Anstieg. Phillips erkannte auch örtliche Zusammenhänge: Wenn beispielsweise ein Selbstmord nur in New York groß auf der Titelseite behandelt wurde, nicht aber in Chicago, stieg die Zahl der Selbstmorde in New York stärker als in Chicago. Während eines neunmonatigen Zeitungsstreiks in Detroit sank die Zahl der Selbstmorde dort signifikant.

Anfang der 80er zeigte das ZDF die (fiktive) Serie „Tod eines Schülers“, in dem sich ein Jugendlicher das Leben nimmt. Hinterher nahm die Zahl ähnlicher Suizide bei jungen Männern um 175 Prozent zu. Selbst bei der Wiederholung der Serie eineinhalb Jahre später stellten Wissenschaftler noch einen erheblichen Nachahmungseffekt fest.

Auch nach dem Suizid von Fußballer Robert Enke, über den deutsche Medien sehr detailliert berichtet hatten, stieg die Zahl ähnlicher Suizide deutlich an — in den ersten zwei Wochen um 138 Prozent. Die Forscher beobachteten auch längerfristige Folgen: Im Vergleich zu den zwei Jahren vor Enkes Tod stieg die Zahl ähnlicher Selbstmorde in den zwei Jahren danach um 19 Prozent.

Auch in Japan haben Wissenschaftler einen solchen Nachahmeffekt nachgewiesen. Und in Österreich. Und in Großbritannien. Und in Korea. Und in Taiwan. Und in Australien. Und in der Schweiz. Nur wenige Beispiele von unzähligen Studien, die belegen, dass Medien die Zahl der Selbstmorde in die Höhe treiben. Oder wie der australische Psychiater Robert D. Goldney‌ schon vor 25 Jahren feststellte:

Es besteht kein begründeter Zweifel mehr, dass die Medien zu Selbstmorden beitragen. Eine unreflektierte Berichterstattung wird zwangsläufig zu weiteren Selbstmorden führen.

“Focus Online” ist das egal.

“Focus Online” berichtet über Suizide wie über alles andere: durch und durch getrieben von der Gier nach Klicks. Nach dem Suizid von Schauspieler Robin Williams veröffentlichte das Portal allein in den ersten vier Tagen über 70 Artikel und erklärte unter anderem detailliert, wie sich der Schauspieler das Leben genommen hatte. Auch der Selbstmord von Ben Wettervogel zog ein regelrechtes Artikelfeuerwerk nach sich; “Focus Online” beschrieb die genaue Suizidmethode, spekulierte über die Motive, brachte immer wieder “neue Details zu seinem Tod”. Und selbst Nicht-Prominente werden nicht verschont: Erst vor drei Wochen rügte der Presserat das Portal öffentlich, weil es über den Suizid eines 13-jährigen Mädchens berichtet und die “geforderte Zurückhaltung” dabei “grob missachtet” hatte.

Wie Medien über Suizide berichten sollten, um Nachahmungstaten zu vermeiden:

  • Sie sollten jede Bewertung von Suiziden als heroisch, romantisch oder tragisch vermeiden, um möglichen Nachahmern keine post-mortalen Gratifikationen in Form von Anerkennung, Verehrung oder Mitleid in Aussicht zu stellen.
  • Sie sollten weder den Namen der Suizidenten noch sein Alter und sein Geschlecht angeben, um eine Zielgruppen-Identifizierung auszuschließen.
  • Sie sollten die Suizidmethode und – besonders bei spektakulären Fällen – den Ort des Suizides nicht erwähnen, um die konkrete Imitation unmöglich zu machen.
  • Sie sollten vor allem keine Informationen über die Motivation, die äußeren und inneren Ursachen des Suizides andeuten, um so jede Identifikations-Möglichkeit und Motivations-Brücke mit den entsprechenden Lebensumständen und Problemen des Suizidenten vermeiden.

(Quelle: psychosoziale-gesundheit.net)

Diese Zurückhaltung ist das, was der “Focus Online”-“Experte” als “ethische Selbstbeschränkung” bezeichnet. Viele Institutionen — darunter die Weltgesundheitsorganisation, die Deutsche Depressionshilfe, die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention oder eben der Presserat — empfehlen Journalisten, weder prominent noch detailliert über Suizide zu berichten, um Nachahmungstaten zu vermeiden (siehe Kasten rechts).

Wie wirksam diese Zurückhaltung sein kann, zeigt ein Beispiel aus Österreich. Nach der Eröffnung der U-Bahn in Wien im Jahr 1978 kam es dort zu einem dramatischen Anstieg der Suizide und Suizidversuche, über die (vor allem in den Printmedien) intensiv und plakativ berichtet wurde. Gegen Ende der 80er-Jahre entwickelte der Österreichische Verein für Suizidprävention einige Richtlinien für Medien, die zum Beispiel nahelegten, keine Details zu nennen und nicht zu emotionalisieren, keine Fotos zu zeigen und nicht auf der Titelseite zu berichten. Nachdem die Redaktionen die Empfehlungen umgesetzt hatten, sank die Zahl der U-Bahn-Suizide um 75 Prozent.

Was bringt es den Lesern auch, wenn sie erfahren, wie genau sich jemand das Leben genommen hat? Oder an welchem Ort? Für das Verständnis des Geschehens sind diese Details völlig irrelevant.

“Focus Online” ist das egal.













Die Artikel sind die jüngsten Beispiele für den gedankenlosen Veröffentlichungswahn von “Focus Online”. Erneut nennt das Portal die genaue Suizidmethode der Frau, spekuliert über ihre Motive, zitiert aus ihrem angeblichen Abschiedsbrief und gibt sich auch sonst wieder jede Mühe, es Nachahmern möglichst einfach zu machen. Diskussionen? “Überflüssig”.

Und natürlich hat “Focus Online” auch kein Problem damit, die Artikel mit Eigenwerbung vollzuballern.

Oder hier:

Der Link führt übrigens zum “Focus Online”-Ratgeber “Den passenden Grabstein finden”.

Immerhin: Unter manchen Artikeln gibt “Focus Online” inzwischen die Nummer der Telefonseelsorge an. Hier zum Beispiel:

Leider ist “Focus Online” nicht das einzige Medium, das die Empfehlungen zur Nachahmungsprävention regelmäßig und mit großer Sorgfalt ignoriert. Auch seriösere Journalisten reihen sich ein, und natürlich die von “Bild”.

Auch die nutzen solche Artikel ohne große Hemmungen zum Geldverdienen:

Der Text handelt vom Suizid von Jim Carreys Ex-Freundin, der auch bei Bild.de ausführlichst vorkommt. Bild.de schreibt Dinge wie …

… und …

… und …

… und nennt dermaßen viele Details, dass Nachahmer kein Problem hätten, den Selbstmord haargenau zu kopieren.

Und dann schreibt Bild.de unter den Artikeln:

Der erste Satz ist ein bisschen umständlich formuliert. Was die „Bild“-Leute eigentlich sagen wollen:

Wenn die Umstände eines Suizids eine gute Schlagzeile abgeben, schenken wir ihm besondere Aufmerksamkeit. Dann zitieren wir aus Abschiedsbriefen, dann spekulieren wir über die Motive und erklären in aller Ausführlichkeit die Suizidmethode. Und die Sache mit der Nachahmung, tja. Manchmal muss man sich eben zwischen Klicks und Menschenleben entscheiden.

Mit Dank auch an Lukas H. und Nicolas K.

Siehe auch:
Schreiben wir über Suizid!
Über Enke und Werther
Wenn Schlagzeilen Menschenleben kosten
Mick Werup
Wie man den Werther-Effekt ignoriert

Rügenritt in Sternchenjeans

Dürfen wir vorstellen:

„Georgie“ ist die Kinder-Rubrik der Reitsport-Zeitschrift „St. Georg“ — normalerweise nicht ganz unser Beritt, aber wenn mit einer Redaktion dermaßen die Pferde durchg… okay, zur Sache.

Doch in Wahrheit waren es nicht “Georgie” und die Redaktion von „St. Georg“, die das “herausgefunden” haben, sondern: HKM Sports Equipment.

Denn die Outfits, die Bibi und ihre Freundin Tina im Film tragen, wurden von HKM Sports Equipment gestellt und inzwischen könnt auch ihr euch in Bibi und Tina und eure Pferde in Amadeus und Sabrina verwandeln. Aber wie entsteht eigentlich so eine Kollektion? HKM Sports Equipment erklärt es euch.

Vor allem erklärt HKM Sports Equipment aber, wie umwerfend HKM Sports Equipment doch ist — vier Seiten lang:


Im Laufe des letzten Jahres konnte das HKM-Team immer wieder Einblicke in die Filmwelt erhaschen. Die Darstellerinnen von Bibi & Tina, Lina Larissa Strahl und Lisa-Marie Koroll, haben sogar mal ganz liebe Grüße direkt vom Filmset geschickt. Echt aufregend.

Au ja. Aber der Höhepunkt kommt erst noch.

Im Dezember war es dann so weit: Weltpremiere in Berlin und das Team HKM war mit zwölf Mädels live dabei. Das war mal etwas ganz Besonderes, denn bei der Premiere ebenfalls anwesend waren Schauspieler wie Heino Ferch oder Max von der Groeben. Und die HKMs mitten drin. Während des Films haben sie natürlich immer wieder geschaut, wo Produkte von ihnen verwendet wurden und klar, da waren sie schon ziemlich stolz, als sie die vielen Produkte entdeckt haben.

Auch Teil der Premiere: Die Präsentation der HKM by Bibi & Tina Reitsportkollektion. Das war natürlich ganz besonders aufregend für die HKM-Mannschaft und eigentlich beinahe der wichtigste Teil – ähnlich wie die entscheidende Germany‘s Next Topmodel-Frage, ob Heidi ein Foto für die Kandidatin hat. Hier stellte sich die Frage: Wie kommt die Kollektion bei den kleinen Reiterinnen an? Hat sich die monatelange Arbeit und das Herzblut gelohnt, das hineingesteckt wurde? Gefallen Sternchenjeans in blau und Oversizeblouson in knallrot den Bibi & Tina Fans?

Antwort: Ja, HKM, wir haben ein Foto für Dich! Da waren Freude und Erleichterung bei allen Beteiligten natürlich groß.

Und was noch toller ist: Auch in jenen Ländern, in denen Bibi & Tina gar nicht jeder kennt (stellt euch vor, das gibt‘s!), HKM aber viele Kunden hat, kommt die Kollektion toll an. Und wer freut sich nicht über zufriedene Kunden?!

Übrigens apropos Inspiration – die Begeisterung für das „voll verhexte“ Bibi & Tina Outfit hat Desginchef Stefan und sein Team zur Entwicklung von „Little Sister“ inspiriert, einer neuen Kollektion für die kleine Reiterin, die ab Herbst 2015 erhältlich sein wird.

Übrigens apropos Begeisterung. Der Deutsche Presserat zeigte sich weniger angetan von dieser Schleichwerbung und sprach eine Rüge gegen „St. Georg“ aus.

Es war bei Weitem nicht der einzige Schleichwerbetext, der vom Presserat gerügt wurde. Wir sind zwar etwas spät dran (die Sitzung fand im September statt), wollen uns die Geschichten aber trotzdem noch etwas genauer anschauen.

***

Da wäre zunächst dieser Artikel, erschienen in der “Rheinischen Post”:

Eine Bank, die Kredite vergibt? Hammer!

Das Kleveblog (das uns freundlicherweise auch das Foto zur Verfügung gestellt hat) schreibt dazu:

Im Text, Bestandteil des redaktionellen Angebots und nicht als Anzeige gekennzeichnet, heißt es: „DieVolksbank Kleverland stellt ihren Kunden Kunden [sic!] für private Anschaffungen schnell und unkompliziert Darlehen zur Verfügung. Der Wunschbetrag kann dabei bis 75000 Euro betragen.“ Kundenberater Benjamin Brüschke sagt: „Wofür der Kunde den Kredit braucht, spielt dabei gar keine Rolle“. Hey, it’s so easy, nehmt die Kohle! Der junge Mann posiert auch für das Foto, vor einem üppigen Mercedes und mit einem Easy-Credit-Plakat in der Hand, das ein Pärchen zeigt, welches fröhlich verkündet: „Unser Kredit, so individuell wie wir“.

Diese „ausschließlich positive und völlig unkritische“ Berichterstattung der „Rheinischen Post“ sei „nicht von öffentlichem Interesse“ gewesen und habe „deutlich die Grenze zur Schleichwerbung“ überschritten, urteilte auch der Presserat und sprach eine Rüge aus.

***

Gerügt wurden auch die „Westfälischen Nachrichten“. Die Zeitung hatte im Rahmen einer „Medienpartnerschaft“ drei redaktionelle Beiträge über Unternehmen und ihr Angebot veröffentlicht. Beigestellt waren den Artikeln Anzeigen der Unternehmen. Auch hier erkannte der Presserat Schleichwerbung.

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Die „Leipziger Volkszeitung“ wurde gerügt, weil sie auf der Titelseite auf eine werbliche Veröffentlichung im Innenteil hingewiesen hatte (es ging um Navigationsgeräte). „Ein solcher Querverweis ist mit der erforderlichen klaren Trennung von Redaktion und Werbung nicht vereinbar“, befand der Presserat.

***

Ebenfalls wegen Schleichwerbung gerügt wurde „Sonntag Aktuell“. Das Blatt hatte, so der Presserat, „25 ausgewählte Urlaubshotels vorgestellt und dabei auch werbliche Formulierungen verwendet. Im Umfeld der Artikel wurden zudem zwei redaktionell gestaltete Anzeigen veröffentlicht, die mit ‘Sonderveröffentlichung’ gekennzeichnet waren. Dieser Begriff ist jedoch nicht geeignet, die Werbung für den Leser klar als solche erkennbar zu machen”.

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Eine Rüge ging auch an „L.A. Multimedia“. Die „Zeitschrift für den Einsatz von Multimedia, EDV, IT und Kommunikationstechnologien in Schulen“ (Eigenbeschreibung) hatte „unter anderem in werblicher Sprache über IT-Produkte berichtet und dabei jeweils einen bestimmten Hersteller bzw. Anbieter hervorgehoben“, wie der Presserat schreibt. „Zudem enthielten die Artikel Hinweise auf die Web-Seiten der Unternehmen. Einer der Artikel war sogar von einem leitenden Mitarbeiter eines Herstellerunternehmens verfasst worden.“ Der Presserat beurteilte auch diese Artikel als Schleichwerbung.

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Auch Bild.de bekam eine Rüge. Nicht wegen Schleichwerbung, sondern “wegen einer unangemessen sensationellen Darstellung eines grausamen Unfalls”. Der Presserat schreibt:

Die Redaktion hatte ein Video veröffentlicht, das zeigt, wie Sportler der European Games von einem Bus angefahren werden. Sie erlitten zum Teil schwere Verletzungen.

Im Video wird mehrfach der Moment des Aufpralls gezeigt. Diese Wiederholung des Unfallmoments geht über ein öffentliches Interesse hinaus, die Grenze zur Sensationsberichterstattung nach Ziffer 11 des Pressekodex wird überschritten, bewertete der Presserat.

Inzwischen hat Bild.de das Video geändert; jetzt ist der Aufprall nur noch einmal zu sehen. Natürlich mit vorgeschalteter Werbung.

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Negativer Spitzenreiter war diesmal allerdings „Focus Online“, das gleich drei Rügen kassierte. Einen für diesen Artikel:

„Man fühlt sich nicht wie beim Einkaufen, sondern wie bei Freunden.“ So oder so ähnlich beschreiben viele Frauen die angenehme Einkaufsatmosphäre, für die schon einmal extra Meilen zurückgelegt werden. Statt vollgestopften Regalschluchten in irrgartenartigen Minifilialen sind alle dm-Läden stets aufgeräumt sowie hell und freundlich gestaltet.

In den breiten Gängen kann man mühelos mit dem Einkaufs- oder Kinderwagen manövrieren. Gerade junge Mütter wissen diese Breite des Raumes zu schätzen, auch weil der Nachwuchs mit seinem eigenen Kindereinkaufswagen nicht alle drei Sekunden irgendwo anstößt.

Ein weiterer Pluspunkt: die schräg stehenden, niedrigen Regale ermöglichen selbst kleinen Frauen einen guten (Über-) Blick auf die Produkte.

Toll. Und das war erst Punkt 1 („Die Atmosphäre“). Es folgen acht weitere Lobeshymnen — „Das Lebensgefühl“, „Das Personal“, „Die Beratung“, „Das Angebot“, „Die Eigenmarken“, „Die Transparenz“, „Die Nachhaltigkeit“, „Die Ideologie“ — und nicht ein einziges kritisches Tönchen.

„Focus Online“ argumentierte zwar, „es handle sich zwar um einem wohlwollenden, aber keinen werblichen Beitrag, da keinerlei Vergünstigung für die Redaktion daraus entstand“, dem folgte der Presserat allerdings nicht.

Die zweite Rüge bekam „Focus Online“ für einen Artikel mit der Überschrift:

Dahinter verbarg sich dieses Video (BILDblog berichtete):

„Focus Online“ schrieb:

Eine ganz normale Straßensperre in Russland: Ein Auto wird aufgehalten, weil es nur einen funktionierenden Scheinwerfer hat. Während der Polizist noch mit dem Fahrer redet, taucht plötzlich ein Rudel Wölfe aus dem nichts auf. Gerade noch kann sich der Polizist retten.

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Was die Redaktion nicht erwähnte: Das Video ist ein vier Jahre alter Fake und wurde als Teil einer Wodka-Werbekampagne verbreitet.

Darin sah der Presserat „einen schwerwiegenden Verstoß gegen das in Ziffer 1 des Pressekodex festgeschriebene Gebot zur wahrhaftigen Unterrichtung der Öffentlichkeit.“

Eine dritte Rüge bekam „Focus Online“, weil das Portal über den Suizid eines Mädchens berichtet und dabei den vollen Namen genannt und ein Foto des Mädchens gezeigt hatte. Die Rüge bezieht sich dabei explizit nur auf den Facebook-Auftritt von „Focus Online“ (vermutlich, weil nur dazu – und nicht zum Artikel selbst – eine Beschwerde eingegangen war). Der Presserat schreibt: „Die in Richtlinie 8.7 geforderte Zurückhaltung bei der Berichterstattung über Selbsttötung wurde hier grob missachtet.“

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Neben den zehn Rügen sprach der Presserat auch 19 Missbilligungen aus. Sechs davon gingen an Bild.de.

In diesem Fall hatte “Bild”, wie so häufig, wenn es von grausamen Unfällen keine grausamen Fotos gibt, eine grausame Zeichnung anfertigen lassen — und verstieß damit gegen Ziffer 11 des Pressekodex (“Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid”).

So auch in diesem Fall:


Für beide Zeichnungen erhielt Bild.de Missbilligungen; die mit der Straßenbahn wurde inzwischen gelöscht, die mit der Statue ist weiterhin online.

Eine weitere Missbilligung gab es für diesen Artikel:

(Unkenntlichmachung der Frau von uns.)

Bild.de hatte das Gesicht der Frau nicht verpixelt — ein Verstoß gegen Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit). Das Foto ist übrigens immer noch unverändert online.

Ebenfalls missbilligt wurde dieser Artikel:

Darin zeigt Bild.de mehrere (Agentur-)Fotos der Opfer ohne jede Unkenntlichmachung. Auch hier erkannte der Presserat einen Verstoß gegen Ziffer 8. Und auch diese Fotos sind immer noch online.

Auch dafür gab es eine Missbilligung. Das Foto verstoße gegen die Ziffern 1 (Achtung der Menschenwürde) und 11 (Sensationsberichterstattung).

Missbilligt wurde schließlich auch dieser Artikel:

Darin zeigt Bild.de ein Video (auch das ist nach wie vor online), auf dem ein hilfloser Mann immer wieder getreten und geschlagen wird. Damit verstößt das Portal nach Auffassung des Presserats gegen Ziffer 11, weil der Leser die Möglichkeit habe, unmittelbar bei der Gewalttat dabei zu sein. Außerdem erhöhe dies das Risiko von Nachahmungen.

Darüber hinaus sprach der Presserat auch zwei “Hinweise” gegen “Bild” bzw. Bild.de aus. Einen wegen des (inzwischen entfernten) Emotions-Tools, mit dem die Online-Leser auch bei den unpassendsten Gelegenheiten “Lachen” konnten:

Der Presserat erklärte, es schade dem Ansehen der Presse, “wenn ein Medium bei einem Beitrag, der sich mit einer Gewalttat gegen einen Menschen beschäftigt, den Usern die Möglichkeit eröffnet, den Artikel mit einer Emotion wie ‘Lachen’ zu bewerten” (siehe dazu auch hier und hier).

Der zweite Hinweis ging an die gedruckte “Bild”-Zeitung, weil sie ein Mädchen, das zunächst vermisst worden aber dann wieder aufgetaucht war, auch nach dem Auftauchen unverpixelt gezeigt hatte:

Eine Rüge, sechs Missbilligungen, zwei Hinweise — da können die Leute von “Bild” ja wieder richtig stolz auf sich sein.

Bild  

“Bild” macht friedliche Moslems zu radikalen Islamisten

Alte „Bild“-Grundregel: Menschen, die etwas Schlimmes getan haben, verlieren automatisch ihre Persönlichkeitsrechte.

Egal, wie alt sie sind.


(Unkenntlichmachung von uns.)

Die 15-Jährige soll regelmäßig eine Moschee von radikalen Islamisten besucht haben, wollte angeblich nach Syrien reisen (darum “ISIS-Horror”) und steht nun im Verdacht, in Hannover einen Polizisten niedergestochen zu haben.

Aus dem Pressekodex:
Bei einer identifizierenden Berichterstattung muss das Informationsinteresse der Öffentlichkeit die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegen; bloße Sensationsinteressen rechtfertigen keine identifizierende Berichterstattung. (…) Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

Das Foto des Mädchens hat „Bild“ (noch so eine alte Grundregel) bei Facebook besorgt, ebenso wie die meisten Fotos im Innenteil: das Mädchen im Kinderzimmer, auf einem Pferd, vor dem Eiffelturm …

Ob wenigstens das richtige Kind zu sehen ist, wissen wir nicht. Gut möglich, dass die Fotobeschaffer wieder mal im falschen Profil gewildert haben.

Allzu sorgfältig sind die “Bild”-Leute auf ihrer Fotojagd jedenfalls nicht vorgegangen, wie dieses Beispiel (ebenfalls aus dem Artikel) zeigt:

Das stimmt nicht. Das Foto zeigt keine Moschee, sondern ein Cem-Haus. Und es gehört nicht zum „Deutschsprachigen Islamkreis“, sondern zur „Alevitischen Gemeinde“ Hannovers.

Das mag für „Bild“-Redakteure eh alles dasselbe sein, ist es in der Realität aber nicht.

Im Gegensatz zum salafistischen Islamkreis in Hannover ist die alevitische Gemeinde Mitglied in der Deutschen Islamkonferenz und wird nicht vom Verfassungsschutz beobachtet. Von Salafisten unterscheidet Aleviten ohnehin eine ganze Menge: Männer und Frauen beten bei ihnen gemeinsam, sie deuten den Koran nicht wörtlich und lehnen die fünf Säulen des Islam ab. Mit dem „Islamischen Staat“ verbindet sie allenfalls, dass er ihnen die Köpfe abschneiden will.

Anders gesagt: Das abgebildete Haus und die Gemeinde, zu der es gehört, haben überhaupt nichts mit dem „Terror-Mädchen“ zu tun; “Bild” bringt sie zu Unrecht mit dem “ISIS-Horror” in Verbindung.

Ein Mitglied der Gemeinde sagte uns, sie würden oft beleidigt und bedroht, weil viele Leute annähmen, sie hätten was mit Terroristen zu tun. Durch die falsche Bebilderung würden sie jetzt umso mehr zur Zielscheibe.

Bei Facebook schreibt der Vorstand der Gemeinde, er fasse dies “als bewusste Tat gegen uns auf”.

Wir würden eher auf Fahrlässigkeit tippen. Wenn die “Bild”-Zeitung die Wahl hat zwischen Sorgfalt und Schnelligkeit, entscheidet sie sich eben für Letzteres. Auch wenn sie dabei in Kauf nimmt, unbeteiligte Menschen zu Hassobjekten zu machen. Alte Grundregel.

Nachtrag, 23.15 Uhr: Wie wir gerade entdeckt haben, hat “Bild” heute eine Korrektur veröffentlicht.

Falls Sie auch nicht gleich fündig werden: Ganz oben, zwischen dem toten Wal und Sarah Connor.

Die alevitische Gemeinde schreibt dazu bei Facebook:

In der heutigen ‪#‎BILD‬ Ausgabe (05.03.2016) wurde eine Richtigstellung aufgrund der ‪#‎Fotoverwechslung‬ vom Vortag vorgenommen. Die Redaktion bedaure die Verwechslung. Die Frage ist jedoch wie es zu so einer Verwechslung kommen konnte!?
Unser Dachverband ‪#‎AABF‬ und auch die Alevitische Gemeinde ‪#‎Hannover‬ ist nun seit fast 25 Jahren im Widerstand gegen Extremismus, vor allem gegen radikalen Islamismus. Denn die Alevitische Gesellschaft kennt die Folgen extremistischer Gewalt sehr gut. Dennoch werden wir nach all den Jahren mit den Feinden der Demokratie verwechselt. Kann ein knapp verfasster Artikel das wieder gut machen?

Abgesägt, Abgestürzt, Abgemeldet

1. Journalismus wird immer besser – seine Reputation immer geringer
(de.ejo-online.eu, Michael Haller)
Ende April hat der Stern den Nannen Preis für herausragende Arbeiten im deutsch­sprachigen Journalismus verliehen. Medienwissenschaftler Michael Haller hat für das Sonderheft „Nannen Preis 2016“, in dem sich alle nominierten Arbeiten finden, einen einführenden Essay verfasst. Sein Thema: Gründe für den Widerspruch zwischen exzellentem Journalismus und schwindendem Medienvertrauen.

2. Gibt es ein Recht auf kritische Berichterstattung?
(medienwochw.ch, Mike Meißner & Silke Fürst)
Die Autoren beschäftigen sich mit der Frage, wie man den Journalismus in der Schweiz stärken und seine Unabhängigkeit sicherstellen kann. Wirtschaftlicher Druck stelle die Unabhängigkeit des Journalismus in Frage, Werbekunden würden mit Samthandschuhen angefasst und in der Berichterstattung geschont. Ein Blick ins Arbeitsrecht zeige, dass ein Gesamtarbeitsvertrag, wie es ihn in der Westschweiz und für die SRG gibt, die unabhängige und kritische Berichterstattung stärken kann.

3. Erdogan will sie mit allen Mitteln zum Schweigen bringen
(faz.net, Karen Krüger)
“Recep Tayyip Erdogan sägt jeden ab, der ihm bei seinem Projekt, die Türkei in einen autoritären Staat zu verwandeln, in die Quere kommt. “, so direkt formuliert es Karen Krüger zu Beginn Ihres Artikels. Das Urteil gegen die Journalisten Can Dündar und Erdem sei ein Exempel für das Vorgehen gegen die Pressefreiheit in der Türkei. Wer dem türkischen Präsidenten Paroli biete, hätte keine Rechte.

4. Panama ist auch in Spanien
(taz.de, Reiner Wandler)
Die “taz” berichtet über einen Fall, der derzeit die spanische Medien beschäftigt und Juan Luis Cebrián, den Chef der spanischen Medienholding Prisa, wild um sich schlagen lasse: Auf Berichte, dass seine Exfrau in den Panama-Papieren erwähnt wird, reagiere Cebrián, zu dessen Unternehmen auch die größte spanische Tageszeitung El País und Cadena Ser, der populärste Radiosender des Landes, gehören, mit Entlassungen und Verboten.

5. Huch, da sitzen ja Menschen
(zeit.de, Eike Kühl)
Auf einem amerikanischen Onlineportal erhebt ein ehemaliger, anonymer Facebook-Mitarbeiter schwere Vorwürfe: Das Netzwerk filtere Meldungen zu Ereignissen und von bestimmten Quellen bewusst aus und beeinflusse somit die Nutzer. Unter anderem sollen Mitarbeiter dafür gesorgt haben, dass Nachrichten über konservative Politiker wie Mitt Romney und Rand Paul nicht als Trend auftauchten, obwohl die Facebook-Nutzer darüber diskutierten.

6. Insolvenz – War wohl NIX
(sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Nachdem bereits im März Insolvenzantrag gestellt wurde, stellt Helmut Thomas Fernsehsender “NRW TV” nun den Sendebetrieb ein. “War wohl NIX”, kommentiert die “SZ” und spielt damit auf die Marke “NIX TV” an, mit der Thoma vor allem bei jungen Leuten Punkten wollte.

Flüchtlingszitat, #keinZwerg, ARD-Idiotien

1. Vergleichsweise kriminell: Das Flüchtlingszitat des Innenministeriums
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Das Bundeskriminalamt (BKA) hat in der vergangenen Woche erstmals bundesweit erhobene Daten zu Straftaten von Zuwanderern veröffentlicht. In dem Zusammenhang fiel die Äußerung: „Zuwanderer sind nicht krimineller als Deutsche.“, was jedoch nicht aus den Zahlen des BKA-Berichtes abgeleitet werden könne, so Medienjournalist Stefan Niggemeier auf “Übermedien”. Vermutlich sei die Aussage nicht einmal richtig, werde aber ungeprüft von vielen Medien verbreitet. Niggemeier rätselt über die Motive und fragt sich und die Leser: “Ist das die Nachrichtenroutine, in der ein korrektes Zitat erst einmal ein korrektes Zitat ist, auch wenn es inhaltlich nicht korrekt ist? Oder spielt dabei ein Wunsch der Journalisten eine Rolle, solche eine positive Nachricht zu verbreiten?”

2. Matthias Matussek und andere Leidensgenossen
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Ulrike Simon beschäftigt sich mit den Meldungen eines Branchendienstes, der jüngst bei Springer unrühmlich ausgeschiedene Matthias Matussek und sein umstrittener Anwalt Joachim Steinhöfel könnten eine Videokolumne bekommen: ausgerechnet bei einer zum Springer-Kosmos gehörenden Webseite. Eine etwas voreilige Meldung, denn dort ist man mittlerweile zurückgerudert. Ulrike Simon schreibt: “Matussek bleibt vorerst die „Weltwoche“, bei der ihn Roger Köppel als regelmäßiger Autor engagiert hat, und Steinhöfel lässt sich entweder auf der illustren Seite „Achse des Guten“ oder gleich im eigenen Blog aus, wo er mal dem „Welt“-Vize Ulf Poschardt unterstellt, geistige Miniaturen zu verfassen oder einen anders als er denkenden Redakteur der „Süddeutschen“ einen „gemütsverrotteten Spitzbuben“ nennt. Es ist also jeder da, wohin er gehört.”

3. Kleiner Mann – und nun? #KeinZwerg
(leidmedien.de, Lilian Masuhr)
Anlässlich des Todes des Schauspielers Michu Meszaros, der im Kostüm des TV-Außerirdischen “Alf” steckte, hat die “SZ” eine betextete Bilderstrecke über “Kleinwüchsige in der Showbranche” veröffentlicht. Einige der Formulierungen des “Lobs auf die menschliche Verschiedenheit” sorgten sowohl bei Betroffenen als auch Nicht-Betroffenen für Kritik. “Leidmedien” schreibt, was genau an den Sätzen als störend empfunden wird. Mittlerweile hätte sich auch der Autor des Ursprungsartikels mit einer Leserbriefantwort gemeldet. Wie viel von der Eigenbeschreibung “Lernt viel und gern und von jedem immer was dazu.” zutreffend ist, muss dabei jeder selbst entscheiden.

4. Will they stay or will they go? Brexit und die Medien
(carta.info, Fridtjof Küchemann)
Nina Trentmann arbeitet als Korrespondentin in London und verfolgt mit besonderem Interesse die Medienberichterstattung über das Referendum, den sogenannten “Brexit”. Was sie immer wieder wundere: Die klar erkennbare Parteinahme führender britischer Blätter und Sender. Dies sei in Wahlzeiten so, wo die führenden Blätter sogar Wahlempfehlungen abgegeben hätten und wiederhole sich nun beim Brexit. Einer Studie des “Reuters Institute for the Study of Journalism” zufolge herrsche bei den führenden Medien des Landes eine Präferenz für den Brexit.

5. „Österreich” hat eine kriminelle Dauerexplosion
(kobuk.at, Martin Straudi & Gabriele Scherndl)
Das Medienwatchblog “Kobuk” kritisiert die Panikmache des Gratisblatts “Österreich”. Obwohl die Kriminalstatistik das Gegenteil belege, werde Österreich in „Österreich” immer gefährlicher. In einer Chronologie der Kriminalberichterstattung zeigt man einige Beispiele für die reißerische Berichterstattung des Blatts.

6. “Beckmanns Sportschule”: Wie viele Idiotien soll diese Welt noch aushalten?
(spiegel.de, Jürgen Roth)
Die ARD-Sendung “Beckmanns Sportschule” sorgt allerorten für Entsetzen und Verstörung. Auch Schriftsteller Jürgen Roth hat entsprechende Erfahrungen gemacht und schreibt auf “Spiegel Online”: “Der peinliche, das Laienschauspiel im läppisch-jovialen Zwinkerzwinkertonfall krönende Plauderoheim Reinhold Beckmann tapert mit seinen Gästen durch Gänge und Treppenhäuser, und irgendwann krault Horst Hrubesch auf der Couch im “Bernsteinzimmer des deutschen Fußballs” den zehnjährigen (ja, das erfahren wir) Hund des Moderators, der gestern ausgiebig übers pittoreske Gelände strolchen durfte. Das haben sie sich beim Sat.1-Frühstücksfernsehen abgeguckt, allwo jahrelang ein Mops herumhoppelte. Hier, in dieser “etwas wahnsinnigen Männer-WG” ist nichts mehr zu retten.”

Vertreten, Vermarktet, Verunfallt

1. Das ZDF hat jetzt Internet
(sueddeutsche.de, Jessica Binsch)
Leonhard Dobusch ist Jurist und Wirtschaftswissenschaftler und neuerdings auch Mitglied des ZDF-Fernsehrats. Er soll dort den Bereich “Internet” vertreten. So stünde es offiziell im Rundfunkstaatsvertrag. Dobusch will dort ein paar Themen voranbringen, bei denen seiner Ansicht nach bislang Ängste und Zurückhaltung vorgeherrscht hätten. “Mehr offene Lizenzen” ist eines dieser Themen. Weitere Informationen zum neuen, reformierten Fernsehrat im Kommentar von Boris Rosenkranz auf “Übermedien”.

2. Der “neue Journalismus”, Teil 2: Journalistenmarke schlägt Mittelmaß
(fachjournalist.de, Silke Liebig-Braunholz)
Im zweiten Teil der Reihe über den “neuen Journalismus” geht es um Journalistenmarken im Gegensatz zu Medienmarken. Die Entwicklung sei unaufhaltsam: Der Fachjournalist von morgen werde nicht mehr zwingend mit einer Medienmarke in Verbindung gebracht. Je früher er lerne, seine Geschichten auf eigenen Kanälen zu erzählen und zu seiner großen fachlichen Expertise hinzuführen, desto besser für seine persönliche Journalistenkarriere.

3. Die perfekte Journalistenausbildung
(vocer.org, Alexandra Stark)
Die Studienleiterin “Online und Multimedia” der Schweizer Journalistenschule muss im Rahmen ihrer Tätigkeit immer wieder digitale Gräben zuschütten oder zumindest Brücken darüber bauen, wie sie es beschreibt. Die Frage, wer mehr Recht hat, der Alltag oder die Zukunft, beantwortet sie mit dem Versuch, Zielkonflikte dingfest zu machen. Sie hat dazu eine Liste mit zehn Fragen erarbeitet.

4. EU verlassen? Gefällt mir, sagt Facebook
(faz.net, Adrian Lobe)
Bei der Brexit-Debatte könnte Facebook nach Aussage von Kritikern der „Leave“-Kampagne in die Hände gespielt haben. Adrian Lobe schreibt in der FAZ, was für diesen Verdacht sprechen könnte und endet mit: “Man erwartet von Facebook, dass es die Pluralität der Meinungen abbildet. Ohne selbst den geringsten Inhalt beizusteuern, avanciert Facebook zum größten Medienakteur der Welt. Daher ist es nur billig, dem Internetkonzern gewisse Publikationspflichten abzuverlangen. Dazu gehört, Nachrichten-Algorithmen, deren Funktion einer redaktionellen Entscheidung gleichkommt, transparent zu machen.”

5. Die Stimme aus dem Off
(sueddeutsche.de)
Hans Hoff widmet sich in seiner SZ-Medienkolumne dem Fernsehmoderator Frank Buschmann, der es als “Stimme aus dem Off” in der Pro-Sieben-Show “Schlag den Star” zu einiger Berühmtheit brachte.

6. Unfallwagen
(amacgarbe.de)
Der Fotograf Amac Garbe baut Miniaturautos im Maßstab 1:55 zu Unfallwagen um und lichtet sie auf deutschen Straßen ab. Auch als Kritik an den weit verbreiteten und fragwürdigen Unfallfotorubriken der Medien, wie er sagt.

Nachrichtenkanal, Lehrstück, Livestream

1. WikiLeaks veröffentlicht AKP-Mails
(tagesschau.de)
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat ihre Ankündigung wahrgemacht und unzählige E-Mails (es sollen mehr als 294.000 sein) der türkischen Regierungspartei AKP öffentlich zugänglich gemacht. Die neueste Mail sei am 6. Juli dieses Jahres verschickt worden, die älteste stamme aus dem Jahr 2010. Viele Mails seien auf Türkisch, ein Teil der Korrespondenz aber auch auf Deutsch. Die Mails sind in einer Datenbank erfasst und lassen sich nach darin vorkommenden Begriffen durchsuchen.

2. Warum es keinen öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender geben wird
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
In bewegten Nachrichtenzeiten wird immer wieder der Ruf nach einem öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal laut, der rund um die Uhr sendet. Warum es dazu nicht kommen wird, schreibt Stefan Winterbauer: “Es fehlt im bestehenden System also am Geld und am Willen, einen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal aufzubauen. Möglich wäre dies nur, bei einer umfassenden, grundlegenden Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt. Und die wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Der öffentlich-rechtliche Newskanal in Deutschland bleibt also leider Wunschdenken.”
Ergänzung: Auch der “Tagesspiegel” beschäftigt sich mit den “News als Politikum”.

3. Live: Kleine Chronologie der vergangenen Wochen
(mobile-journalism.com, Marcus Bösch)
Marcus Bösch hat sich die Mühe gemacht und eine kleine Chronologie der Liveberichterstattung der letzten Wochen zusammengestellt. Unterteilt in fünf Kapitel “zur Dokumentation eines neuen Status Quo mit neuen Gatekeepern und alten Verhaltensregeln”.

4. “Ein Chronist, der lügt, ist erledigt”: Ein Lehrstück über Fehler, ihre Entstehung und die Entschuldigung
(kress.de, Paul-Josef Raue)
Wenn ein Journalist und Herausgeber des Buchs “Das neue Handbuch des Journalismus” über eine Veranstaltung des “Netzwerk Recherche” schreibt und in dem Beitrag Leute zu Wort kommen lässt, die gar nicht anwesend waren, ist dies ein besonders bemerkenswerter Vorgang. Nachdem Stefan Niggemeier den “Rutschunfall” des Kollegen bereits bei “Übermedien” aufgearbeitet hat, meldet sich dieser mit einigen Tagen Verspätung bei “kress.de” wortreich zu Wort. Zu Beginn des Beitrags bittet der Autor kurz um Entschuldigung, das gerät jedoch im weiteren Verlauf immer mehr in den Hintergrund. Die Angelegenheit sei ein “Lehrstück”, er verfüge über keine Dokumentations- und Verifikationsabteilung wie “Spiegel” und “Stern” und – so lässt er den Beitrag enden – auch Reporterlegende Egon Erwin Kisch hätte sich dereinst mal was aus den Fingern gesaugt.

5. Alles muss ans Licht
(faz.net, Harald Staun)
Millionen von Menschen haben das Video von Lavish Reynolds gesehen, das sie nach dem tödlichen Schuss auf ihren Freund via Livestream auf Facebook postete. Der Tod werde heute live im Internet übertragen. Der wahre Horror aber sei, was wir nicht sehen, findet Harald Staun in seiner Auseinandersetzung mit der radikalen medialen Transparenz. Gegen Rassismus würden keine Bilder helfen und: “Wenn gesellschaftliche Probleme nur noch danach entschieden werden, wer die glaubhafteren Beweise hat, wird nicht nur das Vertrauen zerstört, ohne das keine Gemeinschaft überleben kann; sondern, was womöglich viel schlimmer ist, auch das Misstrauen in die Bilder, die tun, als zeigten sie eine objektive Wahrheit.”

6. Kann ich bitte alle Informationen schon vor der ersten Eilmeldung haben?
(udostiehl.wordpress.com)
Udo Stiehl ist Journalist, Redakteur und Mitbetreiber der “Floskelwolke”, die täglich 2000 Nachrichtenseiten auf Phrasen hin untersucht und daraus ein Ranking erstellt. Weil er sich derzeit im Urlaub befindet, hat er die aktuellen Nachrichten und Reaktionen aus einem anderen Blickwinkel, nämlich dem des Konsumenten, verfolgt. Dem in den sozialen Medien oftmals erschallenden Ruf nach Schnelligkeit setzt er entgegen: “Es ist dringend geboten, dem rasenden Geschäft der „Klick-Geier“ und „Schnell-Melder“ mit Qualität und Recherche das Handwerk zu legen. Ja, das kostet im Berichtsfall Zeit, die man uns nachträglich als Versäumnis vorwerfen wird. Und es kostet Geduld, die uns – insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Medien – als Geldschneiderei unterstellt wird. Aber wenn wir dem Druck nachgeben und damit journalistische Grundwerte über Bord werfen, dann haben wir vielleicht sogar kurzfristig eine tolle Quote, aber langfristig das eigene Grab gegraben.”

AfD-Stratege, Spiegelhistorie, Startseitengenerve

1. Ehemaliger “Welt”-Redakteur arbeitet für die AfD
(zeit.de)
Der nordrhein-westfälische AfD-Landeschef Marcus Pretzell hatte die ihm angebotenen Dienste noch abgelehnt, nun heuert der bei der “Welt” unter großem Getöse ausgeschiedene Journalist Günther Lachmann bei der AfD in Thüringen an.

2. IS: Bilder-Verbote wie in Frankreich?
(mdr.de, Patrick Eicke, Audio 2:05 Min.)
MDR-Autor Patrick Eicke hat bei deutschen Medienhäusern nachgefragt, wie diese mit der Veröffentlichung von Fotos von Attentätern umgehen.

3. Lutz Hachmeister: „Ich wollte dem Spiegel nicht schaden“
(wolfgangmichal.de)
Interview mit dem Hochschullehrer für Journalistik und langjährigem Leiter des Grimme-Instituts Lutz Hachmeister über seine 20-jährige Recherche zum “Netzwerk ehemaliger Nazis” im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”.

4. Kommunikation in der Krise
(wwwagner.tv, Jörg Wagner, Audio, 26:57 Min.)
Jörg Wagner hat mit dem Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums München Marcus da Gloria Martins gesprochen. Dieser hatte während der Berichterstattung um den Münchner Amoklauf viel Lob für seine besonnene Art geerntet. In dem knapp halbstündigen Interview erfährt man Einiges über die Arbeit der Pressestelle eines Großpräsidiums mit tausenden von schriftlichen Presseanfragen pro Tag, über seine Einstellung zu Social Media und Krisenkommunikation.

5. Die Quote darf nicht zum alleinigen Impulsgeber werden.
(planet-interview.de, Adrian Arab)
Adrian Arab hat für “Planet Interview” die ARD-Vorsitzende und Intendantin des MDR Karola Wille befragt. Das Themenspektrum reicht von Mahnverfahren und Transparenz bis hin zu den vielen ARD-Mediatheken. Dem Interview angehängt ist eine Tabelle zur “Offenlegung der Intendanten-Gehälter auf den Websites der Rundfunkanstalten der ARD”.

6. Breaking News: Die Startseite wurde aktualisiert!
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Sie kennen die lästigen Einblendungen auf den Startseiten großer Medienseiten: “Wir haben neue Artikel für Sie. Möchten Sie jetzt die aktuelle Startseite laden?” Stefan Niggemeier widmet sich auf “Übermedien” den digitalen Plagegeistern und fragt einige Verantwortliche, warum sie von den lästigen Störbildern Gebrauch machen.

Burgerjournalismus beim “Express”

Spontane Feiern in den Straßen Kölns, wildfremde Menschen knutschen sich ab wie sonst nur an Rosenmontag, und die Jubelstimmung breitet sich nach und nach auch in ganz Nordrhein-Westfalen, ach was, in ganz Deutschland aus.

Sollten Sie also etwas Verschüttbares in der Hand halten — legen Sie es zur Seite, bevor Sie weiterlesen. Und Personen mit einem schwachen Herzen raten wir, sich hinzusetzen und erstmal tief durchzuatmen. Denn heute konnte der “Express” ganz aufgeregt auf seiner Startseite verkünden:

Doch, doch, Sie lesen richtig: Die Fast-Food-Kette “McDonald’s” nimmt jetzt einen Burger, den es sonst nur ab und zu mal gab, permanent ins Angebot. Potztausend!

Dem Kölner Boulevardblatt ist das einen ganzen Artikel wert:

Saftiges Rindfleisch, Bacon, Salat und Käse zwischen zwei Weizenbrötchen …

Die Fans hatten immer wieder gebettelt und nie locker gelassen — jetzt werden sie erhört! McDonald’s nimmt den Big Tasty Bacon ins Standard-Sortiment auf!

Na, haben wir zu viel versprochen?

“Ihr solltet wirklich den Big Tasty Bacon dauerhaft einführen!” oder “Ich wollte mal fragen wie lange ich jetzt wieder auf den Big Tasty Bacon warten muss?” — zahlreiche Fragen und Hinweise dieser Art erreichten den Fast-Food-Riesen in den vergangenen Wochen und Monaten.

“Und der Gast hat gesprochen — der Big Tasty Bacon wird ab dem 11.08. dauerhaft in unseren Restaurants angeboten” so Holger Beeck, Vorstandsvorsitzender McDonald’s Deutschland.

Klar, die fehlenden Kommata hätte die Redaktion beim Abschreiben der Pressemitteilung natürlich noch ergänzen können. Aber das sei dem “Express” verziehen — kann bei all dem Trubel schon mal untergehen, schließlich kommt so eine Knallermeldung ja auch nicht jeden Tag rein.

Immerhin haben die Mitarbeiter noch dran gedacht, auch das “McDonald’s”-Werbefoto in den Artikel einzufügen:

Boah, dieses saftige Rindfleisch und der Bacon und der Salat und der Käse und alles zwischen zwei Weizenbrötchen. Da kann man als Journalist schon mal schwach werden. Jedenfalls: saubere Arbeit.

Nur bei der Rubrik hätten wir anders entschieden: Da gehört statt “Politik und Wirtschaft” (warum eigentlich “Politik”? Hat der Sicherheitsrat der “Vereinten Nationen” etwa auch noch interveniert, damit “McDonald’s” den “Big Tasty Bacon” “Endlich!” ins “Standard-Sortiment” aufnimmt?) ein dickes, fettes “Anzeige” hin.

Mit Dank an Alex für Hinweis und Screenshot!

Nachtrag, 12. August: Die “Morgenpost” aus Dresden berichtet ebenfalls über das “Big Tasty Bacon”-Wunder. “Focus Online” hat der Entscheidung von “McDonald’s” sogar ein Video gewidmet.

Mit Dank an Jens L. und Carsten N. für die Hinweise!

Für Sie geklickt (5)

Unsere Clickbait-Taskforce war wieder für Sie im Einsatz — damit Sie Lebenszeit und Gehirnzellen sparen.

Heute: die vergangene Woche auf der Facebookseite von “TV Movie”.

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Es hieß, dass “Harry Potter Go” ein Nachfolger von “Pokémon Go” werden soll.

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Vielleicht ja, vielleicht nein.

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Sarah Michelle Gellar ist in ihrer Rolle als Kathryn manipulativ wie einst im Film.

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Das Gerücht über “Harry Potter Go”, einen vermeintlichen “Pokémon Go”-Nachfolger, ist nicht wahr.

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Er hat mit dem Rauchen aufgehört.

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Auf die Frage nach einer Neuauflage von “Buffy — Im Bann der Dämonen” sagte Sarah Michelle Gellar: “Man weiß nie!”

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“Lethal Weapon”.

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Er arbeitet in der Gastronomie.

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Cathy Lugner, die Ehefrau von Richard “Mörtel” Lugner.

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“Lilo & Stitch”.

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“Lilo & Stitch”.

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Joachim und Daniela Löw.

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“The Undertaker”, zumindest möglicherweise.

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Die Serie geht in 28 US-Städten auf Konzerttour — unter anderem in Chicago, Detroit, Kansas City, Las Vegas und New York.

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Nick Johnson. Indem er “Pokémon” auf der ganzen Welt gefangen hat.

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Ganz gut.

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Weiß man nicht, denn es wurde ruhig um sie.

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1. “Orange is the New Black”
2. “Marvel’s Daredevil”
3. “Better Call Saul”
4. “Jessica Jones”
5. “House of Cards”
6. “Unbreakable Kimmy Schmidt”
7. “Master of None”
8. “Stranger Things”
9. “BoJack Horseman”
10. “Making a Murderer”

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Es dürfte in Staffel 7 nicht so einen “krassen Cliffhanger” geben wie in Staffel 6.

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Für das ausverkaufte Theaterstück “Harry Potter and the Cursed Child” werden überteuerte Tickets im Internet angeboten.

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Er arbeitet bei der Deutschen Botschaft in Singapur.

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Er versuchte einiges, um seine Karriere in Gang zu bringen. Hat bisher aber nicht so richtig geklappt.

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Bayern.

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In Parkanlagen in Bamberg, Bayreuth, Coburg und Würzburg und am Schloss Nymphenburg in München.

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In Parkanlagen in Bamberg, Bayreuth, Coburg und Würzburg und am Schloss Nymphenburg in München.

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Iran.

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Der frühere “Berlin — Tag & Nacht”-Darsteller hat bei Facebook ein Foto von einer Bratwurst gepostet.

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Bitte. Keine Ursache.

Town Hall Meeting, Wachhund, Schabernack

1. “Die hässlichste Debatte der US-Geschichte”
(spiegel.de)
Beim “Town Hall Meeting” haben sich heute Nacht Hillary Clinton und Donald Trump um Dinge wie Trumps frauenfeindliche und sexistische Sprüche, Clintons E-Mail-Affäre und Pläne für Steuern und Einwanderung gestritten. Welcher Kandidat konnte im TV-Duell am meisten überzeugen? Der “Spiegel” fasst die Urteile einiger großer amerikanischer Medien zusammen.

2. Bittere Bilanz: 10 Jahre nach dem Mord an Anna Politkowskaja
(dw.com)
Vor zehn Jahren wurde die renommierte russische Journalistin und Menschenrechtlerin Anna Politkowskaja erschossen. Die Täter sind inzwischen verurteilt, die Auftraggeber bis heute unbekannt. Die “Deutsche Welle” blickt zurück.

3. «Wir wollen unser Baby wach, intelligent, ohne Bullshit»
(persoenlich.com, Edith Hollenstein)
Viele Jahre war der Schweizer Constantin Seibt Redakteur beim Schweizer “Tages-Anzeiger” (“Tagi”). Nun verlässt er die Zeitung und wagt mit einem Start-up im Medienbereich den Schritt in die Selbstständigkeit. “Unser Ziel dabei ist, dem Journalismus seinen Platz in der Demokratie zurückzugeben: als verlässlicher Wachhund. Wir wollen unser Baby wach, intelligent, ohne Bullshit. Das Kindchen muss groß genug sein, um Strahlkraft zu haben. Und eine Stimme in den wichtigsten Debatten. Und es muss schlank genug sein, um auf dem freien Markt überleben zu können.”

4. Die Relevanz der Langeweile
(de.ejo-online.eu, Kurt W. Zimmermann)
“Schon wieder eine Studie zur Medienqualität. Und schon wieder wissenschaftlicher Schabernack”, ächzt der Schweizer Journalist Kurt W. Zimmermann. Stein des Anstoßes ist das Schweizer “Medienqualitätsrating 2016”, mit dem das News-Angebot der 43 führenden Schweizer Zeitungen, Online-Sites, TV- und Radioangebote getestet wurde. Zimmermann bezeichnet es als “wissenschaftlichen Humbug”, Medien wie die “NZZ” und den “Blick” an denselben Kriterien zu messen. “Ich glaube, wir sollten unsere abgehobenen Medienwissenschaftler in die tägliche Medienrealität zurückholen. Wenn es nach ihnen ginge, dann hätten wir im Journalismus bald die höchste Qualität – und die höchste Langeweile.”

5. “Ich helfe, wo ich kann”
(sueddeutsche.de, Katharina Riehl & Ralf Wiegand)
Andreas Petzold war Reporter bei der “Münchner Abendzeitung”, gründete später die Frauenzeitschrift “Allegra” und war 14 Jahre lang Chefredakteur des Magazins “Stern”. Derzeit ist er Herausgeber von “Stern” und “Neon”. Im Interview mit der “SZ” spricht er über Krisen, Reiseziele als Titelgeschichten – und darüber, ob die einst so erfolgreiche, aber mittlerweile wackelnde Zeitschrift “Neon” noch zu retten ist.

6. @PolizeiSachsen: Kleingeist-Tweet führt zu Twitter-Diskussionen
(flurfunk-dresden.de)
Die sächsische Polizei hat es auf Twitter manchmal nicht leicht. Nach ihrem Tweet gegen das Verbreiten von Ressentiments und Sinnlos-Meldungen musste sie sich auch noch mit “Bild.de”-Chef Julian Reichelt rumschlagen, der ihr unterstellt, es auf “billigen Social-Media-Applaus” abgesehen zu haben.

Für Sie geklickt (11)

Es ist mal wieder höchste Zeit für unsere AntiClickbaitTaskforce, die sich genau anschaut, was sich hinter den großen Ankündigungen in Teasern und Schlagzeilen wirklich verbirgt. Der Vorteil für Sie: Sie können Lebenszeit und die eine oder andere Gehirnzelle sparen und sind trotzdem top-informiert.

Heute: das vergangene Wochenende auf der Facebook-Seite von Welt.de.

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Ziemlich geladen.

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125 Jahre.

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In seinem neuen Song “Party Like A Russian” soll er klischeehaft über Russen singen und möglicherweise auch Wladimir Putin beleidigen. Robbie Williams bestreitet das aber.

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Linie 100.

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Der Täter stellte sich.

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5. Alkohol (Suchtfaktor 1,9 von 3): Weil man langsamer denkt und atmet und weil sich der Herzschlag verlangsamt.
4. Barbiturate (Suchtfaktor 2 von 3): Weil die Schlafmittel bei einer Überdosierung zum Tod durch Atemstillstand führen können — wird von Tierärzten sogar zum Einschläfern verwendet.
3. Nikotin (Suchtfaktor 2,2 von 3): Weil Nikotin eine kurzlebige Wirkung hat und man nach einer Zigarette direkt die nächste haben will.
2. Kokain (Suchtfaktor 2,4 von 3): Weil Kokain das Gedächtnis negativ beeinflussen kann.
1. Heroin (Suchtfaktor 3 von 3): Weil schon ein einziger Heroinrausch zur Abhängigkeit führen kann.

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Als Chat-Bot bei Facebook.

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“dieses Land” = der Niger.
“Das will Angela Merkel” = ein Flüchtlingsabkommen.

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Mit einer einjährigen Sperre für alle Auswärtsspiele, weil er sein Ticket für die Partie bei Hull City wegen einer Grippe nicht wahrnehmen konnte, das Ticket allerdings nicht zurückgab, wodurch ein anderer United-Fan es hätte nutzen können.

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1. Mit dem Bein wippen, rumzappeln.
2. Grünen Tee trinken.
3. Mehr Wasser trinken.
4. Das Wasser oder den Tee mit Zitronensaft aufrüsten.
5. Einen 15-minütigen Lachflash haben.
6. Chilischoten essen.

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England.

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Miley Cyrus, Selena Gomez, Britney Spears.

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Weil Marion Scheller zuvor im Wirtschaftsministerium Referatsleiterin im Bereich Energiepolitik war.

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Sie wollten einen 32-Jährigen befreien, der zuvor von der Polizei festgenommen und mit auf die Wache genommen wurde.

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Ein Foto des Briefes wurde ganz oft bei Facebook geteilt.

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Ist ein offizieller Modetrend.

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Bitte. Keine Ursache.

“Spiegel Online” widerlegt Propaganda-Vorwurf mit Propaganda

Eigentlich war es ja eine ganz schöne Idee, die “Spiegel Online” gestern hatte: In einem 3:50-Minuten-Video den Politikredakteur Christoph Sydow erklären lassen, wieso die Redaktion über Aleppo und Mossul berichtet, wie sie berichtet. Das Ganze war eine Reaktion auf kritische Kommentare in Leserbriefen und den Sozialen Netzwerken (zum Beispiel: “heute im propagandaspiegel: keine gefahr für zivilisten! während aleppo von den bösen russen und assad ‘zerstört’ wird, wird mossul von den braven irakern, türken und amerikanern ‘befreit’. …wer hätte das gedacht”):

Immer wieder werfen uns Leser vor, die Belagerung von Aleppo pauschal als böse und jene von Mossul als gut zu bewerten. Das so nicht richtig [sic]. Politikredakteur Christoph Sydow erklärt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Sydow sagt, “Spiegel Online” messe nicht mit zweierlei Maß, und erklärt, welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede er zwischen den Situationen im syrischen Aleppo und im irakischen Mossul sieht. Auf die im Video eingeblendete Frage “WIE SIEHT ES IN DEN STÄDTEN AUS?” antwortet er:

Ost-Aleppo ist seit Monaten von der Außenwelt abgeschnitten. Es kommt keine Hilfe in die Stadt. Die Menschen hungern, es gibt kein Trinkwasser, es gibt wenig Strom. In Mossul ist die Lage im Moment noch anders. Die Stadt kann versorgt werden, die Menschen haben Wasser, die Menschen haben Strom, die Menschen haben genug zu essen. Es muss bislang dort noch niemand hungern.

Um die deutlich bessere Situation in Mossul zu belegen, zeigt “Spiegel Online” diese Videoaufnahmen:



Das ist Propagandamaterial des sogenannten “Islamischen Staats”. Die Terrororganisation, die derzeit über Mossul herrscht, hat diese Bilder aus der Stadt vor einigen Tagen veröffentlicht, um zu zeigen, wie normal das Leben dort sein soll. In den Standbildern kann man rechts oben neben dem “Spiegel”-Logo auch das von “Amaq” sehen. “Amaq” sieht sich selbst als Sprachrohr des “Islamischen Staats”.

Der “Weltspiegel” hatte die Aufnahmen in seinem Beitrag “Irak: Inside Mossul” am vergangenen Sonntag ebenfalls gezeigt. Im Gegensatz zu “Spiegel Online” hat die ARD-Sendung allerdings den Hinweis “Quelle: Propaganda-Video IS” eingeblendet:


Dazu sagt der Sprecher:

Das jüngste Propaganda-Video vom IS, das vor fünf Tagen ins Netz gestellt wurde. Es soll Normalität in Mossul zeigen, glückliche Menschen, denen es an nichts fehlt. Tatsächlich mangelt es an Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten und Strom. Das berichten Menschen aus Mossul ihren Verwandten in heimlichen Telefonaten.

Später im Video-Beitrag mit Christoph Sydow zeigt “Spiegel Online” dann noch weitere Sequenzen aus dem Propagandamaterial, wieder mit “Amaq”-Symbol und wieder ohne jegliche Kennzeichnung oder Distanzierung:




Wenn “Spiegel Online” sich Propagandamaterial von Terroristen zu eigen macht, dann kann man seinen harschen Kritikern, die vom “propagandaspiegel” schreiben, in diesem Fall leider nicht mal widersprechen.

Mit Dank an Daniel B. für den Hinweis!

Nachtrag, 21:01 Uhr: “Spiegel Online” hat inzwischen mit zwei Tweets auf unseren Blogpost reagiert:

Jegliche Videosequenzen, die von “Amaq” stammen, sind jetzt mit dem Hinweis “Quelle: Propagandavideo des IS” versehen:

Donald Trump will weiter einen Einreisestopp für Muslime

In völliger Verzweiflung klammern sich Menschen ja auch mal an Sprichwörter. Aktuell und mit Bezug auf den Wahlsieg von Donald Trump zum Beispiel: Es wird nichts so heiß gegessen, wie es gekocht wird. Soll heißen: Trumps wildeste Ankündigungen im Wahlkampf — Bau einer Mauer an der mexikanischen Grenze, genereller Einreisestopp für Muslime und so weiter — waren eben nur wilde Ankündigungen im Wahlkampf und keine ernsthaften politischen Vorhaben.

Da passte eine Neuigkeit in den “Tagesthemen” (ab Minute 4:50) gestern Abend ganz gut ins Beruhigungsprogramm:

Doch die meisten seiner Pläne sind bisher nicht viel mehr als Gedankenspiele und Worthülsen. Zwei seiner umstrittensten Forderungen sind inzwischen von der Homepage verschwunden: der Einreisestopp für Muslime und die Kündigung des Klimapaktes.

Und nicht nur im “Ersten” wurde über das Verschwinden der Trump-Forderungen berichtet. “Zeit Online” hatte ebenfalls eine Meldung dazu auf der Seite:

Von der Wahlkampfseite des künftigen Präsidenten sind einige brisante Punkte verschwunden. Dazu zählt das von Trump geforderte Einreiseverbot für Muslime.

Genauso n-tv.de:

Einige der umstrittensten Forderungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump sind von dessen Wahlkampf-Website entfernt worden. Dazu zählt der Aufruf, Muslimen die Einreise in die USA zu verbieten und sein Versprechen, das Pariser Klimaabkommen zu kippen. Auch eine Liste mit potenziellen Richtern für den Obersten Gerichtshof sowie diverse Details seiner Wirtschafts-, Verteidigungs- und Regulierungsvorhaben finden sich nicht mehr auf der Seite.

Die Quelle für diese Artikel ist eine “Reuters”-Meldung. Durch die Agentur ist die Info, dass das Team von Donald Trump einige ausgewählte Ankündigungen und Pressemitteilungen gelöscht haben soll, auf vielen Nachrichtenseiten in die Ticker zur US-Wahl gerutscht.

Schauen wir uns mal die Sache mit dem Einreisestopp für Muslime genauer an. Anders als von “Tagesthemen”, “Zeit Online”, n-tv.de und allen anderen behauptet, kann man Trumps “Statement On Preventing Muslim Immigration” vom 7. Dezember 2015 aktuell auf seiner Wahlkampf-Website abrufen. Es war allerdings tatsächlich mal für eine Weile nicht abrufbar — das zeigt ein Test mit der “Wayback Machine”, bei der man ältere Versionen einer Webseite abrufen kann.

Es zeigt sich: Am 8. November um 8:52 Uhr ist das Statement noch abrufbar. Am gleichen Tag um 23:43 Uhr erscheint eine sogenannte “HTTP 302 response” und man wird automatisch zu donaldjtrump.com weitergeleitet. So bleibt es den gesamten Wahltag über, und erst gestern um 19:40 Uhr ist Trumps Statement zu den Muslimen wieder abrufbar.

Also: Die umstrittene Ankündigung von Donald Trump war zwischenzeitlich tatsächlich nicht abrufbar, allerdings nicht erst nach der erfolgreichen Wahl, sondern schon vor und am Wahltag.

Manche Medien haben erkannt, dass Trumps Aussage inzwischen wieder online einzusehen ist. Handelsblatt.com zum Beispiel. Erst hieß es dort:

Und nun:

Dazu schreibt die Redaktion:

Die meisten Kernforderungen Trumps fanden sich durchweg auf der Website, etwa sein Versprechen, eine unüberwindbare Mauer an der Grenze zu Mexiko hochzuziehen, für deren Bau das Nachbarland zahlen solle.

Dieser Aspekt stammt ebenfalls aus der “Reuters”-Meldung. Und er dürfte nicht stimmen. Die “Washington Post” hat einen Kampagnensprecher zu dem Thema befragt:

“The website was temporarily redirecting all specific press release pages to the homepage. It is currently being addressed and will be fixed shortly,” the campaign told The Post in a statement.

Da die “Wayback Machine” nicht für alle Statements von Donald Trump hinreichend viele Vorgänger-Versionen abgespeichert hat, ist es nicht möglich, diese Aussage komplett zu überprüfen. Es gibt aber Hinweise, dass nicht nur die kontroversesten Pressemitteilungen für eine gewisse Zeitspanne nicht abrufbar waren, sondern deutlich mehr, vielleicht sogar alle.

Nehmen wir mal die drei aktuellsten Trump-Statements:

Die Ursache dafür, dass die Forderung nach einem Einreisestopp für Muslime zwischenzeitlich nicht auf der Trump-Website zu finden war, dürfte also tatsächlich technischer Natur gewesen sein. Oder anders gesagt: Donald Trump hat sich keineswegs von seinen radikalen Forderungen verabschiedet.

Mit Dank an Stefan N. für den Hinweis!

Bild.de hat einen falschen Vogel

Das ist aber auch knifflig mit den Sportteams aus Atlanta. Da gibt es die Basketballer der Atlanta Hawks, die in der NBA spielen. Und dann gibt es die Footballer der Atlanta Falcons, die in der NFL spielen und gestern im Super Bowl gegen die New England Patriots verloren haben. Hawks, Falcons — so viele Vögel. Wer soll sich das denn alles merken können?

Also, noch einmal für alle: Die Hawks sind die Basketballer, die Falcons die Footballer. Hawks — Basketball. Falcons — Football. Verstanden?

Fragen wir doch mal die 7-jährige Lisa aus der 1b der Rolf-Töpperwien-Grundschule Barsinghausen: Wie heißt das Footballteam aus Atlanta, das in der NFL spielt?

Atlanta Falcons.

Genau. Und wie heißt das Basketballteam aus Atlanta, das in der NBA spielt?

Atlanta Hawks.

Korrekt.

Und jetzt noch mal dieselbe Frage an Julian Reichelt und sein Bild.de-Team: Wie heißt das Footballteam aus Atlanta, das in der NFL spielt?

Nee.

Die Hawks/Falcons-Verwechslung von Reichelts Team stammt aus einem Artikel, in dem es vor allem um US-Präsident Donald Trump geht. Der hatte dem US-TV-Sender “Fox” ein Interview gegeben, das kurz vor der Super-Bowl-Übertragung ausgestrahlt wurde. Und in diesem Interview ging es eben auch um Football.

Vier Zeilen später direkt der nächste Klops von Bild.de:

Trump glaubt, dass die Patriots, die letztes Jahr den Super Bowl gewonnen haben, einen Vorteil haben.

Das ist Quatsch. Die New England Patriots haben 2016 nicht den Super Bowl gewonnen. Sie haben nicht mal mitgespielt. Die Denver Broncos haben vergangenes Jahr die Carolina Panthers besiegt und den Titel geholt.

Das falsche Team aus Atlanta, der falsche Super-Bowl-Sieger — das hätte Reichelts Redaktion mit zwei Zehn-Sekunden-Google-Recherchen alles verhindern können. Einen anderen Fehler zum Super Bowl hätte Bild.de vermeiden können, wenn der für den Live-Ticker zuständige Mitarbeiter wenigstens ordentlich hingeschaut hätte:

Das würde ja bedeuten, dass George W. Bush inzwischen mit seiner Mutter verheiratet ist. Er war es natürlich nicht, der zusammen mit Barbara Bush “auf den Rasen geführt wurde”, sondern sein Vater George H. W. Bush.

Mit Dank an Alexander L., Jan H., @simpsons3 und @macerarius für die Hinweise!

Basic Recherche

Seien Sie mal ganz leise.

Hören Sie das? Dieses erregte Atmen? Das kommt aus dem Großraumbüro von Bild.de. Und Grund dafür ist das hier:

Das ist aber auch spannend:

Es gibt dutzende unbeantworte (sic) Fragen über die berühmtesten Filme der Geschichte. Doch diese eine toppt sie alle:

Zeigte uns Sharon Stone (58) in “Basic Instinct” ihre Vagina?

Der Knaller: Sie bekommen heute die Antwort!

Aber bevor der Knaller losgeht, und wir die Antwort bekommen, erinnern sich die Bild.de-Mitarbeiter lieber noch mal:

Wir erinnern uns. Es war das Jahr 1992, als wir gespannt mit unseren Lieben vor den Kino-Leinwänden saßen, auf Spannung und ein wenig Erotik hofften …

Doch dann saß sie da. Sharon Stone. In Weiß. Voller Unschuld.

Dann der Schocker: Sie öffnet die Beine. Und wir bekommen den Mund nicht mehr zu.

WAR SIE WIRKLICH UNTEN OHNE?

Bei so einer Frage kann schon mal die Feststelltaste klemmen.

JETZT ABER RAUS MIT DER SPRACHE: “WAR SIE WIRKLICH UNTEN OHNE”?

In einem Interview mit dem “Playboy” hat Regisseur Paul Verhoeven (78) endlich diese Frage ein für allemal beantwortet: “Ja, man sieht die Vagina von Sharon Stone.”

Oder noch einmal für die ganz langsamen Bild.de-Leser:

Kein Vagina-Double, kein hautfarbener Slip. Alles Natur.

Erleichterung im Axel-Springer-Hochhaus:

Dann wäre das endlich geklärt …

“Endlich”? In welchem Sinne “endlich”? In dem Sinne, dass bereits vor 17 Jahren feststand, dass es sich um eine “notorious pantiless scene” handelt? Oder in dem Sinne, dass selbst im “Wikipedia”-Eintrag zu “Basic Instinct” schon länger steht, dass jene Szene des Films “großen Bekanntheitsgrad” erlangt habe, “in der Stone während eines Verhörs die Beine übereinander schlägt und, weil sie nichts unter ihrem Kleid trägt, dem Zuschauer für einen Sekundenbruchteil den Blick auf ihre Vulva freigibt.” Oder in dem Sinne, dass Regisseur Paul Verhoeven bereits vor einigen Jahren erzählt hat, wie die Unten-ohne-Szene gedreht wurde?

Bei Bild.de waren sie über die Entdeckung der seit vielen Jahren feststehenden Antwort jedenfalls so begeistert, dass sie gleich noch einen Artikel daraus gemacht haben:


(Das süße kleine Herz stammt von Bild.de.)

Eine wichtige Frage der Kino-Geschichte wurde jetzt gelöst: Zeigte Sharon Stone wirklich ihre Vagina in “Basic Instinct”? JA.

Joar, “jetzt”, gut.

Andere Boulevard-Portale haben übrigens ebenfalls ganz aufgeregt über die Uralt-Enthüllung berichtet. Gala.de zum Beispiel:

Seit Jahren rätseln die Fans: Zeigt Sharon Stone bei “Basic Instinct” wirklich alles? Jetzt sorgt Regisseur Paul Verhoeven für Klarheit.

Oder Express.de:

Es ist die “Wembley-Diskussion” der Filmgeschichte. Jetzt gibt’s Aufklärung…

Und mit einer ganz besonderen Überschrift auch die “tz”:

Sieht man sie nun oder sieht man sie nicht? Paul Verhoeven ist die Spekulationen um die wohl berühmteste erotische Szene der Hollywoodgeschichte leid.

Mit Dank an den Hinweisgeber!

Keine Recherche für die Tonne

Manchmal reicht eine E-Mail, an die man irgendwie gekommen ist, und schon hat man seine Story. Da braucht’s dann nicht mal mehr Recherche. Der Inhalt der Mail ist so “bizarr”, dass man einfach nur in die Tasten hämmern muss — und schwups steht der Artikel:

Bei diesen “Kloregeln” geht es genau genommen um die Ausstattung der Männertoiletten. Autorin Karina Mößbauer schreibt:

Das Verteidigungsministerium fand es nötig, diese Frage detailliert zu klären: Was genau gehört auf eine Herren-Toilette der Bundeswehr?

Die Antwort lautete unter anderem, dass auch Hygienebehälter auf Männertoiletten gehören. Nicht nur, aber auch deswegen schickte das Verteidigungsministerium, so Mößbauer, bereits im November “Anweisungen zur ‘Ausstattung von Herren-Toiletten’ an die Außenstellen der Bundeswehr”:

Tatsächlich habe es vermehrt “Anfragen bezüglich der Art und Weise der Ausstattung” gegeben. Offenbar wurden ausgerechnet Hygienebehälter nachgefragt, wie man sie von der Damentoilette kennt …

Die “Bild”-Bundestags-Korrespondentin findet das ziemlich “irre” …

Irre, mit was Behörden sich manchmal befassen.

… und “bizarr”:

Bizarr: Empfohlen werden ähnliche Systeme wie die auf den Damen-Toiletten, konkret auch die “Bereitstellung von Hygienebeuteln” und “Anbringung von Halterungen für Hygienebeutel”.

Und warum das Ganze? Das kann Karina Mößbauer auch nicht klären. Der Grund dafür steht ja aber auch nicht in der E-Mail, auf die sie sich beruft. Und selber herausfinden? Neee …

Zu welchem Zweck genau die Hygienebeutel und eigenen Entsorgungsbehälter auf Herrentoiletten nötig sind, lässt die E-Mail des Verteidigungsministeriums übrigens offen …

Weil uns diese “irre”, “bizarre” Geschichte nicht losgelassen hat, haben wir unsere besten Rechercheure beauftragt. Und die sind auf die geniale Idee gekommen, bei Google mal nach “Hygienebehälter Herrentoilette” zu suchen. Siehe da, gleich der erste Treffer: die “Initiative für Hygienebehälter in Herrentoiletten” des Bundesverbands Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.

Diese Initiative will Männern, die an Harninkontinenz leiden, den Alltag erleichtern. Das diese häufig Einlagen tragen müssen, die sie diskret und sauber entsorgen können sollen, fordert die Initiative die Bereitstellung von Hygienebehältern auf Männertoiletten.

Auf Nachfrage bestätigte uns das Verteidigungsministerium, dass der Grund für die Vorgabe mit den Hygienebehältern bei der Bundeswehr das Thema “Harninkontinenz bei Männern” sei. Eine Sprecherin des Ministerium verwies auf die “Technischen Regeln für Arbeitsstätten Sanitärräume ASR A4.1”. Unter Punkt “5.4 Ausstattung” steht:

In von Männern genutzten Toilettenräumen ist mindestens ein Hygienebehälter mit Deckel in einer gekennzeichneten Toilettenzelle bereitzustellen.

Diese Regeln, die Karina Mößbauer so “bizarr” findet, gelten nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber in Deutschland, zum Beispiel “Siemens”, “Audi”, “Lidl” oder “Axel Springer”.

Mit Dank an Dennis S. für den Hinweis!

Wer das Urteil hat, braucht für den Spott von Bild.de nicht zu sorgen

Ein ehemaliger Mitarbeiter der “Tafel” in Herford wurde vergangene Woche zu neun Monaten Haft auf Bewährung und 150 Stunden Sozialarbeit verurteilt. In seiner Position als Kassenwart hatte er in 38 Fällen Gelder des Vereins veruntreut. Von den insgesamt knapp 3400 Euro hatte der 28-Jährige, der auch in der Lokalpolitik aktiv ist, weiblichen Internetbekanntschaften Geschenke gemacht: Anzüge aus Lackleder, Unterwäsche, Duftöle.

Bild.de berichtete gestern am späten Abend über die Verhandlung (auf einen Link verzichten wir bewusst). Und schon in die Überschrift gossen die Redakteure den ersten Eimer Spott, der im Axel-Springer-Hochhaus links neben dem Tisch eines jeden Mitarbeiters immer bereitsteht:


(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Abgesehen davon, dass es in der Verhandlung um das Geld eines Vereins ging, der Menschen kostenlos mit Lebensmitteln versorgt, hat der Fall nichts mit Essen zu tun. Dass es sich bei dem Verurteilten um einen “dicken Politiker” handelt, musste bei Bild.de offenbar trotzdem unbedingt mit rein.

Für den ersten Absatz seines Artikels hat sich der Autor dann den Eimer Spott seines Büronachbarn geliehen, damit er sich über den “Gutmenschen” auf der Anklagebank lustig machen konnte:

Er wollte armen Menschen helfen, doch dann geriet der junge Politiker und Gutmensch im Internet in die Fänge der Lust. Der Trip ins Reich der Erotik brachte ihn um den Verstand und schließlich auf die Anklagebank.

In Absatz zwei kommt der Text noch einmal zurück aufs Aussehen des Mannes — der Autor schätzt dort dessen Gewicht.

Das alles ist deswegen besonders grässlich, weil Bild.de sich keine große Mühe gibt, den Verurteilten zu anonymisieren. Zwar kürzt das Portal den Nachnamen ab, dafür zeigt es aber sowohl auf der Startseite als auch im Artikel ein Foto von ihm ohne irgendeine Verpixelung. Die Bild.de-Mitarbeiter machen ihn bundesweit zum Gespött.

Natürlich kann man über die Verhandlung berichten. Die Richterin sagte auch völlig zu Recht, dass es “besonders verwerflich” sei, “dass Sie Geld nahmen, das für bedürftige Menschen bestimmt war.” Außerdem handelt es sich um eine Person, die in der Politik aktiv ist. Aber muss man diese Person nach einem Urteil, ob man es nun für gerecht hält oder nicht, noch derart mit einem Artikel vorführen?

Die regionalen Medien — “Westfalen-Blatt”, “Neue Osnabrücker Zeitung”, “Neue Westfälische” — respektierten übrigens die Persönlichkeitsrechte des Mannes und zeigten entweder verpixelte oder gar keine Fotos von ihm.

Darf man Sie beschimpfen?

Bild.de war mal wieder mutig. “BILD FRAGT FRAGEN, DIE SICH KEINER ZU STELLEN TRAUT” steht seit gestern über einem Artikel, und damit ist nicht etwa die “Bild”-Witwenschüttler-Frage “Haben Sie ein Foto Ihres gerade verstorbenen Kindes für uns?” gemeint.

Es geht um Fragen an einen Mann mit Trisomie 21, also dem dreifachen Vorhandensein des Chromosoms 21, häufig auch Down-Syndrom genannt. Zum gestrigen “Tag des Down-Syndroms” hat Bild.de Sebastian Urbanski, einen Schauspieler mit Down-Syndrom, interviewt und ihm fragen gestellt, “die man sonst nicht zu stellen wagt”. Gleich zu Beginn zum Beispiel diese hier:

Darf man Mongo oder Downi sagen?

Urbanski: “Beides ist nicht okay. Mongo ist eine echte Beschimpfung. Auch Downi ist eine Beleidigung, obwohl manche Leute finden, das ist nett. Ich bin ein Mensch mit Down-Syndrom, so soll man es auch sagen.”

Unter der Voraussetzung, dass Urbanski vorher zugestimmt hat, dass in dem Interview alles und ohne Umschweife zum Thema angesprochen werden kann, finden wir die Frage zumindest in Ordnung, auch wenn sie das üble Schimpfwort “Mongo” beinhaltet. Die Kombination aus Frage und Antwort hat immerhin einen aufklärerischen Ansatz.

Die — auch und gerade für Journalisten — sehr lesenswerte Seite Leidmedien.de klärt in ihrem Glossar “Begriffe über Behinderung von A bis Z” ganz ähnlich über die Beleidigung “Mongo” auf:

Auch “Mongo” und “mongoloid” ist veraltet und diskriminierend: zum einen behindertenfeindlich gegenüber Menschen mit Trisomie 21 / Down-Syndrom; zum anderen rassistisch, da es eine Anspielung auf die angeblich “asiatische” Augenform von Menschen mit Trisomie 21 ist.

Nun mag die Frageform von Bild.de direkter und knalliger sein. Es handelt sich aber eben auch um Boulevardjournalismus.

Was wir hingegen völlig daneben finden, ist die Art, mit der die Redaktion den Artikel auf ihrer Startseite angeteasert hat:

Bild.de hat also im Interview von Sebastian Urbanski erfahren, dass “Mongo” eine schlimme Beleidigung ist. Und zieht daraus nicht die Konsequenz, dass diese in der Überschrift nichts verloren hat? Wenn diese direkten Fragen, die sich sonst “keiner zu stellen traut”, einen Sinn haben sollen, dann doch nur, wenn man die Antworten auch zur Kenntnis nimmt — zum Beispiel beim Präsentieren des Artikels.

Die Bild.de-Redaktion aber reproduziert und verbreitet lediglich das Schimpfwort “Mongo” auf ihrer Startseite, ohne irgendeinen Kontext zu bieten. Das ist nicht mehr mutig, sondern nur noch ein billiger Klickfänger ohne Anstand, und hat mit Aufklärung nichts zu tun.

Zum Vergleich ein anderer Fall: Natürlich ist es in Ordnung, wenn das Team von “Hyperbole” in seiner Videoserie “Frag ein Klischee” eine Afro-Deutsche fragt, was sie davon halte, wenn Leute das Wort “Neger” benutzen. Schließlich gibt es immer noch reichlich Menschen, die die Verwendung des Begriffs ganz normal finden (gleiches gilt auch für das Wort “Mongo”). Diese Aufklärung ist wichtig. Es ist aber etwas völlig anderes, wenn man das Video irgendwo mit “Darf man Negerin zu Ihnen sagen?” bewirbt, ohne die wichtige ablehnende Antwort dazu zu liefern.

Was im Fall von Bild.de dazukommt und besonders grässlich ist: Es handelt sich um einen kostenpflichtigen “Bild plus”-Artikel. Das Schimpfwort “Mongo” sehen also Millionen Menschen, die täglich bei Bild.de vorbeischauen. Die Antwort, dass dessen Verwendung überhaupt nicht okay ist, erreicht nur die paar Hunderttausend, die “Bild plus” abonniert haben.

Mit Dank an @WaywardKitten93, @SusannahWinter und Mark P. für die Hinweise!

B.Z.  

Die “sexy Strand-Form” einer 15-Jährigen

Wir stellen uns das Gespräch in der “B.Z.”-Redaktionskonferenz von gestern ungefähr so vor …

Ein sabbernder Redakteur:

GEIL! NE ALTE IM BIKINI!

Die Praktikantin (ist gerade ihre erste Woche — daher noch nicht so drin im “B.Z.”-Flow):

Aber … Wie alt ist die noch mal?

Alle sabbernden Redakteure:

EGAL, IM BIKINI! OLÉ! OLÉ!

Sektgläser klirren.

Denn wenn man weiblich ist und 15 Jahre alt, ist man vor “Springer”-Redakteuren nicht mehr sicher. Im Januar schrieben die schwitzenden Bild.de-Mitarbeiter über die “heißen Kurven” von Natasha Obama, die 15-jährige Tochter des früheren US-Präsidenten Barack Obama. Für die heutige Ausgabe haben sich ihre jugendfreundlichen Kollegen von der “B.Z.” das nächsten Mädchen geschnappt und sie einer genauen Beobachtung unterzogen: Kaia Gerber, Tochter von Cindy Crawford, ebenfalls 15 Jahre alt.


(Unkenntlichmachung durch uns.)

Über eine halbe Seite groß zeigt die “B.Z.” eine Minderjährige im Bikini, vermutlich aufgenommen durch einen Paparazzo. Im Text und in den Bildunterschriften geht es immer wieder um die Figur und das Aussehen des Mädchens:

Gleicher Haarschnitt, gleiches Styling — und die gleichen guten Gene.

Und während die Supermodel-Mama am Strand von St. Barts immer noch eine wahnsinnig gute Figur macht, wird Teenie-Tochter Kaia so langsam zur immer ernsteren Konkurrenz

Immer noch ziemlich modelmäßig: Cindy Crawford (51) (…) Ganz die Mama: Kaia (15) im Bikini

Wäre Kaia Gerber nicht 15 Jahre alt, sondern 18 oder 20 oder wiealtauchimmer, wäre das der normale körperbewertende Mist, den sich Frauen, die irgendwo im Bikini fotografiert werden, leider andauernd anhören müssen von Blättern wie der “B.Z.”. Aber sie ist 15. Und bei 15-Jährigen scheinen “Springer”-Redaktionen nicht einmal davor zurückzuschrecken, sie als “sexy” zu beurteilen:

Beim Urlaub in St. Barts zeigen sich die Crawford-Mädels in sexy Strand-Form

Ganz zu Beginn des Artikels, noch im ersten Absatz, schreibt die “B.Z.”:

Dabei ist die eine 51 — und die andere gerade einmal 15.

Hier noch einmal, weil man es nicht oft genug sagen kann: Völlig richtig, liebe “B.Z.”-Bikini-Glotzer — dieses Mädchen ist “gerade einmal 15.”

Bild.de pfeift auf Polizei-Bitte und spekuliert zu Explosionen in Dortmund

Vor dem Champions-League-Spiel des BVB gegen den AS Monaco gab es am Mannschaftsbus der Dortmunder Fußballer offenbar drei Explosionen.

Die Polizei Dortmund bat bei Twitter darum, “Gerüchte und Spekulationen” zu unterlassen:

Dabei richtete sich die Polizei nicht explizit an Medien. Aber warum soll diese Bitte nicht (und gerade auch) für Redaktionen gelten?

Und was machen die Mitarbeiter von Bild.de? Sie pfeifen auf die Bitte der Polizei und spekulieren:

Bomben-Explosion am Dortmund-Bus! Spiel abgesagt! Dortmund-Boss Watzke: 'Sprengstoff-Anschlag auf den Bus. Mannschaft in Schockstarre' - BVB-Spieler Bartra leicht verletzt und auf dem Weg ins Krankenhaus - Polizei bestätigt: Drei Sprengsätze am Mannschaftsbus - Schock nach Bombenattacke: Was steckt hinter dem Anschlag?

In ihrem Artikel “Was steckt hinter dem Anschlag?” rät die Redaktion rum, wie es zu den Explosionen gekommen sein könnte (auf einen Link verzichten wir bewusst — wir wollen die Spekulationen von Bild.de ja nicht noch stärker weiterverbreiten als wir es durch unsere Zusammenfassung sowieso schon tun):

Dortmund unter Schock. Kurz vor Beginn der Champions-League-Partie gegen Monaco wurde der BVB-Mannschaftsbus angegriffen. BILD erklärt, was hinter der Attacke stecken könnte.

… ohne genauere Informationen dazu zu haben. Es sind schlicht Spekulationen: vielleicht sei etwas ferngezündet worden, was “für Erfahrung beim Bau und Auslösen von Sprengsätzen” spräche; vielleicht sei eine Lichtschranke “(wie zum Beispiel beim Anschlag auf Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen)” oder “eine Druckplatte auf der Straße” benutzt worden; vielleicht habe aber auch jemand “die Sprengsätze (zum Beispiel Granaten) von Hand auf den Bus” geworfen. Bild.de weiß nichts und schreibt viel.

Das Portal schließt aus der eigenen Rumraterei, dass viele der Punkte dafür sprächen, dass es sich um ein “Werk von Profis” handele. Das kann natürlich sein. Es kann aber auch ganz anders sein. Unter anderem deswegen bat die Polizei Dortmund, keine Spekulationen zu verbreiten oder — noch schlimmer — sie selbst in die Welt zu setzen. Aber seit wann interessiert die “Bild”-Medien schon, was die Polizei will?

Erster Arbeitstag von “Bild”-Ombudsmann Ernst Elitz

Der BILD-Ombudsmann - BILD hat einen Fehler gemacht

Ja, doch, das steht da tatsächlich. Wir dachten auch zuerst an einen Witz, an irgendeinen Trick. Aber offenbar hat “Bild”-Ombudsmann Ernst Elitz, nach etwas mehr als 100 Tagen im Amt, die Idee gehabt, wie ein Ombudsmann zu arbeiten.

Bisher schien Elitz’ Leitsatz stets gewesen zu sein: “Die Redaktion hat alles richtig gemacht”. Doch jetzt hat sich die “Bild”-Zeitung etwas geleistet, das nicht mal Chef-Verteidiger Obumdsmann Elitz geradebiegen kann: Am vergangenen Freitag dankte die Regionalausgabe aus Frankfurt am Main auf einer Doppelseite allen Polizisten der Stadt, die in den vergangenen 150 Jahren im Einsatz waren — explizit auch dem früheren Polizeipräsidenten Adolf Beckerle, einem überzeugten Nazi. Beckerle soll maßgeblich an der Deportation und Ermordung von etwa 11.000 Juden beteiligt gewesen sein. Wir berichteten hier im BILDblog am Dienstag über den Fall.

Ernst Elitz hat sich nun informiert, wie der Dank an Beckerle zustande kam:

Ich habe untersucht, wie es zu dem Bericht kommen konnte. Ergebnis:

Die Redaktion hat auf eigene Recherchen verzichtet und sich allein auf eine von der Polizei vorbereitete Festschrift gestützt, die keine kritischen Anmerkungen zum Fall Beckerle enthielt. Der Verzicht auf eigene Recherche ist ein Verstoß gegen klassische journalistische Standards.

In der Redaktion haben die Verantwortlichen weder den Verzicht auf Eigenrecherche noch den Mangel an historischer Einordnung erkannt und die Veröffentlichung in dieser kritikwürdigen Form zugelassen.

Einfach mal auf Recherche verzichten, blind das PR-Material der Polizei abschreiben, bei der Jahreszahl 1933 nicht stutzig werden — kann natürlich mal passieren.

Damit das alles nicht wieder vorkommt, zählt Elitz noch mal “die Grundlagen professioneller journalistischer Arbeit” auf:

Dieser Fall gibt Anlass darauf hinzuweisen, dass Eigenrecherche, Überprüfung der Quellen und verantwortungsvolle Kontrolle die Grundlage professioneller journalistischer Arbeit sind. In diesem Fall wurde gegen diese Regeln verstoßen.

Da können wir dann auch nur noch zustimmen.

Mehr über den “Bild”-Ombudsmann:

Mit Dank an @AndyOSW und @SidneyGennies für die Hinweise!

Bild  

“Vergewaltigt im Ehebett – Ehepflicht oder Verbrechen?”

Zum 65. Geburtstag von “Bild” und zur dazugehörigen Gratis-Ausgabe für alle Haushalte in Deutschland durfte auch Julian Reichelt etwas sagen. In einer Pressemitteilung des Axel-Springer-Verlags wird der “Bild”-Oberchef folgendermaßen zitiert:

“Diese BILD Sonderausgabe für alle deutschen Haushalte ist unser Bekenntnis, dass wir an eine noch bessere Zukunft für Deutschland und den Journalismus glauben. Denn BILD ist Teil dieses modernen und weltoffenen Landes, das BILD seit 65 Jahren begleitet.”

“Bild” als “Teil dieses modernen und weltoffenen Landes”, und das seit 65 Jahren.

Wie “modern und weltoffen” die “Bild”-Medien heute sind, kann jeder selbst nachschauen — am Kiosk, bei Bild.de oder auch hier im BILDblog. Aber wie sah das zum Beispiel in den 70ern oder 80ern aus?

Ein Blick in “Günter Wallraffs BILDerbuch” lohnt sich immer und erst recht nach solchen Aussagen wie der von Julian Reichelt. 1985 hat Wallraff diese selbst zusammengestellte Auswahl von “Bild”-Schlagzeilen der vorangegangenen 15 Jahre veröffentlicht. Das Buch zeigt in konzentrierter Form, was für ein chauvinistischer Haufen die “Bild”-Redaktion damals gewesen sein muss, ein Paradegegenbeispiel für “modern und weltoffen”.

Zum Beispiel, wenn es um Frauen ging. Da wurden reichlich Klischees bedient …

Frauen fahren doch schlechter
(Dezember 1983)
Billig, billig! Frauen im Kauf-Rausch!
(Juli 1975)

… Professoren durften wilde Thesen aufstellen …

Deutscher Professor: Frauen leisten ein Drittel weniger als Männer
(März 1980)

… und es wurde offen die Frage gestellt, ob Opfer von Grabschattacken nicht vielleicht doch “selber schuld” seien:

Busengrabscher: Sind viele Frauen selber schuld?
(April 1984)

Apropos sexualisierte Gewalt: Anstatt Vergewaltigungen in der Ehe aufs Schärfste zu kritisieren, stieß “Bild” damals lieber eine Debatte an, ob so eine Vergewaltigung durch den eigenen Ehemann nicht doch ganz in Ordnung ist und zur “Ehepflicht” einer Frau gehört:

Immer mehr deutsche Frauen klagen - Vergewaltigt im Ehebett - Ehepflicht oder Verbrechen?
(Juni 1979)

Oder anders gefragt:

Darf ein Mann seine eigene Frau vergewaltigen?
(Dezember 1978)

Um auf eine solche Frage überhaupt zu kommen, muss in einer Redaktion schon einiges schieflaufen. In “Bild” durften sich die vergewaltigenden Männer dann auch noch rechtfertigen:

Deutsche Männer: Warum wir unsere Frauen vergewaltigen
(März 1980)

In den Schlagzeilen über Gastarbeiter aus der Türkei zeigte “Bild” ebenfalls, dass das Blatt alles andere als “modern und weltoffen” ist. Die “Bild”-Mitarbeiter warnten ihre Leserinnen und Leser vor den Türken …

Koffer, Kisten, Kühlschrank - Vorsicht, die Türken kommen
(Juli 1978)
Noch eine Million Türken wollen zu uns kommen!
(August 1976)

… machten aus ihnen katzenfressende Sonderlinge …

In Mannheim sind 180 Katzen spurlos verschwunden - Ein Türke rief an: Großen Hunger, ich fressen Kater
(August 1978)

… und das Allgemeinwohl bedrohende Amokfahrer:

Gastarbeiter am Steuer: Trümmer und Tote - Sie kaufen alte Autos - Führerscheine vom Schwarzen Markt - Viele können nicht lesen
(Juli 1973)

Julian Reichelt sagt gerne mal, dass Leute, die “Bild” heute kritisieren, ihr Weltbild seit 30, 40 Jahren nicht mehr aktualisiert hätten. Er selbst scheint bei seiner Weltbildaktualisierung die vergangenen 30, 40 “Bild”-Jahre einfach vergessen zu haben.

Wertloses Kohlurteil, Todenhöfers Freitag, Yücel-Lesung

1. Nachrichtenchef Michael Klein über Journalisten und Politiker: Diekmanns Urteil über Kohl ist journalistisch wertlos
(kress.de, Michael Klein)
Der frühere “Bild”-Chef Kai Diekmann hat seine persönlichen Erinnerungen an Altkanzler Helmut Kohl journalistisch verarbeitet. Das sei problematisch, wie Michael Klein, der Nachrichtenchef “Wetzlarer Neue Zeitung”, findet. Diekmann sei mit Kohl persönlich befreundet gewesen, es fehle an der nötigen journalistischen Distanz. Das mache Diekmanns Urteil über Kohl journalistisch wertlos, denn Urteilsfähigkeit resultiere aus Unbefangenheit.

2. Lieber verwanz’ ich als G20
(zeit.de, Patrick Beuth)
Während die mediale Aufmerksamkeit dem G20-Gipfel gehörte, verabschiedete der Bundesrat kurz vor der Sommerpause neue Regeln zum Einsatz von Staatstrojanern. Trickreich hat man dafür gesorgt, dass das Thema wenig Beachtung findet. Dies könnte sich jedoch ändern, wenn die Verfassungsbeschwerde der “Gesellschaft für Freiheitsrechte” behandelt wird.

3. Schreiben unter Todenhöfer
(taz.de, Peter Weissenburger)
Vor etwa einem halben Jahr hat “Freitag”-Verleger Jacob Augstein den Publizisten Jürgen Todenhöfer zum Herausgeber der linken Wochenzeitung gemacht. Eine Entscheidung, die nicht unumstritten war und auch heute noch für Unruhe in der Belegschaft sorgt. So hätten die stellvertretende Chefredakteurin, der Textchef, die Art Director und eine Reihe freier AutorInnen das Blatt verlassen. Wobei Todenhöfer bisher kaum Einfluss auf die Arbeit der Redaktion genommen hätte und nur einmal im Monat zur Konferenz erscheine. Nachtrag: Der Vollständigkeit halber hier der Kommentar des “Freitag”-Chefredakteurs Christian Füller bei “turi”, der der Darstellung widerspricht.

4. Hamburger
(sueddeutsche.de, David Denk)
Der aktuelle “Spiegel” erschien ausgerechnet am G20-Wochenende in der eigenen Stadt mit einem Ernährungstitel. Dies sorgte an einigen Stellen für Unverständnis und Spott. Der G20-Gipfel sei zwar im Heft und online behandelt worden, aber die Signalwirkung sei schwierig.

5. 30.000 Meldungen in 30 Tagen: Google unterstützt Roboterjournalismus
(wired.de, Cindy Michel)
Google finanziert im Rahmen der “Digital News Initiative” ein Projekt für automatisierten Journalismus: Bots sollen für die britische Nachrichtenagentur Press Association (PA) jeden Monat bis zu 30.000 Texte verfassen. Tim Dawson, Chef einer Journalistengewerkschaft, sieht das Projekt mit gemischten Gefühlen. Es könne Journalisten entlasten, aber auch in den Augen von Verlegern überflüssig machen: “Ich habe nur Angst davor, dass wir so eine Menge drittklassiger Artikel bekommen, die nach viel aussehen, aber doch nur computergeneriert sind. So können die Verlage dann noch mehr Reporter entlassen.”

6. Macht mehr Laune als ein Autokorso
(faz.net, Oliver Jungen)
In Köln fand eine prominent besetzte Solidaritätsveranstaltung für Deniz Yücel statt. Günter Wallraff, Oliver Welke, Thomas Gottschalk und Olli Dittrich trugen Texte des von der Türkei inhaftierten Journalisten vor. “FAZ”-Autor Oliver Jungen war angetan von der Aktion: “Leichten Herzens verließ man diese Veranstaltung, die nicht nur gezeigt hat, wie wichtig öffentliche Aufmerksamkeit für die Verfolgten und Inhaftierten in Unrechtsregimen ist, sondern auch, welche gesellschaftsbildende Macht im Humor steckt.”

Rosarote Olympiabrille, Rechte Twitterkrieger, Kampf ums Vong

1. Tageszeitung „Kieler Nachrichten“ wirft Polizei Bespitzelung vor
(netzpolitik.org, Simon Rebiger)
Wurden wirklich mehrere Journalisten der “Kieler Nachrichten” von der Polizei Schleswig Holsteins abgehört und überwacht? Diesen Verdacht äußert zumindest die Zeitung unter Verweis auf Polizei-Quellen. An einem Fahrzeug eines der Reporter hätte es zudem Hinweise auf einen Peilsender gegeben, ein E-Mail-Konto eines Kollegen sei gehackt worden. Hintergrund ist die sogenannte Rocker-Affäre, bei der es um Ungereimtheiten in einem Ermittlungsverfahren gegen die Rockerbande „Bandidos geht. Opposition und Journalistenverbände würden nun Aufklärung verlangen. Der neue Innenminister (CDU) weist die Vorwürfe zurück.

2. Wer redet hier von Doping?
(sueddeutsche.de, Jürgen Schmieder)
Am Wochenende wurde der amerikanische Kabelkanal “Olympic Channel: Home of Team USA” für 35 Millionen US-Haushalte freigeschaltet. Die NBC-Gruppe zahlt dem IOC für die Übertragungsrechte der Olympischen Spiele von 2014 bis 2032 mehr als 12 Milliarden US-Dollar. Den neuen Kanal betreibt NBC gemeinsam mit dem IOC. Kritische Themen wie Doping, Bestechung, Vergabe der Olympischen Spiele an autoritäre Staaten etc. bleiben ausgeklammert. Eine Tatsache, für die ein NBC-Manager eine Erklärung von George-Orwellschen Dimensionen gefunden hat: “Diskussionen bringen häufig das Schlechteste im Menschen hervor, uns dagegen geht es um das Beste: um inspirierende Geschichten, die alle zwei Jahre für zwei Wochen die Leute zu begeistern scheinen.”

3. Russland kopiert Gesetz gegen Hassbotschaften
(reporter-ohne-grenzen.de)
Das russische Parlament diskutiert derzeit ein Gesetz, das sich am umstrittenen deutschen NetzDG orientiert (“Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken”). “Reporter ohne Grenzen” ist entsetzt: „Unsere schlimmsten Befürchtungen werden wahr: Das deutsche Gesetz gegen Hassbotschaften im Internet dient undemokratischen Staaten nun als Vorlage, um gesellschaftliche Debatten im Internet einzuschränken. Auch in Russland sollen in Zukunft Mitarbeiter sozialer Netzwerke unter hohem Zeitdruck darüber entscheiden, welche Informationen gelöscht werden. In einem Land ohne unabhängige Gerichte, die den Schutz der Meinungsfreiheit durchsetzen könnten, ist das eine verheerende Entwicklung.”

4. Reichweitenschnorrer, Replysurfer, Sockenpuppen?
(volkerkoenig.de)
Volker König schreibt über ein Phänomen, das ihm auf Twitter aufgefallen ist. Immer wieder würden sich Accounts in Diskussionen unter Tweets von Medien und Tageszeitungen oder auch von linken Aktivisten einmischen, die nur 50 oder deutlich weniger Follower haben. Auch nach den G20-Krawallen in Hamburg sei eine hohe Anzahl von “danke @PolizeiHamburg”-Twitterern dieser Gruppe zuzuzordnen. “Ich sehe hier eine Tendenz. Entweder sind “rechte Stammtischkrieger” auf Twitter gekommen und randalieren mit ihren Meinungen nun hier herum statt nach ein paar Bier in der Stammkneipe, oder es ist möglicherweise eine Reihe von meist AfD-nahen Personen, die mit Sockenpuppen nicht nur ihre Reichweite erhöhen, sondern durch die scheinbar große Zahl an zustimmenden Meinungen auch die Relevanz.”

5. Ein Geschenk an alle kritischen Geister
(taz.de, Ebru Tasdemir)
Am Jahrestag des türkischen Putschversuchs druckte die “Süddeutsche Zeitung” eine Erdogan-Propaganda-Anzeige und erntete heftige Kritik dafür. Zu Unrecht wie Ebru Tasdemir in der “taz” findet: Die Anzeige sei in sich schon so entlarvend, dass sich eigentlich niemand aufzuregen bräuchte. “Es ist doch ein Geschenk an alle kritischen Geister, das diese Lobbyarbeit so deutlich und plump daherkommt.” Außerdem könnten von den 86.000 Euro, die die Anzeige in etwa gekostet haben dürfte, Journalisten bezahlt werden, die weiter unabhängig über die Türkei berichten.

6. Vongolisch für Fortgeschrittene
(sueddeutsche.de, Jan Stremmel)
Wem gehört das Vong von der Urheberschaft her? Jan Stremmel hat sich auf Spurensuche begeben und mit den Vongolisch-Größen des Internets Kontakt aufgenommen: “Aus einer wunderbar albernen Idee, die deutsche Sprache gemeinschaftlich kreativ zu verhunzen, ist ein kleinlicher und ziemlich deutscher Streit um Deutungshoheit und Urheberschaft geworden. Es wird beleidigt, beschimpft, bedroht. Und ein paar der ironischsten Witzbolde des Internets keifen plötzlich wie die Hausmeister.”

Sehen alle gleich aus (16)

Bereits nach dem ersten Spieltag in der Fußball-Bundesliga, der am zurückliegenden Wochenende stattfand, gibt es den ersten richtig dicken Skandal: Der FC Bayern München stand am Freitagabend in der Partie gegen Bayer 04 Leverkusen zeitweise mit zwölf Spielern auf dem Platz. Jedenfalls behaupten das indirekt “Bild am Sonntag” und Bild.de, was schon mal ein erstes Indiz dafür ist, dass es sich eher um ausgemachten Unsinn handelt — und nicht um einen Wechselfehler der Münchner.

Es geht um diese Fotozeile, die in “BamS” und bei Bild.de erschienen ist:

Ausriss Bild am Sonntag - Bildunterschrift - Alle Hände voll zu tun: Torhüter Sven Ulreich vereitelte zahlreiche Leverkusener Chancen wie diese. Alaba, Rafinha und Hummels (v. l.) schauen gebannt zu

Screenshot Bild.de - Bildunterschrift - Alle Hände voll zu tun: Torhüter Sven Ulreich vereitelte zahlreiche Leverkusener Chancen wie diese. Alaba, Rafinha und Hummels (v. l.) schauen gebannt zu

Das Besondere dabei: In der 62. Spielminute wechselte Bayerns Trainer Carlo Ancelotti Rafinha für Mats Hummels ein. Die beiden Spieler konnten also nicht gleichzeitig auf dem Platz stehen — außer Hummels hätte sich wieder aufs Feld geschlichen.

Nun müssen wir aber alle Leverkusen-Fans enttäuschen, die schon hoffen, ihr Verein könnte die 1:3-Niederlage noch durch eine Beschwerde in einen Sieg ummünzen.

Schaut man sich das zur Bildunterschrift veröffentlichte Foto etwas genauer als die Mitarbeiter der “Bild”-Medien an, sieht man, dass der Bayern-Feldspieler zwischen David Alaba und Mats Hummels nicht der Brasilianer Rafinha ist, sondern der Franzose Franck Ribéry — relativ einfach zu erkennen an der Nummer 7 auf seiner Hose:

Screenshot Bild.de - Foto, das Franck Ribéry zwischen David Alaba und Mats Hummels zeigt

Mit Dank an David L. für den Hinweis!

Stickoxid-Stimmungsmache, Googles Generizid, Datenschützer-Diss

1a. BILDblog braucht Deine Hilfe — unterstütze uns bei Steady
(bildblog.de)
Hier beim BILDblog sieht es finanziell nicht gut inzwischen etwas besser aus. Dank Eurer Unterstützung sind 2000 Euro pro Monat zusammengekommen. Das ist großartig, aber immer noch knapp kalkuliert — wir können uns dadurch gerade so den Mindestlohn zahlen. Um BILDblog eine solidere Basis zu geben, machen wir bei Steady weiter. Du kannst also auch jetzt noch ganz einfach helfen und uns bei Steady monatlich oder jährlich per Lastschrift, Paypal oder Kreditkarte unterstützen.
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1b. Rechtsstaatlich fragwürdiges Verbot
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die “Reporter ohne Grenzen” kritisiert das Vorgehen des Bundesinnenministeriums beim Verbot der als linksextremistisch eingestuften Website linksunten.indymedia.org: “Dass die Bundesregierung ein trotz allem journalistisches Online-Portal durch die Hintertür des Vereinsrechts komplett verbietet und damit eine rechtliche Abwägung mit dem Grundrecht auf Pressefreiheit umgeht, ist rechtsstaatlich äußerst fragwürdig. International ist das ein bedenkliches Signal und liefert repressiven Regimen in aller Welt einen Vorwand, es den deutschen Behörden gleichzutun.”

2. Stimmungsmache mit Stickoxiden
(faktenfinder.tagesschau.de, Kristin Becker)
Beim “Faktenfinder” der “Tagesschau” geht es um das Streitthema Stickstoffdioxid. Die AfD habe wiederholt behauptet, in Büros würden viel höhere Grenzwerte als auf der Straße gelten. Und auch FDP-Chef Lindner habe sich entsprechend geäußert. Das stimme so aber nicht, erklärt Kristin Becker und zieht am Ende einen Vergleich: “Es ist dabei nicht ungewöhnlich, dass für spezielle Arbeitsbereiche andere Grenzwerte gelten als für die Allgemeinheit. Beispielhaft dafür ist auch die Strahlenbelastung. So gilt laut Bundesamt für Strahlenschutz für die normale Bevölkerung ein Grenzwert von ein Millisievert. Für sogenannte strahlenexponierte Personen — dazu gehören unter anderen Piloten, Arbeiter in Atomkraftwerken oder Radiologen — liegt die effektive Jahresdosis bei 20 Millisievert. Also 20-mal höher.”

3. Verlagserbin Sylvia Madsack wehrt sich gegen den „Spiegel“
(welt.de, Christian Meier)
Hält die Miteigentümerin der Hannoveraner “Madsack Mediengruppe” eine von ihr selbst in Auftrag gegebene Firmenchronik zurück, weil sie unangenehme Dinge über die Nazizeit enthält, “als jüdisches Geld im Verlag steckte”? Gegen diese Andeutung des “Spiegel” wehrt sich nun die Verlagserbin Sylvia Madsack mit einem fünfseitigen Papier, in dem die Entwicklung einer Unterbeteiligung am Verlag detailliert beschrieben wird. Christian Meier schildert in der “Welt” den “Madsack”-Standpunkt, wünscht sich schlussendlich dennoch einen neuerlichen Anlauf, die Firmengeschichte neu aufzuarbeiten.

4. Wie viel Aktivismus verträgt der Journalismus?
(sueddeutsche.de, Tim Neshitov)
Immer wieder flammt die Debatte auf, wie viel Aktivismus der Journalismus verträgt. Nach Meinung von “SZ”-Redakteur Tim Neshitov hätten G-20-Proteste und das “Indymedia”-Verbot diese Frage wieder aktuell gemacht. Es gäbe prominente Fürsprecher für einen Journalismus mit Haltung: Schon Starreporter Egon Erwin Kisch hätte eben diese dem Elend der Welt gegenüber gefordert. Und auch der durch die Snowden-Enthüllungen weltweit bekannt gewordene Glenn Greenwald argumentiert: “Jeder journalistischen Entscheidung wohnen höchst subjektive Annahmen inne — kulturell, politisch oder nationalistisch — so dass Journalismus den Interessen der einen oder anderen Fraktion dient.”

5. Angst vor dem eigenen Namen
(zeit.de, Eike Kühl)
In den USA läuft eine Klage, die dem Unternehmen “Google” das Recht absprechen soll, alleinig Produkte unter ihrem Namen zu vertreiben beziehungsweise den Namen zu nutzen. Würden sich die Kläger auch vor dem Obersten Gerichtshof durchsetzen, drohe der “Generizid”. Dieses Wort, eine Mischung aus “generisch” und “Suizid”, beschreibe in der Urheberrechtsszene den Prozess, wenn ein Markenname in den allgemeinen Sprachgebrauch übergeht, also nur noch beschreibend für ein Produkt steht. Natürlich wehrt sich “Google” dagegen mit Händen und Füßen. So hat man beispielsweise Verlage aufgefordert, Einträge in Wörterbüchern anzupassen. Im Duden hieße “googeln” seitdem statt “im Internet suchen” wie von Google gewünscht “mit Google im Internet suchen”.

6. Welt am Sonntag: Datenschützer sind U-Bahnschubser und Hooligans
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Darauf muss man erstmal kommen: Die “Welt am Sonntag” bezeichnet George Orwells “1984” in einer formatfüllenden Schlagzeile als “das Lieblingsbuch aller U-Bahn-Schubser, Vergewaltiger, Heroindealer, Terror-Planer, Grapscher, Taschendiebe, Goldmünzenräuber, Schläger und Hooligans”. Die Bedenken bei Videoüberwachung werden als “absurde deutsche Angst” abqualifiziert.

Redaktionen springen über Alice Weidels AfD-Stöckchen

Alice Weidel hat also vorzeitig ein TV-Studio verlassen. Die Spitzenkandidatin der AfD bei der anstehenden Bundestagswahl ist gestern Abend in der knapp 100 Minuten dauernden ZDF-Talkrunde “Wie geht’s, Deutschland?” bereits nach 65 Minuten gegangen. Heute gibt es fast keine Redaktion, die nicht bei diesem kalkulierten Eklat mitmacht.

Anders als bei CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, der vor knapp zwei Monaten die Talk-Runde von Sandra Maischberger — ob nun zu Recht oder zu Unrecht — ehrlich empört verlassen hatte, wirkt Weidels Abgang recht gelassen. Die AfD-Politikerin warf CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer noch vor, dass dessen Partei illegale Einwanderung legalisieren wolle, lächelte dabei, dann packte sie auch schon ihre Unterlagen und ging.

Im Verlauf der Sendung gab es mitunter zwar hitzige Debatten, aber keine Situation, die zwangsläufig zum Verlassen des Studios führen musste. Es scheint so, als wollte Alice Weidel unbedingt gehen, egal wann, Hauptsache gehen, vielleicht auch, weil sie und ihre Partei gesehen haben, wie groß das Medienecho nach Bosbachs Aktion war. Über Weidels Aussagen in der ZDF-Sendung hätte heute wohl kaum eine Redaktion ausführlich berichtet. Über den “Eklat im TV” berichten so gut wie alle:

Screenshot Spiegel Online - AfD-Spitzenkandidatin - Weidel verlässt ZDF-Sendung vorzeitig
(“Spiegel Online”)

Screenshot Zeit Online - AfD - Alice Weidel verlässt ZDF-Sendung
(“Zeit Online”)

Screenshot Süddeutsche.de - Bundestagswahl - AfD-Spitzenkandidatin Weidel verlässt ZDF-Talk
(Sueddeutsche.de)

Screenshot FAZ.net - Diskussionsrunde zur Wahl - AfD-Kandidatin Weidel verlässt ZDF-Sendung vorzeitig
(FAZ.net)

Ausriss Bild-Zeitung - Eklat im TV - AfD-Weidel verlässt ZDF-Talk
(“Bild”)

Screenshot Bild.de - Eklat beim ZDF - AfD-Weidel verlässt die ZDF-Sendung
(Bild.de)

Screenshot RP Online - AfD-Spitzenkandidatin verlässt Studio - Alice Weidel sorgt bei ZDF-Wahlsendung für Eklat
(“RP Online”)

Screenshot MDR.de - Eklat im TV - AfD-Spitzenkandidatin verlässt Wahlsendung
(MDR.de)

Screenshot Tagesspiegel.de - AfD-Spitzenkandidatin - Weidel verlässt nach Streit ZDF-Talksendung vorzeitig
(Tagesspiegel.de)

Screenshot Welt.de - AfD-Spitzenkandidatin - Alice Weidel verlässt vorzeitig ZDF-Live-Sendung
(Welt.de)

Screenshot BZ - Wie geht's Deutschland? AfD-Spitzenfrau Alice Weidel verlässt ZDF-Sendung
(bz-berlin.de)

Screenshot ruhrnachrichten.de - Eklat: AfD-Spitzenkandidatin verlässt ZDF-Sendung
(ruhrnachrichte.de)

Screenshot saarbruecker-zeitung.de - AfD-Kandidatin Weidel verlässt ZDF-Wahlsendung vorzeitig
(saarbruecker-zeitung.de)

Screenshot nrz.de - Talkshow - AfD-Spitzenkandidatin Weidel stürmt aus Talkshow im ZDF
(nrz.de)

Man könnte diese Liste noch sehr lange fortführen.

Bunte.de schreibt heute:

Screenshot Bunte.de - TV-Eklat: Über diesen Abgang spricht ganz Deutschland

Genau das ist das Kalkül der AfD: Die Schlagzeilen bringen ihr 18 Tage vor der Wahl eine Aufmerksamkeit, die sie sonst nie bekommen würde. Schon in einem Strategiepapier für den Wahlkampf schrieb die Partei, dass sie “vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken” wolle, negative Reaktionen seien dabei “ganz bewusst” einkalkuliert. Ein gut inszenierter “Eklat im TV” ist sicher eine solche “Provokation”. Bei der anschließenden PR-Arbeit machen die Redaktionen, die unreflektiert jede AfD-Kleinigkeit in eine Überschrift packen, immer wieder freiwillig mit.

Immerhin grübeln manche Medien inzwischen, ob Alice Weidel das nicht doch alles geplant habe. Die kostenlose Wahlwerbung für die AfD haben sie aber längst unters Volk gebracht.

rbb-Wahlkampf-Moderator, VHS-Kurs-Klaas, Hurrikan-Reporter

1. rbb missbilligt Einsatz von Jörg Thadeusz im CDU-Wahlkampf
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
rbb-Moderator Jörg Thadeusz hat unlängst eine CDU-Wahlkampfveranstaltung mit Angela Merkel moderiert. Dabei hat er auf seine Tätigkeit beim rbb hingewiesen und seine Sendung “Fahrbereitschaft”, in der er sich mit den Spitzenpolitikern der kandidierenden Parteien unterhält. Als ihn der Journalistenkollege Tilo Jung auf Twitter auf einen möglichen Interessenkonflikt ansprach, reagierte Thadeusz verschnupft und blockierte seinen Kritiker. Stafan Niggemeier kommentiert: “Bemerkenswert ist, in welchem Maß der Moderator in der Diskussion auf Twitter nicht einmal im Ansatz erkennen wollte, dass die Doppelrolle insbesondere im Wahlkampf problematisch sein könnte.” Wenigstens der rbb hat die Brisanz erkannt und das Verhalten des Moderators missbilligt.

2. „Menschenwürde vor Meinungsfreiheit“
(message-online.com, Nadine Sebastian & Lydia Ulbrich)
“Message Online” hat 29 Medienhäuser zu ihren Erfahrungen mit Hasskommentaren befragt und die Ergebnisse in eine interaktive Karte einfließen lassen.

3. Volkshochschulkurs mit Unterhaltungselementen
(faz.net, Frank Lübberding)
Gestern Abend lief auf “Pro Sieben” das Politformat „Ein Mann, eine Wahl“ mit Klaas Heufer-Umlauf, eine Mischung aus Politiker-Interviews und Prominenten-Statements. Frank Lübberding nennt die Sendung einen “Volkshochschulkurs mit Unterhaltungselementen” und befindet: “Hier soll in unterhaltsamer Form dem eher desinteressierten Bürger sein Wahlrecht schmackhaft gemacht werden. Wahlberichterstattung als Infotainment, wobei die Medien noch dazu am liebsten sich selbst und ihre Wirkung thematisieren.”

4. Beim Thema Alltagsrassismus findet Merkel die falschen Worte
(sueddeutsche.de, Antonie Rietzschel)
“SZ”-Korrespondentin Antonie Rietzschel hat sich die gestrige “Wahlarena mit Angela Merkel” (ARD) angeschaut, bei der Zuschauer die Kanzlerin befragen. Diese hat ihre ganze Erfahrung ausgespielt und gelegentlich mit rhetorischen Tricks gearbeitet. Doch an einer Stelle habe sie versagt, so Rietzschel: “Beim Thema Alltagsrassismus findet Merkel die falschen Worte.”

5. Die Kanzlerin, eine wilde Jugend und eine sehr alte E-Mail
(correctiv.org, Lennart Kutzner)
Viele User sind auf einen satirischen Blogartikel des rechten Bloggers David Berger zur DDR-Vergangenheit der Bundeskanzlerin hereingefallen. “Correctiv” geht der Frage nach, wie sich solche Falschmeldungen im Netz verbreiten können. Wobei der konkrete Fall eine Besonderheit aufweist, denn der Autor hat seinen Beitrag auf zwei verschiedenen Plattformen gepostet, einmal mit und einmal ohne den Satirehinweis.

6. Hurrikan-Reporter als Kriegshelden
(srf.ch, Fredy Gsteiger)
Der Wirbelsturm “Irma” ist das beherrschende Thema in den amerikanischen Medien: Folgerichtig überbieten sich die US-Fernsehstationen geradezu mit dramatischen Bildern und die Außenreporter werden wie Kriegshelden inszeniert. Im SRF-Artikel wird mit Hilfe von zwei Beispielvideos gezeigt, wie sich die Hurrikan-Reporter in Szene setzen.
Auch die “SZ” hat sich dem Phänomen gewidmet und schließt mit den Worten: “Reporter sind keine Karikaturen, aber dann sollten sie nicht nur den Stürmen, sondern auch den Inszenierungen die Stirn bieten.”

Lichtermarkt-Hysterie, “Addendum” mit Brause-Millionen, Kaffee ist alle

1. Wie sowas läuft: Die rechte Digital-Kampagne gegen Elmshorn.
(fearlessdemocracy.org, Gerald Hensel)
Gerald Hensel hat bei “Fearless Democracy” die Social-Media-Kampagne gegen die Stadt Elmshorn und ihren Lichtermarkt analysiert, vom ersten Tweet bis hin zur hunderttausendfachen Verbreitung. Ein konstruierter Shitstorm, der jeden treffen kann, so Hensel: “Ein Tweet reicht, ein Event-Name, der ins Weltbild passt, und am Ende ein schwarzes Kind auf einem Plakat. Fertig ist die Kampagne. Und eine Stadt, deren Vorweihnachtszeit empfindlich gelitten haben dürfte.”

2. Addendum arbeitet grundsätzliche Themen mit großem Besteck auf
(get.torial.com, Bernd Oswald)
Für seine neue Medienplattform “Addendum” hat der österreichische Multimilliardär und “Red Bull”-Brauer Dietrich Mateschitz etwas tiefer in die Brieftasche gelangt und gleich 40 Mitarbeiter angeheuert. Mateschitz haftet der Ruf an, rechts der Mitte zu stehen, entsprechend kritisch wurde und wird das Projekt von außen beäugt. Bernd Oswald kann der Seite in seiner Rezension durchaus Gutes abgewinnen. Außerdem fänden sich keine Ansatzpunkte dafür, in “Addendum” ein populistisches Projekt oder die Schaffung einer “Gegenöffentlichkeit” zu sehen. Er kritisiert jedoch das Fehlen von konkreten Lösungsvorschlägen.

3. Wenn zwei sich streiten
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner)
Vor 20 Jahren griff der “Südkurier” aus Konstanz mit einer neuen Lokalausgabe die Konkurrenz der “Schwäbischen Zeitung” auf deren Gebiet an. Die “Schwäbische Zeitung” konterte kurze Zeit später mit drei neuen Lokalausgaben im Stammgebiet des “Südkuriers”. Der Wettbewerb findet nun ein Ende: Zum Jahresende will der “Südkurier” seine Lokalausgabe dichtmachen. Die “Schwäbische Zeitung” wiederum habe die Schließung ihrer drei Lokalredaktionen im “Südkurier”-Stammgebiet angekündigt. Kritiker bedauern das Schrumpfen der publizistischen Vielfalt.

4. „Townhall-Meetings“ als Nonplusultra der Wahlberichterstattung? Ein Einspruch von Journalismus-Professor Bernd Gäbler
(meedia.de, Bernd Gäbler)
Neuwahlen würden auch einen erneuten Wahlkampf bedeuten. Wie werden die Medien darüber berichten? Auf welche Formate werden sie setzen? Nachdem das letzte “TV-Duell” eher kritisch gesehen wurde, könnten die Medien verstärkt auf sogenannte “Townhall-Meetings” mit Bürgerbeteiligung setzen. Journalistik-Professor Bernd Gäbler kann dem Format nur wenig abgewinnen: “Wenn die Politik-Journalisten von sich aus beginnen, in die einseitigen Lobeshymnen dieser “Townhall”-Formate einzustimmen, die als gelegentliche Ergänzung in einem Wahlkampf ihre Berechtigung haben mögen, dann stimmen sie letztlich ein in den Abgesang auf ihre eigentliche Profession.”

5. Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger über Hass im Netz
(blmplus.de, Elena Lorscheid, Video, 3:59 Minuten)
Thomas-Gabriel Rüdiger ist Kriminologe am “Institut für Polizeiwissenschaft” der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Die Schwerpunkte des Cyberkriminologen liegen unter anderem auf “digitalen Straftaten und Interaktionsrisiken sozialer Medien”. Auf den Augsburger Mediengesprächen 2017 fordert er beim Thema “Hass im Netz” mehr Schutzmaßnahmen für Opfer und ein höheres Risiko für Täter.

6. Schleichwerbung beim SWR – Jugendradio DASDING handelt sich wegen Kaffeeaktion einstweilige Verfügung ein
(allgemeine-zeitung.de, Markus Lachmann & Mario Thurnes)
Dem Jugendsender des SWR wurde per einstweiliger Verfügung untersagt, im Rahmen der “DASDING Morningshow” Werbung und/oder Sponsoring für Dritte zu betreiben. Bei der sogenannten “Hallo wach”-Aktion hatte man an verschiedenen Orten kostenlosen Kaffee ausgeschenkt. “Powered by McCafé”, wie es hieß. Dies hätte teilweise vor “McDonald’s”-Filialen stattgefunden. Zudem sei im Internet das “McDonald’s”- Logo abgebildet und auf die “McDonald’s”-Seite verlinkt worden.

Bild.de erfindet Zitat und schickt Frau mit falschen 400 Männern ins Bett

400 Typen gefickt du Schlambe stirb!

Alter wie ekelhaft wie ausgeleihert sie bestimmt bereits ist abartig jeder man der sie nimmt baaah muss jetzt dabei denken das 400 männer oder mehr vor ihn bereits eingelocht haben

400 super 😉 Bist bestimmt stolz drauf ne Muschi wie nen Scheunentor, da freut sich deine Freund bestimmt drauf … ich kotze gleich im Quadrat.

Das kommt dabei raus, wenn Bild.de eine Schlagzeile erfindet, und Bild.de-Leser aufgrund dieser erfundenen, falschen Schlagzeile Schaum vor dem Mund haben.

Es geht um diese Überschrift, die die “Bild”-Onlineredaktion bereits am 17. Oktober veröffentlicht hat:

Screenshot Bild.de - Ilan arbeitete neben dem Studium als Prostituierte - Ich habe mit über 400 Männern geschlafen

Das Zitat, das Bild.de in die Titelzeile gepackt hat, ist nie gefallen, jedenfalls nicht von Ilan Stephani, um die es in dem “Bild plus”-Artikel geht und der die angebliche Aussage von der Redaktion zugeschrieben wird. Es wäre auch merkwürdig, wenn Stephani sagen würde, sie habe “mit über 400 Männern geschlafen”, denn das hat sie nicht. Das Zitat ist also nicht nur erfunden, sondern inhaltlich auch noch falsch.

Ilan Stephani hat zwei Jahre lang in einem Berliner Bordell als Prostituierte gearbeitet. Im Oktober erschien ein Buch von ihr über diese Zeit. Rund um die Veröffentlichung hat Stephani mit mehreren Journalisten gesprochen, darunter auch eine Autorin, die für “B.Z.” und “Bild” schreibt. In einem Artikelentwurf, der Stephani zum Absegnen vorgelegt worden sei, steht dieser Satz:

Dort arbeitete sie zwei Jahre lang im Schnitt einmal in der Woche, betreute bis zu fünf Männer und hatte mindestens 400 Mal bezahlten Sex.

Damit es auch die Leute bei Bild.de verstehen: Wenn man “mindestens 400 Mal bezahlten Sex” hatte, gibt es ganz viele verschiedene und zwei extreme Möglichkeiten, wie diese Zahl zustande gekommen sein kann: Man hat als Prostituierte entweder mit 400 unterschiedlichen Männern jeweils einmal geschlafen. Oder man hat mit demselben Mann 400 Mal geschlafen. Das Ergebnis in beiden Fällen: Man hatte “mindestens 400 Mal bezahlten Sex”.

Die Wahrheit liegt bei Ilan Stephani irgendwo zwischen diesen beiden Extremen, wie sie uns auf Nachfrage bestätigte: Sie habe nach einer gewissen Zeit Stammfreier gehabt, zwischendurch seien neue Männer dazugekommen. 400 verschiedene Männern seien es jedenfalls nicht ansatzweise gewesen. Sie könne allerdings auch keine exakte Zahl nennen und habe dies auch nie getan.

Der eine Satz aus dem Artikelentwurf hat es am Ende nicht in den Bild.de-Text und auch nicht in den der “B.Z.” geschafft — er wurde offenbar von den Redaktionen gestrichen. Dafür landete er falsch übersetzt und in Zitatform in der Bild.de-Überschrift und verbreitete sich von dort aus. “Focus Online” hat die falschen “400 Männer” zum Beispiel aufgegriffen:

Wie die “Bild” berichtet, hat die junge Frau in dieser Zeit mit mehr als 400 Männern Geschlechtsverkehr in einem Berliner Bordell gehabt.

Genauso die Onlineredaktion des “Berliner Kuriers”

Screenshot berliner-kurier.de - Studentin pack aus - Ich habe mit über 400 Männern Sex gehabt

Express.de

Screenshot Express.de - Studentin pack aus - Ich habe mit über 400 Männern Sex gehabt

Mopo.de

Screenshot Mopo.de - Studentin pack aus - Ich habe mit über 400 Männern Sex gehabt

… und oe24.at:

Screenshot oe24.at - Studentin pack aus - Ich habe mit über 400 Männern Sex gehabt

Die Unfähigkeit der Bild.de-Redaktion, Fakten sauber zu recherchieren, führt zu vielen weiteren falschen Artikeln und hasserfüllten Kommentaren bei Facebook.

Nachtrag, 17:53 Uhr: Weil die Gefahr besteht, dass dieser Punkt in unserer Kritik untergeht: Was die Kommentatoren bei Facebook geschrieben haben, wäre genauso arschgeigig, wenn Ilan Stephani oder irgendeine andere Frau tatsächlich mit 400 Männern geschlafen hätte. Völlig egal, ob mit vier Männern, mit 400 oder mit 40.000 — es gibt keinen Grund auf dieser Welt, sich derart frauenfeindlich zu äußern.

Neurechte Amerika-Connection, Bio-Hartz-4, Russlandkritikstreuer BND

1. Die Amerika-Connection der Neuen Rechten
(zeit.de, Nico Schmidt)
Seit fünf Jahren gibt es die Seite “Journalistenwatch”, die von der rechten Wochenzeitung “Junge Freiheit” als “BILDblog von rechts” bezeichnet wurde. (Wir mussten beim Lesen spontan husten…) Nico Schmidt hat sich die einflussreiche Plattform der Neuen Rechten näher angeschaut und ist auf einen Geldgeber jenseits des Atlantiks gestoßen: den US-amerikanischen und proisraelischen Thinktank “Middle East Forum”. Dessen finanzielle Förderung ist nicht unumstritten. Auch die frühere Vorsitzende des Zentralrats der Juden, Charlotte Knobloch, äußert Kritik.

2. Bundesnachrichtendienst streute heimlich Russland-Kritik unter Medien
(tagesspiegel.de, Jost Müller-Neuhof)
Der Bundesnachrichtendienst (BND) bestätigte dem “Tagesspiegel” gegenüber, dass er ausgewählte Journalisten heimlich mit russlandkritischen Informationen und Einschätzungen versorgt habe, bevor er mit dem Thema selbst an die Öffentlichkeit gegangen sei. Sogenannte Hintergrundgespräche gehören nicht nur zur Informationspraxis der Nachrichtendienste, sondern von Regierung und Bundesbehörden insgesamt. Eine Praxis, die der Verfasser des “Tagesspiegel”-Beitrags Jost Müller-Neuhof gerade gerichtlich klären lässt.

3. “Nicht akzeptabel”: Buchverlage laufen Sturm gegen ab Januar kostenpflichtiges „Spiegel Bestseller“-Logo
(meedia.de, Alexander Becker)
Bei der Verwendung des “Spiegel-Bestseller”-Logos auf Büchern sah der Deal bislang folgendermaßen aus: Die Verlage profitieren von der Reputation des “Spiegel und dieser ist mit seinem Logo zigmillionenfach im Buchhandel präsent. Diese Win-win-Situation soll sich nun verschieben, denn der “Spiegel” will künftig Lizenzgebühren für die Verwendung des Labels kassieren. Auf die größten Verlagsgruppen können da zusätzliche 250.000 Euro bis eine Million Euro pro Jahr zukommen.

4. Der Nutzer als Jurist: Twitter rollt Meldesystem für das NetzDG aus
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ist wegen möglicher Beschränkungen der Meinungsfreiheit umstritten. Die kleinen Parteien FDP, Linke und AfD wollen es sogar kippen. Ein Teil des neuen Gesetzes: Die großen Plattformen werden dazu verpflichtet, ein Beschwerdesystem einzurichten. Twitter hat dies nun getan. Um es zu bedienen, sollte man jedoch zumindest juristische Vorkenntnisse mitbringen

5. Wozu noch Bibliotheken?
(deutschlandfunk.de, Michael Knoche)
Michael Knoche – bis 2016 Direktor der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar – schreibt in seinem umfassenden Essay über die Herausforderungen des Internets, unvorstellbare Kosten von wissenschaftlichen Publikationen, den Mehrwert durch Verlage und über Sinn und Grenzen von Open-Access-Systemen. Und endet mit einem Wunsch: “Die Idee der Bibliothek wird mit den Chancen, die die elektronischen Medien bieten, noch machtvoller werden. Wichtig ist jetzt, dass in Deutschland die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die für das Gedeihen der Bibliotheken nötig sind. Die Merkmale des Internets sind Flüchtigkeit, Nicht-Hierarchie, Ubiquität und Vernetzbarkeit von allem und jedem. Die Merkmale von Bibliotheken sind Dauer, Ordnung, Kontext und Konzentration. Gepriesen sei die Zeit, die über beides verfügt und es kombinieren kann.”

6. Das schöne Bio-Leben mit Hartz IV
(taz.de, Jörg Wimalasena)
TV-Koch Tim Mälzer hat im “Lebensmittel-Check” (ARD) mit einer gut situierten Familie eine Pseudo-Lebenswirklichkeit simuliert, in der der Hartz-IV-Satz sogar für gute Bio-Lebensmittel ausreicht: “Einmal mit dem Rucksack durch Südamerika reisen oder Freiwilligendienst im indischen Slum sind als Mittelschichtfantasie wohl nicht mehr gefragt, da ist es wohl aufregender, für einen selbstverständlich begrenzten Zeitraum das entbehrungsreiche Leben der Abgehängten zu imitieren. Es ist ein Hartz-IV-Experiment im Sandkasten, frei von allen sozialen Härten, mit denen Betroffene sonst zu kämpfen haben.”

“Wer stoppt die verdammten Gaffer?” Bild.de auf jeden Fall nicht!

So sieht Heuchelei aus:

Screenshot Bild.de - Dreiste Schaulustige - Wer stoppt die verdammten Gaffer?

Gaffer seien “einfach die Pest”, heißt es in dem Artikel, den die Bild.de-Redaktion in ihrem überzeugten aufklärerischen Kampf gegen fotografierende und filmende Schaulustige blöderweise hinter der Paywall versteckt hat:

Sie glotzen, sie machen Selfies, sie behindern Rettungskräfte: Gaffer sind einfach die Pest! Doch was tun? BILD sucht Antworten (…)

Sie fotografieren und filmen Unfälle, statt Platz für die Helfer zu machen. Sie demütigen Opfer und Angehörige. Was hilft gegen sie?

Auf die Fragen, was gegen die schrecklichen Gaffer hilft und wer sie stoppen kann, haben auch wir keine endgültigen Antworten. Wir wissen aber, wer sie ganz sicher nicht stoppen wird: Redaktionen, die genau diese Gaffer durch das Versprechen von “bis zu 250 Euro” dazu verleiten, bei Unfällen stehenzubleiben, das Smartphone draufzuhalten und ein bisschen abzukassieren. Allen voran: Bild.de.

Screenshot Bild.de - Werden auch Sie zum Leser-Reporter! Haben Sie etwas fotografiert, das Bild drucken oder Bild.de veröffentlichen soll? Egal ob lustig, spektakulär, spannend oder kurios, die 1414-Redaktion will Ihr exklusives Foto und zahlt bis zu 250 Euro. Zum Upload-Formular - Verdienen Sie mit Ihrem Foto bis zu 250 Euro

Hier nur eine kleine Auswahl von dem, was da so reinkommt und bei Bild.de veröffentlicht wird:

Collage mit Screenshots von Bild.de-Artikeln, die auf Leserreporter-Aufnahmen von Unfällen beruhen

Wirklich ernsthaft haben die Freiwillige Feuerwehr Osnabrück, der “Bürgerverein Wüste” sowie die Filmemacher der “Blickfänger GbR” etwas gegen Gaffer unternommen. Sie haben ein Video zum Thema produziert, das in den vergangenen Tagen häufig angeschaut wurde:

Auch Bild.de hat über “dieses Schock-Video” aus Osnabrück berichtet, das “Gaffer abschrecken” solle. Es tauchte sogar auf der Startseite des Portals auf. Direkt darüber und deutlich größer ein anderes Video: “Augenzeuge filmt Mega-Karambolage mit 40 Autos”:

Screenshot von der Bild.de-Startseite, der die zwei Video übereinander zeigt

Dazu auch:

Mit Dank an Martin G., Patrick B. und @igwigg für die Hinweise!

Julian Reichelt und die Fakten? “Und gute Nacht.”

Begeht man den großen Fehler, einfach das zu glauben, was “Bild”-Oberchef Julian Reichelt so behauptet, könnte man meinen, die Redaktion der “Tagesthemen” hat kollektiv den Verstand verloren:

Screenshot vom Tweet von Julian Reichelt - Um den Mord von Kandel aufzuarbeiten, führen die Tagesthemen jetzt Interviews mit der NPD. Die NPD-Vorsitzende darf den Rücktritt des Bürgermeisters fordern. Und gute Nacht.

Aber es handelt sich eben um Julian Reichelt, bei dem hinlänglich bekannt sein sollte, dass er sich für ordentliches Informieren nicht allzu sehr interessiert, und bei dem Skepsis immer angebracht ist. Konnte in den “Tagesthemen” also eine “NPD-Vorsitzende” mir nichts, dir nichts den Rücktritt des Bürgermeisters von Kandel fordern? Nein.

Die “Tagesthemen” machten gestern Abend mit einem großen Block zum Mord an einer 15-Jährigen in dem rheinland-pfälzischen Ort auf. Die Anmoderation von Caren Miosga, der Beitrag aus Kandel, ein Interview mit einem “Konflikt- und Gewaltforscher”, ein Kommentar zum Thema — all das nahm 10:32 Minuten der insgesamt 30-minütigen Sendung ein.

Julian Reichelt pickte sich für seinen Tweet aus diesen 10:32 Minuten neun Sekunden heraus, in denen die stellvertretende Vorsitzende der NPD Rheinland-Pfalz in eine ARD-Kamera sagt:

“Also, dass der Bürgermeister dieser Kritik ausgesetzt ist, da habe ich kein Mitleid mit ihm. Normalerweise müsste dem sein Kopf rollen. Der hätte, der müsste sofort sein Amt enthoben werden.”

Nun ist es ein riesiger Unterschied, ob dieses Zitat von den “Tagesthemen” als eine von vielen ganz normalen Aussagen aus Kandel dargestellt wird oder ob es für die Redaktion als Beispiel dafür dient, auf welch eklige Weise Rechtsextreme die schreckliche Tat für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Caren Miosga moderierte den Beitrag, in dem das Zitat der NPD-Vizevorsitzenden vorkommt, mit folgenden Worten an:

Der Mord an einer 15-Jährigen gehört zu jenen Verbrechen, die so sehr erschüttern, dass Orte, an dem sie geschehen, fortan zum Synonym für die Tat werden. Die rheinland-pfälzische Kleinstadt Kandel ist so ein Synonym. Seitdem am 27. Dezember ein afghanischer Flüchtling ein Mädchen erstochen hatte, steht dieser Ort auch jenseits seiner Grenzen für die schaurige Tat.

Er steht aber auch für den Umgang mit derselben. Und der ist gleichsam schaurig. Denn noch bevor die Behörden das Verbrechen haben aufklären und die Einwohner um den Verlust des Mädchens haben trauern können, kaperten vor allem Rechtsextreme Trauer und Gedenken und schürten offenbar so viel Angst, dass kaum noch jemand über die Ereignisse zu sprechen wagt; geschweige denn über die anderen etwa 200 Flüchtlinge, die auch in diesem Ort leben. So hat es Peter Sonnenberg erfahren, der mehrere Tage in Kandel verbrachte.

Und Peter Sonnenberg sagt in seinem Beitrag:

Kandel ist geschockt. Viele Menschen möchten trauern, doch kurz nach der Tat erwacht bei anderen der Hass. Die Tragödie wird zur Bühne für Parolen. (…)

Auch die NPD hofft, dass ihre Parolen in diesen Tagen in Kandel auf fruchtbaren Boden fallen. “Also, dass der Bürgermeister dieser Kritik ausgesetzt ist, da habe ich kein Mitleid mit ihm. Normalerweise müsste dem sein Kopf rollen. Der hätte, der müsste sofort sein Amt enthoben werden.” Und bei manchen Zuhörern fällt es auf fruchtbaren Boden.

Viel klarer kann die Redaktion der “Tagesthemen” das Zitat der NPD-Vertreterin nicht einordnen. Viel bewusster kann Julian Reichelt es nicht aus dem Zusammenhang reißen.

Natürlich handelt es sich nur um einen Tweet. Er zeigt aber einmal mehr, mit was für Methoden der Mann arbeitet, der am Ende entscheiden kann, worüber und wie Deutschlands größte Tag