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Irgendetwas in dieser Richtung hat er doch gesagt!

Dies ist die Geschichte, wie der Hamburger CDU-Politiker Robert Heinemann einmal ganz groß bundesweit Schlagzeilen machte.

Es fing ganz unspektakulär an. Am Dienstag vergangener Woche gab Heinemann mehreren Zeitungen Interviews. Es ging um die aktuelle Diskussion, ob auf Schulhöfen deutsch Pflichtsprache sein sollte. Heinemann äußerte sich differenziert: Er begrüße solche Regeln, aber die Schulen dürften und müssten das selbst entscheiden. Eine Regelung “von oben” lehnte er laut “Hamburger Morgenpost” ausdrücklich ab. “Wir werden das nicht vorschreiben”, zitiert ihn das “Hamburger Abendblatt”.

In “Bild” las sich das am selben Tag schon etwas knackiger. Die Hamburger Ausgabe zitierte Heinemann am Mittwoch mit den Worten:

“Sanktionen müßten die Schulen selbst festlegen. Mögliche Strafe: Wer nicht deutsch spricht, soll den Schulhof fegen.”

Die Formulierung fand Heinemann, wie er später erklärte, “zwar erheblich verkürzt — aber noch nicht völlig falsch”. Eigentlich habe er dem “Bild”-Redakteur auf die Frage nach den Sanktionsmöglichkeiten für Schulen, die eine Deutschpflicht durchsetzen wollten, nur geantwortet, dass viele Maßnahmen denkbar seien: “vom erzieherischen Gespräch über Verfahren wie bei den Streitschlichtern bis hin zu Strafmaßnahmen wie dem Fegen des Schulhofes”. Am Mittwoch habe er den “Bild”-Redakteur angerufen und ermahnt, dass das ihm zugeschriebene Zitat “journalistisch an der Grenze” sei.

Am Donnerstag überschritt “Bild Hamburg” diese Grenze und machte aus der möglichen Maßnahme eine Forderung:

CDU-Politiker Heinemann löst hitzige Debatte aus: Deutsch sprechen oder Schulhof fegen! - Riesen-Wirbel um den Hamburger CDU-Schulexperten Robert Heinemann. Der forderte gestern in BILD: "Schüler, die nicht deutsch sprechen, sollen den Schulhof fegen!" Heinemann bekräftigte gestern gegenüber BILD noch einmal seinen Besen-Appell. "Ich stehe zu dem, was ich gesagt habe!"

In einer Fotounterschrift machte “Bild” aus Heinemann sogar eine Art Grammatik-Polizisten:

Wer nicht richtig deutsch spricht, soll fegen, meint Schulexperte Robert Heinemann.
(Hervorhebung von uns.)

Heinemann sagt, er habe sich daraufhin “massiv bei der Bild-Zeitung beschwert”. Das scheint keinen großen Eindruck gemacht zu haben. Am Freitag erschien die Falschmeldung groß in der Bundesausgabe von “Bild”:

Und am Samstag wieder in der Hamburger Ausgabe, diesmal als “Spruch der Woche”:

Erst am gestrigen Montag, nachdem Heinemanns angebliches Zitat von vielen anderen Medien aufgegriffen worden war, erschien in “Bild” Hamburg so etwas wie eine Richtigstellung. Wobei die “Bild”-Zeitung über die Richtigstellung natürlich nicht “Richtigstellung” schrieb, sondern:

Herr Heinemann, wie ist das denn nun mit dem Schulhof-Fegen? (...) Schüler, die auf den Pausenhöfen nicht deutsch sprechen, sollen zur Strafe den Schulhof fegen. Mit dieser Idee hat CDU-Schulexperte Robert Heinemann bundesweit für Aufsehen gesorgt und für hetige Reaktionen bei SPD und GAL gesorgt (BILD berichtete).

Nichts deutet darauf hin, dass sich in dem folgenden Interview quasi “Bild” korrigiert und nicht Heinemann. Es sei denn, man kennt den Hintergrund – dann versteht man auch die merkwürdig trotzköpfige Fragestellung von “Bild”:

PS: Unsere Anfrage bei “Bild”, zu Heinemanns Vorwürfen Stellung zu nehmen, blieb unbeantwortet.

Nachtrag, 1. Februar. Inzwischen haben wir eine Antwort von “Bild” bekommen. Sie lautet: “Von unserer Seite gibt es dazu nichts zu sagen.”

“Bild”-Chef zieht Gegendarstellungsbegehr zurück

Das wird jetzt etwas länger, denn…

… in einem Dossier über die “Großmacht Springer” hatte sich die “Zeit” am 11. August unter anderem folgende Frage gestellt:

“Ist es Vorsatz, wenn ein Foto so beschnitten wird, dass ein Seil in der Hand von Jürgen Trittin als Schlagstock angesehen werden kann (…)?”

Hintergrund dieses Satzes war die Veröffentlichung eines Fotos in der “Bild”-Zeitung vom 29.1.2001. Zu sehen war darauf Jürgen Trittin im Jahr 1994 am Rande einer Demo. Die Aufnahme stammte ursprünglich von Sat.1 und erschien 29.1.2001 auch im “Focus”. “Bild” hatte behauptet, in der Hand eines (unmittelbar neben Trittin abgebildeten) Demonstranten befinde sich ein Schlagstock, obwohl es sich dabei nur um ein Seil handelte, wie sowohl bei Sat.1 als auch im “Focus” deutlich zu erkennen war — nicht jedoch in dem von “Bild” abgedruckten Ausschnitt des Fotos. Nachdem der grobe Fehler öffentlich geworden war, druckte “Bild” eine Richtigstellung und Kai Diekmann, damals seit vier Wochen “Bild”-Chefredakteur, sagte dem “Spiegel”(hier für 50 Cent, Gratisauszüge hier): “Wir sind am Sonntag im Vorabexemplar von ‘Focus’ auf das Foto gestoßen und haben es abgescannt, weil wir das Original nicht besorgen konnten. Die Ausdrucke, mit denen wir dann gearbeitet haben, waren Kopien von Kopien und entsprechend schlecht, so dass die Fortsetzung des Seils nicht erkennbar war.” Zuvor referierte bereits die “Berliner Zeitung” Diekmanns Erklärung mit dem Worten: “Deshalb habe man das Foto für den Druck beschnitten.” Das war vor dreieinhalb Jahren und nicht schön.

“Bild”-Chef Diekmann ist seither mehrfach gerichtlich gegen Berichte anderer Medien vorgegangen, die fälschlicherweise behauptet hatten, “Bild” habe Trittin “einen Schlagstock in die Hand montiert” bzw. “in die Hand gedrückt”. Sowohl die “Berliner Zeitung” als auch die “taz” entschieden sich allerdings, den unabwendbaren Abdruck einer entsprechenden Gegendarstellung Diekmanns ausführlich zu kommentieren.

Was indes die “Zeit” anbelangt, könnte man einwenden, auch die Behauptung, “dass ein Seil in der Hand von Jürgen Trittin als Schlagstock angesehen werden kann” sei sachlich falsch, weil Trittin selbst das Seil auf dem Foto gar nicht anfasst. “Bild”-Chef Diekmann allerdings nahm Anstoß an einem anderen Aspekt des “Seil”-Satzes. Nach unseren Informationen hieß es in einer Gegendarstellung, deren Abdruck er von der “Zeit” forderte, “Bild” ” habe “niemals ein Foto so beschnitten”, dass ein Seil in der Hand von Jürgen Trittin hätte als Schlagstock angesehen werden können: Der Fehler von “Bild” habe darauf beruht, “dass allein aufgrund der schlechten Bildqualität eine verfälschende Bildunterschrift zugeordnet wurde”.

Allerdings weigerte sich die “Zeit”, die Gegendarstellung zu drucken. Und das mit gutem Grund. Schließlich handelt es sich ja bei dem Trittin-Foto in “Bild” zweifelsfrei um einen Ausschnitt des “Focus”-Fotos, auf dessen Original der “Schlagstock” eindeutig als Seil zu erkennen ist. Und so zitiert auch der “Stern” in seiner aktuellen Ausgabe einen “Bild”-Sprecher mit der Aussage: “Der Chefredaktion lag lediglich ein Schwarzweiß-Scan vor, auf dem die Ränder des Fotos schwarz waren. Diese Ränder wurden beim Einstellen des Scans ins Layout … selbstverständlich nicht berücksichtigt.”

Und das ist umso erstaunlicher, als Kai Diekmann doch gegenüber der Pressekammer des Landgerichts Hamburg im August 2005 eine “eidesstattliche Versicherung” abgegeben hat, in der es ausdrücklich heißt, man habe die Abbildung zwar “unzutreffend betextet”, aber:

“Das Foto (…) ist in keiner Weise ‘beschnitten’ worden.”

Das Gericht verlangte daraufhin Ende August zwar zunächst in einer Einstweiligen Verfügung von der “Zeit”, den strittigen “Seil”-Satz aus der Online-Version des Dossiers zu tilgen. Dort fehlt er noch immer, dürfte nach unseren Recherchen aber alsbald wieder in den Text eingefügt sein, denn…

… nachdem die “Zeit” Mitte September Widerspruch angekündigt hatte, nahm Diekmann kurzerhand seinen Antrag zurück, verzichtete freiwillig auf die Ansprüche aus der Einstweiligen Verfügung und muss sämtliche Verfahrenskosten tragen.

Wie es zu Diekmanns überraschenden Sinneswandel kam, entzieht sich unserer Kenntnis. Im “Stern” heißt es, an der Richtigkeit der Eidesstattlichen Versicherung* Diekmanns seien “Zweifel angebracht”.

*) “Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.”
(§ 156 StGB)

Bild des Jammers

Moment mal. “Bild” schafft es also nicht, auf Fotos amerikanische von deutschen Armee-Uniformen zu unterscheiden, deutsche von slowakischen Fans, einen Rosinenbomber von einer JU-52, eine deutsche Dogge von einem Dobermann, Köln von Berlin etc. etc. Und “Bild” überprüft bei angebotenen Fotos nicht, wann und wie sie entstanden sind. Aber “Bild” kann aufgrund eines einzigen Schnappschusses von einem vorbeigetragenen Yorkshire Terrier (siehe Ausriss unten) diagnostizieren, dass sein Fell stumpf ist, sein Blick müde, seine Zunge hängend, und daraus eine fast halbseitige Geschichte machen: “Große Sorge um DAISY“?

Ja, das kann “Bild”.

“Ein Bild des Jammers” habe die zwölfjährige “Hundedame” des ermordeten Rudolph Moshammer geboten. Die Foto-Unterschrift lautet:

Erwischt! Daisy hängt wie ein Schluck Wasser in der schwarzen Tasche. Müder Blick, zerzauste Haare.

Und “Bild” fragt: “Kann sie Mosi nicht vergessen?”

Wir lassen diese Frage unbeantwortet und stellen stattdessen diese: Warum nur lassen sich andere Medien wie “Focus Online” oder das “Oberbayerische Volksblatt” nicht davon abhalten, eine offensichtlich freie Improvisation auf Grundlage eines beliebigen Hundefotos mit einer Nachricht zu verwechseln und weiter zu verbreiten?

Angst vor leichten Verletzungen

Der Rennfahrer Heinz-Harald Frentzen hatte am Sonntag bei der DTM in Hockenheim einen schweren Unfall. Er wurde nach Ludwigshafen in die Klinik gebracht, wo eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert wurde. Das wurde bereits am Sonntag bekannt und von “Bild” geflissentlich ignoriert. Am Montag berichtete das Blatt so:

Im Text heißt es:

Bei einer Computer-Tomografie wird eine Gehirnerschütterung der schwersten Kategorie festgestellt. Frentzen wird sofort auf die Intensivstation gebracht. Er hat außerdem schwere Prellungen und ein Schleudertrauma.

Dazu wäre, erstens, zu sagen, dass es terminologisch gar keine Gehirnerschütterung der “schwersten Kategorie” gibt (eine Gehirnerschütterung ist eine leichte Form des Schädel-Hirn-Traumas). Zweitens ist anzumerken, dass eine Gehirnerschütterung nicht per Computer-Tomographie nachweisbar ist (es lassen sich lediglich schwerere Gehirnverletzungen nachweisen und somit ausschließen). Und drittens hieß es dann gestern in einer Mitteilung der DTM:

Frentzen auf dem Weg der Besserung

Doch auch das wurde von “Bild” ignoriert. Heute steht also folgendes im Blatt:

Auffällig daran ist nicht nur, dass im Text jetzt schon von “Hirnprellungen” die Rede ist (die “Angst vor Hirnblutungen” dürfte ein Zitat des behandelnden Arztes im Handelsblatt zerstreuen), sondern auch, dass Frentzen selbst in “Bild” zitiert wird. Und zwar so:

“Ich habe noch sehr starke Kopfschmerzen. An den Unfallhergang kann ich mich nicht erinnern.”

Nicht, dass er das nicht gesagt hätte, das hat er durchaus. Allerdings klingt das vollständige Zitat, wie es sich in der bereits erwähnten Besserungs-Meldung auf der DTM-Internetseite nachlesen lässt etwas anders:

“An den Unfallhergang kann ich mich nicht erinnern”, sagt Frentzen. “Generell geht es mir gut außer, dass ich noch starke Kopfschmerzen habe. (…)”

Und eigentlich wäre die Geschichte hiermit zuende. Ist sie aber nicht. Denn erstens hat man sich bei Focus-Online dummerweise entschieden, die heutige Hirnblutungs-Geschichte aus “Bild” ungeprüft zu übernehmen. Und zweitens wusste man bei Bild.de offenbar schon gestern, dass alles halb so schlimm ist. Mit Datum vom 24. Oktober wurde nämlich diese Geschichte veröffentlicht:

Mit Dank für die zahlreichen sachdienlichen Hinweise

Allgemein  

Warum? – Darum!

Vor ein paar Wochen hatte “Bild” mal relativ viel Platz für ein paar Halbnacktfotos freigeräumt. “Doch jetzt tauchten neue Bilder auf” hatte “Bild” dazugeschrieben, obwohl die Fotos mehr als ein Jahr zuvor bereits im Fernsehen zu sehen gewesen waren, “Bild” sie sogar selbst beim Fotografen geordert hatte, und wir berichteten. Am vergangenen Sonntag nun griff “Focus TV” die Sache (am Rande eines Beitrags über Weblogs) auf und konfrontierte den stellvertretenden Chefredakteur von Europas größter Tageszeitung, Nicolaus Fest, mit unseren Recherchen.

Nur zur Erinnerung: “Bild” wird täglich über 3,8 Millionen Mal verkauft, von über 11,8 Millionen Menschen gelesen, sie ist die Hauptsäule in Deutschlands größtem Zeitungshaus, laut Springer Chef Mathias Döpfner zudem “in journalistischer Bestform” — und wir dokumentieren Nicolaus Fests “Focus TV”-Antwort auf die Sache mit den Halbnackfotos im O-Ton:

“Also uns werden ja diese Fotos auch angeboten. Wir haben schon mal solche Fälle erlebt, dass uns Fotografen Fotos angeboten haben und gesagt haben: ‘Die sind absolut aktuell, gestern geschossen’ oder so. Wir sind da auch ein bisschen natürlich auf die Informationen der Fotografen angewiesen. Und wir werden der Sache nachgehen. Aber wenn Sie Fotos angeboten bekommen und der Fotograf sagt Ihnen ‘Ham wir gestern geschossen…’ — warum sollten wir denen nicht glauben?”

“Publizistische Begleitung”

In seiner aktuellen Ausgabe (S. 129) berichtet nun auch der “Focus” über die Hintergründe dessen, was “Bild” kürzlich auf ihrer Titelseite “Deutschlands perverseste Wette” nannte und als Einfall einer Schülerin ausgegeben hatte, die gemeinsam mit einer Freundin herausfinden wollte, wer an einem Tag “mehr Männer in die Kiste” bekomme.

Laut “Focus” handelte es sich bei der Aktion jedoch “um einen cleveren PR-Gag“: Armin Lobscheid, Chef des Kölner Bordells “Pascha”, in dem die “Sexwette” stattfand, habe im Vorfeld für deren “publizistische Begleitung” (O-Ton Lobscheid) gesorgt und verschiedenen Medien einen entsprechenden “Themenvorschlag” gemacht. Weiter heißt es:

“Der Kölner ‘Express’ und das RTL-Magazin ‘extra’ hatten wegen ‘zu viel Hardcore’ abgewinkt. ‘Bild’ dagegen signalisierte erfreut Zustimmung, erst in der Kölner Redaktion, dann die Kettwiger NRW-Zentrale, schließlich die Chefredaktion in Hamburg.

So kooperierte Europas größtes Boulevardblatt exklusiv mit Europas größtem Puff.”

Zusammenfassend nennt der “Focus” die Kooperation (die “der Leserschaft allerdings verborgen” blieb) “eine Art Notgemeinschaft gegen Auflagenschwund und Freierabstinenz”, die “Bild” immerhin eine verkaufte Auflage von “deutlich über vier Millionen Exemplaren” beschert habe…

Klong! – Klirr! – Schepper!

Dass Andrea Nahles am 18. Juli (!) bei Focus Online in einem Weblog-Eintrag zur Rechtschreibreform an zwei Stellen fälschlicherweise das statt dass geschrieben hatte, ist peinlich.

Dass “Bild” sie dafür am 15. August (!) zum “Verlierer” des Tages macht, ist zunächst mal seltsam.

Dass “Bild” die Peinlichkeit mit den Worten “Wer im Glashaus sitzt…” kommentiert, ist irgendwie lustig.

Dass “Bild” sie allerdings als “Bundestagsabgeordnete” bezeichnet, obwohl sie doch bekanntermaßen seit 2002 gar nicht mehr im Bundestag sitzt, ist, nun ja… typisch.

Mit Dank an Christoph für den Hinweis.

neu  

PR für Scientology (II)

Heute ist der letzte Teil einer “Bild”-Serie von Norbert Körzdörfer über Tom Cruise erschienen. Mit grenzenloser Bewunderung hat der “Bild”-Reporter drei Tage nacheinander jeweils ganzseitig vor allem immer wieder eines beschrieben: Wie der Schauspieler es geschafft hat, “von ganz unten nach ganz oben” zu kommen.

An einer Stelle lässt Körzdörfer Cruise erklären, was seinem Leben die entscheidende Wendung gegeben hat:

“Erst ein Lerntechnik-Buch von Ron Hubbard († 1986, Gründer von ‘Scientology’, die in Deutschland vom Verfassungsschutz beobachtet wird) hat aus mir einen neuen Menschen gemacht! Sonst wäre ich nicht das, was ich heute bin… Alle fragen: ‘Wie hast du das geschafft?’ So! Lernen, lernen, lernen! Soll ich lügen?”

Es gibt in den vielen Hundert Zeilen der Serie keine einzige Stelle, an der Körzdörfer den Hauch eines Zweifels erkennen lässt an dem Weg, den Tom Cruise gegangen ist, keine Nachfrage, keine Distanz. Im Gegenteil. Bevor Körzdörfer sich von Cruise verabschiedet (“Wir umarmen uns. Wir lassen uns los. Wir gehen unsere Wege”), urteilt er:

Tom steht zu dem Weg, den er gegangen ist. Er lügt nicht. Er verbirgt nichts.

Körzdörfers Bewunderung beschränkt sich nicht auf den Hollywood-Star Cruise, sie bezieht sich auf den ganzen Menschen, den er als in jeder Hinsicht bewundernswert beschreibt. Wer alle Teile der Serie liest, muss zu dem Schluss kommen, dass das Erfolgsgeheimnis von Cruise Scientology ist. Nur an zwei Stellen erwähnt Körzdörfer den Namen dieser Organisation — beide Male im denkbar positivsten Zusammenhang. Der eine Satz ist der oben zitierte. Darin bleibt die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht nur unerklärt; der Hinweis darauf wird auch so versteckt, dass er die Botschaft kaum verstellt: “[Die Scientology-Methode] … hat aus mir einen neuen Menschen gemacht”. Der zweite Satz lautet so:

Er kämpft als Vater, Star – und “Scientologe” – gegen Psychopillen für Schüler, gegen Drogen, gegen Kriminalität!

Scientologen, so vermittelt Körzdörfer in “Bild”, werden aus unerfindlichen Gründen vom deutschen Verfassungsschutz beobachtet, dabei machen sie aus erfolglosen Menschen erfolgreiche Menschen und kämpfen gegen das Böse in der Welt.

Wenn Scientology für viel Geld einen Artikel in Auftrag gegeben hätte, der das Wirken und Wesen der Organisation in einem grenzenlos positiven Licht zeigen soll — er hätte nicht besser ausfallen können als diese “Bild”-Serie.

Cruise selbst mischt konsequent Werbung für seinen neuen Film mit Werbung für Scientology. Laut “Berliner Zeitung” bestand er beim Dreh darauf, ein Scientology-Info-Zelt aufstellen zu lassen; “beinah alle Journalisten, die ein Interview mit ihm führen wollten, [mussten] erst eine vierstündige Besichtigungstour durchs Scientology-Quartier bewältigen.” Während der Europapremiere in Berlin wurde “auf der anderen Straßenseite derweil an einem Stand Werbung für Schriften des Scientology-Gründers L. Ron Hubbard gemacht”, schreibt die “Berliner Morgenpost”. Welche Bedeutung die Organisation für sein Leben hat, geht auch aus einem erstaunlichen Interview im aktuellen “Focus” hervor.

Am Montag, als der erste Teil der Serie mit einer fast werblichen Beschreibung der Arbeit der umstrittenen Scientology-Organisation “Narconon” erschien, haben wir “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich telefonisch und in zwei E-Mails um eine Stellungnahme gebeten. Wir schilderten den Fall und stellten folgende Fragen:

  • Warum wirbt “Bild” für Scientology?
  • Warum verschweigt “Bild” die Gefahren von Narconon?
  • Hält “Bild” Scientology für eine unbedenkliche Organisation?
  • Hält “Bild” Narconon für ein unbedenkliches Verfahren?
  • Was antwortet “Bild” dem naheliegenden Vorwurf, sich für einen “Exklusiv”-Besuch bei Tom Cruise für Scientology-PR missbrauchen zu lassen?

“Bild” hat darauf nicht geanwortet.

Volksentscheid II

An diesem Ergebnis kommt kein Politiker vorbei!

schrieb die “Bild”-Zeitung am Samstag über das Ergebnis ihres “Volksentscheids”, bei dem fast 97 Prozent der “Bild”-Leser und RTL-Zuschauer, die an einer Telefonaktion teilnahmen, gegen die EU-Verfassung stimmten.

Das ist natürlich quatsch. Man kommt ganz leicht an diesem “Ergebnis” vorbei: Man ignoriert einfach die originelle “Bild”-Aktion und beschäftigt sich stattdessen mit repräsentativen Umfragen zum Thema. Laut Infratest dimap waren Anfang Mai 59 Prozent der Deutschen für die Verfassung; das Institut polis ermittelte für “Focus” vergangene Woche immerhin noch 44 Prozent Zustimmung.

Danke für die vielen Hinweise!

Nachsitzen!

In der vergangenen Woche rief ein Redakteur der “Bild am Sonntag” in der Programmdirektion der ARD an. Zahlreiche Leser hätten sich beschwert, sagte er, dass die Harald-Schmidt-Sendung nur so selten im Fernsehen komme. Ein Pressesprecher erklärte ihm, dass das von vornherein so geplant gewesen sei; nur am vergangenen Donnerstag habe die Sendung relativ kurzfristig für “Speer und Er” den Platz räumen müssen. Die “Bild am Sonntag” könne ihren unzufriedenen Lesern aber eine frohe Botschaft mitteilen: Harald Schmidt werde in diesem Jahr häufiger als geplant auf Sendung gehen, nämlich 71 statt 64 mal. Eine Handvoll Shows, die eigentlich im Umfeld der Fußball-WM stattfinden sollten, habe man von 2006 auf 2005 vorgezogen, als man feststellte, dass an vielen Terminen abends gar keine Übertragungen von Spielen stattfanden. Deshalb werde Harald Schmidt in diesem Jahr schon früher als geplant aus der Sommerpause zurückkehren.

Im Klartext: An der Gesamtzahl der mit Schmidt in den nächsten Jahren vereinbarten Shows ändert sich laut ARD nichts, und mit der dünnen Präsenz der vergangenen Wochen hat das nichts zu tun.

Vielleicht hat der “Bild am Sonntag”-Redakteur das nicht verstanden. Vielleicht hat er sich auch nicht besonders viel Mühe gegeben, es richtig zu verstehen. Jedenfalls erschien in der Zeitung und im Online-Auftritt dann ein Artikel mit folgenden Aussagen:

Zu wenig gearbeitet!
ARD kürzt Harald Schmidt den Urlaub

Nachsitzen für Harald Schmidt (47)! Weil der TV-Satiriker in den letzten Wochen so selten auf dem Bildschirm zu sehen war, muß er in der zweiten Jahreshälfte mehr Sendungen produzieren als geplant. (…) 71 Sendungen muß der Ex-SAT.1-Star in diesem Jahr abliefern, doch das ist mit der ursprünglichen Programmplanung nicht zu schaffen.

Das ist in dieser Form, nun ja: falsch.

Wäre aber vielleicht nicht so schlimm, denn die “Bild am Sonntag” schreibt häufiger mal Dinge, die nicht stimmen. Schlimm ist, dass diese Dinge von anderen Zeitungen abgeschrieben werden, auch solchen, die sich als seriös ausgeben. Dass an der Meldung der “Bild am Sonntag” etwas faul ist, hätte jeder aufmerksame Redakteur auch ohne weitere Recherche und durch einen Blick ins eigene Archiv wissen können: Bislang war nämlich immer davon die Rede gewesen, dass Schmidt jährlich 64 Sendungen für die ARD produzieren muss, und nicht 71. Warum sollten es plötzlich mehr sein? Und warum sollte die ARD im Mai feststellen, dass diese 71 nach der bisherigen Planung nicht unterzubringen sind? Und wieso sollte es die Schuld von Harald Schmidt sein, dass er u.a. “Speer und Er” weichen musste?

Genug offene Fragen, sollte man denken, um die “Bild am Sonntag”-Geschichte nicht ohne weitere Recherche einfach zu übernehmen. Stattdessen stand sie in den folgenden Tagen fast überall, oft mit den wortgleichen — falschen — Formulierungen: in “Spiegel Online”, bei der “Süddeutschen Zeitung” sowohl Online als auch heute noch einmal in anderer Form in der Druckausgabe, bei “Focus Online”, im Kölner “Express”, in der Österreichischen “Krone”, bei den Nachrichtenagenturen AFP am Sonntag um 12.09 Uhr, AP am Sonntag um 13.47 Uhr, dpa am Sonntag um 13.55 Uhr, dpa am Sonntag um 16.31 Uhr, AP am Montag um 16.25 Uhr, dpa am Montag um 10.40 Uhr und und und.

Keine der genannten Agenturen oder Zeitungen hat den offensichtlichen Widerspruch zwischen den 64 geplanten und 71 von “Bild am Sonntag” behaupteten jährlich zu produzierenden Sendungen erwähnt. Keine fand es nötig, in irgendeiner Form selbst zu recherchieren. Alle haben sich blind auf die ExklusivFalsch-Meldung von “Bild am Sonntag” verlassen.

Nachtrag, 12.45 Uhr: Die ARD hat noch einmal nachgezählt und kommt auf 70 Sendungen in diesem Jahr.

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