Suchergebnisse für ‘spiegel online’

Avarija, E-Zigaretten, Tatort

1. “Wie aus einer Panne ein Atomunfall wurde”
(tagesschau.de, Bernd Großheim)
Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk verwendet an einer Pressekonferenz das Wort “Avarija” im Zusammenhang mit einem Atomkraftwerk, worauf Journalisten eine Katastrophe fürchten.

2. “Für keine Handvoll Dollar”
(tagesspiegel.de, Patrick Wehner)
In der syrischen Stadt Homs dient Abu Emad Journalisten von BBC und CNN als Informant: “Abu Emad sagt, er habe die Journalisten ein paar Mal nach Geld gefragt, um das Internet bezahlen zu können. Und um die Akkus seiner Kamera und seines Handys aufladen zu können. Bekommen habe er nichts. ‘Vor ein paar Wochen habe ich mit einer CNN-Moderatorin telefoniert. Ich habe ihr gesagt, dass das Leben gerade richtig hart ist. Dass ich ein paar Dollar gut gebrauchen könnte.’ Sie habe geantwortet, ihr Sender könne ihm nichts bezahlen. Die Journalisten müssten unparteiisch bleiben. Bei allen anderen Medien sei es ganz genauso gewesen, sagt Abu Emad.”

3. “‘Ich muss weitermachen'”
(taz.de, Anne Fromm)
Ein Interview mit der afghanischen Journalistin Farida Nekzad: “Dass heute fast jeder Afghane ein Handy besitzt, ist der größte Fortschritt der letzten Jahrzehnte. Das eröffnet uns Journalisten ganz neue Möglichkeiten: Plötzlich erreichen wir junge Leute und Frauen – und vor allem sie uns.”

4. “Ein Ausflug in die Datenminen”
(krautreporter.de, Theresia Enzensberger und Hannes Grassegger)
Handel mit persönlichen Daten von Lesern: “Während die Redaktion der ‘Zeit’ seit Jahren engagiert gegen den Datendiebstahl durch Geheimdienste anschreibt und über die Gefahren des Missbrauchs persönlicher Daten aufklärt, bietet der Verlag des Blattes seine eigenen Kundendaten auf dem freien Markt an.”

5. “Keine Panik, liebe Raucher: Ihr dürft auf E-Zigis umsteigen”
(watson.ch, Roman Rey)
Watson.ch dementiert den eigenen Artikel “E-Zigaretten sind schädlicher als klassischer Tabak”, der jedoch unverändert online bleibt inzwischen mit einem Hinweis versehen wurde.

6. “Krimisendung ‘Tatort’: 12 Fußballer als verdächtige Verbrecher”
(90minuten.at, Martin Böswarth)
Fahndungsfotos im “Tatort”, die aus dem Panini-Album stammen.

Putin, Print wirkt, Toleranz

1. “Selbstversuch eines Teenagers: Moritz, 16, kauft eine Zeitschrift”
(spiegel.de, Moritz Deutschländer)
Moritz Deutschländer kauft und liest die Ausgabe “Der Kapitalismus” der Zeitschrift “Geo Epoche”: “Ich habe mehr erwartet, vielleicht zu viel. Ich bin enttäuscht. Die zehn Euro bereue ich zwar nicht, aber im Internet gibt’s mehr Für und Wider. Ein großer Zeitschriftenleser werde ich wohl nie mehr. Ein großer Kapitalist wahrscheinlich auch nicht. Ich schenke meine erste Zeitschrift meinen Eltern.”

2. “Es hört nicht auf zu wirken”
(operation-harakiri.de, Ralf Heimann)
Ralf Heimann schlägt der Kampagne “Print wirkt.” des Verbands Deutscher Zeitschriftenverleger VDZ neue Plakate vor.

3. “In der Regel ein Artikel pro Redaktor und Tag”
(medienwoche.ch, Antonio Fumagalli)
Welche Produktionsleistung von Journalisten einer Schweizer Tageszeitung erwartet wird: “Ein Artikel pro Redaktor und Tag. Ist es eine grössere Geschichte, können wegen Front-Text und Kommentar schnell auch drei daraus werden. Bei anderen Zeitungen mag diese Kadenz ein bisschen tiefer liegen, auf Online-Redaktionen dafür umso höher.” Siehe dazu auch “Wer schreibt noch über uns?” (zeit.de, Catherine Duttweiler).

4. “Toleranz ist die falsche Utopie”
(gruen-ist-lila.de, Johanna Braun)
“Eine tolerante Welt ist die falsche Utopie”, schreibt Johanna Braun in der von der ARD ausgerufenen Themenwoche Toleranz: “Nach Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz dürfen wir nicht bei Toleranz stehen bleiben. Ziel muss es sein, eine Gesellschaft zu kreieren, in der alle Menschen einen Platz haben, ungeachtet irgendwelcher Merkmale, die als Makel angesehen werden.”

5. “Der Lieblingsbösewicht”
(taz.de, Andreas Rüttenauer)
Andreas Rüttenauer kommentiert das ARD-Interview mit Wladimir Putin (ardmediathek.de, Video, 78:24 Minuten): “Allzu oft dominiert der Stolz darauf, einen der Großen der Politik vor das Mikrofon bekommen zu haben, den journalistischen Ehrgeiz, etwas wirklich Substanzielles aus den Gesprächspartnern herauszukitzeln. Seit den finsteren Zeiten des CSU-Staatsfunks hat sich da nicht viel geändert.”

6. “Neue Pressebild-Agentur ist auf Fotos von finster dreinblickendem Putin spezialisiert”
(der-postillon.com)

Bild  

Zwei, wie füreinander geschaffen

Der “Stern” schreibt in seiner aktuellen Ausgabe über die “gefährliche Nähe” zwischen Ex-AWD-Chef Carsten Maschmeyer und Gerhard Schröder. Laut dem Artikel soll Maschmeyer dem Altkanzler zwei Millionen Euro für die Rechte an dessen Autobiographie gezahlt haben — doppelt so viel wie bisher bekannt.

“Privates wurde mit Geschäftlichem vermischt”, finden einige Journalisten; die “Stern”-Enthüllung geht seit gestern durch alle Medien. Oder durch fast alle. Denn “Bild” hat bislang kein einziges Wort darüber berichtet, weder in der Print-Ausgabe noch online.

Woran das wohl liegt? Ist der “stern” vielleicht nicht glaubwürdig genug für ein Sorgfaltsmedium wie “Bild”? Oder hat es womöglich etwas damit zu tun, dass Béla Anda, Politikchef von “Bild”, sowohl Schröders Regierungssprecher als auch später Maschmeyers Kommunikationschef war? Wir wissen es nicht. Wir wissen nur: Auch Carsten Maschmeyer und die “Bild”-Zeitung stehen sich gefährlich nahe.

Seit Jahren sind die beiden dicke Kumpels, was praktisch ist für den Finanzmann, denn wenn mal wieder irgendwelche Vorwürfe gegen ihn laut werden, kann er sich gleich via „Bild“ vor Millionen Lesern verteidigen. Als sich etwa 2011 eine NDR-Doku kritisch mit Maschmeyer und der AWD beschäftigte, bot das Blatt ihm schon einen Tag nach der Sendung die Möglichkeit, den Vorwürfen in einem Pseudo-Verhör ausführlich zu widersprechen (BILDblog berichtete). Als “Bild” knapp ein Jahr später berichtete, dass Maschmeyer die Anzeigen für das Wulff-Buch bezahlt hatte, durfte er auch gleich seine Version der Geschichte loswerden. Als er 2013 von Günther Jauch in dessen Talkshow “attackiert” wurde, durfte er kurz darauf bei Bild.de zurückschlagen.

Die „Bild“-Zeitung gibt “Maschi”, wie sie ihn liebevoll nennt, eine Plattform, wenn er eine braucht, sie hofiert ihn über die roten Teppiche, feiert ihn als vielleicht etwas umstrittenen, aber eigentlich doch herzensguten Wohltäter, und als er Veronica Ferres heiratete („Zwei, wie füreinander geschaffen“), wünschte die „Bild am Sonntag“ natürlich „von Herzen: Alles Glück dieser Welt!“

Aber auch für „Bild“ hat die Freundschaft zu Maschmeyer so ihre Vorteile. Als Maschmeyer 2012 sein Buch veröffentlichte, war es die „Bild“-Zeitung, die vorab exklusive Auszüge daraus drucken durfte. „Bild“ erfuhr auch vor allen anderen Medien von den Morddrohungen gegen Maschmeyer, und freilich lassen er und Frau Ferres sich auch regelmäßig auf den „Bild“-Events blicken, worüber die Zeitung dann wieder ganz entzückt berichten kann.

Das hat schon fast was Symbiotisches: Maschmeyer profitiert von der Reichweite und Meinungsmacht der „Bild“-Zeitung, sie von seiner Berühmt- und Berüchtigtheit. Und von seinem Geld.

2008 spendete Maschmeyer eine Million Euro aus seinem Privatvermögen an die „Bild“-Hilfsorganisation „Ein Herz für Kinder“. Bei der Gala 2010 gab er 1,4 Million Euro, außerdem sponsorte die AWD im selben Jahr Bandenwerbung für „Ein Herz für Kinder“ im Wert von 500.000 Euro. Im vergangenen Jahr zahlte Maschmeyer erneut eine Million aus eigener Tasche an die „Bild“-Organisation. In gut drei Wochen findet die nächste Spendengala statt.

Kein Wunder, dass die „Bild“-Leute ihren Maschi lieber in Ruhe lassen.

Mit Dank an Sabine.

1. Nachtrag, 14. November: Tja, was sollen wir sagen? Heute berichtet “Bild” plötzlich doch über die Geschichte — und zwar so:

2. Nachtrag, 14. November: Béla Anda hat unseren Eintrag gelesen. Und nicht verstanden. In seinem “Bild”-Politik-Newsletter schreibt er (mit “Osnablogger” ist übrigens Stefan Niggemeier gemeint):

Bild, Focus, Stern  etc.

Wie DFB, Medien und “Die Mannschaft” auf einen Fake hereinfielen

Morgen startet in den Kinos der DFB-Werbespot WM-Film „Die Mannschaft“, in dessen Trailer* gleich zu Beginn dieses Zitat auftaucht:


(Screenshot aus dem Trailer.)

Die Filmemacher und DFB-Verantwortlichen müssen sehr stolz auf dieses Zitat sein, denn es eröffnet nicht nur den Trailer und war Inspiration für den Titel, sondern wurde gar zur „Leitidee“ des ganzen Projekts erklärt. In einer Pressemitteilung schrieb der DFB vor einigen Wochen:

Der Film […] stellt den besonderen Teamgedanken als entscheidend für den vierten Titelgewinn heraus. “Brasilien hat Neymar. Argentinien hat Messi. Portugal hat Ronaldo. Deutschland hat eine Mannschaft!” Dieses Motto, ein Twitter-Beitrag des englischen Kapitäns Steven Gerrard nach dem 7:1-Triumph des DFB-Teams im Halbfinale gegen Brasilien, ist die Leitidee.

Doof nur: Das Zitat stammt gar nicht von Steven Gerrard.

Der „Twitter-Beitrag“, auf den sich der DFB bezieht, sieht so aus:

Tweet von "Steven Gerrard" (@iSteven8Gerrard): "Brazil have Neymar. Argentina have Messi. Portugal have Ronaldo. Germany have a team!"

Da steht zwar „Steven Gerrard“, und das Foto zeigt ihn auch, doch hinter dem Account steckt nicht Gerrard selbst, sondern ein Fan. Das erkennt man zum Beispiel daran, dass über Gerrard in der dritten Person getwittert wird, oder auch am fehlenden blauen Haken (Sportler dieser Größenordnung haben in der Regel verifizierte Accounts, wie man schön an dieser Liste sieht), vor allem aber an der Profilbeschreibung, in der es heißt:

Your mouth-piece centre for #LFC transfers news and rumours #DareToGerrard #TeamGerrard

Als Website wird im Profil außerdem eine Steven-Gerrard-Fanseite verlinkt.

Kurzum: Eigentlich hätte auch der DFB darauf kommen können, dass das ach so schöne Zitat nicht vom damaligen Kapitän der Engländer stammt, sondern von irgendwem.

Und die Medien genauso. Aber die sind auch drauf reingefallen, schon damals, als der Tweet um die Welt ging. Und zwar durch die Bank. So erschien das angebliche Gerrard-Zitat unter anderem in der „Bild“-Zeitung, in der „Berliner Zeitung“, in der „Süddeutschen Zeitung“, in der „Welt“, im „Stern“, im „Focus“, im „Tagesspiegel“, in der „Badischen Zeitung“, der „Saarbrücker Zeitung“, der „Kölnischen Rundschau“, der „Rheinischen Post“, den „Aachener Nachrichten“, dem „Darmstädter Echo“, der „Westdeutschen Zeitung“, dem „Bonner General-Anzeiger“, auf den Webseiten des „Handelsblatts“, der „Berliner Morgenpost“, der „Sport Bild“, der „Augsburger Allgemeinen“, der “Sportschau”, der „Hamburger Morgenpost“, bei Web.de, T-Online, der AFP, dem SID und bei vielen, vielen mehr.

Aber vielleicht als kleiner Trost, damit wir die fußballpatriotische Ein-Hoch-auf-uns-Stimmung jetzt nicht völlig zerschießen: Es gibt noch ein anderes Zitat, nämlich vom damaligen Trainer der Brasilianer, der nach der 1:7-Niederlage gegen Deutschland sagte:

We tried to do what we could, we did our best – but we came up against a great German team.

Das knallt zwar nicht so schön, ist aber wenigstens kein Fake.

Mit Dank an David.

*Korrektur/Nachtrag, 13. November: Das falsche Gerrard-Zitat taucht nur im Trailer auf, nicht im Film selbst, wie wir zunächst geschrieben hatten. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Inzwischen haben wir auch den Verfasser des Tweets erreicht und ihm ein paar Fragen gestellt:

Hallo @iSteven8Gerrard, nur der Vollständigkeit halber: Bist Du der echte Steven Gerrard?
Nein, ich bin nicht der echte Steven Gerrard.

Du hast ja mitbekommen, dass Dein Tweet (“Deutschland hat eine Mannschaft!“) ganz schön die Runde macht. Stammt das Zitat denn von Dir oder vom echten Gerrard?
Das Zitat ist von mir. Während der Weltmeisterschaft haben meine Freunde ich darüber gesprochen, dass sich die Deutschen so gut schlagen, weil sie im Gegensatz zu Brasilien oder Argentinien als Mannschaft spielen. Dann bin ich auf Twitter gegangen, und das waren die Sätze, die mir in den Kopf kamen.

Wie heißt Du denn wirklich und worum geht’s bei Deinem Twitter-Projekt?
Mein echter Name ist Seumas Beathan. Der Twitter-Account hat als normale Fanseite [über Gerrard und den FC Liverpool] begonnen, und zurzeit arbeite ich noch an einer Website für Liverpool-Fans.

Seit Juli hat dein Tweet über 35.000 Retweets bekommen. Ist das Dein erfolgreichster Tweet?
Ich hatte ein paar, die über 1.000-mal retweeted wurden, aber dieser ist mit Abstand der erfolgreichste.

Jetzt taucht er sogar im Trailer zum offiziellen DFB-WM-Film auf und wurde zur „Leitidee“ des Projekts erklärt — ist das der krönende Moment?
Nun, ja und nein. Ja, weil es natürlich unglaublich ist, meinen Tweet im Trailer zu sehen, aber auch nein, weil ich keine Anerkennung dafür bekommen habe. Außer ein paar Journalisten und deutschen Fans hat niemand gemerkt, dass der Tweet in Wirklichkeit gar nicht von Steven Gerrard kam.

Aber hast Du denn nicht manchmal ein schlechtes Gewissen, Dich als Steven Gerrard auszugeben? Oder besser: Wenn so viele Leute glauben, Du seist er?
Ich gebe mich nicht wirklich als er aus. Offensichtlich gibt es einige Leute, die mich fälschlicherweise für den echten Gerrard halten, aber der Großteil meiner Follower ist sich bewusst, dass es ein Fan-Account ist. Und ich versuche so gut wie möglich, die Leute zu korrigieren und darauf hinzuweisen, dass es nur eine Fanseite ist.

Hat Dich jemals irgendein deutscher Journalist oder Fußball-/Film-Mensch kontaktiert, um zu überprüfen, ob Du der echte Gerrard bist?
Nein, und das enttäuscht mich. Der DFB hat mein Zitat ohne Erlaubnis benutzt, darüber bin ich ziemlich unglücklich.

Hast Du überlegt, Dir einen Anwalt zu nehmen?
Nein, das möchte ich nicht. Mir missfällt auch nicht unbedingt die Tatsache, dass der Tweet benutzt wurde, sondern dass sie mich nicht kontaktiert und es nicht geschafft haben, mich korrekt zu zitieren.

Hast Du den echten Gerrard eigentlich jemals getroffen?
Nein, leider noch nicht. Aber ich hoffe, dass ich das eines Tages werde.

Super Illu, Ebola, Restrukturierungen

1. “Die Netzflüsterer”
(datum.at, Stefan Apfl und Sarah Kleiner)
Österreichische Unternehmen beauftragen eine PR-Agentur, die schmeichelhafte Internet-Einträge über sie erstellt, “80.000 bis 100.000 PR-Postings pro Jahr”: “Wer einmal begriffen hat, wie umfassend heimische Unternehmen das Netz mithilfe der PR-Agentur Mhoch3 manipuliert haben, der wird kein Posting und keinen Onlinekommentar mehr lesen können, ohne dabei ein mulmiges Gefühl und die Frage im Kopf zu haben: Was, wenn der Mensch dahinter dafür bezahlt wurde?” Siehe dazu auch “Das Geschäft mit der gefälschten Meinung” (sueddeutsche.de, Johannes Boie).

2. “Engagiert gegen ‘Bild’-Miezen”
(ndr.de, Janina Kalle)
Die Petition “Zeigt allen Respekt – schafft das BILD-Girl ab!” (change.org) findet bisher über 11 000 Unterstützer.

3. “Experten erwarten mehr Ebola-Panikfälle in Deutschland”
(stefan-niggemeier.de, Boris Rosenkranz)
Während in manchen Monaten 40 bis 50 Malaria-Fälle diagnostiziert werden bei aus Westafrika einreisenden Personen, hat sich bis heute in Deutschland niemand mit Ebola infiziert. “Die Verdachtsfälle, die es gab, waren jedes Mal – Verdachtsfälle. Und trotzdem wurden sie vom medialen Panikorchester begleitet.”

4. “Blutarmut als Konzept”
(vocer.org, Jan Klage)
Restrukturierer Jan Klage blickt kritisch auf die Restrukturierungen bei Gruner + Jahr: “Warum aber übernimmt ein international tätiges und innovatives Verlagshaus wie Gruner + Jahr ein vier Jahre altes und immer noch umstrittenes Umstrukturierungskonzept eines mittelständischen Mitbewerbers? Weil es praktikabel ist. Und weil offensichtlich immer noch keine bessere Lösung in Sicht ist. (…) Nicht PR-Texte und Auftragsarbeiten schlecht bezahlter freier Journalisten werden die Schlacht um die Aufmerksamkeit moderner Zielgruppen gewinnen, sondern Geschichten mit Herzblut und Authentizität.”

5. “Bräsiger Mix aus Käse- und Infoblatt”
(taz.de, Jenni Zylka)
Jenni Zylka liest die “Super Illu”, “die Zeitschrift, die immer noch jede Woche von jedem fünften Erwachsenen in Ostdeutschland gelesen wird und damit, so wirbt sie seit Jahren, ‘mehr Leser erreicht als Spiegel, Stern und Focus zusammen’.”

6. “Keine üble Nachrede gegen Tiedje: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen gegen stern-Mann Tillack ein”
(meedia.de)

Die “Huffpo” und die Popcorn-Panik

Viele von uns lesen vermutlich häufiger blödsinnige Texte, als uns bewusst ist. In dem Dschungel aus Pseudo-Journalismus, Clickbaiting und zusammengeklaubten Informationsfetzen ist es ja auch schwer, den Überblick zu behalten.

Es kann aber schon helfen, zumindest die hohlsten Medien aus den Bookmarks zu streichen. Zum Beispiel die Huffington Post.

Viele von uns essen vermutlich häufiger ungesunde Lebensmittel, als uns bewusst ist. In dem Dschungel aus Fertig-Produkten, Fastfood und Diät-Produkten ist es ja auch schwer, den Überblick zu behalten. […]

Es kann aber schon helfen, zumindest die ungesündesten Produkte vom Speiseplan zu streichen.

Gut, statt der angekündigten acht folgen dann zwar neun “ungesunde Lebensmittel”, aber die Zahlen sind dann doch eher das kleinste Problem.

Fangen wir mal ganz oben in der Liste an, beim Mikrowellen-Popcorn. Die “Huffpo” behauptet:

In Mikrowellen-Popcorn sind Chemikalien zu finden, die mit Leber-, Hoden- und Bauchspeicheldrüsenkrebs in Verbindung gebracht werden. Die Perfluoroctansäure und der Stoff Diacetyl lösen Tumore und Lungenschäden aus.

Im Original ist der letzte Satz mit einem Link unterlegt, der allen Ernstes zum “Kopp”-Verlag führt.

“Kopp”-Verlag, das ist der mit den “Informationen, die Ihnen die Augen öffnen” — zum Beispiel über UFOs, Geheimdienste, den 11. September, Chemtrails, den Dritten Weltkrieg, Flug MH17, die Politik, die Medien, die Heilkraft der Kokosnuss und so weiter.

Und weil natürlich auch die Lebensmittelindustrie mit den CIA-UFO-Manipulations-Leuten unter einer Decke steckt, finden sich zwischen den Büchern über “Die Pyramiden und das Pentagon” (Untertitel: “Die streng geheimen Forschungen von Regierungen und Geheimdiensten zu mystischen Relikten, untergegangenen Zivilisationen und außerirdischen Besuchern”) und “Das Geheimnis der deutschen Atombombe” (“Gewannen Hitlers Wissenschaftler den nuklearen Wettlauf doch?”) immer wieder auch Texte zu den “Wahrheiten” über unser Essen.

Das ist der “Kopp”-Artikel, den die “Huffpo” als Quelle herangezogen hat. Es ist ein aus dem Englischen übersetzter Text von naturalnews.com, einer amerikanischen Seite, die sich auf Verschwörungstheorien aus der Medizin spezialisiert hat.

Solche Krebs-Lebensmittel-Listen kursieren schon seit Jahren. Das Mikrowellen-Popcorn ist meistens mit dabei. Im “Kopp”-Text heißt es dazu:

Die amerikanische Umweltbehörde EPA bezeichnet die Perfluoroctansäure (PFOA) im Mikrowellen-Popcorn als “wahrscheinlich” karzinogen, mehrere unabhängige Studien haben die Substanz mit der Entstehung von Tumoren in Zusammenhang gebracht. Auch das Diacetyl, das im Popcorn selbst verwendet wird, wird mit Lungenschäden und Krebs in Verbindung gebracht.

In Verbindung gebracht. “Wahrscheinlich” karzinogen. Was genau das bedeutet, verrät der Text nicht, weder bei “naturalnews” noch bei “Kopp” noch bei der “Huffpo”. Und wenn man sich mal die seriösen Quellen zu dem Thema anschaut, wird auch schnell klar, warum.

Im Jahr 2000 wurde bei mehreren Menschen in den USA eine Lungenerkrankung namens Bronchiolitis obliterans festgestellt, die möglicherweise von dem Butteraroma des Mikrowellen-Popcorns (Diacetyl) ausgelöst wurde.

Allerdings: Die Erkrankten hatten allesamt in einer Popcorn-Fabrik gearbeitet, sie waren den Diacetyl-Dämpfen also über lange Zeit und in großen Mengen ausgesetzt. Darum wird die Krankheit auch “popcorn worker’s lung” genannt.

Für den normalen Verbraucher ist das Risiko dagegen viel geringer. 2007 wurde zwar ein Fall bekannt, in dem ein Mann erkrankte, der nicht mit dem Popcorn gearbeitet, sondern es bloß gegessen hatte — allerdings hatte er sich auch zehn Jahre lang jeden Tag mehrere Packungen in der Mikrowelle zubereitet und das Diacetyl darum ebenfalls über einen langen Zeitraum inhaliert.

Die andere Substanz, Perfluoroctansäure, gilt zwar ebenfalls als gefährlich, aber erstens kommt sie nicht im Popcorn selbst vor, sondern in der Verpackung, und zweitens ist ihr Einfluss auf die menschliche Gesundheit erst wenig erforscht. Wenn, dann sind aber, wie beim Diacetyl, am ehesten Industriearbeiter betroffen, die lange und intensiv mit der Subtanz zu tun haben. Das Bundesamt für Riskobewertung ist außerdem, obwohl es die Substanz durchaus kritisch sieht, 2008 zu dem Schluss gekommen, dass “Gesundheitliche Risiken durch PFOS und PFOA in Lebensmitteln […] nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand unwahrscheinlich” seien.

Wenn es also bei “naturalnews” oder im “Kopp Verlag” heißt, dass “mehrere unabhängige Studien […] die Substanz mit der Entstehung von Tumoren in Zusammenhang gebracht” haben, dann ist gemeint: in Tierversuchen.

Davon ab: In den vergangenen Jahren haben viele Unternehmen die Mengen von Diacetyl und Perfluoroctansäure reduziert oder verzichten inzwischen ganz darauf. Wenn man also nicht gerade in einer Mikrowellen-Popcorn-Fabrik arbeitet oder sich täglich mehrere Packungen davon reinpfeift, hält sich die Krebs-Gefahr doch stark in Grenzen.

Aber solche Fakten stören dann nur bei den Panikschürern aus der Verschwörungsecke. Und die “Huffpo” streut die Viertelwahrheiten weiter, weil sie sich, statt in vernünftigen Quellen zu recherchieren, blind auf die selbsternannten Augenöffner verlässt.

Auch beim Rest der Krebs-Lebensmittel-Liste hat sich die “Huffpo”-Autorin ganz offensichtlich von den hysterischen Geschichten der “Kopp” & Co.-Jünger einlullen lassen. Wir wollen jetzt nicht zu jedem Punkt aufschreiben, was davon stimmt und welche Details verschwiegen wurden (das wäre schließlich die Aufgabe der “Huffpo” gewesen), aber ein Blick auf die Quellen erklärt schon einiges.

Der Artikel enthält 14 Links. Zwei davon gehen zu eigenen “Huffpo”-Artikeln, einer zu “Focus Online”. Alle anderen führen den Leser schnurstracks in die zwielichtige Welt der AIDS-Leugner und Chemtrail-Gläubigen.

Verlinkt ist neben dem “Kopp”-Verlag etwa das “Zentrum der Gesundheit”. Das Portal bietet laut Eigenbeschreibung “unzensierte Informationen aus den Bereichen Gesundheit, Ernährung und Naturheilkunde” — also Videos wie “Der HIV-AIDS-Schwindel” oder “Chemotherapie heilt Krebs und die Erde ist eine Scheibe” oder auch “CIA Kontrolliert Deutsche Medien”.

Eine weitere Quelle sind die “Deutschen Wirtschafts Nachrichten”, eine nicht weniger dubiose Seite, die eigentlich eher für panische Untergangsszenarien aus der Wirtschaft zuständig ist und ungefähr den gleichen Schlag von Menschen anzieht wie “Kopp” & Co.

Und schließlich beruft sich die Autorin noch auf eine Seite namens “fatkiller.guru”, auf der es um die magischen Heilkräfte der Natur geht. Da heißt es:

Warum haben wir diese natürlich heilende Magie vergessen?

Dank korrupter Politiker und die Macht der Pharmaindustrie.

Es ist nicht so, dass wir diese Wundermittel vergessen haben. “Die” wollen uns nur glauben lassen, dass sie einige schwerwiegende Risiken einschließen.

Tja. Und auf solchen Quellen basiert der ganze Artikel. Aber die “Huffpo”-Macher scheint das nicht zu stören. Der Text ist seit fünf Tagen online, die Nähe zur “Kopp”-Ecke wurde in den Kommentaren schon mehrfach kritisiert, aber passiert ist bislang: nichts.

Mit Dank an Moritz N.

Nachtrag, 29. Oktober: Inzwischen hat die “Huffington Post” den Artikel doch noch überarbeitet und am Ende einen Hinweis eingefügt:

Nachtrag: Drei der genannten Punkte basierten auf fragwürdigen Quellen. Wir haben sie daher entfernt. Wir bitten, diesen Fehler zu entschuldigen. Alle anderen Punkte haben wir ebenfalls noch einmal überprüft und weitere Quellen hinzugefügt.

Peter Frey, DNN, Tatort Autobahn

1. “Es ist ein Kampf. Sagt Herr Allenstein.”
(tagesspiegel.de, Lucas Vogelsang)
Zu Besuch in einem Kiosk in Berlin-Mitte: “Früher, sagt Frau Allenstein, haben sie fünfzehn ‘Spiegel’ verkauft. Heute werden sie in einer Woche noch zwei los. Vielleicht auch mal fünf. Kommt auf den Titel an.”

2. “Deo? Gratias!”
(stefanolix.wordpress.com)
Das “Canaletto-Gespräch” in den Dresdner Neuesten Nachrichten: “Wie stark dürfen sich die Tätigkeiten Journalismus und PR miteinander verbinden? Und: Wie unabhängig kann eine Lokalredaktion über Interviewpartner eines solchen Gesprächs berichten, wenn mit dem Unternehmen mal etwas schiefgeht?”

3. “‘Wir versuchen so objektiv wie möglich zu berichten'”
(medienpolitik.net)
“Die Zuschauer hören und sehen genau hin und sie teilen uns oft sehr unverblümt mit, womit sie nicht einverstanden sind”, stellt ZDF-Chefredakteur Peter Frey fest: “Dabei werden wir in Einzelfällen auch darauf aufmerksam gemacht, dass die Berichterstattung nicht hundertprozentig exakt war. Wir hatten zum Beispiel ein Problem mit der Übersetzung eines O-Tones, wo der Korrespondent eine Passage übernommen hatte, die nicht so übersetzt wurde, wie sie im Russischen gesagt worden war. Es stellte sich heraus, dass das, was übersetzt wurde, im Interview vorkam, aber nicht an der Stelle, die dann im Programm zu hören war.”

4. “Clickbaiting auf Kosten der GEMA”
(netzpiloten.de, Lars Sobiraj)
Lars Sobiraj beschäftigt sich mit dem Artikel “Finanziert die GEMA indirekt den IS-Terror mit?” (heise.de/tp, Peter Mühlbauer), der auch von Bild.de aufgegriffen wurde.

5. “Tatort Autobahn | Walulis sieht fern”
(youtube.com, Video, 3:13 Minuten)
“Der ganz normale Alltag auf deutschen Autobahnen.”

6. “Designierter Digital-Kommissar Oettinger täglich online”
(donaukurier.de)

Frontal21, Mario Götze, Peter Wälty

1. “Ukraine-Konflikt: Kritik an Medienhäusern”
(ndr.de, Video, 6:21 Minuten)
Die Berichterstattung zum Ukraine-Konflikt: Rund 300 Menschen demonstrieren vor dem Redaktionsgebäude des “Spiegel” in Hamburg, die ARD-Tagesschau und die ARD-Tagesthemen erhalten täglich stapelweise kritische Post (ab 4:28 Minuten).

2. “Als-ob-Information”
(demystifikation.wordpress.com)
Stefan Wagner misst eine von der ZDF-Sendung “Frontal21” in einem Beitrag (youtube.com, Video, ab 5:15 Minuten) verwendete Grafik nach.

3. “Kein Liebling der Massen”
(wdr.de, Video, 8:35 Minuten)
Die WDR-Sendung “Sport Inside” beleuchtet die Abschottung von Fußballer Mario Götze durch PR und Werbung.

4. “Deshalb nervt PR”
(blog.tagesanzeiger.ch/offtherecord, Christian Lüscher)
Christian Lüscher listet zehn Methoden auf, wie Öffentlichkeitsarbeiter versuchen, Journalisten für ihre Sache zu gewinnen.

5. “‘Diese professionelle Demutsheuchelei ist mir auf Dauer zu anstrengend'”
(persoenlich.com, Matthias Ackeret)
Ein Interview mit Peter Wälty, Leiter Digitalentwicklung und stellvertretender Chefredaktor von “20 Minuten”: “Wir kriegen 5’000 Leserbilder im Monat, davon zeigen wir vielleicht 50. Dasselbe bei den Leserkommentaren. Wir kriegen täglich um die 5’000, aber nur deshalb, weil wir die Kommentarfunktion nach 24 Stunden schliessen. Würden wir das nicht tun, hätten wir doppelt so viele.”

6. “Helmut Markwort: ‘Ja, ich bin Moritz Rodach'”
(newsroom.de, Bülend Ürük)
Helmut Markwort gibt zu, unter dem Pseudonym Moritz Rodach für “Focus Online” über den FC Bayern München geschrieben zu haben: “Ich bin ja nicht nur Fan, sondern auch Aufsichtsratsmitglied des FC Bayern. Jeder weiß das. Natürlich auch die Kollegen von Online, als sie mich baten, ihnen ein paar Fakten von einer Reise mit den Bayern durchzugeben. Es war eine Gelegenheitsarbeit – und in meinem grundsätzlichen Bemühen, ein objektiver Journalist zu sein, meine subjektive Schwachstelle.”

Asylstatistik, geschnitten serviert

Als wir vor ein paar Tagen darüber berichteten, wie die “Bild”-Zeitung Stimmung gegen Asylbewerber macht, schrieb uns ein Leser, dass auch andere Medien gezielt Panik verbreiten würden:

apropos Angstmache vor “Flüchtlingsflut”:
da machen auch Blätter wie die Frankfurter Allgemeine Zeitung mit, indem sie bspw. Statistiken manipulativ so ausschneiden, dass die aktuellen Zahlen herausstechen.

Konkret meint er eine Infografik, die vor gut drei Wochen bei Faz.net erschienen ist:

Ein ganz ähnliches Diagramm taucht derzeit auch in anderen Medien auf, etwa im aktuellen “Spiegel”* …

(Hier sind die Zahlen insgesamt niedriger, weil der “Spiegel” nur die Erstanträge zählt, Faz.net aber Erst- und Folgeanträge.)

… auf den Webseiten der “Welt” …

… oder der “Berliner Zeitung”* …

… und auch die dpa* hat eine Grafik im Angebot:

Sie alle bilden den Zeitraum von 1995 bis heute ab. Das ist zwar nicht falsch, aber: 1992 gab es mehr als doppelt so viele Asylanträge wie 1995. Auch 1991 und 1993 war die Zahl viel größer. In der Infografik werden diese Jahre aber weggelassen, wodurch der Balken für das aktuelle Jahr im Vergleich zu den anderen deutlich höher ist.

Wenn man die Grafik aber beispielsweise um fünf Jahre nach hinten ausdehnt, sieht sie nicht mehr so aus …

… sondern so:

Und wenn man noch ein paar Jahre zurückgeht, so:


(Jeweils Erst- und Folgeanträge; Quellen: “Das Bundesamt in Zahlen” & “Aktuelle Zahlen zu Asyl” des BAMF, für 2014: Schätzung des Bundesinnenministers im Mai.)

Dass die Medien nur den Ausschnitt ab 1995 zeigen, muss natürlich nicht gleich böse Absicht sein (wir vermuten eher, dass sie einfach auf die aktuelle Statistik des BAMF zurückgegriffen haben, dort werden nämlich ebenfalls nur die Zahlen ab 1995 aufgelistet), aber mit ein bisschen mehr Recherche und ein paar zusätzlichen Zahlen hätten sie erstens eine bessere Einordnung und zweitens weniger Futter für Manipulationsvorwürfe geliefert.

Mit Dank an Christian K.

Nachtrag/Korrektur, 19.05 Uhr: Einige Leser haben uns darauf hingewiesen, dass man in diesem Zusammenhang auch den “Asylkompromiss” beachten muss. Diese im Mai 1993 beschlossene Neuregelung des Asylrechts hatte unter anderem zur Folge, dass es schwieriger wurde, sich auf das Grundrecht auf Asyl zu berufen. *Wichtig ist außerdem: Bei Infografiken, die nur die Erstanträge abbilden, können die Jahre vor 1995 nicht als Vergleich herangezogen werden. Das BAMF differenziert in seiner Statistik nämlich erst seit 1995 zwischen Erst- und Folgeanträgen.

Bild.de, dpa  etc.

Die Sabberjournaille und der Sex von Reese Witherspoon

In vielen Medien ist heute vom neuen Kinofilm mit Reese Witherspoon zu lesen. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, der Zeitpunkt aber schon: Der Film startet hierzulande erst in vier Monaten, da ist es für Vorbesprechungen eigentlich noch viel zu früh.

Dass heute trotzdem schon intensiv darüber berichtet wird, liegt auch nicht am Film selbst, sondern an diesem Bild.de-Artikel von gestern Abend:

Darin heißt es:

Die brave Blondine rüttelt an ihrem Sweetheart-Image …

Reese Witherspoon (38) spricht im Interview mit der US-Zeitschrift „Vogue“ über ihren neuen Film „Wild“ (ab 5. Februar 2015 im Kino). Sie verrät, dass sie beim Dreh der Sexszenen auf echtem Sex bestand! (…)

Der Sex (…) war echt. „Ich wollte, dass es wahrhaftig und real ist“, sagt Witherspoon im „Vogue“-Interview.

Und das macht die Sache für die deutsche Sabberjournaille natürlich schon jetzt höchst interessant.

So dauerte es auch nicht lange, bis auch die dpa aufsprang und heute Morgen verkündete:

US-Schauspielerin Reese Witherspoon (38) wollte beim Dreh ihres neuen Films „Wild“ echten Leinwand-Sex und keine Schummelei. „Ich wollte, dass es wahrhaftig, dass es roh und dass es real ist“, sagte sie dem US-Magazin „Vogue“.

Inzwischen findet man die Story (mal im Newsticker, mal als redaktionell bearbeiteten Beitrag) unter anderem bei Stern.de, “Focus Online”, Welt.de, Tagesspiegel.de, “RP Online”, oe24.at, Bunte.de, den Online-Auftritten von n-tv, N24, der “Berliner Zeitung”, der “Passauer Neuen Presse”, den “Ruhrnachrichten”, des “Merkur”, des “Schwarzwälder Boten”, der “Intouch”, der “Augsburger Allgemeinen”, des “Kölner Stadt-Anzeigers” und der “Abendzeitung”.

Der Haken ist aber: Das stimmt alles gar nicht.

In dem “Vogue”-Interview, auf das sich Bild.de und die dpa berufen, sagt Witherspoon lediglich:

“I just didn’t want to hear, ‘Oh, we don’t want to see Reese have sex. . . . Oh, can we not have any profanity?’ ” says Witherspoon. “I wanted it to be truthful, I wanted it to be raw, I wanted it to be real.”

Das bedeutet aber keinesweg, dass sie echten Sex hatte. Es sollte nur auf der Leinwand echt wirken.

Allem Anschein nach wollte Witherspoon bloß ausdrücken, dass die Sexszenen in ihrer Härte und Deutlichkeit über das hinausgehen sollten, was sie bisher gemacht hat. Das wäre auch eine Erklärung dafür, warum ausschließlich deutschsprachige Medien über “echten Sex beim Filmdreh” schreiben. Englischsprachige Portale stürzen sich zwar auch auf das Zitat, aber nur, weil sie auf den Imagewechsel der Schauspielerin hinauswollen (“The girl next door is suddenly a girl gone Wild”). Von echtem Sex ist dort nicht mal ansatzweise die Rede.

Mit Dank an Björn S., Jonas G., Jan W., Markus, CL und Martin S.

Nachtrag, 15 Uhr: Die dpa hat schon vor Erscheinen unseres Eintrags eine korrigierte Version der Meldung verschickt, die inzwischen von stern.de, welt.de, pnp.de, ruhrnachrichten.de, schwarzwaelder-bote.de und merkur-online.de übernommen wurde. Die Online-Redaktion von n-tv.de hat (im Gegensatz zu den gerade genannten) auch darauf hingewiesen, dass sie ursprünglich falsch berichtet hatte. Bei allen anderen hat sich gar nichts getan.

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