Archiv für September, 2021

Die Opfer von “Bild” (12)

In einer früheren Ausgabe dieser Rubrik haben wir über die Willkür geschrieben, mit der “Bild” Fotos von Verbrechensopfern (nicht) verpixelt. Während zum Beispiel zwei Frauen, die in Kiel ermordet wurden, konsequent ohne Verpixelung gezeigt wurden, wurde das Gesicht eines Mannes, der in Berlin ermordet wurde, konsequent unkenntlich gemacht.

Zwei Wochen später änderte die Redaktion dann plötzlich den Kurs – und zeigte auch den Mann ohne jede Unkenntlichmachung:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Prozess gegen Kannibalen von Pankow - Todesrätsel um Opfer [Name]", dazu ein Porträtfoto des Mannes
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag von uns.)

Insgesamt veröffentlichten die “Bild”-Medien in jener Woche (30. August bis 5. September) mindestens 20 Mal Fotos von Menschen, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind. Sowohl in der Printausgabe als auch online erschienen zum Beispiel Fotos einer Frau, die mutmaßlich von ihrem Ehemann ermordet wurde:

Ausriss aus der BILD-Zeitung: "So quälte der Killer-Zahnarzt seine schöne Frau", dazu ein großes Foto der Frau sowie ein kleines Foto ihres Ehemanns

Und Fotos einer Frau, die von ihrem Ehemann erschossen worden sein soll:

Ausriss aus der BILD-Zeitung: "Ehefrau erschossen, weil sie Taschentücher herumliegen ließ", dazu ein Foto des Hauses, in dem die Tat stattfand, sowie ein großes Foto der Frau

Gedruckt wurde auch ein Foto einer Frau und ihres Babys, die an einer Bushaltestelle ums Leben kamen:

Ausriss aus der BILD-Zeitung: "Mutter und Baby an Haltestelle totgefahren", dazu mehrere Fotos des Unfallorts sowie ein großes Foto der Mutter uns ihres Kindes

Bild.de zeigte auch das Gesicht eines Rettungsschwimmers, der vom Blitz erschlagen wurde:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "US-Rettungsschwimmer vom Blitz getroffen - tot", dazu ein großes Foto des Mannes

Und das einer Frau, die von ihrem Ehemann durch eine Explosion getötet worden sein soll:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Ehefrau und Hund in die Luft gejagt - Drei Tatorte, eon Todesdrama", dazu ein Foto des zerstörten Hauses sowie ein Foto der Frau, ihres Mannes und ihres Hundes, sowie das BILD-Plus-Logo

Und das Foto eines Vaters und seines Kindes, die in einer Kellerwohnung ertrunken sind:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Dramatische Flut in New York - Familie ertrinkt in Kellerwohnung", dazu ein Foto der zerstörten Wohnung sowie ein Foto des Mannes und seines Kindes

***

Drei Monate lang haben wir diese Praxis nun etwas genauer beobachtet. In dieser Zeit haben die “Bild”-Medien mindestens 355 Mal Fotos von Menschen gezeigt, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind. In 40 Fällen von Minderjährigen.

In 22 Fällen waren die Gesichter verpixelt, in elf Fällen die Augen. In 322 Fällen verzichtete “Bild” auf jede Unkenntlichmachung.

Nur in 14 Fällen haben Angehörige der Veröffentlichung laut “Bild”-Angabe zugestimmt.

***

Nach einem Verbrechen oder Unglück in Social-Media-Profilen zu wühlen und daraus Fotos der Opfer zu veröffentlichen, ist redaktioneller Alltag bei “Bild”. Häufig erscheinen solche Fotos ohne jede Verpixelung und ohne Zustimmung der Angehörigen oder Hinterbliebenen.

In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar von Reportern bedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.

“Bild” begründet die Veröffentlichung solcher Bilder damit, dass “nur so” die Tragik “deutlich und fassbar” werde.

Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:

Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.

Pressekodex Richtlinie 8.2

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:

Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.

Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.

Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.

“Nö, Bild, ihr nicht” – und “Bild” macht es trotzdem

“Sorry, aber mit euch niemals”, antwortet @Zigoooo1. “Nö, Bild, ihr nicht”, schreibt @MarwKiel.

Die zwei Twitter-User reagieren damit jeweils auf Anfragen der “Bild”-Redaktion. Die möchte in ihrer Berichterstattung nämlich Videos verwenden, die @Zigoooo1 beziehungsweise @MarwKiel zuvor bei Twitter hochgeladen haben. Die Aufnahmen zeigen, wie gestern ein Tornado durch Kiel zieht.

Screenshot eines Tweets Bild News - Guten Tag, wir würden das Video gerne für unsere Berichterstattung Online, Social, TV und Print nutzen. Natürlich nennen wir sie auch als Quelle, wenn sie der Urheber sein sollten. Vielen lieben Dank.

Anderen Medien, darunter CNN, CBS News, die dpa, die European Broadcasting Union, Weather.com, erlauben @Zigoooo1 und @MarwKiel auf Nachfrage, das Videomaterial zu verwenden. Dass auch “Bild” es verwendet, wollen sie offenbar nicht.

Die “Bild”-Redaktion benutzt die Videos aber einfach trotzdem.* Gestern Abend veröffentlichte sie bei Bild.de einen Artikel zum Kieler Tornado:

Screenshot Bild.de - Mehrere Menschen ins Wasser gespült - Tornado-Chaos in Kiel - Im Video! Hier schraubt sich der Tornado ans Ufer

Darin zu sehen: ein etwas mehr als eine Minute langer Videozusammenschnitt. Auch die Aufnahmen, die die zwei Twitter-User hochgeladen haben, sind dabei. Beim Video von @MarwKiel steht eine Quelle am rechten Bildrand:

Screenshot Bild.de - Videoaufnahme aus Kiel mit Quellenangabe

Beim Video, das @Zigoooo1 online gestellt hat, nicht mal das:

Screenshot Bild.de - Videoaufnahme aus Kiel ohne Quellenangabe

Bei einem dritten Video schreibt die “Bild”-Redaktion als Quelle “Wetterwarnungen Norddeutschland/Florian S.”, dabei gibt die Facebookseite “Wetterwarnungen Norddeutschland” selbst als Quelle “Alina Nissen” an.

Für “Bild” und den Axel-Springer-Verlag sind Urheberrechte immer ganz wichtig, vor allem dann, wenn es um die eigenen Urheberrechte geht. Geht es um die von anderen, nehmen sie es nicht so genau.

Inzwischen ist bei Bild.de ein längeres Video zum Tornado in Kiel erschienen, nun gut zwei Minuten lang. Die Aufnahmen, die @Zigoooo1 und @MarwKiel bei Twitter gepostet haben, sind darin weiterhin zu sehen.

Mit Dank an @daarin für den Hinweis!

*Nachtrag, 14:39 Uhr: Die “Bild”-Redaktion hat offenbar einen Umweg genommen, um an die Videos zu kommen: Sie hat sich die Aufnahmen bei einer Agentur besorgt. Zumindest bei einem der zwei Videos konnten wir eine vorherige Zustimmung des Urhebers der entsprechenden Agentur gegenüber finden. Über die Agentur ist das Video dann bei Bild.de gelandet, auch wenn die “Bild”-Redaktion wusste, dass der Urheber das nicht möchte.

Und bitte nicht wundern, dass manch ein Link in diesem Beitrag ins Nichts führt – der Twitter-User @Zigoooo1 hat seinen Account inzwischen gelöscht.

Bildblog unterstuetzen

Russland droht, Nasen-OP von “Zeit Campus”, Klima-Fossile beim ZDF

1. Russland droht mit Sperrung von YouTube
(spiegel.de)
Am Dienstag hat Youtube die deutschsprachigen Kanäle des kremltreuen Senders RT gesperrt. Nun droht Russland der Onlineplattform mit Vergeltungsmaßnahmen. Man fordert das US-Unternehmen auf, die Sperrungen aufzuheben. Andernfalls könnten “Maßnahmen zur vollständigen oder teilweisen Beschränkung” gegen Youtube getroffen werden. Das russische Außenministerium spreche von einem “beispiellosen Akt der Medienaggression” und vermute eine Unterstützung vonseiten deutscher Behörden. Die Bundesregierung weist die Vorwürfe zurück – es handele sich allein um eine Entscheidung von Youtube.

2. Bearbeitetes Foto auf dem Cover von ZEIT Campus
(blog.zeit.de, Chefredaktion von ZEIT Campus)
Am Dienstag ist eine Ausgabe von “Zeit Campus” mit einem Cover-Foto der Bestsellerautorin Şeyda Kurt erschienen. Auf diesem Foto wurde ihre Nase mit einem Bildbearbeitungsprogramm verändert. Bei Instagram kommentiert Kurt: “Das ist natürlich besonders absurd, wenn das in einer Ausgabe passiert, in der es u.a. um Menschenfeindlichkeit, Schönheitsnormen und Feminismus etc geht.” Sie schlägt vor: “Für jede in Umlauf gebrachte falsche Nase sollte der Zeit-Verlag 2 Euro an die Seebrücke spenden.” Ein Vorschlag, den die “Zeit-Campus”-Chefredaktion in ihrer Bitte um Entschuldigung dezent ausklammert.

3. Volker Angres (ZDF): Fossile im Fernsehen
(klima-luegendetektor.de)
“Hä? Neue Kohlekraftwerke sind das Erste, was dem obersten Umweltjournalisten des ZDF als europäische Klimaschutzmaßnahme einfällt? Und die einzige überhaupt, die er hier vor riesigem Publikum nennt?” Der “Klima-Lügendetektor” ist entsetzt über Äußerungen des Leiters der ZDF-Umweltredaktion Volker Angres und erklärt, was Angres stattdessen hätte sagen können.

Bildblog unterstuetzen

4. Geld wie Heu
(taz.de, Wilfried Urbe)
Die Streamingdienste pumpen immer mehr Geld in den Markt. Netflix kündigte zum Beispiel jüngst an, im deutschsprachigen Raum in drei Jahren 500 Millionen Euro in lokale Inhalte investieren zu wollen. Bei dem Streaming-Riesen hätten sich jedoch über 15 Milliarden US-Dollar Verbindlichkeiten angehäuft, schreibt Wilfried Urbe: “Viele Bran­chen­be­ob­ach­te­r*in­nen gehen davon aus, dass Streaming-Anbieter aus wirtschaftlicher Sicht nur eine Chance haben: Ein noch größerer Mediengigant kauft ihn.”

5. “Bild TV” übernimmt Inhalte von ARD und ZDF ohne Zustimmung – Debatte um CC-Lizenzen im öffentlichen Rundfunk
(irights.info, Maya El-Auwad)
Die nicht genehmigte Übernahme von öffentlich-rechtlichen Inhalten durch den Privatsender “Bild TV” am Wahlabend treibt eine Debatte um CC-Lizenzen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk voran. Einer generellen Freigabe der Inhalte stünden derzeit einige Dinge entgegen, trotzdem tue sich etwas bei dem Thema, wie Maya El-Auwad bei irights.info berichtet.

6. Gruppenbild mit Dame: Wie ein grün-liberales Selfie Geschichte schreibt
(rnd.de, Imre Grimm)
Es gab kaum eine Chance, dem Bild zu entgehen: Das grün-liberale Vierer-Selfie mit den Spitzen von FDP und Grünen dominierte einen Tag die Sozialen Netzwerke – ob als Original oder abgewandelte Parodie. Imre Grimm hat dazu eine unterhaltsame Bildanalyse verfasst und zeigt, was das Netz an kreativen Einfällen hatte.

“Bild”, das große gewollte Missverständnis

Wie sehr kann man etwas missverstehen wollen? Und wie stark kann man sich dann auf Grundlage dieses gewollten Missverständnisses empören? Die “Bild”-Redaktion versucht momentan, genau das auszuloten.

CDU-Politikerin Karin Prien, Bildungsministerin in Schleswig-Holstein und Teil von Armin Laschets “Zukunftsteam”, schrieb gestern bei Twitter:

Screenshot eines Tweets von Karin Prien - Handy-Alarm ist die traurige Chiffre für die Totengräber jedweder vertrauensvollen Zusammenarbeit. Ein Anschlag auf unsere Demokratie

Mit dem “Handy-Alarm” greift Prien einen “Bild”-Begriff auf. Seit einigen Tagen blendet die Redaktion im “Bild-TV”-Programm ein großes “Handy-Alarm” ein, wenn auf dem Smartphone des stellvertretenden Chefredakteurs Paul Ronzheimer wieder frische Interna aus den Sitzungen der kürzlich gewählten Bundestagsfraktionen eingetroffen sind:

Screenshot Bild-TV - Handy-Alarm

In den meisten Fällen handelt es sich dabei derzeit um Aussagen aus Priens CDU. Bei diesen Sitzungen ist unter den Teilnehmern eigentlich eine Vertraulichkeit vereinbart. Aber manch einer füttert Ronzheimer (und auch andere Journalisten) mit den internen Infos, die dann umgehend als “Handy-Alarm” bei “Bild TV” landen. Auf nichts ist die “Bild”-Redaktion derzeit stolzer als auf Paul Ronzheimers Handy.

In Karin Priens Tweet stecken zweifelsohne große Worte und schwere Vorwürfe. Aber in welche Richtung zielen sie? Wer sind in Priens Augen die “Totengräber”? Wer verübt einen “Anschlag auf unsere Demokratie”?

Man kann es bereits aus ihrem Tweet recht problemlos herauslesen, wenn man denn will. Schließlich verortet Prien das Problem der durchgestochenen Interna bei den “Totengräbern jedweder vertrauensvollen Zusammenarbeit”. Sie kann damit nur die ursprünglich als vertrauensvoll gedachte Zusammenarbeit in den Gremien der Union meinen und mit den “Totengräbern” die CDU-Maulwürfe, die Ronzheimer die Infos stecken. Sie kann damit nicht die Arbeit von Medien meinen und mit den “Totengräbern” die “Bild”-Redaktion, auch wenn sie den von “Bild” geprägten Begriff “Handy-Alarm” aufgreift. Und damit sieht sie auch nicht in der Berichterstattung einen “Anschlag auf die Demokratie”, sondern im Weiterreichen eigentlich vertraulicher Aussagen.

Deutlich wird das auch durch einen Tweet, den Karin Prien einen Tag zuvor zum selben Thema verfasst hat:

Screenshot eines Tweets von Karin Prien - Journalistischer Jagdinstinkt in allen Ehren. Aber wenn wir es nicht hinkriegen, einige Grundregeln des fairen und solidarischen Miteinanders wieder in unseren Gremien zu etablieren, werden wir aus der Krise nicht heraus kommen.

Und auch nach ihrem “Totengräber”-Tweet machte Prien noch einmal deutlich, dass ihr Vorwurf nicht der “Bild”-Redaktion galt.

Doch die interessiert das alles nicht. Sie will sich hier als Opfer eines “Frontalangriffs” und als notwendige Verteidigerin einer (in diesem Fall gar nicht attackierten) Pressefreiheit sehen:

Screenshot Bild.de - CDU-Frau greift BILD an - Merkwürdiger Frontalangriff von Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien auf BILD. BILD berichtet seit Stunden transparent aus der Fraktionssitzung der Union, veröffentlicht Politiker-Statements live unter dem Titel Handy-Alarm. Prien nennt das auf Twitter einen Anschlag auf unsere Demokratie. Für eine Bildungsministerin ein fragwürdiges Verständnis von Journalismus.

“Bild”-Reporter fordern eine Entschuldigung von Karin Prien:

Screenshot eines Tweets von Mo Rabie - Wenn Pressefreiheit zu Anschlag auf unsere Demokratie erklärt wird, dann ist das mehr als Skandalös! Das ist eine Frechheit Frau Karin Prien entschuldigen Sie sich!

“Bild”-Redakteure erklären Priens Aussage zum “Anschlag auf die Demokratie”:

Screenshot eines Tweets von Willi Haentjes - Ganz liebe Grüße zurück Karin Prien, beruflich Bildungsministerin. Journalismus als Anschlag auf unsere Demokratie zu bezeichnen ist dann wirklich ein Anschlag auf die Demokratie.

Bei “Bild TV”, der Heimat des “Handy-Alarms”, ist die Empörung besonders groß. Paul Ronzheimer spricht von “einem wirklichen Skandal”, Prien habe offenbar ein “höchst zweifelhaftes Verständnis von Pressefreiheit”. “Bild-TV”-Moderator Thomas Kausch sagt, dass Prien sich “dermaßen im Ton vergriffen” habe. “Bild”-“Show-Expertin” Özlem Evans hält das alles für eine “Frechheit”. “Eine absolute Frechheit”, findet auch Ronzheimer. Und auch er will Priens Tweet noch einmal missverstehen:

Ich verstehe das ja, dass man sich als Politikerin ärgert darüber, dass wir darüber informieren.

In einer anderen “Bild-TV”-Sendung regt sich “Bild”-Meinungschef Filipp Piatov goldenehimbeereverdächtig auf: “Also ich bin wirklich fassungslos, wenn ich das lese.” Und: “Wirklich, ich bin sprachlos.”

Den bisherigen Empörungshöhepunkt gab es gestern Abend in der Empörungssendung “Viertel nach Acht”. “Bild-TV”-Programmchef Claus Strunz erklärt Karin Prien zu seiner “absoluten Negativfigur des Tages” – “die hat sich heute nämlich wahnsinnig erregt über den ‘Handy-Alarm’ bei ‘Bild live’.” Man könnte, so Strunz, “fast sagen, sie ist durchgeknallt”:

Screenshot Bild-TV - Man kann fast sagen, sie ist durchgeknallt

“Ein Anschlag auf unsere Demokratie”? Also lassen Sie mich mal kurz nachdenken. Es ist doch Journalismus, es ist Informationsbeschaffung, es ist Pressefreiheit. Wer das als “Anschlag auf die Demokratie” sieht oder wertet, der will Pressefreiheit relativieren, vielleicht sogar abschaffen, das will ich nicht unterstellen. Auf jeden Fall hat der- oder diejenige große Probleme mit der Pressefreiheit.

Einen kurzen Lichtblick gibt es in der Sendung dann aber doch. “Welt”-Redakteur Constantin van Lijnden, der ebenfalls in der “Viertel-nach-Acht”-Runde sitzt, sagt über Karin Priens Aussage:

Die wohlwollendere Lesart ihres Tweets ist ja noch die, dass er sich nicht an die Journalisten richtet, weil das wäre nun wirklich unsinnig, denen irgendwie das Recht abzusprechen, solche Dinge zu veröffentlichen, sondern dass er sich nur in Anführungsstrichen an diejenigen Politiker, Parteikollegen richtet, die Dinge durchstechen.

Claus Strunz und die anderen Mitdiskutanten aus der “Bild”-Redaktion sind an diesem Gedanken aber nicht weiter interessiert.

Bildblog unterstuetzen

Was erlaubt sich “Bild”?, Macht der Bilder, Youtube löscht “RT Deutsch”

1. Was erlaubt sich “Bild”? Warum ist das nicht allen erlaubt?
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
“Bild TV” hat sich am Wahlabend ausgiebig bei ARD und ZDF bedient, sieht sich dabei jedoch im Recht. Stefan Niggemeier kommentiert: “Für die Dreistigkeit der Übernahme – und die Bigotterie, das als vorgeblicher Kämpfer für das Urheberrecht zu tun – kann man sich nur wünschen, dass die Sache für den Verlag wenigstens halbwegs teuer wird. Zu befürchten ist, dass ARD und ZDF eine entsprechend eindeutige Forderung oder auch ein juristisches Vorgehen gegen ‘Bild’ scheuen werden – um die ohnehin vorhandenen Spannungen nicht weiter anzuheizen.”
Weiterer Lesehinweis: Im “Tagesspiegel” findet Joachim Huber deutliche Worte für die ungenehmigte Übernahme der Inhalte: “Eigener Krawall in Ehren, Schreihälse-TV meinetwegen, aber die Vorstellung, dass mein Rundfunkbeitrag am Ende auf dem Bild-TV-Schirm landet, damit will und werde ich mich nicht anfreunden. Bild TV soll zahlen, was zu zahlen ist, und künftig sein querdenkerisches Programm veranstalten – auf eigene Kosten.”

2. Youtube löscht Konto von RT Deutsch dauerhaft
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Youtube hat die beiden kremlnahen Kanäle “RT DE” und “Der Fehlende Part” abgeschaltet. Dem sei laut Youtube ein Upload-Verbot vorausgegangen: “Bei YouTube gelten seit jeher klare Community-Richtlinien, welche definieren, was auf der Plattform erlaubt ist und was nicht. RT DE hatte einen Strike für das Hochladen von Inhalten erhalten, die unsere Richtlinie gegen Covid Misinformation verletzt haben. Die Folge dafür war eine Suspendierung der Erlaubnis, auf dem Kanal Videos hochzuladen.” Erst als RT versucht habe, dieses Upload-Verbot über einen Ausweichkanal zu umgehen, habe man beide Kanäle stillgelegt.

3. Nemi El-Hassan wird “Quarks” nicht moderieren
(faz.net)
Nach Antisemitismus-Vorwürfen gegen die Journalistin Nemi El-Hassan hat sich der WDR nach einiger Überlegung dazu entschieden, die 28-Jährige die Wissenschaftssendung “Quarks” nicht moderieren zu lassen. Das Problem sei nicht unbedingt ihre Teilnahme an einer Demonstration vor sieben Jahren gewesen (von der sie sich inzwischen distanziert hat), sondern “problematische Likes” von ihr in Sozialen Netzwerken. Womöglich bleibe sie der Sendung jedoch als Autorin erhalten.

Bildblog unterstuetzen

4. Die Macht der Bilder im Wahlkampf
(deutschlandfunk.de, Michael Meyer, Audio: 4:57 Minuten)
Beim Deutschlandfunk geht es um die Suggestivkraft von Bildern in der politischen Kommunikation. Für viele Wahlkampfbeobachter war das Lachen von Unionskandidat Armin Laschet im Hochwassergebiet mitentscheidend für die Wahlniederlage. Doch wie einflussreich sind solche Bilder wirklich? Die Medienwissenschaftlerin Stephanie Geise findet, das Bild sei stark überbewertet worden, immerhin lachten sogar Rettungssanitäter in einer angespannten Situation einmal – einfach nur, um Druck abzulassen. Das Bild des lachenden Laschet sei jedoch auf eine bereits zweifelnde Öffentlichkeit getroffen.

5. Wie Facebook Trauma und Angst verstärkt
(netzpolitik.org, Rahel Lang)
Facebook sammelt Daten, um seinen Nutzerinnen und Nutzern gezielt Werbung anzeigen zu können. Eine Studie der polnischen Panoptykon Foundation in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftler Piotr Sapieżyński zeigt anhand eines konkreten Falls, wie Facebooks Algorithmen Angststörungen und Traumata für Werbezwecke ausnutzen können.
Weiterer Lesehinweis: “Auf Facebook & Co. lassen sich Anzeigen passgenau auf Zielgruppen zuschneiden. Eine Spiegel-Auswertung zeigt: Im Bundestagswahlkampf haben die Parteien davon rege Gebrauch gemacht” – Parteien schalteten Werbung für vier Millionen Euro (spiegel.de).

6. TikTok meldet eine Milliarde aktive Nutzer
(spiegel.de)
Vor vier Jahren hat das chinesische Unternehmen ByteDance seine Videoplattform TikTok gestartet. Nun habe man nach eigenen Angaben die Schwelle von einer Milliarde monatlich aktiven Nutzerinnen und Nutzern überschritten. TikTok ist vor allem bei Kindern und Jugendlichen beliebt. Im vergangenen Jahr war TikTok die am häufigsten heruntergeladene App.

Widerlich

Gestern hat eine Jury in New York den Sänger R. Kelly schuldig gesprochen. In der Anklage ging es unter anderem um sexuellen Missbrauch Minderjähriger. Die Verkündung des Strafmaßes soll erst im Mai kommenden Jahr stattfinden.

Auch die “Bild”-Redaktion berichtet über das Urteil gegen den Musiker. Und sie versucht, mit den Geschichten der meist weiblichen Opfer noch ein bisschen Geld zu verdienen:

Screenshot Bild.de - R. Kelly des Missbrauchs schuldig - Die widerlichen Prozess-Details - Wie der Sänger Mädchen jahrelang in die Sex-Falle lockte

Lesen Sie mit BILDplus, welche furchtbaren Details über R. Kellys Missbrauch in den Verhandlungen offengelegt wurde

Für “Bild” ist kein Detail “widerlich” und “furchtbar” genug, um damit nicht doch noch ein paar Abos zu verkaufen.

Neonazi im ZDF, “Bild” kapert TV-Signal, Performance statt Positionen

1. ZDF lässt verurteilten Neonazi zu Wort kommen
(spiegel.de)
Das ZDF hat sich für eine Umfrage zur Bundestagswahl bei Menschen auf der Straße umgehört – und dabei auch einen wegen Volksverhetzung verurteilten Neonazi und Holocaust-Leugner befragt. Auf Twitter kommentiert der Journalist Andrej Reisin den Fall mit den Worten: “Sorry, aber wenn die ganze Redaktion den ‘Volkslehrer’ Nikolai Nerling nicht (er-)kennt, hat sie schlichtweg ein Expertise-Defizit im Bereich Rechtsextremismus. Das ist nicht gut und zu wenig für den Anspruch, den man an öffentlich-rechtlichen Journalismus haben darf.”

2. Bild kapert TV-Signal: “Gerne bereit, Ansprüche zu begleichen”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der Fernsehsender “Bild TV” hat am Wahlabend fast eine Viertelstunde lang die “Berliner Runde” parallel zur eigentlichen Ausstrahlung bei ARD und ZDF live übertragen. Die Öffentlich-Rechtlichen zeigen sich erstaunt und erwägen rechtliche Schritte. Der Springer-Verlag rechtfertigt sein Vorgehen mit der “überragenden Bedeutung” der Sendung. Falls sich aus der Übernahme durch “Bild” Ansprüche von ARD und ZDF ergeben sollten, sei man jedoch “gerne” bereit, diese zu begleichen. Listig fügt der Verlagssprecher hinzu: “Wir würden dann allerdings davon ausgehen, dass ARD und ZDF Leistungsschutzrechte auch gegenüber den GAFA-Plattformen in gleicher Konsequenz geltend machen” (gemeint sind Google, Amazon, Facebook und Apple).

3. Performance statt Positionen: Was im Wahlkampf 2021 zählte
(uebermedien.de, Johannes Hillje)
“Übermedien” hat Johannes Hilljes Wahlkampf-Analyse (ursprünglich am 17. September erschienen) vor die Bezahlschranke geholt. Der Politikberater und Buchautor stellt sich die Frage, welcher Partei es gelungen ist, der Wahldebatte ein Thema aufzudrücken. Die kurze Antwort lautet: keiner. Die lange Antwort liefert Hillje in seinem lesenswerten Text.

Bildblog unterstuetzen

4. Welche Rolle NFTs im Journalismus spielen könnten
(deutschlandfunk.de, Peter Weissenburger, Audio: 5:31 Minuten)
Die Abkürzung NFT steht für Non-Fungible Token und ist ein nicht ersetzbares digital verschlüsseltes Objekt. NFTs finden laut Wikipedia “überall dort Verwendung, wo sie virtuellen Gütern, also digitaler Kunst, Musik oder Einzelobjekten in Computerspielen gleich einem Etikett zugeordnet und damit wie die einmaligen Objekte selbst gesammelt und gehandelt werden können.” Nun setzen auch die ersten Medienunternehmen auf die neue Technologie. Wie funktioniert das? Und wie könnten NFTs im Journalismus eingesetzt werden?

5. Instagram setzt Entwicklung von Kinderversion aus
(zeit.de)
Instagram will Kindern ab zehn Jahren eine spezielle Variante der App anbieten, was zu einiger Kritik führte. Nun hat das Unternehmen die Entwicklung der neuen Kinderversion ausgesetzt. Man wolle zunächst mit Expertinnen, Eltern und Politikern sprechen. In den vergangenen Wochen war der Mutterkonzern Facebook in die Kritik geraten, da er laut internen Unterlagen genau wisse, dass sich die Instagram-Nutzung negativ auf die psychische Gesundheit zahlreicher Teenager auswirke, vor allem von Mädchen. Siehe dazu: Facebook Knows Instagram Is Toxic for Teen Girls, Company Documents Show (Wall Street Journal, englisch).

6. Faktenchecks zur Wahl
(correctiv.org)
Die Faktenchecker von “Correctiv” hatten bereits im Vorfeld der Bundestagswahl jede Menge zu tun, doch es sollte noch schlimmer kommen: “Am Wochenende kursierten dann Behauptungen über Wahlurnen mit aufgebrochenen Siegeln, Bleistifte in Wahlkabinen, Wahlsoftware oder angebliche Geheimpläne, Saskia Esken zur Bundeskanzlerin zu machen. Überall witterte man die Gefahr des Wahlbetrugs, sei es in einer Panne der ARD am Freitag oder einer angeblichen Reduzierung von OSZE-Wahlbeobachtern in Deutschland. All das stellte sich bei näherer Betrachtung als Irreführung heraus.”

TV-Chronik des Wahlabends, “Bild” mopst Material, Sievers nach Kleber

1. Zahlengewitter, Sauflieder – und wer weckt Jörg Schönenborn? Die TV-Chronik des Wahlabends
(rnd.de, Imre Grimm)
Imre Grimm hat sich siebeneinhalb Stunden durch das Wahlfernsehen gezappt und anschließend eine TV-Chronik des vergangenen Wahlabends verfasst. Gleich zu Beginn hat er sich einer besonderen Herausforderung gestellt und “Bild TV” eingeschaltet: “17.24 Uhr. Thomas Gottschalk, der große alte Mann der Politberichterstattung, verrät beim ambitionierten Newcomer Bild TV (Marktanteil: 0,1 Prozent) wortreich nicht, wen oder was er gewählt hat. Politexperte Oliver Pocher kommentiert den Stimmzettel-Fauxpas von Laschet: ‘Das war dumm.’ Substanzieller wird es an diesem Abend an diesem Ort nicht mehr.”

2. “Bild”-Berichterstattung könnte Konsequenzen haben
(t-online.de, Steven Sowa)
“Bild” schießt gerne gegen die öffentlich-rechtlichen Sender ARD und ZDF, und mit “Bild TV” hat die Redaktion seit etwa einem Monat sogar einen eigenen TV-Kanal am Start. Am Wahlabend bediente sich “Bild TV” jedoch bei ARD und ZDF. War die Übernahme des fremden Sendematerials rechtens oder abgesprochen? Zumindest von der ARD habe es keine Genehmigung dafür gegeben, hat t-online.de herausgefunden. Wie sich der Sachverhalt beim ZDF darstellt, sei derzeit noch unklar.

3. Taliban-Medienregeln bedrohen Journalisten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen ist zutiefst beunruhigt über die “Elf Regeln für den Journalismus”, die die Taliban bei einem Treffen mit Medien angekündigt haben. Sie seien vage formuliert, gefährlich und könnten zur Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten genutzt werden: “Für die Zukunft der journalistischen Unabhängigkeit und der Medienvielfalt in Afghanistan verheißen die Taliban-Medienregeln nichts Gutes. Anstatt einen Schutzrahmen zu schaffen, der es Journalistinnen und Journalisten ermöglicht, unter zumindest akzeptablen Bedingungen weiterzuarbeiten, zementieren sie Grundsätze und Methoden, die der journalistischen Praxis widersprechen und Raum für eine höchst repressive Auslegung lassen.”

Bildblog unterstuetzen

4. 20 Jahre Netzwerk Recherche – das Magazin zum Jubiläum
(netzwerkrecherche.org)
Die Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche setzt sich für investigativen Journalismus, Informationsfreiheit und die Vermittlung von Recherchetechniken ein. Zum zwanzigjährigen Bestehen gibt es ein Magazin, in dem die Vereinigung sowohl zurück als auch nach vorne schaut: “Handwerk & Haltung” bietet wertvolle Beiträge für alle Journalismus-Interessierten und ist kostenlos als PDF verfügbar. Runterladen lohnt sich!

5. Justizministerium geht gegen rechte Social-Media-Seite vor
(spiegel.de, Max Hoppenstedt)
Das Bundesjustizministerium hat nach Informationen des “Spiegel” ein Bußgeldverfahren gegen die rechte Social-Media-Seite gab.com eröffnet. Im Kern geht es um die unterbliebene Nennung eines Zustellungsbevollmächtigten im Inland, was von der Plattform weiterhin abgelehnt werde. Das Bundesamt für Justiz habe einen Bußgeldbescheid in Höhe von 30.000 Euro erlassen und an die US-amerikanischen Betreiber des Unternehmens geschickt. Bei gab.com werde der Holocaust geleugnet und gegen Juden gehetzt.

6. Der Mann, der Claus Kleber beerbt
(sueddeutsche.de, Claudia Tieschky)
Christian Sievers übernimmt zum Jahresende das “heute journal” von Claus Kleber, der in den Ruhestand geht. Die “Süddeutsche” stellt den neuen Mann vor, der bereits auf ein bewegtes Reporterleben zurückblicken kann und als langjähriger Nahost-Korrespondent des ZDF vom Studio Tel Aviv aus gearbeitet hat.

KW 38: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Hilfe! Wir haben einen Monat Bild TV geschaut
(youtube.com, Walulis Daily, Video: 10:03 Minuten)
Philipp Walulis und dessen Team haben einen Monat lang “Bild TV” konsumiert. In einem zehnminütigen Video haben sie auf gewohnt unterhaltsame Weise zusammengefasst, was es beim “Bild”-Sender alles zu sehen gibt, mit wem sich die “Bild”-Redaktion anlegt und was sie tatsächlich gut macht.
Weiterer Lesehinweis: “Mit viel mehr Lautstärke kann ein TV-Sender nicht an den Start gehen. Als Bild TV vor 30 Tagen on air ging, wurde das von dem Boulevardmedium mit Pauken und Trompeten begleitet. Doch die Bilanz ist ernüchternd.” – So desaströs verlief der erste Monat von “Bild” im TV (t-online.de).

2. Wie sollten Medien über die Tat in Idar-Oberstein berichten?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 32:56 Minuten)
Vergangenen Samstag hat ein Mann in Idar-Oberstein einen Tankstellen-Mitarbeiter erschossen – offenbar nachdem dieser ihn aufgefordert hatte, einen Mund-Nase-Schutz zu tragen. Wie sollten Medien mit diesem Fall umgehen, um gefährlichen Verschwörungsideologien nicht noch Futter zu geben? Darf man aus dem, was der mutmaßliche Täter im Internet postete, auf dessen psychische Verfassung schließen? Über diese und andere Fragen spricht Holger Klein mit Katharina Nocun, die sich als Expertin für Verschwörungserzählungen und demokratiefeindliche Bewegungen einen Namen gemacht hat.

3. Medientalk: der andere Blick
(srf.ch, Salvador Atasoy, Audio: 28:27 Minuten)
Wie blickt die “Neue Zürcher Zeitung” auf Deutschland? Wie erfolgreich ist sie dabei? Wo steht sie politisch, und warum kann Roger Köppels “Weltwoche” davon profitieren? Darum geht es unter anderem im Medientalk des SRF.

Bildblog unterstuetzen

4. Satire, Journalismus und Politik
(br.de, Linus Lüring, Audio: 35:30 Minuten)
Im Medienmagazin des Bayerischen Rundfunks geht es diesmal in einem Schwerpunkt um die Grenze zwischen Satire und Journalismus. Der Medienforscher Dennis Lichtenstein erklärt die Rolle von Satire in der Politik. “Extra3”-Moderator Christian Ehring spricht über Satire im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Und zuletzt geht es um den “Dinosaurier unter den Satireformaten”, die “Titanic”.

5. “Laschets Lachen und Schröders Stiefel” – Wie Bilder Wahlen beeinflussen
(sr.de, Katrin Aue & Michael Meyer, Audio: 16:24 Minuten)
Katrin Aue und Michael Meyer sprechen mit der Bremer Medienforscherin Stephanie Geise über die Macht der Bilder und darüber, wie sie unser Denken, Handeln und natürlich auch unser Wählen beeinflussen können. Aktuelles Beispiel: das Lachen von Armin Laschet.

6. Tipico und Sportschau: Werbung mit Suchtpotenzial
(ndr.de, Fritz Lüders, Video: 16:09 Minuten)
Der Markt für Sportwetten wurde vor Beginn dieser Fußballsaison in Deutschland liberalisiert. In der Folge werben die Wettanbieter noch massiver – auch bei den Öffentlich-Rechtlichen: Der Sportwettenanbieter Tipico ist jetzt Sponsor der ARD-“Sportschau”. Dabei hat besonders die ARD immer wieder kritisch über die Schattenseiten des Geschäfts berichtet: Spielsucht, Geldwäsche, Steuervergehen. Wie passt das zusammen? Und warum macht die “Sportschau” beim Werben für Sportwetten plötzlich mit? Fritz Lüders und die “Zapp”-Redaktion haben sich auf die Suche nach Antworten begeben.

7. “Wir erleben einen Horse-Race-Journalismus”
(dwdl.de, Kai Blasberg & Thomas Koch, Audio: 1:38:09 Stunden)
Als Bonus-Link: Der “6-vor-9”-Kurator war zu Gast beim Podcast “Zwei Herren mit Hund” des ehemaligen Senderchefs und TV-Machers Kai Blasberg und des Werbe-Experten Thomas Koch. Es ging unter anderem um die Leute von “Bild”, die Deutschland brennen sehen wollen, um einen “Welt”-Chefredakteur, der nicht schreiben kann, und um Trielle, die nichts taugen.

“Bild” enthüllt öffentlich-rechtliche Verschwörung gegen die deutschen Wahlurnen

Die “Bild”-Redaktion hat sich derart in ihren Kampf gegen die TV-Konkurrenz von ARD und ZDF hineingesteigert und versucht so krampfhaft, alles links von FDP und CDU/CSU zu diskreditieren, dass sie inzwischen behauptet (und vielleicht sogar glaubt), dass die Öffentlich-Rechtlichen drei Tage vor der Bundestagswahl noch versuchen, das Wahlrecht in einer Form ändern zu lassen, dass Olaf Scholz und dessen SPD am Sonntag als sichere Sieger aus der Bundestagswahl hervorgehen.

Gestern erschien bei Bild.de dieser Artikel:

Screenshot Bild.de - Weil Ausländer und Jugendliche nicht wählen dürfen - So machen ARD und ZDF Stimmung gegen unser Wahlrecht

Gleich zu Beginn heißt es:

Jetzt sollen sogar Kinder und Ausländer an die deutschen Wahlurnen, damit es für den Scholz-Sieg reicht …

Zumindest wenn es nach den Öffentlich-Rechtlichen geht.

“Bild” meint nämlich beobachtet zu haben, dass ARD und ZDF “in den Tagen vor der Bundestagswahl immer wieder Stimmung für eine Änderung des Wahlrechts” machen und “problematisieren, Menschen würden angeblich ausgeschlossen, weil sie zu jung oder keine Staatsbürger sind.”

Das “angeblich” ist in dieser Aussage natürlich völlig überflüssig, denn tatsächlich ist es so, dass sowohl Personen, die noch nicht 18 Jahre alt sind, als auch Menschen, die keinen deutschen Pass haben, von der Bundestagswahl ausgeschlossen sind. Das gibt unter anderem das Grundgesetz so vor.

Genau diesen Umstand haben in den vergangenen Tagen also verschiedene Sendungen und Social-Media-Kanäle der öffentlich-rechtlichen Sender thematisiert. “Bild” listet sechs Beispiele auf, darunter etwa ein Instagram-Post des WDR-Politmagazins “Monitor”:

Eigentlich darf man in Deutschland bei der Bundestagswahl wählen, wenn man 18 ist und mindestens schon drei Monate einen festen Wohnsitz im Land hat. Aber man braucht auch einen deutschen Pass. Und den haben fast 9 Millionen Erwachsene, die hier leben, nicht. Obwohl sie teilweise arbeiten und Steuern zahlen.

Und ein Instagram-Post des öffentlich-rechtlichen Radiosenders Deutschlandfunk Kultur:

Das ist Franziska Wessel. Sie ist 17 Jahre alt und darf bei dieser Bundestagswahl nicht wählen. Ihr Vater wird ihr deshalb seine Stimme schenken.

In keinem der von “Bild” genannten Beispiele fordert eine der Redaktionen eine Gesetzesänderung. Sie informieren lediglich darüber, dass bestimmte Personen am Sonntag nicht wählen dürfen. Ist das reine Benennen eines Fakts also tatsächlich schon Stimmungsmache “für eine Änderung des Wahlrechts”, wie “Bild” behauptet?

Dass es in der Vergangenheit durchaus Änderungen des Wahlrechts gab, gerade beim Wahlalter, erwähnt “Bild” nicht. Dafür hat die Redaktion aber mehrere Meinungen zum Verhalten der Öffentlich-Rechtlichen eingeholt: Ein FDP-Politiker sagt, dass es befremdlich sei, “dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk Debatten konstruiert, die unser Wahlrecht untergraben.” Ein CDU-Politiker sagt, dass “ein linkes Milieu” sich “offenbar mit diesem Vorstoß einen Stimmenzuwachs” erhoffe. Und dann zitiert “Bild” noch einen Wissenschaftler:

Politikwissenschaftler Heinrich Oberreuter (79, Uni Passau) zu BILD: “Es ist legitim und sinnvoll, dass das Wahlrecht an Staatsbürgerschaft und Volljährigkeit gebunden ist. Es ist grotesk, dass die Öffentlich-Rechtlichen einen anderen Eindruck erwecken. (…)” Und weiter: “Es ist eine alte linke Forderung, das Wahlalter abzusenken, weil man sich erhofft, dass junge Menschen eher links wählen.”

Leider hat die “Bild”-Redaktion an dieser Stelle vergessen zu erwähnen, dass Heinrich Oberreuter nicht nur Politikwissenschaftler ist, sondern auch CSU-Mitglied.

Aus der Kombination von einem halben Dutzend öffentlich-rechtlichen Beispielen und Aussagen der SPD-Konkurrenz konstruiert “Bild” also, dass ARD, ZDF und Deutschlandradio sich dazu verschworen haben, “Kinder und Ausländer an die deutschen Wahlurnen” zu instagrammen, “damit es für den Scholz-Sieg reicht”. Das war selbst der “Bild”-Redaktion dann offenbar etwas zu irre. Sie änderte nach einigen Stunden den Artikeleinstieg heimlich. Er lautet nun:

Sollen künftig auch Kinder und Ausländer an die Wahlurnen, damit erhoffte Mehrheiten zustande kommen?

Zumindest, wenn es nach den Öffentlich-Rechtlichen geht.

Das ist zwar weniger konkret, aber nicht weniger verschwörerisch.

Nachtrag, 21:17 Uhr: Dass “Bild” in diesem Zusammenhang einen FDP-Politiker zitiert, ist interessant. Und dass dieser den Öffentlich-Rechtlichen ein Untergraben des Wahlrechts vorwirft, ist etwas kurios. Denn im Wahlprogramm der FDP (PDF, Seite 40) steht:

Wir Freie Demokraten fordern eine Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre für die Wahlen zum Deutschen Bundestag und Europäischen Parlament.

Bildblog unterstuetzen

Corona-Radikalisierung von “Bild”, Klimakrise verschlafen, Elefanten

1. Die Corona-Radikalisierung von “Bild” und der Mord von Idar-Oberstein
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Medienkritiker Stefan Niggemeier hat sich angeschaut, wie “Bild” über den Mord von Idar-Oberstein berichtet hat, und dies in Relation zur sonstigen Corona-Berichterstattung gesetzt. Sein Fazit: “Aus legitimer und notwendiger Kritik an Maßnahmen im Namen der Corona-Bekämpfung ist bei ‘Bild’ in den vergangenen Monaten eine rasende Wut auf ‘die’ Politik und den Staat geworden. Das Blatt hält zwar Abstand zu Querdenkern und der AfD – aber nicht zu vielen ihrer Positionen. Gleichzeitig befeuert sie mit ihrer Radikalität immer neu deren Wut.”

2. Wie österreichische Medien in den deutschen Wahlkampf eingreifen
(correctiv.org, Tania Röttger & Alice Echtermann & Till Eckert)
Recherchen von “Correctiv” und “Undone” zeigen: Österreichische Medien verbreiten Desinformation in Deutschland und mischen sich so in die Bundestagswahl ein. Dahinter stecke ein Netzwerk mit dubioser Finanzierung und zahlreichen Verbindungen zur rechten Szene. Die spannenden Enthüllungen sind auch als Podcast im Rahmen der Serie “Noise” erschienen: Vienna Calling (Audio: 30:01 Minuten). Eine Rekonstruktion der Desinformation in Deutschland vor der Bundestagswahl gibt es hier als Text und hier als interaktive Grafik.

3. Was ist mit den Medien los? Eine Kritik der Wahlberichterstattung.
(twitter.com/MalteHeynen)
Auf Twitter hadert der Journalist Malte Heynen mit seiner Zunft. Fast alle Medien würden die Klimakrise verschlafen: “Klima ist nur ein Thema unter vielen. Irgendwo zwischen Panorama und Sport, Autotests und Börsenberichten. Auch die meisten Headlines zeigen nicht, wie dramatisch die Lage ist. Das muss sich dringend ändern.” Union und SPD hätten beim Klimaschutz versagt, ein Versagen, das die Menschheit gefährde. Heynens bittere Schlussworte: “Wenn Medien es nicht schaffen, dieses Versagen herauszuarbeiten, machen sie ihren Job nicht.”

Bildblog unterstuetzen

4. Bundesregierung darf nicht länger zögern
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Rettung afghanischer Journalistinnen und Journalisten durch die Bundesregierung geht nach Ansicht von Reporter ohne Grenzen (RSF) zu schleppend voran. Nicht nachvollziehbar bleibe die Entscheidung, nach einem bestimmten Stichtag keine Fälle mehr anzunehmen: “Noch immer erreichen RSF täglich verzweifelte Hilferufe afghanischer Journalistinnen und Journalisten, die es nicht geschafft haben, mit einem Evakuierungsflug aus Kabul gerettet zu werden oder in Drittstaaten Gefahr laufen, aufgegriffen und nach Afghanistan zurückgeschickt zu werden.”

5. Podcast-Nutzung steigt rasant, Werbemarkt dreht ins Plus
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Die Einschaltquotenmesser der AGF melden einen rasanten Anstieg der Podcast-Nutzung. Laut aktuellem “Convergence Monitor” sei die Zahl der Personen, die mindestens einmal im Monat einen Podcast hören, im Vergleich zum Vorjahr um satte 42,6 Prozent gestiegen. Uwe Mantel hat sich ein paar interessante Zahlen aus der Erhebung herausgepickt und liefert weitere Neuigkeiten aus dem Bereich Audio.

6. Fernsehmomente der Wahrheit
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider)
Beim Deutschlandfunk blickt Nikolaus Brender, ehemaliger Chefredakteur des ZDF, auf die sogenannten Elefantenrunden der Spitzenpolitiker am Wahlabend zurück. Als Moderator bereite man sich tagelang auf unterschiedlichste Varianten vor, aber mit dem Auftritt von Noch-Kanzler Gerhard Schröder im Jahr 2005 habe er nicht gerechnet. War Schröder an dem Abend angetrunken, wie von vielen vermutet? Nein, so Brender: “Mein Eindruck war, dass Gerhard Schröder keinen Alkohol getrunken hatte – das waren die Endorphine.”

Psychoterror von rechts, Protokoll des Scheiterns, Merkels Ehejahre

1. “Das ist Psychoterror von rechts”
(taz.de, Carla Geiger)
Emily Laquer organisiert mit ihrer Agentur Medientrainings und unterstützt soziale Bewegungen dabei, ihre Positionen in Medien zu vertreten. Vergangene Woche befragten drei von Laquer geschulte Aktivistinnen und Ak­ti­vis­ten in Talkshows die Kanzlerkandidaten Laschet und Scholz. Darauf hätten die “Bild”-Zeitung und “Welt”-Autor Don Alphonso einen Shitstorm gegen Laquer, die Fragestellerinnen ­­­und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk initiiert. Die “taz” hat mit Emily Laquer über den Fall gesprochen.

2. “Und es ist gut so.” Das Protokoll eines Scheiterns
(edito.ch, Hannes von Wyl)
“Da sass ich, im Mai 2018, mit dem Zürcher Journalistenpreis in der Tasche am Newsdesk von 20 Minuten, in einer weiteren temporären Anstellung, ich weiss gar nicht mehr, wie viele Arbeitsverträge ich in den wenigen Jahren meiner Karriere schon unterschrieben habe. Und dachte: Ich bin gescheitert.” In schonungsloser Offenheit erzählt Hannes von Wyl von seiner Arbeit als Journalist, die mehr und mehr toxisch für ihn wurde.

3. Aus dem Hintergrund müsste Söder schießen
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
In den vergangenen Tagen erschienen bei ARD und ZDF gleich zwei Wahlkampf-Dokumentationen: Der ARD-Film “Wege zur Macht. Deutschlands Entscheidungsjahr” und die ZDF-Produktion “Macht. Wechsel. – Der Kampf ums Kanzleramt”. Cornelius Pollmer hat sich beide Filme angeschaut.

Bildblog unterstuetzen

4. Hass im Netz als Lehrstück: Wie berichtet man angemessen über eine Studie?
(scilogs.spektrum.de, Markus Pössel)
Die Organisation HateAid hat dieser Tage eine Pressemitteilung zu “Digitaler Gewalt im Wahlkampf” (PDF) herausgegeben, über die einige Medien berichteten. Markus Pössel begrüßt den Kampf der Initiative gegen Hass im Netz, hat jedoch Fragen zur Methodik der Untersuchung. Sein Hauptkritikpunkt: “Dass sie keine ausführlicheren Hintergrundinformationen mitgeliefert haben, obwohl es doch heutzutage nun wirklich kinderleicht ist, die entsprechenden Daten und Skripte ins Netz zu stellen.”

5. Wolfsburg: Fotograf freigesprochen
(verdi.de, Peter Nowak)
Dem Journalisten Pay Numrich wurde vorgeworfen, an der Blockade eines VW-Autozuges beteiligt gewesen zu sein. Konkret beschuldigte man ihn des “gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr”, der Nötigung und des Landfriedensbruchs. Gegen den Strafbefehl von 600 Euro legte Numrich Widerspruch ein und bekam Recht: Das Amtsgericht sprach ihn frei. Jetzt wolle der Journalist über eine Anfrage herausfinden, ob sein Name in besonderen Dateien der Ermittlungsbehörden gespeichert ist.

6. Ehejahre einer Kanzlerin
(freitag.de, Nils Markwardt)
Wer Angela Merkels Erfolgsrezept in Gänze verstehen will, sollte Blättchen wie “frau aktuell” oder “Freizeitwoche” lesen, findet Nils Markwardt und nimmt uns mit in die schillernde Welt der Regenbogenpresse.

Schmutziger Wahlkampf, Campieren mit Justitia, Schleppende Offensive

1. Schmutziger Wahlkampf – Wie Desinformation die Bundestagswahl vergiftet
(correctiv.org)
Vor allem in den USA konnte man sehen, wie “Fake News” Wahlen beeinflusst haben. Ein Phänomen, das auch in Deutschland zu beobachten ist: Zu dieser Bundestagswahl rolle eine Lawine von Falschmeldungen durchs Netz. “Correctiv” zeigt in einer Rekonstruktion der vergangenen Monate das ganze Ausmaß des schmutzigen Wahlkampfs und die Methoden, die dahinterstecken.

2. Der Wahlkampf unserer Leben
(taz.de, Peter Unfried)
Peter Unfried, Chefreporter der “taz”, kritisiert die mediale Wahlkampfberichterstattung: “Offenbar gibt es eine unausgesprochene Abmachung, über die zentralen Zukunftsthemen nicht zu sprechen. Beziehungsweise haben wir Journalisten die Agenda des Ausklammerns der Zukunft akzeptiert, die speziell die beiden Parteien vorgeben, die seit zig Jahren die Macht und Posten schön verteilt haben. Die in der fossilen Nachkriegswelt mit ihrer reformistischen Maß-und-Mitte-Politik auch viel hingekriegt haben, aber die nun nicht aus ihrem dysfunktionalen Modus herauskommen und immer weiter so tun, als mache es einen furchtbar großen Unterschied, wer von beiden das illusionistische Weiter-so anführt.”

3. Campieren mit Justitia
(djv.de, Paul Eschenhagen)
Im Blog des Deutschen Journalisten-Verbands schreibt Paul Eschenhagen über die beklagenswerten Arbeitsbedingungen von Gerichtsreporterinnen und -reportern: “Wer aus deutschen Gerichten berichten will, muss mitunter starke Nerven haben – und eine starke Blase. Stundenlanges Anstehen ohne Toiletten, Erkältungsgefahr oder das Übernachten auf der Straße sind in der Coronakrise für Gerichtsreporter*innen zum Alltag geworden. Das ist unwürdig für die Journalist*innen und für die Justiz.”

Bildblog unterstuetzen

4. Fake News im Bundestagswahlkampf: Manipulierte Meinungsbildung
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock war bemerkenswert oft das Ziel von “Fake-News”-Attacken. Adrian Lobe erklärt, warum ausgerechnet Baerbock und ihre Partei so stark ins Visier von Faktenverdrehern und Hetzern gerieten, und welche zweifelhafte Rolle Plattformen wie Facebook und TikTok dabei spielen.

5. RBB-Freie in Aktion: “Bloß nicht geizen”
(mmm.verdi.de, Susanne Stracke-Neumann)
Freie Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des RBB sind vor das Fernsehzentrum der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt in der Berliner Masurenallee gezogen und haben mehr Beschäftigungssicherung für “Arbeitnehmerähnliche” gefordert. Susanne Stracke-Neumann erklärt, worum es dabei im Einzelnen geht.

6. Qualitätsoffensive bei RTL und Pro Sieben: Es läuft noch schleppend
(rnd.de, Matthias Schwarzer)
Seit ein paar Wochen arbeiten die Privatsender RTL und ProSieben an einer journalistischen Qualitätsoffensive und probieren neue journalistische Magazin-Formate aus. Sonderlich erfolgreich sei das bislang nicht, findet Matthias Schwarzer. Die Quoten seien mau, die Kritiken aus der Branche teils vernichtend. Schwarzer fragt sich: “Was machen die da eigentlich genau? Wie läuft es? Und hat diese Neuausrichtung tatsächlich eine Zukunft?”

Bild  

Claus Strunz hat nur Augen für Annalena Baerbock

Gong, “Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der ‘Tagesschau'”, Sprecher Jens Riewa sagt: “Eine Woche vor der Bundestagswahl haben FDP und Bündnis 90/Die Grünen auf Parteitagen noch einmal für ihre Ziele geworben”, und im Hintergrund ist ein Foto von Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock zu sehen. Schon ist Claus Strunz auf Zinne. Denn die “Tagesschau” zeige ja “minutenlang nur” Baerbock, obwohl es um die Grünen und die FDP geht, so der “Bild-TV”-Programmchef:

Screenshot eines Tweets von Claus Strunz - Start in die Tagesschau: FDP und die Grünen haben Parteitag, aber gezeigt wird minutenlang nur Annalena Baerbock

Auch “Bild”-Oberchef Julian Reichelt verbreitet Strunz’ Tweet, und bei der Klientel kommt das gut an: “Was haben Sie denn erwartet? Unsere System Medien sind LINKS Grün”, steht in den Kommentaren bei Twitter: “Wen wundert’s – Öko-Taliban im Funk haben das Sagen!”, “Mit kalter Schnauze werden die Zwangsgebühr zahlende Menschen veräppelt”. Oder einfach nur: “Es ist abartig!”

Was Strunz schreibt und Reichelt retweetet, ist schlicht Desinformation. Das kann jeder in der ARD-Mediathek nachschauen. Die 20-Uhr-“Tagesschau” vom vergangenen Sonntag war wie folgt aufgebaut: Begrüßung durch Jens Riewa, etwa 24 Sekunden Einleitung zum Grünen-Parteitag …

Screenshot Tagesschau - Parteitage von FDP und Grünen - Baerbock-Rede zum Wahlkampfendspurt

… dann der Beitrag über den Parteitag der Grünen, rund 92 Sekunden lang, direkt anschließend die knapp 28 Sekunden lange Einleitung zum FDP-Parteitag …

Screenshot Tagesschau - Parteitag der FDP - Lindner-Rede zum Wahlkampfendspurt

… und dann der Bericht zum Parteitag der FDP, Dauer: gut 91 Sekunden.

Oder anders gesagt: Die Zeiten sind fast identisch – viel fairer konnte die “Tagesschau”-Redaktion nicht vorgehen.

Annalena Baerbock ist auch nicht, wie Claus Strunz behauptet, “minutenlang” zu sehen, sondern etwas mehr als eine Minute (und das ist wohlwollend nachgezählt, zum Beispiel inklusive Aufnahmen, auf denen Baerbock nur von hinten zu sehen ist oder mit anderen Leuten im Raum steht). Christian Lindner ist im Anschluss auch ziemlich genau eine Minute im Bild.

Der Slogan, mit dem der Axel-Springer-Verlag “Bild TV” bewirbt, also das Projekt, das Claus Strunz leitet und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Konkurrenten hat, lautet übrigens: “Wir zeigen, was wirklich ist.”

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Bildblog unterstuetzen

Belohnte Geltungssucht, Chronist der Hinterzimmer, Verrat von Privatem

1. Polizei und Opferschützer kritisieren TVNow-Doku scharf
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Die RTL-Produktion “Der Todespfleger” beinhaltet ein telefonisches Interview mit dem wegen 85-fachen Mordes verurteilten Niels H. Dies wird von Seiten des Weißen Rings und der Polizei stark kritisiert. So erklärte Oldenburgs Polizeipräsident Johann Kühme gegenüber der “Neuen Osnabrücker Zeitung”: “Es ist ein Schlag ins Gesicht der Opferangehörigen, ihn öffentlich sprechen zu lassen. Sein Motiv war die Geltungssucht, und jetzt darf er sich schon wieder als wichtig empfinden. Er ist im Fernsehen, es wird sogar mit ihm geworben. Das unterstützen wir als Polizei auf keinen Fall.”

2. Der Chronist der Hinterzimmer
(sueddeutsche.de, Lena Reuters)
Stephan Lamby ist als Autor von TV-Dokus über politische und wirtschaftliche Themen und für seine eindringlichen Politikerporträts bekannt. Gestern Abend sendete Das Erste Lambys neuesten Film “Wege zur Macht. Deutschlands Entscheidungsjahr” (ARD-Mediathek, Video: 1:15:22 Stunden), für den er mehr als zehn Monate die Kanzlerkandidaten beziehungsweise -kandidatin beobachtete. Wie kommt es, dass der Fernsehjournalist mit dem genauen Blick Zugang zu den mächtigsten Politikerinnen und Politikern des Landes hat wie kaum ein anderer? Lena Reuters ist dem Phänomen Lamby nachgegangen.

3. Warum Medien nicht über “Selbstmord” schreiben sollten
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio: 2:08 Minuten)
Im Sprachcheck beschäftigt sich Stefan Fries mit der Suizid-Berichterstattung. Statt von “Selbstmord” oder “Freitod” sollten Medien lieber von “Suizid” oder “Selbsttötung” sprechen. “Journalistinnen und Journalisten sollten den Suizid auch nicht als nachvollziehbar oder erlösend darstellen – und sie sollten einfache Erklärungen genauso vermeiden wie Schuldzuweisungen. Im Gegenteil: Wenn sie die richtigen Worte wählen, können sie sogar Suizide verhindern und die Suche nach Hilfe auslösen.”
(Solltest Du Suizid-Gedanken haben, dann gibt es Menschen, die Dir helfen können, aus dieser Krise herauszufinden. Eine erste schnelle und unkomplizierte Hilfe bekommst Du etwa bei der “TelefonSeelsorge”, die Du kostenlos per Mail, Chat oder Telefon (0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222) erreichen kannst.)

Bildblog unterstuetzen

4. Offener Brief für “Quarks”-Moderatorin: Medienschaffende solidarisieren sich mit Nemi El-Hassan
(rnd.de)
Nach Kritik an der politischen Vergangenheit der Moderatorin Nemi El-Hassan hatte der WDR die Zusammenarbeit in der vergangenen Woche zunächst ausgesetzt. Dagegen bildet sich nun Protest: Rund 400 Autorinnen und Autoren, Journalistinnen und Journalisten, Künstlerinnen und Künstler sowie Comedians haben einen offenen Brief unterschrieben, in dem sie sich mit der 28-Jährigen solidarisieren.

5. Verrat von Privatem bleibt straffrei
(verdi.de, Eckhard Stengel)
Im Zuge der sogenannten BAMF-Affäre in Bremen soll es zu einem seltsamen Zusammenwirken der Staatsanwaltschaft mit Medien zum Nachteil der damaligen örtlichen BAMF-Leiterin gekommen sein. Der Vorwurf des Verteidigers: Vier Staatsanwälte hätten sich heimlich mit einem “Zeit”-Journalisten getroffen, um einen “vorverurteilenden und frauenfeindlichen Artikel” über Ulrike B. zu veröffentlichen. Anschließend hätten sie “eine Mauer des Schweigens” errichtet und gegenüber der ermittelnden Generalstaatsanwaltschaft die Aussage verweigert. Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat ein Ermittlungsverfahren gegen die Beamten jetzt eingestellt – mit einer Begründung, die auf deutliche Kritik stößt.

6. Wer führt im Bundestagswahlkampf nach Social Media-Punkten?
(politik-kommunikation.de, Patrick Pietruck)
Eine Onlineagentur hat die Bewegungen auf den Social-Media-Accounts von Politikern und Parteien analysiert: “Inwieweit sich die Nominierung zum Kanzlerkandidaten als Reichweiten-Booster der Social Media Accounts entpuppt, machen wir zum Thema, indem wir Vergleiche mit den Wachstumszahlen von Söder, Habeck und Lindner anführen. Zudem bilden wir ab, wie es um den mobilen Sichtbarkeitsindex der Parteien und Kandidaten bestellt ist.”

Dieser Fall zeigt – im Wahlkampf verzerrt “Bild” heftig

Nachdem vergangene Woche vermutlich ein Anschlag auf eine Synagoge in Hagen vereitelt werden konnte, und sich seitdem ein 16-jähriger Syrer in Untersuchungshaft befindet, stand für “Bild” am Freitag fest:

Ausriss Bild-Zeitung - Deutschlands wichtigstes Thema - Dieser Fall zeigt - im Wahlkampf wird zu wenig über Islamismus gesprochen

Dazu präsentiert die Redaktion einen “Islamismus-Check”, in dem sie nach eigener Aussage überprüft, ob Grüne, SPD und CDU “Deutschlands wichtigstes Thema” (ob das wirklich zutrifft – dazu weiter unten mehr) auch wirklich ernst nehmen:

Ausriss Bild-Zeitung - Wer nimmt das Thema ernst? Die Kanzlerkandidaten im Islamismus-Check

Machtübernahme der Taliban! Islamistische Anschläge weltweit! Terrorangst auch in Deutschland!

Dennoch kommt das Reizthema Islamismus im Bundestagswahlkampf kaum vor.

Viele Wähler fragen sich: Wie wollen die Parteien mit der islamistischen Gefahr der selbst ernannten Gotteskrieger umgehen?

BILD macht den Wahlcheck!

Zu Annalena Baerbock und den Grünen schreibt “Bild”, dass es in der Partei “traditionell” eine “große Nähe zum islamistischen Mullah-Regime in Teheran” gebe, und “Kritik an islamistischem Hass auf Schwule, Lesben, Juden” eher “verhalten geäußert” werde. Und:

Im Programm der Grünen taucht das Wort “Islamismus” nicht auf

Also wird das Thema auch von den Grünen verschwiegen?

Dass das Wort “Islamismus” nicht im Wahlprogramm der Grünen auftauchen soll, ist eine klassische “Bild”-Verzerrung, die, wenn überhaupt, nur haarscharf an einer Lüge vorbeischrammt. Es ist richtig, dass der Begriff “Islamismus” im Programm (PDF) nicht zu finden ist. Dafür aber das Wort “islamistische” (Seite 195):

Zahlreiche Straftaten finden grenzüberschreitend statt, insbesondere die organisierte Kriminalität uns islamistische oder rechtsextreme Terrornetzwerke machen nicht an Landesgrenzen halt.

Und das Wort “islamistischer” (Seite 197):

Wir wollen daher auf Bundesebene einen Fonds für Opfer und Betroffene, insbesondere rechtsextremer, rassistischer oder islamistischer Gewalt, einrichten.

Und das Wort “Islamist*innen” (ebenfalls Seite 197):

Jede Form politisch motivierter Gewalt gefährdet unseren Rechtsstaat. Insbesondere durch Terrorismus von gewaltbereiten Rechtsextremist*innen und Islamist*innen ist die öffentliche Sicherheit in Deutschland bedroht.

Und das Wort “islamistischen” (Seite 198):

Aussteigerprogramme für Menschen aus der rechtsextremistischen und islamistischen Szene werden wir ebenso ausbauen wie Hilfs- und Beratungsangebote für Opfer und deren Angehörige.

Nichts davon erwähnt die “Bild”-Redaktion in ihrem “Islamismus-Check”.

Bei der SPD und deren Spitzenkandidaten Olaf Scholz raunt “Bild” derart rum, dass man glatt auf die Idee kommen könnte, Scholz trüge eine irgendwie geartete Mitschuld an den Anschlägen des 11. September 2001:

Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde bekannt, dass einige der Attentäter aus Hamburg kamen und die Behörden sie nicht stoppten.

Innensenator damals: Olaf Scholz.

Und auch bei der SPD ist “Bild” aufgefallen, dass die Partei in ihrem Wahlprogramm (PDF) nicht von “Islamismus” spricht:

Die SPD vermeidet den Begriff “Islamismus” im Programm

Man findet allerdings diesen Absatz (Seite 47):

Extremisten und Terroristen bedrohen unsere freie Gesellschaft. Um dieser erheblichen Gefahr wirksam begegnen zu können, muss der Verfassungsschutz die Rolle eines demokratischen Frühwarnsystems erfüllen. Verfassungsfeindliche Organisationen werden wir verbieten. Wo Religionsfreiheit missbraucht wird und in religiösen Fanatismus umschlägt, müssen staatliche Sicherheitsbehörden konsequent eingreifen. Mit aller Konsequenz und Härte werden wir weiter gegen Terror und Gewalt vorgehen.

Auch dazu: kein Wort im “Bild”-“Islamismus-Check”. Stattdessen lässt die Redaktion es so wirken, als hätten lediglich die CDU und Armin Laschet eine Antwort parat (“In ihrem Wahlprogramm bezeichnet die CDU Islamismus als ‘extremistische politische Ideologie’, die mit ‘der ganzen Härte des Rechtsstaats’ bekämpft werden müsse.”).

Und dann noch zur Frage, ob Islamismus wirklich, wie “Bild” behauptet, “Deutschlands wichtigstes Thema” ist. Wie die Redaktion darauf kommt, ist uns schleierhaft. Vielleicht mag das in der eigenen Redaktionskonferenz so sein oder beim AfD-Stammtisch. “Bild” nennt jedenfalls keine Quelle für die Behauptung.

Uns ist keine aktuelle Umfrage bekannt, in der die Befragten mehrheitlich Islamismus oder wenigstens Terrorismus oder innere Sicherheit oder Kriminalität als “wichtigstes Thema” oder größtes Problem Deutschlands nennen. Nur wenige Tage vor Erscheinen des “Bild”-Artikels veröffentlichte “Bild am Sonntag” das Ergebnis einer eigenen Umfrage: “Welche der folgenden Themen sind für Sie bei der Bundestagswahl wahlentscheidend?” Auf Platz 1: “Klima” (35 Prozent). Platz 2: “Rente” (33). Platz 3: “Wohnen und Miete” (26). Gefolgt von: “Umgang mit Corona-Pandemie” (26), “Gesundheit und Pflege” (24), “Schule, Kitas und Bildung” (21). Auf Platz 10: “Innere Sicherheit” (17). Ein ähnliches Bild auch bei anderen Umfragen: Die EU-Kommission fragte zum Beispiel “Was sind Ihrer Meinung nach die beiden wichtigsten Probleme, denen Deutschland derzeit gegenübersteht?”. Am häufigsten wurde “Umwelt und Klimawandel” genannt (34 Prozent), dann “Steigende Preise/Inflation/Lebenshaltungskosten” (24) und dann “Das Bildungssystem” (22). Deutlich weiter hinten: “Kriminalität” (8) und “Terrorismus” (3). Das Umweltbundesamt fragte (PDF), welche Themen in Deutschland für “sehr wichtig” gehalten werden. Die meisten Befragten sagten “Zustand des Bildungswesens” (78 Prozent), “Zustand des Gesundheitssystems” (73) und “Soziale Gerechtigkeit” (66). “Kriminalität, öffentliche Sicherheit” (57) sowie “Kriege, Terrorismus” (48) antworteten deutlich weniger. Und auch auf europäischer Ebene sieht es nicht viel anders aus: Das Europäische Parlament wollte wissen “Welche der folgenden Themen sollte das Europäische Parlament Ihrer Meinung nach Priorität einräumen?” (PDF). Bei den Antworten aus Deutschland lagen die “Maßnahmen gegen den Klimawandel” ganz vorne (44 Prozent), gefolgt von “Maßnahmen zur Bekämpfung von Armut und Ausgrenzung” (37) und “Menschenrechte (in der EU und weltweit)” (29). “Die Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität” (25) wurde seltener genannt.

Bildblog unterstuetzen

Social-Media-Wahlkampf, Facebooks späte Reaktion, Falsche Prioritäten

1. Wie der Wahlkampf 2021 auf Social Media geführt wird
(tagesspiegel.de)
Welche Partei postet am meisten? Was sind die am häufigsten verwendeten Hashtags? Welche Politiker haben die meisten Follower? Was sind die meistgenutzten Emojis? Der “Tagespiegel” hat zusammen mit Democracy Reporting International den Wahlkampf auf Facebook, Twitter, Instagram und Youtube ausgewertet und die Ergebnisse in interaktiven Grafiken aufbereitet.

2. “Die Sternstunden des Journalismus stehen noch bevor”
(journalist.de, Henning Kornfeld)
Otto-Kommunikationschef Thomas Voigt diskutiert im “journalist”-Interview über die Herausforderungen des Journalismus beim Thema Klima und über die Frage, wo bei Projekten wie “Now”, einer Kooperation von Otto und “Geo”, die Probleme liegen.

3. Über 100 afghanische Journalisten bitten um Hilfe
(reporter-ohne-grenzen.de)
Mehr als 100 afghanische Journalistinnen und Journalisten haben anonym über Reporter ohne Grenzen einen dringenden Appell an die internationale Gemeinschaft gerichtet. Ihr Aufruf ist mit “Der Journalismus in Afghanistan ist vom Aussterben bedroht” überschrieben. Unterzeichnet haben ihn insgesamt 103 Medienschaffende: “Wir sind afghanische Journalistinnen und Journalisten verschiedener politischer Überzeugungen und Ethnien. Einige von uns sind noch arbeitsfähig. Andere verstecken sich in Kabul oder anderswo in Afghanistan. Andere sind bereits ins Ausland geflohen oder stehen kurz vor der Ausreise. Wir alle sind gezwungen, bei diesem Aufruf anonym zu bleiben. Wir wollen nicht, dass der Journalismus in Afghanistan wie von 1996 bis 2001 ausstirbt. Die Zeit drängt.”

Bildblog unterstuetzen

4. Warum jetzt, Facebook?
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Eine Woche vor der Bundestagswahl hat Facebook 150 “Querdenken”-Kanäle gelöscht. Der Gedanke dahinter sei richtig, aber der Weg falsch, findet Lisa Hegemann: “Wieso reagiert die Plattform erst jetzt, so kurz vor der Bundestagswahl und zu einem Zeitpunkt, an dem die Bewegung deutlich an Zulauf und Bedeutung verloren hat? Tatsächlich erinnert das Vorgehen stark an den Umgang des sozialen Netzwerks mit US-Präsident Donald Trump: Jahrelang durfte er die Community-Standards ignorieren und Falschinformationen sowie Hetze in den Newsfeed von Nutzerinnen und Nutzern hineinblasen. Erst nach dem Sturm auf das Kapitol im Januar, als er die US-Präsidentschaftswahl schon verloren hatte und sein Abgang nahe war, reagierte Facebook und sperrte ihn.”

5. “Tagesschau” revidiert Bericht über AfD
(faz.net)
Die AfD hat eine Unterlassungsverpflichtung gegen die “Tagesschau” erwirkt. Die Nachrichtensendung muss einen Bericht über das Abstimmungsverhalten der AfD-Bundestagsfraktion zur Fluthilfe nachträglich umarbeiten. Es habe der Eindruck entstehen können, die AfD-Fraktion habe gegen den Aufbau des Fluthilfefonds gestimmt, “tatsächlich hatte sie in 2. Lesung einstimmig dafür votiert.” Ein Beitrag des “Tagesschau”-“Faktenfinders”, der auf den Einwand der AfD geantwortet hatte, ist derzeit offline und werde nach Angaben des NDR überarbeitet.

6. Möbelhaus schlägt Herzzentrum? Die falschen Doku-Prioritäten des ZDF
(dwdl.de, Peer Schader)
Peer Schader erinnert die Programmzuständigen der Öffentlich-Rechtlichen daran, mehr gesellschaftsrelevante Themen aufzugreifen: “Ich hab nicht den Eindruck, dass in Mainz, München und andernorts, wo Fernsehen für die Realitäten des Jahres 2021 gemacht werden soll, schon ausreichend verstanden worden ist, wie viele Beitragszahlende sich nach einem öffentlich-rechtlichen Rundfunk sehnen, der seine Prioritäten sehr viel besser zu ordnen versteht als das in den zurückliegenden Jahren der Fall war.”

KW 37: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

1. Nazi-Angriff auf Journalisten: Prozess gestartet
(ndr.de, Zapp Medienmagazin, Julian Feldmann, Video: 12:49 Minuten)
Wer als Journalist oder Journalistin die rechtsextreme Szene beobachtet, muss in der Regel einiges an Pöbeleien und Einschüchterungen ertragen. Vor drei Jahren wurde es für zwei Medienschaffende jedoch lebensgefährlich. Sie wurden von Neonazis mit Schraubenschlüssel und Messer attackiert und schwer verletzt. Julian Feldmann ist der Sache nachgegangen und stellt die Frage, warum die Justiz so lange gebraucht hat, einen Gerichtsprozess zu dem Vorfall in die Wege zu leiten.

2. Was hält eine französische Korrespondentin vom Bundestagswahlkampf?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 36:56 Minuten)
Die französische Korrespondentin Hélène Kohl berichtet seit 17 Jahren aus Berlin und hat schon die eine oder andere Bundestagswahl für französische Medien begleitet. Bei “Übermedien” unterhält sie sich mit Holger Klein über die französische Perspektive auf den deutschen Wahlkampf.

3. RTL Direkt und Murmel-Mania – Nicht viel Neues im Fernsehherbst
(sr.de, Thomas Bimesdörfer & Michael Meyer, Audio: 18:05 Minuten)
Thomas Bimesdörfer und Michael Meyer sprechen mit Thomas Lückerath, dem Chefredakteur des Fachmagazins “DWDL” und Juror beim Deutschen Fernsehpreis, über die aktuellen Auszeichnungen und schauen mit ihm zusammen auf das, was im anstehenden Fernsehherbst an neuen Formaten auf uns zukommt.

Bildblog unterstuetzen

4. Der Fall El-Hassan, Trielle und Kinderfragen
(wdr.de, Steffi Orbach, Audio: 37:42 Minuten)
Im WDR5-Medienmagazin geht es unter anderen um den Fall El-Hassan und die Auswahl von Moderatoren, Lokaljournalismus im Ahrtal, Parteiprogramme zur Medienpolitik, den Einfluss von Influencern auf die Wahlentscheidung und Facebooks aktuelle Sperre diverser “Querdenker”-Konten. Die obligatorische Medienschelte am Ende befasst sich mit Triellen und Kinderfragen.

5. Politisch unterrepräsentiert? Journalistische Initiative “Wir sind der Osten”
(br.de, Jonathan Schulenburg, Audio: 25:56 Minuten)
Die journalistische Initiative “Wir sind der Osten”, die Wahlkampfberichterstattung von “Bild TV”, die Situation von Journalistinnen und Journalisten in Afghanistan sowie der Journalismus in Russland – das sind die Themen des Medienmagazins im BR.

6. Politik als Servicegesellschaft
(deutschlandfunkkultur.de, Patrick Wellinski, Audio: 18:39 Minuten)
Deutschlandfunk Kultur hat sich mit den Wahlwerbespots der großen Parteien auseinandergesetzt und sie filmisch unter die Lupe genommen: Welche Erzählungen werden entwickelt? Welche Mittel werden dafür eingesetzt? Und welche Botschaften werden subtil oder weniger subtil vermittelt? Experte im Studio ist Stefan Stuckmann, der Drehbuchautor und Showrunner der Politiksatire “Eichwald, MdB”.

Hildmann-Vertrauter packt aus, Rüge für “Bild”, Anti-Klimaschutz

1. Attila Hildmanns engster Vertrauter packt aus
(t-online.de, Lars Wienand)
Vor einigen Tagen hat die Hackergruppe Anonymous Telegram-Kanäle und Websites von Attila Hildmann vom Netz genommen. Der ehemalige Kochbuch-Autor hatte über den Messenger rechtsextremistische, antisemitische und verschwörungsideologische Inhalte an seine teilweise mehr als 100.000 Abonnenten ausgespielt. Die Anonymous-Aktion war nur deshalb möglich, weil ein ehemaliger Vertrauter und IT-Administrator Hildmanns die Daten an das Hackerkollektiv weitergegeben hatte. Jetzt hat dieser Mann vor Journalisten über die Zeit mit Hildmann, dessen Gedankenwelt und Netzwerk gesprochen.
Weiterer Lesehinweis: Facebook löscht Konten und Gruppen der Querdenken-Bewegung: “Facebook hat knapp 150 Accounts und Gruppen auf seinen Plattformen gelöscht, die zur umstrittenen Querdenken-Bewegung gehören sollen. Es ist nach Angaben des Unternehmens weltweit die erste gezielte Aktion, die sich gegen eine Gruppierung richte, die einen ‘koordinierten sozialen Schaden’ (coordinated social harm) hervorruft.” (zeit.de)

2. Erinnert ihr euch an das schreckliche Seilbahn-Unglück in Italien
(twitter.com, Niema Movassat)
Der Bundestagsabgeordnete Niema Movassat hat sich – neben einigen BILDblog-Leserinnen und -Lesern – beim Presserat über “Bild” beschwert und Zustimmung erhalten. Auf Twitter schreibt Movassat: “Erinnert ihr euch an das schreckliche Seilbahn-Unglück in Italien, bei dem ein Kind seine Familie verlor? Das Drecksblatt Bild hat nicht davor zurückgeschreckt, das Bild des Kindes abzudrucken. Ich habe mich beim Presserat beschwert – die Bild bekommt nun eine öffentliche Rüge.” In den Kommentaren wird berechtigterweise die Frage nach den Folgen diskutiert: “Wenn die Lehrerin immer nur Tadel einschreibt und das keine Konsequenzen hat, interessiert das die Jungs, die den Unterricht stören halt einen Scheiss. Also? Konsequenzen?”

3. „Nicht den Anschein erwecken, wir bevorzugen jemanden“
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio: 6:08 Minuten)
Wie berichten die Sender des Deutschlandradios kurz vor der Bundestagswahl? Welche Politikerinnen und Politiker werden dann noch interviewt? Und wie steht es um journalistische Nebentätigkeiten? Im Gespräch mit @mediasres, dem Medienmagazin im Deutschlandfunk, spricht Friedbert Meurer, Leiter der Abteilung Aktuelles, über die Grundsätze des Senders bei der Berichterstattung kurz vor der Wahl.

Bildblog unterstuetzen

4. Warum der Fall Nemi El-Hassan die Krise des deutschen Journalismus aufzeigt
(berliner-zeitung.de, Hanno Hauenstein)
Hanno Hauenstein findet die Debatte um den WDR und die designierte “Quarks”-Moderatorin Nemi El-Hassan scheinheilig. Die Diskussion sei “Ausdruck einer inzwischen normalisierten deutschen Sehnsucht, die Deutungshoheit über Antisemitismus gegen Minderheiten in Anschlag zu bringen. Ob diese nun jüdisch, muslimisch oder links sind, scheint dabei kaum mehr eine Rolle zu spielen.” Der Beitrag ist auch deshalb empfehlenswert, weil er neue Gedanken und Perspektiven zur Bewertung des Konflikts einbringt.

5. Pressefreiheit: Wahlversprechen unter der Lupe
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen hat die Parteien zu Kernthemen rund um die Pressefreiheit befragt. Die acht “Wahlprüfsteine” behandeln etwa den Umgang mit zunehmenden gewalttätigen Übergriffen auf Journalistinnen und Journalisten, das Sanktionieren mangelnder Rechtsstaatlichkeit in EU-Staaten und die Frage, wie zwischen staatlichen Überwachungsbefugnissen und dem Recht auf vertrauliche Kommunikation im Internet abzuwägen ist. Alle der im Bundestag vertretenen Parten haben geantwortet – abgesehen von der AfD.

6. Bild: Anti-Klimaschutz-Propaganda verbreiten
(klima-luegendetektor.de)
“Bild” sprach mit dem Vorsitzenden der IG Metall über allerlei aktuelle Themen, darunter auch die arbeitsmarktrelevanten Aspekte der Klimapolitik. Die Folge war ein “Bild”-Titel mit der verzerrenden und irreführenden Schlagzeile: “IG-Metall-Boss Hofmann warnt: Klima-Schutz kostet Hunderttausende Jobs!” (siehe dazu auch unseren gestrigen Beitrag “Bild”-Verzerrung kostet richtige Klimaschutz-Aussage). Den Experten und Expertinnen des “Klima-Lügendetektors” sind noch weitere bemerkenswerte Dinge zur “Bild”-Geschichte aufgefallen.

“Bild”-Verzerrung kostet richtige Klimaschutz-Aussage

Jörg Hofmann, Vorsitzender der IG Metall, war zum Interview bei “Bild”. In dem Gespräch ging es unter anderem um die Debatte über die Anhebung des Renteneintrittsalters, um im Wahlkampf versprochene Steuersenkungen und auch um den Klimaschutz. Auf die Frage von “Bild”-Redakteur Johannes C. Bockenheimer “Industriepolitik und Klimapolitik widersprechen sich also?” antwortete Hofmann:

Nein, ich bin überzeugt, dass wir den Wandel zu einer klimaneutralen Wirtschaft schaffen können. Aber dafür brauchen die Industrie und die dort Beschäftigten jetzt Planungssicherheit, andernfalls sind weit mehr als 100 000 Jobs in Gefahr. Wenn wir aber jetzt massiv Ladesäulen bauen, in Batteriezellfabriken und Recycling investieren, eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen, Unternehmen davon abhalten, alles in Billiglohnländer zu verlagern und die Menschen aktiv weiterbilden, dann kann die Transformation ein Erfolgsmodell werden. Aber was wir bei Teilen der Politik und der Unternehmen erleben, ist Trägheit – und die gefährdet Arbeitsplätze.

Daraus macht die “Bild”-Redaktion heute auf der Titelseite diese Schlagzeile:

Ausriss Bild-Titelseite - IG-Metall-Boss Hofmann warnt - Klima-Schutz kostet Hunderttausende Jobs

Bei Bild.de wird aus dem “IG-Metall-Boss” zwar der “IG-Metall-Chef”, die Schlagzeile ist aber auch dort genauso verzerrend:

Screenshot Bild.de - IG-Metall-Chef Jörg Hofmann warnt - Klimaschutz kostet Hunderttausende Jobs

Online kann jeder, der sich die Mühe macht, immerhin nachlesen, dass Jörg Hofmann keineswegs findet, dass Klimaschutz per se “Hunderttausende Jobs” kosten wird, sondern dass der aus seiner Sicht richtig gemachte Klimaschutz sogar “ein Erfolgsmodell” sein kann. In der gedruckten “Bild” ist das nicht möglich. Dort ist kein Wortlautinterview erschienen, sondern nur eine Zusammenfassung Bockenheimers. Der “Bild”-Autor schreibt lediglich:

Hofmanns Sorge: Es sind “weit mehr als 100 000 Jobs in Gefahr!”

Bildblog unterstuetzen

Afghanistan, Auskunft über Vonovia-Deal, Laschet in Kinderfernsehfalle

1. Afghanische Journalisten nicht im Stich lassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Grundsätzlich begrüßt Reporter ohne Grenzen die pauschale Aufnahmezusage des Innenministeriums für mehr als 2.000 schutzsuchende Menschen aus Afghanistan, unter ihnen auch Journalistinnen und Journalisten. Dies reiche jedoch nicht aus: “Denn Überlegungen, die Sicherheitsüberprüfungen in Kabul durchführen zu lassen, sind angesichts der Lage vor Ort weltfremd. Für viele bedrohte Medienschaffende in Afghanistan schwindet gerade die Hoffnung, einem der größten Feinde der Pressefreiheit weltweit noch zu entkommen.”

2. Eilantrag erfolgreich: Land Berlin muss Auskunft zu Vonovia-Deal geben
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Monatelang habe sich die SPD-geführte Finanzverwaltung in Berlin gegen Transparenz gewehrt, jetzt müsse sie Details zum umstrittenen Milliarden-Deal mit den Wohnungsunternehmen Vonovia und Deutsche Wohnen veröffentlichen. Das meldet die Transparenz-Offensive “FragDenStaat”, die dafür beim Berliner Verwaltungsgericht einen Eilantrag auf Basis des Landespressegesetzes eingereicht hatte. Vorherige Versuche, an Informationen zu gelangen, hatten nicht gefruchtet.

3. Der Fall Nemi El-Hassan und die blinden Flecke
(uebermedien.de, Andrej Reisin)
Eigentlich sollte die Fernsehmoderatorin Nemi El-Hassan demnächst die WDR-Wissenschaftssendung “Quarks” übernehmen. Nachdem bekannt geworden war, dass sie im Jahr 2014 an der Al-Quds-Demonstration teilgenommen hat, ruht der Vorgang allerdings. Für “Übermedien” hat Andrej Reisin die nicht einfache Angelegenheit aus verschiedenen Perspektiven betrachtet: “Wir müssen uns streiten!”

Bildblog unterstuetzen

4. AfD kündigt juristische Schritte gegen “Tagesschau” an
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Die “Tagesschau” hat durch eine nachlässige Formulierung den Eindruck erweckt, die AfD hätte sich gegen die Einrichtung eines Wiederaufbaufonds für die Flutgebiete ausgesprochen. Es war jedoch im sogenannten Omnibusverfahren gleichzeitig über zwei verschiedene Gesetze abgestimmt worden. Bei der Schlussabstimmung hatte sich die AfD enthalten. Die AfD-Fraktion hat nun angekündigt, juristische Schritte gegen die “Tagesschau” einzuleiten, und fordert, die Behauptung, die Fraktion habe der Fluthilfe nicht zugestimmt, richtigzustellen und nicht weiter zu verbreiten.

5. Hält Facebook kritische Studien zurück?
(meedia.de, Frank Puscher)
“Facebook weiß laut vorliegender Unternehmensdokumente, dass Instagram für Teenager-Mädchen toxisch ist”, schreibt das “Wall Street Journal” (nur mit Abo lesbar). Frank Puscher hat den Bericht gelesen: “Es geht vor allem um junge Mädchen und es geht in erster Linie um deren Wahrnehmung des eigenen Körpers. Die permanente Zurschaustellung, perfekt durchtrainierter und proportionierter Körper von Fitness- und Beauty-Influencerinnen, führt augenscheinlich dazu, dass die jungen Damen zusehends mit dem eigenen Körper unzufrieden sind.”

6. Die Kinderfernsehfalle: Wie Laschet im Schülerinterview zum dünnhäutigen Grummelonkel wurde
(rnd.de, Imre Grimm)
Imre Grimm kommentiert den Besuch Armin Laschets in der ProSieben-Sendung “Late Night Berlin” und das dort durchgeführte Kinderinterview: “Gewiss ist das Ziel des Formats kein echter Erkenntnisgewinn für Kinder, sondern eine sorgsam orchestrierte Blamage zur Beömmelung Erwachsener. Trotzdem war die Außenwirkung von Laschets hilflosem Strampeln verheerend. Statt auf Augenhöhe mit den Kindern zu sprechen, wirkte er wie ein huldreicher Großonkel zweiten Grades, der auf einer Familienfeier ein paar passiv-aggressive Pflichtworte mit dem Kleingemüse wechselt, damit die Gattin hinterher nicht schimpft, er habe den ganzen Abend nur schmollend in der Ecke gesessen und Zigarillos geraucht.”
Weiterer Lesehinweis: Beim “Spiegel” erklärt Marco Wedig, was ihn an dem Format stört und wie beim “Spiegel” bei Kinderinterviews vorgegangen wird: “Mich hätte beim ‘Late Night Berlin’-Gespräch mit Laschet zum Beispiel mehr interessiert, ob Pauline und Romeo einen Luftfilter in ihrer Klasse haben und was Herr Laschet dazu gesagt hätte.” Auf Twitter antwortet Medienkritiker Stefan Niggemeier dem Autor unter anderem: “Man kann diese waghalsige Mischung aus Ernst und Unernst auch kritisieren. Ich find’s nur schwer, diese Kinder-Interviews mit euren zu vergleichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Ziele im Zweifel andere sind, und die Methoden sehr offenkundig auch.”

Debatte um “Quarks”-Moderatorin, Migration, Baut Barrieren ab

1. Debatte um “Quarks”-Frau
(taz.de, Peter Weissenburger)
Die Fernsehmoderatorin Nemi El-Hassan sollte eigentlich demnächst durch die WDR-Wissenschaftssendung “Quarks” führen, doch damit wird es vorerst nichts. Nachdem bekannt geworden war, dass El-Hassan vor sieben Jahren an einer israelfeindlichen, antisemitischen Demo teilgenommen hat, setzte der WDR den geplanten Moderationsstart aus. Peter Weissenburger erklärt, um was es bei den Vorwürfen geht.

2. Die Krux mit der digitalen Transformation
(netzpolitik.org, Jana Ballweber)
Mit einer Subvention von 220 Millionen Euro wollte das Bundeswirtschaftsministerium die digitale Transformation der deutschen Zeitungs- und Zeitschriftenverlage unterstützen, doch dazu kam es nicht. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) musste das Projekt kurz vor der Auszahlung einstampfen. Es bestanden verfassungsrechtliche Bedenken, Onlinemedien sahen sich benachteiligt, und auch der Bundesrechnungshof habe das Konzept “komplett zerlegt”. Nun erbe die neue Bundesregierung das Problem.

3. Unsere Arbeit in Afghanistan wird nicht mit Regierungsgeldern finanziert
(aerzte-ohne-grenzen.de)
Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen korrigiert die wiederholten Aussagen von Seiten der Politik, sie erhalte für ihre humanitäre Hilfe in Afghanistan Regierungsgelder. Zuletzt habe dies der CSU-Landesgruppenchef im Deutschen Bundestag Alexander Dobrindt vorgestern im TV-“Vierkampf” der kleineren Parteien behauptet. Die Organisation stellt klar: “Ärzte ohne Grenzen nimmt für seine humanitäre Hilfe in Afghanistan keine Gelder von Regierungen an, auch nicht von der deutschen Bundesregierung. Die Arbeit wird ausschließlich mit privaten Mitteln finanziert. Nur so können die drei Grundprinzipien – Unparteilichkeit, Neutralität und Unabhängigkeit – nach denen die Organisation arbeitet, gewährleistet werden. Die Einhaltung dieser Prinzipien ist die wichtigste Grundlage der humanitären Arbeit und gewährleistet die Sicherheit der Patient*innen und Mitarbeitenden vor Ort.”

Bildblog unterstuetzen

4. Kompetent über Migration berichten
(verdi.de, Bärbel Röben)
Beim Thema Migration fehlt es Medienschaffenden oft an Fachwissen. Abhilfe soll das kostenfrei verfügbare UNESCO-Handbuch “Reporting on Migrants and Refugees” schaffen, das im Dortmunder Erich-Brost-Institut für internationalen Journalismus erarbeitet wurde. Bärbel Röben hat sich das Handbuch angeschaut, das wertvolle Informationen liefere, jedoch leider nur in englischer Sprache erhältlich sei.

5. Baut die Barrieren ab!
(uebermedien.de, Andrea Schöne)
Gerade in Katastrophenfällen ist eine barrierefreie Berichterstattung enorm wichtig. Daran mangelt es jedoch, wie sich zuletzt schmerzlich bei der Hochwasserkatastrophe im Kreis Ahrweiler zeigte. Es sei Zeit, dass deutsche Medien ihr alltägliches Programm und auch ihre Notfallkommunikation neu denken, findet Andrea Schöne bei “Übermedien” und hat dazu einen Katalog mit Wünschen aufgestellt.

6. Die Kanzlerin und die Medien
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 7:14 Minuten)
Der Deutschlandfunk schaut auf 16 Jahre Angela Merkel als Bundeskanzlerin und ihr Verhältnis zu den Medien zurück: Hat sie sich zu oft zu rar gemacht? Hätte sie ihre Politik in Interviews besser erklären müssen? Wurde meistens zu wohlwollend berichtet?

Bild  

Eckstein, Eckstein, niemand wird versteckt sein

Eine momentan ganz beliebte Erzählung von Politikern der CDU und CSU geht so: Die SPD und ihr Spitzenkandidat Olaf Scholz sollen die prominenten Vertreter des linken Parteiflügels verstecken, damit diese mit ihren Ideen und Aussagen nicht Scholz’ erfolgreichen Wahlkampf torpedieren können. Das SPD-Führungsduo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sollen genauso wie der ehemalige Juso-Chef und heutige stellvertretende Bundesvorsitzende Kevin Kühnert also nicht in die Öffentlichkeit gelassen werden.

Gestern Abend in der “Bild-TV”-Sendung “Viertel nach Acht” hat sich “Bild”-Moderatorin Nena Schink dieser Erzählung angeschlossen:

Der eigentliche Erfolg von Olaf Scholz war doch gar nicht gestern im Triell die Leistung, nein, der eigentliche Erfolg von Olaf Scholz ist, wie er seine Leute im Griff hat. Ich meine, dass Saskia Esken die Einladung zu Anne Will ausschlug, das ist der große Erfolg von Olaf Scholz. Und das ist das, wofür man ihn loben sollte: Dass er es schafft, Enteignungs-Kevin, Versteck-mich-Saskia und den Corona-Hampelmann Lauterbach einfach zu verstecken und damit auch die linken Phantasien.

“Bild”-Chef Julian Reichelt, der ebenfalls in der “Bild-TV”-Sendung sitzt, erzählt zwar, dass Kevin Kühnert aus dem Vorwurf “ein teilweise sehr unterhaltsames Spiel” mache, indem er bei Twitter regelmäßig darauf hinweist, in welcher Talkshow er sich diesmal versteckt; aber auch Reichelt sagt:

Ich habe ja auch das Gefühl, dass das durchaus bewusst ist, dieses Verstecken von manchen Figuren, die vielleicht nicht wirklich zum sehr geschmeidigen, sehr bürgerlichen Auftritt von Olaf Scholz passen wird.

Da haben Recherche-Julian und Fakten-Hampelfrau Schink entweder so gar nicht aufgepasst und einfach nur ahnungslos irgendwas nachgeplappert. Oder sie wissen es eigentlich besser und erzählen bewusst etwas Falsches. Denn dass Saskia Esken, Norbert Walter-Borjans, Kevin Kühnert und Karl Lauterbach “einfach versteckt” werden, ist schlicht Blödsinn. Hier mal eine kleine Übersicht, nur aus dem bisher 14 Tage alten September:

Man kann die SPD und die Vertreter des linken Parteiflügels gern völlig daneben finden. Man sollte dann aber nicht irgendwelche Unwahrheiten über sie verbreiten.

***

Offenlegung: Für unser Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste” hat Kevin Kühnert das Nachwort geschrieben.

Bildblog unterstuetzen

Townhall vs. Triell, Obrigkeitshöriges Genre, Attila Hildmann offline

1. Mehr Erkenntnisgewinn durch Wählerfragen
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Christina Holtz-Bacha & Christoph Sterz, Audio: 5:57 Minuten)
Schon während des zweiten TV-Triells gab es in den Sozialen Medien Kritik am Moderatorenteam. Bei Oliver Köhr (ARD) und Maybrit Illner (ZDF) habe hinsichtlich der Diskussionsführung Chaos und Uneinigkeit geherrscht. Außerdem seien wesentliche Themen nicht berücksichtigt worden. Die Kommunikationswissenschaftlerin Christina Holtz-Bacha bevorzugt ein sogenanntes Townhall-Format wie die “Wahlarena” in der ARD, wo Wählerinnen und Wähler Fragen stellen können: “Das ist viel lehrreicher, da geht es mehr um die alltäglichen Probleme der Wählerschaft.”

2. “Wahres Tatsachensubstrat”
(arminwolf.at)
Der österreichische “Kurier” druckte im Januar ein ganzseitiges Inserat mehrerer Vereine ab, die sich gegen die Corona-Maßnahmen wandten. In einem Kommentar distanzierte sich die Zeitung von den Inhalten. Man habe sich trotzdem zum Abdruck entschieden, da “wir Meinungsfreiheit für ein unantastbares Gut halten”. Als Armin Wolf den “Kurier” dafür auf Twitter kritisierte, flatterte ihm Anwaltspost von den Leuten ins Haus, die offenbar hinter dem Inserat stehen.

3. Die Verantwortung der Krimi-Autor*innen: Einige Forderungen an ein obrigkeitshöriges Genre
(54books.de, Till Raether)
Der Schriftsteller Till Raether verfasst unter anderem Kriminalromane. In einem bemerkenswert offenen Text spricht er über die Zweifel an seinem Umgang mit dem Genre. Zu Beginn seiner Laufbahn als Krimi-Autor sei er zwei Irrtümern aufgesessen: “Irrtum 1: Das Genre Kriminalroman enthebt mich als Autor von der Verantwortung, mich mit der Realität des von mir benutzten Materials auseinanderzusetzen, weil Genre sich aus Fiktionalitäts-Markern zusammensetzt. Irrtum 2: Polizei ist cool. Denn: Die Waffen. Die Uniformen. Die Büros. Das Blaulicht. Die Rituale. Die Ermächtigung. Die Gewalt.” Lesenswert für jeden Krimi-Fan, da es neue Perspektiven öffnet.

Bildblog unterstuetzen

4. Der engste Vertraute zerstört Attila Hildmann
(t-online.de, Lars Wienand)
Die Hacker-Gruppe Anonymous hat Telegram-Kanäle und Websites von Attila Hildmann vom Netz genommen. Der ehemalige Kochbuch-Autor hatte über den Messenger rechtsextremistische, antisemitische und verschwörungsideologische Inhalte an seine teilweise mehr als 100.000 Abonnenten ausgespielt. Die Aktion wäre nicht möglich gewesen ohne den ehemaligen IT-Administrator Hildmanns, der die Zugangsdaten an das Hacker-Kollektiv weitergab.

5. Journalisten klagen gegen Bayern
(verdi.de)
Vier Journalisten klagen gegen den Freistaat Bayern. Die Pressevertreter waren am 9. September auf dem Gelände der Internationalen Automobil-Ausstellung von Polizeibeamten angehalten, kontrolliert und in Gewahrsam genommen worden – trotz mehrfacher Hinweise auf ihre Akkreditierungen, der bereits am Eingang erfolgten Kontrolle und des Vorzeigens ihrer Presseausweise. Der sie vertretende Rechtsanwalt kommentiert: “Freiheitsentziehung und Durchsuchung sind schwerwiegende Grundrechtseingriffe, erst Recht gegenüber Pressevertretern. Die Polizei ist dabei insbesondere an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden. Da die Polizei München keine Einsicht zeigt, wird sie die rechtliche Grundlage für ihr Vorgehen nun dem Verwaltungsgericht erläutern müssen.”

6. klimaneutral
(journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Sebastian Pertsch und Udo Stiehl werfen im Rahmen ihres Projekts “Floskelwolke” einen sprach- und medienkritischen Blick auf vielbenutzte Formulierungen. Diesmal kritisieren sie den inflationär verwendeten Begriff “grün” und das Wort “klimaneutral”.

Weniger Verschwörungsgeraune wagen!

In Dänemark sind vor ein paar Tagen die letzten Corona-Beschränkungen aufgehoben worden. Oder wie die “Bild”-Redaktion online titelt:

Screenshot Bild.de - Alle Beschränkungen aufgehoben - Wow! Die Dänen impfen sich frei - Corona keine gesellschaftskritische Krankheit mehr - 73 Prozent haben vollständigen Schutz

“Bild”-Redakteur Jan W. Schäfer, Leiter des Politikressorts, fordert auch sogleich in einem Kommentar:

Screenshot Bild.de - Kommentar zu Corona-Massnahmen - Mehr Dänemark wagen

Denn, so behauptet es die “Bild”-Redaktion in einem weiteren Beitrag, in Deutschland sieht es beim Impfen doch ganz ähnlich aus wie in Dänemark:

Screenshot Bild.de - Epidemiologe Klaus Stöhr erklärt - Darum macht Dänemark auf und wir nicht - trotz ähnliche Impfquote

Das ist eine etwas überraschende Behauptung. Dänemark gehört nach Portugal, Island, Malta und Spanien zu den Ländern Europas mit der höchsten Impfquote. Zwischen Dänemark und Deutschland liegen noch Irland, Finnland, Frankreich, Belgien, Italien, Norwegen, Großbritannien, San Marino, die Niederlande, Schweden, Monaco und Andorra. Oder anders gesagt: Es besteht durchaus ein gewisser Unterscheid zwischen den Impfquoten in Dänemark und in Deutschland.

Der Bild.de-Artikel befindet sich zwar hinter der “Bild-plus”-Paywall, doch auch davor kann man ohne Abo schon lesen, wie “ähnlich” die Impfquote ist:

Dänemark jubelt. Ab heute fallen bei unserem nördlichen Nachbarn alle Corona-Beschränkungen.

Corona wird nicht länger als “gesellschaftskritische Krankheit” kategorisiert. Diese Kategorisierung machte die Einführung bestimmter Regeln – wie beispielsweise die Maskenpflicht oder ein Versammlungsverbot – überhaupt erst möglich.

Spannend: Die Quote der vollständig Geimpften liegt in Dänemark bei 73,5 Prozent – also gar nicht so viel höher als in Deutschland (61,8 Prozent).

Das ist eine Differenz von 11,7 Prozentpunkten. Bezogen auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands also etwa 9,7 Millionen Menschen, die sich noch vollständig impfen lassen müssten, damit hier eine Impfquote wie in Dänemark erreicht wird. Dem offiziellen “Impfdashboard” zufolge werden derzeit in Deutschland im Schnitt etwa 180.000 Impfungen pro Tag durchgeführt. Um bei diesem Tempo 9,7 Millionen Menschen vollständig zu impfen, würde es also noch Monate dauern.

Auch bei den Über-60-Jährigen, also der von Corona besonders gefährdeten Gruppe, gibt es beim Impfen einen deutlichen Unterschied zwischen Dänemark und Deutschland. Das steht so auch im Bild.de-Artikel:

Mehr als 96 Prozent aller Menschen über 60 Jahren sind in Dänemark vollständig geimpft. Heißt: In Dänemark sind fast alle Menschen, die häufiger schwer erkranken und sogar sterben, geschützt!

Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Impfquote bei den Älteren über 60 Jahre bei gerade einmal 83 Prozent.

Dass die “Bild”-Redaktion es dennoch so darstellt, als wäre die Impfsituation in Deutschland angeblich eine “ähnliche” wie in Dänemark, in Deutschland aber die “epidemische Lage von nationaler Tragweite” verlängert wird, während in Dänemark alle Corona-Maßnahmen aufgehoben werden, passt zur generellen Corona-Berichterstattung der Redaktion. Da behauptet dann beispielsweise Kai Weise, eine der zentralen Figuren beim neuen “Bild”-TV-Sender, dass die Bundesregierung “offenbar Spaß dabei” habe, Ungeimpfte auszugrenzen und sie “zu Aussätzigen, zu Menschen zweiter Klasse” zu machen. Die Regierung habe “einen ungehörigen Spaß, die Leute zu knechten”. Chefredakteur Julian Reichelt sieht eine “berauschende Angst-Politik, die Politikern so viel Zugriff gegeben hat, dass sie davon gar nicht mehr lassen können”. Er behauptet, “die Politik möchte gar keinen Ausweg aus der Pandemie aufzeigen. Sie möchte diesen Zustand erhalten”. Und auch “Bild”-Meinungschef Filipp Piatov behauptet, dass man bei der Bundesregierung den Eindruck habe, dass sie gar nicht aus dem Lockdown heraus wolle.

Dieses Geraune in den “Bild”-Medien ist kaum noch zu unterscheiden von den Verschwörungserzählungen in den einschlägigen Telegram-Kanälen.

Mit Dank an @RalphGoldmann für den Hinweis!

Bildblog unterstuetzen

Festgehalten bei der IAA, Pferderennen?, Deutsche Gedichte

1. Warum muss Marion Brasch pausieren, aber Jörg Thadeusz nicht?
(daniel-bouhs.de)
Wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des rbb in Wahlkämpfen aktiv beteiligen, sollen sie eigentlich nicht auftreten dürfen. Bei den rbb-Moderatoren Marion Brasch und Jörg Thadeusz kam es zu derlei Kollisionen: Brasch hatte sich in einer Anzeige mit anderen Kulturschaffenden für den Linken-Politiker Klaus Lederer eingesetzt. Von Thadeusz ist in einem Magazin des Berliner Landesverbands der FDP ein Text über das “Frei sein” erschienen. Im Medienmagazin von radioeins erklärt rbb-Chefredakteur David Biesinger die Beweggründe der Geschäftsleitung, Brasch pausieren und Thadeusz weitermachen zu lassen.

2. “taz”-Journalist bei Protesten gegen IAA von Polizei festgehalten – Journalistenverbände empört
(rnd.de)
Ein Journalist der Tageszeitung “taz” ist bei Protesten gegen die Automesse IAA in München im Umfeld einer Hausbesetzung zeitweise von der Polizei festgehalten worden. Nach mehr als drei Stunden in Gewahrsam sei er wieder freigelassen, jedoch von der weiteren Berichterstattung ausgeschlossen worden. Die Polizei habe ihm ein Betretungsverbot für alle Veranstaltungsflächen der IAA erteilt. Der Deutsche Journalisten-Verband bezeichnet auf Twitter das Vorgehen der Polizei als “unerhört”.

3. Der Westen wird in Schwelm verteidigt
(uebermedien.de, Sebastian Weiermann)
Das Städtchen Schwelm ist nicht der Ort, in dem man “Bild”-Chef Julian Reichelt am Vorabend des 11. September erwartet, um über Weltpolitik zu reden. Aber wenn ein befreundeter Axel-Springer-Manager dort für die CDU kandidiert, macht sich Reichelt schon mal auf die Reise. Sebastian Weiermann hat sich die Veranstaltung für “Übermedien” angeschaut, bei der jedoch nur 40 Menschen anwesend waren.

Bildblog unterstuetzen

4. Schlägt in diesem Wahljahr die Stunde des politischen Journalismus?
(fachjournalist.de, Silke Liebig-Braunholz)
Der “Fachjournalist” hat sich mit Justus von Daniels vom Recherchenzentrum “Correctiv” über den Bundestagswahlkampf und den politischen Journalismus unterhalten. Von Daniels spricht sich für mehr inhaltliche Schwerpunkte in der Berichterstattung aus, gibt jedoch zu bedenken: “Das Problem ist, dass solche Formate oft punktuell sind und viele das nicht mitbekommen. Was da helfen könnte, sind verständliche Übersichten oder Dossiers. Die müssen allerdings gut kuratiert sein und nicht einfach nur verwandte Themen bündeln. Da sollten wir alle in der Branche mehr Kreativität üben, auch was die grafische Aufbereitung von Themen angeht.”

5. Wahlkampf als politisches Pferderennen
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers & Stefan Fries, Audio: 18:48 Minuten)
Müssen wir bei der Wahlkampfberichterstattung US-amerikanische Verhältnisse samt Horse-Race-Journalismus befürchten, der sich an die Sportberichterstattung anlehnt? Trotz aller Entwicklungen in diese Richtung sei dies nicht zu befürchten, finden zwei Kommunikationswissenschaftler und Wissenschaftlerinnen im Deutschlandfunk: “Die Situation in Deutschland sei damit nicht zu vergleichen. Und die Forscher weisen auch darauf hin, dass das politische System in Deutschland einer zu starken Personalisierung ohnehin entgegenstehe, schließlich wählten die Menschen mit der entscheidenden Stimme Parteien und keine Kanzler.”

6. AfD-Chef Chrupalla will, dass Schüler mehr deutsche Gedichte lernen – kennt aber selbst keins
(spiegel.de)
AfD-Chef Tino Chrupalla hat in einem Interview mit der Kindernachrichten-Sendung “logo!” gefordert, Schülerinnen und Schüler sollten mehr “deutsche Gedichte” lernen. Als der Kinderreporter Chrupalla nach dessen Lieblingsgedicht fragte, geriet dieser ins Schwimmen: “Mein Lieblingsgedicht ist … öhm … Da müsste ich jetzt mal überlegen, fällt mir jetzt gar keins ein.”

KW 36: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. 9/11 und Verschwörungstheorien: 20 Jahre danach
(ndr.de, Video: 23:12 Minuten)
Der Terroranschlag vom 11. September 2001 jährt sich zum zwanzigsten Mal, und in den Sozialen Medien und einschlägigen Foren werden immer noch die krudesten Theorien über den Hintergrund verbreitet. Mal soll die US-Regierung dahinterstecken, mal eine “jüdische Weltverschwörung”. Was macht das mit den Betroffenen? Und welche Verantwortung tragen die Plattformbetreiber, auf deren Seiten solche Inhalte zur Verfügung gestellt werden?

2. Wahlkampf undercover: Wie PR-Profis uns manipulieren
(ndr.de, Gesine Enwaldt & Peter Kreysler, Video: 43:40 Minuten)
Der Investigativjournalist Peter Kreysler hat sich unter falscher Flagge und mit gefakter Identität in das Innere international agierender PR-Agenturen eingeschmuggelt. Der Film zeigt, was in der Welt der Wahlkampfstrategen alles möglich ist, und entlarvt die Methoden der Meinungsmacher.

3. Welche Rolle spielen Fake News kurz vor der Bundestagswahl?
(wasmitmedien.de, Daniel Fiene & Sebastian Pähler, Audio: 59:52 Minuten)
Valerie Scholz und ihre Mit-Gründerin Katherina Klimkeit haben mit “Facts for Friends” eine Plattform ins Leben gerufen, mit der Faktenchecks attraktiver werden sollen. Scholz war bereits Ende 2020 bei “Was mit Medien” zu Gast. Bei ihrem neuerlichen Besuch erzählt sie davon, was sich bei dem Medien-Startup in der Zwischenzeit alles getan hat.
Weiterer Hörtipp: Das aktuelle “MedienMagazin” des BR zur Bundestagswahl: Was sagen die Parteiprogramme zu Medienpolitik und Journalismus? (br.de, Sissi Pitzer & Linus Lüring)

Bildblog unterstuetzen

4. Weshalb ärgern sich Datenjournalisten so über das Robert Koch Institut?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 23:10 Minuten)
In Zeiten der Pandemie interessieren uns vor allem Zahlen: Wie viele Menschen sind erkrankt, genesen, geimpft? Wie verteilen sie sich auf Deutschland? Aufbereitet wird das Zahlenmaterial meist von Datenjournalistinnen und -journalisten, die jedoch auf die Zusammenarbeit mit dem Robert-Koch-Institut angewiesen sind. Und hier gibt es dringenden Verbesserungsbedarf, wie Elena Erdmann von “Zeit Online” erklärt.

5. Thilo Mischke bei der Bild: Boulevard-Journalismus in der Kritik
(youtube.com, Pro Sieben, Thilo Mischke, Video: 7:20 Minuten)
“Skandalflut, Statistik-Tricks und steile Thesen, gebündelt in unzähligen Schlagzeilen und Onlinemeldungen”: ProSieben-Reporter Thilo Mischke hat “Bild”-Chef Julian Reichelt in dessen Redaktion besucht, um mit ihm über Boulevard-Journalismus zu sprechen.

6. Wie Influencen der Gesundheit schadet
(youtube.com, SWR3, Philipp Walulis, Video: 14:07 Minuten)
Die Welt der Influencerinnen und Influencer ist nicht nur rosarot. Auf vielen lastet ein großer Druck. Stress, Angst und Depressionen können die Folge sein. “Und wenn man nicht gerade zur deutschen Influencer-Elite gehört, wird es sogar doppelt gefährlich. Zu den psychischen Sorgen kommen ganz schnell auch finanzielle Nöte. Die Welt der Influencer hat zwei Seiten und wir erkunden heute die Dunkle”, so Philipp Walulis.
Weiterer Videotipp: BGH-Urteil zu Influencer-Postings – “ZDFheute live” spricht mit Influencerin Cathy Hummels und Anwalt Michael Terhaag über eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (zdf.de, Daniel Bröckerhoff, 25 Minuten).

7. Studio Schmitt
(zdf.de, Tommi Schmitt, Video: 30:44 Minuten)
Bonus-Tipp: In der aktuellen Folge von “Studio Schmitt” (ZDFneo) ist BILDblog-Leiter Moritz Tschermak zu Besuch. Die beiden unterhalten sich über die Ausprägung der “Bild” unter Julian Reichelt sowie die politische Stoßrichtung des Boulevardmediums und spielen zum Schluss eine Partie “Gaga-Kompositum”.

Kannste den entscheidenden Teil der Antwort einfach weglassen?

Chris W. findet:

Eine Schande ist das!!!

Silvia S. schreibt:

An Frechheit nicht zu überbieten.

Stefan M. meint:

Die Politiker haben keine Skrupel,für nichts.

Und auch Klaus K. ist stinksauer:

Weil für Politiker nicht die gleichen Gesetze gelten wie für den gemeinen Bürger!!

Die “Bild”-Redaktion hat es mal wieder geschafft: In den Facebook-Kommentaren zum Bild.de-Artikel über die TV-Show “Kannste Kanzleramt?” herrscht große Wut auf die da oben.

“Bild” und Bild.de berichten heute groß über die Sendung, die gestern Abend bei Sat.1 lief. In den Artikeln geht es aber nicht etwa um die Antworten von Annalena Baerbock, Olaf Scholz und Armin Laschet auf die Fragen der 16 Mädchen und Jungen zwischen acht und 13 Jahren, die für die Show aus ganz Deutschland in einem Klassenzimmer in Berlin zusammengekommen sind. Stattdessen geht es um Masken, oder genauer: um fehlende Masken:

Screenshot Bild.de - Kinder dürfen ganz entspannt im Klassenzimmer sitzen - Vom Maskenzwang befreit, weil Politiker Wahlkampf machen!

Die “Bild”-Medien schreiben dazu:

Seit vielen Monaten ertragen Deutschlands Schüler die Maskenpflicht im Unterricht. Tragen selbst im Klassenraum stundenlang Maske, in hessischen Schulen zum Teil sogar auf dem Schulhof!

Doch siehe da: Für den Wahlkampf bekommen die Kleinen maskenfrei. Dürfen in der Sat.1-Show (“Kannste Kanzleramt?”) als niedliche Kulisse herhalten. Im Beisein der Kandidaten Olaf Scholz (63, SPD), Armin Laschet (60, CDU) und Annalena Baerbock (40, Grüne).

FRAGT SICH: Warum dürfen die Kinder in der Wahlkampf-Show, was ihnen in den meisten deutschen Klassenzimmern verwehrt wird?

Die Redaktion lässt es so wirken, als sei das alles ein Privileg der Politikerkaste:

Nur für den hohen Besuch der Kanzlerkandidaten durfte die Maske im Klassenzimmer ab.

Das ist schlicht Unsinn. Der entscheidende Unterschied ist, dass es sich bei der Sat.1-Show um eine TV-Produktion handelt, für die andere Vorgaben gelten als für den Unterricht in der Schule (was man natürlich völlig bescheuert finden kann, aber dann sollte man nicht irgendwelche Unwahrheiten behaupten). Und zwar unabhängig davon, wo gedreht wird und wem Fragen gestellt werden. Wäre der Drehort nicht ein Klassenzimmer gewesen, sondern ein TV-Studio, die Turnhalle derselben Schule oder Julian Reichelts Büro, hätten die Kinder vor der Kamera genauso wenig eine Maske tragen müssen. Und wären statt Baerbock, Laschet und Scholz drei willkürlich ausgewählte Passanten befragt worden, hätte sich an der Befreiung von der Maskenpflicht auch nichts geändert.

Oder kurz gesagt: Nicht wegen des “hohen Besuchs der Kanzlerkandidaten durfte die Maske im Klassenzimmer ab”, oder “weil Politiker WAHLKAMPF machen”, sondern weil es sich um eine Fernsehaufzeichnung handelte. Ich war zufällig vorgestern selbst bei einer. Und auch dort: Keine Maskenpflicht vor der Kamera, hinter den Kulissen aber schon. Und vorheriges Testen alles Anwesenden.

In den “Bild”-Medien ist von der Erklärung mit der TV-Produktion nichts zu lesen. Es wird lediglich ein Sat.1-Sprecher zitiert:

Der Sender erklärt den Widerspruch so: “Vor Ort wurden alle gesetzlichen Hygieneauflagen umgesetzt.” Alle Anwesenden seien negativ auf Covid-19 getestet worden und “mussten deshalb keine Maske tragen”.

Uns liegt die komplette Antwort-Mail des Senders an “Bild”-Redakteur Filipp Piatov vor. Darin wird durchaus auf die Besonderheit einer Fernsehproduktion hingewiesen. Im “Bild”-Artikel wurde dieser entscheidende Teil aber einfach weggelassen. Die ganze Antwort lautet:

“Kannste Kanzleramt?” ist eine Fernsehproduktion wie “Gute Zeiten, schlechte Zeiten” oder der BILD-Talk “Viertel Nach Acht”. Vor Ort wurden alle gesetzlichen Hygieneauflagen umgesetzt. Alle Anwesenden waren den Empfehlungen der Berufsgenossenschaft folgend negativ auf COVID 19 getestet und mussten deshalb keine Maske tragen.

Aber was hätte das schon an Wut auf Politikerinnen und Politiker in den Facebook-Kommentaren gebracht?

Bildblog unterstuetzen

Maaßen erneut maßlos, Reichelts Radikalisierung, Genital-Effekte

1. Pfeifen Sie Maaßen zurück, Herr Laschet
(djv.de, Hendrik Zörner)
CDU-Rechtsaußen Hans-Georg Maaßen hat die öffentlich-rechtlichen Sender als “Propagandamedien” bezeichnet. Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband kommentiert: “Dass die Kandidatur des Rheinländers Maaßen im fernen Thüringen nur möglich wurde, weil die CDU-Bundeszentrale dort ein Durchsetzungsproblem hat, ist hinreichend berichtet worden. Das entbindet die Partei und ihren Vorsitzenden, den Kanzlerkandidaten Armin Laschet, nicht von der Verantwortung für die rechtsextremen Ausfälle ihres Kandidaten Hans-Georg Maaßen. Wann greifen Sie endlich durch, Herr Laschet?”

2. Bild-Chef gibt “Querdenkern” Interview – Wie sehr hat sich Reichelt radikalisiert?
(volksverpetzer.de, Andreas Bergholz)
Dem “Volksverpetzer” ist eine unheilvolle Entwicklung bei Deutschlands größtem Boulevardblatt aufgefallen: “Seit Wochen ist beim Axel-Springer Medium ‘BILD’ eine Anbiederung an das ‘Querdenken’-Lager zu beobachten. Allen voran Chefredakteur Julian Reichelt fällt vermehrt mit einer ‘Querdenken’-Rhetorik auf, die von der extremistischen Bewegung auch gehört und gefeiert wird. Spitze des Eisberges ist nun, dass er in der Szene bekannten Verschwörungsideolog:innen (Martin LeJeune und Anne Höhne) ein Interview gegeben hat.”

3. Wenn Künstliche Intelligenz das Forum moderiert
(deutschlandfunk.de, Stephan Beuting, Audio: 5:33 Minuten)
Klassische Nachrichtenmedien versuchen, ihre Kommentarspalten im Netz nicht von Hasspostings dominieren zu lassen, und setzen dabei sowohl auf Moderatoren als auch auf die Unterstützung durch Künstliche Intelligenz. Die “Rheinische Post” (“RP”) nutzt eine ausgeklügelte Software, die durch öffentliche Gelder gefördert wurde. Hannah Monderkamp leitet das Audience-Development-Team der “RP”, Lilli Stegner ist als Community-Managerin tätig. Beim Deutschlandfunk erklären sie, worauf es bei der Kommentarmoderation ankommt.

Bildblog unterstuetzen

4. Was für eine Pimmelei
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Hamburgs Innensenator Andy Grote wurde auf Twitter von einem Nutzer beleidigt. Daraufhin rückte die Polizei morgens um 6 Uhr zu sechst zur Hausdurchsuchung bei der Meldeadresse des Beleidigers an, in der auch kleine Kinder wohnen sollen. Ein Vorgehen, dass von Laien wie auch von Experten als vollkommen unverhältnismäßig eigestuft wird. Für den Beleidigten war es zudem kontraproduktiv, wie Markus Reuter kommentiert: “Mit dieser Art des Vorgehens hat der Innensenator seinen Namen nun für immer mit dem Wort Pimmel in Verbindung gebracht. Ein klassischer Fall von Streisand-Effekt. Herzlichen Glückwunsch!”

5. Influencerinnen dürfen manche Produktbeiträge ohne Werbehinweis verbreiten
(spiegel.de)
In einem lange erwarteten Urteil hat der Bundesgerichtshof zum Thema Produktplatzierungen bei Influencerinnen und Influencern entschieden. Das Urteil geht auf Klagen gegen die Moderatorin und Influencerin Cathy Hummels, die Fashion-Influencerin Leonie Hanne und die Fitness-Influencerin Luisa-Maxime Huss zurück, denen von einem Verband Schleichwerbung vorgeworfen worden war.

6. ZDF warnt vor “Bares für Rares”-Betrügern
(rnd.de)
Das ZDF warnt in den Sozialen Medien vor Trickbetrügern, die sich als Mitarbeiter der ZDF-Trödelshow “Bares für Rares” vorstellen: “Bitte lasst diese Personen nicht in eure Wohnung und passt auf euch auf.”

Die Opfer von “Bild” (11)

So sieht es aus, wenn ein “Bild”-Reporter witwenschügewissenhaft recherchiert:

Screenshot von BILD.de: Ein Foto von drei Personen, die auf einem Sofa sitzen; links eine Frau, in der Mitte ein Mann, der Fotos in der Hand hält, rechts ein weiterer Mann; dazu die Bildunterschrift: "Zwei Monate nach dem Unfall auf dem Gardasee, bei dem [Name] und [Name] totgerast wurden, trifft BILD-Reporter Jörg Völkerling [Name]s Eltern [Name] und [Name] in Maderno. Foto: Stefano Laura"
(Unkenntlichmachung von uns.)

Die Eltern, neben denen “Bild”-Mann Jörg Völkerling hier auf dem Sofa sitzt, haben vor Kurzem Ihre Tochter verloren. Sie starb mit ihrem Lebensgefährten bei einer Bootskollision auf dem Gardasee, die zwei Männer aus Deutschland verursacht haben sollen.

Bebildert ist der Artikel auch mit einem Foto der verstorbenen Frau, das der Reporter laut eigenen Angaben von den Eltern mitgegeben bekommen hat (und das auch davor schon oft von “Bild” veröffentlicht worden war):

Screenshot von BILD.de: Ein Foto einer Trauerkarte, auf dem die verstorbene Frau abgebildet ist, dazu ihr Name, ihr Geburts- und Todesdatum; dazu die Bildunterschrift: "Diese Trauerkarte haben die Eltern dem BILD-Reporter mitgegeben. [Name] ertrank mit ihrem Freund, nachdem sie von zwei Deutschen auf dem See überfahren wurde. Foto: Robert Gongoli"
(Unkenntlichmachung von uns. Die Eltern haben „Bild“ zwar offenbar eine Erlaubnis gegeben, doch es kommt immer wieder vor, dass Angehörige diese Entscheidung im Nachhinein bereuen.)

Solche Mühe machen sich die Leute von “Bild” aber eher selten, um an Fotos von Opfern zu gelangen. Oft reicht ihnen schon ein schneller Beutezug durch die Sozialen Netzwerke. Wie im Fall zweier Kinder, die bei Überschwemmungen in den USA ums Leben kamen und dann unverpixelt in der “Bild”-Zeitung und auf der Startseite von Bild.de zu sehen waren:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Todesflut reißt Vater Zwillinge aus den Armen - beide tot", dazu ein Foto derÜberschwemmungen, ein Foto der Kinder und der rot hinterlegte Button "MIT VIDEO"
(Unkenntlichmachung von uns.)

Das Foto hat “Bild” sich auf Facebook besorgt.

Ebenso wie das einer Familie, deren Vater in Florida erschossen wurde:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Vater eiskalt erschossen - weil er sein Baby schützen wollte", dazu ein großes Foto der Familie
(Unkenntlichmachung von uns.)

Auch in ausländischen Medien besorgt sich die “Bild”-Redaktion immer wieder Fotos von Opfern. Etwa das eines zweijährigen Mädchens, das in Brasilien durch einen Stromschlag ums Leben kam:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "STROMSCHLAG! Mädchen (2) stirbt durch Handy-Ladegerät", dazu ein Foto des Mädchens und ihrer Mutter
(Unkenntlichmachung von uns.)

Oder das zweier Brüder aus den USA, die innerhalb von zwölf Stunden beide an Corona starben:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Sie starben innerhalb von 12 Stunden - Mutter verliert ungeimpfte Söhne an Corona", dazu ein großes Foto der Mutter und ihrer Söhne
(Unkenntlichmachung von uns.)

All diese Artikel sind innerhalb einer einzigen Woche (23. Bis 29. August) erschienen. Insgesamt veröffentlichten die “Bild”-Medien in diesem Zeitraum mindestens 35 Mal Fotos von Menschen, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind, davon acht Mal Kinder. Die meisten davon waren, wie üblich, in keiner Weise unkenntlich gemacht.

Dabei hat “Bild” in der gleichen Woche selbst gezeigt, dass es auch anders geht:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Vor den Augen ihrer Cousine - Frau stürzt 50 Meter in den Tod - wegen TikTok-Video"

Verpixelt wurden die Gesichter in diesem Fall nicht von uns, sondern von “Bild”.

Warum die beiden – im Gegensatz zu so vielen anderen – nicht gezeigt werden, erklärt “Bild” nicht. Klar ist aber: Geklickt und verbreitet wurde der Artikel trotzdem; allein bei Facebook sammelte er tausende Reaktionen. Dass diese Tatsache in der “Bild”-Redaktion die Erkenntnis reifen lässt, dass eben nicht jede Tragödie ein Gesicht braucht, wäre aber wohl doch zu viel erwartet.

***

Nach einem Verbrechen oder Unglück in Social-Media-Profilen zu wühlen und daraus Fotos der Opfer zu veröffentlichen, ist redaktioneller Alltag bei “Bild”. Häufig erscheinen solche Fotos ohne jede Verpixelung und ohne Zustimmung der Angehörigen oder Hinterbliebenen.

In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar von Reportern bedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.

“Bild” begründet die Veröffentlichung solcher Bilder damit, dass “nur so” die Tragik “deutlich und fassbar” werde.

Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:

Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.

Pressekodex Richtlinie 8.2

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:

Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.

Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.

Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.

Rüge für Scheuer, Hass verlagert sich, Im Zweifel die Radfahrer

1. Humanitärer Schutz für afghanische Journalisten
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen fordert humanitären Schutz für afghanische Journalisten und Journalistinnen und appelliert an das Bundesinnenministerium: “Afghanische Medienschaffende, die sich in ihrer Verzweiflung an Auslandsvertretungen in Nachbarländern wenden, müssen humanitären Schutz in Deutschland bekommen. Das gleiche gilt für jene Journalistinnen und Journalisten, die mit unserer Unterstützung und mithilfe des US-Militärs nach Deutschland gelangt sind. Mit humanitären Visa kann die Bundesregierung nicht nur Leben retten, sondern auch ermöglichen, dass Journalistinnen und Journalisten aus dem Exil heraus weiterarbeiten können.”

2. Dicke Rüge für Minister Scheuer wegen Intransparenz
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Das Bundesverkehrsministerium torpediert kritische Berichterstattung. In internen E-Mails des Ministeriums, die Medien vorliegen, zeigt sich, dass Minister Andreas Scheuer Anweisung gab, eine Recherche des “Spiegel” zu unterlaufen. Die Herausgabe des vollständigen Mail-Wechsels verweigere das Ministerium aber. Dies könne die “mediale Wahrnehmung” Scheuers verzerren und sich im Untersuchungsausschuss nachteilig für ihn auswirken. Ulrich Kelber, Bundesbeauftragter für den Datenschutz und für die Informationsfreiheit, reagierte darauf mit dem stärksten Instrument, das ihm zur Verfügung steht: der Beanstandung. “Konsequenzen hat sie keine, aber sie hebt Scheuers Haus als besonders intransparent hervor.”

3. “Jeder wird bald Klimareporter sein”
(journalist.de, Wolfgang Blau)
Die Klimakrise wird das am härtesten umkämpfte Themenfeld im Journalismus, prophezeit Wolfgang Blau in seinem Gastbeitrag für den “journalist”. Blau rät zu einem Umdenken in den Redaktionen: “Wenn etwa der Sportjournalismus finanzielle Aspekte eines Spielertransfers, eines Vereins oder Turniers erwähnt, wundert sich kaum jemand. Es ist höchste Zeit, dass die Klima-Aspekte einer Nachricht oder Reportage mit der gleichen Selbstverständlichkeit und in allen Ressorts auftauchen.”

Bildblog unterstuetzen

4. “Eigentlich könnte man jeden Tag eine solche Sendung machen”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Im aktuellen Wahlkampf kommt den sogenannten Triellen eine besondere Bedeutung zu. Sonntag findet das zweite Triell statt, dieses Mal moderiert vom ARD-Chefredakteur Oliver Köhr und der ZDF-Talkerin Maybrit Illner. “DWDL” sprach mit Illner über das Konstrukt der Sendung, die Politisierung der Gesellschaft und Politiker, die sich nicht festlegen wollen.

5. Im Zweifel hat der Radfahrer Schuld
(deutschlandfunk.de, Dieter Wulf, Audio: 6:04 Minuten)
Der Fahrradclub ADFC kritisiert die Polizei- und Presseberichte über Unfälle, in denen Fahrradfahrer und -fahrerinnen beteiligt sind. In ihren Pressemitteilungen stelle es die Polizei häufig so dar, als hätten Radfahrer Fehler gemacht. Die Person im Auto bleibe dagegen meist unsichtbar. Diese Perspektive werde dann von Medien oft übernommen.

6. Digi­taler Hass geht zurück – bei Face­book
(lto.de, Hasso Suliak)
Die Strafrechtlerin Elisa Hoven hat zusammen mit einem Medienwissenschaftler und einem Wirtschaftsinformatiker die Publikumskommentare auf Facebook-Seiten deutscher Massenmedien in den Jahren 2018 und 2020 erfasst und dabei Verblüffendes festgestellt: Der Hass bei Facebook habe in den vergangenen Jahren eher abgenommen. Dies sei leider kein Grund zur Entwarnung: “Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass der digitale Hass nicht schwindet, sondern weniger sichtbar wird, indem er sich z.B. von eher transparenten Facebook-Seiten in schwieriger zu kontrollierende Zonen wie Telegram-Chats verlagert.”

Journalistische Interessenkonflikte, Bürgertalk, Scientist-Rebellion-Leak

1. “Politisches oder sonstiges Engagement sind generell kein Ausschlussfaktor”
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock war Anfang der Woche in der “Wahlarena” der ARD zu Gast. Im Verlauf des Abends meldeten sich unter anderem zwei Männer zu Wort, die sich jeweils mit ihrem Namen vorstellten. Bei dem einen handelt es sich um ein Mitglied der AfD-Bürgerschaftsfraktion in Lübeck, bei dem anderen offenbar um einen Mitarbeiter des zweitgrößten deutschen Stromerzeugers. Dies wurde jedoch nicht offen kommuniziert. Boris Rosenkranz fragt: “Ein Bürgertalk, in dem auch aktive Parteipolitiker sitzen und Mitarbeiter großer Konzerne – wäre es nicht relevant fürs Publikum, zu wissen, wer diese Leute sind und welchen Hintergrund sie haben?”

2. Journalistische Interessenkonflikte
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 6:00 Minuten)
Der Fernsehsender RTL will seriöser, nachrichtlicher und politischer werden und hat dazu öffentlich-rechtliche Nachrichtengrößen wie Jan Hofer und Pinar Atalay engagiert. Eine wichtige Rolle in der RTL-Politik-Berichterstattung nimmt auch Chefreporterin Franca Lehfeldt ein, die seit Jahren mit FDP-Spitzenkandidat Christian Lindner liiert ist. Das kann zu möglichen Interessenkonflikten führen.

3. Keine Pressefreiheit im Baumhaus
(freelens.com, David Klammer)
Der Fotograf und Dokumentarfilmer David Klammer war im Dannenröder Forst, um Aufnahmen der dortigen Proteste zu machen. Jetzt soll er dafür zahlen, dass die Polizei ihn aus Baumhäusern geräumt hat. “Ein Unding”, finden Klammer und dessen Anwalt, sie haben Beschwerde eingelegt. Freelens, ein Berufsverband für Fotojournalistinnen und Fotografen, unterstützt David Klammer in dem nun anstehenden Rechtsstreit mit dem Land Hessen.

Bildblog unterstuetzen

4. “Ein Leak – weil es dramatisch ist”
(tagesschau.de, Ingrid Bertram)
Der dritte Teil des Berichts des Weltklimarats (IPCC) soll eigentlich erst im März 2022 veröffentlicht werden. Der Entwurf wurde jedoch bereits im August von einer Organisation namens Scientist Rebellion an Medien geleakt. Die “Tagesschau” hat sich mit den Aktivisten und Aktivistinnen über deren Beweggründe und konkrete Sorgen unterhalten.

5. Kritik am Prozess gegen den Produzenten des Ibiza-Videos
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
In einer gemeinsamen Stellungnahme kritisieren mehrere Menschenrechtsorganisationen und Journalistenverbände die “ausufernde Strafverfolgung” gegen den Produzenten des Ibiza-Videos. Sie appellieren: “Die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden muss objektiv und parteiunabhängig erfolgen. Schon der Anschein der politischen Einflussnahme auf die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden birgt eine Gefahr für den Rechtsstaat. Bis Ende 2021 hat Österreich Zeit, die EU-Richtlinie zum Schutz von Whistleblower*innen umzusetzen. Bei diesem wichtigen Projekt muss besonders acht auf den Schutz von Hinweisgeber*innen gelegt werden.”

6. “Bild”-Zeitung muss künftig im Sondermüll entsorgt werden
(der-postillon.com)
“Der Postillon” hat wie immer Informationen, die (aus nachvollziehbaren Gründen) sonst keiner hat: “Nach Appellen von Umweltexperten ist heute die Abfallverzeichnis-Verordnung (AVV) ergänzt worden, die festlegt, wie Abfälle entsorgt werden müssen. Das teilte die Arbeitsgemeinschaft der Sonderabfall-Entsorgungs-Gesellschaften der Länder (AGS) mit. Demnach müssen sämtliche Exemplare der ‘Bild’-Zeitung künftig in den Sondermüll gegeben werden.”

Die Opfer von “Bild” (10)

Vor dem Landgericht Kiel läuft zurzeit ein Prozess gegen einen Mann, der zwei Frauen getötet haben soll. “Bild” berichtet ausführlich darüber und zeigt dabei immer wieder unverpixelte Fotos der Opfer:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Polizei-Pannen im Fall des mutmaßlichen Prostituierten-Killers - KÖNNTE SIE NOCH LEBEN?", dazu ein Foto eines der Opfer und ein Foto des Verdächtigen
(Unkenntlichmachungen von uns.)

Vor dem Landgericht Berlin läuft zurzeit ein Prozess gegen einen Mann, der einen Mann getötet haben soll. “Bild” berichtet auch darüber ausführlich und zeigt dabei immer wieder Fotos des Opfers. Bloß: Während die Frauen im oben genannten Fall von “Bild” keinerlei Unkenntlichmachung bekommen, wird das Gesicht des männlichen Opfers jedes Mal verpixelt, zumindest seine Augenpartie:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "'Kannibale von Pankow' vor Gericht - Opfer kam mit Bier und Viagra zum Date", dazu ein Foto des Verdächtigen vor Gericht, der sein Gesicht mit einem Ordner bedeckt, sowie ein Porträtfoto des Opfers
(Unkenntlichmachung der Augen von “Bild”, restliche Unkenntlichmachung von uns.)

Daran lässt sich, wie so oft, die Willkür erkennen, die “Bild” bei der Unkenntlichmachung von Opfern walten lässt. Warum der Mann, die Frauen aber nicht? Und warum nur teilweise und nicht komplett?

In einem anderen Fall, bei einer Familie, die in Italien bei einem Seilbahnunglück ums Leben kam, hat “Bild” hingegen alle Gesichter vollständig verpixelt:

Screenshot von BILD.de: Ein Foto einer Familie, dazu die Bildunterschrift: "[Name]s Mutter [Name] (✝26), sein Vater [Name] (✝30) und sein Brüderchen [Name] (✝2) starben bei dem Unglück. Die Familie des Jungen hat BILD das Foto zur Verfügung gestellt. Foto: Facebook"
(Unkenntlichmachung der Gesichter von “Bild”, Unkenntlichmachung der Namen von uns.)

Das – und die Tatsache, dass in diesem Fall offenbar die Zustimmung der Angehörigen vorlag – ist jedoch die absolute Ausnahme. In der Regel gibt es weder eine Erlaubnis noch eine Unkenntlichmachung. (Hinzu kommt in diesem Fall: “Bild” hat zwar die Gesichter verpixelt, nennt aber so viele persönliche Details, dass sie trotzdem problemlos identifizierbar sind.)

Es kommt auch immer mal wieder vor, dass ein Gesicht online verpixelt ist, in der Printausgabe aber nicht. Und es kommt auch vor, dass “Bild”, wenn man fragt, warum das so ist, für den Hinweis dankt und das Gesicht online wieder entpixelt.

Diese Willkür herrscht nicht nur bei den Fotos von Opfern, sondern auch von Tätern und Verdächtigen. Etwa in den Beispielen vom Anfang: Den Angeklagten im Berliner Mordprozess zeigt “Bild” nur mit schwarzem Augenbalken. Im Kieler Mordprozess bekommt der Angeklagte hingegen keinen schwarzen Balken.

Und in einem anderen Fall erklärt “Bild” mit spürbarem Widerwillen:

Screenshot einer Bildunterschrift auf BILD.de: "Dieser Mann soll einer der brutalen Schläger sein. Wegen seiner Persönlichkeitsrechte muss BILD ihn unkenntlich machen. Foto: privat"

In den meisten Fällen aber spricht die Redaktion sowohl Verdächtigen als auch Opfern die Persönlichkeitsrechte kurzerhand ab und zeigt sie ohne jede Verpixelung.

***

Insgesamt veröffentlichten die “Bild”-Medien in jener Woche (16. bis 22. August) mindestens 16 Mal Fotos von Menschen, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind. (Dass die Zahl diesmal relativ niedrig ist, liegt vermutlich daran, dass in diesem Zeitraum die Ereignisse in Afghanistan, die bevorstehende Bundestagswahl und der Start von “Bild TV” einen großen Teil der Berichterstattung einnahmen.) In drei Fällen waren die Gesichter verpixelt, in zwei Fällen die Augen. In zwölf Fällen verzichtete “Bild” auf jede Unkenntlichmachung.

Gezeigt wurde zum Beispiel das Gesicht eines Mannes, der starb, als er eine ertrinkende Frau retten wollte:

Ausriss aus der BILD-Zeitung: "[Name] (47) wollte Urlauberin helfen - beide tot! - RETTUNGSSCHWIMMER von Sylt starb als Held", dazu ein Foto des Strands, ein Foto des Wohnwagens des Mannes und ein großes Foto von ihm selbst
(Unkenntlichmachungen von uns.)

Und das Gesicht eines 11-jährigen Jungen, der 2004 getötet wurde:

Screenshot von BILD.de: Ein großes Porträtfoto des Jungen, dazu die Bildunterschrift: "Der 11-jährige [Name] wurde 2004 verschleppt und getötet"
(Unkenntlichmachungen von uns.)

Und erneut das Gesicht eines Mannes, der nach einer Partynacht ertrunken ist:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Knast, weil sie ihren Kumpel ertrinken ließen", dazu ein großes Foto des Opfer, zwei Fotos der Angeklagten sowie das Bild-Plus-Logo
(Unkenntlichmachungen von uns.)

Und erneut die Gesichter eines Paares, das bei einer Bootskollision ums Leben kam:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Deutsche sollen junges Paar auf Gardasee totgerast haben - DAS zeigen die Aufnahmen einer Überwachungskamera", dazu ein Bild der Überwachungskamera sowie zwei Porträtfotos der Opfer
(Unkenntlichmachungen von uns.)

Und erneut das Gesicht einer Frau, die von ihren Brüdern getötet worden sein soll:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Polizei findet wichtigen Zeugen - Taxifahrer fuhr die Killer-Brüder von [Name] zum Bahnhof", dazu ein Foto des Taxis sowie ein Foto der Frau
(Unkenntlichmachung von uns.)

Als Quelle steht unter den meisten dieser Fotos: “Privat”.

***

Nach einem Verbrechen oder Unglück in Social-Media-Profilen zu wühlen und daraus Fotos der Opfer zu veröffentlichen, ist redaktioneller Alltag bei “Bild”. Häufig erscheinen solche Fotos ohne jede Verpixelung und ohne Zustimmung der Angehörigen oder Hinterbliebenen.

In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar von Reportern bedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.

“Bild” begründet die Veröffentlichung solcher Bilder damit, dass “nur so” die Tragik “deutlich und fassbar” werde.

Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:

Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.

Pressekodex Richtlinie 8.2

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:

Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.

Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.

Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.

False-Balance-Debatte, Baerbock Hauptziel, Schweigers Impf-Gerede

1. Böhmermann attackiert Lanz: Wie groß ist die Gefahr der False Balance?
(rnd.de, Imre Grimm)
Bei der “Langen Nacht der Zeit” haben “Zeit”-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, Satiriker Jan Böhmermann und ZDF-Moderator Markus Lanz über “Macht und Ohnmacht des politischen Journalismus” gesprochen. Bei einem Schlagabtausch zwischen Böhmermann und Lanz ging es um die Frage, ob man viel kritisierte Corona-Forscher wie Alexander Kekulé oder Hendrik Streeck eine breite TV-Bühne bieten soll. Dabei fiel auch das Stichwort der “False Balance”. Imre Grimm fasst die Argumentation der Gesprächspartner zusammen und ordnet das Ganze ein.

2. Viel Weißraum um Nichts – Der Streit um Annalena Baerbock und das “Bild”-Interview
(meedia.de, Tobias Singer)
“Das ist ihre Seite, Frau Baerbock” titelte die “Bild am Sonntag” vorgestern und ließ die Seite weiß. Wie es dazu gekommen war? Baerbock hatte ein Interview aus Termingründen abgesagt. Offenbar beleidigt schrieb die “BamS”: “Annalena Baerbock ist die erste grüne Spitzenkandidatin, die vor einer Bundestagswahl keine Zeit für ein Interview mit Bild am Sonntag hatte.” In seinem Kommentar entgegnet Tobias Singer: “Es gibt kein Recht auf ein Interview, auch nicht für ‘Bild’. Andere mussten da auch durch. Wenn Rezo und Tilo Jung eine Absage von Armin Laschet einfahren, dann ist das vielleicht eine vertane Chance für ein junges Publikum, aber: Es gibt kein Recht auf ein Interview.”

3. Faktenprüfer sehen Annalena Baerbock als Hauptziel von Desinformation
(zeit.de)
Nach einem Bericht des Kampagnennetzwerks Avaaz ist die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock im Vergleich zu anderen Politikern und Politikerinnen derzeit das Hauptziel von Desinformationsnarrativen im Fernsehen, in Print- und Online- sowie in Sozialen Medien. Grundlage der Auswertung seien zwischen dem 1. Januar und dem 31. August dieses Jahres erhobene Daten der Faktencheck-Redaktionen der Deutschen Presse-Agentur, der Nachrichtenagentur AFP und des Rechercheteams von “Correctiv”.

Bildblog unterstuetzen

4. Springer positioniert “Die Welt” als “Zeitung fürs Wesentliche”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der Springer-Konzern hat seine Tageszeitung “Die Welt” gestrafft und relauncht: “Statt für 2,80 Euro ist ‘Die Welt’ künftig für genau zwei Euro zu haben. Allerdings schrumpft auch der Inhalt: Auf regulär 16 Seiten sollen in der Zeitung die einzelnen Stücke ‘pointierter und damit kürzer’ ausfallen, gleichzeitig sollen die Struktur stringenter und die Inhalt stärker gebündelt werden, heißt es. Ein Schritt, der wohl auch als Reaktion auf gesunkene Auflagenzahlen gewertet werden kann.”

5. Dokumentarfilm “Eine andere Freiheit” mit Til Schweiger sorgt für Wirbel
(tagesspiegel.de, Christopher Stolz)
Am Wochenende wurde ein Trailer zu einem, nun ja, Dokumentarfilm veröffentlicht, in dem sich der Schauspieler Til Schweiger gegen die Corona-Impfung für Kinder ausspricht: “Für Kinder ist dieser Virus absolut harmlos. Und die Gefahr von so einer Impfung, die man nicht erforscht hat, ist ungleich höher als der Virus selber. Deswegen halte ich persönlich das für entsetzlich”. Belege für seine Behauptungen nennt er nicht. Außerdem redet Schweiger davon, dass unser Grundgesetz “mehr oder weniger” außer Kraft gesetzt sei. Der “Tagesspiegel” hat dazu einige Stimmen zusammengestellt, darunter auch die des “6-vor-9”-Kurators.

6. Der Beitragsservice und ich
(taz.de, Bert Schulz)
Bert Schulz, Leiter des Berliner “taz”-Büros, erhält eine E-Mail aus der Buchhaltung: Es sei ein Pfändungsbescheid eingegangen, im Auftrag des Rundfunks Berlin-Brandenburg. Es gehe um 888 Euro angeblich nicht bezahlter Rundfunkgebühren. Mit großem Einsatz gelingt es Schulz, die Sache klarzustellen, da flattert eine Nachforderung ins Haus. Nun soll er mehr als 1.200 Euro nachzahlen: “Mein Fall mag ein unglücklicher Einzelfall sein. Eine Häufung dummer Zufälle, die ausgerechnet mich erwischt hat. Auch der Beitragsservice teilt mir mit, man könne sich selbst nicht erklären, wie die falschen Daten übermittelt wurden – und warum keiner der Briefe zurückkam. Dennoch ist mir das alles an die Substanz gegangen, hat mich verwirrt, geärgert, verunsichert. Und ich habe mich mehrmals gefragt: Hätte ich zum Beispiel als 80-Jähriger Kraft und Nerven gehabt, den Irrtum aufzuklären?”

Das Mimimi der “Bild am Sonntag”, Edits aus dem Bundestag, Lanz-Precht

1. Mit freundlichen Edits aus dem Bundestag
(netzpolitik.org, Anna Biselli)
Beim Online-Nachschlagewerk Wikipedia können bekanntermaßen alle mitmachen, und doch stammen viele Artikel zu deutschen Bundestagsabgeordneten von einzelnen Nutzern. Das zeigen Recherchen von netzpolitik.org und Jan Böhmermanns “ZDF Magazin Royale”. Bei manchen Wikipedia-Beiträgen würden die Politiker und Politikerinnen selbst mitschreiben. Die beiden Redaktionen haben die Wikipedia-Artikel der 709 Mitglieder des Bundestags der aktuellen Wahlperiode ausgewertet. Welche Nutzer haben besonders viele Artikel von Politikern und Politikerinnen bearbeitet? Und welche Artikel wurden zu einem Großteil von einem einzigen Nutzer geschrieben? Die dazugehörige Böhmermann-Folge gibt es hier.

2. »Bild am Sonntag« druckt weiße Seite statt Baerbock-Interview
(spiegel.de)
Die Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hat eine Interviewanfrage der “Bild am Sonntag” abgelehnt. Die Wochenzeitung aus dem Hause Springer antwortete gestern mit einer fast leeren Seite und einer Fußnote voller Mimimi.

3. Eva Schulz: “Wir saßen hier auf heißen Kohlen”
(dwdl.de, Senta Krasser)
Für das Format “Nahaufnahme” hat sich Senta Krasser mit der Politikjournalistin Eva Schulz getroffen, dem “Postergirl des Digitaljournalismus”, wie Schulz unlängst in einer Talkshow angekündigt wurde. Eva Schulz betreibt bei funk den Kanal “Deutschland3000 – ‘ne gute Stunde mit Eva Schulz”. Im ARD-Format “Der Raum mit Eva Schulz” sperrt sie vier Menschen mit verschiedenen Meinungen in einen Raum und lässt sie nur wieder raus, wenn sie zusammen spielen, statt gegeneinander zu kämpfen. Was macht ihren Erfolg aus? Und warum geht Armin Laschet zu ihr und nicht zu Rezo?

Bildblog unterstuetzen

4. Red-Bull-Boss Mateschitz startet Medienprojekt “Der Pragmaticus”
(meedia.de)
Der österreichische Milliardär und Red-Bull-Boss Dietrich Mateschitz hatte bereits vor Jahren ein (mittlerweile abgewickeltes) Medienprojekt namens “Addendum” gestartet. Nun unternimmt Mateschitz, dem von vielen Seiten Nähe zum Rechtspopulismus vorgeworfen wird, einen neuen Anlauf. Die Online-Plattform “Der Pragmaticus” wolle ab sofort Expertinnen und Experten Raum geben, abseits von tagespolitischen Debatten in einem großzügigen Umfang ihre Inhalte “unverfälscht” zu publizieren. Das dazugehörige monatliche Printmedium soll eine Auflage von 200.000 Exemplaren haben.

5. Späti statt Regierungsviertel
(taz.de, Emeli Glaser)
Anlässlich der Bundestagswahl gibt es jetzt zwei politische Interview-Formate, die speziell junge Menschen ansprechen sollen: “Ich würde nie …” von Deutschlandfunk Nova und “Kreuzverhör – deine Wahl? von funk. Emeli Glaser hat aufgeschrieben, was ihr an den Formaten gefällt, aber auch was ihr missfällt: “Ähnlich wie bei anderen Politiker:innen-Talks bleibt leider auch bei den jungen Formaten das Gefühl, nicht schlauer herauszugehen, als man gekommen ist – abgesehen von randomisierten Fakten aus dem Privatleben des Gastes. Aber vielleicht liegt das ja am Ende gar nicht nur an den Talks. Sondern auch an den Politiker:innen.”

6. Stimmt’s oder hab ich recht?
(sueddeutsche.de, Corlenius Pollmer)
Wenn sich zwei äußerst erfolgreiche Medien-Promis wie Markus Lanz und Richard David Precht für einen Podcast zusammentun, sind die Erwartungen hoch. Cornelius Pollmer war nach dem Anhören der ersten Folge eher ernüchtert: “Ist alles nicht falsch, was Lanz und Precht sagen, aber es gibt Mitfahrgelegenheiten, da wird man ähnlich gut unterhalten.”

KW 35: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

***

1. Wie krass manipuliert die ARD?
(uebermedien.de, Holger Klein, Audio: 36:00 Minuten)
Die Öffentlich-Rechtlichen haben kurz hintereinander für zwei Aufreger gesorgt: Das WDR-Wissensmagazin “Quarks” hat in einem zweifelhaften Parteien-Ranking die FDP zunächst als Top-Klimaretter eingestuft, dann aber mehr oder weniger willkürlich herabgestuft. In einem Nachrichtenbeitrag des MDR-“Sachsenspiegel” wurde das “Bild”-Logo von einem Mikrofon retuschiert. Holger Klein hat sich mit dem Medienkritiker Stefan Niggemeier über die beiden Vorgänge unterhalten, die wahrlich keine Glanzleistungen der öffentlich-rechtlichen Sender waren und sogar gefährliche Folgen haben könnten.

2. Noise, Folge 1: Bild im Bild – Wenn Boulevard Politik macht
(noise-podcast.podigee.io, Audio: 32:50 Minuten)
Von den Machern und Macherinnen der erfolgreichen Podcast-Produktion über Ken Jebsen (“Cui Bono – WTF happened to Ken Jebsen“) gibt es einen neuen Mehrteiler, von dem die erste Folge nun online ist: Bei “Noise” geht es im Wortsinn um Lärm. Um medialen Lärm, der oft aus Falschinformationen, Irreführungen, Desinformation und “Fake News” besteht. In der ersten Episode geht es um den schädlichen Einfluss der “Bild”-Medien auf die Gesellschaft. Als Experten kommen der ehemalige und der jetzige BILDblog-Leiter zu Wort.

3. Kunstfreiheit! Müssen wir die Kunst von den Kunstschaffenden trennen?
(zdf.de, Salwa Houmsi & Stefan Münker, Video: 37:32 Minuten)
Bei dem TV-Format “13 Fragen” wird eine Diskussion über ein strittiges Thema auf ein Spielfeld verlagert: Auf aufgemalten Feldern stehen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenüber, können sich aber während der Debatte noch stärker voneinander weg- oder aufeinander zu bewegen. In der aktuellen Folge geht es um die schwierige Frage, ob wir Kunst von Künstlerinnen und Künstlern, die sich etwas zu Schulden haben kommen lassen, unsere Aufmerksamkeit entziehen sollten, oder ob man Kunst und die Person dahinter trennen sollte.

Bildblog unterstuetzen

4. Made to Measure: Eine digitale Spurensuche
(ardmediathek.de, Moritz Riesewieck & Hans Block & Cosima Terrasse, Video: 44:18 Minuten)
Vorbemerkung: Der verlinkte Film enthält laut Warnhinweis “Szenen, die für Zuschauer:innen, die an Depressionen oder an einer Essstörung leiden sowie für Menschen in labilen Zuständen möglicherweise belastend sein können”.
Ist es möglich, alleine anhand der persönlichen Google-Daten einer Person ihre Doppelgängerin zu erschaffen? Ihre Persönlichkeit, Verhaltensmuster und verborgenen Wünsche zu rekonstruieren? Zusammen mit einem ehemaligen Youtube-Entwickler, einem Google-Marketer, einer Expertin für personalisierte Werbung sowie mehreren Datenschützerinnen und -schützern geht “Made to Measure” der Frage nach, welche Potenziale und Risiken in der algorithmischen Persönlichkeitsermittlung und Verhaltensvorhersage stecken.

5. Bilanz: Falsche Prophezeiungen zu Corona
(ardaudiothek.de, Tagesschau Faktenfinder, Michail Paweletz & Carla Reveland, Audio: 32:02 Minuten)
Im “Faktenfinder”-Podcast der “Tagesschau” geht es um die falschen Prophezeiungen aus dem Umfeld der Corona-Leugner, “Querdenker” und Verschwörungsideologen: Was davon ist nach anderthalb Jahren übrig geblieben? Wie konnte es passieren, dass sich Leute wie Attila Hildmann immer mehr radikalisierten? Unter anderem darüber sprechen Moderator Michail Paweletz, Faktenfinderin Carla Reveland und “Tagesspiegel”-Redakteur Sebastian Leber.

6. Warum Disney es keinem recht machen kann
(youtube.com, Philipp Walulis, Video: 12:19 Minuten)
Der Disney-Konzern will für familientaugliche und harmlose Unterhaltung stehen, in den alten Filmen stecken jedoch einige rassistische Karikaturen und überkommene Klischees. Der Konzern ist sich dessen auch bewusst und verspricht Aufklärung und Verbesserung. Das Walulis-Team hat sich angeschaut, was davon zu halten ist: “Wird Micky Maus jetzt zum Social Justice Warrior, oder ist das nur woke PR-Propaganda? Wir haben genauer hingesehen, warum der Wandel schleppend läuft.”

Wahl-O-Mat und Alternativen, Kein CDU-Takeover bei RTL, Laschet-TV

1. Wahl-O-Mat gestartet – die Alternativen sind längst online
(deutschlandfunk.de, Stefan Fries, Audio: 24:04 Minuten)
Die Bundeszentrale für politische Bildung hat den Wahl-O-Mat für die anstehende Bundestagswahl freigeschaltet. Das Tool ist über die vergangenen fast 20 Jahre immer wieder überarbeitet worden. In der neuen Ausgabe lassen sich Positionen und Gewichtungen anpassen. Doch mittlerweile gibt es mehr als ein Dutzend weitere Online-Wahlberater, darunter den Wahl-Kompass der Uni Münster, den Sozial-O-Mat der Diakonie und den Klima-Wahlcheck der Klima-Allianz Deutschland.

2. RTL sagt Übernahme von Instagram-Account durch CDU-Mitarbeiterinnen ab
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
“Was könnte es im Wahlkampf besseres geben für eine Partei als den Social-Media-Account einer Nachrichtensendung zu übernehmen? Dass diese Art von Werbeaktion schaden könnte, stellte RTL dann doch noch fest – und blies die Aktion ab.” Markus Reuter berichtet über eine Aktion, bei der CDU-Influencerinnen für einen Tag den Instagram-Account der Nachrichtensendung “RTL Aktuell” (450.000 Followerinnen und Follower) übernehmen sollten. Mittlerweile hat sich auch der Sender dazu geäußert: “Es gibt grundsätzlich keine Übernahme unserer journalistischen Kanäle! Hier ist schlicht und einfach ein Fehler im Social Team passiert.”

3. Kommentar: Laschets Dauer-Werbesendung im Amt
(wdr.de, Marc Steinhäuser)
Marc Steinhäuser wirft NRW-Ministerpräsident und Union-Kanzlerkandidat Armin Laschet in seinem Kommentar eine fragwürdige Pressearbeit vor: “Pressekonferenzen als Landesvater gibt er derzeit regelmäßig in Berlin. Der strauchelnde Kanzlerkandidat will seine Regierungserfolge groß rausbringen, und das soll jeder sehen. Minister loben den Ministerpräsidenten vor laufenden Kameras, Journalisten bekommen in Düsseldorf gedruckte Leistungsbilanzen der Regierung in die Hand. Dabei steht die Landtagswahl erst im kommenden Jahr an.”

Bildblog unterstuetzen

4. Desinformation: Was ist das, wer definiert das, ist das gefährlich?
(socialmediawatchblog.de, Simon Hurtz & Martin Fehrensen)
Das “Social Media Watchblog” befasst sich in der neuesten Ausgabe seines Briefings schwerpunktmäßig mit dem Themenkomplex Desinformation. Ausnahmsweise ist diese Ausgabe frei verfügbar. Weitere Themen sind: Social-Media-Nutzung bei Jugendlichen, TikToks Erfolg in der Schweiz und LinkedIns Entscheidung, die Stories-Funktion einzustellen.

5. Keine Sorge, Kameraden: Es sind nicht alle links!
(arminwolf.at)
In der österreichischen Tageszeitung “Die Presse” war in einem Gastkommentar von der angeblichen “Linkslastigkeit der österreichischen Journalisten” die Rede. Laut Andreas Kirschhofer-Bozenhardt gebe es “keinen Meinungspluralismus” und für “konservativ-liberale” Österreicher und deren politische Ansichten “keinen sicheren Hafen”. Der Journalist und Fernsehmoderator Armin Wolf schreibt in seiner Replik: “Ich bin in dieser heimischen Medienlandschaft nun schon 36 Jahre lang tätig, und ich frage mich ehrlich, wie weit rechts man politisch stehen muss, um die Kronenzeitung, oe24, heute, den Kurier, Die Presse, die NÖN, die OÖN, die SN, die Tiroler Tageszeitung, die Vorarlberger Nachrichten und die Kleine Zeitung für ‘links’ zu halten. Möglich ist es natürlich, vom südlichen Polarkreis aus gesehen liegen Südamerika, Afrika und Australien schließlich auch im Norden. Es sagt halt mehr über den Standort als über die Geografie.”

6. Tschüss Schreibblockade – Kreativitätstechniken gezielt anwenden
(fachjournalist.de, Florian Beißwanger)
Beim “Fachjournalist” stellt Florian Beißwanger Kreativtechniken vor, “mit denen Sie in den Schreibflow kommen und neuen kreativen Input generieren.” Der strukturierte Übersichtsartikel liefert wertvolle Anregungen für alle Schreibenden, und manch ein Tipp ist auch eine gute Schreibübung für Nicht-Blockierte.

Afghanistan ohne Journalistinnen, Ungeeignete Metapher, Globukalypse

1. Medienlandschaft ohne Journalistinnen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Laut Reporter ohne Grenzen entspricht die Behauptung der Taliban, die Pressefreiheit respektieren zu wollen und Journalistinnen weiterhin arbeiten zu lassen, nicht der Wahrheit: “In der Hauptstadt Kabul ist die Zahl der Frauen, die für die acht größten Medienunternehmen arbeiteten, von mehr als 500 auf unter 80 gesunken. Auch in den Provinzen Kabul, Herat und Balkh waren die meisten Journalistinnen gezwungen, ihre Arbeit einzustellen.”

2. Hört auf, Vergewaltigung als Metapher zu benutzen!
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Der Komiker Dieter Hallervorden, Mitglied im neuerungsfeindlichen “Verein Deutsche Sprache”, hat unlängst das Gendern als “Vergewaltigung der Sprache” bezeichnet. Ein Anlass für die “Spiegel”-Kolumnistin Margarete Stokowski, daran zu erinnern, wie ungeeignet und unpassend dieses Bild ist: “Wenn Vergewaltigung als Metapher verwendet wird, ist das Problem nicht nur, dass Vergewaltigung verharmlost wird: Es ist noch viel schlimmer. Denn es geht nicht nur darum, dass einer Sache Gewalt angetan wird, sondern darum, dass sie kaputt gemacht, entstellt und entwürdigt wird.”

3. Globukalypse in der Apotheken-Umschau: “Wissen, was wirkt”
(blog.gwup.net, Bernd Harder)
Vor acht Jahren hat die älteste und größte Skeptiker-Organisation im deutschsprachigen Raum, die GWUP, noch vor dem Gratisblatt “Apotheken-Umschau” als “Sprachrohr der Homöopathie” gewarnt. Nun herrscht bei den Skeptikern große Freude: Die “Apotheken-Umschau” (Auflage: etwa 8 Millionen Exemplare) habe die alternativmedizinischen Therapien auf den Prüfstand gestellt und lasse kritische Stimmen zu Wort kommen.

Bildblog unterstuetzen

4. “Das Spiel um Aufmerksamkeit”
(taz.de, Sabina Zollner)
Im Interview mit der “taz” erklärt der Medienwissenschaftler Simon Strick, was er unter “digitalem Faschismus” versteht und was ihn so gefährlich mache: “Rechtsextreme haben sich dem digitalen Zeitalter früh angepasst. Sie verstehen das Spiel um mediale Aufmerksamkeit und strategische Provokationen, die Klicks bringen und Debatten entstehen lassen. Sie sind Profiteure der derzeitigen Informationskrise oder waren sogar deren Architekten, wie etwa Andrew Breitbart.”

5. Spartensender im Aufwind: Rekorde für Sat.1 Gold & ZDFinfo
(dwdl.de, Alexander Krei)
Alexander Krei hat die Einschaltquoten der kleinen Sender ausgewertet. Sat.1 Gold habe mit einer Mischung aus Oldies und Crime im August einen Rekord-Marktanteil erzielt. Konkurrent RTLplus sei mit einer ähnlichen Ausrichtung sogar noch etwas stärker gewesen. Stärkster unter den kleinen Sendern war beim Gesamtpublikum aber auch im August wieder ZDFneo, das sich auf 2,9 Prozent Marktanteil steigerte.

6. Ruhe, bitte!
(deutschlandfunk.de, Marina Weisband, Audio: 3:53 Minuten)
“Wenn es nicht Afghanistan ist, sind es Wirbelstürme oder Fluten. Oder Kanzlerkandidaten. Irgendwas Schreckliches geht in der Welt immer vor und mit dem Smartphone ist es in unsere Hosentasche gezogen, in unsere Betten, auf unseren Weg zur Arbeit und in unsere Mittagspausen.” Marina Weisband plädiert in ihrer Deutschlandfunk-Kolumne für Qualität statt Quantität: “Vielleicht ist es besser, etwas Tageszeit in bewussten Konsum einiger weniger, guter Reportagen zu investieren. Und mehr Zeit für Natur, Familie und politische Arbeit zu haben.”

Baden-Württemberg führt nicht die “Steuer-Stasi” ein

Auf der “Bild”-Titelseite gibt es heute große “Stasi”-Aufregung:

Ausriss Bild-Titelseite - Bürger sollen Nachbarn denunzieren - Grünen-Minister führt Steuer-Stasi ein

Genauso auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Bürger sollen Nachbarn denunzieren - Grünen-Minister führt Steuer-Stasi ein

Im Artikel heißt es dazu:

Die Grünen in Baden-Württemberg haben offenbar keine hohe Meinung von ihren Steuerzahlern: Finanzminister Danyal Bayaz (37, Grüne) führt einen neuen Steuerpranger ein!

Über das “anonyme Hinweisgeberportal für Finanzämter” sollen Baden-Württemberger künftig Bekannte, Nachbarn, Kollegen etc. anschwärzen.

“Bürgerinnen und Bürger können damit sicher und anonym Verstöße gegen Straf- und Steuergesetze melden”, heißt es zur Begründung. Mit dem Portal, dem Ersten bundesweit, könne Steuerbetrug (z. B. Putzfrau, Handwerker schwarz beschäftigen) “künftig noch besser verfolgt werden”.

Das Sprachliche ist an diesem “Bild”-Beitrag vermutlich das kleinste Problem. Aber fangen wir dennoch mit der sprachlichen Ebene an, weil die Art und Weise, wie die “Bild”-Redaktion diese Geschichte erzählt, gut zeigt, welchen Spin sie ihr zu geben versucht.

Da ist zum Beispiel das Wort “Steuerpranger”, das schlicht falsch ist in diesem Zusammenhang. Ein Pranger dient laut Duden dem öffentlichen Verächtlichmachen. Das neue Onlineportal in Baden-Württemberg soll aber niemanden öffentlich als Steuersünder zur Schau stellen. Es geht um die nicht-öffentliche Übermittlung von Anzeigen an die Steuerverwaltung.

Und natürlich geht es den Grünen in Baden-Württemberg nicht um “ihre Steuerzahler”, von denen sie laut “Bild” “keine hohe Meinung” haben sollen, sondern gerade um die Nicht-Steuerzahler, von denen man aus guten Gründen keine hohe Meinung haben kann.

Außerdem ist es höchst tendenziös, dass “Bild” im gesamten Artikel lediglich zwei Beispiele einer möglichen Steuerhinterziehung nennt: “z. B. Putzfrau, Handwerker schwarz beschäftigen”. Natürlich ist die Meldung solcher Fälle über das neue Portal möglich (auch wenn fraglich sein dürfte, ob die Steuerfahndung bei derartigen Kleinigkeiten und entsprechenden Summen, um die es dabei geht, wirklich loslegt). Dass das neue Portal auch die Möglichkeit bietet, Steuerhinterziehung im größeren oder ganz großen Rahmen zu melden, bei denen der Allgemeinheit Millionen Euro flöten gehen, findet bei “Bild” keine Erwähnung.

In eine ähnliche Richtung geht die “Bild”-Aussage, dass Baden-Württemberger “künftig Bekannte, Nachbarn, Kollegen etc.” anschwärzen “sollen”. Dabei geht es vielmehr ums können. Es gibt keine Aufforderung des Ministeriums im Sinne von: “Bitte schwärzen Sie jetzt hier endlich ihre Bekannten, Nachbarn und Kollegen an!” Das Portal bietet eine weitere Möglichkeit, anonym eine Steuerhinterziehung zu melden, egal um wen es dabei geht.

Und damit sind wir bereits beim Inhaltlichen. Denn: Dass Bürgerinnen und Bürger anonym eine Steuerhinterziehung anzeigen können, ist mitnichten etwas Neues. Seit vielen Jahren geht das per Telefon, per Brief oder per E-Mail. Es ist rein technisch zwar richtig, wenn “Bild” mit Blick auf das Portal in Baden-Württemberg von “dem Ersten bundesweit” spricht. Wirklich neu ist daran aber nur, dass es nun diesen zusätzlichen Weg für eine Anzeige gibt, nicht die anonyme Anzeige an sich.

Dennoch hat es die “Bild”-Redaktion geschafft, empörte Politiker-Zitate einzusammeln:

Baden-Württemberg führt die Steuer-Stasi ein!

Politiker sind empört! FDP-Vize Wolfgang Kubicki (69) zu BILD: “Dieses Portal zeigt, was uns droht, wenn Grüne ihre moralischen Vorstellungen über Recht und Gesetz stellen und in staatliches Handeln gießen – und die CDU dem nichts entgegensetzt.”

Fraktionskollege Michael Theurer (54) spricht von “Blockwart-Mentalität”. Für Unions-Fraktionsvize Carsten Linnemann (44) säen die Grünen “noch mehr Misstrauen”.

Linnemann zu BILD: “Es wäre verheerend, wenn ein grüner Finanzminister so etwas bundesweit umsetzen würde.”

Das Echauffieren von Kubicki, Theurer und Linnemann ist bemerkenswert bigott. In Schleswig-Holstein, wo Wolfgang Kubicki seinen Wahlkreis hat, und wo Kubickis FDP mit in der Regierung sitzt, ist es ebenfalls möglich, Steuerhinterziehung anonym anzuzeigen:

Bei Verdacht einer Steuerhinterziehung kann jeder gegenüber der Steuerfahndung Anzeige erstatten. Auch anonyme Anzeigen sind möglich.

In Nordrhein-Westfalen, wo Carsten Linnemann seinen Wahlkreis hat, und wo Linnemanns CDU den Ministerpräsidenten stellt, ist es ebenfalls möglich, Steuerhinterziehung anonym anzuzeigen:

Geht das Finanzamt auch einer anonymen Anzeige nach?

Ja. Aber namentliche Anzeigen besitzen in der Regel größere Bedeutung, weil sie Rückfragen ermöglichen.

Und auch in Baden-Württemberg, wo Michael Theurer seinen Wahlkreis hat, und wo Theurers FDP viele Jahre Teil der Landesregierung war, gab es schon lange vor dem neuen Portal die Möglichkeit anonymer Anzeigen bei Steuerhinterziehung.

Auch in anderen Bundesländer ist das möglich, völlig unabhängig davon, ob dort nun Grüne in der Regierung sitzen oder nicht, zum Beispiel in Rheinland-Pfalz, in Bayern, in Niedersachsen, in Berlin. Der einzige Unterschied zwischen all diesen Bundesländern und Baden-Württemberg: In Baden-Württemberg gibt es jetzt eine weitere Möglichkeit der Anzeigenübermittlung.

Und damit eine nicht ganz unwesentliche Weiterentwicklung: Die Steuerfahnder können mit dem Hinweisgeber, trotz Anonymität, weiter in Kontakt bleiben und beispielsweise Nachfragen stellen, wenn dieser einverstanden ist. Das gibt Whistleblowern zusätzliche Möglichkeiten (David Böcking weist beim “Spiegel” völlig zu Recht darauf hin, dass Wolfgang Kubickis FDP sich in ihrem Wahlprogramm (PDF) ausdrücklich zum Schutz von Whistleblowern bekennt). Und erhöht die Chance auf eine erfolgreiche Ermittlung. Nicht ohne Grund schreibt etwa die Finanzverwaltung Schleswig-Holsteins: “Namentliche Anzeigen besitzen in der Regel aber höhere Erfolgsaussichten, weil sie Rückfragen ermöglichen.”

Zum Schluss noch einmal zurück zum Sprachlichen: Wenn die “Bild”-Redaktion aus all dem eine neue Stasi macht, und Politiker das willfährig weiterdrehen zu NS-Vergleichen (“Blockwart-Mentalität”), dann verharmlosen sie geschichtsvergessen die Situation in der DDR beziehungsweise im Nationalsozialismus.

Bildblog unterstuetzen

Zurückgelassen in Kabul, Kein Sack Reis, Deutscher Klimajournalismus

1. Zurückgelassen in Kabul
(reporter-ohne-grenzen.de)
Gestern hat die US-Armee ihre letzten Einsatzkräfte aus Afghanistan abgezogen. Nun wird die Bedrohungslage für Journalistinnen und Journalisten vor Ort immer größer, so Reporter ohne Grenzen. Die Organisation fordert die Bundesregierung auf, eine Grundsatzentscheidung für Visa für in Drittstaaten gestrandete, bedrohte Medienschaffende zu treffen, anstatt weiterhin nach Einzelfällen zu entscheiden.
Weiterer Lesehinweis: “Nach dem Abzug der letzten US-Soldaten mussten auch zahlreiche Journalistinnen und Journalisten in Afghanistan zurückbleiben. Er wisse von Fällen, die nun ‘von Haus zu Haus fliehen’, sagt der Journalist und Afghanistan-Kenner Marc Thörner im Deutschlandfunk. Diejenigen, die noch arbeiten, würden versuchen, “tastend weiterzumachen”.

2. “Es wird erst dann interessant, wenn man Widersprüche akzeptiert”
(journalist.de, Thilo Komma-Pöllath)
Die freie Journalistin und Umweltaktivistin Leonie Sontheimer und der journalistisch ausgebildete Sprecher des Lobbyverbands der deutschen Gaswirtschaft, Charlie Grüneberg, diskutieren über das Selbstverständnis im deutschen Klima­journalismus. In dem Interview steckt mehr drin als der Streit um Wahrheit und Deutungshoheit. Es liefert Stoff für eine gesellschaftliche Debatte, der man sich in den nächsten Jahren kaum entziehen können wird.

3. Kein Sack Reis in China umgefallen
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier schreibt in einer Glosse über ein merkwürdiges Genre im Politikjournalismus: Die Berichte darüber, “dass wichtige Parteimenschen exakt das sagen, was von ihnen in dieser Situation erwartet wird”.

Bildblog unterstuetzen

4. Wenn Influencerinnen Politik machen
(deutschlandfunk.de, Michael Meyer, Audio: 5:25 Minuten)
In Sachen Politik halten sich Influencerinnen und Influencer in Deutschland in der Regel eher zurück. Es gibt jedoch auch Instagram- und Youtube-Größen, die sich im weitesten Sinn politisch betätigen, darunter Louisa Dellert und Marvin Neumann. Der Politberater Martin Fuchs unterstreicht und relativiert den Einfluss dieser Personen: “Das heißt also, diese Multiplikator*innen sind schon nicht uninteressant für Parteien. Man muss aber das Big Picture sehen: Und da sind die jungen Wähler*innen eine vernachlässigbare kleine Gruppe, die nicht ganz entscheidend im Fokus der Parteien steht.”
Weiterer Lesehinweis: Ab heute gibt es beim Deutschlandfunk in einem Live-Blog Neues zur Bundestagswahl in leichter Sprache.

5. Der “80 Prozent-Corona-Tote”-Fake: Häussler distanziert sich von “falscher” Welt-Schlagzeile
(volksverpetzer.de, Thomas Laschyk)
Die “Welt” titelte online, dass 80 Prozent der Covid-Toten wohl nicht an Corona gestorben seien. Auf Anfrage distanzierte sich ihre Quelle von der Aussage: Diese Überschrift sei “in ihrer Allgemeinheit falsch und würde von uns niemals so vertreten werden.” Thomas Laschyk hat am Ende seiner Ausführungen einen Tipp für alle Experten und Expertinnen, die ähnliche Anfragen von der “Welt” bekommen: “Das sollte eine Lehre für alle Wissenschaftler:innen sein, sich nicht von der WELT für deren skrupellose Profitmache einspannen zu lassen, die gerade jetzt vor einem Delta-Winter mit weiterhin vielen Ungeimpften für viele ihrer neuen (und alten) Leser:innen tödlich enden kann.”

6. Ist das so okay für dich?
(taz.de, Emeli Glaser)
“In­ti­mi­täts­ko­or­di­na­to­r:in­nen sorgen dafür, dass der Dreh respektvoll und einvernehmlich verläuft, wenn sich Schau­spie­le­r:in­nen vor der Kamera körperlich nahekommen müssen. Denn bei schlechter Kommunikation oder unsensiblem Verhalten können Traumata entstehen. Und das passiert beim Dreh häufiger, als man vielleicht vermuten würde.” Emeli Glaser berichtet über einen Berufsstand, der sich mit dem wachsenden Bewusstsein für die Problematik auch in Deutschland allmählich etabliert.