Archiv für Mai, 2014

Spiegel-Affäre, Dieter Lenzen, Izitru

1. “Die Spiegel-Affäre”
(ardmediathek.de, Video, 98:39 Minuten)
Der Fernsehfilm “Die Spiegel-Affäre” greift die Verhaftung von Rudolf Augstein und Mitarbeitern des “Spiegels” 1962 auf, nachdem in der Ausgabe 41/1962 der Text “Bedingt abwehrbereit” erschienen war.

2. “betr. Interview mit Dieter Lenzen”
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Dieter Lenzen, Präsident der Universität Hamburg, streicht bei der Autorisierung eines Interviews mit ihm mehrere Antworten sowie die entsprechenden Fragen: “Nachdem wir gegenüber Lenzen ankündigten, zumindest unsere Fragen vollständig zu publizieren, drohte man uns, das Interview komplett zurückzuziehen.”

3. “IZITRU ‘Whenever the truth matters’?”
(rheker.wordpress.com)
Sascha Rheker testet die von “Spiegel Online” vorgestellte App Izitru, die angeblich “Fotofälschungen enttarnt”.

4. “Nicht Google, Europa ist das Problem”
(futurezone.at, Gerald Reischl)
Gerald Reischl schaltet sich in die von der FAZ initiierte Debatte um die von Google ausgehenden Gefahren ein: “Warum sollte eine euro-politisch entwickelte Suchmaschine erfolgreich sein und plötzlich Google Paroli bieten können? Konsumenten nutzen ein Produkt nur dann, wenn sie es hilfreich und gut finden. Zu glauben, dass Konsumenten aus Europa eine europäische Entwicklung einer amerikanischen vorziehen würden, um den eigenen Kontinent zu stärken, entspricht leider nicht der Realität, sondern ist der Wunsch von EU-Politikern. Europa sollte lieber die Voraussetzungen dafür schaffen, dass auf diesem Kontinent Innovation möglich ist und sich erfolgreiche Unternehmen gründen können.”

5. “Gewalt-Statistik: So nahm die Falsch-Behauptung ihren Lauf”
(kurzpass.ch, Daniel Ammann)
Nach einem Artikel in der “Sonntagszeitung” übernehmen die Nachrichtenagentur SDA und weitere Medien deren Interpretation von Statistiken zur Gewalt rund um Schweizer Fußballstadien. Daniel Ammann klärt den Sachverhalt direkt mit dem Bundesamt für Statistik.

6. “Der Unsinn des einsamen Gary”
(jetzt.sueddeutsche.de, Nadja Schlüter)

Wer den Wal hat, hat die Qual

Fällt Ihnen was auf?

Genau: Der Pottwal (links) und der Blauwal (rechts) könnten glatt Zwillinge sein.

Auch bei taz.de, der “Huffington Post”, bz-berlin.de, Oe24.at und einigen anderen Medien sieht ein toter Pottwal …

… genauso aus wie ein toter Blauwal:

Und bei “RP Online” ist das sowieso alles dasselbe:

Also beginnen wir am besten grundlegend. Pottwale, liebe Medien, sind keine Blauwale. Andersrum auch nicht.

Der tote Wal, der in Kanada angespült wurde und jetzt zu explodieren droht, ist ein Blauwal. Und er hat nichts mit dem toten Wal zu tun, den eine kanadische Gemeinde bei Ebay versteigern wollte. Der ist nämlich ein Pottwal und sieht so aus.

Kleiner Tipp fürs nächste Mal: Pottwale haben keine Kehlfurchen.

Mit Dank an Uwe R. und pottwale.de.

Jörg Kachelmann, Orden, Deutschlandradio

1. “‘Jeder Scharlatan bekommt ein Forum für seinen Stuss'”
(theeuropean.de, Thore Barfuss)
Ein Interview mit Jörg Kachelmann, der bedauert, “dass sich die meisten Medien in Duldungsstarre vor der ‘Bild’-Zeitung begeben haben”. “Das langsame Sterben der Printmedien” verwundere nicht: “Recherche bedeutet heute meistens, dass ein Mensch, der Zugang zu einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Papier hat, die Nummer eines sogenannten Investigativjournalisten kennt, der auf einen Anruf wartet.”

2. “Wie Putin seine Journalisten-Armee einsetzt”
(welt.de, Julia Smirnova)
In Russland werden über 300 Journalisten von Wladimir Putin “mit Orden und Medaillen” ausgezeichnet. “Dass derartig viele willfährige Redakteure und Reporter für ihre Arbeit mit Orden behängt werden, ist beispiellos.”

3. “Der Fussballfan wird zum Staatsfeind geschrieben”
(kurzpass.ch, Daniel Ammann)
Daniel Ammann beschäftigt sich mit einem Artikel in der “Sonntagszeitung”, der mit “258 Straftaten im Umfeld von Stadien” übertitelt ist, jedoch von “grossformatigen Fotos von bengalischem Feuer und schwarzem Rauch” begleitet wird. “Das Fazit des Artikels könnte alternativ auch heissen: 2013 wurden rund um Schweizer Sportstätten Polizisten häufiger beschimpft als im Jahr zuvor und es wurden mehr Ohrfeigen und Fusstritte verteilt, während die Gewalt innerhalb der Stadien sank.”

4. “‘Der Moderator bedauert den Verlauf des Gesprächs'”
(heise.de/tp, Florian Rötzer)
Florian Rötzer greift ein Gespräch im “Deutschlandradio Kultur” auf, unter dem “Anmerkung der Redaktion: Der Moderator bedauert den Verlauf des Gesprächs” vermerkt ist sowie “Kommentieren ist nicht mehr möglich”.

5. “‘Big things are happening in Denmark'”
(b.dk, Edward Snowden, englisch)
Edward Snowden schreibt einen Brief zur Debatte um das Boulevardmagazin “Se og Hør”, das Kreditkarten-Daten von Prominenten gekauft haben soll.

6. “Neue Studie: Nur Kellner, Verkäufer und Bauarbeiter verdienen weniger als Reporter”
(newsroom.de, Bülend Ürük)

Lokaljournalismus, NZZ am Sonntag, BTX

1. “Karl Marx, übernehmen Sie!”
(juliane-wiedemeier.de)
Juliane Wiedemeier notiert, dass Lokaljournalisten eigentlich gar keinen verzichtbaren Lokaljournalismus machen wollen – es dann aber oft doch tun: “Doch warum erstellen nun Journalisten Produkte, die sie offenbar selbst schrecklich finden? Zwei einfache Gründe: Sie haben keine Zeit, aber Angst.”

2. “Mein persönlicher Daten-GAU”
(medienwoche.ch, Nik Niethammer)
Das Googlemail-Konto von Journalist Nik Niethammer wird von den USA aus geknackt: “Dieser Angriff hat mich in meinen Grundfesten erschüttert. Ich fühle mich wie ausgesperrt aus dem eigenen Haus. Stehe vor der Tür und da drinnen macht sich jemand an meinen persönlichen Sachen zu schaffen.”

3. “Von der Seifenoper zur Kunstform”
(drama-blog.de, Thilo Röscheisen)
“Das goldene Zeitalter der Fernsehserie hat erst begonnen”, glaubt Thilo Röscheisen. “Nur durch die einzigartige wirtschaftliche Dynamik des amerikanischen Kabelfernsehmarktes konnte der Zuschauer wieder zum Kunden und die Serie wieder zum Produkt werden, das der sich aussucht. Erst die künstlerische Befreiung von der Diktatur der Quote hat zum neuen goldenen Zeitalter des Fernsehens geführt – und findet deshalb auch nach wie vor weitgehend abseits des klassischen linearen Fernsehens statt, dessen Abhängigkeit von der Quote durch stetig sinkende Marktanteile eher noch größer wird.”

4. “Die aufgedrängte Kostenloskultur: Zahlen wollen, aber nicht zahlen können?”
(blog.zdf.de/hyperland, Torsten Dewi)
Torsten Dewi beklagt eine “aufgedrängte Kostenloskultur” und erinnert sich dabei an den Bildschirmtext: “Bei BTX gab es seit 1980 oben in der rechten Ecke einen kleinen Zähler mit den angefallenen Kosten. Wollte man eine kostenpflichtige Seite ansurfen, wurde der vom Anbieter dafür verlangte Preis transparent angezeigt – ‘ja oder nein?’ war die einzige Entscheidung, die man als Leser treffen musste.”

5. “The readers’ editor on… pro-Russia trolling below the line on Ukraine stories”
(theguardian.com, Chris Elliott, englisch)
Chris Elliott, Leserredakteur beim “Guardian”, thematisiert die Flut von Leserkommentaren zum Ukraine-Konflikt, die eine Position pro russische Regierung einnehmen: “In fairness there is no conclusive evidence about who is behind the trolling, although Guardian moderators, who deal with 40,000 comments a day, believe there is an orchestrated campaign.”

6. “Mercedes-Beilage mit redaktionellem Anstrich”
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Bezahlte Werbung und redaktioneller Inhalt in der “NZZ am Sonntag”.

Eingebildete Lauchschmerzen

Porree und Lauch werden neuerdings gern genommen, wenn es darum geht, die vermeintliche Regulierungswut der EU zu dokumentieren. Vorher war es jahrelang die Gurke gewesen. Gurken der Extra-Klasse durften (übrigens auf Wunsch des Handels) nicht mehr als zehn Millimeter auf zehn Zentimeter gekrümmt sein. Doch dass diese Norm abgeschafft wurde (übrigens unter Protesten des Deutschen Bauernverbandes), hat sich selbst unter Journalisten inzwischen herumgesprochen.

Aber der Porree!

Hans Magnus Enzensberger hat ihn vor einigen Jahren zu einem Symbol der Überregulierung gemacht. Wenn die “Welt” Europa als “Herrscherin über unseren Alltag” bezeichnet und die angeblich “absurdesten Gesetze” der EU-Kommission auflistet, darf er nicht fehlen:

Noch viel bizarrer als die mittlerweile revidierten Vorschriften zum Krümmungsgrad von Gurken sind die Vermarktungsnormen für Porree/Lauch: Die Färbung des Naturprodukts ist genauestens vorgeschrieben.

In der Verordnung der Brüsseler Beamten heißt es: “Mindestens ein Drittel der Gesamtlänge oder die Hälfte des umhüllten Teils muss von weißer bis grünlich-weißer Färbung sein. Jedoch muss bei Frühlauch/Frühporree der weiße oder grünlich-weiße Teil mindestens ein Viertel der Gesamtlänge oder ein Drittel des umhüllten Teils ausmachen.”

Nun ist es natürlich keineswegs so, dass Porree anderer Färbung nicht als Porree gilt — er darf nur nicht als “Klasse I” vermarktet werden. Warum es “absurd” sein soll, für unterschiedliche Handelsklassen bestimmte Qualitäts-Merkmale vorzuschreiben, lässt die “Welt” offen.

Vor allem aber: Die Norm gibt es gar nicht mehr. Sie wurde im Sommer 2009 aufgehoben, um dem Wunsch nach weniger Regeln und weniger Bürokratie nachzukommen. Und zwar gleichzeitig — mit den Krümmungsregeln für Gurken.

Nachtrag, 6. Mai. Die “Welt” hat ihren Fehler korrigiert.

Alles nur Fassade

Die Frau des Fußballers Robert Lewandowski, der zur kommenden Saison vom BVB zum FC Bayern wechselt, hat sich zum Abschied aus Dortmund etwas ganz Romantisches einfallen lassen:

LEWANDOWSKI - Kabinen-Kuss zum Abschied - Ab jetzt zählt nur noch Bayern

Bild.de schreibt:

Die Kabine ist sonst der heilige Ort der Fußballer. Jetzt nimmt uns Robert Lewandwoskis Frau Anna mit.

Für ein Knutsch-Foto!

Und das sieht so aus:

  Bei Instagram postete Lewandowskis Frau Anna dieses Knutsch-Foto aus der Kabine

Warum da immer noch das Trikot von Moritz Leitner hängt (obwohl er zurzeit gar nicht in Dortmund spielt), erklärt “Bild” leider nicht. Und warum beim BVB die Türklinken in der Luft schweben, bleibt ebenfalls offen.

Könnte aber alles daran liegen, dass sich die beiden nicht in der Kabine geküsst haben, sondern vor einer Fototapete im VIP-Bereich des BVB.

Mit Dank an Christoph.

Nachtrag, 17.25 Uhr: Bild.de hat den Artikel korrigiert und unter dem Text einen Hinweis veröffentlicht:

*BILD hatte Tomaten auf den Augen

Zu der Geschichte “Kabinen-Kuss zum Abschied” zeigten wir ein Foto von Dortmund-Stürmer Robert Lewandowski, der seine Frau Anna küsst. Den Kuss gab’s aber nicht in der BVB-Kabine, sondern vor einer Foto-Tapete. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Pakistan, Lobbygruppen, Rebellion

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Eine Meldung – und ihre Geschichte”
(blog.zeit.de/kabul, Ronja von Wurmb-Seibel)
Die Geschichte hinter der dpa-Meldung “Pakistan: Zwei Berliner Brüder festgenommen”: “Im Bus gibt es dann englischsprachige Zeitungen zu lesen und auf Seite zwei entdecken wir die Schlagzeile über unser Ergreifen, maßlos übertrieben und wenig informativ. (…) Eine ganze Reihe deutscher Medien hat diese fälschliche Schlagzeile reproduziert, teilweise noch pikanten Details verfeinert.”

2. “Qualitätsjournalismus Fehlanzeige: Journalisten als Lobbyisten”
(meedia.de, mit Video, 6:48 Minuten)
Die ZDF-Sendung “Die Anstalt” zeigt Verflechtungen deutscher Journalisten mit Lobbygruppen auf. “In der Mitgliederliste der Atlantik-Brücke, der u.a. Bild-Chef und -Herausgeber Kai Diekmann vorsitzt, tauchen neben ‘heute’-Anchor Claus Kleber auch Theo Koll, noch Politbarometer-Experte und bald Leiter des ZDF-Studios in Paris, und Grünen-Politiker Cem Özdemir auf, der den stv. Vorsitz des ZDF-Fernsehrates inne hat.”

3. “Rebellion unter den Lesern”
(medienblog.blog.nzz.ch, Rainer Stadler)
Die Meinungsvorherrschaft der Journalisten zerbröckle, stellt Rainer Stadler fest angesichts der breiten Kritik von Lesern, Journalisten würden im Konflikt um die Ukraine “die Ereignisse einseitig aus westlicher Optik darlegen und bewerten”: “Ich bezweifle allerdings, dass diese Erkenntnis ins Bewusstsein vieler professioneller Informationsverarbeiter gedrungen ist. Der Wille, die Rebellion im Publikum ernst zu nehmen, ist kaum vorhanden.” Siehe dazu auch “Der Westen und die Massenmedien sind zu tadeln!” (nzz.ch, Lorenz König).

4. “Im Abseits”
(sueddeutsche.de, Ralf Wiegand)
Insgesamt zwei gedruckte Interviews mit Pep Guardiola sind erschienen, seit dieser Trainer des FC Bayern München ist. “Viele Vereine aber führen intern schon Diskussionen, wozu man Sportjournalisten in den Stadien überhaupt noch braucht – wenn man doch alles selber machen kann.”

5. “Fünf Jahre taz-Hausblog: So viel Transparenz wie bei keiner anderen Zeitung”
(blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Das “taz”-Hausblog feiert den 5. Geburtstag: “Als Student hatte ich das Blog spiegelkritik.de betrieben, das sich am Spiegel und Spiegel Online abarbeiten wollte, aber leider nie das Niveau des großen Vorbilds bildblog.de erreicht hat. Noch mehr als über die journalistischen Fehler im Spiegel habe ich mich über den Umgang mit ihnen geärgert. Genauer: Den Nicht-Umgang. Die Journalisten – gerade beim Spiegel – dachten, es sei für ihre Arbeit essenziell, einen Nimbus der Unfehlbarkeit zu verbreiten und keine Fehler zuzugeben. Das ärgerte mich als Leser. Ich fand, Journalisten müssten mal von ihrem hohen Ross runterkommen, ihre Arbeit transparenter machen und sich der Kritik stellen. Und dann wechselte ich die Seiten.”

6. “Die fünf Erfolgsfaktoren von mobilen Newsplattformen: Boulevard, Reichweite auf Social Media, Viralität, Originalität und neue Werbeprodukte”
(svenruoss.ch)

Aus Ignoranz eine Kunst machen

Alle Welt berichtet über die neue Chefin der Wikimedia Foundation, die die Online-Enzyklopädie Wikipedia betreibt. Doch alleine Bild.de hat die Karriere von Lila Tretikov in ihrer ganzen Erstaunlichkeit gewürdigt.

WAS FÜR EINE KARRIERE
Ex-Kellnerin wird neue Chefin von Wikipedia

Warum sind die anderen Medien nicht auf die erstaunliche Vergangenheit Tretikovs als Kellnerin gestoßen? Nun — offenbar hat Tretikov lediglich vor ihrem Studium gekellnert, das sie dann über verschiedene Posten nun an die Stiftung der Wikimedia Foundation brachte. Eine steile, aber keineswegs eine erstaunliche Karriere.

Doch dieser Werdegang war für die Überschrift aus einem besonderen Grund nicht geeignet, wie Autor Holger Karkheck offenherzig eingesteht:

An schließend studierte Lila laut Wikipedia an der Universität von Berkeley (Kalifornien) Informatik, arbeitete für verschiedene Softwarefirmen und ist Inhaberin mehrerer Patente. Um was es dabei geht? Ehrlich gesagt – wir haben’s bei Wikipedia nachgeschlagen und nicht verstanden. Irgendwas mit Computern.

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