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Was wir nicht alle ein bisschen sind

Im Jahr 1995 fragte der Limonadenhersteller Bluna in seiner Werbung: “Sind wir nicht alle ein bißchen Bluna?”. Im Jahr 2013 zeigte sich, dass viele Journalisten, wenn schon nicht Bluna, dann zumindest ein bisschen bekloppt sind.

3.1., “Neue Osnabrücker Zeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen genial?

4.1., “Badische Zeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen narzisstisch?

10.1., Tagesanzeiger.ch:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hipster?

10.1., “The European”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Betty?

13.1., “Sonntag aktuell”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hugo?

18.1., “Manager Magazin”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Chuck Norris?

19.1., “Rhein-Zeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Landrat?

21.1., FM4:

Sind wir nicht alle ein bisschen Tarantino?

28.1., “Cicero”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Brüderle?

30.1., “Fränkischer Tag”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Wüstling?

5.2., “Taunus Zeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Mutti?

14.2., Blick.ch:

Sind wir nicht alle ein bisschen neon?

19.2., SWR.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Linksfraktion?

20.2., Elle.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Mademoiselle?

28.2., taz.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Clown?

28.2., “Christ & Welt”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Merkel?

5.3., “Gelnhäuser Tagblatt”:

Sind wir nicht alle ein bisschen taubstumm?

6.3., “Stuttgarter Nachrichten”:

Sind wir nicht alle ein bisschen italienisch?

9.3., “Tauber-Zeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen kommunikationssüchtig?

17.3., “Hamburger Feuilleton”:

Sind wir nicht alle ein biß­chen Yoga?

27.3., Heute.at:

Sind wir nicht alle ein bisschen gaga?

5.4., “DerWesten”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Aldi?

12.4., “RP Online”:

Sind wir nicht alle ein bisschen hormongesteuert?

13.4., “Nürnberger Nachrichten”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Kaspar Hauser?

20.4., “Thüringische Landeszeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen korrupt?

23.4., Bild.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hoeneß?

23.4., Stern.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hoeneß?

24.4., “Rhein Main Presse”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hoeneß?

27.4., “Wirtschafts Woche”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hoeneß?

29.4., “Berliner Kurier”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hoeneß?”

8.5., “Tagesspiegel”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Schwabe?

12.5., “Focus Online”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Kate?

13.5., Stern.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Schlager?

24.5., “Nürnberger Zeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hoeneß?

25.5., “Allgemeine Zeitung”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Zeitung?!

6.6., “Darmstädter Echo”

Sind wir nicht alle ein bisschen Büchner?

7.6., ZDF.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Zombie?

12.6., “Schwäbische Zeitung”

Sind wir nicht alle ein bisschen Bulli?

15.6., “Stuttgarter Zeitung”

Sind wir nicht alle ein bisschen Fußball?

17.6., “Saarkurier Online”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Psycho?

25.6., “Südkurier”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Indie?

28.6., “Nürnberger Nachrichten”

Sind wir nicht alle ein bisschen Monster?

9.7., “Main Post”:

Sind wir nicht alle ein bisschen U-Bahn?

15.7., Krone.at:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hippie?

22.7., BR.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Papst?

13.8., Deutschlandfunk.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Romeo?

20.8., “Blickpunkt Brandenburg”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Elfenwald?

22.8., “B.Z.”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Seeed?

23.8., “Allgemeine Zeitung”

Sind wir nicht alle ein bisschen bling-bling?

24.8., “Saarbrücker Zeitung”

Sind wir nicht alle ein bisschen Bauer?

6.10., “Sonntag aktuell”

Sind wir nicht alle ein bisschen flexitarisch?

7.10., “Nürnberger Nachrichten”

Sind wir nicht alle ein bisschen schizo?

14.10., “Die Welt”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Tonio Kröger?

17.10., BR.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen zahlungsunfähig?

23.10., “104.6 RTL”:

Sind wir nicht alle ein bisschen BER?

25.10., “Südwest Presse”

Sind wir nicht alle ein bisschen Gaudi?

27.10., “Sonntag aktuell”

Sind wir nicht alle ein bisschen Vettel?

8.11., “Stuttgarter Nachrichten”

Sind wir nicht alle ein bisschen Pop?

11.11., Stern.de:

Sind wir nicht alle ein bisschen Wookiee?

18.11., “Tagesspiegel”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Reihenhaus?

28.11., dpa:

Sind wir nicht alle ein bisschen Beethoven?

2.12., Woman.at:

Sind wir nicht alle ein bisschen Tussi?

11.12., “Stuttgarter Nachrichten”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Hobbit?

14.12., “Heilbronner Stimme”

Sind wir nicht alle ein bisschen Truppe?

31.12., “Frankfurter Rundschau”

Sind wir nicht alle ein bisschen Tebartz?

31.12., “Die Welt”:

Sind wir nicht alle ein bisschen Porno?

Eine Legende kehrt zurück

Ach, vielleicht muss man das ja doch einfach noch einmal erzählen, wie das war damals, an jenem Samstagabend im Februar 1973, als Carmen Thomas als erste Frau zum zweiten Mal “Das aktuelle Sportstudio” im ZDF moderierte und dort, druckfrisch, die “Bild am Sonntag” des darauffolgenden Tages in die Kamera hielt, die unter der Überschrift “Charme allein genügt nicht, Frau Thomas!” bereits vor der Sendung einen Verriss gedruckt hatte, in dem der “BamS”-Autor behauptete, die Sendung, in der Thomas “irrsinnig nervös, unsicher vor der Kamera” gewesen sei, “mit einem lachenden und einem weinenden Auge” gesehen zu haben.

Auf jeden Fall aber sollte man sich noch einmal daran erinnern, wie Carmen Thomas vier Sendungen bzw. fünf Monate später mal versehentlich (und von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt) den Fußballverein Schalke 04 “Schalke 05” genannt hatte, woraufhin die “Bild”-Zeitung zwei Wochen später auf der Titelseite behauptete, die Moderatorin sei “im ZDF-Sportstudio gescheitert”, und um ihren “05”-Versprecher ein ziemliches Gewese gemacht wurde, das ihr Leben veränderte.

Doch warum schreiben wir das jetzt alles noch einmal auf?

Weil einem Moderator in der Schweiz neulich der gleiche Fehler passiert ist.

TV-Patzer in der Schweiz - Moderator: "Schalke 05 gegen Real Madrid"

Und viele Medien behaupten jetzt:

Vor 40 Jahren hat in Deutschland eine Frau deswegen sogar den Job verloren.

(Blick.ch)

Einst kostete dieser Versprecher Carmen Thomas den Job als Moderatorin des “Aktuellen Sportstudios”

(Sport1.de)

Der Versprecher kostete Frau Thomas den Job. Ihr Ruf war ruiniert.

(Welt.de)

Ein Lapsus, der vor ziemlich genau 40 Jahren Carmen Thomas den Job als Moderatorin des Aktuellen Sportstudios kostete.

(Express.de und Mopo.de)

Oder in den Worten von Bild.de:

Am 21. Juli 1973 hatte Thomas beim ZDF-Sportstudio ebenso von Schalke 05 gesprochen. In der damaligen Zeit der Todesstoß für ihre Karriere in der Männerwelt des Sports.

Dabei hat Carmen Thomas erst vor ein paar Wochen in einem Interview mit “Focus Online” erklärt:

Ich habe das “Sportstudio” noch anderthalb Jahre weitermoderiert. Aber die Lüge hält sich bis heute, dass ich damals nach dem Versprecher raus gewesen wäre.

Und der dapd sagte sie Anfang des Jahres:

Tatsächlich folgten noch eineinhalb Jahre “Aktuelles Sportstudio” […]. Aber die Legende lebt und lebt.

Mit Dank an Marvin.

“Wie makaber ist das denn?”

Der Schauspieler Paul Walker ist vor zwölf Tagen bei einem Autounfall ums Leben gekommen. “Ausgerechnet” bei einem Autounfall, wie die Medien gerne betonen, weil sie darin wahlweise eine “traurige”, “grausame”, “tragische” bzw. “dramatische” Ironie des Schicksals erkennen — Walker war nämlich vor allem durch seine Rolle in Auto-Action-Filmen bekannt geworden.

Viele Medien hatten sich bis zum Zeitpunkt des Unfalls nicht sonderlich für den Schauspieler interessiert, ab und an vielleicht bei Filmpremieren über ihn geschrieben und als er mal “mit nacktem Oberkörper gut positioniert und proportioniert im nassen Sand” lag. In der Regel aber war er ihnen ziemlich egal.

Vor zwölf Tagen hat sich das geändert. Seitdem versorgen sich soziale und klassische Medien gegenseitig mit immer neuen Geschichten, zeitweise gibt es fast stündlich “neue tragische Details” zu Paul Walker, dem “Todes-Crash”, dem “Todes-Porsche”, dem “Todesbaum” und dem “Todeskampf”. Auf allen Kanälen, rund um die Uhr: Paul Walker. “Rest in Peace” kommentieren dann Leute unter den heimlich geschossenen Paparazzi-Fotos von trauernden Angehörigen.

Eine der am häufigsten zitierten Quellen in diesen Tagen, schon das ist bezeichnend, ist das US-Promi-Klatsch-Portal “TMZ”, dessen Meldungen auch von eher seriösen deutschen Medien in Windeseile übersetzt und veröffentlicht werden – ob sie stimmen oder nicht. Die Nachricht etwa, dass Walker bei einem illegalen Autorennen gestorben sei, machte schnell überall die Runde, stellte sich später aber als falsch heraus.

Und während sich die deutsche “Huffington Post” irgendwann schon ganz metamäßig fragte, “wieso über Paul Walker mehr getwittert und ge-facebooked wird wie [sic!] über die Dritte Welt”, haben sich die Leute bei Bild.de offenbar vorgenommen, jedes Gerücht, jedes Foto, jedes traurige Detail, das sich irgendwo auftreiben lässt, mit einem eigenen Artikel zu würdigen.

25 Artikel hat das Portal seit dem Unfall über Paul Walker veröffentlicht, zwei davon im kostenpflichtigen “Bild Plus”-Bereich, die meisten prominent beworben auf der Startseite. Dazu zahllose “Schockbilder von der Unfallstelle”, Videos, Klickstrecken, Infografiken.

1. Dezember:

Der Star aus "The fast And The Furious" - Paul Walker stirbt bei Autounfall

Paul Walker aus "The Fast And The Furious" - Hollywoodstar stirbt in Porsche-Wrack

Schauspieler Paul Walker stirbt nach Autounfall - Rennfahrer Roger Rodas fuhr den Todes-Porsche - Augenzeuge: "Wir haben versucht, das Feuer zu löschen - es war einfach zu viel"

Paul Walker stirbt bei Autounfall in Los Angeles - "Fast & Furiois"-Freunde trauern auf Twitter

Hollywoodstar Paul Walker bei Auto-Unfall getötet - 30 Minuten vor dem Crash stieg er in den Porsche - Seine Leiche ist noch nicht identifizierbar - Autopsie verschoben

2. Dezember:

Bild.de-Reporterin traf Paul Walker (†49) drei Mal - Seine größte Liebe waren schnelle Schlitten - In BILD-Interviews sprach der "fast & Furious"-Star immer wieder über diese Leidenschaft

Paul Walker steckte mitten in den Dreharbeiten - Wie geht es mit "Fast & Furious 7" weiter? - "Fast & Furious"-Produzent Neal Moritz: "Wir brauchen Zeit zum Trauern..."

Toter "Fast And Furious"-Star - Hat seine Tochter (15) Paul Walker sterben sehen?

Hollywoodstar Paul Walker stirbt bei Autounfall - Überwachungskamera zeigt gewaltige Explosion

3. Dezember:

Paul Walker senior - Eine Liebeserklärung an seinen toten Sohn - Wir sollen Hollywoodstar Paul Walker († 40) als Strandjungen in Erinnerung behalten

Tochter, Freundin und Ex am Boden zerstört

Paul Walker - Die Polizei rekonstruiert seine letzten Minuten - Der Schauspieler raste mit Tempo 162 in den Tod!

4. Dezember:

Wie Fans des Kinostars an der Unglücksstelle trauern - "Paul Walker war ein Ersatzvater für mich"

Vorläufiger Autopsiebericht da - Paul Walker starb "innerhalb von Sekunden" - War eine Gasleitung schuld an der gewaltigen Explosion?

5. Dezember:

Versuchte er noch, aus dem Auto zu fliehen? - Paul Walker: 60 Sekunden Todeskampf?

Paul Walker Freundin Jasmine Pilchard-Gosnell - Ihr schwerer Gang zu seinem Haus

Viel zu früher Tod - Wird Paul Walker der nächste James Dean? - Beide starben im porsche, beide wurden mit einem Rennfilm zum Star

6. Dezember:

Polizei nimmt 18-Jährigen fest - Dach von Paul Walkers Todesporsche geklaut

Paul Walker - Im Internet lebt der Schauspieler weiter - Familie und Kollegen posten auf seinem Facebook- und Twitter-Profil

7. Dezember:

Einsatzprotokoll belegt - Paul Walker war bereits tot, als die Feuerwehr eintraf - Er starb im Porsche Carrera GT - seinem "Traumauto", wie er einst in einem Interview sagte

8. Dezember:

Für seine Tochter! - Paul Walker wollte mit der Schauspielerei aufhören - "Fast & Furious" wird zu Ende gedreht

9. Dezember:

Mit Tausenden Fans - Trauerfeier für Paul Walker

Abschied von Paul Walker († 40) - Paris Hilton schickt Gruß in den Himmel

11. Dezember:

Paul Walker († 40) - Ein Stück Plastik könnte den Unfall ausgelöst haben

Eine nicht enden wollende Flut von Spekulationen, Belanglosigkeiten und Sätzen wie:

Der Tod kommt an den unspektakulärsten Orten. Selbst bei einem Hollywoodstar. Selbst bei einem wie Paul Walker (40), der alles hatte und den alle liebten.

Am dritten Tag nach seinem Tod bekam er eine eigene Bild.de-Themenseite, zwei Tage später schrieb das Portal über den Mann, den es bis dato kaum beachtet und den ein Teil der Leser vermutlich nicht mal gekannt hatte:

Hollywood hat eine neue Legende. Paul Walker.

Vor ein paar Tagen stellte Bild.de dann besorgt fest, dass mittlerweile ein “irrer Fan-Kult um Paul Walker” entstanden sei. Die Frage nach den möglichen Ursachen wird dabei natürlich nicht beantwortet, sie wird nicht mal gestellt. Stattdessen gibt es die nächste importierte “TMZ”-Klatschgeschichte: Ein Mann hatte angeblich versucht, “sechs Stück verkohlte Baumrinde” vom Unfallort im Internet zu versteigern.

Rinde von Todesbaum auf Ebay gestellt - Irrer Fan-Kult um Paul-Walker († 40)

Bild.de fragt:

Wie makaber ist das denn?

Während Familie, Fans und Freunde um den bei einem Autounfall tödlich verunglückten Schauspieler Paul Walker († 40) trauern, gibt es Menschen, die daraus Profit schlagen wollen.

Man kennt das ja.

Süddeutsche Zeitung, Schweinefleisch, PR

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Kein Verbot von Schweinefleisch in Kantinen der Stadt Stuttgart”
(stuttgart.de)
Die Stadt Stuttgart dementiert einen “Bild”-Bericht: “Richtig ist, dass es keine zwingende Vorgabe gibt, auf Schweinefleisch zu verzichten. Ebenso wenig sind Pommes in städtischen Kantinen verboten, wie es die Zeitung vermeldete.”

2. “Wozu sachlich, wenn es auch emotional geht: Mit der ‘Süddeutschen Zeitung’ im Prenzlauer Berg”
(blogs.taz.de/reptilienfonds, Jakob Hein)
Die “Süddeutsche Zeitung” vom 22. November berichtet auf ihrer “Seite 3” über Ereignisse im (von vielen Journalisten bewohnten) Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.

3. “Die SZ: Verlaufen im Elfenbeinturm der Klimapolitik”
(climatechaos.tumblr.com)
“Vor uns die Sintflut”, ein “ratloser und planloser Leitartikel zum Klimawandel” in der “Süddeutschen Zeitung”: “Wie kann es sein, dass im Meinungs- und Politikressort der SZ ein Politikverständnis herrscht, bei dem Politik etwas ist, was irgendwo im Abstrakten passiert. Wo aber Subjekte bennenen, Orte sichtbar machen, Konsequenzen aufzeigen und Konsequenzen durchsetzen tabu ist.”

4. “Eine Medienhysterie”
(nzz.ch, Eberhard W. Kornfeld)
Wie der Galerist Eberhard W. Kornfeld den durch die “Focus”-Titelgeschichte “Der Nazi-Schatz” ausgelösten Rummel um den Kunstfund in München erlebt: “Der Artikel löste eine Medienhysterie von seltenem Ausmass aus; der Fall wurde international breit übernommen: Ich war plötzlich der ganz grosse Bösewicht. Jede Zeitung stürzte sich auf das Thema ohne jegliche Rücksicht auf präzise Information. ”

5. “Sonneborn und die Deutsche Bank: Lachen wir über die Richtigen?”
(fair-radio.net, Jonathan Hadem)
Das Interview, das Martin Sonneborn mit Stefan Georgi von der Deutschen Bank geführt hat: “Alle Welt diskutiert über das ‘richtig oder falsch’ von Sonneborns Methode. Die Kritik müsste aber eigentlich an all jene Journalisten gerichtet werden, die diese vorgefertigten Interviews und PR-Angebote tagtäglich annehmen und als richtigen Journalismus verkaufen.”

6. “Pressesprecher Bullshit-Pingpong”
(geprothmannt.de)
Ein Dialog zwischen einem Journalist und einem Pressesprecher.

Man sollte nicht die Hälfte weglassen

Der Chef der indischen Bundespolizei steht derzeit massiv in der Kritik. Auf einer Konferenz hatte er seine Haltung gegenüber Sportwetten zum Ausdruck bringen wollen: Diese sollten legalisiert werden, weil ein Verbot schwer durchzusetzen sei.

Seine Wortwahl war allerdings völlig daneben:

Wenn man das Verbot von Sportwetten nicht durchsetzen kann, ist es, als würde man sagen: “Wenn man eine Vergewaltigung nicht verhindern kann, sollte man sie genießen”.

(Übersetzung von uns.)

Ohne Frage ein wirklich dummer Vergleich.

Aber mit Dummheit kennen sich deutschsprachige Medien ja aus. Und so wurde aus dem Zitat heute das hier:

“Focus Online”:
Skandal-Aussage entsetzt indien - Indischer Polizei-Chef rät, Vergewaltigungen zu genießen

Augsburger-allgemeine.de:Polizeichef: "Vergewaltigung sollte man genießen"

Heute.at:Welle der Empörung in Indien - Polizeichef: "Man soll Vergewaltigung genießen"

Hna.de:Abscheulicher Kommentar von Polizeichef: "Vergewaltigungsopfer sollten es genießen"

Bild.de:INDISCHER POLIZEICHEF KOMPLETT IRRE - "Vergewaltigungen sollte man genießen"

20min.ch:INDIENS POLIZEICHEF - "Man sollte die Vergewaltigung genießen"

Welt.de:Indien - Polizeichef rät dazu, "Vergewaltigung zu genießen"

Kurier.at:Polizeichef rät: "Vergewaltigung genießen"

T-online.de:Empörung in Indien - Polizeichef empfiehlt: Vergewaltigun "ruhig genießen"

Dass damit die Aussage des Polizeichefs ziemlich verzerrt wird, hat bislang nur “RP Online” gemerkt – und die Überschrift transparent in “Polizeichef sorgt mit Vergewaltigungs-Vergleich für Proteste” umgeändert.

Mit Dank an Marc B.

Nachtrag, 19.45 Uhr: Bild.de, Welt.de, Hna.de und “Focus Online” haben ihre Überschriften geändert.

Nachtrag, 14. November: Bis auf Heute.at haben sich jetzt auch die anderen Medien mehr oder weniger korrigiert.

Sonne, Mond und Untergang des Abendlandes

Heute ist Martinstag. Mancherorts wird dieser Gedenktag schon etwas früher begangen, zum Beispiel in Hessen, genauer: in Bad Homburg. Dort sind die Kinder und Eltern einer Kita schon am Donnerstag mit ihren Laternen durch die Straßen gezogen. Dabei war im Grunde alles so wie immer. Bis auf die Tatsache, dass der Umzug diesmal von vielen Medien begleitet wurde — und von Polizisten.

Denn im Vorfeld des Umzuges hatte es eine heftige Diskussion und sogar Drohungen gegenüber den Kita-Mitarbeitern gegeben. Auslöser der Aufregung war ein Bericht in der “Taunus Zeitung”, dem Lokalteil der “Frankfurter Neuen Presse”.

Der verkündete am 30. Oktober:Mond und Sterne statt St. Martin - Homburger Kita benennt das Martinsfest um - Aus Rücksicht auf Mitglieder anderer Kulturkreise wird in der städtischen Kita Leimenkaut nicht mehr St. Martin, sondern das "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest" gefeiert. Dafür haben nicht alle Eltern Verständnis.
Der Autor beruft sich darin auf “etliche Eltern”, von denen aber nur ein Vater und eine Mutter zu Wort kommen, beide anonym. Der Vater sagt, es sei “irgendwie eine Durchmischung von Festen”. Und die Mutter behauptet, ihr sei gesagt worden, die Bezeichnung “Sonne-Mond-und-Sterne-Fest” sei “politisch korrekter”.

Zwar wird auch der Stadtsprecher zitiert, der sagt, es gebe keinerlei religiöse Hintergründe für diese Bezeichnung, doch dem wurde offenbar keine große Bedeutung beigemessen. Nicht von der “Taunus Zeitung” — und erst recht nicht vom islamfeindlichen Hetzblog “Politically Incorrect”, das noch am selben Tag schrieb:
Bad Homburg: Kita benennt Martinsfest umOffenbar sind unsere Kultur und unser Brauchtum wirklich etwas Anstößiges, zumindest für alle Rechtgläubigen. Aber anstatt unsere Werte, unsere Feste und Sitten zu verteidigen und hochzuhalten, wird sich weggeduckt und in vorauseilendem Gehorsam alles aufgegeben, was bisher zu unserem Leben gehörte. Nun hat auch eine Kita in Bad Homburg ihren Beitrag zur Abschaffung Deutschlands geleistet.
Von “empörten Eltern” ist dann die Rede und von “Speichelleckerei auf Kosten unserer Traditionen und Werte” und davon, dass “nichts Christliches mehr stattfindet in unseren Kindertagesstätten, Schulen oder auch auf öffentlichen Plätzen”. Der Text endet mit den Kontaktdaten der Kita.

Unter dem Artikel brach innerhalb weniger Minuten ein Sturm der Entrüstung los. Über 150 Kommentatoren warnten vor der “Islamisierung” Deutschlands, forderten den “Widerstand der deutschen Eltern und Bürger” und warfen der Kita-Leitung (im Ernst!) Rassismus vor.

Einen Tag später griff “T-Online” den Fall auf:
"Politisch korrekter" - Kita benennt Sankt-Martin-Fest umIn der Bad Homburger Kita Leimenkaut (Hochtaunuskreis) wird nicht mehr St. Martin, sondern das "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest" gefeiert. Wie die Frankfurter Neue Presse (FNP) berichtet, geschieht das offenbar aus Rücksicht auf nicht-christliche Kulturkreise.
Die Kommentarfunktion wurde kurz darauf “wegen zahlreicher menschenverachtender Kommentare” geschlossen.

Was der “T-Online”-Bericht allerdings nicht erwähnt: Die Stadt hatte der Darstellung der “Taunus Zeitung” noch am Abend zuvor vehement widersprochen:
Stadt: Kita Leimenkaut feiert St. Martin - Bad Homburg v.d.Höhe. Die städtische Kindertagesstätte Leimenkaut feiert durchaus St. Martin. Darauf weist die Stadt in einer Pressemitteilung hin.
Darin heißt es, der Name des Festes sei, anders als von der Zeitung behauptet, “niemals offiziell geändert worden, auch wenn von Eltern und Beschäftigten umgangssprachlich ein anderer Name verwendet wird.” Dies gehe “auf ein vergangenes Martinsfest” zurück, “bei dem eine Suppe mit Sonnen, Monden und Sternen als Einlage ausgegeben worden war.”

Die Bezeichnung habe sich dann verselbstständigt und sei intern noch heute gebräuchlich:

Die Kindertagesstätte selbst kündigt den Termin intern unterschiedlich an, in einigen Jahren als St.-Martins-Fest, in diesem Jahr zum Beispiel als Sonne-Mond-und-Sterne-Fest in Verbindung mit einem Martinsfeuer.

Die Stadt teilt mit, weder die Kita-Leitung noch die Verwaltung habe gegenüber Eltern weltanschauliche Gründe für die Bezeichnung geltend gemacht. Es sind von keiner dieser Stellen Aussagen über eine “politisch korrekte” Namenswahl gemacht worden.

Schließlich hält die Stadt fest:

Die Kindertagesstätte Leimenkaut wird auch weiter St. Martin feiern – und wenn jemand das als “Sonne-Mond-und-Sterne-Fest” bezeichnen möchte, darf er das auch weiterhin tun.

Klingt nach einem versöhnlichen Ende, mit dem eigentlich alle zufrieden sein könnten. Aber nein — jetzt ging’s erst richtig los.

“Politically Incorrect” schoss nochmal nach und zeigte sich “in keinster Weise” überzeugt von den Argumenten der “rückgratlosen Gutmenschen”. Erneut stimmten die Kommentatoren wutschnaubend zu. Und erneut endete der Text mit der E-Mail-Adresse eines Stadt-Mitarbeiters — eine Masche, die genau das bewirkte, was sie bewirken sollte: Kita-Leitung und Stadt erhielten Hunderte von anonymen Mails, in denen die Verantwortlichen beleidigt und bedroht wurden: “Wir werden Eure Hütte verbrennen. Wir werden Euch niederschlagen”, zitierte der Sozialdezernent später daraus.

Inzwischen hatten auch andere Medien Wind von der Sache bekommen. Und obwohl viele von ihnen auch auf die Stellungnahme der Stadt eingingen, wurde in den meisten Überschriften und Anreißern trotzdem suggeriert, die Kita hätte das Fest offiziell umbenannt oder gar abgeschafft:

“Focus Online”:
"Sonne, Mond und Sterne"-Fest - Kita benennt Sankt-Martins-Fest um - In Bad Homburg heißt das Sankt-Martins-Fest nicht mehr wie früher. Eine städtische Kita feiert lieber das "Sonne-Mond-und-Sterne-Fest". Angeblich sollte sich niemand diskriminiert fühlen.

“Junge Freiheit”:
Bad Homburger Kita benennt Sankt-Martin-Fest um

“Berliner Kurier” und “Hamburger Morgenpost”:

Deutsche Kita schafft Sankt Martin ab

Handelsblatt.com:Kuriose Umbenennung - Aus Sankt Martin mache Sonne-Mond-und-Sterne-Fest

“Express”:

Kita schafft Sankt Martin ab

FAZ.net:
Bad Homburg - Kindergarten wegen Umbenennung des Martins-Fest bedroht - Weil in einem Kindergarten in Bad Homburg vor Jahren zum Martinsfest Sonne-, Mond- und Sterne-Nudeln gereicht wurden, soll das traditionelle Fest nun anders heißen. Den Kita-Mitarbeiter wird seitdem Gewalt angedroht.

Bild.de:
WEIL ES ANGEBLICH DISKRIMINIEREND IST - Kita will St. Martin abschaffen

Ksta.de:
MARTINS-FEST UMBENANNT - Kita-Mitarbeiter mit Gewalt bedroht - Ein städtischer Kindergarten im hessischen Bad Homburg hat das Sankt-Martins-Fest in Sonne-Mond-und-Sterne-Fest umbenannt. Jetzt werden Kita-Mitarbeiter mit Gewalt bedroht, nachdem ein rechter Blog das Thema aufgegriffen hatte.

Jene Leute, die beim Streifzug durch die Medien nur die Überschriften und Teaser lesen (und das sind erfahrungsgemäß nicht gerade wenige), mussten also davon ausgehen, dass die Kita das Fest tatsächlich offiziell umbenannt hat. Darunter auch einige Journalisten, die selbst mehrere Tage nach der Stellungnahme der Stadt in ihren Artikeln ohne jede Einschränkung behaupteten, die Kita feiere aus Gründen der politischen Korrektheit “statt Sankt Martin ein ‘Sonne-Mond-und-Sterne-Fest'”.

Die Folge: Auch von den Lesern der seriösen Medien wurde die Kita in unzähligen Kommentaren und Leserbriefen attackiert — oder aber in Stellungnahmen von Politikern, die plötzlich überall auftauchten. So bezeichnete ein CDU-Politiker es als “absoluten Unsinn”, dass die Kita den St. Martinsumzug “nur noch ‘Sonne-Mond-und-Sterne-Fest’ nennen” wolle. Das sei “mehr als eine Farce” und eine “hirnrissige Idee” und so weiter. Ein weiterer CDU-Mann warf der Stadt vor, den Vorfall “herunterzuspielen” und bescheinigte den “Wortschöpfern” ein “zerrüttetes Verhältnis zu Glaube und christlicher Tradition”.

Die “Taunus Zeitung” beharrte weiter auf ihrer ursprünglichen Darstellung und schrieb von einem “fragwürdigen Auftritt” des Stadtrats Dieter Kraft (Grüne), der bei einer “emotionalen Ansprache” einen “Journalisten der Taunus Zeitung öffentlich an den Pranger” gestellt habe. Die Suppen-Geschichte wollen die Journalisten der “Taunus Zeitung” der Stadt einfach nicht glauben — auch nicht die Alternativversion, wonach der Name “Sonne-Mond-und-Sterne-Fest” sich auf das bekannte Kinderlied “Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne” beziehe. Andererseits bleibt der einzige Beleg für die Theorie, dass die Kita dem Fest aus politischer Korrektheit einen neuen Namen geben wollte, weiterhin nur die anonyme Behauptung einer einzelnen Mutter.

Wessen Version nun stimmt, lässt sich wohl nicht abschließend klären. Der Laternen-Umzug der Kita hat jedenfalls vor ein paar Tagen wie geplant stattgefunden — inklusive Medienrummel und Polizeischutz. Zum Glück blieb alles friedlich.

Dieser Fall erinnert ein wenig an die Geschichte, in der es vor zwei Monaten hieß, Berlin-Kreuzberg wolle Weihnachten verbieten: Damals erzählten die Zeitungen nur die halbe Wahrheit, die Politiker polterten gleich los, und die rechte Ecke hatte genug Stoff, um “Christenhasser!” zu schreien und Stimmung gegen Ausländer zu machen.

Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, täten Journalisten, Politiker, Kirchenvertreter und Leser also gut daran, sich bei solchen Debatten in Zukunft gründlich zu informieren — und vielleicht einfach mal ein bisschen entspannt zu bleiben. So wie die Eltern, deren Leserbrief die “Taunus Zeitung” einen Tag vor dem Laternen-Umzug der Bad Homburger Kita abgedruckt hat:

Wir feiern in dieser Woche mit der Kita Leimenkaut und hoffentlich allen Kindern wie geplant – und nebenbei wie in jedem Jahr seit unsere Kinder die Einrichtung besuchen – Sankt Martin mit den dazugehörigen Liedern, Laternenumzug, Martinsfeuer, aber ohne Pferd, denn das erlaubt die Versicherung nicht. Welchen Titel die Veranstaltung dabei trägt, spielt keine Rolle und ändert am Inhalt nichts. Und am Abend essen wir eine gute selbstgemachte Suppe, vielleicht sogar mit Nudeln in Form von Sonnen, Monden und Sternen, denn das mögen unsere Kinder gerne.

Mit Dank auch an Thomas, Kevin S., Erik G. und Johnny K.

Fische, Frost, Grindelwald

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Tote Fische in den Briefkästen von ‘Blick’-Journalisten”
(tagesanzeiger.ch, Stefan Hohler)
Ein Student war vor dem Bezirksgericht Zürich angeklagt, er habe eine Hetzkampagne gegen vier “Blick”-Journalisten mitveranstaltet. “Laut Anklageschrift soll der Schweizer die Journalisten ‘durch schwere Drohung in Schrecken oder Angst versetzt haben’. Dies gilt vor allem für den Journalisten, der als ‘stadtbekannter Kinderschänder’ tituliert wurde. Der Mann habe sich zu Tode gefürchtet und sei deswegen für zwei Wochen in die Ferien gefahren.” Inzwischen wurde der Angeklagte verurteilt, siehe dazu “26-jähriger FCZ-Fan verurteilt” (nzz.ch, Michael Baumann).

2. “Mit dem Zweihänder gegen eine Unbequeme”
(oeffentlichkeitsgesetz.ch, Martin Stoll)
Der Pressesprecher des Schweizer Bundesamts für Landwirtschaft will der Journalistin Eveline Dudda keine Fragen mehr beantworten, sie solle sich zukünftig “direkt an den Rechtsdienst des BLW richten”. “Dass die Landwirtschaftsbeamten Dudda als Spezialfall behandeln, hat einen einfachen Grund. Journalistin Dudda ist in der Schweizer Landwirtschaftspresse eine der wenigen, die hartnäckig nachfragt.”

3. “Huffington Post: So schauen die ersten Daten zum Traffic aus”
(youdaz.com, Andreas Grieß)
Mehr als vergleichbare Portale erhält die “Huffington Post” ihre Leser über Links, glaubt Andreas Grieß: “Dieser Wert spricht aber nicht dafür, dass huffingtonpost.de im Netz fleißig verlinkt wird, sondern offenbart viel mehr, dass die Seite extrem abhängig von anderen ist. Genauer gesagt: von zwei anderen Seiten, wie ein Blick auf die Top-Referrer zeigt. Mit großem Abstand sind hier nämlich AOL.de und Focus.de zu finden.”

4. “Kachelmann-Wetter: Wochenende, Winter, Gefahr durch Scheibenkratzen und fiese Friede”
(youtube.com, Video, 4:26 Minuten)
Jörg Kachelmann liest den “Bild”-Artikel “Regen! Schnee! Frost! Das Restjahr im Wetter-Check” (ab 4:15 Minuten).

5. “Grindelwald”
(begleitschreiben.net, Lothar Struck)
Lothar Struck schreibt über seinen vor 100 Jahren geborenen Vater.

6. “An Opinion Piece On A Controversial Topic”
(junkee.com, Edward Sharp-Paul, englisch)

Tom Cruise, Kunstfund, CNN

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Willkür der Huffington Post Deutschland”
(social-secrets.com, Daniel Fürg)
Daniel Fürg beklagt den Umgang der “Huffington Post Deutschland” mit ihren Bloggern: “Blogbeiträge werden völlig willkürlich freigeschalten – ob das einen Tag dauert oder ein paar Stunden weiß niemand. Aber das wäre eigentlich gar kein großes Problem. Viel schlimmer ist, dass die vermeintlich kreativen Blog Editoren Headlines erweitern oder gar umdichten und damit sogar deren Sinn verändern.”

2. “Vom Glauben abgefallen”
(kontextwochenzeitung.de, Roger Repplinger)
Ein Interview mit Medienwissenschaftler Horst Pöttker zur Glaubwürdigkeit von Medien: “Das Fernsehen wirkt glaubwürdiger, weil es mit Bildern arbeitet, die als authentisch gelten, dies aber nicht immer sind. Die Presse gilt als weniger glaubwürdig, weil sie ein schriftliches Medium ist, weil später berichtet wird, nicht in Echtzeit, da sieht man eher, dass die Berichterstattung etwas mit Selektion zu tun hat, mit Perspektiven, aus denen berichtet wird. Ob die Presse tatsächlich weniger glaubwürdig ist, bezweifele ich.”

3. “Tom Cruise verklagt Hamburger Verlag auf 50 Millionen Dollar”
(abendblatt.de)
Tom Cruise verlangt von der Bauer Media Group “insgesamt 50 Millionen Dollar Entschädigung. (…) Jeder Cent, den Cruise durch den Prozess gegen Bauer einnehmen könnte, würde in wohltätige Projekte gehen.”

4. “‘Hartes journalistisches Wettrennen’ um Snowden-Dokumente”
(heise.de/tp, Matthias Monroy)
“Anscheinend haben in Deutschland also lediglich der Spiegel sowie die Süddeutsche Zugriff auf die geleakten NSA-Dokumente”, schreibt Matthias Monroy zu den Dokumenten von Edward Snowden. “Dabei ist nicht einmal klar, ob auch die jeweiligen Chefredakteure Einblick haben oder ob sich die Daten nur im Besitz einzelner Journalisten befinden.”

5. “‘Mei, ich nehm das sportlich'”
(taz.de, Anne Fromm)
“Abendzeitung”-Mitarbeiter Thomas Gautier wusste seit “etwa einem Jahr” vom Kunstfund in München – die “Focus”-Titelgeschichte kam jedoch seiner Story, die “noch nicht vollständig” war, zuvor.

6. “CNN Best Walk Ever”
(thedailyshow.com, Video, 4:23 Minuten)
CNN blendet Werbung ein, während sich ihre Moderatoren vom Tisch zum Sofa bewegen.

Landesmedienanstalten, HuffPo, Shows

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Verwalten statt Gestalten: Landesmedienanstalten”
(ndr.de, Video, 6:41 Minuten)
Die jährlich mit rund 2 Prozent der Rundfunkgebühr (um die 100 Millionen Euro) finanzierten Landesmedienanstalten bleiben bürokratisch und ineffizient: “Das System erhält sich selbst. Mit 14 Anstalten. Und jeder Menge Kleinstaaterei in der Medienaufsicht.”

2. “Der große Text der unglaublichen Shows”
(berliner-zeitung.de, Peer Schader)
Peer Schader liefert einen “Überblick der öffentlich-rechtlichen Showunterhaltung im Jahr 2013”: “Es kann nicht mehr lange dauern, bis sich aus dieser Masse eine öffentlich-rechtliche Supershow herausformt, die sämtliche Spielregeln und Titelbestandteile der übrigen Sendungen ansaugt und zu einem endlosen Unterhaltungsabend formt, ‘Die unglaublich große Duell-der-Superhirn-Helden-Show’.”

3. “‘Geradezu obsessive Schadenfreude'”
(zeit.de, Martina Powell)
Theologin Petra Bahr bemerkt in der aktuellen Berichterstattung über Franz-Peter Tebartz-van Elst eine “geradezu obsessive Begeisterung und Schadenfreude in Blogs und Kommentaren – nicht nur im Boulevard, sondern auch in den gehobeneren Medien. Bilder von seinem gehetzten Gesicht schaffen es auf die Titelseiten. Im Grunde inszeniert sich die mediale Öffentlichkeit als jüngstes Gericht.”

4. “Steinigt mich, ich schreibe für die Huffington Post!”
(huffingtonpost.de, Karsten Lohmeyer)
“Darf, kann, soll oder muss man sogar für die Huffington Post Deutschland schreiben?”, fragt Karsten Lohmeyer in der “Huffington Post Deutschland”: “Viele sagten kategorisch nein. Denn selbst wenn man ausgebildeter Journalist ist und mit seiner journalistischen Arbeit seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, zahlt die Huffington Post nichts. Nada. Keinen Lousy Penny. Und das obwohl hinter der Huffington Post Deutschland kein kleines Hinterhof-Start-up ohne Geld, sondern die gut verdienende Tomorrow Focus AG und damit auch der große, vermögende Burda Verlag steht.”

5. “Jetzt doch: Kostenlos-Kultur im Netz – die deutsche Huffington Post”
(pantelouris.de)
“HuffPo, mach es dir doch einfach selbst”, schreibt Michalis Pantelouris: “Wenn die deutsche HuffPo keine Agenda hat sondern nur ein Unternehmen ist, aber die meisten Autoren nicht in Geld bezahlt werden, sondern in Werbefläche für sich oder ihre Sache, dann besteht das Medium letztlich aus nichts als aneinandergeklatschten Anzeigen.”

6. “Saudischer Geistlicher liefert bahnbrechende wissenschaftliche Erkenntnisse, warum Frauen nicht Autofahren sollten”
(de.globalvoicesonline.org, Rayna St.)

Huffington Post, YouTube, FAZ

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Da guckst du!”
(zeit.de, Alina Fichter)
“Die Zeit” widmet sich YouTube und behauptet: “Kaum jemand, der älter als 25 Jahre ist, vermutet auf YouTube ernst zu nehmende, durchdachte und vor allem: professionell produzierte Unterhaltungs- oder gar Informationsangebote.”

2. “Wer zitieren will, soll zahlen”
(tagesspiegel.de, Gregor Dotzauer)
Die FAZ will auch kurze Ausschnitte aus Buchrezensionen künftig lizenziert haben: “Kulturell gesehen ist am ärgerlichsten, dass der Lizenzierungswahn die geistige Leistung, die er schützen will, in Wahrheit beschädigt. Wo die professionell argumentierende, abwägende Kritik in den Hintergrund gedrängt wird, rückt die Geschmackskritik der Leser – wie auf Amazon – in den Vordergrund. Vielleicht entsteht wie in der Filmbranche auch ein Blurb-Wesen, das bei Redaktionen per Telefon schon mal vorab um ein tolles Adjektiv bittet.”

3. “Wenn deutschen Managern die Wahrheit nicht gefällt”
(abendblatt.de, Sönke Iwersen)
Sönke Iwersen berichtet von seinen Erfahrungen als Investigativ-Journalist: “Denn wenn die vierte Gewalt eingreift, wenn ein Reporter sich anschickt, das öffentlich zu machen, was geheim bleiben soll, verfallen die meisten Manager in dasselbe Muster: abstreiten, ablenken, lügen. Und wenn das nicht hilft: prozessieren.”

4. “Autoren sitzen auf rechtlich heißem Stuhl”
(djv.de, Michael Hirschler)
Michael Hirschler analyisert die Nutzungsbedingungen von “The Huffington Post in Zusammenarbeit mit Focus Online”: “Autoren stellen also Beiträge kostenlos ein, und dürfen anschließend bei Tomorrow Focus darum betteln, sie auch an anderen Orten, etwa im eigenen Blog oder einem eBook-Sammelband veröffentlichen zu dürfen?”

5. “Schluss mit dem Gerangel!”
(christianfahrenbach.de)
Christian Fahrenbach bleiben die Kritiker von Huffingtonpost.de zu negativ, ohne selbst Alternativen zu liefern: “Was machen wir denn jetzt? Gratisschreiben finden wir doof, aber höhere Löhne werden nicht wiederkommen. Unternehmerische Querfinanzierung finden wir auch doof, aber übersehen vielleicht, dass seit Jahrhunderten jedes Medienangebot über Anzeigen unternehmerisch querfinanziert wird. Wer sich wie die öffentlich-rechtlichen Kollegen nicht am Markt beweisen muss, den finden wir auch doof, und als Finanzierungsmodell wird das ja auch nicht die komplette Landschaft erhalten.”

6. “Correction: Nazis didn’t build Berlin Wall”
(poynter.org, Andrew Beaujon, englisch)

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