Archiv für April, 2014

Gerhard Schröder, Seeschlachten, Gegenlesen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Markus Wiegand: Vom Wahnsinn des Gegenlesens”
(newsroom.de, Markus Wiegand)
Medienjournalist Markus Wiegand zeigt auf, wie Journalisten darauf bestehen, Artikel über sie vor Erscheinen komplett gegenzulesen: “Viele Journalisten finden es inzwischen selbst total normal, zum Beispiel Porträts komplett vor der Veröffentlichung an den Porträtierten rauszugeben.”

2. “‘Team Wallraff’: RTL hält Kurs in Richtung Relevanz”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Thomas Lückerath lobt RTL für die erste Folge von “Team Wallraff”: “RTL lieferte Erkenntnisse, die weit tiefer und wichtiger sind als wenn der ‘Markencheck’ im Ersten doch tatsächlich enthüllt: Mit dem Junior Menü will McDonalds Kinder locken! Nein! Doch! Oh! Wie kurios das Jahr 2014 doch ist, wenn RTL die Öffentlich-Rechtlichen bei einer investigativen Verbraucherstory in diesem Fall sehr alt aussehen lässt.”

3. “Moralischer Fehlschluss in der Sache Schröder”
(hogymag.wordpress.com, almasala)
Almasala wendet sich gegen die breite Kritik deutscher Medien an der Tatsache, dass Gerhard Schröder seinen 70. Geburtstag zusammen mit Wladimir Putin in St. Petersburg feiert. “Anscheinend kommt den Schreiberlingen einfach nicht in den Sinn, dass es auch andere legitime Standpunkte als den eigenen geben könnte; das nicht jeder Putin als den rücksichtslosesten und gefährlichsten Mann für den Weltfrieden seit Ende des kalten Kriegs sieht, sondern man auch eine völlig andere Sicht auf den aktuellen Konflikt in der Ukraine haben kann, bei der die USA und Europa in ihrer Doppelmoral und Selbstgerechtigkeit ebenfalls reichlich bekleckert dastehen.”

4. “Die mysteriöseste Seite des Internets: Was ich gefunden habe, ist heftig und macht mich wütend”
(rhein-zeitung.de, Lars Wienand)
Lars Wienand beschäftigt sich mit der Website Heftig.co.

5. “Plagiatsvorwurf gegen Historiker: C.H.-Beck-Verlag stoppt Auslieferung der ‘Großen Seeschlachten'”
(spiegel.de, aar)
Der Verlag C.H. Beck reagiert auf die Plagiatsvorwürfe gegen das Buch “Große Seeschlachten” mit einer Stellungnahme (chbeck.de, PDF-Datei) und einer Überprüfung der Vorwürfe: “Aufgrund der Prüfung hat der Verlag beschlossen, das Buch nicht weiter auszuliefern.”

6. “China nimmt ‘The Big Bang Theory’ aus dem Netz”
(blog.zeit.de/china, Felix Lee)
“Die amtliche Behörde für Medienkontrolle” in China untersagt einem Internetportal ohne Vorwarnung, verschiedene US-Serien weiterhin auszustrahlen. “Mithilfe der Zensurbehörden wollen die Staatssender offenbar verlorenes Terrain zurückgewinnen. Offensichtlich sind nicht mehr politisch fragwürdige Inhalte für die chinesischen Behörden das Kriterium für eine Absetzung einer Sendung, sondern allzu hohe Zuschauerzahlen.”

“Schämt euch alle!”

Bild.de ist auf Hundertachtzig.

SCHÄMT EUCH ALLE!

… schimpfte das Portal gestern Abend in riesigen Buchstaben auf der Startseite und meinte damit die “neugierigen Gaffer”, die zuvor eine Rettungsaktion im Hamburger Hafen beobachtet hatten.

Bild.de schreibt:

Als wäre es ein Volksfest … Hunderte von Schaulustigen drängten sich am Montagnachmittag an den Landungsbrücken im Hamburger Hafen – um zu beobachten, wie Retter verzweifelt versuchten, ein Mädchen (6) wiederzubeleben. Sie war zuvor in die Elbe gestürzt.

Auch “Bild”-Mann Thomas Knoop war vor Ort. Aber nicht, um rumzustehen und zu beobachten, sondern um rumzustehen und zu fotografieren.

Darum kann Bild.de seinen schaulustigen Besuchern jetzt das zeigen, was die Schaulustigen im Hamburger Hafen unbedingt sehen wollten — und schafft sogar das Kunststück, die Sensationsgier der Gaffer in ein und demselben Artikel sowohl zu verurteilen als auch zu befriedigen:SCHÄMT EUCH ALLE! - In Hamburg stürzt ein Mädchen (5) in die Elbe, kämpft um sein Leben - und Hunderte stehen da und gaffen

(Unkenntlichmachung von uns.)

Der Artikel ist mit sechs Fotos bebildert, von denen vier die Rettungsaktion zeigen.

Wenige Stunden später, im nächsten Artikel, bringt Bild.de dann sechs weitere Fotos von Thomas Knoop. Diesmal ist sogar zu sehen, wie Polizisten und Feuerwehrleute das Mädchen aus dem Wasser ziehen und hektisch versuchen, es zu reanimieren. Der leblose Körper des Mädchens wurde auf den Fotos unkenntlich gemacht. Immerhin.

In der heutigen Print-Ausgabe hat sich “Bild” diese Mühe aber gespart:

Mädchen (5) stürzt ins Hafenbecken - Hunderte Schaulustige stehen und gaffen, niemand hilft

Und die Hamburger Regionalausgabe zeigt die Widerbelebung gleich als ganze Foto-Serie:

Mädchen (5) nach 30 Minuten aus Elbe gezogen

“Bild”-GafferReporter Thomas Knoop twitterte schon live während der Rettung fleißig Fotos — wer also gerade nicht in Hamburg war, konnte bequem von zu Hause aus mitgaffen. Als wäre es ein Volksfest.

Und wer doch mit dabei war und zufällig ein paar Fotos gemacht hat, der findet in den Artikeln bei Bild.de auch einen Hinweis darauf, wo er seine Beute loswerden kann:
Zu diesem Artikel ein Video/Foto beitragen - 1414

Mit Dank auch an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Team Wallraff, Roboterjournalismus, Siezen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Eine Ente geht um die Welt: Medien lassen Schumacher aufwachen”
(meedia.de, Marvin Schade)
Verschiedene Medien melden, Michael Schumacher sei aus dem Koma erwacht: “Die Suche nach der Quelle der Falschmeldung bleibt bisher erfolglos.”

2. “‘Die Personifizierung des Roboterjournalisten ist absurd'”
(barnabyskinner.com)
Cord Dreyer erklärt in einem Interview, weshalb er nur wenig hält vom Wort “Roboterjournalismus”: “Die grossen journalistischen Leistungen, die Reportage, einen politischen Zusammenhang erklären, Menschen kennen lernen – das kann eine Maschine in absehbarer Zeit nicht leisten. Was sie kann, ist Routinearbeiten übernehmen.”

3. “Die Glaubwürdigkeit der Medien steht auf dem Spiel”
(salzburg.com, Manfred Perterer)
“Fast alles Geld fließt direkt an die großen Wiener Boulevard- und Gratisblätter. Regionalzeitungen werden mit Brosamen abgespeist”, schreibt Manfred Perterer über die Inserate-Vergabe “von öffentlichen und halböffentlichen Stellen” in Österreich, “mit denen eine wohlwollende Berichterstattung erkauft werden soll”.

4. “‘Jeder macht mal Fehler – aber bei uns Journalisten stehen sie gleich in der Zeitung'”
(hogn.de, Helmut Weigerstorfer)
Helmut Weigerstorfer befragt Lokaljournalist Jörg Homering-Elsner, der die Facebook-Seite “Perlen des Lokaljournalismus” ins Leben gerufen hat.

5. “Dann bleiben wir doch lieber per Sie”
(medienwoche.ch, Antonio Fumagalli)
Sollen sich Politikjournalisten und Parlamentarier duzen oder siezen? Antonio Fumagalli versucht, “zumindest in der Grussform eine Abgrenzung aufrechtzuhalten. Die Parlamentarier sind nicht unsere Feinde. Sie sind aber auch nicht unsere Freunde – obschon einem gewisse Parlamentarier selbstverständlich sympathischer sind als andere.”

6. “Team Wallraff – Reporter undercover – Folge 1”
(rtl-now.rtl.de, Video, 50:05 Minuten)
Siehe dazu auch “Das darf nicht sein, das darf nicht sein” (spiegel.de, Stefan Kuzmany).

BILDblog wird 10

Vor ziemlich genau zehn Jahren ist hier der erste BILDblog-Eintrag erschienen. Das heißt: Im Sommer haben wir Geburtstag!

Das wollen wir natürlich feiern. Unter anderem auf der re:publica am 6. Mai in Berlin. Aber statt Topfschlagen und Schokokusswettessen haben wir uns ein anderes Spiel überlegt:

Dafür brauchen wir Ihre und Eure Hilfe!

Wir wünschen uns zum Geburtstag, dass Ihr Euch Quizfragen übelegt. Sie sollten natürlich mit BILDblog zu tun haben, nicht zu einfach sein, aber auch nicht zuu schwer, wenn’s geht, unterhaltsam und gerne kreativ.

Zum Beispiel:

Wie nennt man Danny DeVito, wenn er Zitronenlikör kauft?

[Antwort]

Was haben wir “Bild” 2006 zu Weihnachten geschenkt?

[Antwort]

Welchen ehemaligen Bremer SPD-Politiker nahm “Bild” im vergangenen Jahr tagelang eifrig in Schutz, nachdem dieser wegen diskriminierender Aussagen über Sinti und Roma in die Kritik geraten war?

[Antwort]

Wer oder was sind “Schaumglocken”?

[Antwort]

Wer oder was sind “Uuuupsala-schön-anzusehen-sind-sie-Ja”?

[Antwort]

Wer oder was hat eine Woche nach Mick Jagger Geburtstag?

[Antwort]

“Bild” entdeckte 2011 auf einer Demonstration der “Pleite-Griechen” ein Hakenkreuz-Plakat. Darunter, so der Artikel, habe gestanden: “Die EU ist die Krönung aus UdSSR-Zentralismus und Glühbirnen-Faschismus”. Das stimmte aber gar nicht. Woher stammte der Spruch tatsächlich?

[Antwort]

Wie viele Lügen werden im BILDblog-Werbespot gezählt?

[Antwort]

An welcher Uni wird die Anrede “Herr Professorin” benutzt?

[Antwort]

Wie lautet die Standard-Antwort, die wir auf so gut wie alle Anfragen an “Bild” erhalten?

[Antwort]

Und jetzt seid Ihr dran. Schickt uns Eure Vorschläge bitte bis Mittwochabend (30.4.) an [email protected]. Unter allen Einsendern verlosen wir zehn Tickets für unsere kleine Geburtstagsfeier auf der re:publica (Dienstag, 6.5., ab 18 Uhr, die Tickets sind auch gültig für die anschließende “Web Week Night”).

Also: Wühlt Euch durchs Archiv, durchforstet Eure Erinnerungen — und schenkt uns Quizfragen! Je mehr Vorschläge wir bekommen, desto toller wird’s.

Wir freuen uns drauf!

Im Wahlkampf geleimt

Wissen Sie, was Kleister-Klüngel ist? Wenn die SPD in Bremerhaven Langzeitarbeitslose durch Wahlplakat-Kleben ausbeutet.

Und wissen Sie, was üble Nachrede ist? Wenn solche Dinge behauptet werden, obwohl sie gar nicht stimmen.

Aber der Reihe nach.

Es geschah am hellichten Tag, mitten im beschaulichen Bremerhaven.

Langzeitarbeitslose vom Verein “Faden e.V.” […] ziehen mit Eimern, Kleister und SPD-Wahlplakaten durch Bremerhaven. Anführer des Leim-Trupps: “Faden”-Chefin Sabine Markmann. Die vier Vereins-Mitglieder tragen nach BILD-Informationen leuchtende Warnwesten. Ein Passant, dem das komisch vorkommt, schießt ein schnelles Foto.

Beweisfoto: Die SPD-Frau mit Arbeitslosen an der Wurster Straße

Was ist daran anstößig? “Faden”-Chefin Markmann sitzt gleichzeitig im Bremerhavener SPD-Vorstand, ist die Lebensgefährtin von SPD-Vorstands-Urgestein und “grauer Eminenz” Siggi Breuer. Die Erwerbslosen mussten die Plakate der Sozis auf Anweisung der SPD kleben. Nach BILD-Informationen als Gratis-Gefallen.

Auf der Vereins-Internetseite von “Faden e.V.” ist dagegen die Rede von “gezielten Beschäftigungs- und Qualifizierungsangeboten”, um den Menschen ohne Job “zusätzliche Chancen auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt zu erschließen”.

Selbstverständlich hatte “Bild” auch gleich einen empörten Politiker parat: Malte Grotheer von der (rechtspopulistischen) Wählervereinigung “Bürger in Wut” ist “stinksauer” und “will diesen Fall nicht auf sich beruhen lassen”:

“Es ist ein Rückfall in schlimme Sozi-Filz-Zeiten, dass mal eben durch Personalunion ein öffentlicher Verein Parteiarbeit leisten muss. Damit werden öffentliche Gelder vergeudet.”

Ein unscharfes Foto, die Vorwürfe einer ungenannten Quelle, ein polternder Politiker, schwupps!, fertig ist der “Bild”-Polit-Skandal.

Zwei Tage später allerdings erklärte Sybille Böschen von der SPD Bremerhaven, die Vorwürfe seien “unwahr und verleumderisch”:

“Wir haben deshalb eine Berliner Rechtsanwaltskanzlei gebeten, unsere Rechte gegenüber der BILD- Zeitung und gegenüber der Wählervereinigung [“Bürger in Wut”] wahrzunehmen.”

Zwar sei “der Wahlkampf eine Zeit verdichteter und zugespitzter Formulierungen”.

“Wir wollen und müssen aber alle miteinander bei der Wahrheit bleiben und können und dürfen es nicht zulassen, dass Menschen in Misskredit gebracht werden und Tatsachen verdreht werden.”

Am Tag darauf, in der Freitagsausgabe, musste “Bild Bremen” die Tatsachen dann wieder zurechtdrehen:

Richtigstellung - Langzeitarbeitslose klebten keine SPD-Plakate - In unserer Ausgabe vom 23. April berichteten wir, Langzeitarbeitslose vom Verein

Die Richtigstellung ist übrigens nicht mal ein Viertel so groß wie der ursprüngliche (falsche) Artikel.

Bild.de hat ebenfalls eine Korrektur veröffentlicht und den “Kleister-Küngel”-Artikel gelöscht.

Kopp-Verlag, Dummschwätzer, Clickbaiting

6 vor 9

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1. “Wir Dummschwätzer?”
(zeit.de, Stefan Willeke)
Stefan Willeke besucht “Zeit”-Leser, die sich “vehement” aufgeregt haben über die Buchkritik “Volle Ladung Hass” von Ijoma Mangold. Kritisiert wurde darin das Buch “Deutschland von Sinnen: Der irre Kult um Frauen, Homosexuelle und Zuwanderer” von Akif Pirinçci, das in diesen Wochen in den Bestseller-Listen weit vorne anzutreffen ist.

2. “Brücke nach rechts”
(kontextwochenzeitung.de, Anna Hunger)
Anna Hunger reist nach Rottenburg am Neckar, wo der Kopp-Verlag “in seinem kargen Verlagsgebäude inmitten saftiger, grüner Idylle” beheimatet ist und spricht mit Verlagschef Jochen Kopp. “‘In jeder Meinung, und sei sie noch so abstrus, kann immer ein Körnchen Wahrheit stecken’, sagt er. Das ist seine Verlagsphilosophie. Nur wenn man ihn fragt, ob es den Holocaust gegeben hat, sagt er: ‘Dazu gibt es in Deutschland eine gesetzlich festgeschriebene Meinung. Als gesetzestreuer Bürger teile ich diese selbstverständlich.'”

3. “Undercover: Die Süddeutsche besuchte die DWN – aber keiner hat sie gesehen”
(deutsche-wirtschafts-nachrichten.de)
Die “Deutschen Wirtschafts Nachrichten” reagieren auf einen Bericht über sie in der “Süddeutschen Zeitung”: “Selbstverständlich glaubt oder behauptet niemand bei den DWN, dass die Welt von einer geheimen Weltregierung systematisch gesteuert wird. Das ist blanker Unfug. Die Welt wird nicht von dunklen Mächten regiert, sondern vor realen, einzelnen Menschen – guten wie schlechten, gierigen wie verantwortungsbewussten, Kriminellen und Wohltätern.”

4. “Wie wir Sportjournalistinnen fördern wollen”
(blogs.taz.de/hausblog, Andreas Rüttenauer)
Andreas Rüttenauer schreibt zum Männerüberschuß im Sportjournalismus: “Wir hoffen schon bald, einen Workshop für junge Frauen veranstalten zu können, die für Journalismus im Sport brennen. Und noch viel mehr hoffen wir, dass etliche der Teilnehmerinnen bald schon regelmäßig für uns schreiben werden.” Zu fehlenden Frauen siehe auch “Debattenkultur: Wir brauchen eine Frau! Mal Alice anrufen” (spiegel.de, Sibylle Berg).

5. “Hat Welke Recht? Hält uns das Fernsehen für doof?”
(dwdl.de, Peer Schader)
Halten die TV-Programmmacher, auch jene der Öffentlich-Rechtlichen, ihr Publikum für zu doof? Peer Schader kommt zum Schluß: “Das Vorurteil stimmt.”

6. “Anatomie des Clickbaiting: So ködern uns Upworthy, BuzzFeed und Co.”
(netzpiloten.de, Jakob Steinschaden)

Michael Ringier, Egomanie, Google Maps

6 vor 9

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1. “‘Jeder Trottel kann sich im Internet verbreiten'”
(bazonline.ch, Benedict Neff, Markus Somm)
Ein ausführliches Interview mit “Blick”-Verleger Michael Ringier: “Das Internet ist ein Schlötterliinstrument, es ist ein Querulantenmedium. Jeder Trottel kann sich da verbreiten. Die Journalisten müssen wahnsinnig aufpassen, dass sie sich nicht auf dieses Niveau herunterlassen.”

2. “Wie sich die Egomanie in den Journalismus frisst”
(cicero.de, Petra Sorge)
Das “Ich-Narrativ” mache sich im Journalismus breit, beobachtet Petra Sorge: “Wo Facebook-Nutzer ihre digitalen ‘Freunde’ mit belanglosen Status-Posts nerven – ‘Stehe gerade am Bahnhof. Zug hat mal wieder Verspätung’ –, ärgert der Ich-Reporter seine Leser mit Betroffenheitsbröckchen: ‘Mich trifft ein Regentropfen an der Stirn. Das passt jetzt gar nicht.'”

3. “Wo gerade viel von ‘Native Advertising’ gesprochen wird”
(facebook.com)
Native Advertising eigne sich “maximal für Boulevard- und reine Unterhaltungsmedien, deren journalistischer Anspruch ohnehin mit angezogener Handbremse daherkommt”, glaubt Sascha Lobo. “Redaktionell ernsthaft kritisch-journalistische Medien sollten sich meiner derzeitigen Überzeugung nach davon fernhalten, und zwar deutlich.”

4. “Keine Russen-Bomber im NATO-Luftraum”
(augengeradeaus.net, Thomas Wiegold)
Thomas Wiegold widerspricht Medienberichten: “Beim Flug russischer Langstreckenbomber vom Typ Tu-95, NATO-Codename Bear, am (gestrigen) Mittwoch sind die russischen Maschinen zu keinem Zeitpunkt in den Luftraum eines NATO-Mitgliedslandes eingedrungen.”

5. “Google Maps Russia claims Crimea for the federation”
(theguardian.com, Alex Hern, englisch)
Wie Google Maps die Grenzen zur Krim in verschiedenen Ländern anzeigt: “Visitors to the company’s Ukrainian website, google.com.ua, will find a map of Crimea as they remember it. (…) Russian visitors to Google get a very different picture. In no uncertain terms is the area marked as a separate country from wider Ukraine.” Siehe dazu auch “Google Maps spaltet Krim für die Russen ab” (sueddeutsche.de, Markus C. Schulte von Drach).

6. “Fotografen gegen die Apartheid: Der Bang Bang Club”
(arte.tv, Video, 55 Minuten)

Leserkommentare, Drohnen, Fuldaer Zeitung

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1. “‘Topmodel’-Kandidatin rassistisch beleidigt”
(tagesspiegel.de, Sonja Álvarez)
Eine Kandidatin bei “Germany’s Next Topmodel” wird auf Facebook rassistisch beschimpft. “Aminata selbst will die beleidigenden Kommentare nicht von ihrer Facebookseite entfernen: ‘Denn ich möchte dass deutschland sieht was für menschen es noch LEIDER in unserer generation gibt!'”

2. “Leserkommentare: Die ‘schreibende Minderheit’ nimmt Einfluss”
(newsroom.de)
Eine Studie von ECCO PR-Agenturnetz und newsroom.de befasst sich mit Leserkommentaren: “Erstaunlich ist nach wie vor die Abstinenz der Journalisten bei der eigenen Nutzung der Kommentarfunktion. Die Möglichkeit zum direkten Dialog mit dem Leser wird offensichtlich nur selten genutzt.”

3. “Öffentliche Werbung: Aufsicht gibt’s nicht”
(derstandard.at)
“201 Millionen Euro im Jahr, zum Großteil Steuermittel”, wurden 2013 in Österreich verwendet, um in den Medien zu werben, siehe dazu auch diesen Artikel vom 15. März. “‘Eindeutige Unterscheidbarkeit’ vom redaktionellen Teil werde ‘weitgehend ignoriert’. Kogler: ‘Im Rundfunk nennt man das Schleichwerbung.’ Verpflichtende Kennzeichnung von Inseraten scheine der Bürokratie ‘weitgehend unbekannt’.”

4. “Unter Beobachtung”
(taz.de, Daniel Bouhs)
Aufgrund von “Regelungen im Luftfahrtgesetz” benötigen Journalisten, anders als Hobbypiloten, Genehmigungen, um Menschenansammlungen mit Drohnen zu filmen. “Wer Drohnen kommerziell steigen lassen möchte, muss sich strengen Auflagen unterwerfen. Es braucht Aufstiegsgenehmigungen.”

5. “Fehlgeleitete Mail von Birgit Kömpel sorgt für Empörung”
(fuldaerzeitung.de)
Ungenannte Teile der Redaktion der “Fuldaer Zeitung” sind empört, nachdem eine E-Mail einer Bundestagsabgeordneten offensichtlich nicht den beabsichtigen Adressaten erreicht. “Die Mail der SPD-Bundestagsabgeordneten Birgit Kömpel offenbart uns ihr Medien- und Demokratieverständnis. Deshalb möchten wir sie transparent machen.”

6. “Abschreiben bei Wikipedia: Zwei Historiker geraten in Plagiatssturm”
(spiegel.de, Anna-Lena Roth)

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Blindes Stochern im Buchstabensalat

Können Sie das lesen? Ehct ksras!

Ehct ksras! Gmäeß eneir Sutide der Uvinisterät Cmbaidrge ist es nchit witihcg, in wlecehr Rneflogheie die Bstachuebn in eneim Wort snid, das Ezniige, was wcthiig ist: dass der estre und der leztte Bstabchue an der ritihcegn Pstoiin sind. Der Rset kann ein ttoaelr Bsinöldn sein, tedztorm kann man ihn onhe Pemoblre lseen.

Da hat “Blid” soagr fsat rehct: In der Tat knnöen wir Wröetr acuh mit Bhcutsabnealast ncoh eniiegmraeßn lseen. Nur hat deise Gshceihcte, für die “Blid” huete sgoar erxta enien Pltaz auf der Ttielsiete feirgreäumt hat, drei kliene Haekn.

Esrter Haekn: Desies Pähmonen ist ein gnaz shöcn atelr Hut. In Dtuecshalnd shcrieb man sohcn vor mnidsetnes elf Jhaern drabüer.

Urprsüglnich… okay, jetzt reicht’s auch. Ursprünglich kommt der Text aber aus England, wo 2003 folgende E-Mail kursierte:

Aoccdrnig to a rscheearch at Cmabrigde Uinervtisy, it deosn’t mttaer in waht oredr the ltteers in a wrod are, the olny iprmoetnt tihng is taht the frist and lsat ltteer be at the rghit pclae. The rset can be a toatl mses and you can sitll raed it wouthit porbelm.

Zweiter Haken: Diese “Sutide der Uvinisterät Cmbaidrge” oder auch “rscheearch at Cmabrigde Uinervtisy” hat es nie gegeben. Zwar hat mal tatsächlich ein britischer Forscher ein ähnliches Phänomen in seiner Doktorarbeit untersucht, das war aber in Nottingham, nicht in Cambridge, und ist jetzt auch schon gut 40 Jahre her.

Dritter Haken: Es stimmt nicht, dass man die Buchstaben beliebig drehen kann. Eine (tatsächlich durchgeführte) Studie hat 2006 gezeigt, dass die Lesbarkeit sehr wohl von der Reihenfolge der Buchstaben abhängt. Bhcutsabnealast kann man vielleicht noch lesen, bei Btssbclhaaauent wird’s aber eng.

Also anders buchstbaiert: Ein zhen Jrhae atler Haox, der auf eniem 40 Jhare aeltn Pähonmen brehut, ist hutee Ttielgsehcihtce bei “Blid”. Ehct ksras!

Mit Dank an Martin K. und Robert.

shz.de  

Diät-Journalismus

Das da oben sind Natali, Birte, Sabine, Angela und Jennifer. Sie sind Leserinnen des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlages (sh:z), und sie testen für uns “fitmio”.

Das ist nett von ihnen, auch wenn es scheint, dass das Ergebnis schon vorab feststeht. Über dem Bericht der Tester heißt es nämlich:

fitmio ist das erste wissenschaftlich fundierte Online-Coaching-Programm, das alltagstauglich ist und nachhaltig wirkt — ohne Diät, stattdessen mit viel Genuss und leckeren Rezepten.

Das deckt sich zufällig mit dem Urteil, das auch “fitmio” über “fitmio” fällt:

Das erste intelligente Abnehm- und Fitness-Coaching im Internet. (…) auf Basis wissenschaftlicher Forschung und dennoch einfach und alltagstauglich. (…) ohne Diät, dafür aber mit leckeren Rezepten.

Die unabhängigen Berichterstatter vom sh:z jedenfalls sind sehr angetan von dem kostenpflichtigen Abnehmangebot. Im Aufruf schrieb die Redaktion:

FLENSBURG | Sie fühlen sich zurzeit nicht wohl mit Ihrem Körper? Sie wollen die Frühjahrsmüdigkeit abschütteln und wieder fitter werden? Dann testen Sie fitmio. Das moderne Online-Trainingsprogramm begleitet Sie zwölf Wochen lang mit täglichen Trainingsanweisungen, Rezepten für eine optimale Ernährung und sorgt mit ständiger Motivation fürs Durchhalten.

Und später hieß es in einem Artikel:

Das Online-Fitnessprogramm “fitmio” macht den Frühling sportlich und gesund. (…)

Der Frühling beginnt und der Winterspeck muss weg. Dabei hilft das Online-Fitnessprogramm “fitmio”. (…) “fitmio” beruht auf den drei Säulen des Erfolgs — Ernährung, Bewegung und Motivation. Das “fitmio”-Programm wurde bewusst nicht als Diät konzipiert — damit das Durchhalten über die zwölf Wochen im Alltag leichter fällt.

Und schließlich:

fitmio begleitet die Testerinnen mit hochwertigen Rezepten, Workout- und Motivationsvideos wie auch Tipps für die Umsetzung im Alltag und wöchentlichen Erfolgsmessungen.

Verfolgen Sie hier, was unsere Testpersonen auf Ihrem Weg erleben, oder starten Sie gleich selbst Ihr 12 Wochen fitmio-Programm.

Tjaha, oder starten Sie das doch gleich selbst! Damit tun Sie auch dem Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlag etwas Gutes, denn der bekommt dann, was da nicht steht, aber shz.de-Chefredakteur Joachim Dreykluft uns auf Nachfrage bestätigt, eine Provision von “fitmio”.

Die Aktion mit den Leser-Testern sei aber “von der Redaktion initiierter Inhalt”, der “inhaltlich nicht beeinflusst wird”. Der Geschäftspartner zahle “weder für den Test noch für Erwähnung” — aber eben für jeden auf diesem Weg gewonnenen Kunden.

Bis zur Anfrage von BILDblog gab es keine Kennzeichnung, die darauf hinwies, dass der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag ein kommerzielles Interesse daran hat, Bekanntheit und Attraktivität der Marke des Diätprogramms zu steigern. Die entsprechenden Texte waren als redaktionelle Berichte präsentiert.

Inzwischen steht über der Themen-Seite das Wort “Anzeige”; auch die Ankündigungs-Artikel wurden nachträglich entsprechend markiert. Dreykluft erklärt das damit, dass man in diesem Geschäftsfeld (“Native Advertising”) noch viel experimentiere: “Wichtig ist uns dabei, transparent zu halten, was bezahlter Inhalt ist und was redaktioneller.” Die Anfrage von BILDblog sei Anlass gewesen, “im konkreten Fall nachzusteuern”.

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