Archiv für April 11th, 2024

Reichelt-Niederlage, Durchmarsch der Clowns, TikTok-Kanzler

1. Hauptverfahren gegen FragDenStaat-Chefredakteur Arne Semsrott eröffnet
(freiheitsrechte.org, Maria Scharlau)
Die Transparenzplattform “FragDenStaat” ist wegen der Veröffentlichung von Gerichtsdokumenten aus laufenden Strafverfahren in eine Auseinandersetzung mit der Berliner Staatsanwaltschaft geraten. Diese ermittelt gegen den Projektleiter Arne Semsrott, weil er amtliche Dokumente – mit Einwilligung der Betroffenen und Schwärzung personenbezogener Daten – veröffentlicht hat. Wie die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) mitteilt, hat das Landgericht Berlin nun das Hauptverfahren gegen Semsrott eröffnet. Er wird in dem Verfahren von der GFF unterstützt: “Das Landgericht hat die Chance verpasst, die Vereinbarkeit der Strafnorm mit der Pressefreiheit direkt vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen”, so Benjamin Lück, Jurist und Verfahrenskoordinator bei der GFF: “Nun gehen wir den Weg durch die Instanzen. Es ist nicht mit der Pressefreiheit vereinbar, dass ausnahmslos jedes Wortlaut-Zitat aus einem Gerichtsbeschluss vor Abschluss des Verfahrens unter Strafe steht.”

2. Gericht ver­bietet Julian Rei­chelt Aus­sagen zu “Poli­zei­Grün”
(lto.de, Charlotte Hoppen & Felix W. Zimmermann)
Ex-“Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt und das rechtspopulistische Medium “Nius” haben erneut eine juristische Niederlage erlitten, in diesem Fall zumindest eine Teilniederlage: “Das LG Hamburg hat Julian Reichelt und NIUS u.a. die Erweckung des Eindrucks verboten, der Verein ‘PolizeiGrün’ sei im Auftrag der Grünen tätig.” Der Beschluss sei noch nicht rechtskräftig, noch könnten beide Seiten Widerspruch beziehungsweise Beschwerde einlegen.

3. Durchmarsch der populistischen Talkshow-Clowns
(deutschlandfunk.de, Marina Weisband, Audio: 4:30 Minuten)
Marina Weisband reflektiert in ihrer Kolumne über den Erfolg medialer Selbstdarsteller wie Donald Trump, Javier Milei oder Boris Johnson und mögliche Nachahmer in Deutschland: “Noch hat die AfD es nicht geschafft, aber stellen Sie sich vor, sie findet irgendwann zufällig jemanden mit einem Funken Charisma, der die gleiche Art von Talkshow-Clown spielen kann. Unser mediales System hat keinerlei Immunschutz dagegen. Wir wären aufgeschmissen.”

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4. Russisches Innenministerium schreibt SPIEGEL-Kolumnist Zygar zur Fahndung aus
(spiegel.de)
Unlängst sei bekannt geworden, dass das russische Innenministerium den Kremlkritiker und freien “Spiegel”-Mitarbeiter Mikhail Zygar auf die Fahndungsliste gesetzt und ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet hat. “Ich werde für meine Worte, für meine Texte, für meine Bücher verfolgt”, so Zygar: “Offenbar sind sie zu wahr und zu schmerzhaft für den russischen Staat, die Beamten und Propagandisten.” Mikhail Zygar schreibt regelmäßig für den “Spiegel” eine Kolumne (nur mit Abo lesbar).

5. Begräbnis der Radiokultur
(taz.de, Dominik Baur)
Die Umstrukturierungen bei “Bayern 2” werden von manchen mit dem Tod des besonderen Radiosenders gleichgesetzt. Am Dienstagabend wurde er von einigen Demonstranten symbolisch zu Grabe getragen. “taz”-Bayern-Korrespondent Dominik Baur war dabei: “Als der Himmel pünktlich zu Beginn der Trauerfeier am Rundfunkplatz zuzieht und erste Tropfen fallen, haben sie die Särge schon aufgestellt. Kleine schwarze Pappsärge mit den Aufschriften: ‘Nachtstudio’, ‘Radiotexte’, ‘Kulturwelt’, ‘Diwan’, ‘Kulturjournal’, ‘Jazz und Politik’. Alles beliebte Sendungen, die künftig bei Bayern 2 nicht mehr vorkommen.”

6. Olaf muss nicht tanzen
(zeit.de, Meike Laaf)
Bundeskanzler Olaf Scholz nutzt jetzt TikTok, um dort besonders junge Leute anzusprechen und das Feld nicht der AfD zu überlassen. Die ist auf der Plattform nämlich stärker als alle anderen Parteien zusammen. Meike Laaf hat Politiker und Experten zum Thema befragt und die Argumente für und gegen eine Präsenz auf TikTok eingesammelt.
Hörtipp in eigener Sache: Bei radioeins kommentiert der “6-vor-9”-Kurator: “Abgesehen davon, dass es bei TikTok verschiedene Sicherheits- und Datenschutzbedenken gibt, habe ich Kritik an einem ganz anderen Punkt: Für Scholz geht es hier doch nur darum, ein weiteres Medium zu bespielen, in dem er seine Politik nicht erklärt.” (radioeins.de, Lorenz Meyer, Audio: 3:08 Minuten)