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Heuristiken: Riskante Schleichwege fürs Denken

Im zurückliegenden Jahr haben wir hier im BILDblog wieder viel über Fehler geschrieben. Aber was genau sind das eigentlich: Fehler? Wie häufig passieren sie? Wie entstehen sie? Und was können Redaktionen gegen sie tun? Unser Autor Ralf Heimann hat sich in einer achtteiligen Serie mit all dem Falschen beschäftigt. Heute Teil 2: Heuristiken.

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Als Anfang des Jahres private Daten von Prominenten auf einer Internetseite auftauchten, war “Bild”-Chef Julian Reichelt sich sehr schnell sicher, wie alles gewesen sein musste. In Gabor Steingarts Podcast sagte er damals:

Ich glaube, was relativ klar ist: Das waren nicht ein oder zwei Jungs, die bei Pizza und Cola light im Keller gesessen haben, bisschen Computerspiele, bisschen Youtube und dann bisschen was gehackt haben und das dann aufbereitet haben. Das muss eine größere Struktur gewesen sein.

Am Ende stellte sich heraus: Reichelt hatte recht. Es waren tatsächlich nicht zwei Jungs gewesen, die ein bisschen was gehackt und dann aufbereitet hatten, es war nur einer.

Julian Reichelt ist dabei ein Fehlschluss unterlaufen, der Menschen immer wieder passiert — Journalistinnen und Journalisten sehr häufig, weil sie oft in Situationen geraten, in denen sie wenig wissen, aber trotzdem irgendetwas sagen müssen.

Wenn wichtige Informationen fehlen, um zu einer guten Einschätzung kommen zu können, müssen Menschen sich an etwas orientieren. Die verschiedenen Techniken, mit denen sie versuchen, im Nebel Halt zu finden, nennt man Heuristiken.

Menschen versuchen, sich in so einer Situation mit einer Handvoll Puzzleteilen ein vollständiges Bild zu machen. In sehr vielen Fällen gelingt das auch. Wenn man auf einem Puzzleteil eine Nase erkennen kann, ist die Wahrscheinlichkeit recht hoch, dass auf den übrigen Mund und Augen zu sehen sein werden.

Wahrnehmungspsychologen nennen diese Methode Repräsentativitätsheuristik, weil Menschen dabei von einer einzelnen repräsentativen Information auf die Gesamtheit schließen. Im Falle des Puzzlestücks kann das Gesamtbild natürlich auch aus eintausend Nasen bestehen. Aber um das herauszufinden, müsste man das gesamte Bild erst zusammenzusetzen. Die Heuristik macht es möglich, sich schnell zu entscheiden.

Menschen, die “Fake News” verbreiten möchten, machen sich dieses Prinzip zunutze. Sie entwerfen Websites, die auf den ersten oberflächlichen Blick aussehen wie Nachrichtenseiten. Sie spekulieren darauf, dass die Menschen sich auf ihren ersten Eindruck und ihre Intuition verlassen und nicht ganz so genau hinschauen. Darauf fallen auch Journalistinnen und Journalisten ganz gern herein.

Als der heutige “Titanic”-Chefredakteur Moritz Hürtgen im Juni 2018 bei Twitter meldete, Horst Seehofer wolle die Fraktionsgemeinschaft zwischen CDU und CSU auflösen, hätten wenige Klicks genügt, um herauszufinden, dass der Twitter-Account @hrtgn nichts mit dem Hessischen Rundfunk zu tun hat. Aber Hürtgen hatte die Journalistinnen und Journalisten schon richtig eingeschätzt: Er hatte lediglich sein Profilbild geändert und in den Tagen zuvor ein paar Meldungen vom Hessischen Rundfunk gepostet. Die Nachrichtenagentur Reuters verließ sich darauf, dass der Account den Anschein einer seriösen Quelle hatte. Danach machte die satirische Falschmeldung die Runde.

Das Problem ist: Heuristiken liefern in der Tendenz gute Ergebnisse, sind aber recht anfällig für Fehler — vor allem dann, wenn Menschen nicht ahnen, dass ihr Urteil durch eine Heuristik zustande kommt.

In Gabor Steingarts Podcast erklärt “Bild”-Chef Reichelt seine Einschätzung so:

Ich glaube nach allem, was wir an Hacks in den letzten Jahren gesehen und erlebt haben, ist das Wahrscheinlichste immer noch, dass es zumindest staatliche Unterstützung, von welcher Seite auch immer, für diesen Hack gab.

Reichelt schaut, wie gut die Situation in ein Muster passt — wie repräsentativ sie also für eine bestimmte Situation ist. Danach bemisst er die Wahrscheinlichkeit.

In solchen Situationen machen Menschen auch oft einen anderen Fehler: Sie schätzen Wahrscheinlichkeiten falsch ein, wenn sie sich von logischen Zusammenhängen blenden lassen. Die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky nennen das Phänomen das Linda-Problem. Herausgefunden haben sie es mit einem Experiment, in dem sie Probandinnen und Probanden eine Frau beschrieben und ihnen dann Fragen stellten. Sie charakterisierten die Frau zunächst mit Merkmalen, die zu einer Feministin passen, und fragten anschließend: Was ist wahrscheinlicher:

  • Die Frau ist Bankangestellte?

Oder:

  • Die Frau ist eine feministische Bankangestellte?

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer entschieden sich mehrheitlich für die zweite Antwort, weil es logisch erscheint, dass eine feministische Frau auch eine feministische Bankangestellte ist. Allerdings ist jede feministische Bankangestellte auch einfach nur eine Bankangestellte. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Frau zu dieser viel größeren Gruppe gehört, ist also deutlich höher.

Diese falsche Einschätzung nennt sich Basisratenfehler: Wenn etwas offensichtlich erscheint, neigen Menschen dazu, nicht auf die tatsächlichen statistischen Wahrscheinlichkeiten zu schauen.

Julian Reichelt muss die Wahrscheinlichkeit recht hoch vorgekommen sein, dass irgendein Geheimdienst bei der Veröffentlichung der Prominenten-Daten seine Finger im Spiel gehabt haben könnte. Und nun gäbe es zwei Möglichkeiten: Entweder ist ein recht unwahrscheinliches Ereignis eingetreten — oder Reichelt hat die Wahrscheinlichkeiten falsch eingeschätzt.

In beiden Fällen ist ihm möglicherweise noch ein anderer Denkfehler unterlaufen, den Kahneman mit der sogenannten WYSIATI-Regel (What you see is all there is) beschreibt: Wenn Menschen eine Situation einschätzen, schauen sie auf die Informationen, die vor ihnen liegen. Sie bewerten das Sichtbare und unterschätzen den Einfluss des Unsichtbaren — sogar dann, wenn sie wissen, dass unbekannte Faktoren eine wichtige Rolle spielen.

Das kann dazu führen, dass Menschen Zusammenhänge konstruieren, wo keine sind — dass sie zum Beispiel davon ausgehen, dass ein außergewöhnlicher Fußballtorwart auch ein zuverlässiger Ratgeber in Finanzfragen sein muss, oder ein sympathischer Moderator auch ein guter Bundeskanzler wäre (Halo-Effekt). Dieses Prinzip nutzt die Werbung sehr gerne.

Umgekehrt kann es auch zur Folge haben, dass bekannte negative Eigenschaften einen Verdacht auf Menschen lenken, die im konkreten Fall nichts damit zu tun haben (Teufelshörner-Effekt). Mit diesem Effekt arbeiten auch Krimi-Autoren: Wenn eine Figur in einer Szene zu sehen ist, in der sie unfreundlich zu anderen Menschen ist, lenkt das auch den Verdacht im Mordfall auf sie (wobei es am Ende doch immer die Figur war, die zu Beginn von allen am sympathischsten erschien).

Es gibt noch eine Reihe weiterer Denkabkürzungen, mit denen Menschen sich behelfen, wenn sie schnell Entscheidungen treffen müssen. Zum Beispiel die Verfügbarkeitsheuristik: Wenn Menschen nicht alle relevanten Faktoren kennen, um zu einer guten Entscheidung zu kommen, überlassen sie die Bewertung ihrer Erinnerung. Das führt dazu, dass sie besonders präsente Informationen bevorzugen — also all das, was ihnen sofort in den Sinn kommt.

Im Fall der geleakten Prominenten-Daten hätten die Täter natürlich Aktivisten von irgendwoher sein können. Weil Julian Reichelt und sein “Bild”-Team die Russen aber ohnehin hinter so gut wie allem vermuten, lag wohl auch hier die Annahme nahe, dass der russische Geheimdienst etwas mit der Sache zu tun haben muss.

Die Verfügbarkeitsheuristik spielt im Journalismus an verschiedenen Stellen eine Rolle. Wenn Journalistinnen und Journalisten einen Experten suchen, der etwas zu einem Thema sagen kann, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie nicht den anrufen, der sich am besten auskennt, sondern den, der ihnen als Erstes einfällt.

Außerdem beeinflussen Medien sich bei der Auswahl von Themen gegenseitig. Berichten mehrere Redaktionen über etwas, kommt schnell die Frage auf: Warum haben wir das nicht? So gewinnt die Verbreitung an Dynamik. Und je präsenter ein Thema ist, zum Beispiel bei Twitter, desto schneller fällt es Redakteurinnen und Redakteuren in den Themenkonferenzen ein. Das führt zu einer Verzerrung, deren Ergebnis sein kann: Über ein wichtiges Thema wird nicht berichtet, weil über ein wichtiges Thema nicht gesprochen wird.

Die Verfügbarkeitsheuristik verzerrt auch die Wahrnehmung des Publikums. Wenn Meinungsforschungsinstitute Menschen fragen, wovor sie am meisten Angst haben, ist kurz nach Terroranschlägen eine häufige Antwort: vor Terroranschlägen — obwohl die Wahrscheinlichkeit, an einem Herzinfarkt, an Krebs oder bei einem Autounfall zu sterben, sehr viel größer ist.

Berichten Journalistinnen und Journalisten über diese Umfragen, führt das wiederum dazu, dass der Effekt sich verstärkt, weil beim Publikum der Eindruck entsteht: Wenn andere das auch so sehen, ist die Sorge ja offenbar nicht ganz unbegründet.

Ein weiterer Denkfehler, der in der Arbeit von Journalistinnen und Journalisten eine Rolle spielt, ist der fundamentale Attributionsfehler. Menschen neigen dazu, den Einfluss von Personen auf Ereignisse zu über- und den der Umstände zu unterschätzen. Dieser Fehler kommt zum Beispiel in der Sport- oder Wirtschaftsberichterstattung häufig vor, wenn Journalistinnen und Journalisten Erfolge der Taktik des Trainers oder der unkonventionellen Art des Vorstandsvorsitzenden zuschreiben. So ergibt sich eine stimmige Geschichte. Es kann allerdings sein, dass die unkonventionelle Art des Firmenchefs bei Rekordverlusten zwei Jahre später auch eine gute Erklärung für seinen Misserfolg ist. Tatsächlich hat der Zufall sehr großen Einfluss. Das ist allerdings eine Erklärung, von der man in der Berichterstattung nur sehr selten liest.

Gleichzeitig spielt dabei die Ergebnisverzerrung (Outcome-Bias) eine Rolle. Um die Qualität von Entscheidungen zu bewerten, schauen Menschen auf das Ergebnis. Hat eine Mannschaft gewonnen, hat der Trainer dem Anschein nach alles richtig gemacht. Es kann aber eben auch sein, dass eine Mannschaft gewonnen hat, obwohl der Trainer ihr mit seinen Entscheidungen alle erdenklichen Steine in den Weg gelegt hat.

Was aber lässt sich gegen diese Verzerrungen machen?

Das Herrschaftswissen der Verhaltensökonomie und Sozialpsychologie über Shortcuts und Fehler bei der Entscheidungsfindung (…) ist vielen Kommunikationsmanagern und -strategen, die die Medien für ihre Zwecke instrumentalisieren, inzwischen wohlvertraut. Dagegen kennen all das bisher viel zu wenige Journalisten

… schreibt der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl in seinem Buch “Die informierte Gesellschaft und ihre Feinde”. Daher ist der erste Schritt: sich unbewusste Denkprozesse bewusst machen. Dann fällt man vielleicht immer noch auf sie herein, kann das aber in einem zweiten Schritt überdenken und korrigieren.

Janina Kalle hat einen interessanten Beitrag über Techniken geschrieben, mit deren Hilfe sich diese Verzerrungen entschärfen lassen. Um das Outcome-Bias auszuschalten, kann es zum Beispiel sinnvoll sein, eine andere Perspektive einzunehmen, sich zu fragen: Wäre unter den gleichen Umständen ein anderer Ausgang der Geschichte möglich gewesen?

Generell gilt: Wer sich die Wahrnehmungsverzerrungen bewusst macht, hat immerhin die Chance, sie zu erkennen. Auch Zeit ist immer von Vorteil, denn wenn das Gehirn schnelle Entscheidungen trifft, ist die Fehlerwahrscheinlichkeit hoch. Und je weniger Journalistinnen und Journalisten sich auf ihre Erinnerung und vor allem auf bloße Eindrücke verlassen, desto geringer ist die Gefahr, vom eigenen Gehirn überlistet zu werden.

Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen zitiert in seinem Buch “Die große Gereiztheit” ein geflügeltes Wort us-amerikanischer Journalistinnen und Journalisten: “Wenn deine Mutter dir sagt, sie liebt dich, überprüfe es.” Für Julian Reichelt könnte man den Satz etwas abwandeln: “Wenn dein Gefühl dir sagt, es waren die Russen, recherchiere es.”

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Teil 1 unserer “Kleinen Wissenschaft des Fehlers” gibt es hier.

Why so incorrect?

Der Joker ist zurück im Kino — und eine Falschmeldung zurück in deutschen Medien.

“Zeit Online” schreibt:

Aufgeheizt wurde die Debatte [um den neuen Joker-Film], als bekannt wurde, dass die US-Armee ihre Mitglieder vor Attentaten möglicher Incels anlässlich der Joker-Premiere in amerikanischen Kinos gewarnt hatte. Als Incels (involuntary celibates — unfreiwillig zölibatär) bezeichnen sich Männer, die sich von Frauen — und oft von der Gesellschaft als solcher — zurückgewiesen fühlen. In Foren stacheln sie sich zu Hass und zum Teil auch zu Gewalt an.

Als einer der Vorbilder der Szene gilt ausgerechnet der Attentäter James Holmes, der während der Premiere des letzten großen Joker-Epos The Dark Knight Rises im Juli 2012 zwölf Menschen in einem Kinosaal in Aurora erschossen hatte. Der Polizei gegenüber behauptete er damals, er sei Joker.

(Link im Original.)

In “The Dark Knight Rises”, dem “letzten großen Joker-Epos”, hat der Joker gar nicht mitgespielt. Aber das nur am Rande.

Der eigentliche Punkt ist der, dass der Attentäter von Aurora gegenüber der Polizei behauptet hätte, er sei der Joker. So steht es auch im von “Zeit Online” verlinkten “Gizmodo”-Artikel:

It’s often been repeated that Holmes was inspired by the Joker, a claim that primarily rests on statements the killer reportedly made to police after the fact in which he said he “was the Joker.”

Allerdings mit einem interessanten Twist:

Speaking with the Hollywood Reporter, Daniel Oates, Aurora’s chief of police at the time, said that “there is no evidence” the shooter ever said that.

Erst vor einer Woche veröffentlichte “Vanity Fair” einen ausführlichen Artikel zu der Joker-Falschmeldung:

The rumor began in the hours after James Holmes killed 12 people and injured 70 more during a 2012 screening of The Dark Knight Rises. Speaking at a press conference in Manhattan, then-New York police commissioner Ray Kelly said that Holmes had actually referred to himself as the Joker. “He had his hair painted red, he said he was ‘the Joker,’ obviously the ‘enemy’ of Batman,” Kelly said.

Doch:

“It never happened,” said George Brauchler, the Colorado district attorney who prosecuted Holmes, citing Kelly as the source of the rumor. Brauchler and other Colorado officials have attempted to clarify for years that Holmes never referred to himself as the Joker. The story has persisted, Brauchler said, because it fits the narrative so cleanly. “Of course the crazy-hair-colored guy who shot up the Batman premiere thought he was the Joker, of course!” Brauchler added. “And yet it has no connection to reality.”

Zitiert wird auch der Psychiater, der den Attentäter für den Prozess mehrere Stunden lang befragt hatte. Demnach war Holmes nicht selbst auf diese Jokersache gekommen, sondern hörte erst im Gefängnis zum ersten Mal davon:

“He said that the first he heard of the Joker idea was [from] somebody in another cell,” he said. “He heard calling back and forth, ‘Hey, you’re the Joker,’ or something like that.”

Ein anderer vermeintlicher Beleg, der seit Jahren angeführt wird, ist die Tatsache, dass sich der Amokläufer die Haare rot gefärbt hatte. Bild.de etwa schrieb vor wenigen Tagen:

In Aurora hatte am 20. Juli 2012 ein Angreifer bei einer Premiere des Films “Batman — The Dark Knight Rises” wahllos ins Kinopublikum gefeuert, 12 Menschen starben. Vor Gericht erschien der Täter später mit orangerot gefärbten Haaren wie der “Joker”.

Der Joker hat grüne Haare.

Mit Dank an @JoachimKlarmann für den Hinweis!

Nachtrag, 11. Oktober: “Zeit Online” hat die Passage überarbeitet und am Ende des Artikels eine ausführliche Anmerkung veröffentlicht. Bei Bild.de steht es immer noch falsch.

Ost-Aufwiegler, “Bild Politik” am Ende, Gute Nacht Österreich

1. Vollgas, Schnitzel!
(zeit.de, Christian Bangel)
Laut einer “Zeit”-Umfrage glauben 41 Prozent der Ostdeutschen, dass es um die Meinungsfreiheit heute in der Bundesrepublik nicht besser bestellt sei als zu DDR-Zeiten. Christian Bangel hält für diese Entwicklung auch Leute verantwortlich wie den FDP-Chef Christian Lindner, Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen, “Welt”-Chefredakteur Ulf Poschardt und den Publizisten Roland Tichy. In seinem Kommentar bei “Zeit Online” fragt sich Bangel: “Ahnen sie, dass sie damit den Unterschied zwischen der Bundesrepublik und der DDR verwischen? Ist ihnen klar, dass ihre Worte im Osten viel stärker und ganz anders wirken als im Westen? Finden sie es vielleicht einfach ein bisschen geil? Ist da auch eine narzisstische Lust, mit der Macht der eigenen Erzählung zu spielen, wie Boris Johnson es tut?”
Weiterer Lese- und Gucktipp: Verblühte Presselandschaften in Ostdeutschland (ndr.de, Sebastian Friedrich, Video: 8:00 Minuten).

2. Wegen Restrukturierungsmaßnahmen: Axel Springer mottet das Printprojekt “Bild Politik” endgültig ein
(meedia.de, Gregory Lipinski)
Anfang des Jahres hatte “Bild” einen neuen Ableger an die Kioske gebracht: Die von “Bild”-Vize-Chef Nikolaus Blome und Selma Stern (jetzt: “Business Insider”) geleitete “Bild Politik”. Nach einer längeren Pause stellt der Axel-Springer-Verlag das Printprojekt endgültig ein. Als Grund werden die Restrukturierungsmaßnahmen der “Bild”-Gruppe angegeben. Klingt ja auch besser als Erfolglosigkeit.

3. Gerichte können Facebook zu weltweiten Löschungen zwingen
(golem.de, Friedhelm Greis/dpa)
Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass Facebook Löschanordungen europäischer Gerichte Folge leisten und die monierten Inhalte weltweit aus dem Netz nehmen muss. Die Entscheidung geht auf den Fall der ehemaligen österreichischen Grünen-Politikerin Eva Glawischnig-Piesczek zurück. Facebook ist mit der Entscheidung naturgemäß und wenig überraschend nicht zufrieden: “Dieses Urteil wirft kritische Fragen rund um das Thema Meinungsfreiheit auf”.

4. Die Zeit danach
(sueddutsche.de)
Als Reaktion auf den Fälschungsskandal um Claas Relotius baut der “Spiegel” sein umstrittenes Gesellschaftsressort um und verpasst ihm den neuen Namen “Reporter”. Die Leitung übernimmt Özlem Gezer, die nach vielen Hinweisen durch Juan Moreno das entscheidende Gespräch mit Relotius führte, in dem dieser erstmals einige seiner Fälschungen eingestand.

5. Akut bedrohte Journalisten gerettet
(reporter-ohne-grenzen.de)
Reporter ohne Grenzen (ROG) ist es gelungen, zwölf besonders gefährdete syrische Journalistinnen und Journalisten und deren Familien nach Deutschland zu holen. Sie saßen in einer Region Syriens fest, bei der die Übernahme durch die Assad-Regierungstruppen drohte. Die Folgen wären womöglich Verhaftung, Folter und Tod gewesen. ROG-Leiter Christian Mihr wünscht sich in diesem Zusammenhang eine beschleunigte Bearbeitung durch die deutsche Bürokratie: “Wenn sich Journalistinnen und Journalisten aufgrund ihrer Arbeit in akuter Lebensgefahr befinden, sollten die deutschen Behörden aus humanitären Gründen auf langwierige Einzelfallentscheidungen verzichten. Mit unbürokratischen Nothilfe-Visa könnten Betroffene schnell in Sicherheit gebracht werden.”

6. Gute Nacht Österreich
(tvthek.orf.at, Video: 29:29 Minuten)
Der österreichische Comedy-Autor, Kabarettist, Philosoph und Fernsehmoderator Peter Klien ist seit Kurzem Host der Late-Night-Show “Gute Nacht Österreich”. In der aktuellen Sendung kümmert er sich hingebungsvoll um die österreichische Politik und ihre Verbindungen zu alpenländischen Medienmachern (ab Minute 14:45). Und er klärt auf, wie es seinem Team gelungen ist, eine Falschmeldung “Skorpion-Alarm auf Kinderspielplatz” in die Boulevardmedien “Kronen Zeitung”, “Österreich” und “Heute” zu bekommen.

(Kein) Türknauf des Todes, Tim K.s Konto, Zu Besuch beim Hetzer

1. Falschmeldung der Polizei auf Twitter: Der Türknauf des Todes kommt vor Gericht
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die Berliner Polizei behauptete auf Twitter fälschlicherweise, bei der Räumung eines Stadtteilladens habe man gerade noch rechtzeitig festgestellt, dass ein Türknauf unter Strom gesetzt worden sei. Wider besseren Wissens war die Korrektur dieser Falschmeldung erst am nächsten Tag erfolgt und habe dadurch nur einen Bruchteil der Aufmerksamkeit bekommen: “Der Spin der Polizei funktionierte: Der Protest gegen die Räumung des Hauses erschien in einem für die Demonstrierenden negativen und gewalttätigen Licht.”

2. Dortmund: Wegen fehlender journalistischer Sorgfalt kassiert die BILD eine einstweilige Verfügung eines Neonazis
(nordstadtblogger.de, Sascha Fijneman & Alexander Völkel)
“Bild” beziehungsweise der Verlag Axel Springer SE ist vor dem Landgericht Dortmund dem Sänger einer Rechtsrockband unterlegen. “Bild” habe behauptet, der Sänger sei Mitglied und Führungskader der als rechtsterroristisch eingestuften Neonazi-Organisation “Combat 18” (“Kampfgruppe Adolf Hitler”): “Da jedoch der Axel-Springer-Verlag seine Behauptungen nicht schlüssig durch Quellen belegen konnte und sogar die jeweiligen Aussagen aus den Quellen noch anders darstellte (also nicht ordentlich bzw. falsch zitiert hat), kritisierte das Gericht die mangelhafte journalistische Sorgfaltspflicht bei der Arbeit der BILD-Zeitung.”

3. Mutmaßlicher Facebook-Hetzer nimmt Stellung zu Gewaltaufrufen
(rbb24.de, C. Huppertz & M. Siepmann, Video: 3:37 Minuten)
Der rbb hat einen mutmaßlichen Facebook-Hetzer zu dessen üblen Gewaltaufrufen befragt. Und das ist auf eine gewisse Weise verstörend: Hier steht kein Neonazi mit Glatze, SS-Tätowierung und schwarzen Klamotten auf der Straße, sondern ein ziemlich normaler Bürger. Der sich ohne echte Einsicht windet zwischen “Hab ich gesagt”, “Hab ich nicht gesagt” und “Hab ich gesagt, aber anders gemeint”. Immerhin will er wohl bei einem seiner Opfer um Entschuldigung bitten, sein Facebook-Profil habe er mittlerweile gelöscht.

4. Lizenz zum Senden
(sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Da der bestehende Rundfunkstaatsvertrag die neuen Mediennutzungen wie Streaming, Sharing, Gaming, Podcasts und andere Netzangebote nicht ausreichend erfasst, soll ein neuer Medienstaatsvertrag folgen. Die Rundfunkkommission hat vor etwa einem Jahr einen Entwurf veröffentlicht und um Bürgerbeteiligung gebeten. Von dieser Möglichkeit haben über 1200 Personen Gebrauch gemacht. Benedikt Frank fasst den derzeitigen Stand zusammen und erklärt, was es mit der ominösen Rundfunklizenz für YouTuber auf sich hat.

5. Wie breitet sich Parkinson im Körper aus? Wie beeinflussen Flugzeug-Kondensstreifen das Klima? Science Media Newsreel1 No. 55
(meta-magazin.org)
Im Wochenrückblick des “Science Media Center” geht es um die Forschungsergebnisse, über die in letzter Zeit besonders häufig in den Medien berichtet wurde. Diesmal: Studien über mögliche Ausbreitungswege von Parkinson sowie die Auswirkungen von Kondensstreifen auf die Strahlungsbilanz der Erde.

6. Rassistische Videos: Sparkasse kündigt Konto von Rocker Tim K.
(nw.de)
Der Chef eines Rocker-Clubs sowie rechtslastige Ex-Polizist, YouTuber und Buchautor Tim K. wollte anscheinend Geld für ein Nachrichtenportal sammeln und hat dazu seine private Kontoverbindung verwendet. Nun hat ihm die Sparkasse eben jenes private Girokonto gekündigt, unter anderem wegen eines zu befürchtenden “erheblichen Reputationsschadens”. K. wolle gegen die Kündigung juristisch vorgehen.

Letztes Geschäft, Drölfzig Studientote, Konsensverschiebung

1. “Letztes Geschäft im Existenzkampf einer Zeitung”
(deutschlandfunk.de, Michael Bürgers)
“Warum berichtet “Bild” über die Speiseplan-Änderung in zwei von 56.000 Kitas in Deutschland?”, fragte der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz auf Twitter und war mit dieser Frage nicht allein. Auch wir befassten uns hier im BILDblog mit der Thematik. Der “Deutschlandfunk” hat unter anderem mit dem Politikberater und ehemaligen “Bild am Sonntag”-Chef Michael Spreng über den Fall gesprochen. Man könne laut Spreng den “Existenzkampf einer Zeitung, ein letztes Geschäft zu machen”, erleben. Sein ehemaliger Arbeitgeber sei zur “Vorfeldorganisation der AfD” geworden.

2. Nachbeben
(sueddeutsche.de, Adrian Lobe)
Immer mehr Redaktionen bedienen sich automatisierter Schreibprogramme, doch der sogenannte Roboterjournalismus hat seine Tücken. So rutschte der “LA Times” 2017 eine Falschmeldung von einem Erdbeben in Los Angeles durch, das eigentlich 92 Jahre zuvor stattgefunden hatte. Auch im Wirtschaftsjournalismus vertraut man zunehmend den automatisierten Meldungen. Auch hier können Fehler dramatische Folgen haben: “Kaum vorstellbar, was passieren würde, wenn ein Nachrichtenscanner an der Börse die Falschmeldung eines Schreibroboters verarbeiten würde — und infolgedessen der Aktienkurs einbricht. Im Hochfrequenzhandel führen sogenannte Algo-Trader Transaktionen in Mikrosekunden aus. So schnell, wie diese Maschinen operieren, kann keine Meldung korrigiert werden.”

3. Taten und Worte
(zeit.de, Christian Fuchs)
Christian Fuchs schlägt einen historischen Bogen vom Rechtsextremismus der Neunziger bis in die Jetztzeit mit dem Aufstieg der Neuen Rechten. Deren Strategen würden an einer Konsensverschiebung arbeiten und sich dabei eines Medien-Ökosystems aus mehr als 35 Zeitungen, Blogs, Magazinen, YouTube-Kanälen und einem Radiosender bedienen. Fuchs kennt sich in diesem Bereich besonders gut aus und hat mit Paul Middelhoff das Buch “Das Netzwerk der Neuen Rechten” verfasst. Sein Appell: “Gewaltverherrlichende, einschüchternde und abwertende Äußerungen dürfen nirgends unwidersprochen bleiben. Wenn Politiker und Bürger nicht klare Kante gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit zeigen, werden die Schüsse von Wächtersbach und Kassel nicht die letzten gewesen sein.”

4. Worte als Taten
(kontextwochenzeitung.de, Rainer Jedlitschka)
In der Buchreihe “Täter, Helfer, Trittbrettfahrer” geht es um NS-Belastete aus dem heutigen Baden-Württemberg. Ein Kapitel des zuletzt erschienenen Bands widmet sich Giselher Wirsing, dem Star-Journalisten des “Dritten Reichs”. “Kontext” veröffentlicht das gekürzte Kapitel über den Mann, dessen Karriere nach dem Krieg als Chefredakteur von “Christ und Welt” weiterging.

5. Kann eine Ex-AfDlerin uns wirklich etwas über Meinungspluralität beibringen?
(jetzt.de, Berit Dießelkämper)
“Funk” nennt sich das Bündel von öffentlich-rechtlichen Youtube-Kanälen für junge Leute. Seit vier Monaten bespielt dort auch Ex-AfDlerin Franziska Schreiber ihren eigenen Kanal und hat es auf immerhin 15.000 Abonnenten gebracht. Ein Format, das die Journalistin und Politikwissenschaftlerin Berit Dießelkämper für problematisch hält: “Braucht es wirklich eine ehemalige Anti-Demokratin, um uns Pluralismus zu lehren? Und vor allem: Ist das überhaupt Pluralismus?”

6. Drölfzig Menschen sterben jedes Jahr beim Lesen von Studien
(blog.wdr.de, Dennis Horn)
In den Jahren 2011 bis 2017 soll es laut einer indischen Studie 259 “Selfie-Tote” gegeben haben. Eine Meldung, die in den Sozialen Medien vom beömmelungssüchtigen Publikum mit allerlei Spott kommentiert wurde. Dennis Horn hat die Zahl in Relation gesetzt und kommt zu einem anderen Ergebnis: “Fast 0 Prozent aller Selfie-Aufnahmen gehen tödlich aus.”

CDU-Zerstörung, AfD-Medien-Treff im Bundestag, Mein Heft und ich

1. Die Zerstörung der CDU durch einen Youtuber
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
“Die Zerstörung der CDU” heißt das 55-minütige Video des Youtubers Rezo, das innerhalb weniger Tage mehr als 2,5 Millionen Mal aufgerufen wurde. Thomas Knüwer kommentiert: “Ich habe das Gefühl, dass hier eine neue Generation von Journalismus entsteht. Er ist genauso emotional, kommentierend und subjektiv wie der aktuelle Journalismus älterer Generationen — und dies kann ich nicht gut finden. Doch haben Youtuber wie Rezo eine Fähigkeit, die den Redaktionen klassischer Medien abhanden gekommen ist: Sie sprechen die Sprache ihrer Zielgruppe. Und deshalb sind sie in der Lage, diese für sich zu gewinnen.”
Weitere Lesetipps: Das Interview mit Rezo, dem Macher des Videos: Wie der Youtuber Rezo in einer Stunde die Logik der CDU zerlegt (jetzt.de, Sophie Aschenbrenner & Nicolas Freund). Sowie Fridtjof Küchemann bei FAZ.net: Kommt damit klar!

2. “Erste Konferenz der freien Medien”: Wie die AfD rechte Blogger und Identitäre in den Bundestag einlud
(correctiv.org, Till Eckert)
Die AfD hat ein größeres Treffen mit Vertretern alternativer, rechter Medien im Bundestag organisiert. “Die größten Netzwerker der rechten Szene tauschten dort mit Abgeordneten Nummern aus”, schreibt Till Eckert, der für “Correctiv” ebenfalls vor Ort war und seine Eindrücke von der “1. Konferenz der freien Medien” schildert.

3. Facebook hat offenbar Mitglieder einer EU-Expertengruppe unter Druck gesetzt, die Desinformation bekämpfen sollten
(buzzfeed.com, Nico Schmidt & Daphné Dupont-Nivet)
Es sind schwerwiegende Vorwürfe, die Mitglieder einer EU-Expertengruppe gegen Facebook erheben: Das Netzwerk habe ihnen bei zu harter Regulierung mit dem Entzug von Fördergeldern für journalistische und akademische Projekte gedroht. Offenbar nutze Facebook die finanziellen Unterstützungen für Journalismus (für die nächsten drei Jahre 300 Millionen Euro) als Druckmittel.

4. Was ist in unseren journalistischen Beiträgen erlaubt, was nicht?
(blog.zeit.de)
Bei “Zeit” und “Zeit Online” hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe “Standards und Regeln” formuliert und mit den Redaktionen diskutiert. Anschließend wurden die Regeln im Sinne der Transparenz im sogenannten “Glashaus-Blog” veröffentlicht.

5. Forscher halten Falschmeldungen für überschätztes Problem
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Gemäß einer Untersuchung der Beratungsfirma PriceWaterhouseCoopers geht die Mehrheit der Deutschen davon aus, dass auf Facebook und Twitter vor der Europawahl massiv mit Falschmeldungen Stimmung gemacht und so die Wahl beeinflusst wird. Zu einem anderen Ergebnis kommt das Oxford Internet Institute: Derartige Falschmeldungen seien ein überschätztes Problem. Patrick Beuth stellt de Ergebnisse der Oxford-Studie vor.
Weiterer Lesetipp: EU-Wahl: Gehen Facebook, Google und Twitter ausreichend gegen Desinformation vor? (sciencemediacenter.de).

6. Mein Heft und ich
(taz.de)
Personality-Titel sind im Zeitschriftenmarkt gerade schwer angesagt, ob Barbara Schönebergers “Barbara”, Joko Winterscheidts “JWD”, Guido Maria Kretschmers “Guido” oder Eckhard von Hirschhausens “Stern Gesund leben”. Die “taz” hat ein paar Ideen für weitere Personality-Magazine und sogar schon die passenden Cover dafür parat. Mit dabei: Die Magazine “Verena” von Keks-Erbin Verena Bahlsen und das Wutbürger-Magazin “Hans-Georg”.

Pressefreiheit für Assange, Leon Lovelock, Warner stoppt Trump-Video

1. Pressefreiheit gilt auch für Assange
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Gestern hat Ecuador dem “WikiLeaks”-Gründer Julian Assange den Asylstatus aberkannt, woraufhin er von der britischen Polizei verhaftet wurde. Markus Reuter kommentiert: “Man kann Assange wegen mutmaßlicher sexueller Übergriffe gegen Frauen ein Arschloch nennen. Man kann Julian Assange für einen politisch Irrlichternden halten, der im US-Präsidentschaftswahlkampf zu Gunsten von Trump agierte. Man kann ihn für einen rücksichtlosen Egomanen halten, dem andere egal waren. Man muss Assange dafür kritisieren, dass Wikileaks Informationen oftmals unredigiert veröffentlichte und damit Menschen in Gefahr brachte. All das ist richtig. Was man allerdings nicht kann, ist ihn für seine offensichtlich relevanten Leaks sowie die Etablierung einer neuen digitalen Veröffentlichungskultur zu verurteilen. Hier hat sich Julian Assange verdient gemacht.”
Weiterer Lesehinweis: “Reporter ohne Grenzen” fordert: Assange nicht an die USA ausliefern.

2. Das ist das Weltpresse-Foto des Jahres 2019
(faz.net)
Das Foto des weinenden Flüchtlingskindes an der texanischen Grenze zu Mexiko ist zum Weltpresse-Foto des Jahres 2019 gewählt worden. “Das Bild zeigt eine andere, psychologische Art der Gewalt”, so Jury-Mitglied Alice Martins.

3. Flut von Fake News
(faktenfinder.tagesschau.de, Silke Diettrich)
Im Zeitraum vom 11. April bis zum 19. Mai wird in Indien ein neues Parlament gewählt. Für die größte Demokratie der Welt mit den mehr als 900 Millionen Wahlberechtigten eine gewaltige logistische Herausforderung. Außerdem könnten Fake News die Wahlen beeinflussen: In den sozialen Medien würden unzählige Falschmeldungen, Gerüchte und gefälschte Fotos kursieren.

4. Der YouTuber Leon Lovelock verbreitet gefährliche Verschwörungstheorien
(vice.com, Johann Voigt)
Der Fitness-YouTuber Leon Lovelock interviewt seit Kurzem verschiedene deutsche Rapper, von denen einige ohne weitere Einordnung ihre kruden Verschwörungstheorien verbreiten können. Johann Voigt schreibt dazu: “Es wirkt so, als wäre Leon Lovelock mit der guten Absicht YouTuber geworden, Leute dazu zu bringen, besser mit sich selbst umzugehen. Doch er hat sich in der Idee verrannt, dass man als Mensch in irgendeiner Form fremdgesteuert wird. Mit diesem Mindset bietet er zusammen mit Kollegah, Pa Sports oder Kianush, die in ihren Ansichten um einiges radikaler sind als er, einen Nährboden für Verschwörungstheorien. Nicht in den dunklen Ecken des Internets, sondern im YouTube-Mainstream.”

5. Wie Roger Schawinski und die “Welt” eine Sex-Arbeiterin bloßstellen
(uebermedien.de, Juliane Wiedemeier)
Juliane Wiedemeier erzählt, was es mit dem Konflikt zwischen der Luxus-Prostituierten und studierten Philosophin Salomé Balthus und dem Schweizer Talkmaster Roger Schawinski, ihrem anschließenden Rauswurf bei der “Welt” und der Tätigkeit des “Welt”-Kolumnisten Don Alphonso als “ungebetener Job-Vermittler” auf sich hat.

6. Warner stoppt Trumps Wahlwerbung
(wuv.de, Susanne Herrmann)
Donald Trump hat auf Twitter ein Wahlkampfvideo verbreitet, das mit Batman-Filmmusik unterlegt war (“The Dark Knight Rises”). Das fand das amerikanische Filmstudio Warner Bros. weniger witzig und ließ das Video bei Twitter sperren.

Die Mär von den linken Medien, Russlands Internet, Fremdschämen

1. Deutscher Journalismus: linksgrün und abgehoben
(katapult-magazin.de, Sebastian Haupt)
Hartnäckig hält sich das Vorurteil, dass die Mehrheit der Journalistinnen und Journalisten “linksgrün und abgehoben” seien. Ja, dass die Medien insgesamt links seien. Sebastian Haupt hält die Behauptung für wissenschaftlich nicht haltbar. Sie zeige, wie aus korrekten Daten Falschmeldungen erzeugt werden. Der Beitrag verweist nicht nur auf seine Quellen, sondern ist mit einigen hilfreichen Grafiken illustriert.

2. Russland will sich vom globalen Internet abkoppeln
(sueddeutsche.de, Silke Bigalke)
In Russland plant der Kreml ein Gesetz für ein “souveränes Internet”, welches das russische Runet vom Rest der Welt abkoppelt. An heutigen Donnerstag wird die Duma in der zweiten und wichtigsten Lesung über das Gesetz abstimmen. Doch es gebe Hoffnung: Experten würden bezweifeln, dass sich die geplante digitale Mauer an Russlands Grenzen technisch umsetzen lässt.

3. “Sie werden kürzen, bis irgendwann nichts mehr da ist”
(fr.de, Karl Doemens)
Nahezu alle Regionalzeitungen in den USA haben mit enormen wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Anzeigenkunden sind oftmals zu Google oder Facebook abgewandert. Mit der Folge, dass viele Zeitungen schließen mussten und inzwischen 171 Landkreise ganz ohne Lokalzeitung auskommen müssen. Und es könnte noch schlimmer kommen: Der US-Medienkonzern Gannett, zu dem rund 100 Lokalzeitungen gehören, ist ins Visier eines Hedgefonds geraten. Und der hat sich unter anderem auf das Ausschlachten krisengeschüttelter Zeitungen spezialisiert.

4. Die Wahrheit unter Zeitdruck
(kontextwochenzeitung.de, Nele Günther)
Eine junge Frau will Journalistin werden, doch als nach zwei Semestern Grundstudium die Entscheidung zwischen Journalismus und PR ansteht, entscheidet sie sich für die PR. In einem Beitrag für die “Kontext Wochenzeitung” erklärt Nele Günther, warum sie dem Journalismus den Rücken gekehrt hat. Es hat mit fehlender Wertschätzung und einer angemessenen Entlohnung zu tun: “Reich werden war nie mein Ziel, aber arm sein genauso wenig.”

5. Dresdner Demokratie
(taz.de, Michael Bartsch)
In der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) streiten die beiden Gremien “Versammlung” und “Medienrat” über die Abberufung des Geschäftsführers. Die wieder offen ausgebrochenen Animositäten zwischen den beiden Einheiten ginge auf die Gründungsphase der SLM im Jahr 1991 zurück.

6. Eine Branche erniedrigt sich selbst
(spiegel.de, Markus Böhm)
Markus Böhm war bei der Verleihung des Deutschen Computerspielpreises. Dieser habe schon immer eine zu große Nähe zur Politik und zu viele Fremdschäm-Momente gehabt. Dieses Jahr sei er jedoch stellenweise schlicht niveaulos gewesen. Böhms Resümee: “Wenn sich der Preis präsentiert wie dieses Jahr, ist er überflüssig. Allein schon, weil er dem Image der Branche und der Spielerschaft schadet und nicht einmal seine Gewinner gut aussehen lässt. Von einem großen Kulturpreis könnte er so kaum weiter entfernt sein.”

Für Sie geklickt (15) – Bye, bye, “Huffington Post”

Zum Ende dieser Woche wird die deutsche Ausgabe der “Huffington Post” eingestellt. Wie schade. Dabei hat sie uns doch so so so so so so so so so so so so so so so viel Freude bereitet.

Damit ihr noch mal sehen könnt, was euch da in Zukunft so alles entgeht, haben wir bei der “HuffPost” ein letztes Mal “Für Sie geklickt”.

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Hitlers Atombombe: Das ist wirklich an der Legende dran

Nix.

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Mann heiratet beste Freundin seiner Tochter - so hat die Familie reagiert

Zuerst fand sie es doof, jetzt nicht mehr so.

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Hochzeitspaar ist kurz vor dem Ja-Wort - der Witz des Bräutigams lässt die Trauung platzen

Auf dem Standesamt sagte er: “Mhmm, soll ich dich wirklich heiraten?” Sie wurden dann nach Hause geschickt, bekamen aber einen neuen Termin.

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Frau aus Solingen erklärt: Deshalb habe ich Sex mit Ballons

Weil es ihr Spaß macht.

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Frau und ihr Lover wollen ein Taxi ins Hotel nehmen - mit diesem Fahrer hatten sie nicht gerechnet

Mit ihrem Ehemann.

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Diese 8 Fakten solltest du über deine Vagina wissen

1. Die Klitoris ist größer, als du denkst.
2. Die äußeren Schamlippen sind das Äquivalent zum Hodensack.
3. Der Scheidenkanal ist kein endloser Tunnel.
4. Die Klitoris hat fast 8.000 Nervenenden.
5. Gut möglich, dass du für einen Orgasmus klitorale Stimulation brauchst.
6. Bitte wasche deine Vagina niemals mit Seife.
7. Rein anatomisch kann jede Frau squirten, praktisch jedoch nicht unbedingt.
8. Vaginas können nicht “ausleiern”.

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Die eine Sache, die Männer mehr wollen als Sex - und warum Frauen sie ihnen oft nicht geben können

Einen sicheren Hafen.

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William und Harry haben eine Stiefschwester - warum sie fast niemand kennt

Weil sie sich lieber aus dem öffentlichen Rampenlicht zurückzieht.

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Diese Zweijährige aß noch nie im Leben Zucker - so hat sich das Kind entwickelt

Gut.

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Eine Hackerin enthüllt, was du online niemals machen solltest

Etwas posten, ohne nachzudenken.

In diesem Sinne: Tschüss, “Huffington Post”!

Influencer-Urteil, Faktenchecker-Tipps, Dieselvernebelter Mario Barth

Vorbemerkung: Aus aktuellem Anlass folgt im Lauf des Tages morgen eine Sonderausgabe zur umstrittenen Urheberrechtsreform.

1. Fünf Tipps und Tools von Faktencheckerin Karolin Schwarz, die zeigen, wie man Fake-News im Netz erkennt
(meedia.de, Marina Friedt)
Die Journalistin Karolin Schwarz ist die Gründerin von Hoaxmap, einem Portal, auf dem Falschmeldungen u.a. über Geflüchtete zusammengetragen werden. Außerdem arbeitet sie unter anderem für den “Faktenfinder” der ARD. Im Interview mit “Meedia” spricht sie über die Praxis des Factchecking im Journalismus und gibt nützliche Tipps zu Online-Tools, die wir alle in den Bookmarks haben sollten.
Weiterer Lesehinweis: In der “Hannoverschen Allgemeinen” gibt es ein Interview mit dem Bildforensiker Jens Kriese: So erkennen Profis manipulierte Fotos — und so erkennt sie auch der Laie.

2. Anwalt von Billy Six widerspricht seinem Mandanten
(tagesspiegel.de, Madlen Haarbach)
Der Journalist Billy Six schreibt für rechtskonservative Medien wie die “Junge Freiheit” und ist nach Angaben von “Reporter ohne Grenzen” vom radikal rechten Verein “Die Deutschen Konservativen” für eine Reportage nach Venezuela entsandt worden. Dort saß er vier Monate in Haft, wegen angeblicher Rebellion, Spionage und dem Verletzen von Sicherheitszonen. Vor einigen Tagen wurde er überraschend freigelassen und ist wieder zurück in Deutschland. Nun behauptet Six, die deutschen Diplomaten hätten nicht gegen seine Inhaftierung protestiert und ihm nicht geholfen: Man habe ihn dort “verrecken” lassen wollen. Aussagen, denen sogar sein eigener Anwalt widerspricht.

3. Über das Gründegeben
(christophkappes.de)
Christoph Kappes nimmt den Abgang des nun ehemaligen “FAZ”-Herausgebers Holger Stelzner zum Anlass, eine persönliche Geschichte zu erzählen: Kappes hatte selbst für die “FAZ” geschrieben und erhielt irgendwann die überraschende Nachricht, der zuständige Redakteur dürfe keine Texte mehr von ihm annehmen. Kappes versuchte, der Zurückweisung auf den Grund zu gehen, was sich als nicht so einfach erwies. Am Ende blieb nur eine Vermutung.

4. Auch das Private ist geschäftlich
(tagesschau.de, Frank Bräutigam)
Pamela Reif ist sogenannte Influencerin in Sachen Fitness und Mode und hat über vier Millionen Instagram-Follower. In einer Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe wurde Reif verpflichtet, bestimmte Posts als Werbung zu kennzeichnen. Dabei ging es um Beiträge, von denen Reif behauptet hatte, es seien Ausschnitte aus ihrem Privatleben. Die Posts waren jedoch mit Tags zu Markennamen zu ihrer Kleidung versehen, was vom Gericht als Werbung gewertet wurde.

5. Facebook speicherte Hunderte Millionen Passwörter unverschlüsselt
(zeit.de)
Facebook hat zugegeben, Passwörter von Hunderten Millionen Nutzerinnen und Nutzern unverschlüsselt gespeichert zu haben. “Wir gehen davon aus, dass wir Hunderte Millionen Nutzer von Facebook Lite, Dutzende Millionen weitere Facebook-Nutzer sowie Zehntausende Instagram-Nutzer benachrichtigen werden”, so das Unternehmen.
Weiterer Lesehinweis: Kritik an Social-Media-Plattform: EU-Kommissarin Jourova ruft zum Verlassen von Facebook auf (spiegel.de).

6. “Mario Barth deckt auf” oder: Verantwortungsloses Fernsehen
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Kennste-Kennste-Komiker Mario Barth hat in der vergangenen Ausgabe seiner Aufdecker-Sendung (“Mario Barth deckt auf”, RTL) mal wieder alle Populismus-Register gezogen. In einer AfD-verdächtigen Dummifizierung hat er sich der Debatte um die Diesel-Grenzwerte gewidmet. Ein einseitiges und irreführendes Stück Fake News, in dem Barth die Argumentation des längst widerlegten Lungenfacharztes und Zahlen-Konfusius Dieter Köhler ins Spiel brachte.

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