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Mixvorlagen

Soviel ist klar: Wenn sich der deutsche Journalist nach einem harten Tag aus der Redaktion schleppt, um woanders weiterzutrinken, dann bestellt er kein Feierabendbier, sondern einen Aperol.

Vor fast zwei Jahren stimmte die “Welt am Sonntag” ein Loblied auf das “modische Getränk” an, für das “Welt online” vom Deutschen Presserat gerügt wurde.

Im Januar porträtierte die “Berliner Zeitung” ein Männer-Model, in dessen Glas “ein paar Eiswürfel zwischen Prosecco und Aperol” schimmerten. Nur eine Woche später fand sich in einer Restaurantkritik genug Raum, ein bisschen ins Detail zu gehen:

Bei einem Prosecco con Aperol (4,50 Euro) schmieden wir Urlaubspläne und studieren die wahre Machart dieses auch als “Aperol Spritz” bekannten Getränkes: Verfeinert wird es mit einer Orangenscheibe, nicht mit Zitrone, wie es mir eine Frevlerin kürzlich weismachen wollte.

Als die “Hamburger Morgenpost” im März bei 6 Grad den Frühling herbeischreiben wollte, zitierte sie eine 27-jährige Marketing-Managerin aus Winterhude, die ihren freien Tag mit Freundinnen an der Alster genoss:

“Ich habe schon den ganzen Tag Frühlingsgefühle. Die Sonne und der Blick auf die Alster sind doch einfach großartig”, schwärmt die junge Frau und freut sich auf einen Aperol mit Spritz.

Die “Süddeutsche Zeitung” notierte, als sie den wissenschaftlichen Vorstand der Stiftung Männergesundheit traf, dass sich dieser “erst mal einen Prosecco Aperol” bestellt habe. Im April berichtete die “taz” einigermaßen unnötigerweise, dass sich eine Gruppe von Speeddating-Teilnehmern “an einem Glas Aperol-Prosecco” festhielt, und die “Berliner Morgenpost” erklärte anlässlich einer Leserreise nach Verona, welchen Aperitif man dort am Besten bestelle:

Aperol Spritz, will man sich mit der Nummer eins der venezianischen Pop-Kultur in das abendlich kunterbunte Treiben der Veroneser nahtlos einreihen.

Das “SZ Magazin” nannte am 29. April unter den 99 Gründen, warum wir uns auf den Sommer freuen, als Nummer 85 “Aperol Sprizz” und schaffte es im selben Heft, in einer kurzen Hotelempfehlung gleich zweimal aufzuzählen, worauf es besonders ankommt:

Das Zimmer war großzügig geschnitten und der Aperol Sprizz an der Bar genau richtig. (…)

Also, der Tipp für den Sommer: Erst in den Pool springen, dann den guten Aperol Sprizz an der Bar trinken.

Erst zwei Wochen zuvor hatte das “SZ-Magazin” in einer anderen Hotelkritik geschwärmt, dass “der Aperol Sprizz” “nicht nur gut zur Farbe des Lichtes passt, sondern auch zur Fassade der Hotellegende gegenüber”.

Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” hielt sich bei ihrer Meldung über den Umsatz des Aperol-Mutterhauses Campari zwar vornehm zurück, bezeichnete das 15-Prozent-Getränk aber irrtümlicherweise als “alkoholfreien Aperiti (sic!)”.

Doch das ist alles nichts, verglichen mit dem Artikel im aktuellen “Stern”:

Schon im Vorspann heißt es, Deutschland berausche sich an Aperol, und dass zumindest der Autor des Artikels berauscht war, daran kann kein Zweifel bestehen:

Eiswürfel im Glas kühlen das Getränk und lassen es funkeln, Sodawasser setzt den Alkoholgehalt ein wenig herab, weshalb man glaubt, nach dem ersten gleich ein zweites Glas trinken zu können. Und weil es dann eh schon zu spät ist, nimmt man noch ein drittes.

Auch wenn “jede Liese” den Drink anrühren könne, hat der “Stern” lieber einen Fachmann befragt: den Münchner Mixer Mauro Mahjoub, der lustigerweise auch noch gleich an der “Campari Academy” “Barleute und Kneipiers in der Kunst der Mixgetränke” schult.

Und darüber sollte man keine Witze machen:

Über den Bildungswert der dort agierenden “Campari Academy” ließe sich ähnlich lästern wie darüber, dass sich Cocktail-Schüttler neuerdings “Mixologen” nennen. Ein Fehler: Wer je versucht hat, aus Tausenden von Spirituosen, Säften und Essenzen einen mehr als nur trinkbaren Cocktail zu mixen, lacht nicht mehr. Es ist eine Kunst.

Keine Kunst und noch weniger Journalismus ist das, was der Autor über den “gefälligen Geschmack” von Aperol zu berichten weiß:

Mit den Zitrusnoten der Orange, den Bitterstoffen des Enzians und der herben Frucht des Rhabarbers — zuzüglich weiterer “geheimer” Kräuterauszüge und ordentlich Zucker — ist Aperol ganz einfach lecker.

Als dem “Stern” die Schwärmereien auszugehen drohen, lässt er einfach noch mal den Experten von der “Campari Academy” zu Wort kommen:

“Aperol ist einer der wenigen Liköre, die sich mit fast jedem Produkt mischen lassen, außer mit Milch und Sahne. Alles kannst du damit mixen: Whisky, Tequila, Wodka, Rum, Wermut, alles macht Aperol schön und rund.” Sagt Mahjoub.

Als Journalist kann man sich ja auch mal auf das Nötigste, also die Anmoderation der Werbetexte, beschränken:

Für die heimische Terrasse empfiehlt Barmann Mahjoub eine Bowle: “Früchte, zum Beispiel Erdbeeren, in Aperol, Maraschino und etwas trockenem Wermut eine Stunde marinieren. Für Erwachsene mit Prosecco, für weniger Erwachsene mit Sprite oder 7 Up auffüllen. Köstlich.”

Leichenschau

Beim Giro d’Italia, einem der wichtigsten Radsport-Etappenrennen der Welt, kam es am Montag zu einem schweren Unfall, bei dem einer der Teilnehmer tödlich verunglückte. Und weil bei großen Events jede Menge Kameras laufen und deshalb auch das passende Bildmaterial vorhanden ist, treten mit Bild.de und dem Online-Auftritt der “Hamburger Morgenpost” zwei der üblichen Verdächtigen den Pressekodex mit Füßen.

Unter Ziffer 11 — Sensationsberichterstattung, Jugendschutz heißt es:

Die Presse verzichtet auf eine unangemessen sensationelle Darstellung von Gewalt, Brutalität und Leid. Die Presse beachtet den Jugendschutz.

Aus dem Pressekodex

Richtlinie 11.1:
Unangemessen sensationell ist eine Darstellung, wenn in der Berichterstattung der Mensch zum Objekt, zu einem bloßen Mittel, herabgewürdigt wird. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn über einen sterbenden oder körperlich oder seelisch leidenden Menschen in einer über das öffentliche Interesse und das Informationsinteresse der Leser hinausgehenden Art und Weise berichtet wird.

Bei der Platzierung bildlicher Darstellungen von Gewalttaten und Unglücksfällen auf Titelseiten beachtet die Presse die möglichen Wirkungen auf Kinder und Jugendliche.

Unter der Überschrift “Tod beim Giro” zeigt Bild.de eine Bildergalerie mit insgesamt drei Fotos, auf denen Rettungskräfte letztlich vergeblich versuchen, den sterbenden Radprofi wiederzubeleben.

Dazu schreiben die beiden Autoren:

Weylandt (…) soll auf der Abfahrt vom Passo del Bocco (957 m) etwa 25 km vor dem Ziel mit der rechten Pedale an der Felswand hängengeblieben und danach 20 m durch die Luft geflogen sein.

Weylandt knallte brutal auf das Pflaster, blutete stark aus Mund und Nase. “Wouter Weylandt war schon bewusstlos, als wir eintrafen. Wir haben 40 Minuten versucht, ihn zu reanimieren. Aber es war nichts mehr zu machen”, teilte Giro-Arzt Dr. Giovani Tredici mit.

Und von wegen Jugendschutz — heute schaffte es eines der Fotos des sterbenden oder bereits gestorbenen Radprofi sogar auf die Startseite von Bild.de:

Schwangere Freundin trauert um toten Rad-Star
(Unkenntlichmachung von uns)

Auch mopo.de hat keine Skrupel, ein Foto des Verunglückten zu zeigen — inklusive Lupensymbol, damit man sich den Sterbenden per Klick noch ein wenig genauer ansehen kann.

In einem zweiten Artikel auf mopo.de — ebenfalls mit Foto — heißt es ironischerweise sogar:

Aus Rücksicht auf die Hinterbliebenen und die Teamkollegen hatte das italienische Fernsehen RAI keine Bilder vom direkten Unfallhergang gezeigt.

Soviel Feingefühl kann man leider nicht von jedem erwarten.

Mit Dank an die Hinweisgeber.

Tür an Tür in Donnice

Die Website der “Hamburger Morgenpost” schreibt über Howard Carpendale:

Auch der Schlager-Star, der in Donnice Pierce in Florida lebt, liebt seinen Sohn: "Wayne ist mein bester Freund. Er hat mir einmal das Leben gerettet, als es mir psychisch sehr schlecht ging."

In Donnice Pierce, aha.

Mit Dank an Thomas.

Nachtrag, 12.40 Uhr: mopo.de schreibt jetzt vom “Schlager-Star, der mit seiner Frau Donnice Pierce in Florida lebt”.

Das Khan doch nicht wahr sein!

Wenn eine Geschichte zu schön klingt, um wahr zu sein, dann stehen die Chancen hoch, dass sie schlichtweg nicht wahr ist.

Die Geschichte, wonach Karl-Theodor zu Guttenberg die letzten Worte seiner Rücktrittsrede ohne Quellenangabe aus dem Film “Star Trek II — Der Zorn des Khan” abgeschrieben haben soll, war dementsprechend auch nicht wahr. Der Journalist Daniel Bröckerhoff hat in seinem Blog dokumentiert, wie sich die Falschmeldung vor allem via Twitter verbreitete und es dort bis in den Twitter-Account der “taz” schaffte (die den Fehler inzwischen irgendwie eingestanden hat).

Das alleine wäre schon peinlich genug, aber wenn die Causa Guttenberg eines gezeigt hat, dann: es geht immer noch peinlicher — und mindestens eine MetaEbene ist immer drin.

Die “Hamburger Morgenpost”, einschlägig aufgefallen bei ihrer ungekennzeichneten Weiterverwendung von Twitter-Witzen, veröffentlichte gestern die Kolumne “Moin Moin”, in der David Siems folgende Behauptung aufstellte:

Gute Laune bekam ich aber gestern Abend wieder, als ich “Star Trek II” sah: “Ich war immer bereit zu kämpfen, aber ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht”, sagt der Klingone Khan. Häh? Karl-Theodor konnte es einfach nicht lassen …

Ergänzend dazu, dass Siems den besagten Satz im Film gar nicht gehört haben kann, ist Khan auch kein Klingone, sondern ein genetisch verbesserter Mensch.

Mit Dank an M.K.

Uganda, Schweden, Tierfilme

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Schwulenhetze als Verkaufsschlager”
(taz.de, Simone Schlindwein)
Simone Schlindwein spricht mit dem 22-jährigen Herausgeber und Chefredakteur der Wochenzeitung “Rolling Stone” aus Uganda, Giles Muhame: “Bereits Anfang Oktober outete die damals noch unbekannte Zeitung die ‘100 Top-Homos in Kampala’. Auf den Folgeseiten war eine Serie schlecht gedruckter Schwarz-Weiß-Fotos von Männern in anzüglichen Posen zu sehen. Darunter jeweils Name, Wohnort und Angaben zur Penisgröße.”

2. “Michael Douglas-Interview eine Fälschung”
(meedia.de)
Ein von “Berliner Kurier”, “Hamburger Morgenpost” und “Express” gedrucktes Interview mit Michael Douglas wurde nicht geführt. Der Sprecher des Schauspielers dazu: “Dieses Interview wurde sorgfältig zusammengesetzt aus Bemerkungen, die Michael Douglas auf verschiedenen Pressekonferenzen und in Interviews im vergangenen Jahr gemacht hat. Aber das meiste ist komplett ausgedacht.”

3. “Glücklich im Kopfgefängnis”
(ckappes.posterous.com, Christoph Kappes)
Christoph Kappes analysiert den Artikel “Glücklich im Nutzer-Gefängnis” (sueddeutsche.de, Bernd Graff).

4. “Schwedens Hofberichterstatter”
(ndr.de, Video, 6:48 Minuten)
Eine neue Biografie über den König von Schweden, Carl XVI. Gustaf, löst in schwedischen Medien eine Debatte über den Umgang mit Interna aus dem Königshaus aus.

5. “Wenn das Zebra im eigenen Streifen spielt”
(jungle-world.com, Heiko Werning, 11. November)
Heiko Werning beurteilt das Ausmaß von Manipulationen in Tierfilmen: “Solange die Tiere als Schauspieler arbeiten und einfach nur ein solides, gut recherchiertes Sachstück visualisieren, bei dem sie sich selbst spielen, ist alles in Ordnung. Peinlich wird es natürlich, wenn durch unsachkundige Zusammenschnitte plötzlich Arten gemeinsam durch einen Wald tollen, die in der Natur gar nicht im selben Lebensraum vorkommen, oder wenn dem Zuschauer Verhaltensweisen präsentiert werden, die das Tier unter normalen Umständen im Leben nicht zeigen würde.”

6. “Sport Bild-Watch (4)”
(el-futbol.de, Sidan)
“Wird die Sport Bild etwa auf die alten Tage doch noch einmal zur vernünftigen Sportzeitung? Leider spricht wieder einiges dagegen: mit Statistiktricks, stillen Kampagnen und offensichtlichen Stimmungsschwankungen wird der Leser erneut manipuliert und für dumm verkauft.”

Produktlobhudelei, El Masrar, Hufelandstraße

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Nachrichtenjournalismus wie er nicht sein soll”
(medienbuerohamburg.wordpress.com, Nele Römer)
Nachdem auf den Websites von “Hamburger Abendblatt” und “Hamburger Morgenpost” vermeldet wird, der Hamburger Hauptbahnhof sei gesperrt, bzw. komplett gesperrt, fragt Nele Römer nach: “In einem Lagerraum für Blumen gab es ein Feuer. Der Hauptbahnhof war auch nicht komplett gesperrt, nur die U2 ist nicht gefahren.”

2. “WeTab-Enthüllung? Wir WeDeppen schreiben einfach ab”
(medialdigital.de, Ulrike Langer)
WeTab-Geschäftsführer Helmut Hoffer von Ankershoffen verfasst bei Amazon unter falschem Namen überschwängliche Rezensionen über sein eigenes Produkt. Ulrike Langer prüft bei elf Online-Portalen nach, wie sie die von Richard Gutjahr entdeckte Selbstbeweihräucherung verarbeiten.

3. “Waren die Chefredakteure wieder segeln”
(taz.de, Silke Burmester)
Silke Burmester gibt zur Aufregung über den Fall WeTab/Amazon (siehe 2.) zu bedenken: “Nicht, dass nicht wahrscheinlich jeder zweite Buchautor sein Buch bei Amazon bespricht, es sollte den sich jetzt Empörenden – so sie denn Profis sind – nicht unbekannt sein, dass etliche Freiberufler an den Rechnern sitzen und im Auftrag von PR-Firmen Produktnamen oder Produktlobhudelei in Blogs unterbringen.”

4. Interview mit Sineb El Masrar
(philibuster.de, Nadia Shehadeh)
Sineb El Masrar, Gründerin des Frauenmagazins “Gazelle”, fände es sinnvoller, wenn statt über die “Kopftuchfrage” über “die zukünftige wirtschaftliche Unabhängigkeit junger Menschen” geredet würde. “Außerdem nervt es, dass ständig Klischeewelten herbeigeredet werden, die nicht existieren. Dass Muslime eben keine homogene Gruppe sind – das müsste doch schon längst klar sein. Es wird aber ständig noch so dargestellt und befeuert somit zum Teil natürlich auch die Stigmatisierungsmaschinerie weiter. Man stilisiert eine Wahrheit, die gar nicht zutrifft.”

5. “Hunter S. Thompson’s brutally honest Canadian job request”
(ottawacitizen.com, Andrea Woo, englisch)
Hunter S. Thompson bewirbt sich 1958 bei der “Vancouver Sun”: “As far as I’m concerned, it’s a damned shame that a field as potentially dynamic and vital as journalism should be overrun with dullards, bums, and hacks, hag-ridden with myopia, apathy, and complacence, and generally stuck in a bog of stagnant mediocrity. If this is what you’re trying to get The Sun away from, then I think I’d like to work for you.”

6. “Eine deutsche Straße im Wandel”
(geo.de, Andreas Wenderoth, Harf Zimmermann)
Harf Zimmermann fotografiert in der Berliner Hufelandstraße nach 23 Jahren nochmals die gleichen Plätze. In einer Fotogalerie werden je 12 Fotos einander gegenübergestellt.

Kommt ‘n Mann zum Gericht

Das mit dem Humor ist ja so eine Sache: Die Deutschen sind international nicht gerade dafür berühmt. Mario Barth füllt das Berliner Olympiastadion, obwohl niemand irgendjemanden kennt, der Barths Witze lustig fände. Und dann gibt es auch noch Oliver Pocher.

Der fuhr am Montag als Jörg Kachelmann verkleidet vor dem Mannheimer Landgericht vor und lieferte den wartenden Journalisten die Show, auf die sie gehofft hatten (zumindest von den Ausmaßen her).

Die “Hamburger Morgenpost” fand den Auftritt nicht lustig (ließ es sich anderseits selbst nicht nehmen, ihren Artikel mit “Pochers peinliche Parodie” zu überschreiben), wusste aber immerhin zu berichten:

Pocher selbst “entschuldigte” sich später. “Es sei eine Notlösung gewesen. Er sei als Dominik Brunner (das Totschlagopfer aus München) “nicht lustig genug” gewesen. Aber auch das dürfte Klamauk gewesen sein.

Klamauk ja, aber nicht von Pocher. Die “Entschuldigung” wurde Pocher nämlich von “Glasauge”, der Satire-Rubrik von “Welt Online”, in den Mund gelegt:

Star-Comedian Oliver Pocher entschuldigt sich dafür, dass er sich mit einer Kachelmann-Parodie vor dem Mannheimer Gericht über Vergewaltigungsopfer lustig gemacht hat: “Es war eine pure Notlösung – Sat 1 fand mich in meiner Verkleidung als Dominik Brunner nicht lustig genug.”

Andererseits: Wer rechnet bei “Welt Online” schon mit Humor?

Mit Dank an Sascha B.

Von Fehlern und Fehlerinnen

Zugegeben: Das mit Europa, das ist unübersichtlich. Es gibt die Europäische Union (EU), die auf die Europäischen Gemeinschaften (nicht zu verwechseln mit der Europäischen Gemeinschaft) zurückgeht, den Europarat (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Rat der Europäischen Union), den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof der Europäischen Union, obwohl genau das immer wieder geschieht), das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, die wiederum Teil der EU sind, außerdem die Europäische Rundfunkunion, die UEFA und die Band Europe. Da kann man schon mal durcheinander kommen.

Trotz dieser offensichtlichen Verwechslungsgefahren nähern sich Journalisten Themen, in denen es irgendwie um Europa geht, häufig mit großer Ahnungslosigkeit Sorglosigkeit. Statt noch mal eben schnell nachzugucken, wird da gerne mal einfach vor sich hinbehauptet. Denn letztlich wissen vor allem die Leser: Europa, das ist immer auch Bürokratie-Irrsinn und irgendwie schlecht für Deutschland.

Im Mai rief die Schweizer Politikerin Doris Stump bei einer Gleichstellungskonferenz des Europarats zum Kampf gegen sexistische Stereotype in den Medien auf, im Juni schließlich schloss sich der Europarat ihren Forderungen an und empfahl dem Ministerkomitee (und damit seinen Mitgliedsstaaten), in den eigenen Verwaltungen auf eine Verwendung “nicht-sexistischer Sprache” zu achten. Beobachter(innen), die zur Resignation neigen, werden festgestellt haben, dass die Fortschritte auf dem Gebiet in den letzten 20 Jahren anscheinend nicht sehr groß waren.

Gestern veröffentlichte dann “Bild” auf Seite 1 eine kleine Meldung, deren Langfassung auf Bild.de erschien. Autor Stefan Ernst ging dabei nicht nur auf die Empfehlung des Europarats ein, sondern füllte seinen Text auch mit zahlreichen Beispielen geschlechtsneutraler Sprache aus Frau Stumps Schweizer Heimat an, die allerdings in keinem direkten Zusammenhang zur Empfehlung des Europarats standen. Das alles war also nicht gerade neu und einigermaßen irreführend, aber auch nicht falsch.

“Welt Online” verkürzte schon etwas und hob den “Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren” der Schweizer Bundeskanzlei (PDF) in neue Höhen:

Der Rat in Straßburg will Sexismus bekämpfen und rät zu geschlechtsneutraler Sprache. Es gibt bizarre Ersatzvorschläge.

Europamäßig war da aber noch alles im grünen Bereich.

Schlimmer erwischt hat es da schon den “Berliner Kurier”, der dem Thema heute gleich zwei Kommentare, geschlechtergerecht geschrieben von Mann und Frau, widmet: Martin Geiger echauffiert sich über den “EU-Irrsinns-Stadl” und fragt angesichts der Straßburger Empfehlungen und des Schweizer Leitfadens:

Wie viel Fantasie muss in Brüsseler Amtsstuben herrschen, um im Wort “Fußgängerzone” den puren Sexismus der übelsten, chauvinistischen Art auszumachen.

Geigers Kollegin Stefanie Monien geht gleich noch einen Schritt weiter und listet unter der Überschrift “EU will Mama und Papa abschaffen” noch ein paar “Gaga-Empfehlungen für die EU” (“zum Schmunzeln”) auf und erklärt, dass die Schweiz “im Übrigen” gar nicht zum Europarat gehöre — was dann richtig wäre, wenn es tatsächlich um die EU ginge und nicht um den Europarat. Konsequenterweise hat die “Hamburger Morgenpost” Moniens Kommentar gleich die Dachzeile “EU total verrückt” verpasst.

Mit Dank an Florian S. und Henning.

Praktika, Pseudonyme, Sexualstraftäter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Hetzjagd auf Sexualstraftäter”
(ndr.de, Video, 5:15 Minuten)
Reporter von “Bild” und “Hamburger Morgenpost” jagen den rechtmässig aus der Haft entlassenen Hans-Peter W. von einer Stadt in die andere und erschweren so eine Resozialisierung.

2. “Hinter der grünen Tür”
(fernsehkritik.tv, Video, 40:33 Minuten)
N-tv und RTL zeigen in Liveberichten während rund 90 Minuten das Eingangstor der Justizvollzugsanstalt Mannheim. Schließlich erscheint der Angeklagte Jörg Kachelmann, was bei RTL zur sofortigen Unterbrechung des laufenden Programms führt (der wahrlich harte Schnitt ab 8 Minuten).

3. “Die weltfremde Medienmoral-Debatte”
(meedia.de, Georg Altrogge)
Georg Altrogge widerspricht den Einschätzungen von Christian Schicha zur Loveparade-Berichterstattung (taz-Interview) und wünscht sich Medienwächter, die sich für “den investigativen Handlungsspielraum und die Presse- und Meinungsfreiheit” einsetzen. “Zweifelsohne gibt es viele, denen es nur Recht wäre, wenn auch von der Loveparade keine Bilddokumente veröffentlicht worden wären, die ein Zeugnis liefern von der Panik im Tunnel, dem opferverachtenden Verhalten der Zuständigen in der Duisburger Stadtverwaltung oder eines Oberbürgermeisters, der sich in grotesker Weise an ein gut dotiertes Amt klammert.”

4. “Zehn Gründe gegen ein Presse-Leistungsschutzrecht”
(telemedicus.info, Arnd Haller)
Arnd Haller von Google Deutschland zählt zehn Gründe auf, die gegen ein geplantes Leistungsschutzrecht sprechen. Kai Biermann hat die Punkte hier etwas kürzer zusammengefasst.

5. “Generation Praktikum? Ein Mythos!”
(fudder.de, Philipp Barth)
Philipp Barth hält die von Journalisten ausgerufene “Generation Praktikum” vor allem für ein Problem der Medienbranche.

6. “Wir müssen dann den Taliban als Zeugen vernehmen”
(buskeismus-lexikon.de, Rolf Schälike)
“Spiegel Online” schreibt über einen Soldaten und verpasst ihm (“Name von der Redaktion geändert”) ein Pseudonym. Doch es gibt tatsächlich einen Soldaten mit diesem Namen. Man trifft sich vor dem Landgericht Hamburg.

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