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Gefährlicher Journalismus

Journalisten sollten den Werther-Effekt kennen. Jene Tatsache also, dass sich mehr Menschen das Leben nehmen, wenn zuvor ausführlich über einen Suizid berichtet wurde. Dieser Effekt ist schon in vielen Untersuchungen bestätigt worden: Je länger und prominenter über einen Suizid berichtet wurde, desto größer war der folgende Anstieg der Selbstmordrate.

Darum fordern viele Institutionen — darunter der Deutsche Presserat, die Weltgesundheitsorganisation und die Deutsche Depressionshilfe –, dass Medien zurückhaltend über Suizide berichten sollen. Insbesondere dann, wenn es sich um einen Prominenten handelt.

Journalisten wissen also, dass sie eine große Verantwortung tragen, wenn sie über solche Fälle berichten. Dass sie ganz genau abwägen sollten, was und wie sie berichten — weil sie im schlimmsten Fall dazu beitragen könnten, dass sich Menschen das Leben nehmen.

Doch vielen scheint das egal zu sein.

Nach dem Tod von Robert Enke hatten etliche Medien tagelang ohne jede Rücksicht über dessen Suizid berichtet. Die Zahl der Selbsttötungen stieg daraufhin massiv an. „In Anbetracht früherer Befunde zum Werther-Effekt scheint sich dieser Zusammenhang ohne Einfluss der Medienberichterstattung kaum zu erklären“, schrieben Kommunikationswissenschaftler der Uni Mainz später in einer Analyse der Enke-Berichterstattung. Auch sie kamen zu dem Ergebnis, dass sich in der Berichterstattung über Selbstmorde einiges ändern muss, um Nachahmungstaten zu verhindern.

Nur leider ist das vielen Journalisten immer noch egal.

Gestern wurde bekannt, dass sich der Schauspieler Robin Williams das Leben genommen hat.

Genügt das nicht schon an Informationen? Ist es für das Verständnis dieses Ereignisses wirklich erforderlich zu erfahren, wo, wie und womit er sich umgebracht hat, was er dabei anhatte, wie er aufgefunden wurde? Reicht es nicht, wenn die Leser erfahren, dass es ein Suizid war?

Offenbar nicht:




Viele Überschriften wollen wir gar nicht zitieren, weil sie einzig aus der Beschreibung der Suizidmethode bestehen. Und es sind nicht nur die Boulevardmedien, die ausführlich auf die “traurigen Details seiner letzten Minuten” eingehen. Beschrieben werden die Begleitumstände unter anderem bei den Agenturen AFP und AP, in der “Berliner Morgenpost”, im “Südkurier”, im “Express”, bei “RP Online”, “Focus Online” und der “Huffington Post”, auf den Internetseiten der “Tagesschau”, der “Welt”, der “FAZ”, der “Deutschen Welle”, der “tz”, des “Hamburger Abendblatts”, der “Mopo”, der “Gala”, der “Bunten”, der “inTouch”, von N24, RTL, der österreichischen “Krone”, dem Schweizer “Blick” und vielen, vielen mehr.

Aber es gibt zum Glück auch positive Entwicklungen. Ein paar Medien halten sich tatsächlich zurück, etwa die dpa, die nicht auf die Begleitumstände von Williams’ Tod eingegangen ist. Eine bewusste Entscheidung, wie uns dpa-Sprecher Christian Röwekamp auf Anfrage mitteilte. Es habe “intensive Gespräche” gebeben, auch mit den Kollegen in den USA, woraufhin die Agentur beschlossen habe, “eine sehr zurückhaltende Linie zu fahren”.

Und die “Bild”-Zeitung nennt unter ihrem heutigen Artikel immerhin die Nummer der Telefon-Seelsorge. Allerdings ist nicht davon auszugehen, dass ihr wirklich etwas daran liegt, die Zahl der Nachahmer gering zu halten — ein paar Zeilen weiter oben beschreibt auch sie ganz ausführlich, wo und wie sich Williams das Leben genommen hat.

Die wahre traurige Geschichte hinter Cristiano Ronaldos neuer Frisur

Inzwischen ist es ja normal, dass deutsche Journalisten total am Rad drehen, sobald irgendein Fußballer (oder Trainer) irgendwas mit seinen Haaren anstellt. Diesmal ist es aber besonders extrem. Nicht nur, weil es um Superstar Cristiano Ronaldo geht, der beim letzten WM-Spiel mit einem ins Haupthaar einrasierten Zickzack-Muster auflief, sondern weil sich hinter dieser Frisur eine “ergreifende” bzw. “rührende” bzw. “traurige” bzw. “dramatische” Geschichte verbirgt.

Im März wurde nämlich bekannt, dass Ronaldo eine Familie finanziell unterstützen will, deren kleiner Sohn Erik an einer Hirnerkrankung leidet und eine teure Operation benötigt.

Was das mit der Frisur zu tun hat? Nun, der “Blitz” sei in Wirklichkeit kein Blitz, schreiben die Medien, sondern er zeichne die OP-Narbe des kleinen Jungen nach, der Ende letzter Woche operiert worden sei. Ein Zeichen der Verbundenheit also. Hach!

Erzählt wurde diese ergreifende Geschichte bislang unter anderem von “RP Online”, “Focus Online”, Stern.de, Bild.de, DerWesten.de, Blick.ch, HNA.de, Heute.at, dem “Sport-Informations-Dienst” (auf dem einige der anderen Artikel beruhen), den Online-Auftritten von “Handelsblatt”, NDR, “Weser Kurier”, “Bunte”, “intouch”, “Sportbild”, “Berliner Zeitung”, “Augsburger Allgemeine”, “tz”, “Hamburger Abendblatt”, “Münchner Abendzeitung”, “Mopo”, N24, “Berliner Morgenpost”, außerdem vom “Express”, der “Süddeutschen Zeitung”, der “Nürnberger Zeitung”, der “FAZ”, der “Welt” und vielen mehr.

Eine Quelle geben viele Medien dabei allerdings nicht an. Und das ist der Haken an der Sache.

Wahrscheinlich beruht die Geschichte ursprünglich auf diesem Tweet:


Sieht zwar recht seriös aus, ist aber, wie sich nach anderthalbsekündiger Recherche zeigt, ein Fake-Account (“Not affifilated with the FIFA World Cup”). Und der wiederum hat die Story offenbar von diesem hier:

Auch hier hält sich die Seriosität eher in Grenzen. Andere Tweets des Nutzers lauten zum Beispiel:

Oder:

Davon abgesehen leidet der kleine Junge nicht, wie in den Tweets (und in ihren zahlreichen Varianten) behauptet wird, an einem Tumor, sondern an kortikaler Dysplasie. Einen Beleg dafür, dass Ronaldos Frisur irgendwas mit der OP-Geschichte zu tun hat, liefern die Tweets ohnehin nicht. Spätestens hier hätten die Journalisten — so sie denn recherchiert hätten — also stutzig werden müssen. Und allerspätestens am Montagabend. Da schrieb die Mutter des kleinen Jungen auf ihrer Facebookseite nämlich:

Ich habe gesehen, dass in den sozialen Netzwerken das Gerücht verbreitet wird, Cristiano Ronaldo hätte sich einen Haarschnitt zu Ehren von Eriks Operation machen lassen, aber ich möchte klarstellen, dass das nicht der Fall ist. Mein Sohn wurde noch gar nicht operiert. Cristiano Ronaldo hat zugesagt, einen Teil der Kosten für die Operation zu übernehmen, wenn mein Sohn sich dieser unterziehen muss, aber dieser Tag ist zum Glück noch nicht gekommen.

(Übersetzung von uns.)

Inzwischen sind auch einige Medien wieder halbwegs zurückgerudert. “Bild” und “Sportbild” beispielsweise haben ihre Artikel um den Hinweis ergänzt, dass es keine offizielle Bestätigung für die Frisurengeschichte gebe. Das “Handelsblatt” hat den Online-Artikel kurzerhand gelöscht. Und Stern.de hat zwar die Sache mit der Operation korrigiert (“Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass Erik Ortiz Cruz bereits operiert worden sei. Das ist nicht der Fall”), findet aber immer noch, dass die Frisur einen tieferen Sinn habe:

Ronaldo wollte nicht symbolisieren, dass er (blitz-)schnell ist. Die einrasierte Stelle steht für eine Narbe am Kopf. Und damit für eine bewegende Botschaft: Der einjährige Erik Ortiz Cruz leidet an einer schweren Hirnerkrankung, er muss operiert werden, auch sein Kopf wird einmal über eine solche Narbe verfügen.

Offenbar findet Stern.de die Geschichte dann doch zu schön, um sie ganz aufzugeben.

Mit Dank an Claudia und pre.

Übers Ziel hinaus

Der südafrikanische Leichtathlet Oscar Pistorius ist heute festgenommen worden, weil er im Verdacht steht, seine Lebensgefährtin getötet zu haben.

So berichteten deutsche Online-Medien heute Mittag darüber:

Bild.de:
Paralympics-Sieger Oscar Pistorius - MORDANKLAGE! Hat er seine Freundin wirklich AUS VERSEHEN erschossen?

“Spiegel Online”:
Mordanklage gegen Pistorius: Todesschüsse um vier Uhr nachts

Tagesschau.de:
Freundin erschossen aufgefunden - Mordanklage gegen Paralympics-Star Pistorius

Heute.de:
Freundin erschossen - Pistorius unter Mordanklage

“Die Welt”:
Paralympics-Star Pistorius wegen Mordes angeklagt

“RP Online”:
Paralympics-Star unter Mordanklage - Der Fall Oscar Pistorius ist ein Rätsel

“Hamburger Abendblatt”:
Freundin getötet: Pistorius unter Mordanklage

Bunte.de:
Oscar Pistorius - Steht unter Mordanklage

“Berliner Morgenpost”:
Mordanklage gegen Sprint-Star Pistorius

Auch viele andere Medien berichteten, jetzt stehe “der ‘Blade Runner’ unter Mordanklage” (mopo.de) oder “die Polizei” (!) habe “Anklage erhoben” (stern.de). Doch wie man es auch dreht: Es stimmt einfach nicht, dass der Mann unter “Mordanklage” steht. Bisher besteht lediglich ein Verdacht. Das ist im Strafrecht ein gewaltiger Unterschied — nicht nur in Deutschland, auch in Südafrika.

Ein deutschsprachiger Anwalt aus Pretoria hat uns auf Anfrage geschrieben:

Die endgültige Anklage wird erst viel später formuliert. Zur Zeit geht es lediglich darum, dass die Polizei eine Mordanklage untersucht. Ob es für Mord Beweise geben wird bleibt abzuwarten (…).

(…) Zur Zeit geht es lediglich um die Frage ob Pistorius auf Kaution freigelassen wird. Bis es zur Verhandlung kommt werden mindestens sechs Monate, wahrscheinlich aber über ein Jahr vergehen.

Immerhin ruderten einige Medien im Laufe des Nachmittags zurück und korrigierten sich (heimlich). “Spiegel Online” etwa hat in der Überschrift die “Mordanklage” durch “Mordverdacht” ersetzt und schreibt:

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der Leichtathlet erst am Freitag einem Haftrichter in Pretoria vorgeführt worden. Dieser muss dann entscheiden, ob Mordanklage erhoben wird und ob Pistorius gegen Zahlung einer Kaution auf freien Fuß gesetzt werden kann. Zunächst hatten Nachrichtenagenturen gemeldet, es sei bereits Mordanklage gegen Pistorius erhoben worden.

Stutzig gemacht haben diese Agenturmeldungen aber offenbar niemanden.

Mit Dank an Martin.

Nachtrag, 18.01 Uhr: Bild.de hat die Anklage jetzt ganz übersprungen und aus dem Verdacht schon mal Gewissheit gemacht:Paralympics-Sieger Pistorius erschießt seine Freundin

Sie war die strahlende Frau an der Seite des Sprint-Stars Oscar Pistorius (26). Jetzt ist sie tot!

Der Sportler erschoss seine Freundin letzte Nacht in Südafrika.

Nachtrag, 16. Februar: Dass Bild.de schreibt, Pistorius habe seine Freundin erschossen, ist natürlich nicht mit einer Vorverurteilung im Sinne von “hat seine Freundin ermordet” gleichzusetzen. Dieser Eindruck ist im ersten Nachtrag vielleicht entstanden. Wir wollten lediglich darauf hinweisen, dass Bild.de die — gewiss sehr wahrscheinliche, aber eben nicht zweifelsfrei erwiesene — Vermutung bereits kurz nach der Festnahme als Tatsache dargestellt hat. Vielleicht sind wir, was den Umgang mit Tatverdächtigen angeht, ein bisschen empfindlich geworden.

Vision, Ihr Luschen!

Zugegeben: Das mit Europa, das ist unübersichtlich. Es gibt die Europäische Union (EU), die auf die Europäischen Gemeinschaften (nicht zu verwechseln mit der Europäischen Gemeinschaft) zurückgeht, den Europarat (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Rat der Europäischen Union), den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof der Europäischen Union, obwohl genau das immer wieder geschieht), das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, die wiederum Teil der EU sind, außerdem die Europäische Rundfunkunion, die UEFA und die Band Europe. Da kann man schon mal durcheinander kommen.

Soweit wir selbst vor rund anderthalb Jahren, als es mal wieder darum ging, dass nicht alles, wo “Europa” drauf steht, auch gleichzeitig mit der Europäischen Union (EU) zu tun hat. Diesmal wird es noch komplizierter, denn nicht auf allem, was im weiteren Sinne mit Europa zu tun hat, steht auch “Europa” drauf.

Die oben bereits eingeführte Europäische Rundfunkunion (EBU) richtet seit 1956 alljährlich eine Veranstaltung aus, die seit 1992 offiziell “Eurovision Song Contest” heißt und am vergangenen Samstag im aserbaidschanischen Baku stattfand. Auch in den Jahren davor trug sie schon oft diesen Titel, auch wenn sie im Volksmund immer noch als “Grand Prix Eurovision de la Chanson” oder schlicht “Schlager-Grand-Prix” bekannt ist. Nie, hingegen, hieß sie “European Song Contest” — was auch ziemlicher Quatsch wäre, da zu den EBU-Mitgliedern auch Staaten in Nordafrika und Vorderasien gehören.

Auftritt deutsche Medien:

“Express”, 15. Mai:

In Baku (Aserbaidschan) gab es bei einer Demo von Regierungsgegnern gegen Zwangsenteignungen Verletzte und 10 Festnahmen. In Baku sind seit 2009 4000 Gebäude abgerissen worden. In der Stadt findet am 26. Mai der European Song Contest statt.

“Hamburger Abendblatt”, 16. Mai:

Ob die gefühlvolle Ballade “Standing Still” des deutschen Teilnehmers Roman Lob, 21, ankommt, wird vom Umfeld abhängen. Das Lied, das der englische Ausnahmekünstler Jamie Cullum komponierte, hat unbestritten internationales Pop-Potenzial, so wie der Song “Euphoria” der Schwedin Loreen, die bei den englischen Buchmachern als Favoritin geführt wird – beim European Song Contest 2012, diesmal eben aus Absurdistan.

tagesspiegel.de, 16. Mai:

Aserbaidschan: Vor dem European Song Contest in Baku

“Rheinische Post”, 19. Mai:

Bei der Vorbereitung für den European Song Contest in Aserbaidschan war das Know-how von Gardemann-Arbeitsbühnen gefragt. In Alpen sitzen die Fachberater für Auslandseinsätze.

“Welt am Sonntag”, 20. Mai:

Welt am Sonntag: Herr Schreiber, Herr Urban, haben Sie die Gewinner des vergangenen European Song Contest in Düsseldorf noch in Erinnerung?

(In dem Interview mit ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber und dem ESC-Kommentator der ARD, Peter Urban, wird den beiden ESC-erfahrenen Gesprächspartnern mehrfach die Formulierung “European Song Contest” in den Mund gelegt.)

“Nürnberger Zeitung”, 21. Mai:

Schon vor dem Halbfinale des European Song Contest hat sich die NZ die wichtigsten Beiträge im Internet angesehen.

AFP, 24. Mai:

Baku:
– Zweites Halbfinale beim European Song Contest (21.00 Uhr)

Reuters, 24. Mai ff:

NEU-ULM/ULM – Aktionen von Amnesty International in NEU-ULM (10:40) unter dem Motto “0 Points für Menschenrechte in Aserbaidschan” anlässlich des European Song Contest und in ULM (11:30) unter dem Motto “Hände hoch für Waffenkontrolle – Für einen starken ‘Arms Trade Treaty'”

“Handelsblatt”, 25. Mai:

In Aserbaidschans Hauptstadt Baku findet morgen das Finale des European Song Contest (ESC) statt.

n-tv.de, 25. Mai:

Oslo oder Düsseldorf mögen sich für den European Song Contest mächtig ins Zeug gelegt haben – gegen das, was in Baku aufgefahren wird, waren das allenfalls Sandkastenspiele.

“Westfälische Nachrichten”, 25. Mai:

Peter von Wienhardt ist Pianist und Komponist – aber der Professor an der Musikhochschule Münster hat auch ein gutes Gespür für die Chancen der Kandidaten beim European Song-Contest.

br.de, 25. Mai:

In Baku, der Haupstadt von Aserbaidschan, findet in diesem Jahr der European Song Contest statt. Die Opposition des Landes nutzt die Chance, um die Stimme gegen das autoritäre Regime zu erheben.

Auch an diesem Samstag werden wieder Millionen Fans des European Song Contests (ESC) vor den Fernsehern sitzen, um sich mehr oder weniger gelungene Lieder und deren Interpreten anzuschauen. Mit Spannung verfolgen die Menschen die Entscheidung, wer das Finale gewinnt.

“Spiegel Online”/”Perlentaucher”, 25. Mai:

In einem Pro und Contra widmen sich Jan Feddersen und Stefan Niggemeier der Frage, wie deutsche Journalisten vom European Song Contest aus Aserbaidschan berichten sollen und ob es Heuchelei wäre, wenn sie über dortige Menschenrechtsverletzungen schreiben.

(Im verlinkten Artikel auf taz.de schreiben Feddersen und Niggemeier nur vom “Eurovision Song Contest”.)

“Spiegel Online”/”Perlentaucher”, 26. Mai:

So langsam scheint es, als müsse man den European Song Contest ernst nehmen, staunt Wolfgang Michal auf Carta.

(Im verlinkten Artikel auf carta.info schreibt Wolfgang Michal auch nur vom “Eurovision Song Contest”.)

“Mannheimer Morgen”, 26. Mai:

Mehr als 100 Millionen Zuschauer werden heute Abend vor dem Fernseher sitzen, wenn der European Song Contest ins Finale geht.

“Berliner Morgenpost”, 26. Mai:

Die Berichterstattung in den deutschen Medien zur Lage Aserbaidschans kritisiert der PR-Berater. Viele Journalisten würden nicht fair und objektiv recherchieren. Beispielsweise bei den Umsiedlungen der Menschen, die dem Bau der neuen Konzerthalle für den European Song Contest weichen mussten.

dapd, 27. Mai:

Hamburg (dapd). NDR-Intendant Lutz Marmor hat Anke Engelke für ihre kritischen Äußerungen beim Finale des European Song Contest gelobt. “Ein besonderes Kompliment hat sich Anke Engelke verdient”, erklärte Marmor am Sonntag. “Bei der Punktevergabe live von der Grand-Prix-Party in Hamburg hat sie genau den richtigen Ton getroffen. Danke, Anke!”

(In seiner Pressemitteilung hatte der NDR selbstverständlich “Eurovision” geschrieben.)

neuepresse.de, 27. Mai:

ESC: Schweden gewinnt European Song Contest in Baku

“Euphoria” in Baku: Zum fünften Mal gewinnt Schweden den Eurovision Song Contest. Die Sängerin Loreen ist die Siegerin des wohl politisch brisantesten Grand Prix der Fernsehgeschichte.

dapd, 27. Mai:

Spektakulärer Auftritt von Anke Engelke beim European Song Contest (ESC): Bei der Verlesung der deutschen Punktwertung für die anderen ESC-Teilnehmer kritisierte sie von der Hamburger Reeperbahn aus vor einem 100-Millionen-Publikum die Regierung des ESC-Gastgeberlandes Aserbaidschan. (…)

Nach dem ESC-Erfolg von Sängerin Loreen darf Schweden den Eurovision Song Contest 2013 ausrichten.

“Berliner Morgenpost”, 27. Mai:

Der 57. European Song Contest bietet Unterhaltung und manche Überraschung

dapd, 29. Mai:

Die 28-Jährige ist laut eigener Aussage noch zu haben. “Ich bin Single, leider auch sehr schüchtern.” Loreen gewann am Samstag beim European Song Contest in Baku mit dem Lied “Euphoria”.

“Spiegel Online”/”Perlentaucher”, 29. Mai:

Und: Gerrit Bartels stellten sich beim European Song Contest die Nackenhaare auf: “So viel unfassbare schlechte Musik, die da über drei Stunden zu hören war!”

(Auch hier gilt natürlich: Gerrit Bartels schreibt im verlinkten Artikel auf tagesspiegel.de nur vom “Eurovision Song Contest”.)

dpa, 30. Mai:

Aserbaidschan: Anschläge vor European Song Contest verhindert

Baku/Moskau (dpa) – Aserbaidschanische Sicherheitskräfte haben nach eigenen Angaben vor dem Finale des Eurovision Song Contest (ESC) in der vergangenen Woche mehrere Terroranschläge verhindert.

n-tv.de, 31. Mai:

Jetzt, wo der European Song Contest vorbei ist – haben Sie Angst, dass die Regierung sich rächen wird für all die Kritik, die Sie veröffentlicht haben, und für all die Proteste, die Sie und andere organisiert haben?

  

Irgendwas mit Aperol

Im Juli sorgte eine Meldung für Aufsehen, wonach eine junge Frau “zwei Stunden lang auf der Terrasse einer Charlottenburger Trattoria saß, ohne ein Orangenlikör-Prosecco-Gemisch als Aperitif zu trinken”. Sie hatte damit gegen die deutsche Aperitif-Verordnung (“Lex Aperol”) verstoßen, die Gäste von Straßenrestaurants zwischen April und Oktober dazu verpflichtet, mindestens ein Glas Orangenlikör mit Prosecco deutlich sichtbar zu verzehren.

Diese Meldung war nur ein Scherz der Satireseite “Der Kojote”, die dazu ergänzte:

Absatz 2 der Verordnung zwingt Zeitungen und Zeitschriften, dreimal monatlich unter der Überschrift “Sommertrend” über das Getränk zu berichten.

Das erscheint dann allerdings schon gar nicht mehr so abwegig angesichts der Berichterstattung, der sich das “Kult-Getränk” in diesem Sommer und den nachfolgenden Monaten erfreute. Die folgende Liste der Erwähnungen des Markennamens ist daher ganz sicher unvollständig:

“Süddeutsche Zeitung”, 6. Mai:

Als das Weinglas von der Balustrade kippt, wippt die blonde Frau unten noch lächelnd hin und her. Sie hält einen Aperol Sprizz, tanzt zur Musik und beobachtet die Gäste um sie herum.

“Hamburger Abendblatt”, 9. Mai:

“Das ist wie ein Kurzurlaub”, sagt Torpe Schulz und greift zu seinem Glas Aperol-Spritz. Er nimmt einen Schluck des orangefarbenen Getränks, dann lässt er seinen Blick wandern.

“Wiesbadener Tagblatt”, 9. Mai:

Zu Gast ist die Managementtrainerin für Stil und Etikette Lis Droste. Wie viel Haut darf man im Job und in der Freizeit zeigen? Wieviel Aperol-Spritz darf es beim Sommerfest sein?

“Heilbronner Stimme”, 16. Mai:

Wenn der Handels- und Gewerbeverein sein Kulinarissimo zelebriert, tummeln sich zahlreiche Feinschmecker und Genießer in der Stadtmitte. Eine junge Frau ließ sich einen orangeroten Aperol-Spritz schmecken, während ihr Begleiter herzhaft in seinen Spargelflammkuchen biss.

“Münchner Merkur”, 19. Mai:

Zum Unfallzeitpunkt habe die Frau 0,9 Promille Alkohol im Blut gehabt, errechnete der Experte. Sie selbst hatte nur von zwei Gläsern Aperol Spritz und einem Glas Wein in sieben Stunden gesprochen.

“Frankfurter Rundschau”, 19. Mai:

Die Musik ist nicht zu laut und nicht zu leise. Der Aperol mit Prosecco schmeckt, obwohl er mit 8,50 Euro zu teuer ist.

“Frankfurter Neue Presse”, 19. Mai:

“Die meisten anderen auf dem Freßgass’-Fest machen ihre Erdbeerbowle mit Apfelwein. Unsere Basis ist Wein und Prosecco”, erklärt Nadine Stillger. Fünf Euro kostet das Glas. Genauso wie der Aperol Spritz und der Peach-Spritz.

“Südkurier”, 24. Mai:

Mit Regenwasser und Hagel versetzter Aperol war beim Innenhof-Festival des Theaters Atrium das Modegetränk derer, die beim Wolkenbruch am Sonntag nicht rechtzeitig unters Zeltdach kamen.

“Münchner Wochenanzeiger”, 24. Mai:

Neben Kaffee werden vom SPD-Ortsverein auch Säfte und Aperol-Sprizz ausgeschenkt sowie Weißwein von der CSU.

“Nürnberger Nachrichten”, 28. Mai:

Bei Aperol Spritz genießen die Besucherinnen den Blick von der Terrasse der Skybar und kommen tatsächlich auch miteinander ins Gespräch.

“Berliner Morgenpost”, 28. Mai:

Ihre Mama Sonja Christmann trinkt hier gerne Aperol Spritz (4,00 Euro).

“Süddeutsche Zeitung”, 30. Mai:

Das Wort “Sommermärchen”, auch das werden Jugendliche in 20 oder 40 Jahren lernen, war für das Deutschland des neuen Jahrtausends ungefähr so prägend wie die Abwrackprämie, der Wutbürger oder Aperol Sprizz.

“Wormser Zeitung”, 1. Juni:

An einer speziellen Cocktailbar wird es dieses Jahr neben anderen eisgekühlten Leckereien den “Indrink 2011 – Aperol Spritz” geben. “Primasecco, etwas Aperol, viel Eis und ein Spritzer Mineralwasser – der Tipp für eine spritzige Abkühlung”, ist Genießerin Limburg sicher.

“Aachener Zeitung”, 2. Juni:

So etwas macht natürlich durstig, und auch hungrig. Sieben Gastro-Stände offerierten beim Katschhoffest Würstchen, Waffeln und Gummibärchen. Das billigste Bier gab’s für 1,70 Euro, für Aperol-Spritz waren satte 5 Euro fällig.

“Allgemeine Zeitung”, 3. Juni:

Die Kneipe mit 50 Sitzplätzen wirkt heute wie aus der Zeit gefallen. Eine Foto-Tapete mit Schwarzwald-Haus bedeckt die Längsseite. Ein Ölofen heizt im Winter den Raum. Auf der Getränkekarte steht Sinalco-Schoppen für kleines Geld statt Aperol-Sprizz. Eine Dorfkneipe eben.

“Darmstädter Echo”, 4. Juni:

Wie herrlich saßen die Dippegucker dort schon Anfang April am Ende eines sommerlich warmen Frühlingssamstags zusammen auf ein paar Sauergespritzte und Spritz-Aperol.

“Der Tagesspiegel”, 5. Juni:

Man muss sich das wahrscheinlich wie folgt vorstellen: Da denken sich die Chefs eines französischen Getränkeriesen oh là là, diese Deutschen, trinken jetzt schon seit zwei Jahren Sprizz, und die Italiener verkaufen denen Aperol wie doll. Und dann haben sie sich an ihren Lillet erinnert, den Aperitif aus Weinen, versetzt mit Fruchtlikören, der da in einer ihrer Manufakturen bei Bordeaux produziert wird.

“Die Welt”, 6. Juni:

Die Reste von 250 Bergsteiger- und über 800 Partyzelten wurden ebenfalls vom höchsten Berg der Welt ins Basislager geschafft, dazu Sauerstoffflaschen in den Geschmacksrichtungen Holunder und Aperol Spritz.

“Wiesbadener Tagblatt”, 6. Juni:

“Die Wurst ist gut, die Musik spitze, nur der Aperol Spritz ist zu teuer mit 3,50 Euro! Aber es ist doch immer wieder schön, hier zu sein…” lautete einer der detailliertesten Kommentare eines der vielen Besucher, die wie immer zahlreich aus dem ganzen Idsteiner Land und von weither angereist waren.

“Reutlinger General-Anzeiger”, 8. Juni:

Highlight des Baustellen-Rundgangs war die Stippvisite auf dem Stadtbalkon, der einen prächtigen Ausblick nicht nur auf die Reutlinger Altstadt, sondern in alle Richtungen ermöglicht und später in Kombination mit dem kleinen Saal auch für private Veranstaltungen genutzt werden kann. Bei einem Gläschen Sekt oder Aperol-Spritz “hinter” dem Krankenhäusle klang die Führung aus.

“Welt Online”, 9. Juni:

Meine einzige Bewegung an diesem Tag: Ich schlendere zur Bar und ordere um 12 Uhr mittags einen Aperol-Spritz.

“Kleine Zeitung”, 9. Juni:

Motive für den Besuch? Sonne, Trinkspiele am Strand, Meer, literweise Aperol-Spritz an der berühmt-berüchtigten Aurora-Bar, Kurzzeit-Romanzen, Partymarathon. Was am Strand beginnt, geht im Stadtzentrum bis zum Sonnenaufgang weiter.

“Wir machen in diesen drei Tagen so viel Umsatz, wie sonst in einem Monat”, erzählt Francesca, die das “Tango Cafe” auf den Ansturm einer partyhungrigen, adoleszenten Meute vorbereitet. Soeben trifft wieder eine Getränkelieferung ein, kistenweise verstauen Francesca und ihre Kollegen Aperol, Weißwein, Bacardi und Wodka im Lager.

“Die Welt”, 11. Juni:

Auf den Tischen stehen Schälchen mit Kartoffelchips und Oliven sowie halb leere Gläser mit der klassischen “Sprizz”-Mixtur aus Aperol, Prosecco und Mineralwasser.

“Hamburger Abendblatt”, 14. Juni:

Die beiden machten einen sehr vertrauten Eindruck und genossen den ein oder anderen Aperol Sprizz. Bleibt nur noch die Frage, wer ist die Frau an der Seite des Politikers?

“Allgemeine Zeitung”, 15. Juni:

Aperol Sprizz – es ist das Getränk des Jahres. Wer abends durch die Fußgängerzone schlendert, sieht die leuchtende Flüssigkeit gefühlt in jedem zweiten Glas. Eine orangefarbene Welle schwappt über Deutschland hinweg.

Doch was ist dran an diesem Trendgetränk? “Aperol Sprizz ist die perfekte Mischung”, sagt Tosaporn Purkpong, genannt Todd, Barkeeper im Hyatt Regency. “Farbe und Aroma sind perfekt, es ist einfach zu mischen und die Zutaten gibt es überall zu kaufen.”

“Südwest Presse”, 15. Juni:

Da sich Männer- und Frauen-Fußball voneinander unterscheiden, findet dies auch beim Public-Viewing seinen Niederschlag. Zum Beispiel beim Catering: Für das weibliche Publikum gibts nicht nur Bier, sondern Pro Secco oder Aperol, zusätzlich zu Rote und Steak sind Pasta und Salate mit im Angebot.

“Main Post”, 20. Juni:

Auch die schon Kult gewordene Cocktailbar, an der die Bartender des “Enchilada” Cocktails und Longdrinks zaubern, ist wieder dabei. An der Sektbar gibt es neben Sektspezialitäten aus dem Hause J. Oppmann auch einen erfrischenden “Aperol-Spritz”. Die Preise seien familienfreundlich, verspricht Burkard Pfrenzinger, Sitzungspräsident der KaGe Elferrat.

“Kleine Zeitung”, 21. Juni:

“Einen Sommerspritzer, bitte!”, das ist an Tagen jenseits der 25-Grad-Marke wohl die häufigste Bestellung im Beisl ums Eck. Nur knapp dahinter das Gemisch aus Mineralwasser und Aperol, einem Destillat aus Rhabarber, Chinarinde, Enzian, Bitterorangen und Kräutern. Untertags soll man seinen Körper hingegen nur mit antialkoholischen Getränken zuschütten: Nicht zu kaltes Leitungswasser ist dabei der beste Durstlöscher. Und als Alternative: Das belebende Nass mit Minze vom eigenen Balkon und Zitrone aufpeppen.

“Frankfurter Allgemeine Zeitung”, 21. Juni:

Könnten sich vielleicht die Elemente gegen die Begleitumstände eines gut besuchten, aber nicht ausverkauften Open-Air-Konzerts der derzeit wiedervereinten Eagles auf dem Bowling Green vor dem Kurhaus verschwören? Also eine Veranstaltung verhageln, die mit ihren Eintrittspreisen von bis zu 150 Euro pro Ticket, sich mit Sekt und Aperol Sprizz zuprostenden Besuchergruppen sowie Bestuhlung bis direkt vor die Bühne so gar nichts mehr mit den gängigen Vorstellungen von einem Rockkonzert gemein hatte?

“Spiegel Online”, 22. Juni:

Während sich auf der Piazza St. Giacomo die Gäste in den Straßencafés amüsieren und fast auf jedem Tisch ein Aperol-Sprizz im Nachmittagslicht funkelt, steht der 32-jährige Absolvent Lorenzo aus Pordenone mit Klebeband gefesselt an einem Laternenmast.

“Badische Zeitung”, 22. Juni:

Im Anschluss unterhält die Freiburger Formation “Mimmo di Lipari” bis nach Mitternacht mit typisch italienischen Hits und Liedern der letzten Jahrzehnte. Abgerundet wird der Abend durch authentische Speisen (Pasta, Antipasti, Salsiccia) und Getränke (Aperol Spritz, Caipirinha, Mojito und mehr).

“Stuttgarter Nachrichten”, 22. Juni:

Am Marienplatz wird seit 2009 “Frozen Yogurt” verkauft. Die riesige Joghurt-Maschine thront hinter der Glasvitrine mit den Schalen voller Eis. Schon hier ist jeder Gast überfordert. Neben den Klassikern wie Vanille, Zitrone oder Erdbeer gibt es auch Quark-Balsamico, Torrone, Cookies, Karamel mit Fleur de Sel, Avocado-Limette, Holunderblüte oder Aperol Spritz im Angebot.

blogs.taz.de, 22. Juni:

Diese Woche Jango Edwards gesehen (tatsächlich, diesen Clown und Verrückten gibt’s noch). Mitten unter hartgesotteten Fans, sensationslüsternen Senioren bei Aperol Spritzz und verirrten Väter-Töchter-Gespannen.

“Offenbach Post”, 25. Juni:

So gibt es zur Eröffnung des WM Sommergartens heute unter anderem WM-Burger, Aperol-Spritz und Weizen vom Fass.

“Nordwestzeitung”, 25. Juni:

Im Litfaß (Lindenstraße 56) stehen eine Leinwand und ein kleiner Fernseher für die Besucher bereit. Eventuell soll im Gartenbereich noch ein weiteres TV-Gerät aufgebaut werden. Inhaber Wiard Heuermann hofft insbesondere auf viele weibliche Gäste – und lockt mit einem speziellen Angebot: “Als Alternative zum Bier gibt es für die Damen Aperol Sprizz.”

nordbayern.de, 28. Juni:

Bei strahlend blauem Himmel und sommerlichen Temperaturen, die am frühen Abend an der 30-Grad-Marke kratzten, lässt es sich am besten bei einem eiskalten Aperol Sprizz oder anderem Erfrischungsgetränk aushalten.

“Stuttgarter Zeitung”, 29. Juni:

Bei besonderen “Frauengetränken” wie zum Beispiel “Aperol Spritz” feierten die Gäste das 2:1.

“Wiesbadener Kurier”, 3. Juli:

Manch einer greift auch zum Kaffee zum Aufwärmen oder zum Mode-Drink Aperol, in der Rheingauer Variante gespritzt mit Johannisberger Riesling.

“Der Freitag”, 5. Juli:

An den heißen Tagen ist man allerdings nicht mehr so ungestört, abends wird es dann gesellig. 
Jeder bringt etwas zum Trinken oder Essen mit – und füllt den Kühlschrank auf. Ich liebe Prosecco mit Aperol.

“Schwarzwälder Bote”, 5. Juli:

Blumberg leuchtete orange – zumindest im Festzelt. Nicht etwa, dass die Eichbergstädter eine neue Liebe zur Niederlande entdeckt hätten. Nein, nein, es geht eher um etwas südländisches. “Aperol-Spritz” heißt das Zauberwort. Man könnte auch sagen, es war das Getränk des Festes.

“Spiegel Online”, 6. Juli:

Wieso ist der Münchner Aperol-süchtig, und was ist in der teuren Metropole einfach unbezahlbar? Achim Wigand hat die bajuwarische Lebensart nicht nur aus Berufsinteresse intensiv studiert – SPIEGEL ONLINE ringt dem Reiseführer-Autor die besten Tipps ab.

“Mindener Tageblatt”, 7. Juli:

Als passendes Getränk zu den “Herrgotts Bscheißerles” empfiehlt das Almundo Prosecco, wahlweise mit frischer Melone oder einem Spritzer Aperol.

“Neue Presse Coburg”, 7. Juli:

Wer in den Bars und Kneipen einen Blick in die Gläser der Damenwelt riskiert, sieht sehr häufig eines: die Farbe Orange. “Aperol Sprizz” heißt der süffige Trend-Cocktail, der auf keiner Getränkekarte fehlen darf. Nahezu jede Frau hat ihn schon einmal probiert und nahezu jedes Lokal bietet ihn an – auch in Coburg – einfach weil man ihn anbieten muss.

“Zeit Online”, 7. Juli:

Donnerstag, 8.03 Uhr, Strandbad Maria Loretto. Der See hat 23 Grad; die Abkühlung macht den Kopf klar. Neuerdings schenken sie bei der Eröffnung das Modegetränk Aperol Sprizz aus.

stern.de, 8. Juli:

Ursprünglich als Sommermärchen 2011 geplant, sieht man nun, warum diese Sportart einst verboten war. Schiedsrichterinnen, die anscheinend zu viel Aperol-Spritz genossen haben und nicht genau zu wissen scheinen, ob sie Handball oder Fußball pfeifen, stolpern über gedopte Spielerinnen aus Nordkorea.

“Münchener Abendzeitung”, 9. Juli:

“Lass uns noch schnell Pommes holen”, quengelt ein Bub. “Zu spät”, raunzt die Mama, am Aperol Spritz nippend, denn mit Gottschalks launigem Bad in der Menge werden’s schnell noch mehr.

“NZZ Online”, 10. Juli:

Eine junge Dame, welche gerne laue Sommerabende in den Zürcher Bars Rimini und Talacker geniesst, bringt es auf den Punkt: “Aperol Spritz macht nicht müde wie Rotwein, nicht dick wie Bier und verursacht keine Kopfschmerzen wie Weisswein.”

“Der Tagesspiegel”, 10. Juli:

All das mochte am herrlichen, schwülwarmen Kärtner Sommerwetter liegen, an den ausgiebigen Schwimmeinheiten am Wörthersee, vielleicht gar an den vielen leckeren Aperol Sprizz’, die es etwa beim traditionellen Bürgermeisterempfang im Seerestaurant Maria Loretto gab.

“Spiegel Online”, 12. Juli:

Und wieder ein Buffet. Diesmal hat der Bürgermeister der Stadt Klagenfurt in einen prachtvollen Vorgarten geladen, mit Blick auf den See. “Hier fehlt eigentlich nur Roy Black”, sagt einer, während er sich einen Sekt-Aperol von einem der Tabletts nimmt. Solange die Sonne noch golden auf dem See glitzert, mache ich einige Fotos.

“Schwäbisches Tagblatt”, 14. Juli:

Deutsche Pizza-Pasta-Toskana-Freunde erleben derzeit jedenfalls ganz ungeniert ihr oranges Wunder: „Aperol Sprizz“. Sechs Centiliter Prosecco, vier Centiliter des italienischen Likörs, ein Spritzer Soda, Eiswürfel und fürs Auge eine Orangenscheibe – fertig ist das Dolce Vita des Sommers 2011.

“Kölnische Rundschau”, 20. Juli:

Klar, wir hatten uns alle wahnsinnig gefreut. Auf ganze Samstage auf der Wiese im Volksgarten, mit gegrillten Maiskolben im Mund und Gras zwischen den Zehen. Auf diverse Aperol Spritz am Abend nach einem richtig heißen Stadtsommertag. Auf Spaziergänge über staubtrockene Feldwege im Bergischen Land.

“Wiener Zeitung”, 22. Juli:

Gut, stimmen wir sie an, diese bekannte Arie aus der Oper “Porgy and Bess”: Summertime and the living is easy – der Grill lockt, der Aperol funkelt, die Urlaubsprospekte sind gelesen, die Websites durchgeklickt, das Ziel festgelegt.

“Frankfurter Allgemeine Zeitung”, 23. Juli:

Es ist bodenständig, liebevoll, handfest, ein Festival mit hoher musikalischer Brillanz und deftigem Umfeld, auch wenn im Schloss mehr Aperol Spritz als Bier getrunken wird.

“Die Welt”, 23. Juli:

Interessanterweise gibt es aber dennoch so etwas wie den Sommerdrink der Saison: Aperol Spritz. Auf welche Party, in welches Restaurant, auf welche (überdachte) Terrasse man auch kommt, überall wird dieses leicht moussierende, orange Getränk gesüffelt. Etwas Aperol (ein uralter italienischer Bitter-Likör), etwas mehr Prosecco, noch einen Schuss Soda oder Tonic dazu, Eiswürfel, Orangenschale, fertig. Da muss keiner die Vorprüfung zum Barkeeper des Jahres bestanden haben, um das in unter 40 Sekunden hinzubekommen.

“Der Westen”, 24. Juli:

Jamie Smiths (von The XX) DJ-Set beweist einmal mehr, dass auf der Electro-Bühne die ambitionierteste Musik spielt. Danach ist Zeit für eine Bratwurst mit Ingwer und ein Bier oder ein Aperol Spritz, wie gesagt, dies ist ein elegantes Festival.

“Die Welt”, 25. Juli:

Trendforscher würden sagen: Der Juli ist der neue November. Wir stellen den Aperol ganz hinten ins Regal, holen einen schweren Rotwein aus dem Keller (Achtung: Für Glühwein ist es noch zu früh!) und denken, müßig unter einer Wolldecke verkrochen, schon mal über Weihnachtsgeschenke nach.

“Die Welt”, 2. August:

Sylt könnte so schön sein mit seinen Flaggen und den Krabben, dem Aperol Spritz und dem Schnack und den Naturgewalten – ach, einfach mit allem!

“Thurgauer Zeitung”, 22. August:

Kurz vor 15 Uhr bekommt FCK-Präsi Daniel Geisselhardt auf der Löwen-Terrasse einen Aperol-Sprizz serviert. Am Nebentisch sitzen Mitglieder der Jungen Wirtschaftskammer.

“Der Standard”, 3. September:

Mette Philkjær steht in ihrem Vorgarten im zehnten Stock, nippt gelegentlich an einem Aperol-Spritz und putzt ihr Fahrrad. Ein ganz gewöhnliches Stadtrad mit Einkaufskorb an der Lenkstange und Gepäckträger hinten drauf.

“Frankfurter Rundschau”, 6. September:

Lachende, fast schon hysterisch kreischende Frauen im Alter von 20 bis 60 Jahren stießen mit ihren Aperol Spritz (Sekt mit italienischem Likör, ein Trendgetränk) auf einen gelungenen Abend bei “Ganze Kerle” an.

“Südkurier”, 7. September:

Die Luft duftet nach Sommer und Pizza Margherita. Hier treffen sich abends die Einheimischen und lassen bei einem Aperol Spritz den Tag ausklingen.

“Welt Kompakt”, 9. September:

Und wie wir da stehen und an unserem Aperol Spritz nippen, schwelgen wir in urbanem Hochgefühl.

sueddeutsche.de, 19. September:

Wenn es ein Münchner Party-Getränk gibt, dann den Sprizz. Die Mischung aus Prosecco, Soda und Aperol gibt es in jedem In-Café in der Stadt. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet auf der Wiesn dieser urmünchnerische Drink falsch geschrieben wird – auch wenn der Sprizz ordentlich spritzt.

“Welt am Sonntag”, 25. September:

Gern hätte man aber gewusst, wie der Papst zu Aperol Spritz steht, das sich wie eine Seuche in den Schankstuben Europas ausgebreitet hat und von den Menschen für ein Getränk gehalten wird.

“Stuttgarter Nachrichten”, 28. September:

Alles läuft hier glatt: Die freundliche Bedienung kommt sofort, nach einem perfekt temperierten Aperol Sprizz teilen wir uns die Primafila-Vorspeisenplatte – feines Vitello Tonnato (Kalbfleischscheibchen mit Tunfischsoße), Meeresfrüchtesalat und Parmaschinken mit aromatischer Melone, kunstvoll auf einem rechteckigen Teller arrangiert.

“Der Freitag”, 30. September:

Auf der weitläufigen Dachterasse schauen, meist schwarz gekleidete Leute, in den spätsommerlichen Himmel, mit Aperol-Spritz in der Hand, das passt grandios zu diesem Abend.

“Zeit Online”, 7. Oktober:

Sitze im Garten und trinke Aperol Sprizz. Sandra kommt vorbei und wir beschließen, ins Mar zu fahren, ein Club.

“Süddeutsche Zeitung”, 20. Oktober:

Ein Kir Royal oder ein Aperol Spritz, die Sonne kommt von der Augsburgerstraße her, die direkt auf das Rive Gauche zuläuft und einen Einschnitt zwischen den Häusern bildet. Ein durch und durch entspannter Ort, den man gern auch tagsüber aufsucht.

“Berliner Morgenpost”, 30. Oktober:

Schwungvoll schenkt Anna den Aperol ins Glas, spritzt den fruchtig-bitteren Likör mit Prosecco ab, fügt eine grüne Olive hinzu. Der Tour-Guide der 20-köpfigen Radgruppe weiß, dass dies der beste Spritz-Aperol ist, den man auf Pellestrina, der schmalen Landzunge vor Venedig, trinken kann.

“Berliner Morgenpost”, 20. November:

Wenn er beginnt, Anekdoten über seine Familie zu erzählen, und Haußmann erzählt sehr gern Anekdoten über seine Familie, blickt er jedes Mal entschuldigend lächelnd zu ihr. Sie nickt dann wissend und ein wenig mütterlich; zieht aber auch mal genervt die Augenbrauen nach oben, wenn Haußmann dem Kellner fahrig zu erklären versucht, was ein richtiger Aperol Spritz ist. Also mit Weißwein, so, wie er ihn vor ein paar Tagen in Rom serviert bekommen habe. Beim International Rome Film Festival, wo “Hotel Lux” aufgeführt wurde und wo es, so Haußmann, Bravorufe gab und sieben Minuten Standing Ovations.

“Main Post”, 20. November:

Einen Krimi wollte dieser Lothar Reichel eigentlich nicht schreiben, aber bei einem Glas Aperol wurde aus der Schnapsidee schnell ein richtiges Konzept: warum nicht Blacky zum Titelhelden machen.

“Die Welt”, 26. November:

Kürzlich kam ich mit Besuch nach Hause (meine Frau war beim Tennis) und versprach einen Aperol Spritz. Ich scheiterte aber auf ganzer Linie, weil dort, wo die Cocktailgläser sein sollten, nun Vasen standen, statt Orangen jetzt Kartoffeln im Obstkorb lagen und ich zwar den Prosecco fand, statt des Korkenziehers aber nur Gabeln und Topflappen in die Hände bekam.

“Rhein Main Presse”, 2. Dezember:

Auch getränketechnisch ist Glühwein oder Kinderpunsch längst nicht alles. Aperol-Punsch etwa scheint die Winterversion des Sommerhits Aperol-Spritz zu sein.

“Augsburger Allgemeine”, 10. Dezember:

Der Sommerhit unter den Mischgetränken hat sich einen Pelz angezogen und schmiegt sich nun auch im Winter in das Weißweinglas: Aperol-Spritz. Heiß schmeckt er nahezu genauso (gut) wie kalt.

Und wie um das alles zusammenzufassen, hier die aktuellste Erwähnung aus der “Süddeutschen Zeitung” vom 12. Dezember:

Nachdem wir uns den Begrüßungscocktail geholt haben (irgendwas mit Aperol), nehmen wir strategisch günstig an einem der Tische auf der Galerie im ersten Stock Platz, von dem aus wir das Treiben unten gut beobachten können.

Mit Dank auch an Gerhard B., Lukas und Marcel.

Bild  

Die Springers bei der Ackermann-Sause (3)

Wer so flexibel mit der Wahrheit umgeht wie die “Bild”-Zeitung, kann Widersprüche nicht immer vermeiden.

“Bild”, 16. Januar 2009:

Es war einer der gesellschaftlichen Höhepunkte im Leben des Josef Ackermann: Seinen 60. Geburtstag feierte der Deutsche-Bank-Chef im 8. Stock des Kanzleramts – auf Einladung von Angela Merkel. Sogar die 25 Gäste für das Abendessen im April 2008 durfte der Jubilar selber aussuchen. So viel Ehre wurde wohl noch keinem anderen Manager zuteil.

“Bild”, 26. August 2009:

Merkel gab am 22. April 2008 ein festliches Essen — zu Ehren des zwei Monate zuvor 60 Jahre alt gewordenen Josef Ackermann. Und wie das bei Einladungen im Kanzleramt häufiger der Fall ist, durfte der Geladene Vorschläge für die Gästeliste machen. (…)

Essen wie dieses finden häufig statt. Die Kanzlerin trifft sich mit Managern wie Gewerkschaftern, Künstlern wie Autoren. (…) Und öfters bittet Merkel den einen oder anderen Geladenen um Vorschläge für weitere interessante Gäste.

Ein und dieselbe Veranstaltung ist einzigartig, wenn es darum geht, dem Deutsche-Bank-Chef und Springer-Großaktionär zu schmeicheln, und alltäglich, wenn die Kanzlerin aus der Schusslinie gebracht werden muss. Aber das ist ja nicht das erste Mal, dass “Bild” seine Darstellung abrupt ändert, wenn es der guten Sache dient.

Die Online-Ausgabe der “Süddeutschen Zeitung” fügt der Geschichte, wie die Springer-Zeitungen mit dem Fall Ackermann umgehen, noch weitere Details hinzu. Zum Beispiel, was passiert sei, als herauskam, dass an Merkels Empfang für Ackermann nicht weniger als drei hochrangige Springer-Mitarbeiter teilnehmen durften:

Von diesem Zeitpunkt an scheinen sämtliche Springer-Blätter das Interesse an der Geschichte schlagartig verloren zu haben. Ein Abgeordneter der Opposition berichtet, am Dienstagmorgen hätten ihn die Vertreter der Springer-Presse noch “die Bude eingerannt”, als dann aber die Liste mit den Teilnehmern raus war, “wollte keiner mehr was wissen”.

“Welt”, “Berliner Morgenpost”, “Hamburger Abendblatt”* und “B.Z.” haben die Leser ihrer Zeitungen bis heute nicht informiert, dass ihr Vorstandsvorsitzender und ihre Verlegerin bei dem umstrittenen Abend dabei waren — dabei trägt der Kommentar von “Welt”-Chef Thomas Schmidt zum Thema sogar den vielversprechenden Titel “Villa Merkel und ihre Gäste”.

*) Korrektur, 18:15 Uhr. Das “Hamburger Abendblatt” hat die Teilnehmer aus dem eigenen Haus gestern genannt. Entschuldigung!

Wie “Bild” Ronald Schills Weste weißte

Die Liste derjenigen, bei denen sich die “Bild”-Zeitung entschuldigen sollte, ist vermutlich so lang, dass sie nicht ausgedruckt werden kann, ohne eine Explosion des Papier-Preises zu verursachen. Vergangene Woche ist sie wieder um ein paar Namen länger geworden.

Denn in der vergangenen Woche hat “Bild” ein Video veröffentlicht, das angeblich zeigt, wie der frühere Hamburger Richter und Innensenator Ronald Schill Kokain schnupft und erklärt, wie er die Öffentlichkeit mithilfe eines Haartests über seinen Drogenkonsum getäuscht habe. Das ist insofern überraschend, als sich “Bild” vor sechs Jahren, nachdem Schill diesen Test gemacht hatte, ganz außerordentlich sicher war. “Bild” Hamburg titelte am 19. Februar 2002:

Schill nahm nie Kokain

Diese Schlagzeile scheint nicht nur aus heutiger Sicht falsch zu sein — sie war auch aus damaliger Sicht schon falsch, nämlich durch nichts gedeckt. “Bild” wusste genau, dass die Aussagekraft des Haartestes, den Schill hatte machen lassen, nicht weiter als knapp eineinhalb Jahre zurückreichte. Und “Bild” selbst schrieb, die Mediziner hätten “sporadische Einnahmen” von Kokain als “unwahrscheinlich” bezeichnet — also nicht ausgeschlossen.

Der Name des Autors über dem “Bild”-Artikel vom vergangenen Samstag (“Ein deutscher Politiker schnupft ungeniert Kokain!”) ist übrigens derselbe, der über dem “Bild”-Artikel von 2002 (“Schill nahm nie Kokain”) stand: Christian Kersting. — Lustig.

Jedenfalls behauptete “Bild” 2002, die Münchner Rechtsmedizin, die die Probe damals untersuchte, habe “die genauestmögliche Messmethode angewandt, die es gibt”. Dabei hatte der Toxikologe Hans Sachs laut “Bild” bloß gesagt: “Das war die genaueste Analyse, die je an diesem Haus durchgeführt wurde.” Wolfgang Eisenmenger, der Vorstand des Instituts, erklärte jetzt gegenüber morgenpost.de, andere Labors hätte empfindlichere Tests durchführen können — Schill habe das aber abgelehnt.

Das wusste man damals noch nicht; bekannt war aber, wie begrenzt die Aussagekraft dieser Untersuchung war. Am selben Tag, an dem “Bild” titelte: “Schill nahm nie Kokain”, berichtete z.B. die “taz”:

Die Aussagekraft der Haarprobe war im Vorfeld allerdings selbst vom durchführenden Toxikologen Prof. Hans Sachs in Frage gestellt worden. Auch sein Frankfurter Kollege Gerold Kauert betonte, dass “nur relevanter Drogenkonsum nachgewiesen werden kann, so bei einem Menschen, der jedes Wochenende Drogen nimmt”. Ähnlich hatte sich auch der Leiter des Institutes für pharmazeutische Forschung in Nürnberg, Prof. Fritz Sörgel, geäußert.

Ähnlich berichtete damals auch “Spiegel Online”.

Schill ignorierte diese wichtigen Einschränkungen natürlich — und seine Freunde von “Bild” auch. Für die Zeitung, die den “Richter Gnadenlos” in Hamburg in den Monaten zuvor maßgeblich groß gemacht und zum einsamen, durchgreifenden Kämpfer gegen Kriminelle hochstilisiert hatte, blieb nicht der Hauch eines Zweifels.

“Bild” über “Panorama”

“Bild”, 12.2.2002:
Hamburgs Innensenator Ronald Schill (43) will ein für alle Mal die unglaublichen Kokain-Vorwürfe gegen sich aus der Welt schaffen! Als erster Politiker unterzog er sich gestern im Gerichtsmedizinischen Institut München einem Haartest.
Schill reagierte mit seinem aufsehenerregenden Schritt auf unbewiesene Vorhaltungen des NDR-Magazins “Panorama”. In der TV-Sendung hatte ein angeblicher Zeuge behauptet, Schill habe sich bei einer Wahlparty am 23. September 2001 in Hamburg mit dem Finger “weißes Pulver” auf das Zahnfleisch gerieben. Laut “Panorama” eine gängige Methode, um Kokain zu konsumieren.

“Bild”, 21.2.2002:
Verlierer
Das TV-Magazin “Panorama” (NDR) hat vor dem Landgericht Hamburg eine schwere Niederlage erlitten. Das Polit-Magazin darf nicht mehr behaupten, dass Hamburgs Innensenator Schill Kokain genommen hat. Sonst droht ein Ordnungsgeld von 250 000 Euro. BILD meint: Bitte nicht von unseren Rundfunkgebühren…

Zur Untersuchung der Haarprobe sah sich Schill gezwungen, nachdem das ARD-Magazin “Panorama” am 7. Februar 2002 einen unkenntlich gemachten Zeugen präsentiert hatte, der angab, Schill beim offenkundigen Kokain-Konsum gesehen zu haben. (Entsprechende Gerüchte waren schon vorher aufgetaucht.) “Bild” listete deshalb am 22. Februar 2002 unter der Überschrift “Wer sich bei Schill entschuldigen sollte” unter anderem auf:

Jobst Plog, NDR-Intendant. Er ist der oberste Chef und verantwortlich für den Bericht. Gegen ihn erwirkte Schill eine einstweilige Verfügung.

Kuno Haberbusch, Panorama-Chefredakteur. Sein Magazin präsentierte den offenbar falschen Zeugen und montierte angeblich widersprüchliche Aussagen Schills aneinander.

Prof. Wolfgang Hoffmann-Riem, Bundesverfassungsrichter. Er hatte in einem offenen Brief Schill aufgefordert, sich zu den Kokain-Vorwürfen zu äußern. Scheinheilig dozierte er dabei, er sei nur um das Ansehen des Amtes besorgt.

Bei wem sich die “Bild”-Zeitung nun ihrerseits entschuldigt hat (unser erster Vorschlag: die Leser), ist unbekannt.

 
PS: Auch den “Bild”-Kolumnisten Franz Josef Wagner beschäftigte der Fall. Am 12. Februar 2002 schrieb er an Schill einen Brief:

Lieber Innensenator Schill,

obwohl ich Ihr Law-and-Order-Gedöns überhaupt nicht mag, finde ich mich plötzlich unter denen, die Sie verteidigen. “Panorama” hat einen anonymen Zeugen auftreten lassen, der behauptete, Sie hätten sich auf einer Party weißes Pulver auf Ihr Zahnfleisch gerieben. Von da an standen Sie unter dem Anfangsverdacht zu koksen. (…)

Ich finde die “Panorama”-Sendung beschämend. Genauso könnte “Panorama” per anonymen Zeugen verbreiten, ich, Franz Josef Wagner, Kolumnist der BILD-Zeitung, hätte Sex mit Kindern. Was um Gottes willen kann ich dann machen? Selbstmord? (…)

“Anonym” war der Zeuge zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr. Schon zwei Tage nach der “Panorama”-Sendung wurde er als Funktionär der Schill-Partei und namentlich “enttarnt”. Von “Bild”.

Mehr zum Thema in der “Süddeutschen Zeitung”, bei “Panorama” und bei “Zapp”.

Konkurrenten im Kampf um den primitiveren Witz


Martin Sonneborn, 42, ist (obwohl “Bild” das noch im November behauptete) schon seit zwei Jahren nicht mehr “Titanic”-Chefredakteur, sondern Mitherausgeber. Und darüber, “wie die TITANIC einmal die Fußball-WM 2006 nach Deutschland holte”, hat er ein Buch geschrieben. Sonneborn ist Bundesvorsitzender der Partei DIE PARTEI, die vor der Bundestagswahl 2005 die Sendezeit für ihre WahlwerbeSpots bei Ebay versteigerte. Heute arbeitet er u.a. für die Satire-Rubrik von “Spiegel Online”, “Spam”, wo er auch in den Kurzfilm-Reihen “Hinterbänkler heute” und “Heimatkunde” zu sehen ist.
Auf Sonneborns Wunsch veröffentlichen wir seinen Gastbeitrag in alter Rechtschreibung.

Von Martin Sonneborn

Eins vorweg: Ich schätze Kai Diekmann und sein Blatt. Und das nicht nur, weil wir vieles gemeinsam haben. Diekmann ist Herausgeber der “Bild”-Zeitung — also nicht der neubebilderten “FAZ”, sondern der anderen –, und ich bin Mitherausgeber von “Titanic”. Auch wenn wir ständig Konkurrenten sind im Kampf um die lustigere Schlagzeile, den primitiveren Witz, so arbeiten wir doch seit Jahren erfolgreich mit “Bild” zusammen. Der Markt in Deutschland ist groß genug für zwei Satiremagazine! Und den “Focus” auch noch!

Bisher ist zum Glück kaum aufgefallen, daß wir uns mit dem Blatt des “9-cm-Mannes”, wie ihn selbst enge Freunde nicht offen nennen, perfekt die Bälle zuspielen. Als wir mit ein paar spaßigen Faxen Einfluß nahmen auf die Vergabe der Fußball-WM 2006, war “Bild” sich am nächsten Tag nicht zu schade, ein Foto von mir auf die Titelseite zu nehmen, meine Telefonnummer und die Aufforderung, doch mal anzurufen und mir die Meinung zu geigen. Von der zufällig mitgeschnittenen CD “Bild-Leser beschimpfen Titanic-Redakteure live am Telefon” wollten die Kollegen nicht mal Tantiemen! Und das, obwohl einige hundert ihrer besten Leser über sich hinaus wuchsen: “Im Rechtsstaat gehören Leute wie Sie ins KZ!”; “Man sollte Sie auswandern!”; “Vaterlandsverräter!”; “Ihnen gehört die Satire-Lizenz entzogen!”

Die Lizenz behielten wir aber und revanchierten uns u.a. mit der Erfindung des schreibenden “Bild”-Lesers (heute als “BILD-Leser-Reporter” bundesweit im Einsatz). Bei der genußintensiven Lektüre der “Bild”-Leserbriefspalte fällt ja schnell auf, daß sich die Zuschriften in ihrer Sprachgewalt nicht wesentlich vom redaktionellen Teil abheben. So riefen wir bei ausfindig gemachten Leserbriefschreibern an und baten — der Einfachheit halber gleich im Namen der “Bild”-Chefredaktion — um einen gepfefferten druckreifen Kommentar zu irgendwas für die nächste Ausgabe. Die Ergebnisse druckten wir dann in “Titanic”, sie haben uns viel Freude bereitet.

Kommentar Karl H., Münster:
Ist die SPD ein Auslaufmodell? Die SED sang die Internationale, ist weg vom Fenster. Die KPDSU sang die Internationale, ist weg vom Fenster. Wie lange singt die SPD noch die Internationale?

Na? Klingt fast wie “Post von Wagner”, was?

Immer im Gleichschritt mit “Bild” (Trittin! Schröder!) prügelten wir (Problembär Beck!) mit “Titanic”-Titeln jahrelang auf die Sozis ein, unterstützen dekadenlang erst Kohl (“Nach Arschbombe halb Asien überflutet: Massenmörder Helmut Kohl!”), dann das Merkel (“Darf das Kanzler werden?”), polemisierten gegen Ausländer (“Schrecklicher Verdacht: War Hitler Antisemit?”; “10 Jahre sind genug: Auf Wiedersehen, Zonis!”) und druckten gleich seitenweise irgendwelchen unseriösen Quatsch.

In schweren Zeiten spendeten die Schlagzeilen der Hamburger Kollegen uns oftmals Trost und Rat: “Amokläufer erschießt vier Kollegen” — “Da dürften die Straßen jetzt wohl für eine Weile sicher sein”, dachten wir beruhigt und revanchierten uns gerade kürzlich mit dem großen, abgeschlossenen Fotoroman “Der Volks-Penis”, in dem ein für allemal in Wort und Bild klargestellt wird, daß Diekmann eben nicht total klein ist, untenrum.

Übrigens: Daß wir mit der “irren Titanic-PARTEI” (“Dresdner Morgenpost”) jetzt in Hamburg zur Landtagswahl antreten und mit unserem Spitzenkandidaten Heinz Strunk “Bild raus aus Hamburg!” fordern, ist nur eine populistische Forderung, die uns Stimmen bringen soll. Man wird das hoffentlich nicht persönlich nehmen — ich habe das Gefühl, was den Umzug anbetrifft, verstehen sie bei Springers einen guten Spaß. Und wenn nicht? Egal, notfalls gewinnen wir — und das unterscheidet uns vom Spitzenkandidaten der SPD, Alfred E. Naumann — die Wahl eben auch ohne Unterstützung der Springer-Presse!

Zum Schluß möchte ich aber auch eine kurze Kritik äußern, schließlich habe ich mir heute extra “Bild” gekauft und unter — ich nehme mir die Freiheit, Kai — Freunden muß das erlaubt sein: Für meinen Geschmack heben sich manchmal die Überschriften zu wenig vom Text der Fickanzeigen hinten ab:

Ich hab mir meinen Hund auf die Brust tätowiert. Sandy (21) — Mein Arsch gehört Dir. Resi (69) ist noch geil

Stünde nicht aus Versehen Resis Telefonnummer dabei, man könnte Anzeigen und redaktionelle Inhalte glatt verwechseln…
 
BILDblogger für einen Tag ist morgen ein BILDblog-Leser.

Allgemein  

Bloß früher II

Am 17.06.2000 berichtete beispielsweise die “Berliner Morgenpost”, dass an der Paul-Löbe-Oberschule in Berlin sog. “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Am 25.02.2002 berichtete das “Höchster Kreisblatt”, dass an der Eichwaldschule in Höchst “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Am 11.07.2002 berichtete die “Kölnische Rundschau” über die am 1.1.2000 an der Leverkusener Freiherr-vom-Stein-Schule eingeführten “Raucher-Ausweise”.

Am 18.09.2002 berichtete die “Frankfurter Rundschau”, dass am Ernst-Ludwig-Gymnasium in Bad Nauheim “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Am 23.1.2003 berichtete die “Berliner Morgenpost”, dass “Raucher-Ausweise” am Berliner Friedrich-Engels-Gymnasium bereits 2002 wieder abgeschafft worden waren.

Am 15.7.2004 berichtete die “Frankfurter Rundschau”, dass an der Diesterwegschule in Ginnheim “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Am 04.11.2004 berichtete die “Kölnische Rundschau”, dass am Gymnasium Lindlar “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Am 13.01.2005 berichtete der “Lauterbacher Anzeiger”, dass die Schule an der Wascherde in Lauterbach ihre “Raucher-Ausweise” wieder abgeschafft habe.

Am 24.01.2005 berichtete das “Hamburger Abendblatt”, dass an der Ahrensburger Gesamtschule “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Am 2.03.2005 berichteten die “Potsdamer Neusten Nachrichten”, dass an der Voltaire-Gesamtschule in Potsdam “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Am 24.3.2005 berichtete die “Stuttgarter Zeitung”, dass an der Waldorfschule in Faurndau “Raucher-Ausweise” eingeführt worden seien.

Und am 2.2.2006 berichtet “Bild”:

1. deutsche Schule
führt Raucher-Ausweis ein

Lustig.

Mit Dank an Sascha K., Torsten F. und andere für den Hinweis.

Nachtrag, 14:55:
Bild.de hat die Falschmeldung der “Bild”-Zeitung seit gesternabend im Wortlaut übernommen, den Text der Meldung jedoch an einer einzigen Stelle dahingehend verändert, dass die Ziffer in der “Bild”-Überschrift durch das entsprechende Zahlwort ersetzt wurde. Hat nur nicht so richtig geklappt…

Nachtrag, 15:39:
Okay, den Tippfehler in der Überschrift hat Bild.de inzwischen korrigiert. Jetzt ist die Überschrift auch bei Bild.de nur noch sachlich falsch.

Irgendwie malle

Mallorca ist eine der schönsten Mittelmeer-Inseln und “Bild” manchmal sehr genau.

Im Juli beispielsweise hatte “Bild” ausführlich über Boris Becker und “seine Elena” berichtet. “Bild” wusste alles, naja: fast alles über seine “Mallorca-Bekanntschaft”: Mit was für einem Autotyp welcher Farbe Becker mit ihr über die Mittelmeer-Insel fuhr und so weiter. Und als “die süße Russin” Mallorca verlassen hatte, war “Bild” ihr auf den Fersen, wusste in welchem Stadtteil welcher Stadt sie wohnt, wer im selben Haus einen Tiefgaragenplatz hat und was genau auf ihrem Klingelschild steht. Und anschließend wussten all das auch Millionen “Bild”-Leser.

Wenn allerdings nicht Boris Becker, sondern Oskar Lafontaine Urlaub macht und damit in die Schlagzeilen gerät, verschweigt “Bild” urplötzlich (und anders als die “Die Welt”, die “Berliner Morgenpost”, das “Hamburger Abendblatt” und viele, viele andere Medien) den Namen des Urlaubsortes und schreibt stattdessen merkwürdigerweise nur verschämt von “einer der schönsten Mittelmeer-Inseln”, “einer Mittelmeerinsel” und “Mittelmeer-Finca”.

Aber Boris Becker ist ja auch kein ehemaliger “Bild”-Kolumnist.
 
Nachtrag, 27.8.2005:
Sorry, wir müssen uns korrigieren. Aber ja: Denn Boris Becker gehört doch, wie Lafontaine, zur Riege ehemaliger “Bild”-Kolumnisten. Nach seinem ersten Wimbledon-Sieg nämlich hatte ihn “Bild” vier Jahre lang als Kolumnisten (angeblich für eine Jahresgage von rund einer Million Mark) verpflichtet gehabt. “Als Gegenleistung mußte der Gast-Autor etwa 20mal im Jahr Intimes aus seinem Leben zu Papier bringen lassen”, schrieb jedenfalls der “Spiegel” im Jahr 1989. Da war nämlich Schluss mit Beckers Kolumnistentätigkeit. Unklar ist, ob Becker “Bild” oder “Bild” Becker den Vertrag kündigte. Fest steht nur, dass die Zusammenarbeit vorzeitig endete, nachdem Becker in einem Interview mit der Zeitschrift “Sports” über “Bild” gesagt hatte:

“Ich konnte mich mit der Art und Weise, wie die Geschichten erfinden und auch mit den Methoden, wie sie arbeiten, nicht identifizieren.”

Mit Dank an Lorenz L. fürs vage, aber gute Erinnerungsvermögen.

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