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Die “Bild”-Theorie vom “Islam-Rabatt”

Im Februar 2013 ist in Wiesbaden eine schwangere Frau von ihrem Ex-Freund niedergestochen worden. Die Frau und das ungeborene Kind starben, und der Mann musste sich vor Gericht verantworten. Vergangene Woche wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine “besondere Schwere der Schuld” erkannte das Landgericht aber nicht, damit besteht nach 15 Jahren die Chance auf Haftentlassung. Die Entscheidung begründete der Richter angeblich damit, dass der Täter, ein Deutsch-Afghane, sich “aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden” habe.

Und genau das ist für die Leute von “Bild” ein Skandal.

“Keine Scharia in Deutschland!”, schrie Bild.de-Chef Julian Reichelt, und seine Print-Kollegen fragten:

Straf-Rabatt wegen religiöser Herkunft?

Drei Tage später war das Fragezeichen plötzlich verschwunden:

Ausriss: "Bild am Sonntag" vom 30. März 2014

Da waren selbst hartgesottene Islamhasser beeindruckt. Das Hetz-Portal “Politically Incorrect” schrieb:

Ja was ist denn in die BILD am SONNTAG (BamS) gefahren? […] Gleich zwei mal packt das Springer-Blatt das heiße Thema Islam an – und zwar in einer Deutlichkeit, die es in sich hat.

Schon auf dem Titelblatt prangt die unmissverständliche Headline: “Islam-Rabatt für Jolins Mörder”. Ohne Fragezeichen!

(Der andere Islam-Artikel, über den sich “PI” mindestens genauso doll freut, ist ein “Bams”-Interview mit einem deutsch-türkischen Schriftsteller – Überschrift: “‘Islam gehört zu uns wie die Reeperbahn nach Mekka'”.)

Und ohne Fragezeichen geht es bei Bild.de auch heute weiter:

Der große Report - ISLAM-RABATT - So urteilen deutsche Gerichte

… obwohl es in der Print-Ausgabe noch da war:

Geben unsere Gerichte ISLAM-RABATT? - Jolins Mörder bekam wegen seiner Religion eine mildere Strafe. Kein Einzelfall!

Die Antwort auf die Frage ist für “Bild” natürlich eindeutig:

tatsächlich bekommen Angklagte immer wieder Islam-Rabatt!

Als Beleg listet “Bild” zahlreiche einige ein paar genau zwei Fälle auf. Einer davon ist Ayhan S., der 2005 seine Schwester erschossen hatte und “gerade mal zu neun Jahren und drei Monaten Jugendhaft verurteilt” wurde.

Der Richter: “Eine Mischung aus fest verankerten Vorstellungen von Familien-Ehre und eigenem Islam-Verständnis trieb ihn zur Tat.”

… schreibt “Bild”, lässt aber offen, was das mit welchem Rabatt auch immer zu tun haben soll.

Der zweite Fall besitzt sogar noch weniger Aussagekraft: Dort ist nicht mal das Urteil gesprochen worden.

Daneben führt die “Bild”-Zeitung noch eine Studie des Max-Planck-Instituts an, offenbar zur wissenschaftlichen Untermauerung ihrer “Rabatt”-Theorie. Die Untersuchung habe nämlich ergeben, schreibt “Bild”, dass sich der “kulturelle Hintergrund” der Täter in “12 Prozent der Fälle […] strafmildernd” ausgewirkt habe.

Die Macher der Studie selbst kommen jedoch zu einem völlig anderen Schluss, wie im aktuellen “Spiegel” zu lesen ist:

Deutsche Strafgerichte behandeln sogenannte Ehrenmörder nicht milder als andere Beziehungstäter, sondern sogar strenger. Das ergibt eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, die demnächst erscheint. Die Forscherin Julia Kasselt hat 78 Fälle zwischen 1996 und 2005 ausgewertet, bei denen die Täter Partner oder Verwandte wegen kultureller “Ehrencodices” angegriffen hatten. [..] Das Fazit der Forscherin: “Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen ‘kulturellen Rabatt’.”

Egal. Für die “Bild”-Zeitung ist und bleibt die Sache ein Skandal. Und die ersten empörten Politiker-Zitate hat sie auch schon aufgetrieben, was bedeutet, dass spätestens jetzt auch andere Medien aufspringen:Nach Urteil gegen Isa S. - Politiker empört über "Islambonus" für Täter
(bz-berlin.de)

Politiker gegen «Islam-Rabatt» für Straftäter
(kath.net)

Nach Urteil gegen Deutsch-Afghanen - Keine Milde für „Ehrenmörder“ - Politiker lehnen „Islam-Rabatt“ für Straftäter ab
(“Focus Online”)

Anders gesagt: Politiker und Journalisten empören sich über etwas, das nach neuesten Erkenntnissen überhaupt nicht existiert, das von der “Bild”-Zeitung aber mühsam herbei- und von anderen Medien blindlings abgeschrieben wird. Und als Beleg dient ihnen ausgerechnet die Studie, die eigentlich das genaue Gegenteil aussagt, was sie aber verschweigen.

Über so viel Entgegenkommen kann man sich als Moslemhasser natürlich nur freuen. “Politically Incorrect” schreibt:

“Zum Regieren brauche ich BILD, BamS und Glotze”, sagte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zehn Jahren. Wenn die oben erwähnten Artikel eine intensive und schnörkellose Debatte über die Gefahren des Islam in Deutschland auslösen, könnte die BamS vom heutigen 30. März 2014 eine nicht zu unterschätzende Katalysator-Funktion gehabt haben.

Mit Dank an Werner H. und G.K.

Nachtrag, 8. April: Siehe auch hier, hier und hier.

Klarer Fall von Sachbeleidigung

Eine Schule in Minnesota muss wegen eines “Facebook-Eklats” eine saftige Strafe zahlen, berichtet “Focus Online”:

Dem Direktor missfiel ein Facebook-Post über seine Schule. Deshalb zwang er seine Schülerin, ihren Account freizugeben. Diese Strafe fällt nun auf ihn zurück – seine Schule muss 70.000 Dollar Entschädigung zahlen.

Das muss ja wirklich ein heftiger Post gewesen sein, wenn der Direktor gleich so austickt. Was hat sie denn geschrieben, die böse Schülerin?

Riley war 13 Jahre alt, als sie vor zwei Jahren auf Facebook postete, dass sie einen Bildschirm in der Eingangshalle ihrer Schule hasse. Nach der Schule rief der Direktor sie zu sich und verpasste ihr einen Verweis für das, was sie in den sozialen Netzwerken geschrieben hatte.

Moment mal. Dass sie “einen Bildschirm in der Eingangshalle ihrer Schule hasse”? Und dafür gibt es einen Verweis?

Vielleicht war es ja der Lieblings-Bildschirm des Direktors. Vielleicht genießen Bildschirme in Minnesota auch generell einen Sonderstatus. Vielleicht sollten wir uns diese Stelle aber auch lieber mal im Original anschauen. Beim “StarTribune”, von dem “Focus Online” die Geschichte abgeschrieben hat, heißt es nämlich:

Riley was 13, in sixth grade, when she posted on Facebook two years ago that she hated a school hall monitor because she was mean.

Auf die Idee, dass mit “hall monitor” auch die Aufsichtsperson gemeint sein könnte, ist bei “Focus Online” offenbar niemand gekommen. Den letzten Halbsatz haben sie beim Abschreiben (“Fieser Bildschirm? Äh…”) dann auch lieber gleich weggelassen.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Nachtrag, 14.56 Uhr: “Focus Online” hat den Fehler transparent korrigiert.

Am Undercut herbeigezogen

So ganz sicher sind sich die Medien ja nicht, ob es wirklich stimmt, was da gerade wieder Verrücktes über Nordkorea berichtet wird. Die dpa hat am Ende ihrer Meldung sogar extra geschrieben:

Es ist sehr schwierig, Angaben aus Nordkorea zu überprüfen.

Aber wie immer in solchen Fällen, hält das die Journalisten natürlich auch diesmal nicht davon ab, die Geschichte trotzdem zu verbreiten.

Und wie!

Screenshots: diverse

In fast allen Überschriften und Teasern wird der angebliche “Frisurenzwang” kurzerhand zur Tatsache erklärt, auch in einigen Artikeln ist kaum ein Zweifel an der Story zu spüren.

Als erstes großes Medium hatte die BBC über die Geschichte berichtet, aufgeschnappt hatte die sie wiederum bei “Radio Free Asia”. In Deutschland war “Focus Online” zuerst darauf angesprungen, später dann dpa und Dutzende andere Medien.

Wie aber die Seite “NK News” bereits gestern berichtet hat, ist auch an dieser Story offensichtlich nicht allzu viel dran. Das in den USA ansässige Nachrichtenportal hat sich auf Nordkorea spezialisiert; Quellen sind oftmals NGO-Mitarbeiter, im Ausland lebende Nordkoreaner oder Menschen, die erst kürzlich von einer Nordkorea-Reise zurückgekehrt sind. So wie auch in diesem Fall:

“Ich bin mir ziemlich sicher, dass [die Geschichte vom Frisurenzwang] Quatsch ist. Letzte Woche hatten alle noch typische Haarschnitte”, sagte Andray Abrahamian, Executive Director der NGO “Choson Exchange” in Singapur, der regelmäßig mit jungen Nordkoreanern arbeitet.

Gareth Johnson, General Manager der “Young Pioneer Tours” in Peking, sagt NK News ebenfalls, dass — Stand: letzte Woche — keiner seiner Kollegen Beweise für die neue Frisurenverordnung entdeckt habe. “Wir waren letzte Woche in Nordkorea und haben niemanden mit besagtem Haarschnitt gesehen. Es scheint, als müsse die BBC jede Woche eine neue Nordkorea-Geschichte finden”, sagte Johnson […].

(Übersetzung von uns.)

Das Portal zitiert noch weitere Quellen, die in Nordkorea leben oder arbeiten und ebenfalls davon ausgehen, dass an der Meldung nichts dran ist. Zwar habe sich der Staat in der Vergangenheit bei diesem Thema tatsächlich eingemischt, indem er bestimmte Haarschnitte empfohlen habe, doch inzwischen seien die Mode-Richtlinien gelockert worden. Außerdem würden Verstöße gegen solche Richtlinien nur selten geahndet.

Auch eine andere haarige Geschichte, über die in diesem Zusammenhang (auch von deutschen Medien) gerne berichtet wird, entspricht laut “NK News” nicht der Wahrheit: Seit einiger Zeit geistere der Mythos umher, dass

Frauen aus einer bestimmten Palette von zugelassenen Haarschnitten auswählen müssen. Doch die Fotos, die in der Regel genutzt werden, um diese Behauptung zu untermauern, zeigen oft Poster mit einer Auswahl von Haarschnitten, die in Friseurläden in Pjöngjang hängen — und die den Kunden in Wirklichkeit nur eine Idee von den möglichen Optionen geben sollen, keine verpflichtende Auswahl.

Aber wie das nun mal so ist:

Gerüchte über Nordkorea, die auf anonymen Quellen basieren, tauchen oft in den Maintream-Medien auf — und führen zu einem “echo chamber effect”.

Mit Dank an Stefan S., Marvin S. und Christoph A.

Focus  

“Vorwürfe gegen Tebartz-van Elst ausgeräumt”

Für Leser des “Focus” brachte der Mittwoch überraschende Neuigkeiten. Der Abschlussbericht einer Prüfungskommission für die Deutsche Bischofskonferenz stellte fest, dass Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst beim Bauprojekt auf dem Limburger Domberg systematisch zu niedrige Kosten angegeben, Kontrollen verhindert und kirchliche Vorschriften umgangen habe. Papst Franziskus nahm daraufhin den Amtsverzicht des Bischofs an.

Das hatte das vermeintliche “Nachrichtenmagazin” nicht kommen sehen. Am 26. Januar 2014 hatte es exklusiv gemeldet, der Abschlussbericht der Prüfkommission werde Tebartz-van Elst entlasten: Die Vorwürfe gegen ihn seien weitgehend ausgeräumt.

Verbreitet wurde die Ente nicht nur vom “Focus” selbst und seiner Schwesterpublikation, der “Huffington Post”. Die Nachrichtenagenturen AFP und epd übernahmen die Nachricht, wie bei solchen Vorabmeldungen üblich, ungeprüft unter Berufung auf die Zeitschrift.

AFP:

Kommission sieht Vorwürfe gegen Tebartz laut Bericht ausgeräumt

München, 26. Januar (AFP) – Eine von der Bischofskonferenz eingesetzte Kommission betrachtet die Vorwürfe gegen den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst offenbar als weitgehend ausgeräumt. Das Gremium kam zu dem Ergebnis, dass dem umstrittenen Bischof beim 31 Millionen Euro teuren Bau seiner Residenz weder Geldverschwendung noch das Übergehen von Kontrollgremien vorzuhalten sei, berichtet das Magazin “Focus” in seiner neuen Ausgabe. Angeblich werde in dem aus drei Geistlichen und zwei Wirtschaftsprüfern bestehenden Gremium noch um abschließende Formulierungen gerungen.

epd:

“Focus”: Bischof Tebartz-van Elst angeblich entlastet

Limburg/München (epd). Der umstrittene Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst ist offenbar weitgehend entlastet. Nach einem Bericht des Münchner Nachrichtenmagazins “Focus” hat eine Prüfkommission die Vorwürfe gegen ihn weitgehend ausgeräumt. Die von der katholischen Deutschen Bischofskonferenz eingesetzte Kommission ist nach diesen Informationen zu dem Ergebnis gekommen, dass dem Bischof beim Bau seiner Residenz weder Geldverschwendung noch das Übergehen von Kontrollgremien vorzuhalten sei.

Die Meldung der evangelischen Nachrichtenagentur epd an jenem Sonntag war von 16:56 Uhr — zwei bis drei Stunden vorher hatten dpa und die katholische Nachrichtenagentur KNA bereits berichtet, dass einen Sprecher der Bischofskonferenz der “Focus”-Meldung widersprach.

Im gedruckten “Focus” stand von dem Dementi bis heute nichts.

Chart of Doom, Christian Rach, Quellenschutz

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Fragwürdiger Recherche-Multi”
(cicero.de, Petra Sorge)
Petra Sorge zeigt Probleme des Rechercheverbunds auf, den NDR, WDR und die “Süddeutsche Zeitung” bilden. “Die Süddeutsche profitiert natürlich auch von nicht-monetären Vorteilen – etwa Recherchekapazitäten oder dem Zugriff auf den öffentlich-rechtlichen Korrespondentenpool.”

2. “Christian Rach in der ZDF-Verwertungskette: Abräumen, bitte!”
(blogs.stern.de, Peer Schader)
Peer Schader ist enttäuscht über den Wandel von Christian Rach “vom RTL-Umkrempler zum ZDF-Showfuzzi”.

3. “Wer hat Angst vorm ‘Schwarzen Freitag’?”
(handelsblatt.com, Jörg Hackhausen)
Ein “Chart of Doom” wird im Netz und in den Medien verbreitet, so fragt etwa Focus.de: “‘Chart of Doom’: Kommt heute der große Börsen-Crash?”. Jörg Hackhausen bemerkt dazu: “Anders als der ‘Chart of Doom’ suggeriert, verlief die Rally in den 1920er-Jahren ganz anders als heute, und zwar deutlich steiler. Das erkennt man aber erst, wenn man die Skalierung ins richtige Verhältnis setzt.”

4. “Quellenschutz: Fatales Signal des Bundesgerichts”
(dominiquestrebel.wordpress.com)
Das Schweizer Bundesgericht zwingt eine Journalistin, den Namen eines von ihr porträtierten Cannabishändlers offenzulegen. “Dieser Entscheid des Bundesgerichts führt zu grosser Rechtsunsicherheit und wird weit über diesen Einzelfall hinaus Wirkung haben: Die Medien werden sich zwei Mal überlegen, Recherchen auch nur in der Nähe solcher Themenbereiche anzustellen.” Siehe dazu auch “‘Basler Zeitung’ geht nach Strassburg” (nzz.ch, ras.).

5. “Wegen Facebook/Whatsapp ein Blick ins Archiv auf Google/Youtube 2006”
(bastianbrinkmann.wordpress.com)
Wie deutsche Medien 2006 die Übernahme von YouTube durch Google einstuften.

6. “Techniktagebuch: Ja, jetzt ist das langweilig. Aber in zwanzig Jahren!”
(techniktagebuch.tumblr.com)

Basler Zeitung, Spießerblätter, Venezuela

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Limburger Enten”
(faz.net, Daniel Deckers)
Daniel Deckers listet Ungereimtheiten und Fehler auf in der Berichterstattung von “Spiegel”, “Focus” und “Süddeutscher Zeitung” über den Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst.

2. “Schleichwerbeverdacht in der ‘Bunten'”
(tagesspiegel.de, Sonja Álvarez)
“Im schönsten Werbesprech” berichtet die “Bunte”, dass Julia Klöckner mit Hilfe von Weight Watchers an Gewicht verloren habe. “‘Hätte Frau Klöckner mit Gemüsesuppe abgenommen, hätten wir auch das geschrieben – und sogar das ganze Rezept abgedruckt’, teilt ‘Bunte’-Chefredakteurin Patricia Riekel mit, die offensichtlich nicht zwischen Suppen und werbenden Unternehmen unterscheiden will.”

3. “Das Bau- und Verkehrsdepartement stellt Falschaussagen der Basler Zeitung richtig”
(medienmitteilungen.bs.ch)
Mit einer Auflistung von Fakten (PDF-Datei) reagiert das Bau- und Verkehrsdepartement Basel-Stadt auf einen Bericht der “Basler Zeitung”. Die Redaktion “hält an ihrer Darstellung fest”.

4. “Warum ich mich gegen PR abgrenze”
(ottohostettler.wordpress.com)
Soll ein Lobbyist an einem Recherchetag von Journalisten teilnehmen? Otto Hostettler ist dagegen: “Lobbyisten sind wichtige Input-Geber für Journalisten. Aber meiner Meinung nach gibt es keine ‘guten’ oder ‘bösen’ Lobbyisten. Deshalb sollten wir auch eine gesunde Distanz zu dieser Branche wahren. Die Lobbyisten machen es genauso.”

5. “Eine riesige klaffende Wunde”
(schneeschmelze.wordpress.com, Jürgen Fenn)
Jürgen Fenn antwortet auf den Beitrag “Braucht es uns noch?” (carta.info, Wolfgang Michal): “Ich brauche keine der von Wolfgang Michal benannten Spießerblätter zu zitieren, um mein Blog zu füllen. Das mag an meiner Art zu bloggen liegen. Das mag daran liegen, daß mich der professionelle Journalismus immer weniger interessiert und ich insoweit wählerischer geworden bin, indem ich Debatten und Themen verfolge, statt Zeitungen zu abonnieren.”

6. “Constructing ‘Venezuela’ protests: a photo gallery”
(drdawgsblawg.ca, englisch)
Um die Repression in Venezuela zu beschreiben, werden auch aus anderen Ländern stammende Fotos verwendet.

Der selbstgemachte ZDF-“Publikumsrat”

Die “Süddeutsche Zeitung” hat heute scheinbar schlechte Nachrichten für den ZDF-Moderator Markus Lanz:

Mehr Ärger für Lanz

Der ZDF-Publikumsrat hat eine Programmbeschwerde wegen des umstrittenen Interviews in der Talksendung Markus Lanz eingereicht. Lanz’ Befragung der Politikerin Sahra Wagenknecht im Januar habe gegen Programmgrundsätze und das journalistische Ethos verstoßen, heißt es in dem Schreiben an den ZDF-Fernsehrat. Der Sender müsse sich mit der Kritik, die unter anderem in einer mehr als 200000 Mal unterzeichneten Petition gegen den Moderator öffentlich wurde, auseinandersetzen, sagte Sprecherin Sabine Schiffer. Man hoffe auf eine Rüge.

Aha, der ZDF-Publikumsrat, soso.

Es gibt keinen ZDF-Publikumsrat. Es gibt eine Initiative von Leuten, die finden, dass es einen “Publikumsrat” für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben sollte und schon mal eine entsprechende Internetseite aufgesetzt haben. Sie haben eine Programmbeschwerde an den ZDF-Fernsehrat formuliert, was jeder Zuschauer tun kann, und diese veröffentlicht. Wohl nicht zuletzt, um Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu bekommen: einen “Publikumsrat” zu installieren. Den es, wie gesagt, nicht gibt.

Die “Süddeutsche Zeitung” hat den Wunsch dieser Privatinitiative nun in ganz besonderer Weise dadurch erfüllt, dass sie sie wie eine etabliertes, offizielles Gremium behandelt: “den ZDF-Publikumsrat”. Und dass sie so tut, als sei eine Programmbeschwerde von zwei Frauen, die dem real-existierenden ZDF-Fernsehrat abschließend mitteilen, dass sie “für weitere Gespräche gerne zur Verfügung stehen”, etwas anderes als irgendeine Programmbeschwerde von zwei Zuschauerinnen oder Zuschauern, und als bedeute das nun besonderen “Ärger” für Markus Lanz.

Der Unsinn wird nun von anderen Medien weitergetragen. Die Boulevard-Agentur “Spot.On” spricht ahnungslos von einer “offiziellen Beschwerde”, was entsprechend zu folgender Meldung auf “Focus Online” führt:

Offizielle Beschwerde: Wird es jetzt ernst für Markus Lanz?

Auch der Branchendienst turi2 weiß es nicht besser:

Markus Lanz bekommt noch mehr Ärger wegen des umstrittenen Interviews mit der Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht: Der ZDF-Publikumsrat hat beim ZDF-Fernsehrat eine Programmbeschwerde eingereicht. Lanz habe gegen Programmgrundsätze und das journalistische Ethos verstoßen, schreibt Sprecherin Sabine Schiffer. Sie verlangt eine Rüge.

Der “neue Ärger” für Markus Lanz besteht insofern im Wesentlichen darin, dass man sich nur “Publikumsrat” nennen muss, um von Journalisten dafür gehalten zu werden.

Nachtrag, 15:10 Uhr. Die “SZ” hat ihren Artikel online überarbeitet und um die Sätze ergänzt:

In einer früheren Version dieser Meldung konnte der Eindruck entstehen, mit dem „Publikumsrat“ wende sich ein offizielles ZDF-Gremium gegen Moderator Markus Lanz. Tatsächlich muss sich der Fernsehrat mit der Beschwerde einer privaten Initiative befassen.

Auch “Focus Online” und turi2 haben ihre Meldungen korrigiert. Dafür verbreitet nun die “Bunte” online die Mär vom “ZDF-Publikumsrat”.

Nachtrag, 20:35 Uhr. Der Bunte.de-Artikel ist wieder verschwunden.

Journalistische Handtaschenspielertricks

Am Montag hat die grüne Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner ihre Handtasche am Frankfurter Flughafen vergessen. Sie bemerkte das erst, als sie im Flugzeug saß und die Türen schon verschlossen waren. Sie hatte aber Glück: Der Start des Flugzeuges verzögerte sich wegen Nebel. Der Kapitän entschied, dass noch genügend Zeit sei, um die Tasche an Bord bringen zu lassen. So geschah es.

Klingt spontan nicht nach einer Geschichte, die die Republik in Wallung bringt? Weit gefehlt.

Der Hauptstadt-Korrespondent des “Berliner Kurier” erzählt die Geschichte nämlich anders: als einen Aufreger über die unglaublichen Privilegien, die deutschen Politikern zuteil werden — auf Kosten der normalen Bevölkerung:

Lufthansa-Flieger stoppt für Politikerin

(…) Grünen-Politikerin stoppt Lufthansa-Flugzeug! Klingt unglaublich, ist aber wahr.

In größter Ausführlichkeit schildert er, wie die Menschen in der Maschine saßen, wie alles bereit zu sein schien zum Start, wie die Gangway zurückgefahren und das Schleppfahrzeug eingehakt gewesen sei. Doch plötzlich:

Doch plötzlich wirbelt in der Businessklasse Tabea Rößner (47) mit den Händen durch die Luft und ruft um Hilfe. (…) Ihre Handtasche ist weg.

In noch größerer Ausführlichkeit schildert der “Berliner Kurier” nun, wie die Politikerin mit dem Bordpersonal verhandelt habe, wie ein Flughafen-Mitarbeiter ins Terminal geeilt sei, wie der “Taschen-Retter mit einem Steigerfahrzeug an die Tür” gebracht worden sei, “an der normalerweise das Bord-Essen angeliefert wird”.

Er lässt keinen Zweifel, dass die zwanzig Minuten Verspätung dadurch entstehen, dass Rößners Tasche besorgt werden musste:

Taschen-Gate am Gate!

Dabei weiß es der “Kurier” besser. Gegen Ende des Artikels zitiert er unauffällig in einem Nebensatz, dass laut Rößner “die Verspätung auch schon wegen einer fehlenden Starterlaubnis erfolgt sei”. Und fügt hinzu, dass die Lufthansa das bestätigt: Die Verspätung sei “aufgrund des zugewiesenen Zeitfensters” erfolgt.

Diese Tatsachen haben die “Kurier”-Leute aber ausgeblendet, um die Geschichte von einer Politikerin, wegen deren Schusseligkeit ein Flug gestoppt wird, erzählen zu können.

Bis hierher ist es eine Geschichte über den “Berliner Kurier” und seiner Schwesterblätter “Express” und “Morgenpost”, die sie übernehmen.

Aber dabei bleibt es natürlich nicht.

Bild.de steigt ein:

Ohne Rückfrage bei Rößner übernimmt Bild.de die Darstellung des “Berliner Kurier”, ergänzt sie um ein paar weitere falsche Details und spricht von einer “peinlichen Anekdote”.

Nun kopiert die “Rhein-Zeitung” die Geschichte* und bringt sie online unter der Überschrift:

Flieger wartete: Mainzer Abgeordnete bekommt vergessene Handtasche gebracht

Erst später — laut Rößner nach einem Anruf von ihr — wird sie geändert zu:

Flieger wartete ohnehin: Mainzer Abgeordnete bekommt vergessene Handtasche in Flieger gebracht

Die “Mainzer Allgemeine” und der Landesdienst der Nachrichtenagentur dpa machen etwas Ungeheures: Sie rufen in Rößners Büro an und fragen nach. Die “Mainzer Allgemeine” veröffentlicht daraufhin einen ausführlichen Artikel; dpa beschließt vorläufig, dass die Geschichte kein Thema ist.

Andere Medien verzichten auf Recherche und steigen unter Verweis auf den “Berliner Kurier” in den Ring. Darunter sind die Online-Auftritte von “Focus”

“Bunte”

… und “Rheinischer Post”:

Schließlich schaltet Rößner einen Anwalt ein, der unter anderem erreicht, dass Bild.de den Artikel löscht.

Von den anderen Medien will Rößner nun eine Unterlassungserklärung fordern.

*) Nachtrag/Korrektur, 17:00 Uhr. Die “Rhein-Zeitung” widerspricht unserer Formulierung, sie habe die Geschichte “kopiert”. Der Autor sagt, er habe vor der Veröffentlichung bei der Lufthansa nachgefragt und von Anfang an im Artikel erwähnt, dass die Maschine wegen des Nebels wartete.

Nachtrag, 17. Januar. “Focus Online” hat die Meldung nun einfach gelöscht; “RP-Online” hat sie überarbeitet.

Nachtrag, 15:30 Uhr. Nun hat auch der “Berliner Kurier” seine Geschichte gelöscht.

Nachtrag, 21. Januar. Inzwischen hat auch Bunte.de die Falschmeldung ohne Erklärung entfernt.

Das große Fressen

Nordkorea, dieser dämonisch-putzige Schurkenstaat in Ostasien, ist auch für Journalisten ein von innen abgesperrter Panzerschrank. Man weiß nicht mal irgendetwas Ungenaues (nicht) und so ist nahezu nichts undenkbar, wenn es um die Niedertracht des dortigen Regimes geht. Journalisten halten deshalb vieles, was sie über das Land hören, für plausibel.

So auch diese Geschichte:

Die Exekution von Jang Song-Thaek, dem zweiten Mann in Nordkorea, hat Peking überrascht und wird sich nachteilig auf die bilateralen Beziehungen auswirken.

Peking bekundet seinen Missfallen dadurch, dass es am 12. Dezember detaillierte Angaben zu Jangs brutaler Hinrichtung in “Wen Wei Po”, dem offiziellen Sprachrohr der [chinesischen] Regierung in Hongkong, veröffentlicht.

Dem Report zufolge wurde Jang, anders als bei vorherigen Hinrichtungen politischer Gefangener, die von Exekutionskommandos mit Maschinenpistolen ausgeführt wurden, nackt ausgezogen und mit seinen fünf engsten Vertrauten in einen Käfig geworfen. Dann konnten 120 Hunde, die zuvor drei Tage gehungert hatten, [die Verurteilten] jagen, bis diese komplett aufgefressen waren. Die wird “quan jue” genannt oder Hinrichtung durch Hunde.

Laut dem Artikel hat der gesamte Vorgang eine Stunde gedauert, King Jon Un, der Führer Nordkoreas, habe mit 300 hochrangigen Offiziellen das Ganze überwacht.

(Übersetzung von uns.)

So stand es am 24. Dezember in der Singapurer “Straits Times”; die zu diesem Zeitpunkt schon 12 Tage alte Originalmeldung von “Wen Wei Po” kann man (mit entsprechenden Chinesisch-Kenntnissen) hier lesen.

Es dauerte aber weitere zehn Tage, bis die grausame Geschichte in der westlichen Welt ankam. Traditionell vertrauensunwürdige Medien wie die “Daily Mail” griffen sie auf, ohne sie groß zu hinterfragen. Seriösere Medien wie der britische “Daily Telegraph” und die amerikanische “Washington Post” äußerten sich in ihren Blogs deutlich skeptischer und zeigten viele Gründe auf, warum die Meldung “vermutlich” falsch sei. Darunter: Die Medien in China und Südkorea hätten die Geschichte nicht angefasst.

Im deutschsprachigen Raum aber wurde die Horror Story, nachdem sie erst mal in Großbritannien angekommen war, stärker aufgegriffen. Oe24.at zählte zu den Schnellsten. Zwar finden sich im Text ein paar “offenbar”s, die sich mit viel Wohlwollen als Spuren von Restzweifel lesen ließen, aber in der Überschrift ist alles klar:

Nordkorea: So brutal ließ Kim seinen Onkel töten. Irrer Diktator ließ nackten Onkel 120 Hunden zum Fraß vorwerfen.

Knapp zwei Stunden später landete die Geschichte auch bei Bild.de, wo das Jahreskontingent an Skepsis offenbar noch nicht komplett aufgebraucht war:

Die Hinrichtung des Onkels von Kim Jong-un: Ließ Nordkoreas Diktator seinen früheren Mentor und engen Vertrauten von Hunden zerfleischen?

So langsam schwanden dann aber die Zweifel:

Das schreibt die in Hongkong ansässige Zeitung “Wen Wei Po”, immerhin ein Sprachrohr der chinesischen Regierung in Peking, die offenbar langsam die Geduld mit dem Verbündeten in Pjöngjang verliert.

Die Details sind erschütternd: Jang Song-thaek († 67) und fünf Vertraute sollen nackt in einen Käfig gesperrt worden sein. Vor den Augen von Kim Jong-un und 300 weiteren Funktionären wurden der Zeitung zufolge 120 Hunde auf die Männer losgelassen.

Und weil in der Überschrift kein Platz mehr war, musste die Minimal-Distanzierung in der Dachzeile Platz nehmen:

CHINA-ZEITUNG BERICHTET: Kim ließ Onkel von Hunden zerfleischen

“Focus Online” griff in seiner Nacherzählung zu einer beeindruckenden Anzahl an “soll”s, stellte die Überlieferung in der Überschrift aber als Fakt hin:

Bericht aus Nordkorea: Diktator Kim verfütterte Onkel bei lebendigem Leib an 120 Hunde

Dass es auch anders geht, bewies überraschenderweise 20min.ch, sonst selbst gerne mal gutgläubig. Auf die Nacherzählung der Hunde-Meldung im Konjunktiv folgt eine ausführliche Einordnung, die sich vieler Argumente bedient, die auch der “Telegraph” genannt hatte:

Erschreckende Nachrichten aus Nordkorea sind zwar keine Seltenheit. Trotzdem haben viele Medien gezögert, den Bericht über die grausige Hinrichtung zu bringen. Zu viele Fragen wirft er auf. Erstaunlich ist etwa, dass es 120 Hunde brauchte, um sechs Menschen zu töten. Und dass über 300 Personen dem Spektakel beigewohnt haben sollen.

Zweifelhaft ist auch die Quelle. Die Zeitung “Wen Wei Po”, die den Bericht über die Hinrichtung bereits am 12. Dezember als erste brachte, gilt als Sprachrohr von Kims Onkel, der seinerseits als Brückenbauer zwischen Nordkorea und China diente. China war von der Hinrichtung alles andere als begeistert, der Zeitungsbericht könnte laut dem “Telegraph” auch als Warnung an den kleinen Nachbarn gedeutet werden.

Als eine der ersten Redaktionen hat die Singapurer Zeitung “The Straits Times” am 24. Dezember die Nachricht aufgenommen. Diese gilt zwar als glaubwürdig, aber auch als äusserst antikommunistisch.

Schliesslich ist noch zu bemerken, dass auch Südkorea ein Interesse an der Verbreitung von Schreckensnachrichten aus dem Norden hat – vor allem jetzt. Im Dezember/Januar laufen hier die Budgetberatungen, wie der Nordkorea-Experte Werner Pfennig zu 20 Minuten sagt: “Dabei geht es um viel Geld, auch für den Geheimdienst.”

Die “Welt” veröffentlichte am Samstag einen längeren Aufsatz, der abwog, was für und gegen die Meldung der “Straits Times” bzw. von “Wen Wei Po” spräche.

Die dpa brachte am Samstag einen Korrespondentenbericht aus Peking, der noch einmal zusammenfasste, was an der Hunde-Meldung alles unglaubwürdig sei.

Ebenfalls am Samstag berichtete der amerikanische Blogger Trevor Powell, die Ursprungsquelle der Meldung sei der “in China ansässige Online-Satiriker Pyongyang Choi Seongho (oder jemand, der sich als dieser ausgegeben hat)” gewesen, der auf dem chinesischen Microblogging-Dienst Tencent Weibo erstmals von einer Exekution durch 120 Hunde geschrieben habe. Laut Powell habe “Wen Wei Po” diesen Account auch als Quelle genannt.

Wie die BBC inzwischen herausgefunden hat, ist die Nachricht nicht mal bei dem echten Satiriker Choi Seongho erschienen, sondern bei jemandem, der diesen nachzuahmen versucht.

Auch die angeblich “quan jue” genannte Hinrichtung durch Hunde wirft Fragen auf: Vor der Meldung in der “Straits Times” findet sich im Google-Archiv kein einziger brauchbarer Hinweis auf diese mutmaßliche Technik (wofür oe24.at aber auch eine logische Begründung im Angebot hätte: “Es wird vermutet, dass er sich die brutale ‘quan jue’-Hinrichtung extra für seinen Onkel aufgespart hat, um so seine politischen Gegner zu warnen.”) und jemand, der Koreanisch spricht, erklärte uns auf Anfrage, “eine solche Folge von Klängen gäbe es selbst mit der abgefahrensten Transkription nicht auf Koreanisch”. Auf Chinesisch hat “quan jue” offenbar etwas mit Kampfkunst zu tun.

Mit Dank auch an den Hinweisgeber und besonders an Jens O. für die Koreanisch-Nachhilfe!

Nachtrag, 21.15 Uhr: Das Wort “quan jue” (oder genauer: “犬决”) ist wohl tatsächlich Chinesisch und bedeutet wörtlich “Hunde-Exekution”. Warum Koreaner diese chinesische Bezeichnung verwenden sollten, ist natürlich ein weiteres Rätsel.

Mit Dank an Moritz S. und doppelpod.

dpa  

Produkte aus Ihrer Region

Die “Berliner Morgenpost” berichtet heute über den Handel mit illegalen Zigaretten in der Hauptstadt. Ein Sprecher des Zollfahndungsamts Berlin-Brandenburg erklärt:

“Inzwischen liegt der Anteil der gefälschten Ware aus illegalen Fabriken, die in der Region angeboten wird, bei 90 Prozent”

Bei so einem Satz kann man am frühen Morgen schon mal durcheinanderkommen. Blöd nur, wenn man gerade bei der Deutschen Presse-Agentur im Dienst ist. Die fasste den “Morgenpost”-Artikel so zusammen:Illegale Zigaretten kommen überwiegend aus der Region
Im Text behauptet die dpa:

Etwa 90 Prozent der Zigaretten, die in Berlin auf dem Schwarzmarkt verkauftt werden, kommen aus illegalen Fabriken in der Region.

Unterschied bemerkt? Einmal nicht richtig hingeschaut und schwupps!, gibt es in Brandenburg illegale Zigaretten-Fabriken.

Der Tippfehler (“verkauftt”) wurde von den meisten Medien, die diese Meldung übernommen haben, zwar korrigiert, am Inhalt zweifelte aber offenbar niemand. Selbst bei der “Berliner Morgenpost”, auf deren (richtigem) Artikel die (falsche) dpa-Meldung beruhte, erschien der Text im Newsticker.

Inzwischen hat die dpa eine Berichtigung veröffentlicht (Nachtrag, 7. Januar: die Berichtigung erschien wenige Minuten nach der ursprünglichen Meldung), die Überschrift lautet jetzt: “Illegale Zigaretten kommen überwiegend aus illegalen Fabriken”. Irgendwelche Folgen hatte diese Berichtigung aber nicht mehr.

Mit Dank an Stephan S.

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