Archiv für August, 2012

Kartell, Helena Fürst, Apple-Schraube

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ein Kartell nutzt seine Macht: Wie die Verlage für das Leistungsschutzrecht kämpfen”
(stefan-niggemeier.de)
Ein Rückblick auf die Berichterstattung von Presseverlagen über das von ihnen angestrebte Leistungsschutzrecht für Presseverleger.

2. “Fürst Class abwärts”
(fernsehkritik.tv, Video, 11 Minuten)
“Helena Fürst – Anwältin der Armen” taucht als “Beistand” von Menschen, die Probleme mit den Behörden haben, unangemeldet im Jobcenter auf: “Eine Anfrage bei Jobcenter und Krankenkassen, die in der Sendung zum Thema gemacht wurden, ergab zunächst einmal die Bestätigung, dass es nie eine vorherige Anfrage seitens RTL gab. Damit wird schon deutlich: Man will den friedlichen Dialog gar nicht. Um krawallige Fernsehbilder zu bekommen, setzt man auf die Konfrontation und dringt einfach mal unangemeldet ein.”

3. “How we screwed (almost) the whole Apple community”
(day4.se, Lukasz Lindell, englisch)
Aus dem Blog eines schwedischen Unternehmens, das Grafikanimationen und Videos produziert: “One afternoon we sketched out a screw in our 3D program, a very strange screw where the head was neither a star, tracks, pentalobe or whatever, but a unique form, also very impractical. We rendered the image, put it in an email, sent it to ourselves, took a picture of the screen with the mail and anonymously uploaded the image to the forum Reddit with the text ‘A friend took a photo a while ago at that fruit company, they are obviously even creating their own screws’. Then we waited …” Siehe dazu auch “Asymmetrische Apple-Schraube war ein Schwindel” (golem.de)

4. “Bild: Stimmungsmache gegen Ökostrom-Förderung”
(klima-luegendetektor.de)
Der Klima-Lügendetektor thematisiert ein “Bild”-Interview mit Günther Oettinger zum Thema Strompreise.

5. “Wutreden: Buschmanns Lärm um nichts”
(hogymag.wordpress.com, almasala)
Eine Analyse einiger Artikel von Rafael Buschmann auf “Spiegel Online” zur Fußball-Nationalmannschaft.

6. “Macht mehr Feuilleton!”
(timklimes.de)
Nicht das Feuilleton, sondern der Rest der Zeitung gehöre abgeschafft, findet Tim Klimes: “Solange Zeitungen mehrheitlich aus Nachrichten bestehen, wie sie es heute tun, braucht sie kein Mensch mehr. Ich glaube stattdessen, dass dem Zeitungsfeuilleton, wie wir es heute kennen, die Zukunft gehört. Und zwar nicht die Zukunft kultureller Berichterstattung, sondern die Zukunft des Zeitungsjournalismus.”

Das Ende der Welt, wie wir sie kennen

Falls Sie in den letzten Wochen zufällig mal kurz in der Nähe eines Frisiersalons, eines internetfähigen Elektronikgeräts oder eines Teenagers gestanden haben, wissen Sie es natürlich: Robert Pattinson und Kristen Stewart, das Traumpaar der “Twilight”-Saga, haben sich getrennt sollen sich getrennt haben (man weiß es nicht so genau, zumal die beiden offiziell nie zusammen waren).

Es gibt angenehmere Rahmenbedingungen, um einen neuen Film zu promoten, aber gestern ist Pattinson zum ersten Mal seitdem wieder im amerikanischen Fernsehen aufgetreten. In der “Daily Show” empfing ihn Moderator Jon Stewart (nicht verwandt oder verschwägert mit Kristen) mit einem Becher Eiscreme und wollte mit ihm “wie Mädchen” über die Geschichte plaudern. Beim Versuch, das Offensichtliche nicht zu thematisieren (oder eben doch), schwangen sich Stewart und Pattinson in immer neue Ironiesphären auf, bis nicht mehr ganz klar war, worum es eigentlich ging und was die beiden dazu zu sagen hatten.

Die Website des amerikanischen Klatschmagazins “People” versuchte sich dennoch an einer Exegese:

A tense-appearing Pattinson begged off any talk of his recent problems. “My biggest problem is that I don’t have a publicist,” he said. “I’m going to have to hire a publicist.”

But when Stewart noted that for young people going through a breakup sometimes feels like the end of the world, Pattinson answered, “It is.”

The audience then went “Awwwwwww.”

Stewart habe also gesagt, für junge Menschen fühle sich eine Trennung manchmal wie das Ende der Welt an, Pattinson habe dies bestätigt und das Publikum habe mitfühlende Laute geäußert.

Dann schauen wir uns diese herzzerreißende Szene (etwa ab 5:15 Minuten) doch mal an:

Stewart sagt:

Wenn man jung ist und sich trennt, ist es gewaltig und es fühlt sich an, als ob die Welt enden würde. Das ist das erste Mal, dass ich die Welt habe so reagieren sehen.

(Übersetzung von uns.)

Pattinson sagt: nichts.

Das Publikum lacht.

Hmmmm …

Wenn es eine zweite Fassung von Stewarts “end of the world”-Satz gegeben haben sollte, haben die TV-Zuschauer davon nichts mitbekommen.

Warum erzählen wir Ihnen das in einem Watchblog für deutsche Medien?

Weil deutsche Medien lieber aus amerikanischen Medien abschreiben, als sich den Ausschnitt der Sendung im Internet anzusehen.

Bunte.de schrieb also:

Er lud Pattinson ein, mit ihm einen Becher Eiscreme gegen seinen Liebeskummer zu löffeln. Dann wurde er ernster und sagt zu dem “Twilight”-Star: “Wenn du jung bist und dich trennst, fühlt sich das an, als sei es das Ende der Welt.” Pattinson sagte laut “People”-Magazin daraufhin nur leise: “So ist es.”

Der Satz war aber der einzige, mit dem er Einblick in seine verwundete Seele gab.

Frank Siering, der sonst unter anderem für die “Bravo” über die Entjungferung von Teenie-Stars spekuliert, berichtete aus Los Angeles für stern.de über die in New York City aufgezeichnete Sendung:

“Für viele junge Menschen, die eine Trennung durchleiden”, so der Talkshow-Gastgeber, “fühlt sich das oftmals so an wie das Ende der Welt”. Pattinson hörte ernsthaft zu und erwiderte kurz und knapp: “Ja, genauso ist es.” Ehrlich, auf den Punkt, ohne Zusatz.

Das Publikum seufzte auf und applaudierte dem partnerlosen Vampir euphorisch und mitfühlend zu. Der bedankte sich mit einem sanften Kopfnicken.

“Spiegel Online” vermeldete:

Stewart zeigte dann scheinbar Mitgefühl und bemerkte, wenn ihre Beziehung zerbreche, fühle es sich für junge Leute manchmal wie das Ende der Welt an. Pattinson antwortete: “Das IST es!”, und das Publikum regierte mit einem langgezogenen “Oooooh!”.

(Das wäre vielleicht ein geeigneter Zeitpunkt, noch mal kurz darüber nachzudenken, worum es hier eigentlich gerade geht. Gemacht? Gut. Weiter!)

Bei Bild.de war dann endgültig egal, wer was gesagt, nicht gesagt oder wie reagiert hatte:

Pattinson zappelte auf seinem Stuhl hin und her, seine Bewegungen wirkten fahrig. Fragen auf den Seitensprung wich er aus. “Ich bin fest entschlossen, nichts darüber zu sagen”, scherzte er auf die “Wie geht’s?”-Frage von Moderator Stewart, der ihn mit Eiscreme tröstete.

Irgendwann gab Pattinson zu, dass sich die Trennung wie das “Ende der Welt” anfühle.

… womit die Welt immerhin ein bisschen länger durchgehalten hätte, als der Journalismus.

Mit Dank an Thomas T., Johannes und Fabian P.

Nachtrag, 16. August: “Spiegel Online” hat den Artikel überarbeitet und mit folgender Anmerkung versehen:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels wurde ein Dialog zwischen Jon Stewart und Robert Pattinson in der “Daily Show” falsch wiedergegeben. Die Ausführungen beruhten auf der Darstellung der Online-Ausgabe des “People”-Magazins. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Die übrigen hier zitierten Medien bleiben bei ihrer Darstellung.

Lena — Liebe meines Lebens

Seit Lena Meyer-Landrut bei “Unser Star für Oslo” angetreten ist, interessieren sich die deutschen Boulevardmedien für das Privatleben der jungen Frau. Mit dem Gewinn der Castingshow und der (schließlich erfolgreichen) Teilnahme beim Eurovision Song Contest stieg das Interesse immer mehr: Reporter durchstreiften ihre Heimatstadt Hannover und fanden: nichts. RTL entdeckte im eigenen Archiv einen Ausschnitt der kurzlebigen Scripted-Reality-Soap “Helfen Sie mir”, in der Lena als Laiendarstellerin mitgespielt hatte. Private Fragen in Interviews und auf Pressekonferenzen wollte Frau Meyer-Landrut zunächst gar nicht beantworten.

Einen Grand-Prix-Sieg, eine weitere ESC-Teilnahme und zwei Alben später ist Lena Meyer-Landrut “wieder da” — als sei sie in den letzten zweieinhalb Jahren je wirklich weg gewesen. Am 12. Oktober erscheint ihr drittes Album “Stardust”, für das sie zur Zeit die Werbetrommel rührt.

Bei der Albumpräsentation in Berlin (ähnliche Veranstaltungen hatte es zuvor schon in Köln und Hamburg gegeben) erfuhr die “B.Z.” Erstaunliches:

Ihr Herz hat auch eine Heimat gefunden: “Ich habe mich in Köln verliebt”, so Lena zur B.Z. Nicht nur in die Stadt: “Weil da der Mensch ist, den ich liebe. Wo ich das Glück habe, dass ich ihn lieben darf.”

Da ist sie wieder, die einmalig Süße! Lena in love. Doch Details dazu kommen ihr nicht über die Schmoll-Lippen. Dafür findet sich auf Lenas linkem Oberarm eine Art Beziehungs-Botschaft. Neben der Ritterlilie prangt nun ein zweites Tattoo mit dem Schriftzug: “to love and to be loved” (lieben und geliebt werden). Ach wie schön, ein kleiner Satellit schwebt im siebten Himmel.

Fangen wir hinten an: Das Tattoo, das “nun” auf ihrem Oberarm prangt, war da schon vor acht Monaten, wie etwa Bild.de damals ganz aufgeregt notierte.

Und das mit der Liebe ist auch keine ganz so spektakuläre Neuerung, wie Boulevardjournalisten wüssten, wenn sie im vergangenen Oktober die ARD-Sendung “Inas Nacht” gesehen hätten, die im August 2011 aufgezeichnet worden war:

Ina Müller: Was magst Du denn generell an Männern? Hast Du ‘nen Typen Mann, wo Du sagst: “Oh, den find ich ganz toll”?
Lena Meyer-Landrut: Also, meinen Freund find ich ganz toll …
Müller: Du hast ‘nen Freund?!
Meyer-Landrut: Mmmm-hhhh.
Müller: Das find ich ja toll! Da hätte ich jetzt gar nicht gefragt, weil ich dachte, das würdest Du nie erzählen.
Meyer-Landrut: Tja …
Müller: Und mit dem bist Du schon lange zusammen …
Meyer-Landrut: Joa …

Dass Frau Meyer-Landrut einen Freund hat, war damals – neben den weit verbreiteten Informationen, dass sie ihr Klo selber putze und keinen Schnaps vertrage – sogar bei einschlägigen Medien wie bunte.de, “Bild” Hannover und stern.de nachzulesen gewesen. Aber man kann es natürlich noch mal aufschreiben und als “neue Liebe” verkaufen, wie es beispielsweise “Express”, “RP Online” und “Focus Online” getan haben.

Und damit kommen wir zu dapd, nach eigener Auswertung der Realität bekanntlich Deutschland fehlerfreiste Nachrichtenagentur. Die interpretierte das Geraune der “B.Z.” so:

Grand-Prix-Sternchen Lena Meyer-Landrut ist glücklich und verliebt. “Ich habe mich in Köln verliebt”, sagte die Sängerin der “BZ am Sonntag”. Aber nicht nur die Rheinmetropole habe das Herz der 21-Jährigen erobert, sondern auch ein Mann. “Weil da ein Mensch ist, den ich liebe. Wo ich das Glück habe, dass ich ihn lieben darf”, sagte die Sängerin.

Wer der neue Mann in ihrem Leben ist, bleibt allerdings ihr Geheimnis. Erst vor wenigen Wochen war Lena von ihrer Heimatstadt Hannover nach Köln gezogen, wo sie nun mit ihrem Freund lebt.

(Nachzulesen etwa im “Westen”.)

Dass Frau Meyer-Landrut “erst vor wenigen Wochen” nach Köln gezogen sein soll, kommt etwa für die Menschen überraschend, die im August 2010 diese Meldung gelesen haben:

Lena Meyer-Landrut, Gewinnerin des Eurovision Song-Contest 2010 in Oslo, hat jetzt ein Appartement in Köln, damit sie nicht immer von ihrer Heimatstadt Hannover aus pendeln muss. Das sagte sie der Online-Ausgabe der “Frankfurter Neuen Presse”. In Köln ist Stefan Raabs Produktionsfirma Brainpool, die Lena managt.

Wobei diese Nachricht auch mit Vorsicht zu genießen ist. Der Urheber damals nämlich: dapd.

Spätestens vor einem Jahr war Lena dann aber doch in Köln angekommen, weil sie sich für ein Studium (“‘Sprachen und Kulturen Afrikas’ und Philosophie”) an der dortigen Universität eingeschrieben hatte, was damals ebenso medial ventiliert wurde wie vor einem Monat der Umstand, dass sie besagtes Studium wieder geschmissen hatte. Aber natürlich konnte sie auch im Juni 2012 noch mal nach Köln ziehen (“zu ihrem Freund”!), wenn man es denn noch mal aufschreiben konnte.

Jedenfalls hat dapd aus den Nicht-Neuigkeiten “neue Liebe, neues Tattoo” auch noch ein Video gebaut, das irgendwelche armen Cutter aus Archivmaterial zusammenschnibbeln mussten. Mit dabei ist ein Foto mit Tattoo beim Deutschen Filmpreis (April 2012, “neues Tattoo”) und diese Aussage:

Im Oktober soll Lenas drittes Album erscheinen und eine große Tournee ist auch geplant. Der Kartenverkauf läuft Medienberichten zufolge aber eher schleppend an.

Dass sich die Karten für Lenas Tournee so schlecht verkaufen, dürfte allerdings auch daran liegen, dass man sie noch gar nicht kaufen kann: Die Tourdaten sind noch nicht bekannt gegeben, der Vorverkauf noch nicht mal angelaufen.

Insofern ist der nachfolgende Satz noch dümmer, als er es sowieso schon wäre:

Ob die Nachricht von einer neuen Liebe also nur eine PR-Masche ist, bleibt offen.

Ja, die “neue Liebe” ist eine Masche. Aber eine von desinteressierten Möchtegernjournalisten, die versuchen, sich aus bereits wieder vergessenen und deshalb für neu gehaltenen alten Tatsachen und falschen Annahmen eine Geschichte zusammenbasteln.

Bei stern.de ist das dapd-Video inzwischen wieder weg, bei “Welt Online” aber zum Beispiel noch verfügbar — und das, obwohl es seit heute Mittag sogar eine korrigierte Fassung gibt, aus der der “schleppende” Vorverkauf verschwunden ist.

Mit Dank auch an Lars, Peter G. und Andreas K.

Nachtrag, 16. August: sueddeutsche.de hat die zweite Fassung des dapd-Videos aus dem Netz genommen, bei “Welt Online” läuft immer noch die erste.

Golf Time, Frauentausch, Trödel-King

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Olympia bei ARD und ZDF: Mary Poppins schafft das Fernsehen ab”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Ein Blick zurück auf die Olympia-Berichterstattung von ARD und ZDF mit Vergleichen zur BBC.

2. “David fragt, McAllister antwortet – DJV übt scharfe Kritik”
(abendblatt.de, Ludger Fertmann)
Die CDU Niedersachsen bietet “allen Anzeigenblättern im Land ein fertiges Wortlaut-Interview kostenlos zur Verfügung” – inklusive Bildern.

3. “Gewinne, Gewinne, Gewinne: Zufalls-Sieger bei der Golf Time”
(der-linksgolfer.de)
Der Linksgolfer befasst sich mit den Teilnehmern einer von “Golf Time” ausgerichteten Reise: “Rechtlich gesehen befindet sich die Golf Time auf sicherem Territorium. Denn auch wenn sie in ihrem Artikel alles tut um es zwischen den Zeilen wirken zu lassen als hätten sie vier Reisen verlost, sprach die Gewinnspielausschreibung nur von einem zu verlosenden Platz – ein wichtiges Detail, das man in der Nachberichterstattung geschickt unter den Tisch fallen ließ um dem Leser zu suggerieren wie sehr sich die Zeitschrift doch um ihr Publikum kümmert.”

4. “Schlag gegen die ‘mediale Hinrichtung'”
(sueddeutsche.de, Anna Bok)
Wie stark darf aufgenommenes Material in Doku-Soaps wie “Frauentausch” bearbeitet werden? Das Landgericht Berlin stellt dazu fest: “Wer in die Anfertigung von Filmaufnahmen für ein Fernsehformat mit Dokumentationscharakter einwilligt, muss mit derartigen nachträglich erfolgenden Bearbeitungen, die nur das Ziel der Verspottung haben, nicht rechnen.”

5. “Anmerkungen zur Diskussion um den ‘Sachsen-Trojaner'”
(flurfunk-dresden.de, owy)
Die Berichterstattung zu den Plänen der Regierung in Sachsen, “Software zur Beobachtung (Monitoring) der Kommunikation in sozialen Netzwerken und der Blogosphäre” bereitzustellen.

6. “WDR-‘Trödelking’ Roland Beuge packt aus – Fake beim Dreh”
(derwesten.de, David Schraven)
David Schraven spricht mit Roland Beuge über die WDR-Doku-Soap “Der Trödel-King”.

Olympia, Supertalent, Galileo

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Patriotisch auf Gefühligkeit fixiert”
(zeit.de, René Martens)
Die auf deutsche Medaillen zentrierte Olympia-Berichterstattung von ARD und ZDF: “Die Livestreams im Netz können sehr erholsam sein – vor allem, wenn sie nicht kommentiert werden. Da kann man all die nationalistische Fixiertheit vergessen – und eine gewisse meditative Qualität genießen.”

2. “Ganz unten: Zu Besuch bei der RTL-Erfolgsshow ‘Das Supertalent'”
(stefan-niggemeier.de)
Keine Monitore, wenig Wasser, kaum Unterhaltung: Stefan Niggemeier langweilt sich an einer Aufzeichnung der RTL-Sendung “Das Supertalent”.

3. “Zu viele Patzer bei ‘Galileo'”
(sueddeutsche.de, Katharina Mittelstaedt)
“Falsche Tatsachenbehauptungen” in der ProSieben-Infotainmentsendung “Galileo”: “Im Jahr 2010 wurde im Zuge des ‘Grundschulwissenstest’ beispielsweise erklärt, dass die Nadel eines Kompasses auf die ‘riesigen Eisenvorkommen’ am Nordpol reagieren werde, ‘sofern sie magnetisch ist’. Es wurde auch schon behauptet, dass der Mond ein Planet sei, man CDs nur von innen nach außen säubern dürfte, um eine Verschiebung der Daten zu vermeiden und dass die Farbe des Hühnereis auf das Gefieder des brütenden Huhns zurückzuführen sei.”

4. “Weshalb ich das Degen-Bargespräch trotzdem publiziert habe”
(bar-storys.ch, Christian Nill)
Wie die Fußballprofis David Degen und Philipp Degen sowie der FC Basel auf ein veröffentlichtes Interview reagieren: “Ich habe mich schliesslich dennoch entschieden, das Gespräch von unserer Plattform Bar-Storys.ch zurückzuziehen und habe unsere Content-Partner entsprechend angewiesen, es mir gleich zu tun. Ich bedauere dies sehr, denn auf diese Weise laufen wir Journalisten Gefahr, zu Marionetten von wie auch immer gelagerten prominenten Befindlichkeiten zu werden.”

5. “Warum noch Feuilleton?”
(kopfzeiler.org, Johannes Kuhn)
Bei Funktionären der Universitätslehre und des Kulturbetriebs werde das Feuilleton noch am stärksten wahrgenommen und bestimme dort wirklich Diskurse, schreibt Johannes Kuhn. “Einzig: Die Aufgabe des Feuilletons der Gegenwart kann es nicht sein, Funktionäre zu bedienen.”

6. “Peter Studer: ‘Dieses Inserat ist skandalös'”
(infosperber.ch, Kurt Marti)
Die Mitarbeiter der Tageszeitung “Walliser Bote” werden in einem Inserat des Verlags als PR-Dienstleister angeboten.

Der BKA-Nazi-Lösch-Skandal, der keiner war

Es sei ein “beispielloser Vorgang”, da war sich die “Bild am Sonntag” sicher: Ein Beamter der Bundespolizei, der bei den Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU für das BKA Handydaten ausgelesen hatte, soll diese “am 8. Dezember vergangenen Jahres nach Dienstschluss” “heimlich” und “systematisch” vernichtet haben.

So stand es am 12. Februar in der Zeitung:

Bundespolizist Jens B. sollte nach der Auswertung der Handys die Daten ans BKA übergeben und dann auf seinem Computer umgehend löschen. “Bitte löschen, wenn ich dir zurück melde, dass ich die DVD lesen kann”, schrieb BKA-Mitarbeiterin Alexandra-Maria F. am 7. Dezember an Jens B.

Was auf den ersten Blick wie Routine wirkt, ist in Wahrheit ein beispielloser Vorgang: Die BKA-Ermittlerin F. forderte den Polizeibeamten Jens B. zu Vernichtung von Beweismitteln und damit zu einem schwerwiegenden Verstoß gegen die Dienstpflicht auf. Denn die Bundespolizei muss sämtliche Ermittlungsergebnisse mindestens bis zum Abschluss des jeweiligen Gerichtsverfahrens aufbewahren, weil die Beamten wichtige Zeugen werden könnten. Dann müssen sie genau belegen, woher die von ihnen beschafften Daten stammen.

“Bild am Sonntag” war so besorgt über den Vorgang, dass sie sogar einen echten Sicherheitsexperten zu dem Thema befragt haben:

“Für die zielgerichtete Vernichtung von Beweismitteln durch eine Polizeibehörde in einem laufenden Ermittlungsverfahren, noch dazu auf Wunsch des BKA, kann es keine harmlose Erklärung geben”, betont ein Sicherheitsexperte gegenüber BILD am SONNTAG. Der dubiose Vorgang “riecht nach Beweisunterdrückung durch das BKA”.

Derlei “Experten” waren es dann auch, die “Bild am Sonntag” dazu bewogen, das ganz große Fass der Verschwörungstheorie aufzumachen:

Doch welches Geheimnis bergen die Handydaten? Polizeiexperten halten eine mögliche Erklärung, dass das BKA Informanten im Umfeld der Neonazi-Bande schützen will. Führen die Spuren der auf den Handys gespeicherten Telefonnummern, Text- und Bildnachrichten direkt ins BKA?

Immerhin: Auch beim BKA hatte “Bild am Sonntag” nachgefragt — und dann doch eine eher harmlose Erklärung erhalten:

Und was sagt das BKA zur Datenlöschung? Dazu erklärt ein BKA-Sprecher etwas umständlich: “Um in diesem sensiblen Verfahren eine Dislozierung der vorhandenen Asservate in verschiedenen Behörden zu vermeiden, wurde seitens BKA die Bundespolizei gebeten, als Kopie vorhandene Handydaten zu vernichten.” Unter Dislozierung versteht man eine Verteilung an unterschiedlichen Orten.

“Bild am Sonntag” hielt die Erklärung offenbar für wenig plausibel.

In seinem Kommentar ging Michael Backhaus, stellvertretender Chefredakteur der “Bild am Sonntag” dann auch vom Schlimmsten aus:

Der Bundespolizeibeamte B. mag gedacht haben, er tue den Kollegen vom BKA nur einen kleinen Gefallen, als er die Daten aus dem Handy eines mutmaßlichen Helfers der Zwickauer Terroristen in einer Datenbank löschte.

In Wahrheit war das möglicherweise ein Schlag gegen Prinzipien unserer Verfassung. Als Lehre aus der Nazizeit wurde in der Bundesrepublik ein Rechtsstaat etabliert wie nur in wenigen Staaten weltweit. Rechtsstaatlichkeit ist so etwas wie die Staatsräson der Bundesrepublik Deutschland.

Mit den Prinzipien des Rechtsstaats aber ist es in keiner Weise zu vereinbaren, dass Polizisten Beweismittel manipulieren oder gar zerstören, wie hier offenkundig geschehen. Denn solche Daten erhalten möglicherweise Hinweise auf oder Beweise für bislang nicht aufgeklärte Verbrechen.

Zweifel an der Version seiner Zeitung äußerte er eher pro forma:

Sollte das BKA tatsächlich in manipulativer Absicht die Löschung der Daten bei der Bundespolizei veranlasst haben, dann haben wir es mit einem neuen Skandal in den mit Pannen und Fehlern reich gesegneten Ermittlungen gegen die Zwickauer Terrorzelle zu tun.

Andere Medien berichteten noch am gleichen Tag darüber, dass das BKA “offenbar” Ermittlungsdaten habe löschen lassen.

Am darauffolgenden Tag war die Geschichte in “Bild” schon deutlich kleiner. Die Überschrift lautete auch nicht mehr “Warum ließ das BKA wichtige Nazi-Ermittlungsdaten heimlich löschen?” sondern “Löschte BKA Ermittlungsdaten?”:

Berlin -Das BKA hat im Fall des Zwickauer Neonazi-Trios bei der Bundespolizei Ermittlungsdaten, u. a. Handydaten des mutmaßlichen Terror-Unterstützers Andre E., löschen lassen, berichtet die BILD am SONNTAG. Das BKA hat den Bericht bereits zurückgewiesen.

Die “taz” schrieb dazu einen Tag nach der “BamS”:

Das BKA hat ungewöhnlich heftig auf den Bericht reagiert. Der Vorwurf, man habe Beweismittel vernichtet und unterdrückt sei “absurd”, teilte die Behörde mit. “Alle in der Berichterstattung der Bild am Sonntag vorgenommenen Mutmaßungen und getroffenen Schlussfolgerungen sind unzutreffend.”

Die Version des Bundeskriminalamts geht so: Die Bundespolizei habe im Rahmen einer Amtshilfe die Daten auf dem Handy des mutmaßlichen Terrorunterstützers André E. ausgelesen. Eine anwesende BKA-Mitarbeiterin habe diese anschließend samt Telefon mitgenommen. Schließlich sei die Bundespolizei dann gebeten worden, ihre Kopie der Daten zu löschen: um die Daten “an einer Stelle zu konzentrieren”.

Die Daten seien auch nach wie vor “vollständig und unverändert” vorhanden und stünden der Bundesanwaltschaft für die Ermittlungen zur Verfügung. “Das BKA schützt weder Neonazis noch Informanten aus der rechten Szene”, teilte BKA-Chef Jörg Ziercke mit.

Immerhin soll aber das Bundesinnenministerium eine umfassende Erklärung von der BKA-Amtsleitung zu dem Vorgang angefordert haben.

Es wäre allerdings auch nicht das erste Mal, dass die Springer-Presse im Zusammenhang mit der rechtsextremen Terrorzelle “Nationalsozialistischer Untergrund” etwas hochzieht, das sich beim Genaueren hinschauen als halbwahr oder ganz falsch herausstellte.

Und so war es dann wohl auch diesmal wieder: Der beschuldigte Bundespolizeibeamte ging gegen die Berichterstattung vor und erwirkte eine Einstweilige Verfügung gegen die Axel Springer AG. Im April veröffentlichte “Bild am Sonntag” zwei Gegendarstellungen des Mannes.

Am 7. August entschied dann das Landgericht Berlin, dass “Bild am Sonntag” und Bild.de nicht weiter behaupten dürfen:

  • dass die BKA-Beamtin den Bundespolizisten zur Vernichtung von Beweismitteln und damit zu einem schwerwiegenden Verstoß gegen die Dienstpflicht aufgefordert habe,
  • dass der Bundespolizist Handydaten gelöscht habe (ohne gleichzeitig darauf hinzuweisen, dass diese Daten auch nach der Löschung noch bei der Bundespolizei vorhanden waren),
  • dass der Bundespolizist nach Dienstschluss heimlich Handydaten gelöscht habe,
  • dass der Bundespolizist Beweismittel manipuliert oder gar zerstört habe.

Die beanstandeten Artikel sind bei Bild.de und aus dem Zeitungsarchiv verschwunden.

Die Geschichte dieses “beispiellosen Vorgangs” taucht diese Woche als Randepisode in einem “Focus”-Artikel über die Zustände bei der Bundespolizei auf und geht dort so:

Wie zerrüttet das Verhältnis zwischen Innenministerium und Bundespolizei ist, wurde Anfang 2012 deutlich, im Zusammenhang mit den Ermittlungen zur Terrorzelle NSU: Heinz-Dieter M., Abteilungsleiter im Potsdamer Präsidium, hatte gegenüber einem ranghohen Beamten des Ministeriums offiziell den Verdacht geäußert, das Bundeskriminalamt (BKA) könne einen Informanten “im Umfeld des Trios” geführt haben – ein schwerer Vorwurf.

Hintergrund der wüsten Spekulation, die später auch in der Öffentlichkeit kursierte: Jens B. von der Bundespolizei hatte auf Bitten des BKA Handy-Daten eines NSU-Verdächtigen gelöscht. Weil M. in die Aktion nicht eingebunden war, witterte er eine Verschwörung. Die Bundesanwaltschaft vernahm ihn als Zeugen.

Am Ende stellte sich heraus, dass die Bundespolizei lediglich eine Kopie der sensiblen Daten gelöscht hatte, das Original lag beim BKA. So war es nur den wilden Fantasien eines hohen Polizisten zu verdanken, dass das BKA zu Unrecht in den Verdacht geriet, Neonazis zu schützen.

“Wilde Fantasien” — genau das richtige für “Bild am Sonntag”.

Mit Dank an Frank und Martin.

Prinz Harry, Silbermedaillen, LOL

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “The ‘date’ that wasn’t”
(tabloid-watch.blogspot.de, englisch)
Wie britische Medien ein “Date” zwischen Laura Trott und Prinz Harry von Wales konstruieren.

2. “‘Silber ist das neue Gold'”
(sueddeutsche.de, Verena Wolff)
Silbermedaillen können einige deutsche Fernsehkommentatoren nicht zufriedenstellen – sie erwarten Gold.

3. “Forscher: ‘Es gibt keine schwulen Tiere'”
(science.orf.at, Mark Hammer)
Zwei Biologen sehen ein Problem, wenn Medien bei naturwissenschaftlichen Studien zu sexuellem Verhalten bei Tieren die Begriffe “schwul” und “lesbisch” verwenden: “Diese Begriffe beziehen sich auf menschliches Verhalten. Und zu diesem gehören neben dem genetisch und hormonell gesteuerten Sexualverhalten auch Lebensstil, Partnerpräferenzen und Kultur.”

4. “‘kicker’ & Co.: Wer gibt den Fans den größten Kick?”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Vier Sonderhefte zur neuen Fußball-Bundesligasaison im Test: “Kicker”, “SportBild”, “Sport1”, “11 Freunde”.

5. “Newspaper apologizes for adding LOL to dead man’s photo caption”
(poynter.org, Craig Silverman, englisch)

6. “Leute, die mich kritisieren”
(graphitti-blog.de, katja)

Schön blöd

Rund 4.600 Frauen nehmen an den Olympischen Sommerspielen in London teil. Für viele von ihnen gilt wohl das Olympische Motto “Dabeisein ist alles”, einige werden mit Medaillen behängt nach hause fahren und an ein paar wird man sich vielleicht auch noch in einigen Jahrzehnten erinnern.

Und einige von ihnen fallen nicht (nur) durch beeindruckende sportliche Leistungen auf oder durch enttäuschende Missgeschicke, sondern …

Nun ja:

Laufsteg London – in fast allen Disziplinen verzaubern uns Schönheiten aus allen Kontinenten. Sie legen es offenbar drauf an, uns die Köpfe zu verdrehen: Viele Athletinnen “brezeln” sich für die Wettkämpfe richtig auf, fast so, als stände eine Miss-Wahl an.

Noch nie sind bei Olympischen Spielen so viele Schönheiten aufgefallen, ob beim Tennis, Turnen, Hürdenlauf oder sogar beim Hammerwerfen.

Mit anderen Worten: Bei Bild.de sind die kalten Duschen ausgefallen, die Latten sind knapp unter Hüfthöhe aufgelegt und für geübte Sportler aus dem Stand zu überspringen.

In 27 Bildern werden 23 Sportlerinnen vorgestellt, die wahlweise “toll geschminkt”, “einfach nur bezaubernd”, “hübsch”, “goldig”, “süß”, “atemberaubend schön”, “sympathisch und schön”, “schnell und schön”, “strahlend schön”, “genau gleich schön” oder “schön anzuschauen” sind.

Auch vor angestaubten Chauvinisten-Phrasen schrecken die Autoren bei Bild.de nicht zurück: So ist die schwarze Turnerin Gabrielle Douglas eine “exotische Schönheit”, die Schweizer Turnerin Giulia Steingruber eine “absolute Naturschönheit”.

Dabei ist es offenbar gar nicht so wichtig, wer jetzt eigentlich wirklich auf diesen ganzen Bildern zu sehen ist:

Chai von der Laage beim Hürdenlauf

Die abgebildete Frau heißt – man kann es ein bisschen am Namensschild erahnen – nicht Chai von der Laage, sondern Carolin Nytra. “Chai von der Laage” ist der Nachname der Fotografin, die dieses Bild gemacht hat.

Mit Dank an Armin J.

Nachtrag, 10. August: Bild.de hat einige Bilder aus der Galerie entfernt und ein paar neue hinzugefügt. Das Foto von Carolin Nytra ist dabei sicherheitshalber rausgeflogen.

Dressurreiten, Feuilleton, Idil Baydar

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ausbeutungsmaschine Journalismus”
(marue23.tumblr.com)
Eine 22-Jährige bewirbt sich für ein journalistisches Volontariat und ärgert sich bei den Bewerbungsgesprächen.

2. “‘Das Medium verliert an Profil'”
(vocer.org, Ulrike Langer)
Thierry Chervel, Geschäftsführer des Perlentaucher, fragt sich, warum die Online-Leute nicht in die Print-Redaktion hereingeholt werden: “Mit den Online-Redaktionen als Parallelwelten hat man etwas erzeugt, was schizophren ist: Man hat unter derselben Marke Produkte völlig unterschiedlichen Charakters geschaffen. Die ‘SZ’ gilt als eine seriöse Zeitung, online war das lange Zeit mehr oder weniger, wie soll man sagen, ein ziemlich rudimentäres Schaufenster mit recht boulevardesken Elementen.”

3. “Neigh, that’s not the British Olympians”
(guardian.co.uk, Roy Greenslade, englisch)
Statt den britischen Goldmedaillengewinnern im Dressurreiten zeigen zwei britische Zeitungen das Bronze gewinnende niederländische Team: “Apparently, Getty Images sent out a wrongly tagged picture, which was featured on the front page of the Daily Express and got a big show in the Daily Mirror.”

4. “Solche Beiträge sind der Grund, warum ich jedes Mal über den Titel ‘Nachdenkseiten’ lachen muss”
(plus.google.com, Torsten Kleinz)
Torsten Kleinz analysiert diesen gestern bei “6 vor 9” verlinkten Beitrag der “Nachdenkseiten”: “Muss man auf Verzerrungen der Wahrheit mit anderen Verzerrungen begegnen?”

5. “Schafft das Feuilleton ab!”
(taz.de, Georg Seeßlen)
“In Westdeutschland aber wurde das Feuilleton zum ausführenden Organ eines Oberlehrer- und Kulturbeamtenjargons. Es wurde zur Fortsetzung des Gymnasialunterrichts mit anderen Mitteln, und die Kritik arbeitete und arbeitet am liebsten mit den Mitteln von Korrektur und Zensurenverteilen. Aus einem Projekt zur Öffnung und Erweiterung der Diskurse wurde das Instrument zum Inkludieren und Exkludieren.”

6. “‘Ich bin voooll sauer!'”
(dradio.de, Johannes Nichelmann)
Der Deutschlandfunk stellt die Figuren Gerda Grischke und Jilet Ayse der Berlinerin Idil Baydar vor. Videos auf youtube.com/user/IdilBaydar.

General Knowledge

Als Medium hat man zwei Möglichkeiten, was man mit Agenturmeldungen macht: Entweder unverändert veröffentlichen (gerne gemacht bei “bunten Meldungen” in Tageszeitungen und bei Onlinemedien) oder selber noch dran rum arbeiten.

Die Meldung, dass der Bundeswehr-Oberst Georg Klein (“bekannt geworden durch die Kundus-Affäre”) zum General befördert werden soll, endete bei der Deutschen Presseagentur so:

Auf dem neuen Posten, den er vermutlich im Frühjahr 2013 übernimmt, wird Klein wie ein Brigadegeneral bezahlt. Die Ernennung zum General wird vermutlich gegen Ende nächsten Jahres erfolgen. Die Bundeswehr hat derzeit etwa 200 Generäle.

Offenbar zu unkonkret für “Focus Online”, wo sie den Schluss deshalb mit eigenen Recherchen anreichern wollten:

Auf dem neuen Posten, den er vermutlich im Frühjahr 2013 übernimmt, wird Klein wie ein Brigadegeneral bezahlt. Laut Besoldungsliste der Bundeswehr wären dies ohne Zuschläge etwa 11 000 Euro (B10). Die Ernennung zum General wird vermutlich gegen Ende nächsten Jahres erfolgen. Die Bundeswehr hat derzeit etwa 200 Generäle.

Nun ist es allerdings so, dass ein Brigadegeneral laut Bundesbesoldungsordnung (und sogar laut Wikipedia) in die Besoldungsgruppe B6 fällt und Klein damit laut Besoldungsliste der Bundeswehr ohne Zuschläge “nur” 8248,04 Euro bekäme.

Dann doch lieber eine unkonkrete Agenturmeldung als ein selbst gemachter Fehler.

Mit Dank an Stephan K.

Nachtrag, 16.55 Uhr: Nachdem “Focus Online” einen Leserkommentar mit Verweis auf die korrekte Besoldungskategorie nicht veröffentlichen wollte, wurde dort immerhin der fehlerhafte Satz entfernt — und sicherheitshalber der direkt davor stehende dpa-Satz gleich mit.

Blättern:  1 ... 2 3 4 5 6