1. “Fatale Falschmeldung” (taz.de, Francesco Giammarco)
Eine Meldung über eine Ebola-Erkrankung in Berlin stellt sich als falsch heraus: “Unter anderem der TV-Sender n-tv und die Berliner Morgenpost hatten am Dienstag berichtet, dass es sich bei dem Mann um einen Übersetzer handeln soll, der für die Botschaft der Republik Sierra Leone in Berlin arbeitet. (…) Weder vor, noch nach der Veröffentlichung sei die Botschaft kontaktiert worden, um die Verbindung zu dem vermeintlich Kranken zu bestätigen.”
2. “Mein Auftritt bei Putins Propagandasender” (faz.net, Olaf Sundermeyer)
Olaf Sundermeyer wird vom seit Kurzem auch auf deutsch sendenden TV-Sender “RT” eingeladen und berichtet über seine Erfahrung: “Ich warte. Zu lesen gibt es nur die ‘Junge Welt’, in der eine spezielle linke Sicht der Dinge das Böse in Kiew vermutet und das Gute in Moskau weiß.”
3. “Ohne Brüste und Budget zu einer halben Million Klicks” (tokyofotosushi.wordpress.com, Fritz)
Fritz Schumann erzielt mit einer Story, die er zunächst “allen großen Redaktionen” in Deutschland erfolglos angeboten hatte, internationale Aufmerksamkeit und eine Laudatio des dpa-Inlandchefs: “Ich ahnte von Beginn an, dass die Geschichte abgehen wird. Wie sehr, das war mir bis zum Schluss nicht klar. Mein Problem zu Beginn war, dass ich als junger Journalist keinen direkten Kontakt zu den Redaktionen hatte, denen ich es anbot. Ich hatte kein Vertriebsnetzwerk. Durch die Verbreitung im Netz erhielt ich aber Angebote von Adressen, an die ich niemals dachte. Das Internet wurde mein Vertriebsnetzwerk.”
4. “Post von der ‘Bild’: Homberger mit Regierungssprecher verwechselt “ (hna.de, Olaf Dellit)
Eine Geburtstagsgratulation von “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann: “Das Problem: Klaus Bölling aus Homberg hatte an diesem Tag überhaupt nicht Geburtstag, und 86 Jahre alt ist er noch lange nicht, sondern gerade einmal 52.”
5. “Ein offener Brief an BILD-Redakteur Enrico Ahlig” (wrestling-point.de, Mathias)
Mathias freut sich, dass “Bild” über Wrestling berichtet, aber nicht, wie “Bild” über Wrestling berichtet. An Redakteur Enrico Ahlig schreibt er, seine Artikel hätten “ungefähr den Informationsgehalt einer leeren Tomatensaft-Dose. Ein bisschen Text, Selfie, Text, Selfie… Man erkennt Ihr Muster schnell. Und wenn Sie in einem Artikel mal nicht zu sehen sind gibt es trotzdem extrem viele Bilder und wenig Text. Als wäre jeder Buchstabe mehr eine Belastung für den Leser.”
6. “Satirisch: So war mein erstes Mal – ‘Ich fühlte mich richtig mies!'” (interview-blogger.de, Florian Staudter)
Florian Staudter kauft erstmals eine Ausgabe von “Bild”: “Schnell wurde mir klar, das Ganze war eine einmalige Sache. Ein Ausrutscher – ein One-Read-Stand. Sie ist zwar billig, mehr aber auch nicht.”
1. “Zur rechtlichen Zulässigkeit satirischer Berichterstattung aus dem Bundestag” (telemedicus.info, Jonas Kahl)
Eine rechtliche Einschätzung der Nicht-Akkreditierung der “heute-show” im Bundestag: “Beim Betrachter bleibt der Eindruck zurück, dass formale Gründe konstruiert wurden, um unerwünschte Satire zu unterbinden. Zu behaupten, es habe bei der Versagung kein Ermessensspielraum bestanden, ist bei einem grundsätzlich derart weit definierbaren Begriff, wie ‘politisch-parlamentarischer Berichterstattung’ geradezu absurd.”
2. “Proteste gegen Drehverbot” (taz.de)
Inzwischen gibt es Proteste und Petitionen gegen nicht nicht erteilte Drehgenehmigung: “Dem Bundestag gehe es nicht um eine inhaltliche Einflussnahme, sagte der Sprecher. Auch künftig werde man Anträge der ‘heute show’ einzeln und sorgfältig prüfen, wie in jedem anderem Fall auch. Das ZDF teilte mit, die Satiresendung werde auch weiterhin versuchen, Drehgenehmigungen für den Bundestag zu erhalten.”
3. “Das nervt an Journalisten” (blog.tagesanzeiger.ch/offtherecord, Christian Lüscher)
Christian Lüscher zählt 16 Punkte auf, die ihn an Journalisten nerven: “Eine Unsitte der Journalistenzunft ist es, sich gegenseitig nicht wehzutun. Man klopft sich lieber auf die Schultern, als dass man Kritik übt. Und wenn, dann drischt man gerne auf jene ein, die schon am Boden liegen.”
4. “Wirbel um Falschmeldung: Dieser Mann soll Banksy sein” (berliner-zeitung.de, Corinne Plaga)
Die Identität des Künstlers Banksy soll enthüllt worden sein. “Die Nachricht über die wahre Identität von Banksy machte schon öfters die Runde und erwies sich jedesmal als klassischer ‘Hoax’, also als scherzhafte Falschmeldung.”
1. “Der Fotograf als Pädokrimineller” (rheker.wordpress.com)
Sascha Rheker macht sich Gedanken über einen Gesetzentwurf, der “die unbefugte Herstellung oder Verbreitung” von Fotos, auf denen nackte Kinder oder Jugendliche zu sehen sind, unter Strafe stellen will. “Wer das Urlaubsfoto eines Familienvaters oder ein anderes harmloses Kinderbild, wie einen Anne Geddes Bildband, über die Konstruktion ‘unbefugt’ auf eine Stufe mit dem, was man landläufig Kinderpornographie nennt stellt, der verharmlost letzteres und der verharmlost das, was Kindern da bei der Produktion dieser Bilder an Mißbrauch zustößt.” Siehe dazu auch “Ermittlungstatbestand: Kinderfotos” (notes.computernotizen.de, Torsten).
2. “Genug gekuschelt! Warum die Autorisierungspraxis deutschen Medien schadet” (meedia.de, Peter Littger)
Peter Littger glaubt, die Autorisierung von Texten schade dem Journalismus in Deutschland: “Während Briten meistens so genannte durchgeschriebene Texte verfassen, in denen sie einzelne Zitate aus den Gesprächen nutzen, aber darüber hinaus auch andere Stimmen zu Wort kommen lassen und das Gespräch insgesamt journalistisch einordnen, ziehen deutsche Journalisten sehr häufig die Form des Wortlautinterviews vor. Damit entziehen sie sich jeder journalistischen Einordnung, was man objektiv finden mag, was aber vor allem einfach und bequem ist.”
4. “‘Ich bin ein Korinthenkacker-Typ'” (cicero.de, Merle Schmalenbach)
Merle Schmalenbach trifft Postillon-Gründer Stefan Sichermann in Fürth: “Sein Erfolg zeigt, dass man im Internet mit Beharrlichkeit sehr weit kommen kann.”
5. “Mehr Journalismus waltern” (schaechtele.tumblr.com)
Kai Schächtele schreibt über die Krise der Zeitungen: “Die Selbständigen haben längst verinnerlicht, dass sie Risiken eingehen müssen, um voranzukommen. Es ist höchste Zeit, dass dieses Bewusstsein auch unter den Festangestellten ankommt. Zu ihrem eigenen Wohl.”
6. “Muslimin über Salafisten in Deutschland: ‘Herr Augstein, Sie irren'” (spiegel.de, Sounia Siahi)
Sounia Siahi antwortet auf eine Kolumne von Jakob Augstein: “Herr Augstein, ich will mich hier in meinem deutschen Zuhause nicht wie in einem arabischen Land bewegen müssen. Ich fühle mich hier frei, beschützt und in jeder Hinsicht gesegnet. Und dieses Gefühl möchte ich mir um nichts in der Welt nehmen lassen. Wenn der deutsche Staat dafür tut, was er tun muss, kann ich es verstehen.”
Normalerweise kümmern wir uns hier ja nicht um das Fehlverhalten von Parteien, sondern um das von Medien. Da sich gestern aber das eine aus dem anderen ergeben hat, wollen wir nochmal kurz über die AfD sprechen.
Die Partei hat am Montag bei Facebook einen Artikel der “Bild”-Zeitung geteilt. Darin geht es, wie wir gestern berichteten, um das Deutsche Rote Kreuz in Bautzen, das sich neuerdings Schutzwesten besorgt hat — laut “Bild” aus “Angst vor Attacken” in einem Asylbewerberheim. Allerdings hat sich der “Bild”-Reporter die Fakten nur geschickt zurechtgedreht. In Wahrheit steht die Anschaffung der Westen laut DRK in keinem Zusammenhang mit dem Heim, und auch der Polizei ist dort “kein Übergriff auf Rettungspersonal bekannt.”
Gut, das konnte die AfD am Montag noch nicht wissen. Und klar: Wenn die “Bild”-Zeitung Quatsch berichtet, kann die AfD nichts dafür.
Trotzdem hat auch die Partei dazu beigetragen, die Wahrheit zum Nachteil der Asylbewerber zu verzerren. In der Ankündigung des Artikels schrieb sie nämlich:
Häufig stehen die Bewohner unter Alkohol- oder Drogeneinfluss und stellen dann eine Gefahr für die Hilfskräfte dar.
Das stimmt nicht. Zumindest ist davon im “Bild”-Artikel keine Rede. Der DRK-Chef hatte lediglich gesagt:
“Meine Mitarbeiter sind nicht zu beneiden. Wenn sie zu Patienten müssen, die unter Einfluss von Drogen- oder Alkohol stehen, psychische Erkrankungen haben oder gewaltbereit sind, dann ist eine Schutzausrüstung einfach notwendig!”
Er spricht ganz klar von allen Patienten. Auf die Bewohner des Asylbewerberheims geht er gar nicht ein.
Das heißt: Entweder hat die AfD den Artikel nicht richtig gelesen, oder sie will bewusst Stimmung gegen die Asylbewerber machen. Und wenn man sich das weitere Verhalten der Partei anschaut, muss man wohl zu dem Schluss kommen, dass Letzteres der Fall ist.
Denn obwohl spätestens seit gestern Mittag klar ist, dass die “Bild”-Zeitung ihre Leser mit dem Artikel in die Irre geführt hat, blieb der Facebook-Eintrag der AfD weiter online — und der Hetzmob durfte sich weiter austoben.
Selbst die übelsten Kommentare — von rassistischer Hetze bis hin zu konkreten Mordfantasien — wurden nicht gelöscht. Nun könnte man annehmen: Die AfD, die sich ja gerne als Wächterin der Meinungsfreiheit und Kämpferin für Transparenz inszeniert und deren Anhänger immer gleich “ZENSUR!!” schreien, wenn ihre Kommentare irgendwo gelöscht werden, moderiere auf ihrer Facebook-Seite aus Prinzip gar nicht. Aber: Doch, das tut sie.
Gut ein Dutzend Personen hat gestern auf der AfD-Seite unseren BILDblog-Eintrag verlinkt. Jeder einzelne davon wurde binnen Minuten gelöscht. Wir haben es selbst versucht, doch kurze Zeit später war unser Kommentar verschwunden — und wir als Kommentator gesperrt. Auch andere Kommentare (ohne Link), die darauf hinwiesen, dass der “Bild”-Artikel falsch sei, wurden sofort entfernt. Die Hetzsprüche hingegen blieben unangetastet.
Erst heute hat die Partei den Eintrag komplett gelöscht.
Nachtrag, 12. September: Wir haben versucht, eine Stellungnahme von der AfD zu bekommen, doch auf den versprochenen Rückruf warten wir bis heute.
Unsere Leserin Julia S. hat aber ebenfalls nachgefragt und gestern tatsächlich eine Antwort bekommen.
Die Anfrage:
Sehr geehrte Damen und Herren,
in den sozialen Medien diskutiert man zur Zeit über eine vor kurzem veröffentlichte Falschmeldung, die auch Sie auf Ihrer FB-Seite geteilt haben. In besagter Meldung wird suggeriert, dass Rettungssanitäter aufgrund des Einsatzes mit Asylbewerbern Schutzwesten tragen. Trotz diverser Kommentare auf Ihrer FB-Seite, dass es sich um eine Falschmeldung handelt, haben Sie erst nach einiger Zeit den Artikel gelöscht. Zuvor wurden kritische Kommentare entfernt und Nutzer blockiert. Im Gegensatz dazu blieben viele hetzerische Kommentare bestehen.
Ich frage mich nun, wie ein solches Handeln beispielsweise mit dem Slogan der AfD zur Landtagswahl in Thüringen (“Politik ohne Denkverbote”) vereinbar ist. Weiterhin heißt es in Ihrem Link (http://www.alternativefuer.de/landtagswahl-thueringen/): “Die Schere zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung muß sich wieder schließen. In diesem Bewußtsein wenden wir uns mit Nachdruck gegen zunehmend verbreitete Tendenzen, Andersdenkende einzuschüchtern oder zivilgesellschaftlich auszugrenzen. Wo dies militant geschieht, erinnern wir den Staat an sein Gewaltmonopol und die Öffentlichkeit an ihre demokratische Pflicht, sich für die Wahrung von Grundrechten und -werten zu engagieren.” Auch diese Aussage steht für mich im Gegensatz zu Ihrem Handeln zwecks besagter Falschmeldung.
Nebenbei würde mich auch interessieren, warum ihre Partei, die auch Personen der Hochschullandschaft vertreten möchte, noch die alte Rechtschreibung (z.B. muß, Bewußtsein) nutzt.
Über eine Antwort Ihrerseits würde ich mich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Julia S.
Die Antwort:
Hallo Julia,
wir sind es gewohnt, dass zu fast jedem unserer Threads einige User kommentieren, das sei alles nicht wahr, übertrieben o.ä. Wir nehmen das sicherlich nicht jedesmal zum Anlass, den Wahrheitsgehalt eines verlinkte Berichts aus den Medien zu überprüfen. “Kritische” Kommentare wurden nicht gelöscht, sondern nur Kommentare, die gegen unsere Forenregeln verstoßen (siehe Impressum [Link von uns, Anm.]). Nachdem wir heute früh festgestellt haben, dass die kritischen Kommentare vermehrt gepostet worden waren, haben wir das geprüft und den Post danach entfernt. Man muss aber feststellen, dass es vielen “Kritikern” nicht darum ging, einen Post mit falscher Information zu verbergen, sondern offensichtlich nur darum, auf der Seite gegen die AfD “Stimmung” zu machen. Nicht anders ist es zu interpretieren, dass genau diese “Kritiker” nach der Löschung des Posts dazu übergingen, genau diesen immer wieder hier zu posten und eine “Entschuldigung” zu verlangen…
Diese, unsere Handlungsweise entspricht im Übrigen genau dem von Ihnen zitierten Absatz: Man versucht durch organisierte Aktionen auf unserer Seite “Andersdenkende” auszugrenzen, diffamiert AfD Anhänger und beleidigt diese. Wir halten die Meinung des überwiegenden Teils dieser “Kritiker”, die wir gestern zu diesem Thema auf unserer Seite hatten, nicht für die öffentliche Meinung!
Ihre abschließende Frage ist darin zu beantworten, dass es auch Unterstützer der AfD gibt, die ihre Schulausbildung bereits vor 1996 beendet haben. An den Reaktionen der User erkennen wir, dass sich kaum jemand daran stört, da es den Menschen hauptsächlich um die Inhalte geht. Grundsätzlich haben Sie jedoch Recht und wir sind bereits auch in diesem Punkt dabei, unsere Strukturen professioneller zu gestalten. Bis dahin verweisen wir auf die Aussagen unserer vielen und sehr gut ausgebildeten Funktions- und Mandatsträger wie Hr. Lucke, Hr. Henkel usw., die sicherlich den Ansprüchen des von Ihnen genannten Personenkreises in vollem Umfang entsprechen dürften.
VG (RH)
1. “Ein Koffer voller Mitleid: Judith Rakers im Betroffenheits-TV” (dwdl.de, Peer Schader)
Peer Schader schaut “Schicksal Armutsfalle – mit Judith Rakers” (ndr.de, Video, 28:57 Minuten): “Diese halbe Stunde festzementierte Chancenlosigkeit ist eine unfassbare Herabsetzung all derer, die daran glauben, dass es sich zu kämpfen lohnt, um die eigene Situation zu verbessern – und auch deshalb so perfide, weil sich Rakers am Ende wieder den Blazer überstreift, um sich im selben Ton, mit dem man Kleinkinder tröstet, die gerade vom Dreirad gekippt sind, von ihrer Protagonistin zu verabschieden: ‘Danke, dass ich in dein Leben gucken durfte.'”
3. “Ebola-Falschmeldung verbreitet sich rasant” (merkur-online.de, Patrick Wehner)
Ein Mann aus Somalia muss sich am Hauptbahnhof in München übergeben, worauf Ebola-Fehlalarm ausgelöst wird: “Die Medienhäuser ließen ihre Reporter in Scharen ausschwärmen. Mit Kameras, Fotoapparaten und nett gemeinten Wünschen, gesund zu bleiben. Dass es in Somalia zwar alles Mögliche gibt, wie zum Beispiel Hungersnöte und Warlords, aber bislang nicht einen einzigen Ebola-Fall: wurscht.”
4. “Legats falsche Freunde” (reviersport.de, Ulrich Homann)
Ulrich Homann kommentiert die “Bild”-Titelschlagzeile “Bundesliga-Star Thorsten Legat (45): Mein Vater hat mich sexuell missbraucht!”.
5. “Fokussierung auf hochwertige Publizistik” (nzz.ch, Etienne Jornod)
Verwaltungsratspräsident Etienne Jornod bezeichnet “die Herstellung hochwertiger journalistischer Angebote” sowie “Relevanz, profilierte Meinungen und Recherche” als das Kerngeschäft der NZZ-Mediengruppe: “Wir haben viel Zeit verloren. Entsprechend müssen wir nun rasch und entschieden, aber auch mit grosser Sorgfalt reagieren. Eine Lehre ist, sich frühzeitig mit der Zukunft auseinanderzusetzen. Ich kenne keine andere Industrie, die so wenig in Forschung und Entwicklung investiert wie die der Medien. Die Medienbranche hat ihre eigene Revolution verschlafen.”
6. “Erneute Attacke auf RUNDSCHAU-Redaktion” (lr-online.de, Sascha Klein)
Die Lokalredaktion der “Lausitzer Rundschau” in Spremberg wird mit Naziparolen verunstaltet. “RUNDSCHAU-Chefredakteur Johannes M. Fischer verurteilte die Tat: ‘Der Überfall hat offenkundig mit unserer Berichterstattung über einen Prozess gegen gewalttätige Neonazis zu tun. Es bleibt dabei: Einschüchterung funktioniert bei uns nicht. Wer uns schlagen will, trifft sich selbst.'” Siehe dazu auch “Nicht mit uns!” (lr-online.de, Johannes M. Fischer).
Kanadas Premier Harper folgt Homer Simpson nicht länger auf Twitter
Politiker hat selbst fast eine halbe Million Follower
Montréal (AFP) – Kanadas Premierminister Stephen Harper folgt dem Zeichentrickstar Homer Simpson nicht länger auf Twitter. Harper meldete sich am Sonntag als Follower des Oberhauptes der Comic-Familie ab. Kurz zuvor war ein Artikel auf der Website des Fernsehsenders CBC erschienen, der die Interessen des konservativen Politikers auf Twitter aufzeigte. Demnach folgt Harper 223 anderen Twitter-Nutzern. Er selbst ist mit fast einer halben Million Followern der beliebteste “zwitschernde” Parteichef in Kanada.
Ist das nicht interessant?
Doch, ist es:
“Focus Online” informierte seine Leser noch in der Nacht über diese aktuelle Entwicklung:
Die österreichische Nachrichtenagentur APA entschied sich, dass das Thema in Österreich auch nicht weniger relevant ist als in Deutschland, und reichte die Meldung an ihre eigenen Abonnenten durch.
Nun könnte man all das an sich schon als Ausweis eines größeren Irrsinns sehen. Die Meldungen sind aber nicht nur bekloppt, sondern auch noch falsch. Jedenfalls folgt @PMHarper aktuell durchaus @HomerJSimpson. (Es gab da sogar vor eineinhalb Jahren mal einen Tweetwechsel zwischen den beiden.)
Angesichts der Gefahr, dass da eine Falschmeldung die Runde macht und Menschen in aller Welt nun von ihren Medien informiert werden, dass der Parteichef-Zwitscherkönig Kanadas nicht mehr Homer Simpson folgt, obwohl er Homer Simpson folgt, haben wir natürlich sofort bei der Agentur AFP nachgefragt, was da los ist.
Daniel Jahn, der Chefredakteur von AFP in Deutschland, antwortet:
Unsere Meldung über Stephen Harper und Homer Simpson basiert auf einer Meldung des AFP-Büros in Montreal. Wir versuchen derzeit, durch Kontaktaufnahme mit den dortigen Kollegen herauszufinden, wie die Meldung zustande gekommen ist. Dies ist wegen des Zeitunterschieds leider nicht auf die Schnelle möglich, das Büro ist derzeit nicht besetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass Harper zwischenzeitlich Simpson “entfolgt” ist, um ihm wenig später wieder zu folgen. Wenn ich Näheres weiß, melde ich mich wieder bei Ihnen.
Wir werden eine eventuelle Antwort hier natürlich zeitnah weiterreichen, auch wenn unsere Kapazitäten — anders als offenbar die von AFP — vermutlich nicht ausreichen, jeden möglichen Statuswechsel im Twitter-Verhältnis zwischen kanadischen Politikern und amerikanischen Comicfiguren bekannt zu geben.
Die andere Frage, die wir AFP gestellt hatten, blieb übrigens unbeantwortet: Welchen Nachrichtenwert die Meldung erfüllt. Ist vielleicht auch eine aufwändigere Recherche.
PS: Unter dem “Focus Online”-Artikel findet sich der folgende Leserkommentar:
Nachtrag, 19:00 Uhr. Der “Donaukurier” hat sich korrigiert und meldet nun: “Kanadas Premier ist nach wie vor Follower von Homer Simpson”.
Nachtrag, 21:45 Uhr. AFP hat die Meldung zurückgezogen:
Montréal (AFP) – Der kanadische Regierungschef Stephen Harper hat nicht aufgehört, dem Zeichentrickstar Homer Simpson auf Twitter zu folgen. AFP hatte für die Meldung irrtümlich den französischsprachigen Twitter-Account von Harper eingesehen, der sich aber von seinem englischen Account stark unterscheidet. Im französischen Account ist Harper der Cartoonfigur nie gefolgt, im englischen Account folgt er ihr ohne Unterbrechungen weiterhin.
Nachtrag, 5. August. Der verwirrende Stand der Dinge auf “Zeit Online”:
1. “Eine Bankrotterklärung für den Journalismus – Christoph Reuter zu Berichterstattung zu Syrien” (alsharq.de, Ansar Jasim)
Teil 1 eines Interviews mit “Spiegel”-Korrespondent Christoph Reuter: “Es kommt häufig zu Übertreibungen: Es heißt, es seien 60 Leute umgekommen, aber tatsächlich waren es fünf. Ich kann die Leute irgendwie verstehen. Das Regime macht das die ganze Zeit so und viele glauben das. Wir sagen dann immer, macht das nicht, weil die Wirklichkeit grauenvoll genug ist. Ihr müsst nichts übertreiben. Damit riskiert ihr die Glaubwürdigkeit.”
2. “‘Ventil der Gefühle'” (freitag.de, Sebastian Dörfler) Detlev Claussen im Interview über Antisemitismus: “Mich macht misstrauisch, dass sich so viele Leute über Israel unheimlich aufregen, aber über Syrien kein Wort verlieren. Wir haben dort seit zwei Jahren solche Gräueltaten erlebt, aber Sie kriegen keine Demonstration mit mehr als 100 Leuten zusammen. Bei Israel ist das sofort anders.”
3. “Spektakuläre Falschmeldung erregt Deutschland” (sueddeutsche.de, Barbara Galaktionow)
Die “Süddeutsche Zeitung” blickt zurück, wie ihre Vorgängerzeitung “Münchner Neueste Nachrichten” über den Ausbruch des 1. Weltkriegs 1914 berichtet hat.
5. “Wie Whatsapp zum neuen Nachrichtenmedium wurde” (konradweber.ch)
Wo finden sich Aufnahmen zu den aktuellen Unwettern in der Schweiz? Bei WhatsApp: “Beispiele zeigen, dass Bilder und Videos des Unwetters in den letzten Tagen als erstes in Gruppenchats unter Freunden geteilt wurden: Man datiert sich gegenseitig über Schäden, Wissenswertes und Betroffene in der Heimatregion auf. Ob den geteilten Inhalten der Weg in die Öffentlichkeit schliesslich gelingt, liegt einzig daran, ob in den Gruppenchats auch Personen mit einem ‘breiteren Mitteilungsbedürfnis’ vorhanden sind.”
6. “Wer ist eigentlich dieser Taliban, der sich in Deeskalation übt?” (ad-sinistram.blogspot.de, Roberto De Lapuente)
Roberto De Lapuente schreibt zur Debatte um einen Text von Nicolaus Fest zum Islam (BILDblog berichtete): “Mensch, Nikolaus Fest, dich hammse richtig verarscht. Hast nur das seit Jahren aktive Programm in einige Zeilen gegossen und bist nun der Depp.”
Die peinlichste Geschichte hat sich “Spiegel Online” für den Schluss aufgehoben. Ganz am Ende der Klickstrecke (zum Thema, kein Witz: Die spektakulärsten Kontroversen, die von Wolkenkratzern entfacht wurden) erzählt das Portal folgende Geschichte:
Der Turm ist nicht geschlossen, wie “SpOn” behauptet, sondern wurde vor vier Monaten eröffnet. Gut, kann passieren. Da wäre allerdings noch eine Kleinigkeit: Diese peinliche Sache mit den fehlenden Aufzügen nämlich, die ist zwar sehr amüsant, aber leider kompletter Blödsinn. Eine Falschmeldung, die seit fast einem Jahr kursiert.
Das hätte der verantwortliche Klickstreckenbefüller auch ganz schnell bei Wikipedia rausfinden können. Und bei uns. Und sogar im eigenen Archiv. Im vergangenen Jahr ist “Spiegel Online” nämlich schon mal drauf reingefallen und musste eine (wenn auch sehr halbherzige) Korrektur veröffentlichen.
Vielleicht basteln wir demnächst auch mal eine Klickstrecke zum Thema: “Die peinlichsten Mediendummheiten, die von Wolkenkratzern entfacht wurden”. Wir wissen auch schon, welche Geschichte wir uns für den Schluss aufheben.
Mit Dank an Thomas L., Yannik O. und Sascha K.
Nachtrag, 11 Uhr: “Spiegel Online” hat den “Treppenwitz” aus der Klickstrecke gelöscht und folgenden Hinweis veröffentlicht:
In einer früheren Version dieses Artikels war auch das “Residencial in Tempo” im spanischen Benidorm aufgeführt. Über diesen Wolkenkratzer gibt es widersprüchliche Informationen in deutschen wie spanischen Medien. Da wir diese aktuell nicht selbst überprüfen können, haben wir das Gebäude aus der Aufzählung genommen. Die Red.
George Clooney sagt, er sei es gewohnt, dass die britische Zeitung “Daily Mail” Geschichten über ihn erfindet und Lügen über ihn verbreitet. Aber diese eine wollte er nicht hinnehmen, ohne laut zu widersprechen. Die “Daily Mail” hatte geschrieben, dass die Mutter seiner Verlobten Amal Alamuddin aus religiösen Gründen gegen ihre Heirat sei. Sie habe das schon “halb Beirut” erzählt. Weil es keine Drusen-Hochzeit sei, riskiere Amal, dass sie aus der Gemeinschaft ausgestoßen werde, so die “Daily Mail” — mehrere Bräute seien aus ähnlichen Gründen schon umgebracht worden.
Nichts davon sei wahr, sagt George Clooney. Amals Mutter sei keine Druse, ewig nicht in Beirut gewesen, nicht gegen die Hochzeit. Vor allem aber sei es verantwortungslos und gefährlich, in dieser Weise religiöse Differenzen auszubeuten, wo nicht einmal welche bestehen.
Die Meldung, dass Clooney sich so über die “Daily Mail” beschwert, die ihre Geschichte inzwischen zurückgenommen hat, stand in vielen deutschen Medien. Was aber auch in vielen deutschen Medien stand und teilweise noch steht: Die Lügengeschichte der “Daily Mail”.
Der Kölner “Express” brachte sie am vergangenen Mittwoch:
Die “Bunte” verbreitete sie online (inzwischen gelöscht), mit einer Fragezeichen in der Überschrift, aber ohne ernste Zweifel am Inhalt der von der “Daily Mail” abgeschriebenen Geschichte:
So verriet ein Nahestehender der Familie der Familie Alamuddin dem britischen Blatt: “Man würde denken, dass Amal mit George Clooney den Jackpot geknackt hat, aber Baria ist nicht glücklich. Sie denkt, dass sie es besser hätte treffen können.” Weiter habe Amals Mutter in Beirut herumerzählt, dass es schließlich 500.000 Drusen gäbe – warum nur könne ihre Tochter darunter niemanden finden, der gut genug für sie ist?
Die “Abendzeitung” erzählt die Lügengeschichte immer noch:
Hören wir nicht richtig? Eigentlich dachten wir, es gäbe kein Mittel, mit dem FRAU dem Charme von Hollywood-Schauspieler George Clooney widerstehen könnte. Doch auch ein Clooney muss hin und wieder die seltene Erfahrung machen, dass er nicht jede um den Finger wickeln kann.
Mehrere deutsche Medien haben die Falschmeldung von der Boulevardagentur “Spot On News” übernommen (Eigendarstellung: “Die Artikel von spot on news beschränken sich nicht auf das Ab- und Umschreiben von Internet-Content. (…) Exklusivität steht bei spot on news ganz weit oben”). Die hat nach den Unwahrheiten der “Daily Mail” nun auch ungerührt die empörte Antwort von Clooney verbreitet — so gesehen profitiert sie doppelt von den Falschmeldungen der Auslandspresse, die sie abschreibt.
Der amerikanische Schauspieler hat über die “Daily Mail” noch gesagt, sie habe — mehr als jede andere “Nachrichten”-Organisation — ein ums andere Mal beweisen, “dass Tatsachen für sie keine Bedeutung haben bei den Artikeln, die sie sich ausdenkt.” Das wird die deutschen Medien auch bei den nächsten “Daily Mail”-Geschichten nicht davon abhalten, sie blind zu übernehmen.
Inzwischen ist es ja normal, dass deutsche Journalisten total am Rad drehen, sobaldirgendeinFußballer (oder Trainer) irgendwas mit seinen Haaren anstellt. Diesmal ist es aber besonders extrem. Nicht nur, weil es um Superstar Cristiano Ronaldo geht, der beim letzten WM-Spiel mit einem ins Haupthaar einrasierten Zickzack-Muster auflief, sondern weil sich hinter dieser Frisur eine “ergreifende” bzw. “rührende” bzw. “traurige” bzw. “dramatische” Geschichte verbirgt.
Im März wurde nämlich bekannt, dass Ronaldo eine Familie finanziell unterstützen will, deren kleiner Sohn Erik an einer Hirnerkrankung leidet und eine teure Operation benötigt.
Was das mit der Frisur zu tun hat? Nun, der “Blitz” sei in Wirklichkeit kein Blitz, schreiben die Medien, sondern er zeichne die OP-Narbe des kleinen Jungen nach, der Ende letzter Woche operiert worden sei. Ein Zeichen der Verbundenheit also. Hach!
Sieht zwar recht seriös aus, ist aber, wie sich nach anderthalbsekündiger Recherche zeigt, ein Fake-Account (“Not affifilated with the FIFA World Cup”). Und der wiederum hat die Story offenbar von diesem hier:
Ronaldo cut his hair to match the scar of a young fan who had surgery to remove a brain tumor last week #respectpic.twitter.com/zGqAFS7DN7
Davon abgesehen leidet der kleine Junge nicht, wie in den Tweets (und in ihren zahlreichen Varianten) behauptet wird, an einem Tumor, sondern an kortikaler Dysplasie. Einen Beleg dafür, dass Ronaldos Frisur irgendwas mit der OP-Geschichte zu tun hat, liefern die Tweets ohnehin nicht. Spätestens hier hätten die Journalisten — so sie denn recherchiert hätten — also stutzig werden müssen. Und allerspätestens am Montagabend. Da schrieb die Mutter des kleinen Jungen auf ihrer Facebookseite nämlich:
Ich habe gesehen, dass in den sozialen Netzwerken das Gerücht verbreitet wird, Cristiano Ronaldo hätte sich einen Haarschnitt zu Ehren von Eriks Operation machen lassen, aber ich möchte klarstellen, dass das nicht der Fall ist. Mein Sohn wurde noch gar nicht operiert. Cristiano Ronaldo hat zugesagt, einen Teil der Kosten für die Operation zu übernehmen, wenn mein Sohn sich dieser unterziehen muss, aber dieser Tag ist zum Glück noch nicht gekommen.
(Übersetzung von uns.)
Inzwischen sind auch einige Medien wieder halbwegs zurückgerudert. “Bild” und “Sportbild” beispielsweise haben ihre Artikel um den Hinweis ergänzt, dass es keine offizielle Bestätigung für die Frisurengeschichte gebe. Das “Handelsblatt” hat den Online-Artikel kurzerhand gelöscht. Und Stern.de hat zwar die Sache mit der Operation korrigiert (“Hinweis: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es, dass Erik Ortiz Cruz bereits operiert worden sei. Das ist nicht der Fall”), findet aber immer noch, dass die Frisur einen tieferen Sinn habe:
Ronaldo wollte nicht symbolisieren, dass er (blitz-)schnell ist. Die einrasierte Stelle steht für eine Narbe am Kopf. Und damit für eine bewegende Botschaft: Der einjährige Erik Ortiz Cruz leidet an einer schweren Hirnerkrankung, er muss operiert werden, auch sein Kopf wird einmal über eine solche Narbe verfügen.
Offenbar findet Stern.de die Geschichte dann doch zu schön, um sie ganz aufzugeben.