Archiv fü 2012

Planlos durchs Weltall

Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2012. Dies sind die Abenteuer der Internationalen Raumstation ISS, die mit ihrer 30 Mann starken Besatzung unterwegs ist, um neue Welten zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Drei Autostunden von der Erde entfernt kreist die ISS in Umlaufbahnen, auf denen die meisten Menschen noch nie waren.

Bitte, was? Wir sind bekloppt? Da passen überhaupt keine 30 Leute auf die ISS?

Na, sagen Sie das mal den Leuten von Bild.de:

Moment, man kann’s nicht so gut lesen:

Europa aus dem Weltall. Diese atemberaubende Aufnahme machte ein 30-köpfiges internationales Team 240 Kilometer über der Erde. Ein Großteil des Fotos zeigt Italien

Das “30-köpfige internationale Team” ist nicht das einzig rätselhafte daran: Das Foto ist auch schon ein halbes Jahr alt und taugt deshalb irgendwie nicht so richtig in die Kategorie “Der Tag bei BILD.de” von gestern.

Andererseits liefert die Original-Bildunterschrift bei der US-Weltraumbehörde NASA schon mal eine Antwort auf die Frage, warum bei Bild.de 30 Menschen (statt sechs) an Bord der ISS sind:

This nighttime panorama of much of Europe was photographed by one of the Expedition 30 crew members aboard the International Space Station flying approximately 240 miles above the Tyrrhenian Sea on Jan. 25, 2012. Most of the country of Italy is visible running horizontally across the center of the frame, with the night lights of Rome and Naples being visible to the left and right of center, respectively. Sardinia, and Corsica are in the lower left quadrant of the photo. The Adriatic Sea is on the other side of Italy, and beyond it to the east and north can be seen parts of several other European nations.

Es geht also nicht um “30 crew members” (30 Crew-Mitglieder), sondern “one of the Expedition 30 crew members”, eines der Mitglieder der Crew von Expedition 30.

Aber warum war das Foto gestern bei den Bildern des Tages dabei?

Die Deutsche Presseagentur (dpa), die Bild.de als Quelle angibt, hat eine vielleicht etwas merkwürdige, aber durchaus plausible Erklärung dafür:

Wir haben das bereits ältere Foto am vergangenen Dienstag (31. Juli) neu als Illustration zum Thema “Euro-Schutzschirm ohne Limit im Gespräch” gesendet. Dabei haben wir den Original-Nasa-Text verwendet (“ILLUSTRATION – HANDOUT – This nighttime panorama of much of Europe was photographed by one of the Expedition 30 crew members …”). Wir haben auch nochmals auf das Datum der Aufnahme verwiesen (25. Januar 2012).

Ein Symbolfoto zum Euro-Schutzschirm sorgt für eine Überfüllung der ISS — und das rückwirkend um ein halbes Jahr. Was klingt wie ein Fehler im Raum-Zeit-Kontinuum, ist einfach nur die Fotoredaktion von Bild.de.

Mit Dank an Lorenz G.

Nachtrag, 15.46 Uhr: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass Bild.de sich auch bei der Umlaufbahn der ISS vertan hat: In der Bildbeschreibung von NASA und dpa ist von “240 miles” die Rede (rund 386 Kilometer), bei Bild.de von “240 Kilometern”.

Umfragen, Kommentare, Pferde

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Eine Umfrage – und was daraus wird…”
(blog.tagesschau.de, Jörg Schönenborn)
Wie man mit Umfragen zum Euro “fast jedes Ergebnis behaupten und jede Schlagzeile gestalten kann”.

2. “Man muss Heribert Prantl verteidigen”
(freitag.de, Michael Angele)
Michael Angele weist auf Heribert Prantls “man” hin: “Man muss erleben. Man! Hallo? Schon mal was von Heidegger gehört? Bei diesem vermutlich bedeutendsten Philosophen aller Zeiten ist das Man ja gerade das Gegenteil des Ich! ‘Abständigkeit, Durchschnittlichkeit, Einebnung’ zeichnen es aus.”

3. “Meinung mit Maske – Kommentare im Internet”
(ndr.de, Video, 5:14 Minuten)
Kommentieren im Internet zwischen Anonymität und Echtnamen. Siehe dazu auch “‘Nach diesem Urteil sollten wir uns über die NSU nicht mehr wundern'” (stefan-niggemeier.de, 19. Juli).

4. “Sterbenden Mann fotografiert – angeklagt”
(20min.ch, kle)
Einem 19-Jährigen wird in Schottland vorgeworfen, er habe einen verunfallten Mann fotografiert, statt ihm Nothilfe zu leisten – und das Foto wenige Minuten später bei Twitter hochgeladen.

5. “Am nächsten Tag im Kleingedruckten”
(facebook.com/kobuk)
Eine Geschichte mit je einer Meldung am Dienstag und Mittwoch in der “Kronen Zeitung”.

6. “Franz Josef Wagners Weisheiten (11)”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Franz Josef Wagner und sein Umgang mit olympischen Athleten, die keine Medaille erringen. Siehe dazu auch “Olympia: Deutsche Reiter müssen Medaillen an ihre Pferde abgeben” (eine-zeitung.net).

Auto-Bild-Tuning

Kleine Kinder wollen immer wissen, was sie zum Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt bekommen. Wenn sie erwachsen werden, interessieren sie sich dafür, wie das neue iPhone, das neue Trikot ihres Lieblingsvereins oder ein neues Auto aussehen könnte, bevor diese Produkte offiziell vorgestellt werden.

Manche Medien leben ganz gut davon, mit einer Gemengelage aus Gerüchten, andererleuts Spekulationen und Selbstgedachtem die Stimmung weiter anzuheizen.

So sieht die aktuelle Ausgabe von “Auto Bild” aus:

Mercedes schrumpft das G-Modell
[Titelbild via meedia.de.]

Auch auf autobild.de zeigt die Redaktion stolz, wie der neue Mercedes GLG aussehen soll:

Neuer GLG und weitere Mercedes-Neuheiten: Mercedes bringt 2015 eine Kompaktausgabe des G-Modells auf A-Klasse-Basis. Wie das große Vorbild setzt auch der GLG auf einen kantigen Auftritt.

Sagen wir so: Es wäre schon ein arger Zufall, wenn der GLG tatsächlich so aussehen würde. Vieles deutet nämlich darauf hin, dass die Grafiker von “Auto Bild” ihren Photoshop-Fähigkeiten einfach freien Lauf gelassen haben.

Das hier ist jedenfalls ein Foto vom Konzept des Land Rover DC 100, das im vergangenen Jahr veröffentlicht wurde:

Wenn man dieses Bild spiegelt, ein bisschen verzerrt und dreht …

Mit Dank an Markus R.

Jonah Lehrer, Martin Meyer, Attentäter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Kein Podium für ruhmsüchtige Attentäter”
(lto.de, Henning Ernst Müller)
Der Presserat empfehle bislang nicht, die Identifizierung eines Attentäters oder die Verbreitung seines Fotos zu unterlassen. “Die Täter werden in ihrem Streben nach Prominenz bislang regelmäßig zufrieden gestellt: Nationale wie internationale Medien verbreiten meist schon kurz nach einem Anschlag Namen und Bild des Tatverdächtigen. Nicht etwa eine Goldmedaille bei den olympischen Spielen, sondern ein Anschlag mit möglichst vielen Toten scheint die effektivste Methode zu sein, weltweiten Ruhm zu erlangen, sei er auch noch so negativ besetzt.”

2. “US-Journalist erfindet Bob-Dylan-Zitate”
(zeit.de)
Der 31-jährige Journalist Jonah Lehrer kündigt seinen Job beim “New Yorker”, nachdem ihm Zitatfälschungen nachgewiesen werden.

3. “Der preussische Zürcher”
(bazonline.ch, Hansjörg Müller)
Ein Porträt des NZZ-Feuilletonchefs, Martin Meyer.

4. “Ich wünsche mir eine Deutsche Nationalmediathek, oder: Das kurze Gedächtnis von RTL”
(leitmedium.de, ccm)
Caspar Clemens Mierau fordert, dass “auch private Sender in die Pflicht genommen werden, ein Archiv zu führen. Mindestens alle ausgestrahlten Sendungen sollten vorgehalten werden, wie auch wichtige Begleitmaterialien, Verträge, Pressetexte, usw. Es ist einfach bedauerlich, wenn kulturelle Geschichte nur versendet wird.”

5. “Die Schweizerische Depeschenagentur erhält schon heute zu viele Subventionen, sie braucht nicht noch mehr Steuergelder”
(arslibertatis.com)
Ars Liberatis denkt nach über die Unabhängigkeit der Medien vom Staat.

6. “Machen Sie sich das ganze Bild!”
(fernsehkritik.tv)
Fernsehkritik.tv veröffentlicht von der Sat.1-Dokusoap “Schwer verliebt” einen Drehplan, einen Kandidatenvertrag und einen Einwilligungsvertrag für Angehörige.

“Heidi Klum wollte ihre Kinder immer schützen”

Am Dienstag machte die “Bild”-Zeitung groß mit der Nachricht auf, dass der britische Sänger Seal “mitten in der Scheidungs-Schlacht” von Model Heidi Klum Fotos der gemeinsamen Kinder verwendet hat, um für eine Kamera zu werben.

“Ob auch Heidi mit diesen Fotos glücklich ist”, fragte das Blatt bedeutungsschwanger und ließ sich von einem Experten für amerikanisches Familienrecht erklären, dass es “äußerst fragwürdig” sei, die minderjährigen Kinder “ohne Erlaubnis” der Mutter für so etwas zu nutzen.

“Bild”-Reporter Sven Kuschel formulierte:

Heidi Klum (39) wollte ihre Kinder immer schützen. Nun macht ihr Ex Seal (49) Werbung mit ihnen.

Unmittelbar über diesen Worten zeigte das “Bild” auf ihrer Titelseite die Fotos, um die es geht: Unverpixelte Aufnahmen von den Kindern, die Heidi Klum “immer schützen” wollte — zum Beispiel, indem sie keine unverpixelten Fotos von ihnen veröffentlichen ließ.

Man kann das dumm nennen oder dreist. Es war aber nicht halb so dreist wie das, was “Bild”-Mann Kuschel heute im Blatt treuherzig zu dem Thema nachtrug:

Das war wohl nicht mit Heidi abgesprochen … (…)

JETZT GIBT ES ZOFF UM DIE BILDER!

(…) Wie BILD erfuhr, hat Seal jedoch Heidi anscheinend nicht darüber informiert, dass er die gemeinsamen Kinder vermarkten will!

Klums Anwalt über die Veröffentlichung der Bilder: “Das ist rechtswidrig, denn meine Mandantin hat niemals darin eingewilligt, dass diese Bilder irgendwo gezeigt werden — weder in einem Film noch in einer Zeitung.”

Die Formulierung “Wie BILD erfuhr” ist offenbar eine Umschreibung dafür, dass der Anwalt von Heidi Klum eine Pressemitteilung herausgegeben hat. Und Anlass dieser Pressemitteilung war, man würde das aufgrund der Berichterstattung der “Bild”-Zeitung nicht erahnen, die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung. Die Formulierung “Das ist rechtswidrig”, die Sven Kuschel zitiert, bezieht sich konkret nicht auf Seal, sondern auf “Bild”. Davor steht nämlich der Satz:

Die BILD-Zeitung hat die Kinder meiner Mandantin Heidi Klum heute völlig ungepixelt abgebildet. Das ist rechtswidrig.

Weiter heißt es:

Wir gehen für Frau Klum seit Jahren konsequent gegen die Verbreitung von Bildern ihrer Kinder vor, wenn diese auf den Fotos nicht unkenntlich gemacht wurden. Dabei wird es auch bleiben. Wir fordern die Medien auf, die rechtswidrige Berichterstattung der BILD-Zeitung nicht zu übernehmen und das Recht der Kinder auf ihre Privatsphäre zu respektieren.

Soviel Unaufrichtigkeit muss der “Bild” erst einmal jemand nachmachen: aus einem Schreiben, das ihr rechtswidriges Verhalten vorwirft, zu zitieren, ohne zu erwähnen, dass es sich gegen sie selbst richtet.

Die Kinderfotos sind inzwischen auch auf Bild.de unkenntlich gemacht.

Keinen Respekt gezollt

Seit der sogenannten Teppichaffäre von Entwicklungsminister Dirk Niebel ist klar, dass gerade an Staatsbeamte besonders hohe moralische Maßstäbe angelegt werden, wenn es um die korrekte Verzollung hochpreisiger Gegenstände geht. Was viele noch nicht wussten, laut dieser “Bild”-Schlagzeile von gestern reicht es sogar schon, wenn man irgendwann einmal in seinem Leben einen Beamten im Fernsehen gespielt hat:

"Tatort"-Kommissar beim Schmuggeln erwischt

Die Rede ist von Mehmet Kurtuluş, der laut “Bild” …, aber lesen Sie selbst:

Der Fall: Am Freitagmittag landet in Frankfurt am Main die Lufthansa-Maschine “LH 457” aus Los Angeles. An Bord ist auch Schauspieler Kurtulus (…). An der Zollstation 6, im Terminal 1 (Halle B) dann der Zugriff: Die Beamten bitten den ARD-Star, seine Tasche zu öffnen. Sie finden: einen Laptop mit amerikanischer Tastatur! Auf die Frage, ob der Rechner neu gekauft sei, antwortet Kurtulus: “Nein, den habe ich vor etwa anderthalb Jahren gekauft, für ungefähr 1300 Dollar.” Doch einen Beleg hat er nicht. (…) Ein Strafverfahren wird eingeleitet: “Verdacht der versuchten Steuerhinterziehung”.

Gut, Mehmet Kurtuluş ist eigentlich gar kein “Tatort”-Kommissar mehr und der Fall ist so unbedeutend, dass eine Sprecherin des Zolls auf Anfrage von Welt.de erklärt:

Ob allerdings Anklage gegen den Schauspieler erhoben wird, sei unklar. “Solche Fälle passieren hier ständig”, sagte sie.

Wirklich infam ist, dass “Bild” einfach behauptet, dass der Schauspieler “beim Schmuggeln erwischt” wurde, obwohl dies überhaupt nicht erwiesen ist. Zwar wird im Artikel die Behauptung durch “scheint” und “soll” abgemildert, die Unschuldsvermutung sollte jedoch auch in der Überschrift gelten.

Manche Kommentatoren auf Bild.de kommen daher auch gar nicht erst auf den Gedanken, dass Kurtuluş womöglich gar nicht geschmuggelt hat, sondern lassen auch gleich noch ungehemmt ihrem Rassismus freien Lauf (aber das kennt man ja):

Wenn man schon so heißt……………..

Rotzfrech, dummdreist. Daran ändert auch deutsche Staatsbürgerschaft nichts.

Das ist wahre Kulturbereicherung.
Danke an Grüne und Konsorten.

ich wundere mich überhaupt nicht! Das ist nun mal deren Mentalität! Sieht man auf jedem derer Basare…jeder versucht jeden übers Ohr zu hauen.

jetzt wissen wir wenigstens dass er sich wieder in d aufhält und unser sozialsystem belastet

… in die Türkei abhauen !!!

Und damit die eigenen Leser nicht selbst versehentlich eine derartige “Basarmentalität” an den Tag legen, bietet Bild.de gleich noch den passenden Ratgeber:

 Mehmet Kurtulus beim Schmuggeln erwischt Was muss ich eigentlich alles verzollen?

Dabei zeigt sich auch die Komplexität der Zollbestimmungen:

Wer von außerhalb der Europäischen Union zurückkehrt (z. B. USA, Karibik, Afrika), darf zollfrei einführen:

(…)

• Kleidung und Wertsachen wie Schmuck oder Elektro-Artikel sind bis 300 Euro Wert zollfrei, bei Flug- und Seereisen bis 430 Euro.

(…)

Wer aus einem Nicht-EU-Land mehr mitbringt als erlaubt, muss die Ware bei der Einreise beim Zoll anmelden und eine Einfuhrabgabe zahlen.

Beispiel von “Zoll Online”

Ein Ehepaar reist auf dem Landweg (Pkw) aus der Schweiz ein, wo es 4 antike Stühle gekauft hat. Die Wertgrenze beträgt pro Reisenden 300 Euro, da sie nicht im See- oder Flugverkehr einreisen. Jeder Stuhl kostet 120 Euro. Beide Reisende können innerhalb der Wertgrenze von 300 Euro jeweils 2 Stühle (240 Euro) abgabenfrei einführen.

Ein anderes Ehepaar reist ebenfalls aus der Schweiz ein, wo es sich einen alten, restaurierten Bauernschrank im Wert von 320 Euro gekauft hat. Da der Schrank jedoch nicht teilbar ist, kann sein Wert nicht aufgeteilt werden. Demnach ist der Bauernschrank einem Ehepartner zuzuordnen. Sein Wert in Höhe von 320 Euro übersteigt die Freigrenze von 300 Euro. Somit fallen für den Schrank Einfuhrabgaben an.

– Ist bei nicht teilbaren Waren die Reisefreigrenze überschritten, so werden die Einfuhrabgaben auf den Gesamtwert der Ware und nicht nur auf den die Freigrenze übersteigenden Wertanteil erhoben. Dies bedeutet, dass in oben genanntem Beispiel der Schrank mit seinem Gesamtwert von 320 Euro zu verzollen ist.

So weit so richtig. Weiter im Text:

• Wer maximal 700 Euro über der Freigrenze liegt, die Ware im persönlichen Gepäck mitführt und sie für den privaten Gebrauch bestimmt ist, zahlt pauschal 17,5 Prozent des Warenwertes, der über den Grenzen liegt.

Das hingegen ist falsch. Sobald die Freigrenze überschritten wird, werden sämtliche Abgaben auf den Gesamtbetrag fällig. Das gilt auch nicht bis “maximal 700 Euro über der Freigrenze”, sondern nur bis 700 Euro Gesamtbetrag.

Bild.de weiter:

• Bei einer Überschreitung der Einfuhrgrenze um mehr als 700 Euro, oder wenn der Urlauber die pauschale Besteuerung ablehnt, berechnet der Zoll die Abgaben einzeln für jedes Produkt, abhängig vom Warenwert, Herkunftsland und der Art der Ware. Ein kompliziertes Verfahren, das Sie vermeiden sollten.

Wer dieses komplizierte Verfahren vermeiden will, sollte besser nicht auf Bild.de hören. Wie bereits oben erwähnt, kommt die Einzelberechnung für jedes einzelne Produkt bereits bei Überschreiten der Grenze von 700 Euro und nicht erst bei “Überschreitung der Einfuhrgrenze um mehr als 700 Euro”. Die 700 Euro sind schon die Grenze.

Oder, um es mit den Worten einer großen deutschen Tageszeitung zu sagen:

Bild.de beim Schmuggeln erwischt

Mit Dank an Axel Sch.

Ein Buch, sie zu knechten

Der Regisseur Peter Jackson hat gestern bekanntgegeben, dass er aus den geplanten zwei “Hobbit”-Filmen drei Teile machen will.

Bild.de erklärt das heute so:

Die ursprünglich als Zweiteiler (basierend auf den Büchern “Der Hobbit – Eine unerwartete Reise” und “Der Hobbit – Hin und wieder zurück”) geplante Saga sei angesichts des Reichtums der “Hobbit”-Geschichte, der Stärke der Charaktere und der Schauspieler besser auf drei Teile aufgeteilt, erklärte Regisseur Peter Jackson (50).

Doch die zwei Bücher, auf denen die Filme laut Bild.de basieren sollen, gibt es gar nicht — zumindest nicht in der Form: Die Vorlage ist das einzelne Buch “Der kleine Hobbit”. “Eine unerwartete Reise” und “Hin und zurück” (ohne “wieder”) sind die (Unter-)Titel der ursprünglich geplanten zwei Filme, die auf diesem einen Buch basieren. Der Name des dritten Teils ist noch nicht bekannt.

Aber die Ahnungslosigkeit von Bild.de geht noch weiter:

Fraglich, ob der neue Hollywood-Trend der Trilogie nicht nur auf ein weitere Einnahmequelle abzielt. Zum Vergleich: Die drei Bücher der “Herr der Ringe”-Saga haben je nach Publikation rund 1292 Seiten, die Bücher des “kleinen Hobbit” rund 718 Seiten. Ein deutlicher Unterschied, dennoch sind nun beide Verfilmungen Dreiteiler. Wird beim “Hobbit”-Drehbuch einfach noch etwas dazuerfunden?

Mal davon ab, dass Jackson bei der “Herr der Ringe”-Trilogie vieles aus der Buchvorlage weggelassen hat, hat die neueste Ausgabe von “Der Hobbit” (die irritierenderweise den Untertitel “Oder: Hin und zurück” trägt) 382 Seiten.

“Einfach noch was dazuerfinden” musste Jackson wohl dennoch nicht: In seine (jetzt dreiteilige) “Hobbit”-Geschichte lässt er auch die 125-seitigen Notizen einfließen, die “Hobbit”-Autor J.R.R. Tolkien dem dritten Buch seiner “Herr der Ringe”-Trilogie angehängt hatte.

Außerdem: Warum sollte Jackson aus einem Buch nicht drei Filme machen, wenn Bild.de aus “NICHTS” jede Menge Artikel machen kann?

Mit Dank an Volker K. und Mirko P.

Hinweis/Korrektur: Die Neuübersetzung des “Hobbit”-Buchs heißt nur noch “Der Hobbit”, nicht – wie ursprünglich geschrieben – “Der kleine Hobbit”.

Nachtrag, 17.30 Uhr: Bild.de hat den Artikel an den entsprechenden Stellen überarbeitet.

Schwer verliebt, Kronen Zeitung, Olympia

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Schwer unter Druck gesetzt”
(fernsehkritik.tv, Video, 22:12 Minuten)
Die Sat.1-Sendung “Schwer verliebt” droht einem Kandidaten wiederholt mit Konventionalstrafen in der Höhe von 250.000 Euro.

2. “‘Krone’ dramatisiert Foto aus Syrien: Leser wenden sich an Presserat”
(derstandard.at, Sabine Bürger)
Christoph Dichand, Chefredakteur der “Kronen Zeitung”, nimmt Stellung zum manipulierten Foto aus Syrien: “Während wir die Copyrights beider Fotos korrekt angegeben haben, fehlte leider der Hinweis darauf, dass es sich eben um das journalistische Stilmittel einer Fotomontage handelt.”

3. “Leistungsschutzrecht: Google will Runden Tisch bei Angela Merkel”
(deutsche-wirtschafts-nachrichten.de)
Kay Oberbeck von Google zum neuen Entwurf des von Presseverlegern angestrebten Leistungsschutzrechts: “Der jetzt vorgelegte Gesetzesvorschlag bedeutet einen Eingriff in die Informationsfreiheit und würde Deutschland weltweit isolieren. Schon jetzt kann sich jeder Verlag durch eine einfache Programmierungszeile aus der Google Suche herausnehmen – dafür bedarf es keines neuen Gesetzes. Presseverlage profitieren in erheblichem Umfang von Suchmaschinen und anderen Online-Diensten. Alleine durch Google werden pro Minute 100.000 Klicks auf Verlagsseiten weiter geleitet. Es ist absurd, dass nun ausgerechnet Suchmaschinen Adressaten des Gesetzes sein sollen.”

4. “ARD&ZDF: Disqualifikation bei den Olympischen Spielen”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
ARD und ZDF weisen in ihrer Olympia-Übetragung nicht sauber aus, was live ist und was aufgezeichnet: “Während also in Wirklichkeit oft schon Medaillen verteilt sind, gaukeln ARD und ZDF mit zeitversetzt gezeigten Aufzeichnungen noch Spannung vor – ohne das kenntlich zu machen. (…) Da man annehmen darf, dass die beiden Sender doch technisch in der Lage sind, dies umzusetzen, will man die Fernsehzuschauer also bewusst in die Irre führen.”

5. “Trauerberichterstattung”
(sueddeutsche.de, Saskia Aleythe)
ARD und ZDF beschwören aufgrund ausbleibender Medaillen deutscher Athleten eine Trauerstimmung: “Im gefühlten Halbstundentakt schoben die Kollegen von Katrin Müller-Hohenstein einen dreiminütigen Film zum ‘Schwarzen Tag der deutschen Schwimmer’ ein. (…) Mit langem Gesicht saß Expertin Franziska van Almsick vor der Kamera und hielt das Mikrofon starr wie eine brennende Kerze, bei der jede Schieflage ein Wachsdesaster zur Folge hätte.”

6. “Dicker Mann auf Sofa empört über schlechte Leistung deutscher Athleten bei Olympia”
(der-postillon.com)

dpa, sid  etc.

Olympische Zahlenspiele feierlich eröffnet

Am Freitag wurden in London die 30. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit eröffnet. Im ausverkauften Olympiastadion wohnten 80.000 Zuschauer dem bunten Spektakel und dem Einmarsch der Athleten bei — aber wie viele waren es wohl in aller Welt vor den Bildschirmen?

Die Eröffnungsfeier im Liveticker: 4 Milliarden Menschen am TV dabei.

Bereits am Donnerstag hatte der Sportinformationsdienst (sid) zur Frage, wer die Olympische Flamme entzünden wird, geschrieben:

So kurz vor dem mit Spannung erwarteten Moment, den 80.000 Zuschauer im Stadion und rund vier Milliarden Menschen rund um den Globus vor dem Fernseher verfolgen werden, erreichen die Spekulationen um Mr. oder Mrs. X ihren Höhepunkt.

Die dpa hatte ebenfalls am Donnerstag berichtet:

Für die Zeremonie, künstlerisch gestaltet von Star-Regisseur Danny Boyle, erwartet [Organisationschef Sebastian] Coe vier Milliarden Zuschauer in aller Welt – mehr als die Hälfte der Menschheit.

Am Freitag wiederholte dpa diese Zahl:

Diesmal erwartet das IOC weltweit vier Milliarden Olympia-Fans vor den Fernsehern.

Um 22.05 Uhr, nur wenige Minuten nach Beginn der Eröffnungsfeier, tickerte der sid für die Samstagszeitungen, die zu dieser Zeit in den Druck gingen:

Mit einem spektakulären Knalleffekt hat um 21.03 Uhr Ortszeit die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London begonnen. Bis zu vier Milliarden Zuschauer auf der ganzen Welt saßen vor den Fernsehschirmen, als vier Modelle der olympischen Ringe an Ballons in den Himmel aufstiegen.

Um 22.42 Uhr, drei Stunden vor dem Ende der Eröffnungsfeier, schrieb dpa bereits:

62 000 Zuschauer im Olympiastadion und bis zu vier Milliarden Menschen weltweit vor den TV-Geräten ließen sich am Freitagabend von einer stilvollen Show verzaubern, bei der Tradition und Moderne in bunten Bildern miteinander verschmolzen.

Es war inzwischen Samstag, 1.19 Uhr, die Feier war immer noch nicht ganz vorbei, als der sid wiederum berichtete:

Große Emotionen, jede Menge Spektakel und Queen Elizabeth II als “Bond-Girl”: Mit einer bewegenden Reise durch die Geschichte Großbritanniens, einem musikalischen Zeitraffer und Showeffekten im besten Hollywood-Stil hat London die Athleten der Welt begrüßt und vier Milliarden Zuschauer in aller Welt begeistert.

In einer dpa-Meldung von Samstagnachmittag hatte sich die Zahl der Zuschauer dann schon rapide reduziert:

Eine Milliarde Menschen in aller Welt haben die begeistert gefeierte Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von London im Fernsehen gesehen. Diese Schätzung gab die Regierung am Samstag in London bekannt.

Die Zahl von vier Milliarden Menschen – “mehr als die Hälfte der Menschheit”, wie dpa richtig angemerkt hatte – hatten die Veranstalter schon im Vorfeld ausgegeben, die Nachrichtenagenturen hatten sie zunächst einfach weitergeplappert — obwohl einem die Zahl mit etwas gesundem Menschenverstand als geradezu grotesk hochgegriffen erscheinen musste.

Die Website “Sporting Intelligence” (die im vergangenen Jahr schon vorgerechnet hatte, dass die weltweiten Zuschauerzahlen der sogenannten “Royal Wedding” von Prinz William mit Kate Middleton eher bei 300 Millionen als bei den vorher postulierten zwei Milliarden lagen), hat schon am Donnerstag erklärt, warum die Zahl von vier Milliarden “bollocks” (“völliger Unfug”) ist:

Die Welt hat sieben Milliarden Bewohner, die in 1,9 Milliarden Haushalten leben, welche durchschnittlich 3,68 Mitglieder haben.

Von diesen 1,9 Milliarden Haushalten haben nur 1,4 Milliarden einen Fernseher, geschweige denn Internet. Es sind die ärmeren Haushalte, die dazu neigen, keinen Fernseher zu haben, und sie haben auch die größeren Haushalte. Also haben etwa 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zum Fernsehempfang.

Zuschauerinteresse in Deutschland

Obwohl in Deutschland viele Menschen einen Fernseher haben, die Eröffnungsfeier zeitlich günstig lag, das Interesse mutmaßlich groß und das Wetter überwiegend schlecht war, schaltete hierzulande nur etwa jeder zehnte Einwohner ein: Das ZDF verzeichnete Zuschauerzahlen von 7,66 Millionen.

Wir müssen auch die Zeit in Betracht ziehen, zu der die Londoner Zeremonie stattfinden wird: zwischen 20 Uhr und Mitternacht britischer Zeit.

Asien wird schlafen, denn es wird mitten in der nacht sein. 4,1 Milliarden der Weltbevölkerung leben in Asien. Die allermeisten von ihnen werden nicht zuschauen.

Das belegbar meist gesehene Ereignis der Menschheitsgeschichte – und das bis heute einzige “echte Milliarden”-Ereignis – war die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking 2008.

Die “durchschnittliche” Zuschauerzahl (jene, die die vierstündige Veranstaltung in voller Länge gesehen haben) lag bei 593 Millionen Menschen, viele davon in der Gastgebernation China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde. Chinas 1,3-Milliarden-Bevölkerung war der Grund, warum die Veranstaltung so populär war. In Großbritannien, zum Beispiel, haben nur 5 Millionen Leute die gleiche Veranstaltung verfolgt.

Insgesamt haben 984 Millionen Menschen in aller Welt die Eröffnung der Spiele 2008 am heimischen Fernseher eingeschaltet und die Differenz von 16 Millionen, die zur Milliarde fehlt, wurde fast sicher durch die Leute erreicht, die rund um die Welt an öffentlichen Plätzen zugesehen haben.

Die eine Milliarde, die die Feier in Peking verfolgt haben, war einmalig hoch, weil es so eine wichtige Sache im Gastgeberland war, das eine einmalig hohe Bevölkerungszahl hat.

(Übersetzung von uns.)

Die Argumentation geht noch länger weiter, knapper hat es der “Guardian” in seinem Olympia-Medienblog aufgeschrieben:

Es ist eine große, glatte Zahl, also lieben die Medien sie, und es steht überall — aber werden wirklich vier Milliarden Menschen die Olympische Eröffnungsfeier sehen? In einem Wort: nein. In ein paar Worten mehr: natürlich nicht, wie nach nur einem Moment Nachdenken klar sein sollte.

(Übersetzung von uns.)

Aber wer würde bei einer großen, glatten Zahl schon einen Moment nachdenken?

Mit Dank an Rüdiger M.

Heldengeschichten, Reuters, Kronen Zeitung

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Justizministerium entschärft Entwurf für Presse-Leistungsschutzrecht”
(heise.de, Stefan Krempl)
Das von Presseverlegern geforderte Leistungsschutzrecht will sich nur noch gegen Suchmaschinen richten, schreibt Stefan Krempl: “Blogger, die auf ihren Seiten Werbung schalten oder Micropayment-Verfahren nutzen, sollen mit dem neuen Entwurf nicht mehr von den Regelungen erfasst werden.” Siehe dazu auch “Nur noch ein Google-Gesetz” (taz.de, Steffen Grimberg) und “Liebes Google, bitte liste die deutschen Verleger aus” (indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer).

2. “Küchen-Affäre: Verfassungsgericht distanziert sich von SZ-Porträt”
(badische-zeitung.de, Christian Rath)
Heribert Prantl schilderte in der “Süddeutschen Zeitung” ein Abendessen im Hause Voßkuhle, dem er nicht selbst beiwohnte. “Gemeinsames Kochen gebe es nur mit engsten Freunden. Wie aber kam Prantl zu seinem schönen Bild? ‘Die Küchenszene ist das Produkt anschaulicher Schilderungen prominenter Teilnehmer’, antwortete er auf Nachfrage per SMS. Und wenn man die Passagen aufmerksam nachliest, stellt man fest: Prantl vermied das Wörtchen ‘ich’ aufs sorgfältigste.”

3. “Auf in den Kampf”
(freitag.de, Andrea Roedig)
Medien erzählen liebend gerne Heldengeschichten: “Sie siedeln genau in der Ambivalenz von Glück und Verdienst. Als publizistisch verabreichte Medizin für ein Bürgertum, das nicht mehr automatisch mit gesellschaftlichem Aufstieg rechnen kann, wollen sie das meritokratische Prinzip aufrechterhalten und gleichzeitig die Ausnahme legitimieren. Sie sollen uns behutsam klarmachen, dass es ohne Anstrengung nichts gibt, aber mit Anstrengung nicht unbedingt etwas.”

4. “Newspaper Uses Photoshop To Make Syria Look Even Worse Somehow”
(gizmodo.com, Brian Barrett, englisch)
Die “Kronen Zeitung” manipuliert den Hintergrund eines Pressefotos der Bildagentur EPA.

5. “Fluoride Lowers Your IQ: B.S. Headline of the Week”
(cracked.com, David Wong, englisch)
Pressemitteilungen, die als News wahrgenommen werden: “Reuters apparently has a section of their news website where instead of publishing news, they publish unedited press releases from whoever writes them, and then anyone else in the world is able to quote the headline and say it’s ‘from Reuters’.”

6. “Heute ist alles schlimmer”
(sueddeutsche.de, Ralf Wiegand)
Die neuen Sat.1-Talksendungen “Ernst-Marcus Thomas” und “Annica Hansen”: “Warum Sat 1 sogar die abgehängteste Unterschicht mit solchem Müll beleidigt, ist leicht zu beantworten: Vorgetextete Sendungen sind berechenbarer, weil ordinäre Sprüche und fliegende Fäuste nicht mühsam provoziert, sondern einfach vom ‘Regisseur’ angeordnet werden.”

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