Im Februar 2013 ist in Wiesbaden eine schwangere Frau von ihrem Ex-Freund niedergestochen worden. Die Frau und das ungeborene Kind starben, und der Mann musste sich vor Gericht verantworten. Vergangene Woche wurde er zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Eine “besondere Schwere der Schuld” erkannte das Landgericht aber nicht, damit besteht nach 15 Jahren die Chance auf Haftentlassung. Die Entscheidung begründete der Richter angeblich damit, dass der Täter, ein Deutsch-Afghane, sich “aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden” habe.
Und genau das ist für die Leute von “Bild” ein Skandal.
“Keine Scharia in Deutschland!”, schrie Bild.de-Chef Julian Reichelt, und seine Print-Kollegen fragten:
Drei Tage später war das Fragezeichen plötzlich verschwunden:
Da waren selbst hartgesottene Islamhasser beeindruckt. Das Hetz-Portal “Politically Incorrect” schrieb:
Ja was ist denn in die BILD am SONNTAG (BamS) gefahren? […] Gleich zwei mal packt das Springer-Blatt das heiße Thema Islam an – und zwar in einer Deutlichkeit, die es in sich hat.
Schon auf dem Titelblatt prangt die unmissverständliche Headline: “Islam-Rabatt für Jolins Mörder”. Ohne Fragezeichen!
Und ohne Fragezeichen geht es bei Bild.de auch heute weiter:
… obwohl es in der Print-Ausgabe noch da war:
Die Antwort auf die Frage ist für “Bild” natürlich eindeutig:
tatsächlich bekommen Angklagte immer wieder Islam-Rabatt!
Als Beleg listet “Bild” zahlreiche einige ein paar genau zwei Fälle auf. Einer davon ist Ayhan S., der 2005 seine Schwester erschossen hatte und “gerade mal zu neun Jahren und drei Monaten Jugendhaft verurteilt” wurde.
Der Richter: “Eine Mischung aus fest verankerten Vorstellungen von Familien-Ehre und eigenem Islam-Verständnis trieb ihn zur Tat.”
… schreibt “Bild”, lässt aber offen, was das mit welchem Rabatt auch immer zu tun haben soll.
Der zweite Fall besitzt sogar noch weniger Aussagekraft: Dort ist nicht mal das Urteil gesprochen worden.
Daneben führt die “Bild”-Zeitung noch eine Studie des Max-Planck-Instituts an, offenbar zur wissenschaftlichen Untermauerung ihrer “Rabatt”-Theorie. Die Untersuchung habe nämlich ergeben, schreibt “Bild”, dass sich der “kulturelle Hintergrund” der Täter in “12 Prozent der Fälle […] strafmildernd” ausgewirkt habe.
Die Macher der Studie selbst kommen jedoch zu einem völlig anderen Schluss, wie im aktuellen “Spiegel” zu lesen ist:
Deutsche Strafgerichte behandeln sogenannte Ehrenmörder nicht milder als andere Beziehungstäter, sondern sogar strenger. Das ergibt eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, die demnächst erscheint. Die Forscherin Julia Kasselt hat 78 Fälle zwischen 1996 und 2005 ausgewertet, bei denen die Täter Partner oder Verwandte wegen kultureller “Ehrencodices” angegriffen hatten. [..] Das Fazit der Forscherin: “Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen ‘kulturellen Rabatt’.”
Egal. Für die “Bild”-Zeitung ist und bleibt die Sache ein Skandal. Und die ersten empörten Politiker-Zitate hat sie auch schon aufgetrieben, was bedeutet, dass spätestens jetzt auch andere Medien aufspringen:
(bz-berlin.de)
(kath.net)
Anders gesagt: Politiker und Journalisten empören sich über etwas, das nach neuesten Erkenntnissen überhaupt nicht existiert, das von der “Bild”-Zeitung aber mühsam herbei- und von anderen Medien blindlings abgeschrieben wird. Und als Beleg dient ihnen ausgerechnet die Studie, die eigentlich das genaue Gegenteil aussagt, was sie aber verschweigen.
Über so viel Entgegenkommen kann man sich als Moslemhasser natürlich nur freuen. “Politically Incorrect” schreibt:
“Zum Regieren brauche ich BILD, BamS und Glotze”, sagte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder vor zehn Jahren. Wenn die oben erwähnten Artikel eine intensive und schnörkellose Debatte über die Gefahren des Islam in Deutschland auslösen, könnte die BamS vom heutigen 30. März 2014 eine nicht zu unterschätzende Katalysator-Funktion gehabt haben.
Mit Dank an Werner H. und G.K.