Unter den Leuten, die von Donald Trumps diskriminierendem Einreiseverbot für Muslime betroffen sind, sind auch bekannte Wissenschaftler, Politiker, Popstars, Schauspieler, Sportler. Mo Farah schien zum Beispiel dazuzugehören. Der Brite, geboren in Somalias Hauptstadt Mogadischu, ist Leichtathlet. Er hat bereits viermal Gold bei den Olympischen Spielen gewonnen, Weltmeisterschaften gewonnen, Europameisterschaften gewonnen.
Farah lebt seit sechs Jahren in den USA, aktuell ist er im Trainingslager in Äthiopien. Und weil er natürlich irgendwann wieder zurück zu seiner Familie will, machte er sich gestern Sorgen. Schließlich gehört Somalia (neben Iran, dem Irak, dem Jemen, Libyen, dem Sudan und Syrien) zu den sieben Ländern, deren Bürger nach der “Executive Order” von US-Präsident Trump für 90 Tage nicht in die USA reisen dürfen. Mo Farah veröffentlichte zu dem Thema einen Facebook-Post. Und daraus machte Bild.de wiederum diesen Artikel:
Im Text steht:
Für Farah (lebt in Portland/Oregon) ein Unding. Der britische 5000- und 10.000-m-Olympiasieger von London und Rio de Janeiro bei Facebook: “Am 1. Januar dieses Jahres hat mich ihre Majestät die Königin zu einem Ritter des Königreichs geschlagen. Am 27. Januar scheint mich Präsident Donald Trump zu einem Alien gemacht zu haben.”
Farahs Kritik an Trump kann man gut verstehen. Aber “zu einem Alien gemacht” ist ja schon eine bemerkenswerte Formulierung. Mal nachsehen, was der Sportler wortwörtlich bei Facebook geschrieben hat …
Hier, direkt im ersten Absatz:
On 1st January this year, Her Majesty The Queen made me a Knight of the Realm. On 27th January, President Donald Trump seems to have made me an alien.
Klar, liebe Bild.de-Linguisten, “alien” kann in bestimmten Fällen durchaus “Alien” heißen. In der Regel heißt es allerdings “Ausländer” oder “Fremder” oder “Fremdling”. Genauso wie damals, als ihr vor neun Jahren meintet, dass ein Ku-Klux-Klan-Aktivist in Barack Obama einen “Außerirdischen” sieht.
Die Sportnachrichten-Agentur “sid” hat Mo Farahs “alien” ebenfalls mit “Alien” übersetzt. Und so taucht die “sid”-Meldung mitsamt der “Alien”-Aussage zum Beispiel bei “Zeit Online” und bei freiepresse.de auf. Die “Stuttgarter Zeitung” schreibt hingegen, dass Farah meint, von “Präsident Donald Trump anscheinend zum Fremden gemacht” worden zu sein.
Mo Farah wird nach dem Trainingslager in Äthiopien übrigens wieder in die USA reisen können. Trumps Einreiseverbot gilt für ihn nicht.
Fans, Spieler, Mitarbeiter des SV Werder Bremen müssen momentan aber auch wirklich einiges einstecken. Aus im DFB-Pokal gegen einen Drittligisten, in der Bundesliga ohne Punkt aus drei Spielen und ein Torverhältnis von 2:12. Die Bremer sind Letzter, ihren bisherigen Trainer Viktor Skripnik haben sie am Sonntag rausgeworfen. Und gestern machte sie die “Bild”-Zeitung auf der Titelseite auch noch zum “VERLIERER” des Tages:
Andere Medien berichten ebenfalls vom Klettern der Dortmunder in der ewigen Bundesliga-Tabelle — und damit automatisch auch vom Abstieg des SV Werder Bremen. “Focus Online” zum Beispiel:
Oder abendzeitung-muenchen.de:
Oder ovb-online.de:
Oder “Sky”:
Oder echo24.de:
Der Ursprung der meisten dieser Schlagzeilen ist eine Meldung der Sport-Nachrichtenagentur “sid”. Und auch Borussia Dortmund selbst verkündet stolz:
Macht man sich die Mühe, die Zahlen mal etwas genauer zu betrachten, und schreibt nicht einfach ab, kommt man ins Grübeln: Warum sollte der SV Werder Bremen mit seinen 748 Siegen und 440 Unentschieden aus insgesamt 1767 Spielen hinter den Dortmundern stehen, die in ihrer Bundesligahistorie weniger Siege (730) und weniger Unentschieden (427) als die Bremer geholt haben (allerdings haben sie auch 102 Spiele weniger als Werder Bremen absolviert; Stand: vor dem aktuell laufenden Bundesligaspieltag)?
Der Haken an der Sache ist der Unterschied zwischen Zwei- und Drei-Punkte-Regel. Früher bekamen Mannschaften für einen Sieg zwei Punkte und für ein Unentschieden keinen einen Punkt. Ab der Saison 1995/96, als die Drei-Punkte-Regel eingeführt wurde, gab es drei Punkte für einen Sieg und einen Punkt für ein Unentschieden.
Die ewige Bundesligatabelle, die Borussia Dortmund seit dem vergangenen Wochenende auf Platz zwei sieht, wirft diese beiden Regeln durcheinander. Teams, die erst seit der Regelumstellung richtig erfolgreich sind, werden bevorzugt. Werder Bremen, mit vielen Siegen auch schon während der Zeit der Zwei-Punkte-Regel, wird benachteiligt.
Wie bedeutend der Unterschied zwischen Zwei- und Drei-Punkte-Regel im Einzelfall sein kann, zeigen verschiedene Rechenbeispiele: Bayer Leverkusen ist in der Saison 1999/2000 Zweiter hinter Bayern München geworden. Hätte damals noch die Zwei-Punkte-Regel gezählt, wäre Leverkusen Meister geworden. Gleiches gilt für den FC Schalke in der Saison 2000/01. Der 1. FC Nürnberg wäre in der Saison 1998/99 nicht abgestiegen. Und der HSV hätte in den vergangenen Jahren mehrfach als Absteiger festgestanden.
EsgibtübrigenseinigeSeiten, die die Siege, Unentschieden und Niederlagen von früher aufs Drei-Punkte-System umgerechnet haben (merkwürdigerweise gehört die offizielle Bundesliga-Website, auf die sich auch Borussia Dortmund im Tweet bezieht, nicht dazu). Und dort steht der SV Werder Bremen nach wie vor auf Platz zwei. Bleibt den Fans, Spielern und Mitarbeitern immerhin dieser Trost.
Mit Dank an Lennart für den Hinweis!
Nachtrag, 15:35 Uhr: Auf der Vereinswebsite stellt Borussia Dortmund ebenfalls klar, dass es verschiedene Versionen der ewigen Bundesliga-Tabelle gibt und dass der Klub dort auf unterschiedlichen Plätzen zu finden ist:
In der von der DFL offiziell geführten „Ewigen Tabelle“ ist Borussia Dortmund mit 2236 Punkten aus 1665 Spielen Zweiter vor Werder Bremen (2235 aus 1767). Diese Tabelle berücksichtigt die seit 1963 tatsächlich vergebenen Punkte. Bis 1995 gab es für einen Sieg zwei Zähler. In der Tabelle des kicker Sportmagazins sind alle Spiele auf die Drei-Punkte-Regel umgelegt. Hier ist der BVB Vierter hinter Bayern München, Werder Bremen und dem Hamburger SV.
In einem Artikel über die FIFA und Franz Beckenbauer schrieb die “Bild am Sonntag” gestern:
Fragen zur Korruption bei der WM-Vergabe an Russland und Katar drohen Beckenbauer erneut, diesmal von der Schweizer Justiz. Die Bundesanwaltschaft ermittelt nun auch in der Sache und hat bereits zehn Mitglieder des Exekutivkomitees von 2010 als Zeugen geladen. Nach Informationen aus Justizkreisen sollen auch die übrigen 14 Mitglieder von damals vernommen werden. Darunter wäre auch Beckenbauer.
Wir haben bei der Bundesanwaltschaft nachgefragt, was an der Geschichte dran ist. Auf eine Antwort mussten wir — wie beim letzten Mal — nur wenige Minuten warten. Der Pressesprecher schreibt:
F. Beckenbauer gehört nicht zu den von der BA zu befragenden Auskunftspersonen. Dies sind explizit KEINE Zeugen, sondern Auskunftspersonen, was juristisch ein wesentlicher Unterschied ist. Weitere Personen sind zur Zeit nicht zur Befragung vorgesehen. Die Geschichte der BamS ist somit mehrfach falsch.
Und das hätte sie mit einem kurzen Anruf bei der Bundesanwaltschaft auch selbst herausfinden können. Nachgefragt hat sie dort aber nie:
Eine entsprechende Anfrage der BamS oder von Bild ist bei der BA nie gestellt worden.
Auch der Sport-Informations-Dienst (sid) hat auf die Recherche verzichtet und sich bei seiner Agenturmeldung lieber blind auf die „BamS“ verlassen:
So verbreitet sich zum zweiten Mal innerhalb von vier Tagen eine FIFA-Falschmeldung, obwohl das Abschreiben der Geschichten länger dauert, als herauszufinden, dass sie Quatsch sind.
Theo Zwanziger, der ehemalige DFB-Präsident, hat der “Bild”-Zeitung vor ein paar Tagen ein Interview gegeben. Es geht um irgendeinen Streit zwischen ihm und seinem Nachfolger Wolfgang Niersbach. Die genauen Details ersparen wir Ihnen lieber, aber an einer Stelle kommt was Interessantes zum Thema Ehrenamt. Zwanziger sagt:
„Es geht nicht um Sieg oder Niederlage, sondern nur um eine sachgerechte Bewertung der ehrenamtlichen Tätigkeit. Millionen Menschen im Sportbund Kultur bringen Geld mit, weil ihnen ihre Aufgabe so wichtig ist. Sie verstehen das als Ehre.
Moment mal. “Sportbund Kultur”? Schon mal davon gehört? Wir auch nicht. Aber wenn da “Millionen Menschen” drin sind, müsste es ja eigentlich was Bekannteres sein.
Millionen Menschen im Sportbund Kultur bringen Geld mit, weil ihnen ihre Aufgabe so wichtig ist.
Außer in diesem Interview taucht der “Sportbund Kultur” allerdings nirgendwo mehr auf. Es gibt zwar den Kultur- und Sportbund Freital-Wurgwitz, der unter anderem das alljährliche Wurgwitzer Dorffest organisiert, aber nach einem Millionenpublikum sieht’s da nicht gerade aus.
Was Zwanziger tatsächlich meinte, wird spätestens dann klar, wenn man sich die gedruckte Version des “Bild”-Interviews anschaut. Dort steht nämlich:
Millionen Menschen in Sport und Kultur bringen Geld mit, weil ihnen ihre Aufgabe so wichtig ist.
Daraus machte Bild.de den “Sportbund Kultur”, der vom SID gedankenlos übernommen und in der Welt verbreitet wurde. Und bis heute (das Interview ist drei Tage alt) hat sich keiner der Fachjournalisten darüber gewundert.
Pressemitteilungen der Polizei lassen den abschreibenden Journalisten normalerweise eher geringen Interpretationsspielraum. Wenn sich der “Verunfallte” mit seinem “Kraftfahrzeug” vom “Unfallort entfernt”, gibt’s eben nicht viel rumzudeuten, da ist die Sache klar.
Die Mitteilung, die am Montagabend nach dem WM-Spiel zwischen Deutschland und Portugal von der Polizei Essen rausgehauen wurde, war allerdings nicht ganz so eindeutig zu lesen. Dort hieß es:
Polizei Essen im Einsatz
Kurz nach Spielschluß kam es zu einer Schlägerei vor der Essener Grugahalle, wo zuvor tausende Fans den deutschen Sieg über Portugal gefeiert hatten. Bis zu circa 100 Personen gerieten kurzfristig in Streit.
“Schlägerei”, “100 Personen”, “Streit” – da kann man als diensthabender dpa-Polizeimeldungszusammenfasser mitten in der Nacht schon mal durcheinanderkommen. Die Agentur meldete jedenfalls anderthalb Stunden nach der Polizeimeldung:
Schlägerei mit rund 100 Beteiligten nach Auftaktsieg der Nationalelf
Nach dem WM-Auftaktsieg der deutschen Nationalmannschaft haben sich rund 100 Fans in Essen geprügelt. Wie die Polizei mitteilte, eskalierte am Montagabend ein Streit vor der Essener Grugahalle, in der zuvor Tausende Menschen den 4:0-Sieg gegen Portugal verfolgt hatten.
Haben Sie’s bemerkt? In der Pressemitteilung gerieten die 100 Personen “in Streit” — bei der dpa haben sie sich “geprügelt”. Ein kleiner Unterschied mit großer Wirkung:
Die dpa ist nicht die einzige Quelle für diese Artikel. Manche beruhen auch auf dem Sport-Informations-Dienst (SID), der gestern in gleich vier verschiedenen Meldungen berichtete, in Essen sei es zu einer “Massenschlägerei” beziehungsweise einer “wüsten Prügelei” gekommen. Als Beleg verweist der SID auf die oben zitierte Pressemitteilung der Polizei — in der von Massenschlägerei allerdings gar keine Rede ist.
Gestern Mittag, gut 14 Stunden nach ihrer ersten Meldung, hatte die dpa es dann schließlich auch geschafft, nochmal bei der Polizei nachzufragen — und siehe da: In der neuesten Meldung prügelten sich nicht mehr alle 100 Personen, sondern nur noch “etwa eine Handvoll”:
In Essen gerieten nach dem Schlusspfiff laut Polizeiangaben rund hundert Menschen vor der Essener Grugahalle in Streit. In dem Tumult sei etwa eine Handvoll Fans handgreiflich geworden, zwei Menschen erlitten leichte Verletzungen, sagte eine Polizeisprecherin am Dienstag.
Diese korrigierte und deutlich unspektakulärere Fassung hat es allerdings nur in in die wenigsten Medien geschafft.
Der Spanier Manuel Cáceres, besser bekannt als Manolo “el del Bombo”, ist einer der bekanntesten Fußballfans der Welt. Markenzeichen: Bierbauch, Baskenmütze und natürlich “el bombo”, seine berühmte Trommel. Seit Jahrzehnten ist er bei fast jedem Spiel der spanischen Nationalelf dabei, reist mit dem Team durch die ganze Welt, trommelt, feiert und feuert an.
Doch wenn es nach einer spanischen Internetseite geht, hat Manolo noch ganz andere Qualitäten.
Stolze 100 Kilogramm Kokain soll er bei der Einreise in die USA in seiner Trommel versteckt haben, schrieb das Portal “Pormisbalones.com” am Wochenende. Und nicht nur das: FBI und CIA seien dem Fan bereits seit 30 Jahren auf der Spur, denn Manolo führe ein Doppelleben und habe jede Weltmeisterschaft genutzt, um Drogen zu schmuggeln. In Wirklichkeit sei der eigentlich so sympathische Trommler “einer der größten und gefährlichsten Drogenhändler” der Welt. Und jetzt sei endlich die Festnahme geglückt, schrieb das Portal. Manolo drohten 25 Jahre Haft.
Der spanische Fußball-Verband RFEF hat nach Drogen-Vorwürfen gegen “Oberfan” Manolo eine Klage gegen ein Internetportal angekündigt. Die spanische Webseite (pormisbalones.com) hatte berichtet, dass Manolo in seiner berühmten Trommel 100 kg Kokain in die USA geschmuggelt haben soll. RFEF-Generalsekretär Jorge Pérez kündigte daraufhin rechtliche Schritt an.
“Dieser Herr transportiert seit 28 Jahren Drogen durch die ganze Welt. Wir haben gewartet, dass er in unser Land einreist”, wurde in dem Bericht unter anderem ein FBI-Agent zitiert.
Warum der Verband gegen die Seite klagen will, wird nicht gesagt. Und was das überhaupt für eine Seite ist — und vor allem: ob an den Vorwürfen gegen Manolo irgendwas dran ist –, erfährt man auch nicht.
Dabei hätte schon ein kurzer Blick auf die Originalquelle Antworten geliefert. Auf “Pormisbalones” (was im Übrigen etwa so viel heißt wie “Für meine Bälle”) steht nämlich ganz unten:
Todos los contenidos de esta web son ficticios.
… und dafür hätte man nicht mal tiefergehende Spanischkenntnisse gebraucht. Nur eine halbe Minute Zeit und die Fähigkeit, ein Wörterbuch zu bedienen. Der Satz bedeutet: Alle Inhalte dieser Seite sind fiktiv. “Pormisbalones” ist ein Satire-Portal.
Anders gesagt:
Nein.
Mit Dank an j. und Sarah T.
Nachtrag, 6. Juni: handelsblatt.com, mopo.de, welt.de und berliner-kurier.de haben ihre Artikel gelöscht.
Am Freitag wurden in London die 30. Olympischen Sommerspiele der Neuzeit eröffnet. Im ausverkauften Olympiastadion wohnten 80.000 Zuschauer dem bunten Spektakel und dem Einmarsch der Athleten bei — aber wie viele waren es wohl in aller Welt vor den Bildschirmen?
Bereits am Donnerstag hatte der Sportinformationsdienst (sid) zur Frage, wer die Olympische Flamme entzünden wird, geschrieben:
So kurz vor dem mit Spannung erwarteten Moment, den 80.000 Zuschauer im Stadion und rund vier Milliarden Menschen rund um den Globus vor dem Fernseher verfolgen werden, erreichen die Spekulationen um Mr. oder Mrs. X ihren Höhepunkt.
Die dpa hatte ebenfalls am Donnerstag berichtet:
Für die Zeremonie, künstlerisch gestaltet von Star-Regisseur Danny Boyle, erwartet [Organisationschef Sebastian] Coe vier Milliarden Zuschauer in aller Welt – mehr als die Hälfte der Menschheit.
Am Freitag wiederholte dpa diese Zahl:
Diesmal erwartet das IOC weltweit vier Milliarden Olympia-Fans vor den Fernsehern.
Um 22.05 Uhr, nur wenige Minuten nach Beginn der Eröffnungsfeier, tickerte der sid für die Samstagszeitungen, die zu dieser Zeit in den Druck gingen:
Mit einem spektakulären Knalleffekt hat um 21.03 Uhr Ortszeit die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in London begonnen. Bis zu vier Milliarden Zuschauer auf der ganzen Welt saßen vor den Fernsehschirmen, als vier Modelle der olympischen Ringe an Ballons in den Himmel aufstiegen.
Um 22.42 Uhr, drei Stunden vor dem Ende der Eröffnungsfeier, schrieb dpa bereits:
62 000 Zuschauer im Olympiastadion und bis zu vier Milliarden Menschen weltweit vor den TV-Geräten ließen sich am Freitagabend von einer stilvollen Show verzaubern, bei der Tradition und Moderne in bunten Bildern miteinander verschmolzen.
Es war inzwischen Samstag, 1.19 Uhr, die Feier war immer noch nicht ganz vorbei, als der sid wiederum berichtete:
Große Emotionen, jede Menge Spektakel und Queen Elizabeth II als “Bond-Girl”: Mit einer bewegenden Reise durch die Geschichte Großbritanniens, einem musikalischen Zeitraffer und Showeffekten im besten Hollywood-Stil hat London die Athleten der Welt begrüßt und vier Milliarden Zuschauer in aller Welt begeistert.
In einer dpa-Meldung von Samstagnachmittag hatte sich die Zahl der Zuschauer dann schon rapide reduziert:
Eine Milliarde Menschen in aller Welt haben die begeistert gefeierte Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele von London im Fernsehen gesehen. Diese Schätzung gab die Regierung am Samstag in London bekannt.
Die Zahl von vier Milliarden Menschen – “mehr als die Hälfte der Menschheit”, wie dpa richtig angemerkt hatte – hatten die Veranstalter schon im Vorfeld ausgegeben, die Nachrichtenagenturen hatten sie zunächst einfach weitergeplappert — obwohl einem die Zahl mit etwas gesundem Menschenverstand als geradezu grotesk hochgegriffen erscheinen musste.
Die Website “Sporting Intelligence” (die im vergangenen Jahr schon vorgerechnet hatte, dass die weltweiten Zuschauerzahlen der sogenannten “Royal Wedding” von Prinz William mit Kate Middleton eher bei 300 Millionen als bei den vorher postulierten zwei Milliarden lagen), hat schon am Donnerstag erklärt, warum die Zahl von vier Milliarden “bollocks” (“völliger Unfug”) ist:
Die Welt hat sieben Milliarden Bewohner, die in 1,9 Milliarden Haushalten leben, welche durchschnittlich 3,68 Mitglieder haben.
Von diesen 1,9 Milliarden Haushalten haben nur 1,4 Milliarden einen Fernseher, geschweige denn Internet. Es sind die ärmeren Haushalte, die dazu neigen, keinen Fernseher zu haben, und sie haben auch die größeren Haushalte. Also haben etwa 2,5 Milliarden Menschen keinen Zugang zum Fernsehempfang.
Zuschauerinteresse in Deutschland
Obwohl in Deutschland viele Menschen einen Fernseher haben, die Eröffnungsfeier zeitlich günstig lag, das Interesse mutmaßlich groß und das Wetter überwiegend schlecht war, schaltete hierzulande nur etwa jeder zehnte Einwohner ein: Das ZDF verzeichnete Zuschauerzahlen von 7,66 Millionen.
Wir müssen auch die Zeit in Betracht ziehen, zu der die Londoner Zeremonie stattfinden wird: zwischen 20 Uhr und Mitternacht britischer Zeit.
Asien wird schlafen, denn es wird mitten in der nacht sein. 4,1 Milliarden der Weltbevölkerung leben in Asien. Die allermeisten von ihnen werden nicht zuschauen.
Das belegbar meist gesehene Ereignis der Menschheitsgeschichte – und das bis heute einzige “echte Milliarden”-Ereignis – war die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele in Peking 2008.
Die “durchschnittliche” Zuschauerzahl (jene, die die vierstündige Veranstaltung in voller Länge gesehen haben) lag bei 593 Millionen Menschen, viele davon in der Gastgebernation China, dem bevölkerungsreichsten Land der Erde. Chinas 1,3-Milliarden-Bevölkerung war der Grund, warum die Veranstaltung so populär war. In Großbritannien, zum Beispiel, haben nur 5 Millionen Leute die gleiche Veranstaltung verfolgt.
Insgesamt haben 984 Millionen Menschen in aller Welt die Eröffnung der Spiele 2008 am heimischen Fernseher eingeschaltet und die Differenz von 16 Millionen, die zur Milliarde fehlt, wurde fast sicher durch die Leute erreicht, die rund um die Welt an öffentlichen Plätzen zugesehen haben.
Die eine Milliarde, die die Feier in Peking verfolgt haben, war einmalig hoch, weil es so eine wichtige Sache im Gastgeberland war, das eine einmalig hohe Bevölkerungszahl hat.
Es ist eine große, glatte Zahl, also lieben die Medien sie, und es steht überall — aber werden wirklich vier Milliarden Menschen die Olympische Eröffnungsfeier sehen? In einem Wort: nein. In ein paar Worten mehr: natürlich nicht, wie nach nur einem Moment Nachdenken klar sein sollte.
(Übersetzung von uns.)
Aber wer würde bei einer großen, glatten Zahl schon einen Moment nachdenken?
Für den Sportinformationsdienst sid ist es ein “‘Rentenvertrag’ der besonderen Art”, für 20min.ch ein “Vertrag bis übers Lebensende hinaus” und für Bild.de gleich “der verrückteste Vertrag der Fußball-Geschichte”.
Der isländische Fußball-Nationalspieler Gretar Steinsson hat einen “Rentenvertrag” der besonderen Art abgeschlossen. Weil sich im neuen Kontrakt mit dem englischen Erstligisten Bolton Wanderers eine Null zuviel eingeschlichen hat, bleibt der 30-Jährige bis zum Jahr 20.014 bei seinem Klub. Noch 18.002 Jahre.
Kurios, fürwahr. So kurios, dass man annehmen sollte, die britischen Medien machten groß mit dieser Geschichte auf. Doch es findet sich eigentlich nur eine einzige Quelle, aus der sid und die anderen Medien auch sämtliche Zitate für ihre Artikel zu haben scheinen: das Blog “Back of the Net” der britischen Fußballzeitschrift “FourFourTwo”.
“Back of the Net” ist laut Selbstbeschreibung “ein überraschend lustiges Fußballblog”, was ungefähr so viel bedeuten soll wie: ein Satireblog, in dem übertriebene und erfundene Geschichten drinstehen. Am Ende mancherArtikel schreibt die Redaktion sogar dazu, dass es sich nicht um ernsthafte Vorwürfe handle — aber leider nicht bei allen.
Gut, man hätte anhand der Zitate erahnen können, dass an dieser Geschichte was faul ist. So soll ein Verantwortlicher des Vereins gesagt haben:
“Wer hätte beispielsweise vor 18.000 Jahren gedacht, dass die Landbrücke zwischen Asien und Alaska heute nicht mehr existieren würde oder dass Menschen erfolgreich den Wolf domestizieren würden? Ich bin zuversichtlich, dass der Club über die nächsten 180 Jahrhunderte großes Kapital aus Gretars Erfahrung schlagen wird, besonders für die jüngeren Spieler.”
(Übersetzung von uns.)
Illustriert ist der Artikel übrigens mit diesem “Foto” vom Auswärtstrikot der Bolton Wanderers aus der Saison 20013/14:
Und so läuft der Vertrag von Gretar Steinsson jetzt eben bis zum Jahr 20.014. Steinsson sollte damit in Rente gehen können, bevor die deutschsprachigen Medien den Witz verstanden haben.
Heute Vormittag um 10.02 Uhr verkündete “Sport Bild” auf ihrer Internetseite:
Die zwei in der Überschrift erwähnten Sachverhalte stehen zwar in einem Zusammenhang, aber offenbar nicht ganz so direkt, wie man auf den ersten Blick denken könnte. Nach allerlei Zeilen über das Vertragsangebot von Bayern München (“nach SPORT BILD-Informationen”, natürlich) schreibt “Sport Bild” selbst, dass es durchaus möglich sei, dass Pizarro Werder Bremen doch nicht verlässt:
Noch ist der Weggang allerdings keine beschlossene Sache – Pizarro musste kündigen, weil sich sein Vertrag in Bremen sonst automatisch verlängert hätte. Er kann jedoch einen neuen Vertrag mit den Bremern aushandeln.
In diesem Fall wäre seine (angebliche) Vertragskündigung ein taktisches Manöver gewesen, um sich alle Optionen offen zu halten und für die Vertragsverhandlungen mit Werder in einer günstigeren Ausgangsposition zu sein. Fußballer und ihre Berater …
Sechzehn Minuten später hatte der Sportinformationsdienst (sid) diese Meldung auf dem Draht:
Sport Bild: Pizarro verlässt Werder, Angebot aus München
BREMEN, 29. März (SID) – Claudio Pizarro wird den Fußball-Bundesligist Werder Bremen im Sommer anscheinend verlassen. Wie die Sport Bild berichtet, hat der Angreifer dem Verein mitgeteilt, dass er seinen Vertrag in Bremen zum 30. Juni dieses Jahres kündigt. Weil der Peruaner seine Kündigungsklausel noch vor Ablauf der vertraglich festgelegten Frist (31. März) zog, ist er nach der laufenden Saison ablösefrei. Rekordmeister Bayern München, so das Blatt weiter, habe Pizarro bereits einen Zweijahresvertrag angeboten.
Das war natürlich nicht das, was “Sport Bild” geschrieben hatte — sondern nur das, was “Sport Bild” mit der eigenen Überschrift und der Twitter-Nachricht “Pizarro kündigt bei Werder” mutmaßlich zu suggerieren versucht hatte.
Die Reaktion von “Sport Bild” auf Twitter, wo #pizarro inzwischen ein trending topic war, war dann auch eine ganz merkwürdige Mischung aus Schadenfreude, Hände-in-Unschuld-Waschen und dem Pochen auf journalistische Gründlichkeit:
Der sid hatte unterdessen ein Statement von Bremens Manager Klaus Allofs eingeholt, war aber immer noch davon überzeugt, dass “Sport Bild” Pizarros Abgang vermeldet hatte:
Verwirrung um Pizarro: Allofs dementiert Abgang aus Bremen
+++ überholt mit Allofs-Statements +++
BREMEN, 29. März (SID) – Verwirrung um Claudio Pizarro: Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs hat eine Meldung dementiert, wonach der peruanische Angreifer den Fußball-Bundesligisten im Sommer verlassen wird. “Da weiß die Sport Bild mehr als wir”, sagte Allofs dem Sport-Informations-Dienst (SID) am Donnerstagmorgen: “Bei uns ist das so nicht kommuniziert. Ich glaube das aber ehrlich gesagt auch nicht.” […]
Um 11.29 Uhr vermeldete der sid dann in einer “Präzisierung”, dass Allofs nicht nur nichts von einem “Abgang” wisse, sondern auch nichts von einer “Kündigung”:
Verwirrung um Pizarro: Allofs dementiert Kündigung bei Werder
+++ Präzisierung in Überschrift und erstem Satz +++
BREMEN, 29. März (SID) – Verwirrung um Claudio Pizarro: Werder Bremens Geschäftsführer Klaus Allofs hat eine Meldung dementiert, wonach der peruanische Angreifer dem Fußball-Bundesligisten zum Sommer gekündigt hat. […]
Die Verwirrung war also perfekt und der sid hatte nicht ganz unwesentlich dazu beigetragen.
Um 14.08 Uhr tickerte die Deutsche Presseagentur (dpa) dann sinngemäß, dass klar sei, dass nichts klar sei:
“Sport Bild”: Pizarro hat gekündigt – Werder hofft auf Verbleib
Bremen (dpa) – Fußball-Profi Claudio Pizarro und Werder Bremen halten sich im Poker um eine Fortsetzung ihrer Zusammenarbeit weiter bedeckt. Auch eine Meldung des Fachmagazins “Sport Bild”, laut der Pizarro seinen Vertrag beim Bundesligisten fristgerecht zum Saisonende gekündigt hat, wollten der Stürmerstar und Werder-Chef Klaus Allofs weder bestätigen noch dementieren.
“Ich habe noch keine Entscheidung getroffen. Es ist weiterhin alles offen, wir müssen noch einige Gespräche führen”, betonte Pizarro am Donnerstag in Bremen. “Wir machen grundsätzlich keine Aussagen über Vertragsinhalte”, sagte Geschäftsführer Allofs. […]
Zum derzeitigen Zeitpunkt ist also lediglich die Erkenntnis gesichert, dass Claudio Pizarro einen Vertrag mit Werder Bremen hat. Wie lang der noch läuft und was Pizarro danach macht, werden wir irgendwann erfahren. Vermutlich wieder exklusiv.
Der 13. Spieltag der Fußball-Bundesliga stand offensichtlich unter keinem guten Stern. Neben der medialen Überforderung in einem anderen Fall (BILDblog berichtete) gab es auch noch diese Schlagzeile, die so oder so ähnlichdurchvieleMedienging (hier: “Welt Online”):
Das Mitleid in den Leserkommentaren hält sich dabei in Grenzen. Auf “Welt Online” heißt es etwa:
Hooligan vs Hooligan, also nichts tragisches. Wer sich freiwillig und mutwillig in Gefahr begibt, muss halt mit den Konsequenzen rechnen. Gilt schließlich auch für jeden Straftäter.
Oder:
Hätte ruhig mehr als nur der Arm sein können, auf sowas kann man gut verzichten.
Wenigstens wird er wohl künftig Ruhe geben…zumindest eine Sorge weniger
Dass es sich bei dem verletzten Nürnberg-Fan überhaupt um einen Hooligan handeln soll, geht auf Berichte des bayrischen Landesdienstes von dpa und des Sportinformationsdienstes sid vom Sonntag zurück, deren Überschriften “Nürnberger Hooligan verliert Arm bei Schlägerei” bzw. “Schlägerei in Köln: Hooligan verliert Arm” lauteten. Im dpa-Bericht heißt es unter anderem:
Ein Nürnberger Fußball-Hooligan hat bei einer Schlägerei mit Mainzer Fans im Kölner Hauptbahnhof einen Arm verloren. (…) Das Opfer war der Polizei selbst als sogenannter “Gewalttäter Sport” bekannt und zur Personenkontrolle ausgeschrieben.
So eindeutig, wie dpa und sid sie darstellen, scheint die Sachlage jedoch nicht zu sein. Am Montag meldet sich die Nürnberger Ultraabspaltung “Banda di Amici” zu Wort und wehrt sich gegen die Bezeichnung des Verletzten als Hooligan:
Unser Gruppenmitglied (…) war weder einer der körperliche Gewalt gesucht hat, noch war er in irgendeiner Weise vorbestraft. Sein viel zitierter “Gewalttäter Sport” Eintrag stammt von den Vorfällen beim Derby Heimspiel im Februar 2010, wo er einen Freispruch erster Klasse erhielt.
Auch der Nürnberger Sport-Vorstand Martin Bader sagt in einem Interview auf fcn.de, dass der verletzte Clubfan seinen Informationen zufolge kein Hooligan ist. Und im Onlineauftritt des “Kölner Stadtanzeigers” heißt es:
Der Kölner Oberstaatsanwalt Alf Willwacher konnte Medienberichte nicht bestätigen, nach denen es sich bei dem Opfer um einen polizeibekannten Hooligan handeln soll.
In der “Allgemeinen Zeitung” und auf nordbayern.de, dem gemeinsamen Onlineauftritt der “Nürnberger Nachrichten” und der “Nürnberger Zeitung”, werden sogar ernsthafte Zweifel an der ursprünglichen Darstellung laut. So wird inzwischen auch ein Unfall nicht mehr ausgeschlossen:
Zeugen, die keiner Fangruppe angehören, gaben mittlerweile Hinweise darauf, dass es sich auch um einen Unfall gehandelt haben könnte. “Sie haben ausgesagt, dass der 19-Jährige über die Bahngleise gelaufen war und dabei vor den Zug gefallen sei”, sagte der ermittelnde Kölner Oberstaatsanwalt Alf Willwacher der Nürnberger Zeitung. Die Ermittlungen laufen nun in beide Richtungen.
Kein Wunder also, dass sich jetzt auch noch die “Rot-Schwarze Hilfe”, eine Art Hilfsorganisation für FCN-Fans, die mit Justiz oder Presse in Konflikt geraten sind, eingeschaltet hat. Sie schreibt:
Tatsache ist, dass der Geschädigte (Mitglied der RSH) noch nie strafrechtlich verurteilt wurde. Die Nürnberger Polizei hat ausdrücklich bestätigt, dass die Pressemeldung der Deutschen Presseagentur von gestern falsch ist.
Über den für den Fall zuständigen RSH-Anwalt wurde daher die Deutsche Presseagentur aufgefordert, die Meldung zu widerrufen und eine strafbewehrte Unterlassungserklärung noch am heutigen Tage abzugeben.
Die Deutsche Presseagentur bestätigte uns gegenüber den Eingang einer Aufforderung zur Abgabe einer Unterlassungserklärung, wies die Vorwürfe jedoch zurück und flüchtete sich in Details:
1. Ja, wir sind durch einen Anwalt zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert worden.
2. Nein, wir haben keine solche Erklärung abgegeben und werden das nach derzeitigem Erkenntnisstand auch nicht tun.
3. Unsere Berichterstattung war nicht falsch, sondern jederzeit durch gute Quellen bei Polizeibehörden gedeckt.
(…)
Was die Verwendung des Begriffs “Hooligan” angeht (…): Wir schreiben in unserer Berichterstattung im Konjunktiv und unter Verweis auf die uns vorliegenden Polizeiquellen, der Betroffene sei “der Polizei als sogenannter ‘Gewalttäter Sport’ bekannt”. Wir behaupten nicht selbst, dass er ein solcher “Gewalttäter Sport” ist. Dass sein Mandant in der entsprechenden Datei als “Gewalttäter Sport” geführt wird, hat übrigens auch sein Anwalt uns gegenüber nicht bestritten – er erklärt lediglich, eine solche Eintragung in die Datei sei nicht gleichzusetzen mit der Behauptung, der Betroffene sei auch tatsächlich ein “Gewalttäter”. Aber, wie gesagt, dies hat die dpa ja auch nie behauptet.
Die dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH hat an ihrer Berichterstattung nichts zu widerrufen oder zu berichtigen.
Man muss wohl schon Jurist (oder dpa-Mitarbeiter) sein, um in den Sätzen “Ein Nürnberger Fußball-Hooligan hat bei einer Schlägerei (…) einen Arm verloren” und “Das Opfer war der Polizei selbst als sogenannter ‘Gewalttäter Sport’ bekannt und zur Personenkontrolle ausgeschrieben” die feine Nuancierung zu erkennen, dass es sich nur um einen “Hooligan” oder “Gewalttäter Sport” handeln könnte.
Unterdessen hat dapd schon längst eine neue Nachricht gemeldet. Die Überschrift lautet: “Verunglückter Fan kein Hooligan”
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.
Nachtrag, 27. Oktober: In einer Meldung vom Freitag geht jetzt auch dpa deutlich differenzierter mit dem Fall um. Unter anderem heißt es dort:
Der 19-Jährige wird nach Angaben des bayerischen Innenministeriums in der Datei “Gewalttäter Sport” geführt. Auf diese Liste kann man nach Polizei-Angaben auch kommen, ohne jemals selbst gewalttätig geworden zu sein. Es kann dafür ausreichen, dass jemand zu einer Gruppe gerechnet wird, aus der heraus Straftaten begangen werden. Das bayerische Innenministerium will keine Angaben dazu machen, weshalb der 19-Jährige in die Gewalttäter-Datei aufgenommen wurde.
Der junge Mann hat mittlerweile über seinen Anwalt Jahn-Rüdiger Albert bestreiten lassen, dass er Gewalttäter sei. “Mein Mandant ist keinHooligan und gehört auch keiner Hooligan-Gruppierung an”, versicherte Albert. Der 19-Jährige sei auch zu keinem Zeitpunkt verurteilt worden, weder wegen einer Gewalttat im Zusammenhang mit einem Fußballspiel noch wegen sonstiger Delikte.
Die Rot-Schwarze Hilfe nennt diese Zeilen einen “riesigen Erfolg” und sieht darin ein Einknicken der dpa.
Am Samstag wurde das Bundesligaspiel zwischen dem 1. FC Köln und dem FSV Mainz 05 eine knappe Stunde vor Anpfiff abgesagt. In der ersten Eilmeldung, die dazu über die Ticker ging, schrieb der Sportinformationsdienst (sid):
“Der Schiedsrichter ist nicht eingetroffen”, sagte FC-Pressesprecher Tobias Schmidt: “In der Kürze der Zeit konnte kein Ersatzmann kommen. Wir können keine weiteren Angaben machen.” Das Spiel sollte von Babak Rafati (Hannover) geleitet werden.
In einer eilig einberufenen Pressekonferenz erklärte Kölns Sportdirektor Volker Finke, dass es “einen Unfall des Schiedsrichters” gegeben habe. Doch zu diesem Zeitpunkt war schon eine andere Version in Umlauf, auf den Draht gegeben von der Deutschen Presseagentur (dpa):
Nach dpa-Informationen soll Rafati einen Selbsttötungsversuch unternommen haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es zunächst nicht.
Das sind Sätze, deren Dimension sich einem nicht auf den ersten Blick erschließt. Wenn sich die “dpa-Informationen” als falsch herausgestellt hätten, wäre es ein mittelgroßes Desaster für die dpa gewesen: Ein paar Leute hätten sich bei Rafati und ein paar anderen Leuten entschuldigen müssen. Aber dieses Szenario wäre womöglich weniger verheerend gewesen, als das, was dann passierte.
In ihrer Radio-Fußballübertragung gingen die ARD-Anstalten früh auf das Gerücht ein, das sich bald als Fakt bestätigte. Der WDR vermeldete stolz, herausgefunden zu haben, in welchem Hotel Rafati mutmaßlich seinen Selbstmordversuch unternommen habe, und die Onlinemedien drehten auf. Die Nachrichtenagentur dapd stimmte erstaunlich spät mit ein, aber vielleicht hatte dort einfach niemand mitbekommen, was los war.
Babak Rafati hat überlebt, aber ein Selbstmordversuch ist und bleibt ein versuchter bzw. nicht gelungener Suizid. Um Nachahmungstaten (den sogenannten “Werther-Effekt”) möglichst gering zu halten, empfehlen Psychologen den Medien, bei der Berichterstattung über Suizide Folgendes zu beachten:
Sie sollten jede Bewertung von Suiziden als heroisch, romantisch oder tragisch vermeiden, um möglichen Nachahmern keine post-mortalen Gratifikationen in Form von Anerkennung, Verehrung oder Mitleid in Aussicht zu stellen.
Sie sollten weder den Namen der Suizidenten noch sein Alter und sein Geschlecht angeben, um eine Zielgruppen-Identifizierung auszuschließen.
Sie sollten die Suizidmethode und – besonders bei spektakulären Fällen – den Ort des Suizides nicht erwähnen, um die konkrete Imitation unmöglich zu machen.
Sie sollten vor allem keine Informationen über die Motivation, die äußeren und inneren Ursachen des Suizides andeuten, um so jede Identifikations-Möglichkeit und Motivations-Brücke mit den entsprechenden Lebensumständen und Problemen des Suizidenten vermeiden.
Der sid jedenfalls eröffnete schon um 16.09 Uhr, keine Stunde, nachdem der erste Hinweis auf Rafatis Selbstmordversuch über den Ticker gegangen war, den munteren Spekulationsreigen: Die Reporter hatten jemanden gefunden, den sie mit den Worten zitieren konnten, “depressive Verhaltensverweisen” von Rafati seien ihm nicht bekannt.
“Spiegel Online” hatte zunächst so über Rafatis Ausfall für das Bundesligaspiel berichtet:
Offenbar ein Versehen, denn eine halbe Stunde sah der gleiche Artikel so aus:
DFB-Präsident Theo Zwanziger gab noch am Samstagnachmittag in Köln eine Pressekonferenz, in der er es schaffte, an den Satz “Ich würde Sie bitten, mir Einzelheiten zu ersparen” mit einer Kurzbeschreibung der Auffindesituation anzuschließen, die die Medien gerne weiter verbreiteten. Georg Fiedler, der stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention kritisierte im Gespräch mit der dpa die Ausführungen Zwanzigers mit den Worten: “Ich glaube, man muss nicht sagen, wie es jemand gemacht hat”. Die dpa wiederum hielt es für eine gute Idee, Zwanziger in diesem Kontext noch mal zu zitieren.
“Spiegel TV” und “Kicker TV” bemängelten in einem gemeinsamen Videobeitrag “zweifelhafte Reaktionen”:
So gehören die Details der Situation, in der Rafati aufgefunden wurde, sicherlich zu seiner Privatsphäre, aber die Dramatik überforderte auch den DFB-Präsidenten.
So spricht der Off-Sprecher, dann spricht Theo Zwanziger und nennt die Details der Situation, in der Rafati aufgefunden wurde.
Der Totalausfall der Selbsterkenntnis geht weiter:
Ohne um die Motive oder Beweggründe Rafatis zu wissen, sind jede Menge Spekulationen im Umlauf — auch über die Rolle des Drucks auf Schiedsrichter, ohne dass jemand weiß, ob dieser Umstand im Fall Rafati zutrifft.
Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention, die die Berichterstattung der Medien als “im Großen und Ganzen angemessen” bezeichnet hatte, stellte angesichts der Spekulationen über Rafatis Beweggründe die Frage, “ob uns das überhaupt etwas angeht?”
Für Bild.de lautete die Antwort offenbar: Natürlich. Sie stellten einen Artikel aus der “Bild am Sonntag” unter dieser Überschrift online:
Reporter von “Bild” und “Berliner Kurier” hatten unterdessen Rafatis Vater ausfindig gemacht und befragen den Mann, der am Samstag beinahe seinen Sohn verloren hätte, zu aktuellen Entwicklungen und möglichen Beweggründen.
Bild.de spekuliert heute munter drauf los:
Sportliche Gründe? Zum 1. Januar sollte er den Status als Fifa-Schiedsrichter verlieren (und damit internationale Einsätze). Auch in der Bundesliga kam er immer seltener zum Zuge (erst 4 Spiele in dieser Saison). Das bedeutet für ihn auch finanzielle Einbußen.
Rafati hätte am Samstag, dem 13. Spieltag, sein fünftes Saisonspiel pfeifen sollen. Hochgerechnet auf die Saison wäre Rafati auf etwa 13 Einsätze gekommen — in der vergangenen Saison waren es neun.
Auch express.de beteiligt sich an den Spekulationen:
Kam der 41-Jährige am Ende mit dem Druck nicht mehr zurecht? Fakt ist: Auf Facebook gibt es eine Anti Rafati-Seite. Dort werden meist tief unter der Gürtellinie seine Leistungen auf dem Platz beurteilt. Derzeit diskutieren die User allerdings, ob sie den Schiedsrichter gemobbt hätten. Und ob man diese Seite nicht besser löschen sollte. Das ist bisher noch nicht geschehen.
Die Popularität dieser Facebook-Seite könnte natürlich auch auf express.de zurückgehen, wo die Reporter vor zehn Monaten geschrieben hatten:
Vor einer Woche riefen Nürnberg-Fans die Facebook-Seite “Anti Babak Rafati” ins Leben. Die hatte am Montag bereits über 1000 Anhänger – inzwischen auch viele aus Düsseldorf. Wer stoppt “Tomati” endlich?
“Bild” fragt heute “Wie krank macht die Bundesliga?” und stellt fest:
Immer mehr Akteure scheinen mit dem Druck nicht fertig zu werden.
“Bild” verweist in diesem Zusammenhang auch noch einmal auf den Selbstmord von Nationaltorwart Robert Enke vor zwei Jahren und zitiert den Sportpsychologen Andreas Marlovits mit den Worten:
“Vor allem wenn es um negative Wertungen geht, also beispielsweise der schlechteste Schiedsrichter o. ä. gewählt wird und Personen ständig persönlich angegriffen werden, kann es gefährlich werden, weil es einen gewaltigen Druck erzeugt.”
In einer kurzen Phase der Selbstreflexion hatte sich Walter M. Straten, stellvertretender Sportchef von “Bild”, nach Enkes Tod mit den Worten zitieren lassen:
“Wir werden wohl mit extremen Noten etwas vorsichtiger sein”, sagt der stellvertretende Bild-Sportchef. Man werde sich einmal mehr überlegen, “ob der Spieler, der eine klare Torchance vergeben hat, oder der Torwart, der den Ball hat durchflutschen lassen, eine Sechs bekommt oder eine Fünf reicht”.
In der gleichen Ausgabe, in der ein Psychologe vor dem “gewaltigen Druck” warnt, der durch negative Wertungen entsteht, bewertete “Bild” die Leistung der Spieler des SV Werder Bremen im Spiel gegen Borussia Mönchengladbach heute so:
Wie Journalisten dem öffentlichen Interesse nachkommen können, ohne alles noch schlimmer zu machen, beweist sueddeutsche.de mit der knappen Meldung, dass Babak Rafati inzwischen aus dem Krankenhaus entlassen sei.
Fast so lang wie der Artikel selbst ist diese Anmerkung:
Anmerkung der Redaktion: Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Selbstmorde zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Die Berichterstattung im Fall Rafati gestalten wir deshalb bewusst zurückhaltend, wir verzichten weitgehend auf Details. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide.
Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge. Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten.
Mit Dank auch an die vielen Hinweisgeber!
Nachtrag, 22. November: Die Nachrichtenagentur dapd hat uns mitgeteilt, dass ihre Redakteure – entgegen unserer Spekulationen – durchaus mitbekommen hätten, dass sich offenbar Schlimmes zugetragen hatte. Die Redaktion habe sich aber erst ganz sicher sein wollen, bevor sie darüber berichtete.
Es gibt Geschichten, die schreiben sich fast von alleine. Die Sache mit Wayne Rooney, dem britischen Fußballspieler, der sich vor sechs Wochen Haare transplantieren ließ, aber heute scheinbar mehr Glatze hat als vorher, ist so eine Geschichte. Es brauchte nur eines Fotos, auf dem man einen klaren Blick auf die aktuellen Haarverhältnisse auf Rooneys Schädel werfen konnte, und keiner Recherche. Boulevardmedien in aller Welt, von Bild.de über die “Sun” bis “Spiegel Online”, machen sich mit unverhohlener Häme über den scheinbaren Misserfolg der Operation lustig.
“Trotz Moos nix los”, feixt “Spiegel Online”, wo sich offenbar schlecht bezahlte Mitarbeiter damit trösten, dass man sich mit Geld doch nicht alles kaufen kann: “Fußballstar Wayne Rooney hat Tausende Pfund in eine Haartransplantation investiert. Die Resultate sind äußerst spärlich.” Zunehmend müsse sich Rooney “eingestehen, dass die Transplantation wohl wenig bis gar nichts gebracht hat”.
Die Konkurrenz von Bild.de titelt: “Bei Rooney wächst kein Gras mehr…”, zweifelt am “langfristigen Erfolg der Behandlung” und meint, Rooney hätte die 11.000 Euro, die die Umpflanzung der Haare angeblich gekostet hat, besser für einen “schönen Urlaub” ausgegeben: “Mit Sonnencrème für die Glatze…”.
Die Online-Redaktion der “Rheinischen Post” diagnostiziert: “Transplantation ohne Wirkung”. Grundlage dafür ist ein Bericht des Sport-Informationsdienstes, dessen Haar-Experten heute meldeten: “Wayne Rooney (25), englischer Fußball-Nationalspieler in Diensten von Manchester United, muss sich wohl mit dem Gedanken an eine Glatze abfinden.”
In einem Wort: nein.
Vermutlich wird Rooney sogar damit gerechnet haben, zum jetzigen Zeitpunkt weniger Haare zu haben als vor dem Eingriff. Die Leute, die solche Transplantationen anbieten oder vermitteln, weisen nämlich ausdrücklich auf folgenden Umstand hin: Einige Wochen nach der Operation fallen die meisten verpflanzten Haare (und teilweise sogar einige alte Haare) zunächst einmal aus. Die Wurzeln bleiben aber erhalten. Erst nach etwa drei bis vier Monaten beginnt das neue Haar zu wachsen; abgeschlossen ist das alles nach rund einem Jahr.
Was hätte das für eine nette Geschichte werden können, wenn man das aufgeschrieben hätte: Ein Lehrstück an einem prominenten Beispiel, mit weniger Häme über den doofen reichen haarlosen Fußballspieler, aber voller Hoffnung für Menschen, die an Haarausfall leiden. Es hätte halt jemand recherchieren müssen, anstatt bloß auf- und abzuschreiben, was jeder sieht und sich (fälschlicherweise) denkt, aber wer sollte das tun? Journalisten?
Die folgende Geschichte wird ein bisschen kompliziert. Vielleicht legen Sie besser Papier und Bleistift zurecht — oder eine frisch betonierte Fläche, in die Sie ein paar Notizen einritzen können.
Am Samstag (Ortszeit) drückte der Basketballspieler Kobe Bryant seine Hände und Füße in eine Betonfläche am Hollywood Boulevard in Hollywood. Er durfte das.
Am Sonntagmorgen um 8.28 Uhr tickerte der Sportinformationsdienst (sid) unter der Überschrift “‘Black Mamba’ Bryant: Erster Sportler auf Hollywoods Walk of Fame” an seine Kunden:
Köln, 20. Februar (SID) – NBA-Superstar Kobe Bryant hat als erster Sportler seine Hand- und Fußabdrücke (Schuhgröße 48) auf Hollywoods Walk of Fame hinterlassen. (…)
Die Deutsche Presseagentur (dpa) legte um 13.53 Uhr und 16.03 Uhr mit der Meldung “Kobe Bryant als erster Sportler auf Walk of Fame” nach:
Los Angeles (dpa) – Basketball-Superstar Kobe Bryant hat sich als erster Sportler auf Hollywoods legendärem “Walk of Fame” verewigen dürfen. Der Guard der Los Angeles Lakers hinterließ am Samstag (Ortszeit) auf dem berühmten Bürgersteig des Hollywood Boulevards seine Hand- und Fußabdrücke neben denen von Showgrößen wie Elvis Presley, Marilyn Monroe oder Tom Cruise. (…)
Und AFP berichtete unter der Überschrift “Bryant erster Sportler auf Hollywoods Walk of Fame” und mit einer interessanten Ortsmarke:
Köln — NBA-Superstar Kobe Bryant hat als erster Sportler seine Hand- und Fußabdrücke (Schuhgröße 48) auf Hollywoods Walk of Fame hinterlassen. (…)
Das alles ist in dieser Form falsch.
Der “Walk of Fame” besteht aus mehr als 2.400 Terrazzo-Sternen, mit denen verdiente Persönlichkeiten der Unterhaltungsindustrie ausgezeichnet werden. Hand- und Fußabdrücke werden traditionell in der Umgebung des Kinos “Grauman’s Chinese Theatre” hinterlassen und haben – neben der vergleichbaren Ehre und der räumlichen Nähe – nichts mit dem “Walk of Fame” zu tun.
Wäre Kobe Bryant mit einem Stern auf dem “Walk of Fame” geehrt worden – was er ja nicht wurde -, so wäre er nicht der erste Sportler gewesen, sondern der dritte: Unter sehr freier Regelauslegung hatte das Komitee 2001 den Basketball-Spieler Earvin “Magic” Johnson und 2002 den Boxer Muhammad Ali mit einem Stern geehrt.
In der Annahme, den Fehler gefunden zu haben, verschickte der sid um 23 Uhr eine “korrigierte Fassung”:
Köln, 20. Februar (SID) – Große Ehre für NBA-Superstar Kobe Bryant: Der 32 Jahre alte Shooting Guard der LA Lakers hinterließ seine Hand- und Fußabdrücke (Schuhgröße 48) auf Hollywoods Walk of Fame und ist damit einer von wenigen Sportlern, die sich auf dem weltberühmte Gehweg verewigen durften. Sein Basketball-Kollege Magic Johnson und Box-Legende Muhammad Ali gehören auch dazu. (…)
Das war schon mal bedeutend falscher als die Ursprungsversion, denn Bryant war tatsächlich der erste Sportler, der sich im Zement verewigen durfte — Johnson und Ali haben ja Sterne. Blöderweise lief diese Korrektur immer noch unter der – in jedem Fall falschen – Überschrift “‘Black Mamba’ Bryant: Erster Sportler auf Hollywoods Walk of Fame”. Drei Minuten später korrigierte der sid die Überschrift in “‘Black Mamba’ Bryant auf Hollywoods Walk of Fame” und wähnte sich in Sicherheit.
Dass die Hand- und Fußabdrücke nicht auf dem “Walk of Fame” hinterlassen werden, hat der sid immer noch nicht verstanden und schreibt heute über das Allstar-Game:
Einen Tag nachdem der 32-Jährige seine Hand- und Fußabdrücke auf dem weltberühmten Walk of Fame hinterlassen hatte, spielte Bryant vor Stars und Sternchen groß auf, avancierte mit 37 Punkten zum besten Werfer und wurde zum vierten Mal als “wertvollster Spieler” des NBA Allstar Games ausgezeichnet.
Und auch dpa ist noch im falschen Film:
Nur Stunden, nachdem sich Bryant als erster Sportler mit Hand- und Fußabdrücken auf Hollywoods “Walk of fame” verewigen durfte, war er in eigener Halle einfach nicht zu stoppen.
Aber womöglich ist es auch zu viel verlangt, von deutschen Nachrichtenagenturen (darunter einer, die explizit auf Sport spezialisiert ist), Detailkenntnisse im Straßenbild von Hollywood zu erwarten.
Die hat ja nicht mal das amerikanische Unterhaltungsportal “E! online”:
Mit Dank an Jan-Christoph K.
Nachtrag, 22. Februar: Gestern um 16.38 Uhr tickerte die dpa eine korrigierte Fassung ihres Allstar-Game-Berichts, die mit “(Berichtigung: Bryant nicht auf dem ‘walk of fame’)” gekennzeichnet war. Darin heißt es jetzt:
Nur Stunden, nachdem sich Bryant mit Hand- und Fußabdrücken im berühmten Grauman’s Chinese Theatre am Hollywood Boulevard verewigen durfte, war er in eigener Halle einfach nicht zu stoppen.
Der sid verschickte heute um 8.52 Uhr unter der Überschrift “Berichtigt: Bryant erster Sportler am Grauman Theatre” gar eine eigenständige Berichtigung, in der die Unterschiede zwischen den Sternen am “Walk of Fame” und den Abdrücken am “Grauman’s Chinese Theatre” erklärt werden. Der Text schließt mit einem “Hinweis für die Redaktionen”:
Auch der SID hat rund um das All Star Game am Wochenende in Los Angeles in Zusammenhang mit Kobe Bryant fälschlicherweise vom Walk of Fame geschrieben. Wir bitten, diesen Irrtum zu entschuldigen.
Hinweis, 22. Februar: Mehrere Leser haben uns darauf hingewiesen, dass Zement ein pulverförmiger Stoff ist und die daraus angerührte Masse Beton genannt wird. Wir haben also in den ersten beiden Absätzen “Zement” durch “Beton” ersetzt, damit auch hier alles seine Richtigkeit hat.
Was haben Jan Rosenthal (SC Freiburg), Pawel Pogrebnjak (VfB Stuttgart), Erwin Hoffer (1. FC Kaiserslautern), Marcel Risse (Mainz 05) und Luiz Gustavo (TSG 1899 Hoffenheim) gemeinsam?
Die Antwort: Sie alle waren für kurze Zeit oder sind der 3000. Torschütze der Bundesligageschichte:
Aber beginnen wir von vorn:
Noch am Freitag wurde in den Live-Tickern der App iLiga 3.0, von Bild.de und anderen Medien der Freiburger Jan Rosenthal als Schütze des 3000. Bundesligatores gefeiert. Dort hieß es:
Da ist doch tatsächlich noch das 3000. Bundesligator (…) Nicu (…) geht diagonal auf das Tor zu und passt dann überlegt nach rechts. Dort ist ROSENTHAL mitgelaufen und schiebt souverän ein.
Das ist doppelt falsch. Denn es wurde ja nicht das 3000. Bundesligator gesucht (BILDblog berichtete) sondern der 3000. Torschütze. Außerdem ist Rosenthal einer der Kandidaten, der dafür überhaupt nicht in Frage kam, weil er sein erstes Tor bereits in der Saison 2006/07, damals noch für Hannover, erzielt hat.
Von gleichem Kaliber war ein Bericht, der am Samstag zwischenzeitlich auf kicker.de zu lesen war, und den Trainer Baade freundlicherweise für die Nachwelt konserviert hat. Der Stuttgarter Pawel Pogrebnjak machte demnach nicht nur “die 3000 voll”, sondern es war auch noch “das 3000. Tor der Bundesligageschichte”. Mal vom Unfug mit dem 3000. Bundesligator ab, hat Pogrebnjak genau wie Rosenthal schon längst sein erstes Bundesligator erzielt und war deshalb von vornherein nicht mehr im Rennen.
Um 16.54 Uhr verlieh der Sport-Informations-Dienst (sid) dann Erwin Hoffer vom 1. FC Kaiserslautern vorübergehend den Titel 3000. Torschütze der Bundesligageschichte. Die Überschrift der rund 30 Minuten später korrigierten Nachricht lässt sich etwa noch bei “Google News” und bei fußball.tv finden. Welt.de, “Frankfurter Neue Presse”undandere führen einem dpa-Bericht folgend Hoffer noch immer als Nummer 3000:
Für Neuling 1. FC Kaiserslautern wird der Betzenberg wieder zu einer Festung. Trotz eines Rückstandes trotzten die Pfälzer dem bisherigen Spitzenreiter aus Hoffenheim ein 2:2 ab. Erwin Hoffer (46./75. Minute), der als 3000. Torschütze in die Liga-Historie eingeht, drehte mit seinen beiden Toren die Partie.
Auf Hoffer ließ der sid um 17.21 Uhr den Hoffenheimer Luiz Gustavo, der bereits sieben Minuten vor Hoffer traf, folgen. Vielleicht wurde er zunächst übersehen, weil er schon seit 2007 für Hoffenheim spielt und deswegen eigentlich zu erwarten gewesen wäre, dass er bereits einige Tore auf dem Konto hatte. Die meistenMedien haben mittlerweile Gustavo als 3000. Torschützen übernommen.
Eigentlich könnte es das gewesen sein, wenn da nicht noch Marcel Risse wäre. Dieser wurde auf bundesliga.de, der offiziellen Website der Deutschen Fußball Liga (DFL), zum 3000. Torschützen erklärt:
Marcel Risse ist der 3000. Spieler, der in 47 Jahren Bundesliga ein Tor geschossen hat. Der Mainzer erzielte den Jubiläumstreffer am Samstag in der 53. Minute gegen den SV Werder Bremen zum zwischenzeitlichen 1:0.
Und auch bei der Nachberichterstattung im Pay-TV-Sender Sky wird Risse als 3000. Torschütze genannt, was Bild.de gleich zur “TV-Panne des Tages” erklärte:
Einziger Fehler: Der 3000. Torschütze ist Hoffenheims Luiz Gustavo (23)…
So einfach, wie Bild.de es sich macht, ist es – wer hätte das gedacht? – nicht.
Denn die DFL, die mit dem Statistikanbieter Opta Sport Daten AG zusammenarbeitet, hat uns bestätigt, dass ihrer Statistik zufolge nach wie vor Marcel Risse als 3000. Toschütze geführt wird. Als 2997. Schützen verzeichnen sie den Kölner Taner Yalçin, als 2998. Luiz Gustavo und als 2999. Erwin Hoffer.
Der sid wiederum, der mit dem Fußballdatendienstleister Impire AGzusammenarbeitet, beharrt gegenüber BILDblog darauf, dass ihrer Statistik zufolge Luiz Gustavo die Ehre gebührt, sich 3000. Torschütze nennen zu dürfen.
Allerdings wollen sowohl DFL als auch sid nicht ausschließen, dass die beiden Statistikanbieter in der Vergangenheit das eine oder andere unklare Tor einem anderen Spieler zugeschrieben oder als Eigentor gewertet haben als der jeweils andere. Somit gibt es jetzt tatsächlich zwei amtierende 3000. Torschützen, einen von sids und einen von DFLs Gnaden — wobei es ganz danach aussieht, als würde sich die Auffassung des sid durchsetzen.
Gestern haben wir über den Sportinformationsdienst (sid) geschrieben, weil der eine neun Jahre alte Information für brandneu hielt.
Kurz darauf war der sid mal seiner Zeit voraus und berichtete bereits gestern Abend um 22.45 Uhr, wie der Dortmunder Nuri Sahin am heutigen Abend drauf (gewesen) sein wird:
Sahin strotzte nur so vor Selbstbewusstsein, als er am Donnerstagabend zu seinem vierten Europacup-Einsatz auflief (…)
Geschichten über den 11. September gehen eigentlich immer, aber besonders gut gehen sie in den Tagen um den 11. September. Wenn es dann noch Neuigkeiten zu verkünden gibt (oder das, was Journalisten dafür halten), sind große Schlagzeilen garantiert.
Der Sportinformationsdienst (sid) hat wegen seiner thematischen Ausrichtung eher selten mit den Terroranschlägen von 2001 zu tun, aber heute hatte auch er Gelegenheit, sich dem Thema zu widmen:
Der fünfmalige Schwimm-Olympiasieger Ian Thorpe gab am Mittwoch erstmals preis, dass er bei den Terroranschlägen vom 11. September 2001 um ein Haar sein Leben verloren hätte.
Thorpe wollte nämlich an jenem geschichtsträchtigen Morgen eigentlich die Aussichtsplattform des World Trade Centers besuchen, als er feststellte, dass er seine Fotokamera vergessen hatte. Er kehrte zu seinem Hotel zurück und die Flugzeuge schlugen ins World Trade Center ein.
Eine dramatische Geschichte, durchaus, aber keine, die Thorpe “erstmals” “preisgegeben” hätte. Sie wurde genau genommen sogar ziemlich schnell bekannt: Am 13. September 2001, zwei Tage nach den Anschlägen. Aber da ging sie in der allgemeinen 9/11-Berichterstattung vielleicht etwas unter.
Anders als der sid wusste AFP Thorpes aktuelle Äußerungen allerdings korrekt einzuordnen:
Die australische Schwimmlegende Ian Thorpe verriet, dass er immer noch über sein knappes Entkommen vor den Anschlägen vom 11. September nachdenkt, als eine vergessene Kamera möglicherweise sein Leben gerettet hat.
Übersetzung von uns.
Mit Dank an Martin T.
Nachtrag, 17.55 Uhr: Unsere Leser Basti und Till G. weisen uns darauf hin, dass die Aussichtsplattform des World Trade Centers zur Zeit der Anschläge noch gar nicht geöffnet war, was Thorpes Entkommen ein ganzes Stück weniger knapp machen dürfte.
Sommerpause. Zeit der Gerüchte und Spekulationen in der Fußballwelt. Der walisische Nationalspieler Craig Bellamy wird zum Beispiel nicht von Manchester City zum VfL Wolfsburg wechseln, wie der Sportinformationsdienst (sid) berichtet.
Und das, wo Bellamy in Manchester kaum eine Zukunft hat:
Manchester hat für Bellamys Position den Spanier David Villa für rund 30 Millionen Euro vom FC Valencia verpflichtet, Coach Roberto Mancini will Bellamy nicht einmal einen Platz im 25-Mann-Kader garantieren.
Eine interessante Behauptung, die der sid da aufstellt, denn Villa ist gerade für 40 Millionen zum FC Barcelona gewechselt — und das nicht “unter Umständen” und erst heute, sondern ganz offiziell am 19. Mai.
Für gerüchteweise 30 Millionen von Valencia nach Manchester gewechselt ist David Silva, immerhin auch Spanier. Aber der wird als Mittelfeldspieler kaum auf Craig Bellamys Position im Sturm spielen. (Vielleicht doch.)
Der 1. FC Kaiserslautern hat Grund zu Feiern: Nach dem gestrigen 4:0 gegen 1860 München hat der Zweitligist aus der Pfalz 61 Punkte auf seinem Konto.
Und das ist eine sichere Bank, wie der Sportinformationsdienst (sid) gestern Abend gleich zwei Mal tickerte, was entsprechend weitreichende Verbreitung fand:
Denn seit Einführung der Drei-Punkte-Regel in der Saison 1995/96 reichten in der 2. Liga bisher immer 60 Punkte zum Aufstieg.
Das stimmt so nicht: Am Ende der Saison 2006/07 verpasste der SC Freiburg trotz 60 Punkten auf dem Konto den Aufstieg und musste dem MSV Duisburg den Vortritt in die erste Liga lassen.
Möglicherweise ist dieser Fall jemandem beim sid über Nacht wieder eingefallen, denn in einer weiteren Meldung heute Mittag korrigierte der sid seine Behauptung von gestern Abend unauffällig um einen Punkt nach oben:
61 Punkte haben die Lauterer auf dem Konto, das hat seit Einführung der Drei-Punkte-Regel in der Saison 1995/96 stets zum Aufstieg gereicht.
Allein: Das stimmt immer noch nicht. In der Saison 2002/03 haben dem FSV Mainz 05 62 Punkte nicht für den Aufstieg gereicht:
Und in der Saison 2001/02 waren sogar 64 Punkte zu wenig:
Aber das sollte die Anhänger von Kaiserslautern nicht übermäßig beunruhigen: Wer am 28. Spieltag 60 Punkte oder mehr hatte (so wie der FCK jetzt), ist tatsächlich bisher immer aufgestiegen.
Mit Dank an Ronald F.
Nachtrag, 14.55 Uhr: Unser Leser Malte Sch. ergänzt, dass seit der Saison 2008/09 der Drittplatzierte der Zweitliga-Tabelle nicht mehr automatisch in die erste Liga aufsteigt: In zwei Relegationsspielen gegen den 16. der ersten Liga entscheidet sich, wer in der folgenden Saison in der 1. Bundesliga spielen darf.
So gesehen hat auch der 1. FC Nürnberg mit seinen 60 Punkten in der vergangenen Saison nicht den sofortigen Aufstieg geschafft — sondern erst in der Relegation gegen Energie Cottbus.
Es ist ja schon erstaunlich, aus was für Kleinigkeiten Bild.de manchmal so Meldungen fabriziert:
Und wie die dann auch noch anmoderiert werden:
Was ist denn auf der Insel los? Ausgerechnet der England-Profi, der eine der heißesten Spielerbräute überhaupt an seiner Seite hat, wäre gern eine Jungfrau!
Peter Crouchs (29) irre Beichte.
Auf die Frage, was er statt eines Fußballers gern geworden wäre, erwiderte der England-Star: “Eine Jungfrau.”
Wer soll ihm das denn glauben? Schließlich ist er mit Unterwäsche-Model Abigail Clancy (24) zusammen. Und die ist das fleischgewordene Gegenteil von keuscher Jungfräulichkeit.
Glauben muss ihm das niemand, weil er es nicht gesagt hat. Und wenn er es gesagt hätte, dann nicht jetzt, sondern “einmal”.
Bild.de hat diese gewagte Übersetzung eines älteren Zitats offensichtlich vom Sportinformationsdienst (sid), der anlässlich Crouchs Wahl zum lustigsten Mann im britischen Sport folgende Gaga-Meldung veröffentlichte:
Der englische Fußball-Nationalstürmer Peter Crouch wurde zum lustigsten Sportler Großbritanniens gewählt. Den Sieg bei der Wahl verdankt Crouch seiner Antwort auf die Frage, was er statt eines Fußball-Profis gerne geworden wäre. “Eine Jungfrau”, hatte Crouch darauf geantwortet.
“Na, wenn man mit so was lustigster Sportler wird, kann es um den berühmte britischen Humor ja nicht zum Besten bestellt sein”, dachte bei “RP Online”, “Focus Online” oder Handelsblatt.com offenbar niemand, und so wurde diese merkwürdige Geschichte munter weiterverbreitet, wenn auch nicht derart aufgeblasen wie bei Bild.de.
The 6ft 7in striker won top billing for a cheeky response to the question: “What would you be if you weren’t a footballer?”
The Spurs targetman replied: “A virgin.”
Auf die Frage, was er wäre (nicht: geworden wäre), wenn er nicht Fußballer wäre, hatte der nicht sonderlich attraktive Stürmer also geantwortet: (noch) Jungfrau.
Das Medienmagazin “Meedia” hat die Besucherzahlen der Homepages deutscher Profifußballclubs verglichen und daraus “die deutschen Fußballmeister des Internets” ermittelt.
“Tolle Sache!”, scheint man sich bei Bild.de gedacht zu haben und hat die Geschichte gleich aufgegriffen.
Es gab nur ein Problem: In der “Meedia”-Statistik, die auf dem Google-Werkzeug “Ad Planner” beruhen, fehlt der FC Bayern München. Dessen Homepage ist eine Unterseite von t-home.de, weshalb sich aus öffentlich einsehbaren Quellen keine eindeutigen Besucherzahlen (“Unique Visitors”) ermitteln lassen.
“Meedia”-Autor Jens Schröder schrieb aber:
Dem Vernehmen nach dürften aber mindestens 30-40% der 1,60 Mio. Unique Visitors auf t-home.de wegen der FCB-Website zustande gekommen sein. Damit läge der FC Bayern an der Spitze der Clubs.
Also: Die Bayern werden offiziell nicht gewertet, wären aber Schätzungen zufolge deutlicher Spitzenreiter bei den Besucherzahlen.
Das war zu kompliziert für Bild.de, wo man deshalb in einer ersten Version die Bayern der Einfachheit halber zu Siegern erklärte und titelte:
Tabelle nach Homepage-Visits:
Bayern München ist Online-Meister vor Borussia Dortmund
Kurz darauf änderte Bild.de seine Meinung und den Artikel und titelte nun überraschend:
Als Quelle angegeben war nun: “meedia.de und FC Bayern”. Es schien, als hätte Bild.de beim FC Bayern selbst nachgefragt — jedenfalls hantierte die Redaktion plötzlich mit der Zahl “260.000” und erstellte daraufhin ein eigenes Ranking.
Nun könnte man sagen: “Immerhin hat Bild.de sich die Mühe gemacht und selbst noch ein wenig recherchiert. Warum sie das nicht vor der Veröffentlichung des Artikels in der ersten Form (mit Bayern als Spitzenreiter) getan haben weiß man nicht, aber immerhin …”
Doch selbst wenn man annähme, dass die 260.000 stimmten, wäre die folgende Behauptung immer noch Quatsch:
Und auch im Internet reicht es für Deutschlands Vorzeigeklub nur zur Vize-Meisterschaft
Das hat das Mediadaten-Portal meedia.de herausgefunden. Dort werden alle Homepages der Bundesliga-Klubs nach den regelmäßigen Nutzern (“Unique Visitors”) aufgelistet — und da liegt der Rekordmeister hinter Borussia Dortmund.
— denn bei “Meedia” hat der FC Bayern ja gar keinen Platz in der Auflistung.
Das wiederum war den Kollegen vom Sportinformationsdienst sid offenbar völlig entgangen, als sie folgende Meldung tickerten:
Dortmund hat die beliebteste Internet-Homepage
Dortmund (SID) In der Tabelle der beliebtesten Internet-Homepages ist Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund die Nummer eins. Das ist nach Informationen von bild.de das Ergebnis einer Untersuchung des Mediadaten-Portals media.de [sic!]. Aufgelistet wurden die Klubs nach der Anzahl der regelmäßigen Nutzer ihrer Internetseiten pro Monat. Hinter dem BVB (290.000 Nutzer im Monat September) liegt Bayern München (260.000) vor dem Hamburger SV und Schalke 04 (jeweils 240.000) sowie Werder Bremen (220.000).
“Nach Informationen von bild.de das Ergebnis einer Untersuchung des Mediadaten-Portals media.de” — Toll, was? Anstatt einfach mal auf den Artikel bei “Meedia” (mit zwei E) zu schauen, der sogar bei Bild.de direkt verlinkt ist, schreibt der sid, was Bild.de schreibt, was ein “Mediadaten-Portal” (was auch immer das sein soll) schreibt. So funktioniert Journalismus im 21. Jahrhundert.
In der Tabelle der beliebtesten Internet-Homepages ist Fußball-Bundesligist Borussia Dortmund die Nummer eins. Das ist das Ergebnis einer Untersuchung des Mediadaten-Portals media.de. Aufgelistet wurden die Klubs nach der Anzahl der regelmäßigen Nutzer ihrer Internetseiten pro Monat. Hinter dem BVB (290.000 Nutzer im Monat September) liegt Bayern München (260.000) vor dem Hamburger SV und Schalke 04 (jeweils 240.000) sowie Werder Bremen (220.000).
Indem man “nach Informationen von bild.de” aus der sid-Meldung rausgenommen hat, ist jetzt natürlich alles falsch, denn weder bei “Meedia” und schon gar nicht bei media.de stehen die Bayern auf Platz zwei.
Kaum hatte sich die Meldung mit Dortmund als Nummer 1 halbwegs verbreitet, schmiss Bild.de irgendwann am Abend den kompletten Artikel erneut um und krampfte sich in Richtung der ersten Version zurück:
Tabelle der Bundesliga-Klubs nach Homepage-Visits: Bayern München vor Borussia Dortmund und dem HSV
(…) Nur zu Bayern München konnte die Medienseite keine genauen Angaben machen — die hat der Verein jetzt nachgeliefert. Das Ergebnis: Deutschlands Klub der Superlative liegt mit klarem Vorsprung an der Spitze, “Vize-Meister” ist Borussia Dortmund vor dem HSV und Schalke.
Doch der Versuch der Eigen-Recherche ist gründlich in die Hose gegangen:
Wir erinnern uns: t-home.de hat insgesamt 1,6 Millionen Unique Visitors (verschiedene Besucher), da kann die Subdomain bayern.t-home.de schlecht mehr als doppelt so viele haben. Der FC Bayern hat Bild.de anscheinend die Zahl der visits (Besuche) genannt — eine ganz andere Messgröße, die sich mit den anderen nicht vergleichen lässt.
Und vermutlich für immer ein Geheimnis wird bleiben, wo die Zahl 260.000 herkame, die Bild.de vorher genannt und die der sid treudoof weiterverbreitet hatte.
Mit Dank auch an Manuel H.
Nachtrag, 17. Oktober, 00:17 Uhr: Anders als Bild.de schreibt (und wir leider auch), lautet die Adresse der Bayern-Seite übrigens www.fcbayern.t-home.de.
Man darf aber auch wirklich nichts glauben, was so im Internet steht:
Bild.de berichtete gestern über eine “Hacker-Attacke” auf die Website des Fußballbundesligisten Borussia Dortmund (in der Printausgabe war es gar eine “dreiste Hacker-Attacke”): Dort waren in der Rubrik “Mannschaft” für kurze Zeit die Daten des Bayern-Stürmers Luca Toni zu sehen gewesen.
Alles nur ein Scherz. Ein Unbekannter war wohl in den Server eingedrungen und hatte die Falschmeldung auf der Homepage platziert.
Was Bild.de nicht schrieb: Dort wären nicht nur Tonis Daten zu finden gewesen, sondern die jedes beliebigen Bundesliga-Spielers seit 1965. Die IT-Abteilung von Borussia Dortmund erklärte uns auf Anfrage, dass die angezeigten Daten aus einer externen Datenbank stammten, in der jeder Spieler eingetragen ist, der jemals in der Bundesliga gespielt hat.
Wenn man die Pfadangabe im Browser entsprechend veränderte, konnte man diese Daten auf der BVB-Website sehen. Mitglieder eines BVB-Fanforums hatten am Mittwoch genau das zur gegenseitigen Erheiterung getan — unter anderem mit Christopher Katongo, dem längst verstorbenen Hans Auernhammer und eben Luca Toni.
Auch der Hinweis “Die unterschriebene Autogrammkarte von Luca Toni liegt leider noch nicht vor, wird aber so schnell wie möglich nachgeliefert…” hätte sich (natürlich mit entsprechendem Namen) bei jedem Spieler gefunden, der nicht beim BVB unter Vertrag steht.
Wäre das Laden von externen Inhalten ein Hacker-Angriff, hätte Bild.de vor zwei Jahren auch einen gehabt. Also nichts mit einer “Falschmeldung auf der Homepage” oder “einem Unbekannten”, der “in den Server eingedrungen” war. Vor allem aber auch nichts mit einer solchen Montage:
Die hatte Bild.de der Einfachheit halber in Ermangelung spannender Fotos nämlich gleich selbst gemacht.
Das wiederum war dem Sportinformationsdienst (sid) nicht klar, als er gestern nicht nur die Behauptung vom Hackereingriff weiterverbreitete, sondern ihr auch noch die völlig falsche Überschrift “Hacker zieht Toni BVB-Dress an” gab.
Und damit war die Geschichte nicht mehr aufzuhalten: Sie stand beim Sportportal spox.com, auf Handelsblatt.com und Focus.de und unter einer anderen sid-eigenen Überschrift bei 11freunde.de. Für die Netzeitung handelt es sich um “eine höchst peinliche Angelegenheit” und die niederländische Website “Soccerway” überspannt den Bogen gleich richtig:
“Luca Toni joins Borussia Dortmund, it’s official.” This is the news many German fans woke up to this Friday, only to find out that it had all been the work of a rather inventive hacker.
The headline appear on the official website of Borussia Dortmund. To add to the hoax, the hacker included a picture of Toni wearing a Borussia jersey.
Das schwedische “Aftonbladet” bebilderte seine Meldung zum Thema gleich mit einem Screenshot von Bild.de und auch die renommierte italienische Sportzeitung “Gazzetta dello Sport” ließ es sich nicht nehmen, über den “Fall” zu berichten.
Mit Dank an die Hinweisgeber.
Nachtrag, 25. Juli, 00:15 Uhr: Bild.de hat sich zu einer kleinen (jetzt natürlich etwas späten) Überarbeitung der Bildunterschrift entschieden, den Rest des Artikels aber unverändert gelassen:
Nachtrag, 27. Juli: Bereits am Samstag hat “Welt Online” (wo man die Geschichte vom Hacker-Angriff auch verbreitet hatte) in einem Artikel klargestellt, was wirklich geschehen ist.
Alle anderen hier verlinkten Medien bleiben nach wie vor bei ihrer Darstellung — bzw. der von “Bild” und dem sid.
Letzte Woche hatte Bayern München in der Fußball-Bundesliga einen Rückstand von drei Punkten auf den VfL Wolfsburg. Diese Woche hat Bayern München ebenfalls einen Rückstand von drei Punkten auf den VfL Wolfsburg. Was ziemlich leicht erklärt ist, zumindest rechnerisch: Vergangenes Wochenende verloren beide Vereine, dieses Wochenende holten beide die volle Punktzahl. Trotzdem interessant, wie sehr ein Trainerwechsel (noch dazu eines Trainers, der in den Redaktionen nur so mittelbeliebt war) die Wahrnehmung verändert.
Der Sportinformationsdienst (SID) beispielsweise eröffnet den Bericht zum gestrigen Spiel der Bayern mit dem Satz:
Rückkehrer Jupp Heynckes hat Bayern München im Titelkampf die Hoffnung zurückgegeben.
Und fährt dann fort mit der Feststellung:
Während die Münchner wieder vom Titel träumen dürfen, rückt für Gladbach der Abstieg nach dem sechsten Spiel in Folge ohne Sieg immer näher.
Dabei ist die Ausgangslage seit vier Wochen unverändert; Bayern München hat seit dem 26. Spieltag immer genau drei Punkte Rückstand auf den Tabellenführer. Am 25. Spieltag war es sogar nur ein einziges Pünktchen, von “Titelträumen” und “neuen Hoffnungen” war damals aber nicht so viel zu lesen. Da hieß der Trainer ja auch noch irgendwie anders.