1. Finanzielle Lage bei “Radio Bremen” weiter angespannt (t-online.de)
Ein Bericht des Landesrechnungshofs Bremen offenbare eine finanzielle Schieflage bei Radio Bremen, der kleinsten ARD-Anstalt. Die finanzielle Lage des öffentlich-rechtlichen Senders sei angespannt, insbesondere wegen der in den Wirtschaftsplänen enthaltenen Zukunftsverpflichtungen für die Altersversorgung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Radio Bremen habe zwar in den Jahren 2021 und 2022 Überschüsse erzielt, diese seien aber nur auf Sonder- und Einmaleffekte zurückzuführen. Kritisiert werden auch die hohen Bezüge der Intendantin und die Aufwandsentschädigungen für ehemalige Aufsichtsratsmitglieder einer Tochtergesellschaft.
2. Gesetzlicher Rahmen nötig (djv.de, Hendrik Zörner)
Das Bundeswirtschafts- und das Bundesverkehrsministerium sind mit den Vorschlägen des Europäischen Parlaments zur Regulierung von Künstlicher Intelligenz offenbar nicht zufrieden und bevorzugen eine Selbstverpflichtung statt gesetzlicher Verpflichtungen. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hält das für den falschen Weg: “Wenn es nur eine Selbstverpflichtung gibt, ist das eine Einladung zum Missbrauch”, so der DJV-Bundesvorsitzende Mika Beuster: “Die Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und Medien wären dramatisch und vermutlich irreparabel.”
3. Recherche trifft Show (taz.de, Ann-Kathrin Leclère)
Bei der Veranstaltung “Jive Klima” in Berlin sprachen neun Journalistinnen und Journalisten über konstruktiven Klimajournalismus, unterstützt von einem Mini-Orchester. Das Format, inspiriert von TED-Talks und Stand-up-Comedy aus den USA, präsentiere Journalismus live auf der Bühne und habe bereits in Ländern wie Frankreich und Finnland große Hallen gefüllt. Ann-Kathrin Leclère hat sich die Show angesehen.
4. Journalistinnen protestieren in offenem Brief gegen Schließung von Torial. (turi.de, Elisabeth Neuhaus)
Wie “turi2” berichtet, protestieren mehr als 30 Personen “einer losen Organisation von FLINTA-Journalist*innen aus dem deutschsprachigen Raum” in einem offenen Brief gegen die Schließung des Journalismus-Netzwerks “Torial”. Sie fordern, die Plattform zu erhalten: “Torial ist eine einzigartige Plattform, die es Redaktionen ermöglicht, freiberufliche Journalist*innen zu spezifischen Themen oder Regionen zu finden. Gleichzeitig bietet sie freien Journalist*innen die Möglichkeit, ihr Portfolio zu präsentieren und wertvolle Verbindungen in der Branche zu knüpfen. Mit der Abschaltung von Torial würde ein funktionierendes und äußerst wichtiges Werkzeug einfach verlorengehen.”
5. Ulrike Simon soll den RBB schon wieder verlassen (dwdl.de, Timo Niemeier)
Wie “DWDL” unter Berufung auf “Medieninsider” (nur mit Abo lesbar) berichtet, liegt die langjährige Medienjournalistin Ulrike Simon, die 2021 zum RBB wechselte, mit ihrem Arbeitgeber im Clinch. Sie soll den öffentlich-rechtlichen Sender verlassen. Timo Niemeier hat die möglichen Hintergründe und Umstände des Falls zusammengefasst, der derzeit offenbar ein Arbeitsgericht beschäftigt.
6. Verharmlosende Sprache: Mangelnde Sorgfalt oder Absicht? (infosperber.ch, Marco Diener)
Marco Diener kritisiert den sorglosen Umgang mit Sprache in vielen Medien, insbesondere bei der Berichterstattung über schwerwiegende Ereignisse. Er weist darauf hin, wie Medien durch Euphemismen wie “neutralisieren” statt “erschießen” die Realität verharmlosen. Der fahrlässige Sprachgebrauch betreffe nicht nur Medienschaffende: “Verbreitet ist er auch in der Wissenschaft, in der Werbung, in der Politik. Eigentlich bei uns allen. Denn präzises Formulieren kann schwierig sein. Und anstrengend.”
1. Jetzt auch mit Staatspropaganda direkt aus dem Kreml (horizont.net, Ulrike Simon)
Es gibt mal wieder Neues vom Ehepaar Holger und Silke Friedrich und der von ihm erworbenen “Berliner Zeitung”. Auf der Website bediene sich die Redaktion neuerdings bei der russischen Nachrichtenagentur TASS. Die “zentrale staatliche Nachrichtenagentur” werde als normale Quelle behandelt, gleichwertig mit dpa und Reuters. Bei Medienjournalist Daniel Bouhs klingt es so, als könne er die Aufregung um die Verwendung von TASS nicht so ganz nachvollziehen: “Zumindest in dem zitierten Artikel ist TASS eine Quelle neben vielen, v.a. neben seriösen wie dpa. (…) Frage ist doch immer, wie man damit umgeht.”
Die Friedrichs waren erst vor wenigen Tagen in die Schlagzeilen geraten, als die Trennung von den Chefredakteuren der “Berliner Zeitung” und des “Berliner Kuriers” bekannt wurde. Was bei der “Welt” zu Spekulationen führte: “Arntz und Jehn, beide Journalisten und Chefredakteure mit einer in der Medienbranche untadeligen Reputation, hatten nach der Enthüllung durch Welt am Sonntag, dass Holger Friedrich in der DDR als IM für die Stasi tätig war, eine unabhängige Untersuchung des Falls angekündigt.”
2. TV-Talk-Trash mit Julian Reichelt: “Bild” dir deinen Volkskörper (fr.de, Katja Thorwarth)
Katja Thorwarth hat sich den TV-Talk von “Bild”-Chef Julian Reichelt angeschaut. Dieser bediene das neurechte Narrativ des Meinungsdiktats. Die Sendung sei jedoch insgesamt so erschreckend schlicht, dass sich kein Mitbewerber sorgen müsse: “Wer sich als Teil des Volkes ‘Querschnitt’ wähnt, dürfte sich ordentlich verschaukelt vorkommen. Beziehungsweise einfach als Staffage für ein groß angelegtes Marketingprojekt, das einen künstlich hergestellten ‘Volkskörper’ die übliche Springer-Propaganda wiederkäuen lässt. Vermutlich müssen sich die Öffentlich-Rechtlichen doch nicht ganz so warm anziehen.”
3. Was soll das eigentlich mit diesen Podcasts? (zeit.de, Meike Laaff, Audio: 53:10 Minuten)
Wenn sich jemand mit Podcasts auskennt, dann die Radiojournalistin Ann-Kathrin Büüsker, die im Deutschlandfunk den Podcast “Der Tag” moderiert. Nun war Büüsker bei “Wird das was?”, dem Digital-Podcast von “Zeit Online”, zu Besuch. Es ist ein Podcast über Podcasts geworden, bei dem es unter anderem um Formatfragen, die vielfach geschmähten “Laberpodcasts” und die Konsensfalle geht.
Weiterer Lesetipp: Warum es mit Podcasts jetzt erst richtig los geht (blog-cj.de, Christian Jakubetz).
4. Zukunft ungewiss (taz.de, Peter Weissenburger)
Die Evangelische Journalistenschule (EJS) kann auf eine zwanzigjährige Geschichte mit 13 Ausbildungsjahrgängen zurückblicken. Doch derzeit sei fraglich, ob es jemals wieder einen neuen Ausbildungsjahrgang geben wird. Die Initiative “EJS retten!” befürchte das Ende der von Sparzwängen bedrohten Berliner Journalistenschule.
5. Großartige Food-Geschichten sind Mangelware (fachjournalist.de, Silke Liebig-Braunholz)
Im “Fachjournalist” erzählt Silke Liebig-Braunholz vom derzeitigen Stand des “Food-Journalismus”. Sie hat sich dazu in der Branche umgehört, wie die Nischenthemen rund um das Essen und Trinken angegangen werden. Und das ist unterschiedlicher und vielfältiger, als man zunächst annehmen könnte.
6. Medienaufseherin stellt Podcast ein, den RTL ihr geschenkt hat (uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
“Die Bremer Direktorin der Landesmedienanstalt wirft mir Sexismus vor auf Grundlage von Zitaten, die nicht von mir stammen, lässt erklären, man werde meine Fragen ‘gerne beantworten’, aber erst in mehr als einer Woche, weigert sich dann, die Fragen zu beantworten”, so der Journalist Boris Rosenkranz auf Twitter. Zu dem Fall, der bereits im Januar für Fremdschämen sorgte, geselle sich jetzt noch ein möglicher Interessenkonflikt.
Wir wünschen entspannte und besinnliche Feiertage und ein erfolgreiches, gesundes Jahr 2020.
So lautet der Spruch in der Grußkarte von “Bild”, “Bild am Sonntag” und “B.Z.”, die die Medienjournalistin Ulrike Simon heute bei “Horizont” präsentiert. Aber fehlt da nicht was? Wo steckt denn “das wichtige Wort: Weihnachten”? Will Julian Reichelt, der als Chef der Chefredakteure für alle drei Blätter verantwortlich ist, etwa eines der zentralen christlichen Feste abschaffen?
Eigentlich wäre das alles nicht der Rede wert, wenn es für die “Bild”-Medien vor ziemlich genau einem Jahr nicht der Rededer Aufregungder Kampagne wert gewesen wäre, dass in einer Weihnachtskarte der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung Annette Widmann-Mauz das aus “Bild”-Sicht “wichtige Wort: Weihnachten” fehlte.
Mehrere Tage versuchten sie bei “Bild” und Bild.de, Widmann-Mauz fertigzumachen und aus dem Amt zu schreiben:
Filipp Piatov und Franz Solms-Laubach regten sich über die “peinliche Weihnachtskarte aus dem Kanzleramt” auf. Solms-Laubach kommentierte zusätzlich: “Instinktloser Unsinn!” Briefonkel Franz Josef Wagner schrieb an die “Liebe Integrationsministerin”. Und die Redaktion ließ den selbst initiierten “Kritik-Sturm wegen beschämender Weihnachts-Karte” über Widmann-Mauz ziehen. Es war eine typische “Bild”-Kampagne, in der Julian Reichelt und sein Team aus purer Lust auf Krawall eine Kleinigkeit zum großen Skandal aufbliesen. Und für alle ganz Rechten, die das Abendland untergehen sehen, war es ein gefundenes Fressen für Hass und Hetze.
Ulrike Simon schreibt bei “Horizont”, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Axel-Springer-Verlags das fehlende “Weihnachten” noch bemerkt haben sollen:
Glück gehabt, dass Bild den eigenen Faux-pas in diesem Jahr rechtzeitig erkannte. Pech, dass HORIZONT eine von mehreren tausend Karten vor dem Einstampfen retten konnte.
1. “Wir sind keine Zensurbehörde” (tagesschau.de, Marie von Mallinckrodt)
Plattformen wie Facebook sollen Hass- und Hetzposts zukünftig der Staatsanwaltschaft melden. Dort ist man jedoch angesichts des drohenden Arbeitsanfalls wenig begeistert: “Da werden sehr, sehr viele Anzeigen auf uns zukommen. Das können wir mit dem aktuellen Personalbestand nicht leisten”, kommentiert der zuständige Staatsanwalt Christoph Hebbecker. Sein Gegenvorschlag: “Man könnte sich beispielsweise diejenigen aussuchen, die von den Betreibern der sozialen Plattformen rausgeworfen werden von ihrer Plattform. Vielleicht könnte man sich mit den Betreibern der sozialen Plattformen darauf einigen, dass diese Extremfälle bei uns angezeigt werden — und dass wir diese Extremfälle schnell, konsequent verfolgen und dann auch sanktionieren.”
2. Netzaktivist startet Archiv für Verfassungsschutzberichte (spiegel.de, Jörg Breithut)
Obwohl Verfassungsschutzberichte für die Öffentlichkeit bestimmt sind, ist es nicht möglich, ältere Ausgaben im Internet einzusehen — nur die Berichte der vergangenen drei Jahre sind abrufbar. Alles, was älter ist, werde “depubliziert” (sprich gelöscht), angeblich aus Gründen des Datenschutzes. Ein Berliner Aktivist wollte sich damit nicht abfinden und hat unter verfassungsschutzberichte.de insgesamt 320 Verfassungsschutzberichte zusammengestellt und durchsuchbar gemacht.
3. Ein eiserner Vorhang für das Netz (zeit.de, Lisa Hegemann)
China hat Internetzensur vorgemacht, nun will die russische Regierung nachziehen und einen “eisernen Vorhang für das Netz” errichten. Lisa Hegemann erklärt, wie das technisch funktionieren soll. Eine komplette Abschirmung sei bislang nicht möglich, “aber der digitale eiserne Vorhang wird auf russischer Seite deutlich undurchlässiger”.
4. Alte weiße Zeitung (taz.de, Peter Weissenburger)
Die “FAZ” hat ihren 70. Geburtstag offenbar mit AfD-Chef Alexander Gauland gefeiert. “taz”-Redakteur Peter Weissenburger kommentiert das Verhalten der Kolleginnen und Kollegen aus Frankfurt: “Fast hätten wir uns mit dem altehrwürdigen Blatt in dieser bürgerlichen Mitte einkuscheln wollen, die gerade ständig beschworen wird. Aber nun sind wir uns wieder sicher, dass wir auf eine Mitte verzichten können, zu der der rechte Rand selbstverständlich dazugehört.”
5. Der erste Schritt – Holger und Silke Friedrich über den Neustart des Berliner Verlags (berliner-zeitung.de, Jochen Arntz & Elmar Jehn & Julia Haak)
Für den Berliner Verlag und die “Berliner Zeitung” beginnt eine neue Ära. Seit Freitag gehört das Unternehmen (vormals im Besitz von Dumont) offiziell dem Ehepaar Silke und Holger Friedrich. Im Interview mit dem eigenen Blatt sprechen die beiden Neueigentümer über ihre Pläne mit dem traditionsreichen Verlagshaus, den Zeitungsmarkt und ihre “verlegerische Mission”.
Weiterer Lesetipp: Ulrike Simon mit einem kritischeren Blick als das “Wohlfühl-Interview mit den Chefredakteuren des eigenen Hauses” auf die Entwicklung beim Berliner Verlag: “Ösis helfen Ossis” (zum Lesen ist eine kostenlosen Registrierung bei “Horizont” nötig).
6. Steffi Graf: Er wollte ihr nur an die Haare! (uebermedien.de, Mats Schönauer)
Mats Schönauer ist der offizielle Regenbogenpressebeauftragte des medienkritischen Portals “Übermedien”. Dort ruft er regelmäßig zum “Schlagzeilenbasteln” auf: “Hätten Sie das Zeug, Redakteurin oder Redakteur bei der Regenbogenpresse zu werden? Finden Sie es heraus! Wir geben Ihnen eine Nachricht, und Sie versuchen, eine titelseitentaugliche Schlagzeile daraus zu basteln.” Wie immer ist man hin- und hergerissen zwischen Lachen und Weinen.
1. Amoklauf in Winnenden – Lehren aus medialen Übertretungen? (ndr.de, Daniel Bouhs & Sabine Schaper)
Vor zehn Jahren erschütterte der Amoklauf von Winnenden die Republik. Ein Jugendlicher hatte 15 Schüler und Lehrer und anschließend sich selbst erschossen. Daraufhin fiel in Winnenden die Weltpresse ein und es kam zu einer Vielzahl medialer Grenzüberschreitungen: Rücksichtslose Medienvertreter bedrängten Eltern an der Haustür, um an Opferbilder zu kommen, missachteten Film- und Fotografierverbote und plünderten die am Anfang stehenden sozialen Netzwerke, um bequem an Bilder der Opfer zu kommen. “Zapp” hat mit Anton Jany gesprochen, der vor zehn Jahren für das ZDF in Winnenden war: “Ich habe nach Winnenden überlegt, ob ich meinen Job als Journalist an den Nagel hänge” (Videolink). Der seinerzeit ebenfalls anwesende SWR-Reporter Knut Bauer konstatiert: “Ich bin fast davon überzeugt, dass, wenn so etwas wieder passieren würde, sich das ähnlich abspielen würde” (Videolink). Der auf Medienrecht spezialisierte Rechtsanwalt Christian Schertz äußert sich zum Verhalten der Medien in Winnenden und der Abwägung zwischen Persönlichkeitsschutz und Pressefreiheit: “Das Recht am eigenen Bild besteht über den Tod hinaus” (Videolink).
2. Springers Magazin-Neustart Bild Politik: Grosso-Beobachter melden ernüchternde Verkaufszahlen in Testgebieten (meedia.de, Marvin Schade)
Springers Magazin-Neustart “Bild Politik” tut sich laut “Meedia” am Kiosk schwer. Die Testmarkt-Premierenausgabe soll auf eine verkaufte Auflage von 2.500 bis 3.000 Exemplaren gekommen sein soll, bei einer geschätzten Remissionsquote von 85 bis 90 Prozent. Der Axel-Springer-Konzern habe die Verkaufszahlen auf Anfrage von “Meedia” nicht bestätigen wollen, gibt sich jedoch “sehr zufrieden”.
3. “Mögliche Veräußerung” (taz.de, Frederik Schindler)
Nachdem der Branchendienst “Horizont” es vorab gemeldet hatte, hat nun auch der Vorstand der DuMont Mediengruppe die “mögliche Veräußerung von Teilen des Portfolios der Mediengruppe” bestätigt, gibt dabei allerdings keine Einzelheiten bekannt. Die sickern jedoch nach und nach durch. Frederik Schindler sortiert den jetzigen Informationsstand und berichtet, wie Arbeitnehmerverbände, Journalistenverband und Politik auf das Ganze reagieren.
Weiterer Lesehinweis: Zeitungsforscher über DuMont: “Es wurden viele Fehler gemacht” (taz.de, Finn Holitzka).
Beachtenswert auch Ulrike Simons Zusammenstellung von bemerkenswerten Zitaten des DuMont-CEOs Christoph Bauer. Simon kommentiert nüchtern: “Das eine ist, was einer sagt; das andere, was einer tut. Öffentlich vermittelte der CEO den Eindruck, DuMont bliebe ein publizistisch getriebenes Haus, das wirtschaftlich wieder auf dem Vormarsch sei. Das war wohl ein Missverständnis” (horizont.net).
4. Mehr Einordnung wagen: Warum Lokaljournalismus im Fußball weiter wichtig ist (120minuten.net, Oliver Leiste)
Der unabhängige Fußballjournalismus hat es nicht leicht. Immer mehr Vereine treten selbst als Medienunternehmen auf und füttern ihre Internetseiten und Social-Media-Kanäle mit Spielberichten, Interviews, und vermeintlichen “Blicken hinter die Kulissen”. Doch der Medienwandel bietet auch neue Recherchemöglichkeiten. Und er kann neutral bewerten und einordnen, so Oliver Leiste in seinem Plädoyer für den Lokaljournalismus: “Kritische Beobachtung, hintergründige Berichterstattung und die Einordnung von Sachverhalten — all das können lokale Fußballreporter*innen besser als jeder andere leisten, wenn sie dafür Raum bekommen und sich nicht vornehmlich um das Verkünden von Terminen und Ergebnissen konzentrieren müssen.”
5. UN-Berichterstatterin warnt vor umstrittenem EU-Gesetz gegen Terrorpropaganda (netzpolitik.org, Alexander Fanta)
In einem Gesetzesentwurf der Europäischen Union ist die Rede davon, dass Internet-Plattformen angebliche Terror-Propaganda in dringenden Fällen binnen einer Stunde löschen müssen. Dieser Vorschlag der EU-Kommission wird stark von einer führenden Menschenrechtlerin der Vereinten Nationen kritisiert. Er schaffe eine allzu breite Definition von Terrorismus, was viele legale Inhalte aus dem Netz fegen könnte.
6. “Computer-Bild”-Urteil: Böhmermann zieht vor den BGH (dwdl.de, Uwe Mantel)
Die “Computer Bild” hat einen werblichen Beitrag für einen DVB-T2-Receiver mit einem Foto von Jan Böhmermann bebildert. Dieser sah sich damit unfreiwillig zur Werbefigur gemacht und ging dagegen juristisch vor. Das Oberlandesgericht Köln gab nun, etwas überraschend, dem Axel-Springer-Verlag Recht. Der Artikel habe zwar einen werblichen Charakter, da aber im Text auch Tipps gegeben wurden, habe er auch der Befriedigung des Informationsbedürfnisses der Leser gedient. Böhmermann hat gegenüber “DWDL” den Gang vor den Bundesgerichtshof angekündigt. Falls dies auch erfolglos bleibe, müsse die Politik handeln: “Das Europaparlament und die Bundesregierung müssen jetzt handeln und alle Verlage zur Einführung von Uploadfiltern für Zeitungen und Zeitschriften zwingen.”
Weiterer Lesehinweis: Offizielle Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Köln: “Endlich scharf: Computer Bild durfte Beitrag über DVB-T2 HD Receiver mit Jan Böhmermann bebildern” (PDF).
1. Wie Volkswagen Journalisten gängelt (horizont.net, Ulrike Simon)
Volkswagen lädt Journalistinnen und Journalisten zu einer Veranstaltung ein. So weit, so normal. Ab da wird’s aber bemerkenswert: Der Konzern schreibt vor, dass nicht fotografiert werden darf, nicht gefilmt werden darf, nicht mitgeschrieben werden darf. Und sollte anschließend doch jemand etwas veröffentlichen wollen, dann nur, nachdem er oder sie VW die Zitate “und auch die Fakten”, “die Sie gedenken zu verwenden”, zuvor zugeschickt hat. Man könne den Zugang zur Veranstaltung “leider nur gewähren, wenn wir die Artikel vor Veröffentlichung einmal sehen und ggf. ändern können”. Ulrike Simon fragt: “Heißt das mit anderen Worten: Ist der Ruf erst ruiniert, zensiert es sich ganz ungeniert?”
2. Jury-Berufung von “Don Alphonso” in der Kritik (deutschlandfunk.de, Michael Borgers)
Rainer Meyer, besser bekannt als “Don Alphonso”, sitzt in diesem Jahr erstmals in der Jury des Medienpreises des Bundestages. Dass einer, der in seinen Blog-Beiträgen und Tweets immer wieder von “Merkels Medienpaladinen”, “Relotiusmedien” und “Systemredakteuren” spricht, nun über einen renommierten journalistischen Preis mitentscheiden soll, können einige kaum fassen.
3. Raus aus der Blase: Pfleger wird Politikchef (ndr.de, Sebastian Friedrich)
Laut einer Studie haben drei Viertel der Journalistinnen und Journalisten in Deutschland einen Hochschulabschluss. Das Medienmagazin “Zapp” hat mit einem gesprochen, der über einen deutlich anderen in den Journalismus gekommen ist: Jan Jessen ist ausgebildeter Krankenpfleger, war Sänger in einer Punk-Band, wohnte in besetzten Häusern und leitet heute das Politik-Ressort der “Neuen Ruhr Zeitung”. Für ihn sei die soziale Öffnung überlebenswichtig für die Branche.
4. Ich dachte naiverweise, dass der Focus Ärzte empfiehlt, weil sie gut sind (facebook.com/yael.adlerdr, Yael Adler)
1900 Euro plus Mehrwertsteuer kostet es, um laut “Focus” ein guter Arzt, Pardon, ein “empfohlener Arzt in der Region” zu sein. Soviel will die BurdaNews GmbH haben, damit man ein entsprechendes “FOCUS-Empfehlungssiegel” verwenden darf. Yael Adler, selbst Ärztin, hat ein solches Angebot “von einem empörten Kollegen” zugespielt bekommen und bei Facebook veröffentlicht.
5. Soziale Netzwerke: Wo Mitgefühl überbewertet wird (nordbayern.de, Christian Urban)
Nach den Meldungen zum Tod zweier Jugendlicher in Nürnberg und zum Tod eines Zweijährigen in Spanien habe er mit Mitgefühl und Anteilnahme gerechnet, schreibt Christian Urban: “Das wären die Reaktionen, die man nach solch tragischen Ereignissen erwarten sollte. Nicht gerechnet hatte ich allerdings mit den Kommentaren zahlreicher Nutzer auf unseren Facebook-Seiten.” In einer recht deftigen “Wutrede” richtet sich der Online-Redakteur an jene Nutzer: “Haltet einfach die Klappe. Eure noch nicht komplett abgestumpften Mitmenschen werden es Euch danken. Und ich sowieso.”
6. Pressefreiheit auch für Saftpressen (instagram.com, Jan Josef Liefers)
“Steht er jetzt noch zu ihr?” steht in großen Buchstaben auf der Titelseite eines Klatschmagazins, dahinter die Fotos von Schauspielerin Anna Loos und Schauspieler Jan Josef Liefers. Diese Schlagzeile hat die zehnjährige Tochter der beiden offenbar so verunsichert, dass sie bei ihren Eltern in einer Familien-Whatsapp-Gruppe nachfragte, was da los sei. Liefers veröffentlichte den Chatverlauf und schrieb dazu: “Eines dieser unterirdischen Klopapiere hat es mal wieder geschafft. Seid ihr stolz auf Euch?”
1. “TV Movie” erfindet Exklusiv-Interview mit “Tatort”-Stars (dwdl.de, Thomas Lückerath)
Die aktuelle “TV Movie” wirbt mit einem “Exklusiv-Interview” mit den “Tatort“-Kommissaren Jan Josef Liefers und Axel Prahl, doch einiges spricht dafür, dass das Gespräch nie stattgefunden hat: Das „Interview“ besteht aus bekannten Textschnipseln und auch die Agentur der beiden Schauspieler weiß von keinem Gespräch. „DWDL“ hat die Bauer Media Group um eine Stellungnahme gebeten. Dort hat man sich 26 Stunden später die folgenden sibyllinischen Worte abgerungen: „Wir sind davon ausgegangen, dass diese Veröffentlichung ordnungsgemäß erfolgt ist. In der Kürze der Zeit können wir leider nicht mehr zu diesem Thema sagen“.
3. Der Fall Asef N.: “Es geht um Macht und Deutungshoheit” (nordbayern.de, Hans-Peter Kastenhuber)
Rund ein Jahr ist es her, dass ein Berufsschullehrer bei den „Nürnberger Nachrichten“ anruft und aufgeregt von einer Polizeiaktion an seiner Schule berichtet. Eine Redakteurin fährt sofort zum Ort des Geschehens und erlebt, wie ein abgelehnter 21-jähriger Asylbewerber aus Afghanistan auf rabiate Weise festgenommen wird. Als sie Tags darauf in der Zeitung die hässlichen Begleitumstände des brutalen Polizeieinsatzes erwähnt, wird sie angefeindet und teilweise übel beleidigt. Mit ihrer Wahrnehmung ist die Journalistin jedoch nicht alleine: Auch ein anwesender Dekan und ein Pressefotograf sind entsetzt. Doch Polizei und CSU-Landesregierung verkünden ihre eigene Wahrheit und begründen den Einsatz mit einer angeblichen Unterwanderung der protestierenden Schüler durch “militante Abschiebegegner” und linke Chaoten.
4. So setzen sieben deutsche Publisher Facebook-Gruppen ein (markheywinkel.de)
Der Journalist Mark Heywinkel hat sich umgehört, ob Medien nach Facebooks Änderung des Newsfeeds und Herunterstufung von Seiteninhalten nun verstärkt auf Facebook-Gruppen setzen und wie sie dabei verfahren. Seine zusammengetragenen Erfahrungsberichte ergeben ein interessantes Stimmungsbild: Es ist nicht einfach, aber zumindest alle sind dabei.
5. Heidi ist der Häuptling im Macho-Dorf (sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Viele Menschen schauen sich auch heutzutage das bereits 13 Jahre alte TV-Format “Germany’s Next Topmodel” (GNTM) an. Dabei gehöre dieser „Abgrund an Menschenfeindlichkeit“ abgeschafft, wie Carolin Gasteiger fordert. Wer einschalte, mache sich mitschuldig: „Man kann GNTM im Jahr 2018 aber nicht mehr ansehen ohne eine Haltung dazu zu entwickeln. Ohne sich einzugestehen, wie ungeniert junge Mädchen ausgenutzt und vorgeführt werden. Ohne zu erkennen, wie falsch und überholt dieses Format ist.“
6. Küss die Hand (zeit.de, Francesco Giammarco)
Zuschauer des „Neo Magazin Royale“ kennen William Cohn als den onkelhaften Typ mit den quietschigen Pullovern und der tiefen Märchenerzähler-Stimme. Wer ist dieser Cohn? Francesco Giammarco hat sich mit ihm während einer S-Bahn-Fahrt durch Berlin unterhalten.
1. Dürfen die das? (deutschlandfunk.de, Philip Banse)
Am Beispiel des Falls Dieter Wedel beschäftigt sich Philip Banse im „Deutschlandfunk“ mit dem Thema Verdachtsberichterstattung. Wann dürfen Journalisten was berichten? Banse hat mehrere Experten dazu befragt.
Zusätzlicher Gucktipp: Georg Mascolo über Verdachtsberichterstattung (facebook.com, Video, 2:55 Minuten).
2. “Es geht wirklich um etwas” (horizont.net, Ulrike Simon)
Als ehemalige SRG-Mitarbeiterin kennt die MDR-Programmchefin Nathalie Wappler-Hagen die Rundfunksysteme und Mentalitäten in der Schweiz und Deutschland. Im Gespräch mit Ulrike Simon vergleicht sie die Lage in den beiden Ländern: „Den Schweizern ist bewusst geworden, dass durch Sparmaßnahmen und Medienkonzentration einiges an Vielfalt verloren gegangen ist und dass das nicht zum gesellschaftlichen Klima beigetragen hat. In Deutschland geht es dagegen immer nur darum, was die Verleger wollen, was die KEF sagt oder wer auf welche Sendung verzichten könnte. Das überlagert die viel wichtigere Frage, wo öffentliche Meinungsbildung stattfindet und inwiefern Medien eher ein wirtschaftliches oder eben ein kulturelles Gut sind.“
3. S. Fischer vs. Project Gutenberg: Die Sperre des E-Book-Portals kennt nur Verlierer (irights.info, Johannes Haupt)
Die Betreiber der amerikanischen Gemeinfrei-Bibliothek „Project Gutenberg“ wurden von einem deutschen Gericht dazu verpflichtet, 18 Romane von 18 auf Gutenberg.org verfügbare Romane von Heinrich Mann, Thomas Mann und Alfred Döblin aus ihrem Bestand zu entfernen. Statt die Bücher auszulisten, blockiert die Seite nun alle deutschen Nutzer. Dabei handele es sich um eine Vorsichtsmaßnahme; man habe allen Grund zur Annahme, der Verlag werde „mit Hilfe deutscher Gerichte“ weitere Titel beanstanden. Bei dem Streit gibt es nur Verlierer, kommentiert Johannes Haupt: „Der S. Fischer Verlag hat einen sicherlich längerfristigen Reputationsschaden erlitten, ohne wirklich etwas gewonnen zu haben. Die Umsatzverluste durch die Gratis-Verfügbarkeit der 18 betroffenen Titel dürften nahe Null gelegen haben. Auf Gutenberg.org kommen juristische Kosten zu, die die sicherlich nicht allzu prall gefüllten Kassen weiter belasten und anderswo besser investiert wären.“
4. Lügen wird belohnt (spiegel.de, Eva Wolfangel)
MIT-Forscher haben mehr als 4,5 Millionen Tweets der vergangenen zwölf Jahre ausgewertet. Ziel der Untersuchung: Herauszufinden, wie sich Falschmeldungen und Gerüchte über Twitter verbreiten. Der Erfolg von Falschmeldungen ist vor allem auf die Vorliebe der Menschen für Überraschendes und auf Belohnungsmechanismen zurückzuführen. Die sozialen Netzwerke sind im Zwiespalt: Einerseits schaden derartige Nachrichten ihrer Reputation, andererseits generieren sie geldwerte Klicks.
5. Verbotene Liebe (sueddeutsche.de, Dunja Ramadan)
Eine große saudische Sendergruppe hat alle Seifenopern aus der Türkei aus ihrem Programm verbannt, obwohl diese eigentlich sehr beliebt sind. Offiziell soll es sich um den Versuch handeln, die türkischen Dramen durch arabische Produktionen von hoher Qualität zu ersetzen. Dunja Ramadan vermutet hinter dem Schritt allerdings politische Motive.
6. Kampagnenjournalismus bei BILD? (daniel-bouhs.de)
Matthias Döpfner ist Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE und Präsident des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger. Und er sagt manchmal Dinge, bei denen man nicht weiß, ob man betrübt schluchzen oder lauthals loslachen soll.
1. Schwache Verteidigung (taz.de, Jürn Kruse)
Jürn Kruse schwankt hin und her, ob er die Einlassungen und Rechtfertigungsversuche des „Bild“-Chefs Julian Reichelt zum #miomiogate blöd oder bigott finden soll. Dieser hatte zuletzt seine Strategie geändert und sich auf den Auftritt von „Titanic“-Redakteur Moritz Hürtgen bei „RT“ eingeschossen. Reichelt hatte u.a. getwittert: „Wer professionell gezielte Desinformation betreibt und damit RT bedient, kann sich nicht auf Freiheit der Satire berufen.“ Kruse nötigt das ein trockenes „Doch, Herr Reichelt, kann er.“ ab. „So wie Sie sich auf die Freiheit der Presse berufen dürfen, wenn Sie einen Hund in die SPD einschleusen.“
Weiterer Lesetipp: Julians Einmaleins (daily.spiegel.de, Ulrike Simon) .
2. Das Gift der asozialen Medien (wiwo.de, Dieter Schnaas)
Dieter Schnaas entwickelt in der „Wirtschaftswoche“ interessante Gedanken über „das Gift der asozialen Medien“. Die eigentliche Gefahr liege im stillen Bündnis von Politik und sozialen Medien: „Donald Trump und Mark Zuckerberg kommt es eben nicht auf Virilität und Mobilisierung an, auf die Kraft von Worten, Kriterien und Argumenten, sondern auf Zerstreuung und Entpolitisierung – auf die Entkräftung der Gesellschaft durch die Bewirtschaftung von Emotionen. Man muss Zuckerberg bei seinem Weltfriedensprojekt schon beim Wort nehmen, um es wirklich fürchten zu lernen: Er und Trump bringen die Menschen durch die systematische Trivialisierung der Welt einander näher – indem sie Nutzern und Wählern die Denk- und Diskursfähigkeit abtrainieren. Für beide, Zuckerberg wie Trump, zählt der Trend, nicht die Bedeutsamkeit. Das „Gefällt mir“, nicht dessen Grund. Der Präsenzerfolg, nicht die Arbeit an einem Ziel.“
3. „Textaufbau, Einstieg, teilweise ganze Passagen kopiert“: Focus Online löscht Artikel und entschuldigt sich für Inhalte-Klau bei Welt (meedia.de, Marvin Schade)
Zwischen den Unternehmen Axel Springer und Hubert Burda Media gibt es immer mal wieder Zoff. Axel Springer hatte dem Focus zum Beispiel„systematischen Inhalte-Klau“ vorgeworfen und war deswegen sogar vor Gericht gezogen. Es kam jedoch nicht zur Eskalation: In einer gemeinsamen Presseerklärung teilten beide Medienunternehmen damals mit, man habe sich geeinigt. Nun gibt es einen neuen Fall des Inhalte-Diebstahls: Die „Welt“ beklagt sich darüber, dass „Focus Online“ sich bei ihr allzu großzügig bedient habe („Textaufbau, Einstieg, teilweise ganze Passagen vom WELT-Original kopiert“). Mittlerweile ist der Focus-Artikel verschwunden und die stellvertretende Chefredakteurin hat sich auf Twitter entschuldigt. Die lapidare Einleitung „Fehler passieren.“, lässt ahnen, wie Ernst es ihr damit ist.
Weiterer Lesetipp: „Eindruck einer Satire-Session“: Focus Online bemüht sich jetzt um konstruktiven Journalismus (meedia.de, Marvin Schade).
4. Wozu Rundfunk-Gebühren? Frequently Asked Questions (arminwolf.at)
In der Schweiz findet in wenigen Tagen eine erbittert umkämpfte Volksabstimmung über die Erhebung von Rundfunkgebühren statt. Da die österreichische FPÖ ebenfalls die Abschaffung der „Zwangsgebühren“ fordert, hat Armin Wolf die wichtigsten Fragen und Antworten zu dem Thema zusammengestellt. In vollem Bewusstsein, dass man ihm Parteinahme vorwerfen könnte: „Jetzt können Sie natürlich sagen: Eh klar, dass er das schreibt, er kriegt ja sein Gehalt dort. Stimmt, ich bekomme mein Gehalt im ORF – großteils aus Ihren Gebühren (vielen Dank!), aber ich wäre auch für den Erhalt des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wenn ich ganz was anderes arbeiten würde. Einfach als Staatsbürger. 80 Cent am Tag ist mir das wert.“
Lesetipp zur Abstimmung über die Abschaffung der Rundfunk- und Fernsehgebühren in der Schweiz: Bastion der Demokratie (zeit.de, Thomas Beschorner & Caspar Hirschi) .
5. Steingart kritisiert zum Abschied Dieter von Holtzbrinck (dwdl.de, Timo Neumeier)
Gabor Steingart hat zu Beginn des Monats seinen Posten als Herausgeber und Geschäftsführer der Handelsblatt Media Group verloren. Nun hat er sich in einer Abschiedsmail an seine Mitarbeiter gewandt und noch einmal Verleger Dieter von Holtzbrinck kritisiert. Dessen “Handhabung der Presse- und Meinungsfreiheit in Sachen Martin Schulz” habe letztendlich zur Entfremdung geführt.
Weiterer Lesetipp: Gabor Steingarts Abschiedsbrief im Original (kress.de, Bülend Ürük).
6. Die Reaktionen auf Lena Meyer-Landruts Kleid zeigen, wie sexistisch deutsche Medien sind (vice.com, Rebecca Baden)
Eine „n-tv“-Journalistin fühlte sich durch die sexistische Berichterstattung über Lena Meyer-Landruts Auftritt bei der Berlinale gestört und schrieb einen offenen Beschwerdebrief. Diesen richtete sie jedoch nicht, wie zu vermuten, an die „Bild“, sondern an Meyer-Landrut. Ihr freundlich eingeleiteter “Liebe Lena”-Brief lese sich dabei wie „die auf Diddl-Blättern verfassten Hassbotschaften, in denen Grundschülerinnen sich die Freundschaft kündigen“, so Rebecca Baden in ihrer Erwiderung.
Ein Drama, zu dem wir nicht schweigen dürfen (spiegel.de, Hasnain Kazim)
In der Türkei werden seit Jahren Journalisten eingeschüchtert, verfolgt und eingesperrt. Nun hat es den Journalisten Deniz Yücel erwischt, der lange Jahre für die “taz” tätig war und seit einiger Zeit für die “Welt” berichtet. Offensichtlich hat der Türkei seine kritische Berichterstattung über den Umgang der türkischen Regierung mit den Medien nicht gefallen. Hasnain Kazim plädiert im “Spiegel” für Klartext: “Es ist an der Zeit, deutliche Worte zu finden und politische und wirtschaftliche Konsequenzen folgen zu lassen auf das, was in der Türkei geschieht: die Abschaffung von Demokratie und Freiheitsrechten.”
(Nur lesen, wenn genügend Beruhigungstee in der Nähe: Michael Martens empfiehlt in der “FAZ” deutschen Verlagen ihre Entsendungspolitik zu überdenken und fragt, ob es gut sei, ein Land zu lieben, über das man berichtet. Außerdem fallen noch weitere verstörende Äußerungen wie “Die Verlage schulden den Lesern Journalisten, nicht Türken vom Dienst.”)
Deniz’e özgürlük! Freiheit für Deniz! (change.org, Shahak Shapira)
Seit gestern sitzt der Journalist Deniz Yücel nicht mehr nur in Polizeihaft, sondern in Untersuchungshaft, nachdem ein Untersuchungsrichter dem Antrag der türkischen Staatsanwaltschaft gefolgt ist. Als kleines Zeichen der Unterstützung für Yücel könnten Sie sich an der von Shahak Shapira gestarteten Petition beteiligen. Dazu auch: Die “Reporter ohne Grenzen” fordern: “Deniz Yücel sofort freilassen”.
Deniz Yücel – das Haftprotokoll (welt.de, Deniz Yücel)
Es gibt Neuigkeiten vom “Welt”-Korrespondenten Deniz Yücel, der sich seit dem 14. Februar im “türkischen Polizeigewahrsam” befindet (eine viel zu wohlklingende Umschreibung für “im Knast eingesperrt”). Yücel darf zwar in seiner Zelle nicht schreiben, hat aber seinen Verteidigern einen Bericht in den Block diktiert. Ein Haft-Protokoll, das deutlich macht, wie unzumutbar und unwürdig die Haftbedingungen für die Inhaftierten sein müssen und ahnen lässt, was alles in Yücel vorgehen mag.
Warum die türkische Regierung solche Angst vor Deniz Yücel hat (vice.com, Matern Boeselager)
Auf “Vice” fragt sich Matern Boeselager, warum die türkische Regierung solche Angst vor Deniz Yücel habe. Yücels unangepasste und unbequeme Art und natürlich seine Texte seien es, die ihm schon in der Vergangenheit Ärger beschert hätten: “Deniz Yücel wusste also, dass er ein hohes Risiko einging, indem er weiter aus der Türkei über die Türkei berichtete, was er für die Wahrheit hielt. Dass er trotzdem immer weiter macht, ist genau der Grund, warum die türkische Regierung solche Angst vor ihm hat.”
PS: “taz.de” hat sechs Briefe von Kollegen und Freunden an Deniz Yücel veröffentlicht.
Intellektueller und moralischer Auffahrunfall (welt.de, Sascha Lehnartz)
Der Kommentar des “FAZ”-Korrespondenten Michael Martens zum Fall des festgenommenen Türkei-Korrespondenten der “Welt” Deniz Yücel hat viele Leser vor den Kopf gestoßen und für Entsetzen und Unverständnis gesorgt. Sascha Lehnartz hat nun in der “Welt” geantwortet und bezeichnet die Ausführungen des Kollegen, den er ansonsten schätze, als “intellektuellen und moralischen Auffahrunfall”. Und erklärt, warum genau sich der Kollege seinen Kommentar besser hätte sparen sollen.
PS: Knut Kuckel hat auf dem Nachrichtenportal “Journalistblog” Reaktionen von Behörden und Medien zusammengefasst und erklärt die Zusammenhänge.
Erdogan bezeichnet Deniz Yücel als Terror-Helfer (faz.net)
Die jüngsten Äußerungen des türkischen Präsidenten Erdogan über den inhaftierten “Welt”-Journalist Deniz Yücel lassen Schlimmes befürchten. Jedenfalls ist die Hoffnung auf eine baldige Freilassung Yücels erstmal in weite Ferne gerückt. Yücel sei ein Terror-Helfer und werde vor Gericht gestellt: „Gott sei Dank ist er festgenommen worden.“
Vorverurteilung von höchster Stelle (reporter-ohne-grenzen.de)
„Reporter ohne Grenzen“ verurteilt die Äußerungen des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Fall des in der Türkei in Untersuchungshaft sitzenden Korrespondenten Deniz Yücel: „Präsident Erdogan hat mit seinen gravierenden, durch nichts belegten Anschuldigungen jeden noch so kleinen Rest Hoffnung auf eine rechtsstaatliche Behandlung von Deniz Yücel zunichte gemacht. Spätestens nach dieser unentschuldbaren Vorverurteilung von höchster Stelle ist an ein faires Gerichtsverfahren nicht mehr zu denken. Schon alleine deshalb muss Deniz Yücel sofort freigelassen werden.”
Offener Brief an Staatspräsident Erdogan (welt.de, Ulf Poschardt)
„Welt“-Chefredakteur Ulf Poschardt appelliert in einem offenen Brief an den türkischen Staatspräsidenten, Deniz Yücel freizulassen. “Ich glaube, die Türkei und Deutschland verbindet viel. Nicht nur Millionen von Bundesbürgern mit türkischen Wurzeln, die häufig wie Deniz die doppelte Staatsbürgerschaft besitzen, sondern auch eine wechselvolle Geschichte, in der es beiden Seiten am besten ging, wenn gemeinsame Interessen gewürdigt und gepflegt wurden. Das augenblickliche Verhältnis spiegelt nicht wider, was unsere beiden Länder verbindet. Sie können das ändern. Sie vor allem.”
2. Kluger Kotau (taz.de, Georg Löwisch)
Demutsgesten der freien Presse gegenüber ihren Gegnern seien gefährlich, doch der Brief von “Welt”-Chef Poschardt an Erdogan sei richtig, so “taz”-Chefredakteur Löwisch: “Sein Ziel ist es, Deniz Yücel freizubekommen, den der Autokrat als Geisel genommen hat. Der Chefredakteur verspricht nichts, er entschuldigt sich nicht. Er macht sich allerdings klein, damit sich Erdoğan größer machen kann. Er setzt darauf, dass der Präsident vom Bild des starken Mannes lebt, der jedes Armdrücken gewinnen muss.”
Deniz Yücel ruft zu Solidaritäts-Abos für türkische Zeitungen auf (welt.de, Deniz Yücel)
Aus dem Gefängnis von Silivri übermittelt Deniz Yücel eine Botschaft an seine Unterstützer, seine Leser – und seine Heimatstadt: „Ich habe eine Bitte: Eine der ersten Sachen, die ich in diesem Gefängnis gemacht habe, war, die Tageszeitungen „Cumhuriyet“, „Birgün“ und „Evrensel“ zu abonnieren. Ich lade Sie dazu ein, ebenfalls diese Zeitungen oder eine der wenigen verbliebenen und in jeder Hinsicht unter Druck stehenden unabhängigen Medien zu unterstützen.“
Deniz Yücel seit 100 Tagen im Gefängnis (reporter-ohne-grenzen.de)
Der von den türkischen Behörden inhaftierte Deniz Yücel verbringt am heutigen Mittwoch seinen 100. Tag im Gefängnis. Anlass für “Reporter ohne Grenzen” nochmal die umgehende Freilassung zu fordern und an die anderen inhaftierten Journalisten zu erinnern. Weitere Leseempfehlung: Die “taz” hat einen Offenen Brief der #FreeDeniz-Unterstützerin Doris Akrap an Bundeskanzlerin Angela Merkel veröffentlicht.
Sich mit Deniz Yücel gemein machen? Aber ja! (rnd-news.de, Ulrike Simon)
Die ARD konnte sich nicht zu einer Aktion für den inhaftierten Journalisten Deniz Yücel durchringen und begründete dies mit dem oft strapazierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Zitat, wonach sich ein Journalist mit nichts gemein zu machen habe, auch nicht mit einer guten Sache. Medienkolumnistin Ulrike Simon hat einige der bekanntesten Kollegen, die Friedrichs gut kannten beziehungsweise sich in seiner Tradition sehen, um eine Stellungnahme gebeten. Darunter Thomas Roth, Claus Richter, Dagmar Reim, Nikolaus Brender, Stephan Lamby und Christoph Fröhder.
Flaggezeigen unerwünscht (taz.de, René Martens)
Auf Anregung des “NDR” sollten die ARD-Intendanten am Internationalen Tag der Pressefreiheit einen offenen Brief für Deniz Yücel im Fernsehen vorlesen. Doch das Vorhaben kam, angeblich nach einer Intervention des ARD-Chefredakteurs, nicht zustande. René Martens kommentiert: “Dass die ARD nicht einmal in der Lage ist, sich auf etwas Selbstverständliches zu einigen und Flagge zu zeigen, wenn es um Menschenrechtsverletzungen gegen einen Journalisten aus Deutschland geht, ist allemal besorgniserregend. Wie die Intendanten agieren, wenn wirklich einmal ein kontroverses Thema auf der Agenda steht, mag man sich gar nicht vorstellen.”
„Alles, was ich verlange, ist ein fairer Prozess“ (welt.de, Deniz Yücel)
Der “Welt”-Korrespondent Deniz Yücel sitzt in der Türkei seit vielen Wochen in Einzelhaft. Die Tatvorwürfe sind in höchstem Maße zweifelhaft. Der türkische Präsident Erdogan redet von Spionage und Terrorismus. Nun meldet sich Yücel mit einem Brief, den er seinen Anwälten bei einem Besuchstermin diktiert hat. Er wolle keineswegs “ausgeliefert” werden, sondern verlange einen fairen Prozess.
„Wenn Deniz schreibt, lebt er in einer anderen Welt“ (welt.de, Hilal Köse)
Die türkische Zeitung „Cumhuriyet“ hat mit Dilek Mayatürk Yücel gesprochen, die seit April mit dem in der Türkei inhaftierten Denis Yücel verheiratet ist. Im Interview geht es um die Haftbedingungen, aber auch um Gefühle. So endet das Gespräch mit einem Liebesgedicht und den an Denis Yücel gerichteten Worten: „Ich liebe dich sehr. Ich küsse deinen Edelmut. Und bitte, rauch nicht so viel, okay?“
Türkei-Korrespondent müsste man jetzt sein… (welt.de, Deniz Yücel)
Der Türkei-Korrespondent der “Welt” Deniz Yücel befindet sich seit März 2017 in Einzelhaft. Seinen Anwälten hat er diktiert, was man so alles zum Thema Türkei schreiben müsste. Und das ist eine ziemliche Menge… Yücels Schlusssätze: “Als Journalist könnte ich mir in diesen Tagen keine interessantere und als Bürger dieses Landes keine sinnvollere Aufgabe vorstellen als diese. Ich sag’s ja: Türkei-Korrespondent müsste man jetzt sein. Journalismus ist schließlich kein Verbrechen.”
Ein Umstand mit Geschmäckle (taz.de, Silke Burmester)
Die Entwicklungen in der Türkei mit den zahlreichen Repressionen gegen Journalisten, Juristen und Andersdenkende haben dem Image des Landes naturgemäß geschadet. Türkische Wirtschaftsorganisationen klappern nun die Anzeigenabteilungen deutscher (und ausländischer) Medienhäuser ab und winken mit Geld für großformatige Imageanzeigen mit propagandistischem Einschlag. Im Falle der “Welt”, deren Korrespondent Deniz Yücel sich seit Februar in der Türkei in Haft befindet, besonders problematisch. Selbst wenn man sich auf eine Trennung von Redaktion und Anzeigenabteilung berufe: “Die Bigotterie, dass Verlage, die sich für Demokratie und Pressefreiheit einsetzen, die noch dazu für die Freilassung ihrer Mitarbeiter kämpfen, an den Imagebeilagen der undemokratischen Staaten verdienen, bleibt.” Beim “Deutschlandfunk” hat Silke Burmester noch mal zum Thema nachgelegt.
Macht mehr Laune als ein Autokorso (faz.net, Oliver Jungen)
In Köln fand eine prominent besetzte Solidaritätsveranstaltung für Deniz Yücel statt. Günter Wallraff, Oliver Welke, Thomas Gottschalk und Olli Dittrich trugen Texte des von der Türkei inhaftierten Journalisten vor. “FAZ”-Autor Oliver Jungen war angetan von der Aktion: “Leichten Herzens verließ man diese Veranstaltung, die nicht nur gezeigt hat, wie wichtig öffentliche Aufmerksamkeit für die Verfolgten und Inhaftierten in Unrechtsregimen ist, sondern auch, welche gesellschaftsbildende Macht im Humor steckt.”
Ein Glück, dass es Deniz gibt (deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
Silke Burmester fühlt sich hin- und hergerissen, wenn es um die Berichterstattung über die in der Türkei inhaftierten Journalisten geht. Alle würden immer nur von Deniz Yücel reden, von den meisten anderen inhaftierten Kollegen aber spreche kein Mensch. “Ja, das ist blöd. Und vielleicht auch nicht fair. Aber auf der anderen Seite ist es auch für sie ein Glück, dass es Deniz gibt. Deniz, der so ein Krawallo ist, so ein journalistischer Hau-Drauf, der so viele Jahre Redakteur bei der “taz” war, dass er ein Heer an Freunden und Kollegen hat, die jetzt so laut für ihn trommeln und ihn zum Gesicht des Widerstandes gegen Erdogans Journalisten-Plattmache erheben.”
Deniz Yücels Anwälte gehen vor das Verfassungsgericht (welt.de)
Nachdem der „Welt“-Korrrespondent Deniz Yücel bereits mehrere Wochen inhaftiert ist, sind seine Anwälte nun vor das türkische Verfassungsgericht gezogen. Die Inhaftierung Yücels verletze „sein Recht auf körperliche Unversehrtheit und seine persönliche Freiheit, das Recht auf ein faires Verfahren, sein Recht auf die Unschuldsvermutung, sein Recht auf Schutz vor Verleumdung, das Recht auf Privatsphäre und freie Kommunikation sowie seine Meinungsfreiheit“. Deutsche Botschaftsvertreter haben unterdessen weiterhin keinen Zugang zu Yücel, obwohl von Seiten der Türkei eine konsularische Betreuung zugesichert worden war.
“Der Fall Yücel sollte kein Politikum sein” (welt.de, Daniel-Dylan Böhmer)
“Welt”-Korrespondent Deniz Yücel sitzt nun seit mehr als 250 Tagen im Gefängnis. Eine Anklageschrift gibt es noch immer nicht. Daniel-Dylan Böhmer hat mit Yücels Anwalt Veysel Ok gesprochen, der seinen Mandanten regelmäßig besucht und der durchaus Hoffnung hat, dass der Fall Yücel noch juristisch zu lösen ist. Am Ende des Interviews gibt es alle nötigen Informationen, wie man Deniz Yücel einen Brief zukommen lassen kann — auf Deutsch oder auf Türkisch.
Preis für Pressefreiheit: Deniz Yücel und Asli Erdoğan ausgezeichnet (dw.com)
Die türkische Autorin Asli Erdoğan und der inhaftierte Journalist Deniz Yücel erhalten den Preis für die Freiheit und Zukunft der Medien. Die Wahl der Preisträger sei eine Solidaritätsbekundung der Medienstiftung mit allen Journalisten in der Türkei, die wegen ihres Eintretens für eine freie Berichterstattung unterdrückt werden.
Türkische Opposition stellt Parlamentsanfrage wegen Deniz Yücel (welt.de)
Mehr als sieben Monaten befindet sich der Journalist und “Welt”-Korrespondent Deniz Yücel schon in Einzelhaft. Nun hat ein Abgeordneter der größten türkischen Oppositionspartei CHP im Parlament in Ankara eine kleine Anfrage gestellt, in der es u.a. heißt: “Warum wird gegen den Journalisten Deniz Yücel keine Anklageschrift erstellt, obwohl er vor rund neun Monaten in Polizeihaft genommen wurde? Warum wird Deniz Yücel in Isolationshaft gehalten und ihm eine gemeinsame Unterbringung mit anderen Gefangenen nicht gestattet?”
Klagt mich endlich an (taz.de, Doris Akrap)
Doris Akrap ist „taz“-Redakteurin und enge Freundin des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Sie kennt ihn seit dem Abitur in den frühen Neunzigern. Nun hat sie ihn auf ungewöhnliche Weise interviewt: „Meine Fragen habe ich schriftlich über Deniz’ Anwälte gestellt und Deniz hat sie über die Anwälte schriftlich beantwortet. Meine Rückfragen und seine Antworten dazu gingen dann auf demselben Weg noch zwei Mal hin und her. Dazwischen lagen jeweils mehrere Tage.“ Yücel wartet bereits seit acht Monaten auf seine Anklageschrift. Er wünscht sich: „Ich will einen fairen Prozess. Und den am besten gleich morgen. Nicht mehr. Nicht weniger.“
Politisches Rauchen (taz.de, Raphael Piotrowski)
Am Dienstagabend pünktlich um 18 Uhr füllte sich der Bürgersteig vor dem “taz”-Gebäude in der Rudi-Dutschke-Straße in Berlin mit Protestrauchern, die damit an den ehemaligen “taz”- und heutigen “Welt”-Autoren und passionierten Raucher Deniz Yücel erinnern wollten. Und an seine fortdauernde Haft in der Türkei. Auch vor dem “Spiegel”-Redaktionsgebäude in Hamburg hätten Kollegen solidarisch für Deniz Yücel gequalmt.
Deniz Yücel ist nicht mehr in Einzelhaft (welt.de, Daniel-Dylan Böhmer)
Gute Nachrichten aus der Türkei: Deniz Yücel befindet sich zwar immer noch in Haft, ist jedoch in eine Zelle verlegt worden, die über einen kleinen Innenhof mit zwei anderen Zellen verbunden ist. Nach 290 Tagen Einzelhaft ist ihm damit zumindest der Kontakt zu einem Mitgefangenen möglich, dem Journalisten Oguz Usluer, der für die türkische Tageszeitung “Habertürk” gearbeitet hat. Nach wie vor freut sich Yücel über Post, die zur Übersetzung ins Türkische an die “Welt” gesendet werden kann.
“Wir sind ja nicht in einer lustigen Netflix-Serie” (welt.de, Deniz Yücel)
Seit 300 Tagen sitzt der Journalist Deniz Yücel nun bereits ohne Anklage in einem türkischen Gefängnis. In einem offenen Brief schildert er seinen Alltag und die Umstände seiner Haft. Post erreicht ihn sporadisch, wenn sie die anstaltseigene “Brief-Lese-Kommission” an ihn weiterleitet. Da Yücel seinen Briefschreibern nicht direkt antworten kann, ist sein Bericht eine Art Sammelantwort geworden, voller Witz, Charme und Liebenswürdigkeit. Weiterer Lesetipp: “Mehr als 200 Prominente fordern Freiheit für Deniz Yücel” (“SZ”).
Deniz Yücel lehnt „schmutzige Deals“ für seine Freilassung ab (faz.net)
Der weiterhin in der Türkei inhaftierte Journalist Deniz Yücel lehnt einen etwaigen Tauschhandel zwischen Berlin und Ankara für seine Freilassung ab. Er wolle seine Freiheit nicht „mit Panzergeschäften von Rheinmetall oder dem Treiben irgendwelcher anderen Waffenbrüder befleckt wissen“. Auch wolle er keinen etwaigen Austausch mit Anhängern der Gülen-Bewegung, nach denen die Türkei fahndet. Yücel wörtlich: „Für schmutzige Deals stehe ich nicht zur Verfügung!“
Gibt es einen schmutzigen Deal? (faktenfinder.tagesschau.de, Arnd Henze)
Ist die Freilassung des “Welt”-Journalisten Deniz Yücel an Rüstungsexporte in die Türkei gebunden, wie man Äußerungen von Außenminister Sigmar Gabriel entnehmen kann? Was hat der Minister tatsächlich gesagt? Wie ist es interpretiert worden? Wie überzeugend sind seine späteren Dementis und Erklärungen? Arnd Henze vom ARD-Hauptstadtstudio sortiert und kommentiert den Vorgang.
Es reicht! (zeit.de, Özlem Topçu)
Der Türkei-Korrespondent der Tageszeitung „Die Welt“, Deniz Yücel, sitzt seit bald einem Jahr in türkischer Untersuchungshaft. „Es reicht!“, findet seine Kollegin Özlem Topçu, wünscht sich jedoch eine ausgewogene Berichterstattung, die sich ein mehrdimensionales Bild der Türkei macht: „Das Demokratieproblem in der Türkei beschränkt sich nicht auf die Regierung. Die anderen 50 Prozent, die Erdogan-Gegner, sind nicht automatisch die Verfechter der Demokratie in diesem Land. Sie sind vielmehr eine Feel good- Projektion, während die Demokraten zwischen den Lagern zerrieben werden und viele unserer Journalistenkollegen immer noch unter immensen Repressionen ihre Arbeit machen.“
Politische Geiselhaft von Deniz Yücel beenden (reporter-ohne-grenzen.de)
Mit dem morgigen Tag befindet sich Deniz Yücel ein Jahr in Haft. Der bevorstehende Jahrestag ist für „Reporter ohne Grenzen“ ein Anlass, die türkische Justiz erneut aufzufordern, den deutsch-türkischen Journalisten freizulassen: „Die fast ein Jahr anhaltende politische Geiselhaft von Deniz Yücel ist unerträglich. Dass immer noch keine Anklageschrift vorliegt und die türkische Justiz an den haltlosen Anschuldigungen festhält, ist eine Schande für die Türkei.“
Ein Jahr Unfreiheit – Deniz Yücel muss endlich raus (neuemedienmacher.de)
Die „Neuen deutschen Medienmacher“ sind ein bundesweiter unabhängiger Zusammenschluss von Journalisten und Journalistinnen mit und ohne Migrationsgeschichte. In einem offenen Brief fordern sie die Bundesregierung auf: „Seit einem Jahr sitzt unser Kollege Deniz Yücel in türkischer Haft. Wir finden: es reicht! Er hätte nie dort landen dürfen – und viele seiner Kolleg*innen auch nicht.“
365 ungeheuerliche Tage (spiegel.de, Hasnain Kazim)
Zum Jahrestag von Deniz Yücels Festnahme kommentiert Hasnain Kazim: „Yücel macht mit seiner unbeugsamen Haltung und seinen mutigen Aussagen, die seine Haftzeit nicht unbedingt verkürzen dürften, eines ganz deutlich: Rechtsstaatliche Prinzipien sind keine Basarware, über die man beim Tee verhandeln könnte. Wir beugen uns nicht! Kritik an der türkischen Regierungspolitik darf nicht verstummen.“
“Wer das für Terrorpropaganda hält, der kann nicht lesen” (sueddeutsche.de, Luise Checchin)
Heute erscheint Deniz Yücels neues Buch “Wir sind ja nicht zum Spaß hier“, das er aus der Haft heraus veröffentlicht. Herausgeberin Doris Akrap erzählt im Interview, wie man mit einem Mann im Hochsicherheitsgefängnis kommuniziert.