Nach den rassistisch motivierten Schüssen auf einen Eritreer im hessischen Wächtersbach, bei denen das Opfer lebensgefährlich verletzt wurde, haben “Bild”-Reporter die Stammkneipe des Täters im Nachbarort besucht, mit dem Wirt gesprochen und gleich mehrere Artikel veröffentlicht:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)
In dieser Kneipe soll Täter Roland K. mehrmals angekündigt haben, jemanden umbringen zu wollen, auch am Tattag, bevor er aus dem “Martinseck” loszog und auf den Eritreer schoss. Bei der Polizei meldete das niemand, auch nicht der Wirt, dem die “Bild”-Medien nun eine Menge Platz geben, sich zu rechtfertigen. Immerhin “kursieren Gerüchte”, er “würde die Tat dulden.”
Und so kann der Wirt erzählen, was für ein bunter Haufen das doch in seiner Kneipe so sei:
30 Prozent von Dirks Gästen sind Ausländer: “Ob meine Gäste schwarz oder grün sind, blonde Haare oder braune Locken haben, ist mir egal. Hauptsache, sie zahlen und pöbeln nicht.”
Und die Gäste, die zum türkischen Vorbesitzer gegangen sind, kämen ja auch weiter zu ihm:
Vor vier Jahren hat Dirk “Zum Martinseck” übernommen, von einem Türken: “30 Jahre war die Kneipe in türkischer Hand. Die Gäste von damals kommen heute noch.” Morgens kommen Rentner, Urlauber. Ab halb fünf Lkw-Fahrer, Bauarbeiter nach der Schicht. Krach gab’s noch nie: “Meinungsverschiedenheiten ja. Ich lasse jedem seine Meinung. Wenn es extrem wird, wird er rausgeschmissen.”
Das, was Roland K. gemacht hat, finde der Wirt auch “nicht gut”:
Er sagte zu BILD: “Ganz deutlich, ich bin kein Nazi. Ich verabscheue die Tat aufs Schärfste. Er hat einen unschuldigen Menschen fast umgebracht, das kann man nicht gut finden. Das ist das Allerletzte.”
Und “Nazi-Sprüche”? Nee, die hätte er nicht geduldet:
Wenn Roland K. hier war, war er eher ruhig: “Wir haben eigentlich nur über Essen geredet. Er war ja Metzger, hat das gelernt, ich hab auch ‘ne Metzgerlehre gemacht, das war unsere Basis. Roland fiel nie durch Nazi-Sprüche oder sowas auf, das hätte ich nicht geduldet.”
Mit dem Willen zu fünf Minuten Recherche hätten die “Bild”-Leute mal auf die öffentliche Facebook-Seite des Wirtes gucken können. Und dort hätten sie nach etwas scrollen — denn zugegeben: die Posts liegen schon einige Jahre zurück — entdecken können, dass der Wirt “Nazi-Sprüche” selbst verbreitet hat. Etwa diesen hier von der Neonazi-Partei NPD:
Er macht auch ganz gern mal Stimmung gegen “die Fremden”:
Reichsbürgerhaft sei “für die BRD kein Platz mehr”:
Zudem würden “immer mehr Ausländer hier angesiedelt”:
Außerdem: “DEUTSCH SEIN IST KEIN VERBRECHEN!”:
Und Angela Merkel und Joachim Gauck könnte man auch mal ganz gut aus dem Flugzeug “hinunterwefen”, dann “freut sich ganz Deutschland”:
Natürlich können Menschen ihre Ansichten nach Jahren geändert haben (sollte das so sein, könnten sie allerdings auch alte NPD-Reichsbürger-die-Fremden-kriegen-alles-und-wir-nix-Posts von ihrer Facebook-Seite löschen). Es wäre jedenfalls etwas gewesen, mit dem die “Bild”-Reporter den Wirt hätten konfrontieren können, anstatt ihn unwidersprochen von seiner angeblichen Multikulti-Kneipe erzählen zu lassen. Hätte man mal vorher recherchiert.