Archiv für Juli, 2018

Unsere Aufmerksamkeit, “Strenzen”, 800.000 € für (k)ein Sarrazin-Buch

1. Kinder in Thailand und Kinder auf dem Mittelmeer
(deutschlandfunk.de, Marco Bertolaso)
Warum bekommen die in Thailand in einer Höhle eingeschlossenen Jugendlichen mehr mediale Aufmerksamkeit als die Flüchtlinge, die im Mittelmeer in Lebensgefahr sind? DLF-Nachrichtenchef Marco Bertolaso kommentiert: “Mit Blick auf die Nachrichtenfaktoren lässt sich festhalten, dass die enorme Aufmerksamkeit für die Kinder in Thailand ein ganz normaler Vorgang ist. Was wir erleben entspricht guten menschlichen Regungen, es passt aber auch zu medialen Gesetzmäßigkeiten.”
Weiterer Lesetipp: Ute Schleiermacher beschäftigt sich auf taz.de mit demselben Thema: “Die Geschichten der Flüchtlinge, die im Mittelmeer in Not geraten, erzählen uns zugleich viel über unser eigenes Versagen und über unseren Rassismus.”

2. »Von Rad-Rowdys niedergemäht« – So macht die Krone Stimmung
(kobuk.at, Volker Plass)
Hat sich die Unfallhäufigkeit zwischen Radfahrern und Fußgängern in Wien verdoppelt wie von der “Kronenzeitung” behauptet? Wurden letztes Jahr gar elf Menschen von Radfahrern getötet? Volker Plass ist auf “Kobuk” dieser Frage nachgegangen und siehe da: “… derartige Todesopfer existieren nicht, Radfahren wird in Wien tendenziell sicherer, und Wiens FußgeherInnen müssen sich heute weniger fürchten als früher.”

3. Die anderen Nazis
(zeit.de, Angelika Nguyen)
In vier deutschen TV-Krimis des ersten Halbjahres 2018 ging es um Nazifrauen als Hauptfiguren. Dokumentarfilmerin Angelika Nguyen analysiert die Produktionen von “Tatort” und “Polizeiruf” und konstatiert: “Ähnlich wie man den tief verwurzelten Rassismus Südstaaten-Weißer durch Scarlett O’Haras Seelenleben im Roman Vom Winde verweht so richtig begreift, kann man mit diesen TV-Frauenfiguren das radikal menschenfeindliche Weltbild hiesiger Nazis viel besser verstehen als durch Dossiers der Bundeszentrale für politische Bildung. Und die Gefahr besser spüren, die in der menschlichen Normalität dieser Frauen liegt.”

4. Nordkurier erhält Anwaltspost von CDU-Frau Karin Strenz
(nordkurier.de, Gabriel Kords)
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Strenz fiel wiederholt als leidenschaftliche Unterstützerin des autoritären Regimes Aserbaidschan auf. Gleichzeitig soll sie über Umwege Gelder aus Aserbaidschan erhalten haben, was den Verdacht auf Korruption aufkommen ließ. Strenz weist mit Nachdruck alle Korruptionsvorwürfe zurück und hat ihre Anwältin ein entsprechendes Schreiben an den “Nordkurier” aufsetzen lassen, der über die Vorgänge berichtet hatte. Dort hat man sich nun für eine neue Sprachregelung entschieden: “Für die Zukunft gibt es also ein neues Wort für das Verhalten von Frau Strenz: Wenn man mit einem autoritären Regime herumkungelt, Geld von dort entgegennimmt, niemandem davon erzählt und dann nicht wissen soll, wo das Geld herkam und sich zur Krönung des Ganzen sogar noch ungerecht behandelt fühlt, wenn sich die Öffentlichkeit darüber echauffiert — dann ist das: strenzen.“

5. Der Wert seriöser Berichterstattung
(taz.de, Cornelia Haß)
Der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und die Gewerkschaft Deutscher Journalisten-Verband (DJV) haben sich auf einen neuen Tarifvertrag für Tageszeitungsjournalisten in Deutschland geeinigt. In einem Gastkommentar erklärt Bundesgeschäftsführerin Cornelia Haß, warum die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union in Verdi (dju) das Tarifergebnis für inakzeptabel hält.

6. Wie man einen Bestseller lanciert
(sueddeutsche.de, Marie Schmidt)
Die Deutsche Verlags-Anstalt (DVA) hat bereits vier Bücher von Thilo Sarrazin veröffentlicht. Das fünfte Buch “Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht” will die DVA jedoch nicht publizieren. Nun klagt Sarrazin auf Entschädigung und Schadenersatz von insgesamt 800.000 Euro wegen entgangener Einnahmen aus dem zu erwartenden Bestseller. Im Gespräch mit dem Richter habe Sarrazin Wert auf die Feststellung gelegt, dass das Geld eine “symbolische Bedeutung” habe.

Sprache der Flüchtlingspolitik, Kalte Liebe für Brexit, Lothars Siegtreffer

1. Monsterworte
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez schreibt über die Sprache der Flüchtlingspolitik: “Sie denken sich immer neue Monsterworte aus, diese Politiker, um ihre Verantwortung zu verschleiern, schreckliche, technokratische, sterile, bürokratische Maßnahmenworte, Umsetzungsworte, Tatenworte ohne Taten, denn es ist allein die Fiktion von Autorität, die in Worten wie “Masterplan” steckt oder “Ausschiffungsplattform” oder “Ankerzentren” — schlimmer noch, es sind Worte, die einen Rechtsbruch in abwaschbare Sprache verkleiden und so tun, als sei dieser tatsächliche Rechtsbruch die geeignete Maßnahme, um einen fiktiven Rechtsbruch zu bekämpfen.”
Weiterer Lesetipp: Bei “Flüchtlingsforschung gegen Mythen” diskutieren WissenschaftlerInnen Behauptungen aus der Flüchtlingsdebatte. Aktuell in der siebten Ausgabe.

2. Gegendarstellung
(martinsonneborn.de)
Gibt es im Europaparlament immer mehr Fraktionen und Fraktionslose, wie die “FAZ” einen CDU-Abgeordneten zitiert? Martin Sonneborn, fraktionsloses Mitglied im EU-Parlament (Die Partei), widerspricht dem in seiner “Gegendarstellung” und räumt mit aus seiner Sicht weiteren Lügen und Mythen auf.

3. Die kalte Liebe der Medien gegenüber dem Brexit
(nzz.ch, Felix Simon)
Europäische Medien zeichnen sich in Bezug auf den Brexit vor allem durch leidenschaftslose Distanz aus, schreibt Felix Simon. Laut einer neuen Studie würden Fernsehsender, Zeitungen und Online-Medien in acht europäischen Ländern neutral und faktenbasiert berichten — was sich von der Berichterstattung einiger grosser Zeitungen der Insel nicht unbedingt behaupten lasse.
Weiterer Lesetipp: Nach 26 Jahren im Amt tritt der englische Journalist Paul Dacre als Chefredakteur des konservativen Boulevardblatts “Daily Mail” zurück: Eine Pro-Brexit-Stimme wird leiser (nzz.ch, Rolf Hürzeler)

Und für Brexit-Interessierte die aktuelle Meldung: Brexit-Minister David Davis tritt zurück (spiegel.de)

4. Stichwortgeber für die rechte Blase
(taz.de, Lalon Sander)
“Bild” ist oft Stichwortgeber für die rechte Blase, übernimmt jedoch auch Meinungen von dort. Ein Beispiel dafür sei “Bild”-Boss Julian Reichelt höchstpersönlich, der mit seinen Tweets immer wieder Lautsprecher und Stichwortgeber für Deutschlands Rechte sei, so Lalon Sander in seiner “Right Trash”-Kolumne.

5. “Sie sollten Gott danken, dass es hier in Deutschland kein Fox News gibt”
(deutschlandfunkkultur.de, Mike Herbstreuth & Teresa Sickert, Audio, 15:59 Minuten)
Der US-Journalismusforscher Jay Rosen untersucht, wie sich das deutsche und das US-amerikanische Mediensystem voneinander unterscheiden. Zurzeit befindet er sich zu Studienzwecken in Deutschland. Bei “Deutschlandradio Kultur” spricht er über seine Eindrücke und Erkenntnisse: “Egal ob Sie religiös sind oder nicht, sollten Sie Gott danken, dass es hier in Deutschland kein Fox News gibt.”
Weiterer Lesetipp: Auf “Der rechte Rand” geht es aktuell um die Printversion des rechtskonservativen Onlineblogs “Tichys Einblick”. (der-rechte-rand.de, Robert Andreasch)

6. Siegtreffer
(twitter.com/LMatthaeus10, Lothar Matthäus)
“Bild” kritisiert den ehemaligen Fußballspieler Lothar Matthäus dafür, Putin die Hand geschüttelt zu haben, und der macht keine langen Worte, sondern antwortet mit einem Foto. In der Fußballsprache würde man wohl sagen: Siegtreffer!

Zwiebelfeinde, Aktenuneinsicht, Urheberrechtsreform-Überraschung

1. „Zwiebelfreunde“-Durchsuchungen: Wenn Zeugen wie Straftäter behandelt werden
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Die Generalstaatsanwaltschaft München hat in einer breit angelegten Polizeiaktion die Räume des Dresdner Vereins “Zwiebelfreunde” und die Wohnungen von Vorstandsmitgliedern durchsuchen lassen. Anscheinend hatte ein Spendenaufruf auf der Vereinswebsite gereicht, um die bayerische Polizei bei Tagesanbruch durch die Wohnungstür marschieren zu lassen. Netzpolitik.org sprach nach dem Einsatz mit den Betroffenen, die sich zu Unrecht kriminalisiert sehen.
Weiterer Lesehinweis: Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert das Vorgehen der bayerischen Strafverfolgungsbehörden gegen die Netzaktivisten aufs Schärfste. Es sei absolut unverhältnismäßig und auch als Angriff gegen Anonymität im Internet anzusehen, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. “Das Vorgehen schüchtert Netzaktivisten, aber auch Journalisten ein, die sich für sichere Kommunikation im Internet einsetzen. Die Behörden müssen alle beschlagnahmten Geräte und Dokumente sofort zurückgeben und die Hintergründe ihres Vorgehens erklären.”

2. GIZ verweigert Akteneinsicht
(journalist-magazin.de, René Martens)
Der Journalist Andreas Maisch wollte Einblick nehmen in interne Prüfberichte der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz beantragte er Akteneinsicht in die entsprechenden Dokumente. Hintergrund: Maisch recherchiert und schreibt über Korruption in der Entwicklungshilfe. Die GIZ und ihr Auftraggeber, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, mauern jedoch und lehnen die Einsicht ab. Maisch hat mit Hilfe des Deutschen Journalisten-Verbands 2016 Klage eingereicht, über die dieses Jahr entschieden werden soll.

3. EU-Parlament bremst Urheberrechtsreform aus
(spiegel.de, Markus Böhm)
Das Europaparlament hat die EU-Urheberrechtsreform wegen Bedenken etlicher Abgeordneter vorerst zum Stillstand gebracht. Netzaktivisten und Tech-Verbände freuen sich, Presseverlage und Vertreter der Musik- und die Filmbranche reagierten verärgert. Markus Böhm fasst die derzeitige Stimmungslage zusammen und gibt einen Ausblick auf die weitere Entwicklung.
Weiterer Lesehinweis: Jannis Brühl kommentiert auf Süddeutsche.de: “Die Debatte um die Upload-Filter ist ein Test: Die Demokratie der Zukunft wird sich von autoritären Systemen nicht nur durch Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit unterscheiden, sondern auch dadurch, welche Software sie auf ihre Bürger loslässt. An diesem Donnerstag hat das EU-Parlament den Test bestanden — vorerst.”

4. Vorm G20-Massencornern LKA greift zu – Radiosender FSK vom Netz genommen
(mopo.de)
Der linke Hamburger Radiosender “Freies Sender Kombinat” (FSK) ist nach einem LKA-Zugriff online nicht mehr zu erreichen. Die FSK-Verantwortlichen sprechen von einem Eingriff in die Presse- und Rundfunkfreiheit und fordern die sofortige Rückgabe des Servers. Der Vorgang ist insofern bemerkenswert, als dass es bereits in der Vergangenheit bei Radio FSK zu verbotenen Polizeiaktionen gekommen war. So habe die Hamburger Polizei eingestehen müssen, dass ein Undercover-Einsatz einer Beamtin von 2003 bis 2006 rechtswidrig war.

5. Nach “SZ”-Rauswurf: “Abendzeitung” verpflichtet Karikaturisten Dieter Hanitzsch
(kress.de, Bülend Ürük)
Nach seinem Rauswurf bei der “SZ” zeichnet der 85-jährige Karikaturist Dieter Hanitzsch ab sofort für die “Abendzeitung München”. Hanitzsch werde sich bei seiner Arbeit vor allem auf die Münchner und die bayerische Politik konzentrieren.

6. “Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller”
(zeit.de, Wiebke Porombka)
Im österreichischen Klagenfurt haben die 42. Tage der deutschsprachigen Literatur begonnen. In seiner Auftaktrede hat sich der Schriftsteller Feridun Zaimoglu gegen den Rechtsruck in Europa ausgesprochen: “Der Rechte ist kein Systemkritiker, kein Abweichler und kein Dissident, er ist vor allem kein besorgter Bürger. Wer die Eigenen gegen die Anderen ausspielt und hetzt, ist rechts. Punkt. Wer für das Recht der Armen streitet, ist ein Menschenfreund. Punkt. Es gibt keinen redlichen rechten Intellektuellen. Es gibt keinen redlichen rechten Schriftsteller.” Den ganzen Text zur Rede gibt es hier.

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Julian Reichelt findet Aufklärung durch Journalisten “bedenklich”

Wenn ein Journalist des öffentlich-rechtlichen Rundfunks versucht, eine aus dem Zusammenhang gerissene Aussage einer Politikerin wieder etwas mehr Richtung Kontext zu rücken, während reichlich rechte Hetzer und ein Politiker im Bundestag mit der entstellten Aussage Stimmung machen, dann ist das laut “Bild”-Chef Julian Reichelt: “bedenklich”. Wobei sich dieses Urteil nicht auf die rechten Hetzer und das Dekontextualisieren bezieht, sondern auf das Vorgehen des öffentlich-rechtlichen Journalisten.

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Es ist bedenklich, wenn die öffentlich-rechtlichen Nachrichten ein echtes Politikerzitat zu Fake News erklären und allen, die es zitieren, falsche Gesinnung unterstellen. Der Auftrag von ZDFheute ist nicht, Claudia Roth vor sich selbst zu schützen.

Es geht um eine ironische Bemerkung der Grünen-Politikerin Claudia Roth. Am vergangenen Donnerstag, als CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Bundestag sagte …

Sie haben bis heute nicht erklärt, was Sie eigentlich meinen mit Ihrem Programm: keine Ausweitung der sicheren Herkunftsstaaten, weniger Abschiebungen, eine Untergrenze für Flüchtlinge. Was meinen Sie mit einer Untergrenze für Flüchtlinge? 5 Millionen oder 10 Millionen? Wie viele von den 70 Millionen wollen Sie denn hier aufnehmen?

… rief Roth dazwischen:

Nein! Alle, Herr Dobrindt!

Im Videomitschnitt der Sitzung hört man den Zwischenruf nicht ohne Weiteres. Im Protokoll des Bundestages (PDF, Seite 4126) findet man ihn aber. Es gibt dort keinen Vermerk, dass die Aussage ironisch gemeint ist. Man kann aber durchaus darauf kommen, dass Claudia Roth nicht ernsthaft meint, dass Deutschland mit seinen rund 82,5 Millionen Einwohnern 70 Millionen Geflüchtete aufnehmen solle.

Dennoch wollten viele die Ironie nicht erkennen. Rechte und noch Rechtere griffen das Roth-Zitat auf und machten einen Wie-blöd-ist-die-eigentlich-Skandal daraus. Zum Beispiel das Portal “Jouwatch”:

Screenshot Jouwatch - 70 Millionen mehr Menschen für Deutschland - Hat Claudia Roth jetzt endgültig den Verstand verloren?

Der rechte TwitterHetzaccount “Dora zwitschert” war selbstverständlich auch mit dabei. Und noch viele weitere, darunter Leute wie Tobias Huch und Ralf Schuler, der bei “Bild” das Parlamentsbüro leitet. Bei ihn allen wirkt es so, als meinte Claudia Roth die Sache ernst, nirgends ein Hinweis auf die Ironie der Aussage.

In der Bundestagssitzung von gestern griff Alexander Dobrindt die Aussage Roths auch noch einmal auf (PDF, Seite 4694):

Das waren Ihre Worte, sehr geehrter Herr Kollege Hofreiter. Ich habe Sie in der letzten Rede hier im Deutschen Bundestag darauf hingewiesen, dass Sie bisher keine Antwort darauf gegeben haben, wie viele von den 70 Millionen Flüchtlingen, die es zurzeit auf der Welt gibt, Sie eigentlich mit Blick auf Ihre Diskussion über eine jährliche Untergrenze für Deutschland aufnehmen wollen. […]

Ihre Kollegin hat darauf eine Antwort gegeben, wie im Protokoll auch nachzulesen ist. Claudia Roth hat darauf gesagt: Alle. – Alle!

Claudia Roths Parteikollege Sven-Christian Kindler rief noch:

Das war Ironie, Herr Dobrindt! Das ist ja wohl hanebüchen!

… aber das änderte dann auch nichts mehr an den irreführenden Artikeln, den irreführenden Tweets und den vielen zusätzlichen hasserfüllten E-Mails, die Claudia Roth erreichten.

Florian Neuhann, Korrespondent im ZDF-Hauptstadtstudio hat das alles bereits en detail aufgeschrieben. Roth bestätigte ihm auch, dass sie ihre Aussage ironisch meinte.

Und nun kommt Julian Reichelt mit seinem Tweet zu Neuhanns Artikel und findet dessen Vorgehen “bedenklich”. Erstmal: Reichelts Aussage “Es ist bedenklich, wenn die öffentlich-rechtlichen Nachrichten ein echtes Politikerzitat zu Fake News erklären” ist inhaltlich schon mal falsch. Florian Neuhann hat nie angezweifelt, dass das Zitat echt ist, und nie behauptet, dass es sich bei dem Zitat um “Fake News” handelt. Neuhann kritisiert den üblen Umgang mit dem Roth-Zitat. Ist Julian Reichelt nicht in der Lage, das richtig zu verstehen? Oder will er es vielleicht nicht richtig verstehen, weil er sehr genau weiß, wie scharf seine Follower auf seine Hau-drauf-Tweets gegen das Öffentlich-Rechtliche sind?

Und natürlich schützt Neuhann Claudia Roth auch nicht “vor sich selbst”, sondern klärt einfach auf, wie und von wem Roths Zitat missbraucht wurde. Dass Julian Reichelt diese Aufklärung für “bedenklich” hält, ist bedenklich.

Weiterwitzeln bei der Gebührenverschwendung

Perfektes Pointen-Ping-Pong im Highspeed-Modus. Weiterwitzeln!

So endete die auffallend positive “Bild”-TV-Kritik von Josef Nyary zur Sendung “WM Kwartira”, die derzeit im “Ersten” am späten Abend nach WM-Übertragungen läuft. Gastgeber Micky Beisenherz und Jörg Thadeusz seien “das schärfste Spottdrossel-Duo seit ‘Waldi’ Hartmann und ‘Dirty Harry’ Schmidt.” Sie stellten freche Fragen und hätten passende Gäste. Nyary war sehr angetan:

Ausriss Bild-Zeitung - TV-Kritik von Josef Nyary - Perfektes Pointen-Ping-Pong

Dieses Lob erschien am 20. Juni in der gedruckten “Bild” und bereits am Abend vorher bei Bild.de.

Am vergangenen Dienstag war Komiker Oliver Polak als einer von zwei Gästen im “WM Kwartira”. Seine Äußerungen über Lothar Matthäus, den er als “pädophilen Volltrottel” bezeichnete, sorgten verständlicherweise für viel Ärger.

In der heutigen “Bild”-Ausgabe schreibt auch Josef Nyary über Polaks Auftritt:

Ausriss Bild-Zeitung - Peinlich, ARD! Matthäus bepöbelt

Der Komiker Oliver Polak hat in der ARD-Spätshow “WM Kwartira” Lothar Matthäus als “Pädophilen” beschimpft. Einfach so.

Wörtlich sagte Polak über den Weltmeister von 1990: „In den letzten zwanzig Jahren war nichts mehr, wo man sagen kann: Respekt! Das ist einfach ein Volltrottel! Ein pädophiler Volltrottel!“

Er schreibt über Thadeusz und Beisenherz, die er einst für ein scharfes “Spottdrossel-Duo” hielt:

Und was machten die Moderatoren? Nichts!

Und er schreibt allgemein über “WM Kwartira”, das er vor zwei Wochen noch als “perfektes Pointen-Ping-Pong” bezeichnete:

Laut Programm soll Kwartira “unterhaltsam, informativ und meinungsstark” eine “humorvolle Fußball-Unterhaltung” liefern. Oder wie ich es nenne: Gebührenverschwendung.

Eine solche Kehrtwende bekommt bei “Bild” eigentlich nur Briefonkel Franz Josef Wagner hin. Und selbst der braucht dafür deutlich länger als zwei Wochen.

Journalismus als Luxus, Claudia Roths Hassmacher, Kriegsfotografie

1. “Alle, Herr Dobrindt!” – Geschichte einer Fake News
(zdf.de, Florian Neuhann)
Aus einem ironischen Zwischenruf von Claudia Roth in einer Bundestagsdebatte haben rechte Blogs, der Leiter des Parlamentsbüros der “Bild”-Zeitung und der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt handfeste Fake News gemacht. Und damit bewirkt, dass auf Claudia Roth noch mehr Hass herunterprasselt als ohnehin schon.

2. Digitaler Journalismus: Die fünf wichtigsten Grundregeln der Verifikation
(innovation.dpa.com, Stefan Voß)
Die Nachrichtenagentur dpa greift bei der Katastrophenberichterstattung auf eigene Korrespondenten und Angaben offizieller Stellen, aber auch auf Informationen aus den Sozialen Netzwerken wie Twitter, Facebook oder Instagram zurück. Doch die Netze sind auch eine Quelle für Desinformationen, Manipulationen und Irrtümer. Stefan Voss zeigt anhand von praktischen Beispielen, wie bei der dpa geprüft wird, ob ein Bild bzw. eine Information falsch oder echt ist.

3. Journalismus: bald nur noch ein Luxus der Wohlhabenden
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Ist Journalismus bald nur noch ein Luxus der Wohlhabenden? Diese Frage stellt Medienbeobachter Thomas Knüwer und führt einige Argumente an, die für diese These sprechen könnten. Hoffnung machen ihm derzeit die von der Wirtschaft finanzierten Medien: “T-Online, also ein Content Marketing-Projekt, könnte zu einer Art Leuchtturm der Medien werden. Das ist unendlich lustig — und unendlich traurig. Genauso wie das Gefühl, dass ausgerechnet Verlage derzeit eine der größten Gefahren für die liberale Demokratie darstellen.“

4. Ein Gerücht, 23 Tote
(spiegel.de, Laura Höflinger)
200 Millionen WhatsApp-Nutzer soll es in Indien geben. Für viele Inder sei die App die Hauptquelle für Unterhaltung, Kommunikation und Information, wie Laura Höflinger berichtet. Und das mache die Nutzer des Instant Messengers anfällig für Falschinformationen und Gerüchte, die regelmäßig zu Gewalt und Toten führen würden.

5. Kriegsfotografinnen
(arte.tv)
Bei “Arte” gibt es gleich drei sehenswerte Produktionen zum Thema Krieg und Kriegsfotografie. Der obige Link führt zu einer Doku über Frauen, deren Kriegsfotos in den letzten hundert Jahren um die Welt gingen und immer noch gehen. Die Kriegsfotografin Christine Spengler stellt darin die Fotos berühmter Kolleginnen vor und berichtet über ihre Zeit als Brennpunktfotografin.
Im Spielfilm “Louder than Bombs” geht es um den Tod einer Kriegsfotografin (Isabelle Huppert) und die Auswirkungen, welche der Tod der Mutter auf den hinterbliebenen Vater und dessen zwei Söhne hat.
Und in “War Diary” dokumentiert der deutsche Reporter Carsten Stormer den Krieg in Syrien. “Ich bin ein Augenzeuge. Ein Chronist eines Krieges. Alles, was Sie sehen werden, habe ich selbst erlebt.” Ein erschütterndes, bewegendes und äußerst sehenswertes Filmdokument.

6. #Journalismus zum Fremdschämen gestern bei @ndr @das_rotesofa
(twitter.com/sduwe, Silvio Duwe)
Silvio Duwe hatte ein Erlebnis der besonderen Art, als er die NDR-Fernsehsendung “DAS” sah: “Die selbsternannte Kräuterexpertin Caroline Deiß durfte von heilsamen Fabelwesen und Kontakten in eine andere Welt fabulieren. “DAS” verkauft diesen geballten Blödsinn als Gesundheitstipps. Ein Thread.”

BILDblog wird werbefrei

… und das dank Euch!

In unserem Aufruf bei Steady hatten wir versprochen, dass das BILDblog werbefrei wird, wenn wir die Grenze von monatlich 4200 Euro überschreiten. Das hat vor wenigen Tagen geklappt. Juhu! Vielen lieben Dank an alle Unterstützerinnen und Unterstützer!

Ein bisschen wird es noch dauern, bis der letzte Werbebanner verschwunden ist. Es existieren Verträge mit Kündigungsfristen, die wir noch erfüllen und einhalten müssen. Aber die Kündigungen sind schon mal raus.

Für alle, die noch nicht dabei sind: Uns kann man auch weiterhin bei Steady unterstützen und so dafür sorgen, dass das BILDblog dann auch werbefrei bleibt:

Unterstütze uns auf Steady

Und für alle, die unsere Arbeit unterstützen wollen, aber sich nicht bei Steady anmelden möchten: Das geht auch per direkter Überweisung an uns oder per Paypal. Einfach mal hier nachschauen.

Folgenschwer, Berichterstattung in Echtzeit, Asyl-Euphemismen

1. Folgenschwere Abstimmung: EU-Parlament entscheidet über Zukunft des Urheberrechts
(netzpolitik.org, Tomas Rudl & Alexander Fanta)
Netzpolitik.org widmet sich der am Donnerstag anstehenden Abstimmung im EU-Parlament, die weitreichende Folgen für alle Internetnutzer hat: “Stimmen die Abgeordneten für die Uploadfilter und das Leistungsschutzrecht, dann ist dieser Zug abgefahren, die Filterpflicht und die befürchtete Link-Steuer werden in der einen oder anderen Form Gesetz.”

2. Schnell, schneller, zu schnell
(deutschlandfunk.de, Stephan Detjen & Isabelle Klein)
Wenn sich die politischen Ereignisse überschlagen, darf sich die Berichterstattung nicht auch überschlagen. Doch das ist einfacher gesagt als getan, wie man beim Seehofer-Rücktritt inklusive anschließendem Rücktritt vom Rücktritt verfolgen konnte. Der Hauptstadtstudio-Chef des “Deutschlandradios” Stephan Detjen über Schwierigkeiten und Herausforderungen bei unübersichtlichen Lagen.
Weiterer Lesetipp: Cornelius Pollmer widmet sich auf Süddeutsche.de ebenfalls der Echtzeitberichterstattung: Wenn die Koalitionskrise zur Telenovela wird

3. Die Presse möge bitte jetzt gehen
(taz.de, Peter Weissenburger)
Die AfD hat auf ihrem Bundesparteitag entschieden, dass sie auch in Zukunft Presse von Parteitagen ausschließen will, wenn die Mehrheit der Delegierten das wünscht. “taz”-Redakteur Peter Weissenburger geht der Frage nach, ob die Partei derartige Ausschlüsse beschließen und durchsetzen darf.

4. Wer “Transitzentren” sagt, sagt auch “Asyltourismus”
(sueddeutsche.de, Jakob Biazza)
Der Begriff “Transitzentren” ist ein Euphemismus, der seine wahre Bedeutung verschleiert und Flüchtlinge in die Nähe von Pauschalurlaubern rückt, findet Jakob Biazza auf Süddeutsche.de. Inhaltlich passender und weniger euphemistisch sei ein Begriff wie “Abweisungszentren”.

5. Cambridge Analytica: US-Behörden nehmen Facebook in die Zange
(wired.de)
Was wusste Facebook von den Daten-Operationen der Firma Cambridge Analytica und warum wurde die Öffentlichkeit erst so spät informiert? Dieser Frage wollen nun mehrere amerikanische Behörden nachgehen, wie die “Washington Post” von fünf unabhängigen Quellen erfahren haben will.

6. Das sind die besten investigativen Podcasts
(nzz.ch, Raffaela Angstmann)
Raffaela Angstmann hat für die “NZZ” einige hörenswerte Podcasts zusammengestellt, die auf wahren Begebenheiten beruhen. Die meisten davon in englischer Sprache, aber mit “Wer hat Burak erschossen?” und “Bilals Weg in den Terror” sind auch zwei deutsche Produktionen dabei.

Medien über Mesut Özil: der Rassismus der Anderen

Kurz nach dem Ausscheiden bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland berichteten viele Medien vor allem über einen deutschen Nationalspieler: Mesut Özil. Es war schließlich auch etwas passiert nach dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea: Eine Person auf der Tribüne beleidigte Özil, vermutlich ausländerfeindlich. Der DFB schrieb uns auf Nachfrage, dass dem Verband Informationen vorliegen, die diesen Vorgang bestätigen. Özil ließ sich das nicht bieten. Torwarttrainer Andreas Köpke und ein Bodyguard mussten einschreiten.

Doch statt zu schreiben “Eklige Attacke gegen Mesut Özil” oder “Rassistischer Angriff auf Nationalspieler”, titelten die Redaktionen:

Screenshot BZ - Pleite gegen Südkorea - Özil legt sich nach WM-Aus mit deutschen Fans an
(bz-berlin.de)
Screenshot T-Online - Nach WM-Debakel - Özil legt sich mit deutschen Fans an
(t-online.de)
Screenshot Sky Sport - Der Weltmeister ist raus - Nach Peinlich-Aus: Özil legt sich mit den Fans an
(“Sky Sport”)
Screenshot Rheinische Post - Nach dem Spiel gegen Südkorea - Özil und Köpke legen sich mit deutschen Fans an
(“RP Online”)
Screenshot Focus Online - Nach WM-Debakel - Mesut Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Focus Online”)
Screenshot Express.de - Auch das noch - Mesut Özil gerät in Auseinandersetzung mit deutschen Fans
(Express.de)
Screenshot Huffington Post - Bodyguard musste ihn beruhigen - Özil zofft sich mit deutschen Fans
(“Huffington Post”)
Screenshot Mitteldeutsche Zeitung - Nach WM-Aus gegen Südkorea - Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Mitteldeutsche Zeitung”)
Screenshot Reviersport.de - Özil zofft sich nach der DFB-Pleite mit Deutschland-Fan
(“Reviersport”)

So, als ginge die Aggression von Özil aus; als hätte nicht zuerst irgendein Holzkopf ausländerfeindlichen Dreck von sich gegeben; als müsste ein Nationalspieler nach dem Ausscheiden bei einer WM alles hinnehmen, auch rassistische Anfeindungen; als dürfte er sich gegen die Beleidigung nicht wehren, ohne mit dieser Reaktion für Ärger zu sorgen.

Genau das behaupten “Bild” und Bild.de, wenn sie zwei Tage nach der Niederlage schlagzeilen:

Ausriss Bild-Zeitung - Özil - Zweimal Ärger und sonst nix

Ärger Nummer 1 laut “Bild”-Medien: das unsägliche Treffen von Mesut Özil und dessen Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ärger Nummer 2: die Szene nach dem Südkorea-Spiel:

Emotionen zeigte Özil bei der WM nur einmal: Als er nach dem Aus vorm Spielertunnel von einem “Fan” beleidigt wurde, musste er von Torwart-Trainer Andy Köpke zurückgehalten werden.

Köpke zu BILD: “Der Fan hat ihn beschimpft. Ich habe Mesut zurückgezogen und zu dem Fan gesagt, er soll den Schnabel halten.” Nach BILD-Info sollen ausländerfeindliche Beleidigungen gefallen sein.

Die bewusste Teilnahme an einem Treffen mit einem Autokraten auf der einen Seite, eine Beleidigung durch eine fremde Person auf der anderen — für die Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de alles dieselbe kritikwürdige Soße, die sie Özil vorhalten:

Es begann mit Zoff und endete mit Zoff. Und dazwischen war sportlich leider nix los.

“sportlich leider nix los” ist dann auch eine ausgesprochen negative Auslegung dessen, was Mesut Özil beispielsweise gegen Südkorea auf dem Spielfeld gezeigt hat. Er hat sicher kein überragendes Spiel gemacht, aber laut Statistiken deutlich mehr als “nix”: mit 110 Ballberührungen die zweitmeisten im deutschen Team, mit 95 Pässen ebenfalls die zweitmeisten, darunter sieben sogenannte “Key Passes”, also solche, die direkt zu guten Chancen führen. Mesut Özil war, glaubt man den Zahlen, gegen Südkorea einer der Besten einer insgesamt schwachen Mannschaft.

Und dennoch suchten zahlreiche Redaktionen Fotos von Özil aus, um das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft zu bebildern: Die “Welt” zeigte, “wie schwach Deutschland wirklich war”, und wählte für den Artikel ein Foto von Özil. Bei der “FAZ” brachten sie die Schlagzeile “Der deutsche Untergang” und wählten ein Foto von Özil (was die Redaktion später änderte). “Bild” schrieb bei Instagram “Peinlicher Auftritt” und wählte dazu ein Foto von Özil. “Pro Sieben” forderte ausschließlich Mesut Özil per Twitter zum Rücktritt auf (wofür sich der Sender später entschuldigte). “11 Freunde”-Chefredakteur Philipp Köster hat das alles drüben bei “Übermedien” detailliert aufgeschrieben.

Mit der sportlichen Leistung allein lässt sich die Wucht der Kritik an Mesut Özil nicht erklären. Vielleicht spielt eine angestaute Wut darüber, dass er die deutsche Nationalhymne nicht mitsingt, eine Rolle. Vielleicht das generelle Misstrauen gegenüber, der Hass auf Türken. Auf jeden Fall immer noch das Foto mit Erdogan. Karim Benzema, französischer Fußballer mit algerischen Wurzeln und früher Stürmer in Frankreichs Nationalmannschaft, sagte mal: “Wenn ich ein Tor schieße, bin ich Franzose, aber wenn ich keins schieße oder wenn es Probleme gibt, dann bin ich Araber.”

Am Sonntag erschien in “Bild am Sonntag” und bei Bild.de (dort inzwischen gelöscht) ein Kommentar von Hatice Akyün:

Ausriss Bild am Sonntag - Der Rassismus gegen Özil hat mich umgehauen

Sie kritisiert völlig zurecht die ausländerfeindlichen Parolen von AfD-Politikern gegen Mesut Özil. Zur Rolle der Medien verliert sie hingegen kein Wort, leider auch nicht zur Kampagne von “Bild” und Bild.de, die für den “Rassismus gegen Özil” mindestens ein nützliches Klima geschaffen hat.

Frauenstimmen, US-Zoll-Harakiri, “Emma” und der Beifall von rechts

1. “Ich würde mich an ihrer Stelle nicht verbiegen”
(spiegel.de, Julia Köppe)
Dass Sportreporterin Claudia Neumann Spiele der Fußball-WM kommentiert, empfinden manche Männer geradezu als einen Frevel. Weil sie Frauen wie Neumann grundsätzlich die Kompetenz absprechen, andererseits weil sie angeblich ihre Stimme nicht mögen. Im Interview mit “Spiegel Online” erklärt ein Sprachforscher und Spezialist für den Stimmapparat, welche Rolle Sexismus dabei spielt. Und rät der Moderatorin bei ihrer Stimme zu bleiben und nicht absichtlich tiefer zu sprechen: “Auf keinen Fall, denn das wäre nicht authentisch und davon leben doch die Live-Kommentare. Die Zuschauer würden den Unterschied sehr schnell spüren. Frau Neumann würde dadurch weniger glaubwürdig, und das ist ja genau das, was ihr einige Kritiker vorwerfen. Ich würde mich an ihrer Stelle nicht für einige Hörererwartungen verbiegen.”

2. Titel-Framing, Facebook und die Medien
(deutschlandfunk.de, Stefan Koldehoff, Audio, 23:23 Minuten)
Beim “Deutschlandfunk” gibt es die komplette Mediensendung “mediasres” zum Nachhören. Unter anderem mit Beiträgen über die AfD und die Medien, das Titel-Framing der letzten “Spiegel”-Ausgabe, das Verhältnis von Facebook und den Medien und die mittlerweile ins dreißigste Jahr gehenden ZDF-Sommerinterviews.


3. Das ist eine spannende Frage, aber ich werde mich dazu nicht äußern.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Jakob Buhre hat auf “Planet Interview” eine Pressekonferenz der ARD zusammengefasst und in Teilen dokumentiert. Gegenstand der Pressekonferenz waren u.a. der Telemedienauftrag, gemeinsame Plattformen mit privaten Anbietern, Sponsoring, Rundfunklizenzen, Angela Merkels erneutes Solo bei Anne Willm und warum die ARD von der FIFA die WM-Übertragunsrechte kauft.

4. “Die Zölle werden Entlassungen quer durch die amerikanische Zeitungslandschaft zur Folge haben”
(sueddeutsche.de, Beate Wild)
Weil sich eine amerikanische Papiermühle über die Subventionierung von Papierherstellern im benachbarten Kanada beschwerte, hat die US-Regierung kanadisches Papier mit Zöllen von bis zu 32 Prozent belegt. Wie so oft, ohne die Folgen zu bedenken, denn durch den Kostenanstieg droht einigen amerikanischen Tageszeitungen das Aus.

5. „Emma“ und der Beifall von rechts
(uebermedien.de, Laura Lucas)
Der Kommunikationswissenschaftler Luca Hammer hat sich für den Verein “Fearless Democracy” mit der Frage beschäftigt, ob die Zeitschrift “Emma” auch ein rechtes Publikum bedient, ob gewollt oder ungewollt. Dazu hat er sich die Follower von @EMMA_Magazin auf Twitter angesehen und ausgewertet. Zum Vergleich hat er feministische Magazine wie das “Missy Magazine” oder das österreichische “an.schläge” herangezogen. Der Datenanalyst konnte nachweisen, dass es ein rechtes Interesse an “Emma” gibt, das zudem wachse. Laura Lucas macht als einen Grund dafür die Berichterstattung der “Emma” verantwortlich und schreibt: “Eben weil gerade Rechtspopulisten die einfachen Antworten so lieben, sollten Medien differenziert berichten — auch feministische. Das schützt zwar nicht vor einer Vereinnahmung von rechts. Was in die Agenda passt, das wird instrumentalisiert. Umso mehr aber sollte es die Aufgabe eines feministischen Magazins sein, die Strategien der Rechtspopulisten zu entlarven.”

6. Robin Alexander ist gerade der wohl krasseste Politikreporter Deutschlands und hier steht warum
(buzzfeed.com, Karsten Schmehl)
Karsten Schmehl hat eine Theorie entwickelt, wie der allgegenwärtige Politikreporter Robin Alexander Deutschlands wichtigsten Politikern so nah kommen kann. Und er kann sie auch noch teen-gerecht im “Buzzfeed”/”Bento”-Style erklären: “Ich mache oft Spaß hier auf BuzzFeed, aber dieser Post ist kein Spaß. Ernsthaft: Der WELT-Reporter Robin Alexander ist aktuell der wohl krasseste Politikreporter, den Deutschland hat — und hoffentlich kann ich dir hier klar machen, warum.”

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