Archiv für Juli 30th, 2018

Die Verbindungen von “Compact” zu Rechtspopulisten und Rechtsradikalen

Eine der obskursten Behauptungen, die die “Compact”-Redaktion immer wieder verteidigt: Ihr Magazin stehe politisch nicht weit rechts. Sie verlinkt in ihrer Selbstbeschreibung auf eine eigens dafür vorgesehene FAQ, in der die Redaktion versucht zu erklären, sie sei weder rechtspopulistisch noch rechtsradikal. Zuletzt empörte sie sich im Mai darüber, in die Sonderausstellung “Nie wieder. Schon wieder. Immer noch. Rechtsextremismus in Deutschland seit 1945” des NS-Dokumentationszentrums München als Exponat aufgenommen worden zu sein. Geht es nach “Compact”, ist diese Verortung in der rechten Ecke eine bösartige Verleumdung.

Die Münchner Kuratoren nannten das Cover der Oktober-Ausgabe von 2016 “rassistisch”. Hier im BILDblog hatten wir ausführlich über das Heft berichtet. Unter anderem riss die “Compact”-Redaktion darin Bilder aus einer Aufklärungsbroschüre aus dem Zusammenhang und behauptete fälschlicherweise, es handele sich um eine an Geflüchtete gerichtete Anleitung für Vergewaltigungen. Derartige Hetze ist wahrlich keine Ausnahme bei “Compact”.

Neben der inhaltlichen Analyse lässt sich die weit rechte Ausrichtung des Blatts noch auf anderem Wege nachweisen: über personelle Verbindungen. Das Magazin “gilt als AfD- und Pegida-nah”, hieß es unter dem Cover in der Ausstellung in München. “Compact” entgegnete:

Der Kommentar der Kuartoren (sic) lautet lediglich: “Rassistisches Cover des rechtspopulistisches (sic) und verschwörungstheoretischen Magazins ‘COMPACT’, 2016”. Darunter noch der Hinweis, dass es AfD- und “Pegida”-nah gelte. Die üblichen Zuschreibungen also. Nichts weiter. Was für eine erbärmliche Recherche für eine geschichtswissenschaftliche Ausstellung.

Tatsächlich ist die Formulierung “gilt als”, die die Kuratoren gewählt haben, nicht ganz angebracht. Sie ist unnötig vage und defensiv. Mit etwas mehr Platz als nur drei Zeilen Museumstext lässt sie sich aber konkretisieren: “Compact” ist definitiv AfD- und “Pegida”-nah. Das Magazin pflegt enge Verbindungen zu Rechtspopulisten und Rechtsradikalen.

AfD-Mitarbeiterinnen mit Nebenjob

Zu sehen ist das zum Beispiel in der Sendung “Die Woche Compact”, die bei Youtube läuft. Das etwa 20-minütige Format ist eine Werbesendung für “Compact”, die mit einer Studio-Optik und Video-Einspielern zu Themen aus dem Heft wie eine Nachrichtensendung gestaltet ist. Eine von drei Moderatorinnen ist Lisa Lehmann:

Screenshot eines Compact-Videos - Moderatorin laut Bauchbinde: Lisa Lehmann

Dass Lehmann auch stellvertretende Vorsitzende der Jungen Alternative Sachsen-Anhalt ist, könnte Zuschauer interessieren. Sie ist außerdem die Lebensgefährtin von André Poggenburg, Mitbegründer der völkischen AfD-Gruppierung “Der Flügel”, und Tochter von Mario Lehmann, AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen-Anhalt. Dass Poggenburg seine Partnerin als Auszubildende in die Landtagsfraktion holte, hielten selbst Parteikollegen für Vetternwirtschaft.

Lisa Lehmann ist nicht die einzige AfD-Frau mit direkter Verbindung zu “Compact”, deren Parteizugehörigkeit das Magazin nicht transparent macht. Einzelne Folgen von “Die Woche Compact” moderierte Linn Kuppitz, die sich auf Twitter selbstironisch “Frontfrau” der AfD-Landesliste Nordrhein-Westfalen für die Bundestagswahl 2017 nennt. Sie trat, hinter 22 Männern, auf dem vorletzten Listenplatz an und arbeitet als Büroleiterin des AfD-Bundestagsabgeordneten Johannes Huber.

Screenshot eines Compact-Videos - Moderatorin laut Bauchbinde: Linn Kuppitz

Und dann ist da noch die Frau, die in den meisten “Compact”-Videos als Moderatorin auftritt, Katrin Nolte. Auch sie ist mit einem AfD-Politiker liiert, Jan Nolte, Vorsitzender der Jungen Alternative Hessen. Seit der Wahl 2017 sitzt er als Abgeordneter im Bundestag. Und auch seine Frau hat einen Platz in Berlin gefunden, als Mitarbeiterin von Noltes Fraktionskollegen Martin Hohmann.

Screenshot eines Compact-Videos - Moderatorin laut Bauchbinde: Katrin Nolte

Somit arbeiten alle drei “Compact”-Moderatorinnen für die AfD. Sie sind selbst AfD-Politikerinnen, mit AfD-Politikern familiär verbandelt oder beides gleichzeitig. Mehr Nähe zur Partei geht kaum. “Compact” aber nennt die Videos “unabhängige Nachrichten”. 57.000 Youtube-User haben den Kanal, in dem die Sendung läuft, abonniert.

Die AfD hat sich mit “Compact” bestens arrangiert — und umgekehrt.

“Compact” betreibt gewissermaßen Content-Marketing für AfD-Inhalte und nutzt selbst wiederum Parteiveranstaltungen als Werbefläche für sich. Etwa die von der AfD getragene “Merkel muss weg”-Demonstration Ende Mai in Berlin. Stolz kündigte “Compact”-Chefredakteur Jürgen Elsässer vorher an, dass die von seinem Blatt im April zur “Schönen des Monats” gekürte Marie-Thérèse Kaiser eine Rede halten werde. Auch sie ist AfD-Mitglied. Die Demo selbst begleitete Elsässer schließlich mit seinen Moderatorinnen und weiteren Sympathisantinnen in “Compact”-T-Shirts, unter ihnen die AfD-Politikerinnen Jessica Bießmann und Jeannette Auricht. Er nannte sie die “Compact-Frauenbrigade”.

Screenshot Compact-Online - Einsatz für die COMPACT-Frauenbrigade mit „Sieg für Deutschland“-Shirt: Jessica Bießmann und Jeannette Auricht, AfD-Abgeordnete in Berlin

Bei einem von der AfD Falkensee organisierten Public Viewing des WM-Spiels Deutschland gegen Mexiko präsentierte “VIP-Gast” Elsässer sein Magazin. Im Februar sprach er beim politischen Aschermittwoch der AfD ein Grußwort, bevor André Poggenburg dort Türken als “Kümmelhändler” und “Kameltreiber” beleidigte.

Am Abend der Bundestagswahl hatte “Compact” eine Liveübertragung von der Party der AfD organisiert. Wohlgemerkt: Elsässer berichtete ausschließlich von der AfD-Wahlparty. Die Partei war dann auch das zentrale Thema der über drei Stunden langen Sendung. Elsässer sprach mit verschiedenen AfD-Politikerinnen und -Politikern sowie Vertretern des Vereins “Ein Prozent”, den Elsässer persönlich unterstützt und der die AfD auch mit Gruppen rechts von ihr vernetzt. Bei der Übertragungen ebenfalls dabei war Michael Stürzenberger, den “Compact” als Journalisten und “Pegida”-Redner bezeichnete:

Screenshot Compact-Video - Bauchbinde: Michael Stürzenberger, Journalist

Stürzenberger ist Autor des islamfeindlichen Blogs “Politically Incorrect”. Für seine Hetze bei “Pegida”-Veranstaltungen wurde er in Deutschland und in Österreich verurteilt. Auch bei den mitunter rechtsextremen “Hooligans gegen Salafisten” war er zugange. Im bayerischen Verfassungsschutzbericht wird Stürzenberger namentlich erwähnt (PDF, ab Seite 189).

“Compact”-Veranstaltungen als Plattform für Rechtspopulisten

Bei einem solchen Umfeld ist es kein Wunder, dass der völkisch-nationalistische Flügel der AfD die jährlichen “Compact”-Konferenzen gerne als Forum nutzt. Ohne befürchten zu müssen, kritisiert zu werden, konnten dort in den vergangenen Jahren Alexander Gauland (2014), André Poggenburg (2015, 2016) und Björn Höcke (2017) Reden halten. Hinterher werden diese unkommentiert in “Compact” abgedruckt. So lassen sich ohne aufwändige journalistische Arbeit billig Heftseiten füllen.

Aktive Führungsfiguren anderer deutscher Parteien, die in Landtagen oder im Bundestag sitzen, treten bei “Compact”-Konferenzen nicht auf, allenfalls dürfen sich ehemalige Mitglieder als Dissidenten gerieren. Stattdessen lädt “Compact” Vertreter europäischer rechtspopulistischer Parteien ein: Oskar Freysinger von der Schweizer SVP (2014, 2016) beispielsweise oder Susanne Winter, deren Auftritt bei der “Compact”-Konferenz 2015 wohl ihr letzter als Mitglied der FPÖ war. Am Wochenende darauf hieß sie öffentlich einen antisemitischen Facebook-Kommentar, der von Europa bedrohenden “Geldjuden” sprach, mit den Worten “schön, dass Sie mir die Worte aus dem Mund nehmen” gut. Daraufhin wurde sie aus der Partei ausgeschlossen. Heute ist Winter Mitglied der europäischen Neonazi-Partei “Allianz für Frieden und Freiheit”, an der unter anderem die NPD beteiligt ist.

“Pegida”-Gründer Lutz Bachmann sprach 2016 und 2017 auf “Compact”-Konferenzen. Martin Sellner, einer der Köpfe der rechtsextremen “Identitären Bewegung Österreich”, tritt seit 2015 jährlich auf, zudem schreibt er regelmäßig für “Compact” die Kolumne “Sellners Revolution”. Bevor er für die “IBÖ” aktiv wurde, war Sellner Teil der österreichischen Neonazi-Szene. Er leugnet das alles nicht, tut es aber als Jugendsünde ab. Der deutsche und der österreichische Verfassungsschutz (PDF, ab Seite 52) beobachten die “Identitäre Bewegung”.

AfD-Mitglieder als Moderatorinnen. AfD-Politikerinnen als “Compact-Frauenbrigade”. Auftritte des Chefredakteurs bei AfD-Veranstaltungen. Anti-Islam-Hetzer als Studiogäste. Gastredner, die heute in Neonazi-Parteien aktiv sind. Ein Mitglied der “Identitären Bewegung” als Kolumnist. Aber rechtspopulistisch oder rechtsradikal wollen sie bei “Compact” nicht sein.

“Bild” und Rassismus, Ausgebamft, Seehofers Framing zum (Ab)Würgen

1. “Bild” weiß: Rassismus in Deutschland kein Problem
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
In den letzten Tagen ging es in den Medien oftmals um Diskriminierung: Unter dem Hashtag #metwo berichteten unzählige Migranten und Migrantenkinder von ihren negativen Alltagserfahrungen. Boris Rosenkranz hat sich angeschaut, auf welche Weise “Bild” die Debatte aufgenommen hat und konstatiert: “”Bild” wehrt sich nicht gegen den Rassismus, sondern gegen den Vorwurf, dass es Rassismus gebe.”
Weiterer Lesehinweis: In seinem Beitrag Was Özil empfand, haben viele erlebt schreibt “SZ”-Autor Jan Bielicki über herkunfts- und religionsbezogene Diskriminierung als Massenphänomen. Studien würden zeigen: Die Benachteiligung sei keineswegs nur gefühlt.
Und ein weiterer Lesetipp: “Was sich unter dem Hashtag #MeTwo an Rassismuserfahrungen ansammelt, darf nicht ignoriert werden — auch wenn die “Bild” mit aller Wucht gegen Einfühlung und Menschlichkeit ankämpft”: Diese Geschichten werden unser Land verändern (spiegel.de, Georg Diez)
Und zu guter Letzt: Auf Facebook stellt sich Michel Abdollahi der “Bild”-Redaktion entgegen: “Wenn jemand als Sprachrohr der AfD jeden Tag spaltet und hetzt, dann seid ihr das. Ihr seid das prominenteste Gesicht des Rassismus in diesem Land. Ihr könnt außer Hetze und Lüge nichts anderes. Wir lassen uns nicht mehr ausgrenzen. Wir lassen uns nicht mehr einschüchtern. Wir lassen uns nicht länger von alten, weißen Männern erzählen, wann was Rassismus ist und wann nicht.”

2. Ausgebamft
(taz.de, Gareth Joswig)
Mitte April berichteten verschiedene Medien von einem angeblichen Skandal beim Bremer Bamf (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge). Der Vorwurf: In mindestens 1200 Fällen soll die ehemalige Leiterin Ulrike B. in Zusammenarbeit mit drei Anwälten unrechtmäßig Asyl erteilt haben. Nach Bekanntwerden der “Affäre” wurde die Bremer Außenstelle geschlossen. Auf Veranlassung des Innenministeriums überprüfen Ermittler nun die dort ausgestellten positiven Asylbescheide seit dem Jahr 2000. Mit ernüchterndem (Zwischen-)Ergebnis: Von den in Rede stehenden 1200 Fällen sind bisher gerade mal 17 übrig geblieben. Wer also weiterhin von einem Skandal sprechen will, sollte damit den Skandal hinter dem “Skandal” meinen.
Weiterer Lesehinweis: Eine ausgezeichnete Aufarbeitung mit juristischer Expertise und zudem ständig aktualisiert: Der eigentliche BAMF-Skandal — erst der Rufmord, dann die Recherche? (beck.de, Henning Ernst Müller)

3. “New York Times”-Verleger warnt Trump
(spiegel.de)
“New York Times”-Herausgeber A.G. Sulzberger hat sich mit US-Präsident Trump getroffen. Das Gespräch sollte auf Wunsch des Weißen Hauses vertraulich bleiben, doch diesen Wunsch konnte Trump seinen Mitarbeitern fast erwartungsgemäß nicht erfüllen und twitterte munter drauf los. Daraufhin sah sich auch der “NYT”-Herausgeber nicht mehr an die zugesagte Verschwiegenheit gebunden und berichtete vom Gespräch.
Hier gibt es Sulzbergers Stellungnahme im Wortlaut: Statement of A.G. Sulzberger, Publisher, The New York Times, in Response to President Trump’s Tweet About Their Meeting (nytco.com, New York Times)

4. Wer von “Sprachpolizei” spricht, will die Debatte abwürgen
(sueddeutsche.de, Luise Checchin)
In einer losen Serie analysiert die “SZ” das Framing politisch oder gesellschaftlich relevanter Begriffe. In der aktuellen Folge geht es um das Wort “Sprachpolizei”, mit dem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) den Bundesverfassungsgerichtspräsidenten Andreas Voßkuhle belegt hat. Luise Checchin befindet: “Mit seiner pauschalen Kritik am Verfassungsgerichtspräsidenten schürt Seehofer das Misstrauen in den Rechtsstaat. Und macht genau das, was er Voßkuhle vorwirft.”

5. Braucht die DSGVO ein Medienprivileg auch für Blogger, Fotografen und Pressesprecher?
(telemedicus.info, Simon Assion)
Der Deutsche Anwaltsverein empfiehlt, das Bundesdatenschutzgesetz um eine Regelung zu ergänzen, die sich auf Blogger, Podcaster, Youtuber, Twitter-Nutzer, Fotografen, Künstler, Pressesprecher und Politiker bezieht. Telemedicus-Autor und Jurist Simon Assion erklärt die Hintergründe des empfohlenen “Medienprivilegs”. (Besonders für Nicht-Juristen nicht zum schnellen Drüberfliegen geeignet, da einige Details.)
Weiterer Hinweis: Bei “Legal Tribune Online” kannst Du im DSGVO-Quiz zeigen, wie gut Du Dich mit dem neuen Datenschutzrecht auskennst.

6. Weniger Deutsche in Dresden
(twitter.com/emtiu, Michael Büker)
Michael Büker kommentiert eine Meldung der “Dresdner Neuesten Nachrichten”: “Wenn Du aus einer statistisch bedeutungslosen Schwankung von 0,15% so eine Schlagzeile baust, um Deine Leserschaft zu begeistern, bist Du wohl Journalist in Sachsen.”