Hart aber unfair, Rathausaffäre, Instaklum

1. #hartaberfair: Das wird man ja wohl noch fragen dürfen, oder?
(kattascha.de, Katharina Nocun)
Katharina Nocun ist Bürgerrechtlerin, Publizistin und Ökonomin und vielbeschäftigt in Sachen zivilgesellschaftliches Engagement. In einem Blogbeitrag setzt sie sich mit dem Titel der letzten “Hart aber Fair”-Sendung auseinander (“Heimat Deutschland — nur für Deutsche oder offen für alle?”). Nocun kommentiert: “Wie heißt es so schön: “Es gibt keine dummen Fragen”. Dem muss ich leider widersprechen. Wer grundlegende Basics des Zusammenlebens infrage stellt, wer Menschen wie mir die Zugehörigkeit abspricht, der macht sich — ob er will oder nicht — zum Handlanger von rechten Framing-Mustern.”
Weiterer Lesetipp: Arno Frank hat sich für “Spiegel Online” die Sendung angesehen. Auch er befindet: “Eine extrem ärgerliche Frage.”

2. Paid Content: Bedingt zahlungsbereit
(universal-code.de, Christian Jakubetz)
Mit “bedingt zahlungsbereit” fasst Journalismus-Experte Christian Jakubetz die Erkenntnisse einer Studie zum Thema “Paid Content” zusammen. Jakubetz schaut sich die wichtigsten Zahlen von verschiedenen Seiten an und leitet drei Erkenntnisse daraus ab.

3. Google, Facebook, Pinterest: Social-Media-Plattformen wollen gegen Falschinfos zu Impfungen vorgehen
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch-Drentrup)
Digitalkonzerne wie Google, Facebook und Pinterest wollen gegen Impfgegner-Videos und irreführende Beiträge über Wundermittel vorgehen. Gelöscht würden die Falschinformationen nicht. Je nach Plattform entziehe man den Videos jedoch die Möglichkeit der Monetarisierung durch eingeblendete Werbung, blende zur Aufklärung Wikipedia-Links ein oder sperre bestimmte Suchbegriffe. Nur in Deutschland scheint man nicht so vehement gegen die Falschinformationen vorgehen zu wollen.

4. Britische Verlage horten Farbe und Papier
(deutschlandfunk.de, Ada von der Decken, Audio: 4:32 Minuten)
Ada von der Decken berichtet von den Sorgen der britischen Printbranche vor einem harten Brexit (“No Deal”). Die Zeitungsverlage seien abhängig von Importen aus der EU. Wer kann, horte deshalb Druckfarbe und Zeitungspapier auf Vorrat. Für kleine und mittelständische Betriebe sei dies jedoch nicht leistbar, so ein Vertreter des Printverbands BPIF: “Bei denen gibt es nicht die finanziellen Möglichkeiten, so erheblich das Lager aufzustocken.”

5. #Rathausaffäre
(twitter.com, DJV Niedersachsen)
Der Deutsche Journalisten-Verband Niedersachsen meldet auf Twitter: “Die Stadt #Hannover darf einen Journalisten der @haz nicht verdächtigen, sich illegal Zugang zu Akten in einem Ermittlungsverfahren verschafft zu haben.“ In der Pressemitteilung des Verwaltungsgerichts Hannover heißt es dazu: “Sofern die Stadt Verdachtsmomente äußert, müssen diesen eine sachgerecht ermittelte Tatsachengrundlage zugrunde liegen. Der bloße Umstand, dass eine Zeitung Erkenntnisse der Ermittlungsbehörden veröffentlicht, welche unter Verstoß gegen Geheimhaltungsvorschriften nach außen gelangt sind, berechtigt die Landeshauptstadt insbesondere nicht zu der öffentlichen Äußerung des Verdachts, der verantwortliche Journalist habe an dem vorherigen Rechtsverstoß eines Amtsträgers mitgewirkt.”

6. Instagram-Storys: Die kreative Art des Geschichtenerzählens
(journalisten-training.de, Bernd Oswald)
Bernd Oswald erklärt in einem Kurzabriss, wie sich Journalisten Instagram und die “Story”-Funktion zu Nutze machen können.
Weiterer Lesetipp: Marc Baumann dokumentiert und kommentiert die öffentlich zelebrierte Instragram-Liebe des Promi-Paars Heidi Klum und Tom Kaulitz. Die beiden Social-Media-Turteltauben zeigten anschaulich, “warum man Handys und Hormone trennen sollte” (sz-magazin.sueddeutsche.de).

Geld machen mit den “dramatischen Bildern einer Rettung”

Zwei 14-jährige Jungen sind am Sonntag auf ein Dach einer S-Bahn-Haltestelle in Neuss geklettert und haben dabei einen Stromschlag erlitten. Der eine wurde dabei leicht verletzt und konnte aus eigener Kraft vom Dach wieder runterklettern, der andere blieb liegen.

Die “Bild”-Zeitung berichtet heute in der Düsseldorf-Ausgabe über den Vorfall (Überschrift: “SCHEISS LEICHTSINN”). Bei Bild.de erschien bereits gestern am späten Abend ein Artikel dazu:

Screenshot Bild.de - Dramatische Bilder einer Rettung in Neuss - Junge (14) erleidet 15000-Volt-Stromschlag - dazu ein Foto, auf dem Sanitäter und Feuerwehrleute zu sehen sind, die um den auf einer Trage liegenden Jungen stehen
(Unkenntlichmachung durch uns.)

Der Beitrag befinden sich, man sieht es an dem “Bild plus”-Logo, hinter der Bezahlschranke — lesen kann ihn nur, wer ein Abo hat. Wer keins hat, sieht lediglich diese zwei Absätze:

Das Foto zeigt einen Jungen, der flach auf dem Dach des Bahnsteigs einer S-Bahn-Haltestelle in Neuss liegt. Der 14-Jährige hat gerade einen Stromschlag erlitten. Doch die herbeigeeilten Helfer können nicht sofort an ihn heran …

Der Junge und sein Kumpel hatten sich am Sonntagnachmittag in akute Lebensgefahr gebracht. Sehen Sie mit BILDplus die dramatischen Bilder der Rettung.

Na, wollen Sie mal sehen, wie ein 14-Jähriger gerade so noch überlebt und gerettet wird? Da haben wir was für Sie! Bei Bild.de wissen sie, wie man an die Portemonnaies von geifernden Gaffern kommt. Denen bietet die Redaktion dann drei Fotos, die mit diesen Bildunterschriften versehen sind:

Nach dem Stromschlag bleibt der Junge  (14) flach auf dem Dach des Bahnsteigs liegen

Endlich können die Retter zu dem Jungen, er ist sogar ansprechbar

Das schwer verletzte Opfer wird vom Dach geholt

Beide Jungen wurden ins Krankenhaus gebracht, sie sollen sich nicht in Lebensgefahr befinden.

Mit Dank an Janine B. und @unalternativ für die Hinweise!

No No Never

Vergangenen Freitag wurde im Ersten “Unser Lied für Israel” gesucht und gefunden: Das Frauen-Duo S!sters wird Deutschland mit dem Song “Sister” beim Eurovision Song Contest im Mai in Tel Aviv vertreten.

Bei Bild.de sind sie skeptisch:

Screenshot Bild.de - Sisters singen im ESC-Finale für Deutschland - Hat dieser Song eine Chance in Israel?

Auf der Suche nach Argumenten für einen potentiellen Erfolg hat die Redaktion verschiedene Indizien zusammengetragen. Darunter:

ESC-Experte Irving Wolther (promovierte über den Schlager-Contest) kann sich durchaus vorstellen, dass es die S!sters in Isarel (sic) in die Endrunde schaffen. “Wir kennen erst ein gutes Dutzend Beiträge in dem Feld, das sich bisher qualifiziert hat. Da stehen wir gar nicht so schlecht da”, sagt er gegenüber DPA.

Wir können uns sogar alle absolut sicher sein, dass es das Duo “in die Endrunde schaffen” wird: Als einer der fünf größten Geldgeber bei der European Broadcasting Union (EBU) ist Deutschland seit Einführung der Halbfinale beim ESC immer automatisch für die große Finalsendung am Samstagabend qualifiziert. Irving Wolther weiß das, bei der dpa steht nichts zum Thema Halbfinalchancen — den Fehler hat sich Bild.de offenbar ganz alleine gebastelt.

Mit Dank an Tobias R. für den Hinweis!

Anklage erhoben, Insektensterben, Doppelnamen-Karnevals-Eklat

1. NPD-Anhänger werden angeklagt
(taz.de)
Die Staatsanwaltschaft Mühlhausen hat zehn Monate nach dem Angriff auf zwei Journalisten im thüringischen Eichsfeld Anklage gegen zwei Tatverdächtige erhoben. Dabei geht es unter anderem um schweren gemeinschaftlicher Raub, gefährliche Körperverletzung und Sachbeschädigung.

2. Armin Wolf und Haltung – ein kurzer Text über Freiheit
(derstandard.at, Claus Kleber)
Der österreichische Journalist und “ZiB 2”-Anchor Armin Wolf ist als “Journalist des Jahres 2018” geehrt worden. Die Laudatio hielt Wolfs deutscher Kollege Claus Kleber: “In Armin Wolfs berühmten Interviews wird gezeigt, dass Haltung nicht vom Himmel fällt. Sie braucht: Schlagfertigkeit, aufrechten Gang, Bürgerstolz vor Fürstenthronen und vor allen Dingen: Arbeit, Arbeit, Arbeit, penible Vorbereitung, die Schlagfertigkeit erst möglich macht.”
Weiterer Lesehinweis: Armin Wolf rechnet in ORF-Fragen mit der Regierung ab (kurier.at, Philipp Wilhelmer).

3. Wie schnell und weshalb sterben weltweit die Insekten? Science Media Newsreel1 No. 38 (11.02. bis 17.02.2019)
(meta-magazin.org)
Der Wochenrückblick des “Science Media Center” zeigt, über welche Forschungsergebnisse viele Wissenschaftsjournalisten zeitnah berichteten. Diesmal geht es um das weltweite Insektensterben, das ein bedrohliches Ausmaß erreicht habe und dessen Hauptursache laut des Fachblatts “Biological Conservation” die industrialisierte Landwirtschaft sei. Mindestens fünfzehn Mal sei in deutschsprachigen Medien unabhängig voneinander über die dort behandelte Studie berichtet worden.

4. Warum Hasskommentare psychische Gewalt sind
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Natalie Rosenke)
“SZ Magazin”-Kolumnistin Natalie Rosenke kämpft gegen die Diskriminierung dicker Menschen und wird dafür in den Sozialen Netzwerken teilweise mit Hass überschüttet: “Wäre ich als Teenie so mit Hass überzogen worden — ich weiß nicht, was das mit mir gemacht hätte. Mittlerweile schaffe ich es, diesen Hass in etwas Positives umzuwandeln: in Motivation. Denn er zeigt mir deutlich, wie wichtig der Kampf gegen Diskriminierung im Allgemeinen und Gewichtsdiskriminierung im Speziellen ist.”

5. Eine für alle? Schönenborn wirbt für XXL-Mediathek
(dwdl.de, Alexander Krei)
Immer wieder träumen die Öffentlich-Rechtlichen von einer gemeinsamen und womöglich europäischen “Super-Mediathek”. Auch WDR-Fernsehdirektor Jörg Schönenborn liebäugelt mit einer solchen Lösung, baut jedoch zunächst das WDR-eigene Angebot aus: In der hauseigenen Mediathek soll es bald einen Doku-Kanal geben.

6. Eklat bei TV-Sitzung in Köln Frau beschimpft Bernd Stelter wegen Doppelnamen-Witzen
(ksta.de, Thorsten Breitkopf)
Es klingt wie ausgedacht: Nachdem der Karnevalist Bernd Stelter bei einer im Fernsehen übertragenen Karnevalssitzung Witze über Doppelnamen (wie den der CDU-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer) machte, trat eine Frau auf die Bühne und, nun ja, kritisierte den Comedian. Nach übereinstimmenden Berichten des “Express” und der “Kölnischen Rundschau” trage die Frau ebenfalls einen Doppelnamen.
Auf Twitter ist der Ausschnitt bei der “Aktuellen Stunde” des WDR zu sehen.

“Sie haben es sicher bemerkt”

Bitte nicht erschrecken!

Die Seite 1 der “Hamburger Morgenpost” sieht heute so aus …

Ausriss Titelseite Hamburger Morgenpost - Noch acht Tage bis zur Kollision - Bestätigt: Asteroid trifft Erde - Wo gibt es noch die letzten Bunkerplätze? Politiker und die große Schuldfrage - Der Impact und die Finanzen: Dollar oder Gold? Wie groß ist unsere Überlebenschance?
(Hier in größerer Version.)

… die Seite 2 so …

Ausriss Hamburger Morgenpost - Ein Asteroid rast auf Mitteleuropa zu. Die neue Serie auf Sky. Acht Tage

… und die Seite 3 so:

Ausriss Hamburger Morgenpost - Wein leiser! So soll der Hamburger Rapper Famo eine Frau verhöhnt haben, die er laut Anklage gerade vergewaltigte

Da rechts am Rand steht:

Ausriss Hamburger Morgenpost - Liebe Leserinnen und Leser, heute sieht Ihre Mopo anders aus als gewohnt. Aber natürlich geht nicht demnächst die Welt unter! Sie habe es sicher bemerkt: Die komplette Seite eins ist ausnahmsweise eine Anzeige, die eigentliche Titelseite ist hier auf der dritten Seite. Mit dieser Marketing-Aktion macht der Fernsehsender Sky auf eine neue Serie aufmerksam, in der ein Asteroid auf die Erde zurast. Ihre Mopo-Redaktion

Jaja, “Sie haben es sicher bemerkt” — und weil das alles so offensichtlich ist, erklärt “Ihre MOPO-Redaktion” lieber noch mal, dass sie ihre Titelseite an Sky verscherbelt hat, und dass sich die Leserinnen und Leser nun doch nicht um “die letzten Bunkerplätze” kloppen müssen.

Schon klar, oben rechts auf Seite 1 hat sich die “Hamburger Morgenpost” mit einem kleinen “ANZEIGE” abgesichert. Dass die dazugehörige dünne, schwarze Linie aber auch den Schriftzug der Zeitung einschließt, ist mindestens befremdlich. Sky kann dort mit dem offiziellen Logo der “Mopo”-Redaktion werben.

Und wer jetzt sagt: “Naja, aber das Schriftbild sieht ja ganz anders aus als auf der echten Titelseite” — nur zum optischen Vergleich die Titelseite von gestern:

Ausriss Titelseite Hamburger Morgenpost von gestern - Die Felgen-Mafia - Organisierte Banden stehlen Räder in Sekunden. Immer mehr Fälle

Eine mögliche Erklärung für den traurigen Ausverkauf der Seite 1: Das Blatt steht mächtig unter Druck. Laut IVW ist die verkaufte Auflage der “Hamburger Morgenpost” im vergangenen Jahr um 17,2 Prozent eingebrochen. Seit 2016 sogar um 27,4 Prozent. Gut möglich also, dass im Verlag tatsächlich Weltuntergangsstimmung herrscht, auch wenn der Asteroid nur ein Werbegag ist.

Nachtrag, 16:02 Uhr: Bei “DWDL” berichtet Alexander Krei, dass neben der “Hamburger Morgenpost” auch der “Express”, die “tz” und der “Berliner Kurier” ihre Titelseiten für die Sky-Anzeige (optisch jeweils abgeändert) hergegeben haben.

Tatort-Grabscher zieht Klage zurück, Presserecht als Waffe, Opernfreund

1. Ex-“Tatort”-Koordinator Henke zieht Klage gegen Charlotte Roche zurück
(spiegel.de, Laura Backes & Ann-Katrin Müller)
Es liest sich schon recht erbärmlich, was der “Spiegel” berichtet: Sechs Frauen hatten dem langjährigen “Tatort”-Koordinator und früheren WDR-Filmchef Gebhard Henke vorgeworfen, sie sexuell belästigt zu haben. Nachdem Henke sich mit dem WDR über sein Ausscheiden verständigt hatte, verklagte er den “Spiegel” sowie Charlotte Roche und versuchte, die Zeuginnen und die Journalistinnen zu diskreditieren. Besonders heftig und persönlich waren die Attacken gegen Roche, deren Glaubwürdigkeit er anzweifelte und als “sündenstolze Lügnerin” bezeichnete. Nun haben sieben weitere Frauen unter Nennung ihrer Namen Vorwürfe gegen Gebhard Henke erhoben. Wieder sei es um anzügliche Bemerkungen, um Po-Grapscher in aller Öffentlichkeit, um Hände auf dem Oberschenkel und um ungewollte Küsse gegangen. Das Resultat: “Keine 24 Stunden vor der Verhandlung zog Henke seine Klage dann zurück. Charlotte Roche darf also weiter sagen, von Gebhard Henke am Po begrapscht worden zu sein.”

2. Presserecht als Waffe
(kontextwochenzeitung.de, Markus Köhler)
Der Jurist Markus Köhler hat die “Kontext Wochenzeitung” erfolgreich in dem Verfahren vertreten, das “Kontext” vor dem Landgericht Mannheim und dem Oberlandesgericht Karlsruhe gegen einen rechtsradikalen Mitarbeiter zweier AfD-Abgeordneter führte. In einem Gastbeitrag schreibt Köhler über das “Presserecht als Waffe” und erläutert die Motive, die aus seiner Sicht hinter den Attacken stecken. Sein Resümee: “Mit dem Rechtsstaat ist es wie mit der Demokratie: Beide sind durch das als Waffe eingesetzte Presserecht verletzlich und müssen tagtäglich geschützt werden.”
Weiterer Lesehinweis: Ebenfalls bei “Kontext” bewertet Ex-Justizministerin Herta Däubler-Gmelin das Verfahren: Keine Macht dem Ungeist.

3. Schluss mit der Featureritis, her mit den Fakten!
(journalist-magazin.de, Florian Harms)
Im Medienmagazin “journalist” gibt es einen weiteren Teil aus der Serie “Mein Blick auf den Journalismus”, in der prominente Mediengrößen über besseren Journalismus nachdenken. Diesmal hat Florian Harms, Chefredakteur von t-online.de, sieben Anregungen formuliert, wie eine Redaktion zum “Leuchtturm in der Informationsflut” werden kann.

4. Das “absolute Unverständnis” des Axel Voss
(golem.de, Friedhelm Greis)
Der CDU-Politiker Axel Voss ist Berichterstatter des Europaparlaments bei der Urheberrechtsreform, eine verantwortungsvolle Aufgabe, bei der man eigentlich Kompetenz erwartet. Diese scheint jedoch nicht sonderlich ausgeprägt, wenn man sich die teilweise widersprüchlichen, teilweise falschen Äußerungen von Voss näher anschaut. Auch Friedhelm Greis kritisiert den Nicht-Experten: Obwohl dieser seit anderthalb Jahren über die EU-Urheberrechtsreform verhandele, habe er noch immer zentrale Punkte in der Debatte nicht verstanden. Greis fragt sich ratlos: “Wie soll das EU-Parlament auf Basis seiner Erläuterungen eine Entscheidung zu Leistungsschutzrecht und Uploadfiltern treffen?”

5. Storytelling: “Der Datenjournalismus ist im Alltag angekommen”
(fachjournalist.de, Ulrike Bremm)
Der “Fachjournalist” hat sich mit einem Fachmann für Datenjournalismus unterhalten: Sascha Venohr, dem “Head of Data Journalism” bei “Zeit Online”: Was macht den Datenjournalismus aus? Hat dieser bereits seinen Zenit überschritten? Und was empfiehlt Venohr Nachwuchsjournalisten jedweden Ressorts?

6. In eigener Sache
(deropernfreund.de)
“Der Opernfreund” ist die nach eigenen Angaben älteste deutsche private Opernzeitung und erscheint nun bereits im 51. Jahrgang. Die Website zählt vermutlich zu den meistgelesenen Opernwebsites im deutschsprachigen Europa. Das Besondere: Hier berichten begeisterte Opernliebhaber ohne finanzielles Interesse von ihren Opernbesuchen. Naturgemäß fällt manche Kritik negativ aus, und dann erweist sich, ob die Gegenseite damit gut umgehen kann. Im Fall des Intendanten des Staatstheaters Wiesbaden wohl weniger gut: Dieser habe mitgeteilt, dass es ab sofort keine Pressekarten für den “Opernfreund” geben würde. Pech für ihn, dass der Rezensent die Karten eh im Vorverkauf erwirbt. Nachtrag, 26. Februar: “Der Opernfreund” und das Staatstheater Wiesbaden konnten den Konflikt beilegen.

Bild.de berichtet über positiven HIV-Test eines Pornodarstellers

Ein spanischer Pornodarsteller soll positiv auf HIV getestet worden sein, was in der Branche, in der der Mann tätig ist, natürlich für größere Unruhe sorgt. Von einem spanischen Onlineportal auf das angebliche Testergebnis angesprochen, sagte er:

“Ich weiß nicht woher ihr die Info habt, aber sie ist geschmacklos. Ich werde dazu nichts sagen, danke.”

Dieses Zitat bringt auch Bild.de heute in einem Artikel. Und dazu den Künstlernamen des Mannes sowie Fotos, die ihn unverpixelt zeigen. Eines davon aktuell auch auf der Startseite:

Screenshot Bild.de - Darsteller HIV-positiv getestet - Europaweiter Produktionsstopp von Sex-Filmen
(Die Unkenntlichmachung der Gesichter durch uns, die der Brüste durch Bild.de)

Ein positiver HIV-Test ist Privatsache, auch bei Pornodarstellern. Sicher müssen in einem solchen Fall Maßnahmen ergriffen werden, aber dazu gehören keine Berichte auf Boulevardstartseiten. Es ist auch nicht so, dass nun Pornodarstellerinnen gewarnt oder frühere Drehpartnerinnen aufgeklärt werden müssten — das ist bereits passiert. Die spanischen Behörden sollen Bescheid wissen und das übliche Prozedere in Gang gesetzt haben: alle Sexualpartnerinnen aus der jüngsten Zeit informieren und ihnen Termine für HIV-Tests vermitteln.

Eins, zwei, Polizei

Vergangene Woche legte der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) dem Innenausschuss des Landtags in Düsseldorf einen Bericht vor. Darin enthalten: Jede Menge Statistiken zum Tagesordnungspunkt “Kriminalitätsentwicklungen im Hambacher Forst”. In dem Rest-Wald am rheinischen Braunkohle-Revier gehe es wild zu, so der Innenminister.

Allein im Zeitraum vom 03.10.2018 bis zum 28.01.2019 führte [die Polizei] über 1.500 Einsätze im Hambacher Forst sowie in den daran angrenzenden Ortschaften durch.

… heißt es in dem Bericht etwa. Und weiter:

Für den Auswertezeitraum 01.01.2015 bis 31.12.2018 wurden im Kriminalpolizeilichen Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität mit Bezug zum Hambacher Forst insgesamt 1.674 Straftaten erfasst.

Diese Zahlen sind natürlich beeindruckend und beunruhigend. Entsprechend machten sie auch die mediale Runde.

Nur: Diese Zahlen sind auch mindestens irreführend. Anett Selle ist Reuls Bericht für die “taz” durchgegangen und hat dabei festgestellt: Zu “polizeilichen Einsätzen für diese außergewöhnliche Lage” zählt der Innenminister etwa auch normale Streifenfahrten und Verkehrsunfälle. Selle kommt auf 56 bis 79 Einsätze (wohlgemerkt: 56 bis 79 von 1500), die in einem direkten Zusammenhang mit der Besetzung des Hambacher Forsts stehen.

Und weiter:

Bei den “1.674 Straftaten” zwischen 2015 und 2018 ist es nicht viel besser. Zunächst zeigt die Tabelle keine Straftaten, wie Reul wörtlich behauptet, sondern den Verdacht auf Straftaten. Die Tabelle zeigt, wie viel und was in vier Jahren angezeigt wurde — aber eine Anzeige macht noch keine Straftat. Auch, dass von 1.674 Strafanzeigen in vier Jahren mehr als ein Drittel wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz erfolgten, und davon 90 Prozent im Jahr 2015, kann nicht als Beleg für die von Reul behauptete zunehmende Kriminalität dienen.

Die Gleichsetzung von Strafanzeigen und Straftaten ist unter Innenpolitikern recht beliebt und wird von Journalistinnen und Journalisten oft (wahlweise wissentlich oder unwissentlich) übernommen.

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) schrieb zwar von “1700 Strafverfahren wegen politisch motivierter Taten” und schränkte ein:

Wie viele Täter dann später tatsächlich verurteilt wurden, ist unklar.

Die Statistiken in dem Bericht hatte sich dort aber offenbar niemand genauer angeschaut:

Allein von Oktober 2018 bis Ende Januar 2019 gab es dem Bericht zufolge 1500 Polizeieinsätze im Hambacher Forst und den angrenzenden Ortschaften.

Die Online-Redaktion der “Welt” übernahm von der dpa eine gewisse Skepsis, titelte aber auch:

Screenshot Welt.de - Brandsätze und Zwillenbeschuss - 1500 Polizeieinsätze im Hambacher Forst seit Oktober 2018

In einer späteren Fassung arbeitete die dpa die Unterschiede zwischen Strafverfahren und Verurteilungen deutlicher heraus, ließ Kritiker zu Wort kommen und verbreitete die Zahl von 1500 Polizeieinsätzen nicht mehr, wie Nachrichtenchef Froben Homburger auf Twitter dokumentierte.

Bild.de titelt indes immer noch fröhlich:

Screenshot Bild.de - Innerhalb von drei Jahren - 1700 Straftaten im Hambacher Forst

Mit Dank an @roxar90 für den Hinweis!

Allzu freies Storytelling, Der ewige Hendricks, Vossianische Antonomasie

1. “Protagonistin erfunden”: SZ Magazin trennt sich von preisgekröntem Autor – Spiegel und Zeit überprüfen Artikel
(meedia.de, Marvin Schade)
Laut “Meedia” hat das “SZ Magazin” einen freien Autor und Kolumnisten beim allzu freien Storytelling erwischt. Eine Verlagssprecherin dazu: “Das Süddeutsche Zeitung Magazin hat eine für den Druck vorgesehene Geschichte eines freien Journalisten nicht veröffentlicht, weil Redaktion und Dokumentation des Magazins feststellen mussten, dass eine die Geschichte tragende Person nicht existiert.” Man werte dies als “groben Verstoß gegen die journalistischen Standards” und habe die Zusammenarbeit mit dem Journalisten beendet. Der namentlich ungenannte Journalist hat auch für andere Medien gearbeitet. Dort würden nun alle bisherigen Texte des Autors geprüft.

2. Abtreibungsgegner Yannic Hendricks geht gegen BuzzFeed News in Berufung, weil wir seinen Namen nennen
(buzzfeed.com/de, Juliane Loeffler)
Der Abtreibungsgegner und notorische Ärzte-Anzeiger Yannic Hendricks hat Berufung gegen das Urteil in einem Rechtsstreit mit “BuzzFeed News Deutschland” eingelegt. Das Düsseldorfer Landgericht hatte im Januar entschieden, dass “BuzzFeed” den Namen von Yannic Hendricks öffentlich nennen durfte. Yannic Hendricks besteht jedoch anscheinend weiterhin darauf, dass sein Name (Yannic Hendricks) nicht genannt wird.

3. RTL-Gruppe macht Ex-Bild-Frau Tanit Koch zur n-tv-Chefin
(wuv.de, Petra Schwegler)
Tanit Koch leitete zusammen mit Julian Reichelt die “Bild”-Redaktion, bis sie vor einem Jahr plötzlich aus dem Unternehmen ausschied. Von einem verlorenen Machtkampf mit Reichelt war die Rede. Nun wechselt Koch ins RTL/Bertelsmann-Imperium und übernimmt beim Fernsehsender n-tv die Geschäftsführung. Ihre Kernaufgabe laut RTL-Pressemitteilung: “Aufbau einer gemeinsamen, journalistischen Redaktions-Einheit für n-tv, die RTL-News & Magazine sowie die Digital-Plattformen der Mediengruppe RTL unter ihrer Führung als Chefredakteurin”.

4. “Interpretationsspielraum”
(facebook.com, Christian Schilling)
So unterschiedlich können Wahrnehmungen sein: Die Prozessberichterstattung über die Verurteilung einer Hambacher-Forst-Aktivistin weicht in erheblichem Umfang voneinander ab. Bei der “WAZ” ist von übereinstimmenden Polizisten-Aussagen die Rede, die “taz” spricht von offenkundig widersprüchlichen Aussagen. Sogar zum Ende der Gerichtsverhandlung gibt es verschiedene Beobachtungen: Bei der “WAZ” grinst die Angeklagte nach dem Urteilsspruch, bei der “taz” hatte sie Tränen in den Augen. Christian Schilling, dem das Ganze aufgefallen ist, kommentiert auf Facebook: “Wie unterschiedlich Ohren doch hören können!”

5. Wenn Journalisten von “starken Frauen” sprechen
(deutschlandfunk.de, Matthias Dell)
Wenn Journalisten im Zusammenhang mit der Berlinale von “starken Frauen” sprechen, hört sich das für viele oberflächliche Zuhörer und Leser vielleicht nach einem freundlichen Lob an, doch Kolumnist Matthias Dell erkennt darin eine große Portion Ignoranz: “Das automatisierte Reden von der “starken Frau” bezeichnet eine gewisse Denkfaulheit: Es gibt heute mehr Filme als vor 50 Jahren, in denen Frauen nicht nur Dekoration sind. Aber anstatt endlich über diesen Umstand hinwegzukommen und Frauen, das vermeintlich “schwache Geschlecht”, in den Filmen als das zu beschreiben, was sie wirklich sind, macht es sich die Kritik durchs scheinbare Lob einfach: Es geht um “starke Frauen”. Was übrigens auch schön zeigt, dass Frauen sich anstrengen, etwas Besonderes sein müssen, wenn sie das tun wollen, was Männer immer tun dürfen: Hauptrollen spielen.”

6. Complete List of Successfully Extracted VA
(vossanto.weltliteratur.net, Frank Fischer & Robert Jäschke)
Formulierungen wie “der Franz Beckenbauer der Philosophie” werden in der Wissenschaft auch als “Vossianische Antonomasie” bezeichnet (“Teilweise kam die Figur der Vossianischen Antonomasie schon in der Antike vor. So nannte der Stoiker Panaitios von Rhodos Platon den “Homer der Philosophie”, der römische Kaiser Severus Alexander bezeichnete Vergil als den “Platon der Dichter””, Wikipedia). Die beiden Wissenschaftler Frank Fischer und Robert Jäschke haben in einem frisch veröffentlichten Paper beschrieben, wie sie Vossianische Antonomasie aus 20 Jahren “New York Times” extrahierten: “Dabei haben wir viel über journalistische Pattern gelernt: Welche bekannten Leute werden benutzt, um unbekanntere Leute zu beschreiben.” Auch für Nicht-Wissenschaftler ein bemerkenswertes Projekt, das unbedingt einen Besuch wert ist.

The “Bild” is dark and full of errors

Milde “Game of Thrones”-Spoilerwarnung: Eigentlich wird nichts verraten, was man sich nicht schon denken könnte, wer aber absolut gar nichts über die neue Staffel wissen will, sollte lieber hier weiterlesen.

Eine Fan-Seite will nämlich herausgefunden haben, dass in der achten Staffel die Charaktere Tormund Giantsbane und Beric Dondarrion wieder dabei sein werden. Tormund und Beric — wer waren die noch mal, Bild.de?

Screenshot Bild.de

Tormund Giantsbane (Kristofer Hivju, 40) ist der wilde Anführer von dem fiktiven Kontinent Westeros

Äh … nee. Anführer von Westeros ist, wenn überhaupt, der König/die Königin auf dem “Eisernen Thron”, damit hat Tormund aber überhaupt nichts zu tun. Er kommt ursprünglich vom “Freien Volk”, und selbst bei denen war er nicht der Anführer, sondern ein Vertrauter des Anführers.

Und Beric?

Screenshot Bild.de

Beric ist das Oberhaupt des Hauses Dondarrion und genießt noch immer das Leben eines Ritters

Diesen Satz hat Bild.de aus dem “Game of Thrones”-Fan-Wiki geklaut, aber auch der ist nicht ganz richtig, denn Beric “genießt” nicht “das Leben eines Ritters”, sondern haust mit seinen Kumpels in irgendwelchen Höhlen und verlassenen Häusern, betet einen mysteriösen Gott an und stirbt hin und wieder. Nicht gerade Fünf-Sterne-Ritter-Deluxe.

Und was ist mit den beiden passiert?

Beide waren zuletzt in der siebten Staffel zu sehen, als die Mauer vom Nachtkönig Daenerys zerstört wurde.

Uff. Okay. Also. Daenerys ist nicht der Nachtkönig und hat auch nicht die Mauer zerstört. Daenerys ist eine Frau und die Gegnerin des Nachtkönigs, sie wollte die Mauer nicht zerstören, sondern vor dem Nachtkönig beschützen.

Viel mehr kann man eigentlich nicht falsch machen, Bild.de hat es trotzdem geschafft:

Laut der Besetzungs-Liste der achten Staffel sollen auch Edmure Tully (gespielt von Tobias Menzies, 44) und Robin Arryn (gespielt von Lino Facioli, 18) aus der letzten Staffel wiederkehren.

Die beiden waren in der vergangenen Staffel gar nicht dabei, sondern zuletzt in der sechsten.

[Der Sender] HBO habe die Idee, drei Kinofilme nach dem Vorbild der “Herr der Ringe”-Reihe zu drehen, zwar abgelehnt, aber das Budget für die Staffel verdreifacht. Die einzelnen Episoden kosteten demnach 15 Millionen Dollar — und sind mit jeweils 60 Minuten auch entsprechend lang.

Das Budget wurde nicht verdreifacht. Die Episoden der neuen Staffel sollen zwar tatsächlich 15 Millionen Dollar kosten, bei den letzten beiden Staffeln kosteten sie aber auch schon 10 Millionen.

Freuen dürfen sich die Fans aber nicht nur auf bekannte Gesichter, sondern auch auf die erste Folge der neuen Staffel in Extra-Länge. Laut der Fan-Seite soll Episode 1 rund 60 Minuten lang sein.

Die Episoden der anderen Staffeln dauerten im Schnitt auch schon 55 Minuten, die letzten beiden Folgen von Staffel 7 sogar 70 und 80 Minuten.

Die achte (und letzte) Staffel von “Game of Thrones” wird ab April 2019 im US-Fernsehen zu sehen sein.

Immerhin das haben sie richtig hinbekommen. Gut zwei Monate noch bis zur nächsten Staffel. Vielleicht schaffen es die Experten von Bild.de bis dahin ja auch, sich wenigstens mal anzugucken, worüber sie da schreiben.

Mit Dank an @FlDieckmann für den Hinweis!

Nachtrag, 21. Februar: Der Artikel wurde jetzt komplett überarbeitet und am Ende mit einem Hinweis versehen:

In einer früheren Version des Artikels wurden u.a. die Seriencharaktere der Schauspieler Kristofer Hivju und Richard Dormer fehlerhaft beschrieben. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen.

Blättern:  1 ... 211 212 213 ... 1144