BGH zu Hasspostings, Rechte Flut-Elends-Bilder, Regierung trödelt

1. Erst anhören, dann sperren
(taz.de, Christian Rath)
Christian Rath fasst die Auswirkungen einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) über Hasspostings zusammen: “Facebook kann bis auf Weiteres keine Hass-Posts mehr löschen, die nur gegen die ‘Gemeinschaftsstandards’ von Facebook verstoßen. Der BGH hat die Nutzungsbedingungen von ­Facebook an diesem Donnerstag für ‘unwirksam’ erklärt, weil sie den Betroffenen keine Möglichkeit zum Widerspruch einräumten. Wenn Facebook bald wieder Hasspostings, die nicht strafbar sind, löschen will, muss es schnell seine Nutzungsbedingungen an die BGH-Vorgaben anpassen.”

2. Bundesregierung trödelt bei digitaler Veröffentlichung von Gesetzen
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Wollen Bürgerinnen und Bürger den Wortlaut von Gesetzestexten im Internet nachschlagen, müssen sie auf ein ehrenamtliches Portal aus der Zivilgesellschaft ausweichen, weil die Bundesregierung mit dem Aufbau ihres digitalen Bundesgesetzblatts überfordert zu sein scheint. Arne Semsrott, der bei OffeneGesetze.de mitmacht, kommentiert: “Das ehrenamtlich betriebene Portal offenegesetze.de bietet die Bundesgesetzblätter jetzt seit fast drei Jahren offen und kostenlos an. Viele Bibliotheken, öffentliche Einrichtungen, Anwaltskanzleien und Nichtregierungsorganisationen nutzen den Dienst inzwischen, weil er einfacher zugänglich ist als staatliche Angebote. Dass der Staat es noch immer nicht hinbekommt, ein ähnliches Angebot zu schaffen, ist ein Armutszeugnis.”

3. “Die bemühen sich einfach nicht”
(journalist.de, Catalina Schröder)
Die österreichische Journalistin und Publizistin Melisa Erkurt hat ein innovatives journalistisches Format auf Instagram gestartet: Das Team von “Die Chefredaktion” sei im Durchschnitt 19 Jahre alt und “genauso divers wie unsere Gesellschaft”. Im Gespräch mit dem “journalist” erklärt sie, wie es zur Gründung kam: “Ich war einige Jahre Redakteurin beim ORF und habe dabei gemerkt, dass ich frühestens Menschen ab 30 Jahren erreiche. Aber was ist mit den Jüngeren? Es sind auch nicht nur die Jungen, die nicht erreicht werden, sondern auch diejenigen aus unteren Schichten und solche mit Migrationsgeschichte.” Ein interessantes Interview über ein Projekt, das von der privaten Mega-Bildungsstiftung und der Wiener Medieninitiative mit insgesamt 300.000 Euro unterstützt wird.

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4. Kinotipp zu “Die letzten Reporter”: Wie steht es um den Lokaljournalismus
(fachjournalist.de, Gunter Becker)
Gunter Becker hat sich Jean Boués Dokumentarfilm über drei Lokalreporter und -reporterinnen angesehen und ist in vielerlei Hinsicht angetan: “Boués Schnittmuster (Montage Thomas Wellmann), in die Episoden der Arbeitseinsätze seiner drei Held*innen immer wieder Szenen aus Workshops, Fortbildungen und Konferenzen einzubauen, bei denen die großen Fragen und die Krise des Lokaljournalismus verhandelt werden, geht voll auf. Die verschiedenen Erzählebenen und Handlungsstränge treten in einen wunderbaren Dialog miteinander: hier die (wirtschaftliche) Vogelperspektive und die Worthülsen der Unternehmensberater und Verlagsmanager*innen – dort der Alltag der Reporter*innen. Der ganz anders aussieht als die Reißbrett-Strategien und trotzdem funktioniert.” Becker kritisiert aber auch die “kumpelige” Nähe der Medienschaffenden zu ihren Gesprächspartnern. Ein Gesichtspunkt, der in Thomas Klattes Filmkritik bei verdi.de wie folgt bewertet wird: “So will der Film larmoyant zwar die guten alten Zeiten des Lokaljournalismus zeigen, die schwierigen Seiten des zu nahen Miteinanders von Reporter*innen und Reportierten werden aber nicht mal angerissen. Sehr schade, sonst hätte das ein empfehlenswerter Film werden können.”

5. Eine Herausforderung beim Sprechen und Hören
(deutschlandfunk.de, Kevin Barth, Audio: 5:10 Minuten)
Viele Menschen sind bei der TV-Übertragung von einem sportlichen Großereignis wie den Olympischen Spielen auf die Audiodeskription angewiesen. Kevin Barth, der selbst fast blind ist, hat einige Verbesserungsvorschläge, endet jedoch versöhnlich: “Olympia ist mit schnellen Wechseln zwischen unterschiedlichen Sportarten und kurzfristigen Programmänderungen wohl die Königsdisziplin der Audiodeskription. Da kann nicht immer alles klappen.”

6. Klicke auf mein Flut-Elends-Bild auf Social Media
(belltower.news, Simone Rafael)
Nicht nur die selbsternannten “Querdenker” versuchen, die Flutkatastrophe für sich politisch zu nutzen, auch die klassische rechtsextreme Szene zieht es ins Katastrophengebiet. Simone Rafael hat sich angeschaut, wie rechtsextreme Gruppen in den Katastrophenorten einfallen, um sich dort mit Material für ihre Social-Media-Propaganda einzudecken.

Die Opfer von “Bild” (5)

Auch wenn die “Bild”-Medien für ihre “TODESFLUT”-Berichterstattung mitunter fast 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichzeitig im Einsatz hatten – eines konnten sie tagelang nicht präsentieren: die traditionelle Opfergalerie, also private Fotos von Menschen, die bei den Überschwemmungen ums Leben gekommen sind.

Stattdessen gab es diese Aktion:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: Zahlreiche Schlagzeilen zum Hochwasser, etwa "Riesen-Krater frisst Häuser - Mit Video - BILD-Reporter in Blessem, dem Dorf am Abgrund", "GERETTET! - Hier klammerte sich vier Stunden lang ein Mann ans Leben", "Unklar ob es alle aus ihren Autos schafften", "Zu wenig Alarm! - Hat der Katastrophenschutz versagt?" Und dann die Schlagzeile: "VERMISST! Brauchen Sie Hilfe bei der Suche nach Ihren Liebsten? vermisst@bid.de"

Im Artikel hieß es:

Screenshot aus dem BILD.de-Artikel: "Brauchen Sie Hilfebei der Suche nach Ihren Liebsten? BILD hilft Ihnen dabei! BILD ist im Katastrophengebiet in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfal vor Ort. Wir helfen, geben alles für Sie. - Schicken Sie und Ihre Vermisstenanzeige! - Bitte mit Foto und Angaben zur vermissten Person - per Whatsapp an 0151/15090200 oder als Mail an vermisst@bild.de"

Und so konnte die “Bild”-Redaktion kurz darauf doch noch Gesichter präsentieren:

Ausriss aus der BILD-Zeitung: "Angehörige verzweifelt +++ Seit Tagen keine Lebenszeichen der Liebsten - VERMISST", dazu Fotos von zwölf Menschen, die vermisst werden

Auch online wurde die Galerie veröffentlicht:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "VERMISST - Angehörige verzweifelt ++ Seit Tagen kein Lebenszeichen der Liebsten"

Und “Bild am Sonntag” titelte:

Titelseite der BILD am SONNTAG: "DIE JAHRHUNDERT-FLUT - DER TOD KAM ZUM GEBURTSTAG" - dazu ein großes Foto einer Frau (und ihres Sohnes), die bei den Überschwemmungen ums Leben kam

Die Fotos sind laut Angabe von “Bild” zwar mit Zustimmung der Angehörigen erschienen, wir haben sie dennoch alle unkenntlich gemacht, weil auch bei Fotos, die mit einem solchen Einverständnis in “Bild” erscheinen, Vorsicht geboten ist. Es kommt immer wieder vor, dass Angehörige im Nachhinein bereuen, “Bild” die Erlaubnis gegeben zu haben. Viele sind im Moment der Zustimmung in einem emotionalen Extremzustand, in dem sie keinen klaren Kopf haben – und anfällig sind für die manipulativen Techniken erfahrener Fotojäger.

***

Insgesamt haben die “Bild”-Medien in der Woche vom 12. bis 18. Juli mindestens 39 Mal Fotos von Menschen gezeigt, die Opfer eines Unglücks oder Verbrechens geworden sind oder nach den Überschwemmungen vermisst werden.

In einem Fall waren die Augen verpixelt, in zwei Fällen das Gesicht. In 36 Fällen gab es keinerlei Verpixelung.

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Bild.de zeigt zum Beispiel das Foto eines Mannes, der bei einer Rangelei erstochen wurde:

Screenshot von BILD.de: Das eingerahmte Foto eines Mannes, das auf dem Boden steht, umgeben von Kerzen und Blumen.

(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag von uns.)

Das Foto wurde von Trauernden zwischen Blumen und Kerzen am Tatort aufgestellt, dort hat “Bild” es abfotografiert. In einem ähnlichen Fall, nachdem “Bild” Fotos von Opfern des Germanwings-Unglücks auf einem Marktplatz abfotografiert hatte, erhielt die Redaktion eine Rüge des Presserats, weil das Aufstellen der Fotos, auch wenn es an einem öffentlichen Ort passierte, “nicht für die Medienöffentlichkeit und ohne Zustimmung der Abgebildeten oder Angehörigen” geschah.

***

Bild.de und “Bild am Sonntag” zeigen auch die Gesichter von drei 18-Jährigen, die bei einem Autounfall ums Leben kamen:

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Drei beste Freunde verunglücken mit Auto - Gemeinsam gelacht, gelebt, gestorben", dazu ein eingerahmtes Foto der drei jungen Männer, das umgeben von Blumen auf einem Friedhof steht, sowie das Bild-Plus-Logo

Screenshot von der BILD.de-Startseite: "Drei beste Freunde verunglücken mit Auto - Gemeinsam gelacht, gelebt, gestorben", dazu ein eingerahmtes Foto der drei jungen Männer, das umgeben von Blumen auf dem Grab steht, dazu ein weiteres Foto, auf dem man die Gesichter in Großaufnahme erkennt

Das Bild wurde am Grab der jungen Männer abfotografiert. Online bekommt man eine Großaufnahme der Gesichter erst, wenn man bezahlt.

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Gezeigt wird auch ein Mann, der in Brasilien nach einer Haiattacke seinen Verletzungen erlag:

Screenshot von BILD.de: Ein Selfie eines Mannes, dazu die Bildunterschrift: "Das Opfer [...] wurde nur 51 Jahre alt"

Das Foto stammt aus seinem Facebookprofil. Bild.de gibt die vollständige Adresse dorthin an.

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Nach einem Verbrechen oder Unglück in Social-Media-Profilen zu wühlen und daraus Fotos der Opfer zu veröffentlichen, ist redaktioneller Alltag bei “Bild”. Häufig erscheinen solche Fotos ohne jede Verpixelung und ohne Zustimmung der Angehörigen oder Hinterbliebenen.

In vielen Fällen werden Freunde, Kollegen oder Familienmitglieder sogar von Reportern bedrängt, damit sie Fotos der Menschen herausrücken, die sie gerade verloren haben.

“Bild” begründet die Veröffentlichung solcher Bilder damit, dass “nur so” die Tragik “deutlich und fassbar” werde.

Wie jedoch viele Betroffene selbst darüber denken, kann man zum Beispiel hier nachlesen. Dort sagt der Vater eines Mädchens, das beim Amoklauf von Winnenden getötet wurde und deren Foto in den Tagen darauf immer wieder in der “Bild”-Zeitung erschien:

Die “Bild”-Zeitung und andere, auch Fernsehsender, ziehen Profit aus unserem Leid! Dreimal hintereinander sind Bilder [unserer Tochter] erschienen, ohne dass wir das gewollt hätten. Wir hätten das nie erlaubt. Die reißen die Bilder an sich und fragen nicht danach, was wir Hinterbliebenen denken und fühlen.

Pressekodex Richtlinie 8.2

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

In einem Interview in unserem Buch sagt ein anderer Betroffener, dessen Bruder bei einem Skiunfall gestorben ist und später ohne Erlaubnis der Angehörigen groß auf der Titelseite der ”Bild”-Zeitung zu sehen war:

Das war eines der schlimmsten Dinge an der Geschichte: Dass die “Bild” die Kontrolle darüber hat, mit welcher Erinnerung mein Bruder geht. Dass das letzte Bild von der “Bild”-Zeitung kontrolliert wird und nicht von ihm selbst oder von uns.

Auch in anderen Medien kommt es vor, dass solche Fotos veröffentlicht werden. Doch niemand macht es so häufig und so eifrig wie “Bild”. Mehr als die Hälfte aller Rügen, die der Presserat je gegen die “Bild”-Medien ausgesprochen hat, bezog sich auf die unzulässige Veröffentlichung von Opferfotos.

Um zu verdeutlichen, in welchem Ausmaß “Bild” auf diese Weise Profit aus dem Leid von Menschen zieht, wollen wir hier regelmäßig dokumentieren, wie häufig die “Bild”-Medien solche Fotos veröffentlichen.

Hessen-FDP und Pressefreiheit, Hofers Selbstzensur, Preisgeld

1. Veröffentlichung von unangenehmen Fragen durch eine Partei verletzt die Pressefreiheit
(djv-hessen.de)
Der Deutsche Journalisten-Verband Hessen fordert die hessische FDP zu einem respektvollen Umgang auf: “Offenbar hat die Hessen FDP die Grundprinzipien der Pressefreiheit nicht verstanden. Statt Fragen eines Journalisten-Teams von NDR, WDR und der Wochenzeitung ‘Die Zeit’ zu möglichen Verbindungen einzelner aktiver FDP-Mitglieder in das AfD-nahe Spektrum um den Politikberater Tom Rohrböck zu beantworten, hat die Partei die Fragen der Journalisten auf ihrer Homepage veröffentlicht. Damit sabotiert die FDP das bewährte Prinzip Journalisten fragen, Politiker antworten. Journalisten, die nicht mehr selbst entscheiden können, wann sie ihre Recherchen für ausreichend fundiert halten, um damit an die Öffentlichkeit zu gehen, können ihren Beitrag zur Meinungsbildung nur noch eingeschränkt leisten.”

2. Was hat es mit Jan Hofers Selbstzensur-Vorwurf gegen die “Tagesschau” auf sich?
(meedia.de, Tobias Singer)
Jahrzehntelang war Nachrichtenmann Jan Hofer für die Öffentlich-Rechtlichen tätig, nun ist er der neue RTL-Anchorman. In einem Podcast-Gespräch mit Moderatorin Janin Ullman hat er sich zu seinem Wechsel geäußert und dabei eine bemerkenswerte Andeutung gemacht, die von Tobias Singer wie folgt kommentiert wird: “Das neue Format würde ‘anders, kleiner, hoffentlich effektiver und ohne Schere im Kopf’ stattfinden. Punkt. Mehr kommt nicht. Keine Erklärung, keine Konkretisierung, und auch keine Nachfrage von Ullmann. Was bleibt? Ein Vorwurf, der diejenigen bedient, die es schon immer wussten oder zu wissen glaubten: Bei der meistgesehenen Nachrichtensendung der Republik herrscht Selbstzensur unter den Journalisten.”

3. «False Balance» in den Medien: Was wissenschaftlich stimmt, ist keine Frage der Mehrheitsmeinung
(medienwoche.ch, Servan Grüninger)
Bei der “Medienwoche” geht es um das Phänomen der “False Balance” in der Berichterstattung. Das bezeichnet den Umstand, dass unbewiesenen Minderheitsmeinungen aus Gründen der (falschen) Ausgewogenheit derselbe Raum eingeräumt wird wie beispielsweise wissenschaftlich längst geklärten Mehrheitsmeinungen. Servan Grüninger erklärt das Problem anhand von Beispielen und nennt am Schluss einige konkrete Verbesserungsvorschläge.

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4. Eichers Ehre
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Der ehemalige Chefjustiziar des SWR Hermann Eicher geht laut der Internetpublikation “Kontext:Wochenzeitung” presserechtlich gegen diese vor. Eicher wolle Aussagen aus einem “Kontext”-Podcast verbieten lassen, in dem darüber gesprochen wird, wie die Anstalt mit den Vorwürfen sexueller Belästigung umgeht. Bei “Kontext” schildert Josef-Otto Freudenreich seine Sicht der Dinge.

5. Gefährliche Verwechslung
(sueddeutsche.de, Lea Sahay)
Der deutsche TV- und Print-Journalist Mathias Bölinger berichtet seit vielen Jahren aus China. Jüngst reiste er im Auftrag der Deutschen Welle in die zentralchinesische Provinz Henan, um über die Folgen der extremen Regenfälle zu berichten. Dort wurde er von einer wütenden Menschenmenge bedroht und verfolgt. Man hatte ihn für einen BBC-Korrespondenten gehalten.

6. “Get the f*ck out of my house”-Gewinner muss seinen Preis teilen
(lto.de)
Vorgestern haben wir in den “6 vor 9” von einem Konflikt zwischen Teilnehmern einer Reality-Show berichtet. Die drei Finalisten der Sendung hätten verabredet, dass – egal, wer gewinnt – der Gewinner den beiden anderen 20.000 Euro abgebe. Daran, so der Vorwurf, habe sich der Gewinner jedoch nicht gehalten. Nun haben sich Kläger und Beklagter vor Gericht auf die Zahlung von 15.000 Euro geeinigt, “um die Sache vom Tisch zu kriegen”.

Lückenhafte Kommunikation, C. H. Beck nennt um, Laschet-Generator

1. Kommunikation zwischen Behörden und Sendern lückenhaft
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider & Stefan Fries & Bettina Schmieding, Audio: 6:58 Minuten)
Die öffentlich-rechtlichen Sender haben sich verpflichtet, Katastrophenwarnungen der Behörden weiterzugeben. Doch dazu müssen die Warnungen auch in den Funkhäusern ankommen, und das hat nicht überall geklappt. Stefan Fries ist der Sache für den Deutschlandfunk nachgegangen: “Mit den Behörden vereinbart ist, dass der Deutschlandfunk als bundesweites Programm außerdem Meldungen sendet, die mehr als ein Bundesland betreffen. Darauf ist das Warnsystem aber offenbar nicht eingerichtet: Tatsächlich waren bei der Flutkatastrophe zwei Länder betroffen, allerdings gab es keine landesweiten Warnmeldungen, sondern nur regionale und lokale – diese kamen beim Deutschlandfunk nicht an.”

2. C.H. Beck benennt juristische Standardwerke um
(spiegel.de)
Der juristische Fachverlag C. H. Beck hat in einer Pressemitteilung bekanntgegeben, dass er sich entschlossen habe, “die Werke seines Verlags­programms umzubenennen, auf denen als Herausgeber oder Autoren noch Namen von Juristen genannt sind, die während der nationalsozialistischen Diktatur eine aktive Rolle eingenommen haben.” Das betrifft seit Jahrzehnten etablierte Standardliteratur wie den “Schönfelder” und den “Palandt”.

3. Zeitungsbranche verliert 2020 Werbeerlöse, aber steigert Vertriebsumsatz
(meedia.de)
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger hat seine Bilanz für das vergangene Jahr vorgelegt. Demnach hätten die deutschen Zeitungen im Corona-Jahr 2020 ein Sechstel ihres Umsatzes mit Anzeigen und Werbung verloren, diesen Rückgang aber im Vertriebsgeschäft zum Teil ausgeglichen.

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4. “Übermedien” in Österreich? “Dafür müssen wir noch weiterwachsen”
(derstandard.at, Oliver Mark)
Der österreichische “Standard” hat den Medienjournalisten und “Übermedien”-Mitgründer Stefan Niggemeier interviewt. Es geht unter anderem um die aktuellen Wachstumsziele des Portals, dessen Unterwerfung unter die Selbstverpflichtungserklärung des Presserats und die Auswirkungen von Corona auf “Übermedien”.

5. Newsletter Netzwerk Recherche, Nr. 199, 27.07.2021
(netzwerkrecherche.org, Annelie Naumann & Albrecht Ude)
Geradezu eine Pflichtlektüre, nicht nur für Journalistinnen und Journalisten aus dem Investigativbereich: der Newsletter des Netzwerk Recherche. Die neueste Ausgabe liefert wie immer einen guten Überblick über aktuelle Nachrichten, Veranstaltungen, Seminare, Stipendien und Preise. Im Pressespiegel gibt es zudem wertvolle Lesetipps zu ausgesuchten Themen.

6. “Lasch-o-mat” Satire-Tool baut Laschet-Zitate um
(tagesspiegel.de, Lea Schulze)
Im “Lasch-o-mat” lassen sich Zitate von Armin Laschet um beliebige Wörter ergänzen. Wie kam es zu der Idee? Und was hat der “6-vor-9”-Kurator des BILDblog damit zu tun?
Weiterer Lesehinweis und Hörtipp: Bei Deutschlandfunk Kultur durfte der Kurator ein paar Sätze zu dem Thema Parodien im Allgemeinen und Besonderen sagen: Bullshit-Bingo mit Armin Laschet (deutschlandfunkkultur.de, Massimo Maio, Audio: 7:30 Minuten).

Guten Freunden gibt man ein Komma

Als sich die Kanzlerkandidatin der Grünen Annalena Baerbock bei ihrer Parteitagsrede im Juni verhaspelte, erst von “liberalen Feinden” sprach, sich dann schnell selbst mit “die Feinde der liberalen Demokratie” korrigierte und nach ihrer Rede offenbar “Scheiße” sagte, war das der “Bild”-Redaktion gleich mehrere Beiträge wert. Bei Gegnern suhlt sie sich in den kleinsten Fehlern, bläst sie auf, reitet auf ihnen rum.

Und bei Freunden?

Am Sonntag war Sebastian Kurz, Bundeskanzler Österreichs und Duzfreund von “Bild”-Chef Julian Reichelt, in der “Bild-TV”-Sendung “Die richtigen Fragen” zu Gast. Im Interview mit “Bild”-Vize-Chefredakteur Paul Ronzheimer, der auch Biograf von Sebastian Kurz ist, ging es unter anderem um die Situation in Afghanistan, das Vordringen der Taliban im Land und daraus möglicherweise resultierende Fluchtbewegungen nach Europa. Kurz sagte dazu:

Wenn Menschen fliehen müssen, dann halte ich die Nachbarstaaten wie die Türkei oder andere sichere Teile Afghanistans definitiv für den richtigeren Ort, als dass die Menschen alle nach Österreich, Deutschland oder Schweden kommen.

Nun ist die Türkei, anders als von Kurz behauptet, kein Nachbarstaat Afghanistans. Zwischen beiden Ländern liegt der nicht ganz kleine Iran. So ein Fehler kann einem natürlich mal passieren. Aber was macht die “Bild”-Redaktion daraus? Bringt sie einen Artikel nach dem anderen, in dem sie fragt, ob ein ehemaliger Außenminister nicht wissen müsste, wo Afghanistan und wo die Türkei liegen? Suhlt sie sich, bläst sie auf, reitet sie drauf rum?

Nichts dergleichen. Stattdessen ändert sie Kurz’ wörtliches Zitat und lässt damit den Fehler verschwinden. Im Bild.de-Artikel zum Auftritt des österreichischen Kanzlers bei “Bild TV” sagt Sebastian Kurz auf einmal:

Wenn Menschen fliehen müssen, dann halte ich Nachbarstaaten, die Türkei oder sichere Teile Afghanistans, definitiv für den richtigeren Ort, als dass die Menschen alle nach Deutschland, Österreich oder Schweden kommen.

Aus dem “wie” wurde wie von Zauberhand ein Komma.

Am Tag von Annalena Baerbocks Parteitagsrede waren im ZDF-“heute-journal”, das über den Grünen-Parteitag berichtete, der Versprecher und das “Scheiße” nach der Rede nicht zu sehen oder zu hören – vermutlich weil die Redaktion sie für nicht so berichtenswert hielt wie “Bild”. Die “Bild”-Redaktion war einigermaßen empört und schrieb dazu:

GRÜNEN-PARTEITAG: ZDF VERSCHWEIGT BAERBOCKS PATZER

Mit Dank an @robertwiesner und @Helge!

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Ohne AfD und Linke, Lokaljournalismus im Ahrtal, Selbstversuch Olympia

1. Warum AfD und Linke bei den Sat.1-Sommerinterviews fehlen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Sat.1 plant politische Sommerinterviews, bei denen die beiden Oppositionsparteien AfD und Linke jedoch nicht vorkommen. Sendersprecher Daniel Rosemann begründet dies wie folgt: “Die Sat.1-Nachrichtenredaktion hat sich entschieden, mit den vier Parteien Sommer-Interviews zu führen, die nach den aktuellen Koalitionsaussagen nach der Wahl Teil einer neuen Bundesregierung sein können.” Für “DWDL”-Redakteur Timo Niemeier kommt diese Argumentation überraschend: “Zum einen, weil der Sender diesmal in Sachen AfD eine andere Argumentation wählt und sich nicht so klar gegen die Partei positioniert, wie es Rosemann noch vor wenigen Wochen tat. Und zum anderen, weil Koalitionsaussagen, die vor einer Wahl getroffen werden, danach vielleicht gar nicht halten. Ein Bündnis aus SPD, Grünen und Linken ist überdies gar nicht endgültig vom Tisch, weil es von keiner der Parteien ausgeschlossen wurde.”

2. Lokaljournalismus im Dauereinsatz
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider, Audio: 7:46 Minuten)
Die Flutkatastrophe im Ahrtal zeigt, wie wichtig gut funktionierender Lokaljournalismus ist. Seit über einer Woche berichtet die “Rhein-Zeitung” mit ihrer Lokalredaktion Ahrweiler mit zehn Reporterinnen und Reportern direkt aus dem Katastrophengebiet, unterstützt von Kräften aus der zentralen Mantelredaktion. Doch in der Region würden sich auch unseriöse Menschen tummeln, die Desinformationen streuen: Laut ZDF-Reporter Arndt Ginzel seien Mitglieder der “Querdenker”-Szene durch die Nachbarschaft gezogen und hätten fälschlicherweise erzählt, das Hochwasser sei von Bundeskanzlerin Angela Merkel geplant worden, um eine Klimadebatte zu entfachen.

3. Nürnberger Presse plant weiteren Stellenabbau
(verdi.de, Susanne Stracke-Neumann)
Schlechte Nachrichten aus Nürnberg: “Um mindestens 80 Vollzeitstellen will der Verlag Nürnberger Presse (VNP) bis Ende März 2022 die Belegschaft verkleinern. Der Verlag, der die ‘Nürnberger Nachrichten’, die ‘Nürnberger Zeitung’ und die Online-Plattform Nordbayern.de in seinem Portfolio hat, baute bereits 2019/20 nach der Verschmelzung dreier einzelner zu einer Zentralredaktion 28 Vollzeitstellen durch einen ‘freiwilligen Sozialplan’ mit Abfindungen ab.”

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4. »Ältere Menschen sind empfänglicher für Falschmeldungen«
(spiegel.de, Max Hoppenstedt & Ann-Katrin-Müller)
Fiete Stegers hat sich im Auftrag der Vodafone-Stiftung bei Faktencheckern, Forschenden, Fachjournalistinnen und Vertretern von zivilgesellschaftlichen Organisationen zum Thema Desinformation umgehört. Der “Spiegel” berichtet vorab über die Befragung. Anfällig für Desinformationskampagnen seien laut den Expertinnen und Experten vor allem Menschen, die “der transportierten Botschaft ohnehin zugeneigt sind und sich durch sie bestätigt fühlen”. Außerdem spiele laut Stegers das Alter eine Rolle: “Ältere Menschen sind tendenziell empfänglicher für Falschmeldungen als junge”.

5. Absprachen ums Preisgeld?
(sueddeutsche.de)
“Get the F*ck out of my House” ist eine ursprünglich aus den Niederlanden stammende Reality-Show, die in Deutschland bei ProSieben ausgestrahlt wurde. Die Spielidee: In einem Haus werden 100 Menschen untergebracht. Wer als Letzter das Haus verlässt, bekommt die 100.000 Euro Siegprämie. Drei Jahre nach dem Ende der Sendung streiten die Kandidaten vor Gericht um das Preisgeld. Die drei Finalisten hätten verabredet, dass – egal, wer gewinnt – der Gewinner den beiden anderen 20.000 Euro abgebe. Daran, so der Vorwurf, habe sich der Gewinner jedoch nicht gehalten.

6. Olympia als 14-Stunden-Selbstversuch: Die Geisterspiele von Tokio im nächtlichen TV-Protokoll
(rnd.de, Imre Grimm)
Imre Grimm hat einen heroischen Selbstversuch unternommen und sich eine ganze Nacht durch das Olympia-Programm gezappt. Richtige Begeisterung wollte bei ihm nicht aufkommen, denn ohne Publikum fehle etwas Entscheidendes: “Das kollektive Staunen über die Grenzbereiche des Menschenmöglichen sind das Geheimnis des Events. Aber ohne Kollektiv gibt es keine kollektive Freude. Was wäre Usain Bolt ohne seine Ehrenrunden? Für wen sollte Robert Harting in einem leeren Stadion sein Trikot zerreißen? Emotionen sind der wichtigste Rohstoff internationaler Sportevents. Von 10.000 leeren Plastiksesseln aber sind keine Gefühlsaufwallungen zu erwarten. Man kann Emotionen nicht herbeibehaupten.”

“Bild”-Umfrage zeigt: So häufig antworteten Politiker “Bild”

Ein kleiner, aber durchaus wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer hohen Corona-Impfquote in Deutschland könnte das Impf-Verhalten von Politikerinnen und Politikern sein – im Sinne von: Wenn die den Impfstoffen vertrauen, dann kann ich das doch auch. Oder umgekehrt: Warum sollte ich mich impfen lassen, wenn die das nicht mal tun? Und so wollte die “Bild”-Redaktion wissen: “Wie sehr halten sich die Politiker an ihre eigenen Impf-Aufrufe an die Bürger?”

Screenshot Bild.de - Wie halten es eigentlich unsere Politiker? Das sind die Impf-Quoten der Bundestags-Parteien

“Bild” hat nach eigener Aussage bei allen 709 Mitgliedern des Bundestags nachgefragt, ob sie sich haben impfen lassen. Das Ergebnis:

Screenshot Bild.de - Grafik mit den Impfquoten - CDU/CSU 67 Prozent, SPD 86 Prozent, AfD 3 Prozent, FDP 81 Prozent, Linke 52 Porzent, Grüne 78 Prozent, Gesamt 64 Prozent

Auf den ersten Blick vermeintlich verblüffende Zahlen: Bei CDU/CSU, immerhin Teil der Regierung, die fürs Impfen wirbt, nur 67 Prozent? Die Linke fast zur Hälfte ungeimpft? Woher diese großen Unterschiede bei den verschiedenen Fraktionen? Und insgesamt gerade mal maue 64 Prozent? Erst nach dem zweiten dritten vielleicht vierten Blick, dem Lesen des Kleingedruckten, dem anschließenden Nachdenken über den Begriff “Mindestimpfquote” und dem erneuten Blick auf die Grafik wird klar: Die Impfbereitschaft der Parlamentarier dürfte deutlich höher sein.

Aber erstmal ein paar Erster-Blick-Reaktionen auf die “Bild”-Darstellung:

FDP und Linke überraschen. Bei FDP hätte ich mehr Gegner erwartet. Bei den Linken mehr Solidarität.

Und der mitläuferigste Mitläufer ist… Tatatataaaa

Die #SPD – what else…

Bestimmt alle von Dr. Tod aka #Lauterbach perrrsöönläch geömpft

Stolz auf @spdbt – Klasse!

Dafür habe ich mich einsperren lassen und alles mitgemacht? Dafür dass dann lauter Leute in für die Demokratie wichtigen Rollen sich dann nicht impfen lassen?

Das alles sind Reaktionen auf einen Twitter-Post von “Bild”-Redakteur Julian Röpcke, in dem er die oben gezeigte Grafik als Screenshot veröffentlichte. In alle möglichen Richtung wird sie falsch verstanden: Die SPD als eine Art Sieger der Umfrage (was sie nicht ist). Die Linke mit mangelnder Solidarität (was nicht stimmt). Die FDP mit deutlich höherer Impfbereitschaft als die meisten anderen Parteien (was man so nicht sagen kann). Und, wohl besonders gefährlich: Politikerinnen und Politiker als “Leute in für die Demokratie wichtigen Rollen”, die sich scheinbar “nicht impfen lassen” wollen.

Berechnet man die Impfquote jener Mitglieder des Bundestags, die auf die “Bild”-Anfrage geantwortet haben, liegt sie, mit Ausnahme der AfD, bei jeder Partei über 96 Prozent (Grüne – 98,7 Prozent, SPD – 97,7 Prozent, CDU/CSU – 97,1 Prozent, FDP – 96,4 Prozent, Linke 96,3 Prozent, AfD – 17,6 Prozent, Gesamt – 95,5 Prozent). Die “Bild”-Redaktion hat sich allerdings für eine andere Darstellung entschieden: Sie nimmt die Anzahl der Personen, die geantwortet haben, dass sie ein- oder zweimal geimpft sind, und teilt sie durch die Anzahl aller Mitglieder der jeweiligen Fraktion – womit sie auch die Fraktionsmitglieder einrechnet, die überhaupt nicht geantwortet haben, und bei denen man nicht sagen kann, ob sie geimpft sind oder nicht. Oder wie im Artikel erklärt wird:

Aus den Rückmeldungen errechnete BILD die “Mindest-Impfquote”, also die Quote, die sich aus den sicheren Impf-Bejahungen im Verhältnis zu allen Abgeordneten der Fraktionen im Bundestag ergibt.

Zur Verdeutlichung ein fiktives Beispiel: Fraktion X hat 100 Mitglieder, 40 antworten auf die “Bild”-Anfrage, 38 davon geben an, bereits ein- oder zweimal geimpft worden zu sein. In der “Bild”-Darstellung läge die “Mindestimpfquote” dieser Fraktion damit bei 38 Prozent. Man könnte aber auch sagen: In der Fraktion X sind 95 Prozent der Personen, die sich zurückgemeldet haben, nach eigener Aussage ein- oder zweimal geimpft worden.

So ist die “Bild”-Grafik vor allem eine Darstellung davon, welche Fraktion wie rege auf die “Bild”-Anfrage reagiert hat: Die SPD beispielsweise deutlich stärker als die Linke, die FDP stärker als die CDU/CSU. Nun kann es verschiedene Gründe haben, warum eine Politikerin oder ein Politiker nicht antwortet. Der einen mag die Angabe zur Impfung zu privat sein, der andere hat keine Lust, an einer “Bild”-Umfrage teilzunehmen. Trotzdem erklärt “Bild” die SPD zum “‘Impf-Sieger'” und schreibt: “Zwischen den Fraktionen gibt es jedoch extreme Unterschiede” – wobei der Unterschied, wie gesagt, vor allem darin besteht, ob die verschiedenen Fraktionen häufiger oder seltener geantwortet haben (klammert man die AfD mal aus).

Man kann diese “Mindestimpfquote” durchaus berechnen und sie so darstellen, wie “Bild” es gemacht hat. Wenn die Rückmeldung aus den verschiedenen Fraktionen allerdings so unterschiedlich ist, birgt die Grafik aber eine große Gefahr, missverstanden zu werden – siehe die oben zitierten Reaktionen. Problematisch wird es, wenn im “Bild”-Artikel diese Quote, die lediglich die “sicheren Impf-Bejahungen” angibt, ins Verhältnis zur “aktuellen Impfquote in der gesamtdeutschen Bevölkerung” gesetzt wird (“Sie beträgt fraktionsübergreifend 64 Prozent und liegt damit etwa fünf Prozentpunkte höher als die aktuelle Impfquote in der gesamtdeutschen Bevölkerung (59 Prozent).”). Denn bei letzterer gibt es in der Regel keine ausbleibenden Antworten auf eine Anfrage. Hinzu kommt bei den “Bild”-Zahlen ein weiterer Schwachpunkt: Es handelt sich nur um Selbstauskünfte der Politikerinnen und Politiker.

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Talkshow-Pionier Bio, Turnen statt Boxen, Kunstfreiheit im Rap

1. Der Zauber der zwanglosen Plauderei
(spiegel.de, Arno Frank)
Der Fernsehmoderator, Buchautor und Jurist Alfred Biolek ist im Alter von 87 Jahren gestorben. Biolek gilt in Deutschland unter anderem als Pionier des Talkshow-Genres. Viele kennen ihn nur von seinen Kochsendungen, Biolek war aber auch für Formate wie Rudi Carrells “Am laufenden Band”, “Bio’s Bahnhof” und “Boulevard Bio” verantwortlich. Etliche Stars hatten in einer seiner Sendungen ihren ersten Auftritt. So holte er beispielsweise als Erster die Komiker-Truppe Monty Python nach Deutschland.
Weiterer Lesetipp: Köfte und Knast: Böhmermann brutzelt auf Bios Spuren (dwdl.de, Alexander Krei).

2. “Allerfeinstes Mobbing”
(faz.net)
Der Fußballreporter Jörg Dahlmann und der Pay-TV-Sender Sky haben sich nach einer umstrittenen Äußerung Dahlmanns getrennt. Dieser fühlt sich von Sky gemobbt: “Der Sender hat den Riesenfehler gemacht, sich zu sehr durch Twitter-Hater leiten zu lassen. Diese Empörungsgemeinde hat die Politik des Senders beeinflusst.” Offenbar gab es bereits lange Unstimmigkeiten zwischen Sky und Moderator, wie der Sender andeutet: “In der Vergangenheit haben zahlreiche Gespräche zwischen Sky und Jörg Dahlmann stattgefunden, die einen verantwortungsvollen Umgang mit Sprache zum Thema hatten. Jörg Dahlmann, der regelmäßig vor einem Millionenpublikum kommentierte, hat leider kein Bewusstsein dafür gezeigt, dass er als Multiplikator eine entsprechende Verantwortung trägt.”
Dazu auch: Ein Twitter-Kommentar des “11-Freunde”-Chefredakteurs Philipp Köster zu einer von Dahlmanns Aussagen.

3. 3,8 Milliarden Telefonnummern werden im Darknet verkauft
(golem.de, Oliver Nickel)
Im Darknet behauptet ein anonymer Hacker, im Besitz der Kontakte aller 10 Millionen Clubhouse-User und deren Telefonbücher zu sein, und bietet die Daten zum Verkauf an. Es soll sich dabei um insgesamt 3,8 Milliarden Telefonnummern handeln. Das Unternehmen, dem schon einmal 1,3 Millionen Datensätze abhanden gekommen sind, widerspricht: “Es gab keinen Datenleak bei Clubhouse. Es gibt eine Reihe von Bots, die Milliarden von zufälligen Telefonnummern generieren. Für den Fall, dass eine dieser zufälligen Nummern aufgrund eines mathematischen Zufalls auf unserer Plattform existiert, gibt die API von Clubhouse keine benutzeridentifizierbaren Informationen zurück.”

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4. Turnen statt Boxen
(taz.de, Alina Schwermer)
Frauen, die Spitzensport machen, sind in den Medien unterrepräsentiert. Wenn sie zu sehen sind, dann eher passiv und in kontaktarmen Disziplinen, so der Befund der “taz”-Autorin Alina Schwermer: “Das hat auch mit der Zusammensetzung der Redaktionen zu tun. Der alte Witz, dass im Sport ‘Männer für Männer über Männer’ berichten, stimmt weiterhin.”

5. Flutopfer müssen Rundfunkgebühren nicht mehr zahlen
(rnd.de)
ARD, ZDF und Deutschlandradio haben sich auf “unbürokratische Entlastungen” geeinigt: Betroffene der Flutkatastrophe können sich von den Rundfunkgebühren befreien lassen und eine Abmeldung ihres Kontos beantragen. Dazu reiche eine kurze schriftliche Mitteilung an den Beitragsservice.

6. “Alles von der Kunst­f­rei­heit gedeckt”
(lto.de, Eike Fesefeldt)
“Fast schon ein wenig geehrt werden sich manche Juristinnen und Juristen fühlen, dass auch ihr Berufsstand einen kleinen Platz in Hip-Hop-Texten gefunden hat. Einige Songs beruhen darauf, dass ihre Interpreten bereits Erfahrungen im Gerichtssaal gesammelt haben.” Staatsanwalt Eike Fesefeldt hat sich angeschaut, auf welche Weise Justizthemen in deutschsprachigen Rap-Texten verarbeitet werden.

KW 29: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Spionagesoftware Pegasus: Journalisten durchs Handy überwacht
(ndr.de, Zapp – Das Medienmagazin, Johannes Jolmes & Philipp Hennig, Video: 12:34 Minuten)
Vergangene Woche hat ein internationales Redaktionskonsortium, dem auch “Zeit”, “Süddeutsche”, NDR und WDR angehören, Erschreckendes zutage gefördert: Geheimdienste und Polizeibehörden haben offenbar weltweit Journalistinnen, Menschenrechtsaktivisten, Anwälte und Politikerinnen überwacht und dabei die Spionagesoftware Pegasus eingesetzt (hier der Bericht der “Zeit”, der Beitrag der “Süddeutschen Zeitung” und der Text von NDR und WDR). Die “Zapp”-Autoren Johannes Jolmes und Philipp Hennig sind quer durch Europa gereist und haben einige der betroffenen Journalistinnen und Journalisten getroffen. Wie werden sie in Zukunft arbeiten? Wie wollen sie sich schützen? Und was bedeutet die Überwachung für ihre Quellen?

2. Piratensender Powerplay, Episode 48: “NRW.”
(piratensenderpowerplay.podigee.io, Samira El Ouassil, 34:15 Minuten)
Lehrreich: Die Kommunikationswissenschaftlerin und Kolumnistin Samira El Ouassil analysiert die mediale Verarbeitung des aktuellen Unwettergeschehens und erklärt, “warum die Betroffenheitskommunikation, Wahlkampfkommunikation und Klimakrisenkommunikation der Kanzlerkandidaten speziell in Bezug auf die Naturkatastrophe in NRW so verschränkt (und manchmal gescheitert) sind”.

3. Rassistischer Anschlag in München – Eine Neue Art des Terrors, Teil 2
(ardaudiothek.de, Kanackische Welle, Malcolm Ohanwe & Marcel Aburakia, Audio: 1:19:25 Stunden)
Im zweiten Teil der Audio-Doku “Rassistischer Anschlag in München – Eine neue Art des Terrors” analysieren die Betreiber der “Kanackischen Welle” die rassistische und rechtsextreme Ideologie des Täters vom OEZ und zeigen, welche Fehler Medien damals gemacht haben: “In dieser Folge blicken wir auf das schiere Medienchaos des 22. Juli 2016. Haben die Medien versagt und zur Massenpanik beigetragen? Haben sie zu lange am Motiv Amoklauf festgehalten? Und was hat schlussendlich zu einer Neubetrachtung des Falles geführt?” Den ersten Teil der Doku gibt es hier.

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4. #72: Google ist alles egal
(podcastc82418.podigee.io, Thomas Koch & Kai Blasberg, Audio: 1:17:19 Stunden)
Kai Blasberg und Thomas Koch, die “Zwei Herren mit Hund”, haben sich den Medien-Experten Michael M. Maurantonio in ihren Podcast eingeladen. Zusammen mit Koch hat Maurantonio die Kampagne Stop Funding Hate ins Leben gerufen: “Ende 2019 hatten wir die Nase voll. Wir mussten etwas gegen Desinformation, Diskriminierung, Sexismus und Fake-News in den Medien unternehmen. Die UrheberInnen, also die Webseiten, lassen sich kaum von uns stören. Aber ihre ‘UnterstützerInnen’, namentlich Werbeauftraggeber, die ihre Werbung auf solchen Seiten schalten, wollten wir endlich wach rütteln.”

5. Rindfleisch, Sex und Schrauberei – Männermagazine heute
(sr.de, Isabel Sonnabend & Thomas Bimesdörfer, Audio: 16:06 Minuten)
In der aktuellen Ausgabe von “Medien – Cross und Quer” geht es um Männermagazine. Isabel Sonnabend und Thomas Bimesdörfer haben sich dazu einen Experten ans Mikro geholt: Boris Halva, Journalist bei der “Frankfurter Rundschau” und Autor der Buchs “Mannsbilder”. Was genau sind eigentlich “Männermagazine”? Wann und warum ist der Mann als Mann an und für sich eine Zielgruppe? Und wie lange noch?

6. UFO266 Hinter dem Mikrofon
(podcast-ufo.fail, Florentin Will & Stefan Titze, 40:02 Minuten)
Florentin Will und Stefan Titze haben eine Podcast-Sonderausgabe über Podcasts und das Podcasten produziert – und zwar in Form eines Musicals mit zahlreichen Ehrengästen. In einer Qualität und mit einer Originalität, die den “6-vor-9”-Kurator kurz sprachlos machte. Sehr außergewöhnlich – unbedingte Hörempfehlung.

Matsch-Inszenierung bei RTL, Olympia, Amthors “Gaming Night”

1. RTL beurlaubt Flut-Reporterin Susanna Ohlen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Die RTL-Reporterin Susanna Ohlen wurde dabei gefilmt, wie sie sich vor einer Schalte aus dem Hochwassergebiet offenbar für mehr Drama Matsch ins Gesicht schmierte. RTL hat die Moderatorin darauf freigestellt: “Das Vorgehen unserer Reporterin widerspricht eindeutig journalistischen Grundsätzen und unseren eigenen Standards. Wir haben sie daher direkt am Montag, nachdem wir davon erfahren haben, beurlaubt.”

2. Der männliche Blick auf Frauen
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio: 5:56 Minuten)
Heute starten die Olympischen Spiele in Tokio, mit erfreulichen Entwicklungen in Sachen Gleichberechtigung und gleicher Teilhabe von Mann und Frau: Erstmals in der olympischen Geschichte hätten in Tokio alle olympischen Sportarten eine männliche und weibliche Kategorie. Über alle Kategorien gerechnet betrage der Anteil der Frauen etwa 49 Prozent – so viel wie noch nie. Die Sportjournalistin Alina Schwermer erklärt im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, warum es damit aber noch lange nicht getan ist.

3. Von der Regierung finanziert
(taz.de, Steffen Grimberg)
Beim privaten Lokalfernsehen Sachsen TV laufen Formate wie “Martin Dulig konkret” oder “MK Direkt” mit dem sächsischen Wirtschaftsminister Dulig beziehungsweise mit Sachsen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer. Steffen Grimberg kommentiert: “Nun ist Sachsen TV wie alle Medien natürlich frei in seinen redaktionellen Entscheidungen und muss sich nicht vorwerfen lassen, wen die Redaktion in ihre Sendungen einlädt. Doch die Sache hat einen Haken: Die Produktion dieser Sendungen wird vom Sächsischen Ministerium für Wirtschaft und Arbeit bezahlt.”

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4. MDR will Klimaberichterstattung ausbauen
(rnd.de)
Der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) will seine Berichterstattung über den Klimawandel ausbauen. So plane man eine Art “Klimaherbst” für die Zeit nach der Bundestagswahl. Außerdem würde ab heute das wöchentliche multimediale “Klima-Update” erscheinen: “Einmal in der Woche gibt der Newsletter einen Überblick über alle wichtigen Infos zum Thema: Dazu zählen Hintergrundgeschichten, Interviews, Podcasts und Dokumentationen mit Beispielen aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Auch passende Inhalte aus der ARD und darüber hinaus werden im Klima-Update vorgestellt.”

5. Facebook gefällt das nicht
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Lisa Hegemann hat “Inside Facebook” gelesen, das jüngst erschienene Buch der “New-York-Times”-Reporterinnen Sheera Frenkel und Cecilia Kang. “Über Facebook ist so viel berichtet worden, dass sich Inside Facebook wie eine Zusammenfassung aller großen Skandale der vergangenen Jahre liest. Der Verdienst von Frenkel und Kang ist es, die vielen Probleme von Facebook in Beziehung zueinander zu setzen und detailliert aufzudröseln, wie die Anfänge des sozialen Netzwerks zu seinem heutigen Image beigetragen haben. Das Buch gewährt einen Blick hinter die ohnehin schon brüchig wirkende Fassade von Facebook. Das Beunruhigende: Dahinter sieht es offenbar noch schlimmer aus, als man ohnehin schon erwartet hatte.”

6. Wahlkampfspiele
(faz.net, Axel Weidemann)
Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, und der CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Amthor hatten sich zur “Gaming Night” auf Twitch verabredet, bei der sie “ungeschönt und ohne Politsprech” mit der “Community” über Politik reden wollten. Ein Himmelfahrtskommando, wie Axel Weidemann in der “FAZ” findet: “Das ist so, als wolle man in einem Flugsimulator ein Gewitter durchfliegen und dabei mit einer Schulklasse in der siebten Stunde über die Probleme des deutschen Rentensystems diskutieren – auf Finnisch.”

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