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Warum schaffen es viele Medien nicht, Oettinger einen Rassisten zu nennen?

Selbstverständlich hätte es in dieser Ausgabe der “Politically Correct!”-Kolumne eigentlich um Carolin Emcke gehen müssen, denn wann passiert in Deutschland schon mal so was wie diese Rede? Stattdessen müssen wir uns jetzt mit ihrem in jeder denkbaren Hinsicht diametralen Gegenstück befassen. Auch weil sie, die Oettinger-Rede, anders als die von Emcke nicht einmalig ist, sondern täglich so oder ähnlich tausende Male in Deutschland gehalten wird.

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. Den “Waldschlösschen-Appell” gegen Homophobie in Medien hat er initiiert. Sein “Nollendorfblog” bekam eine Nominierung für den “Grimme Online Award”. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

Natürlich hat Günther Oettinger sich nicht rassistisch, homophob oder sonst wie herablassend geäußert. Würde er so was tun, wäre er schließlich nicht EU-Kommissar. Da er das aber ist — also nicht rassistisch, sondern EU-Kommissar –, müssen viele das irgendwie falsch verstanden, aus dem Zusammenhang gerissen, den ironischen Tonfall, die lockere Zunge nicht kapiert haben.

Wäre Oettinger AfD-Mitglied, wäre die Sache anders. Die AfD ist schließlich eine rassistische Partei, deswegen muss sie ja auch bekämpft werden. Im aktuellen “Spiegel” gibt es ein Essay darüber, “wie dafür gesorgt werden kann, dass die AfD Wähler verliert”.

Deutsche Medien geben sich sehr viel Mühe, die AfD zu “entlarven”, den Menschen zu erklären, dass die AfD eine Partei ist, die sie nicht wählen sollen. Es scheint fast so, als hätten wir weniger Rassismus in Deutschland, wenn es weniger AfD gäbe, als müsse man AfD-Wähler nur davon überzeugen, etwas Anderes zu wählen, damit sie weniger rassistisch sind.

Was deutsche Medien hingegen verblüffend selten zu entlarven versuchen, ist der Rassismus. Es scheint fast so, als müsse sich in Deutschland niemand einen Rassisten nennen lassen, solange er keine Asylbewerberheime anzündet, als hätte in einem Land, in dem sich nicht mal die Nazis als Nazis bezeichnen, die Aussage, “gegen Nazis” zu sein, schon irgendeinen Wert.

Als sei die Gesellschaft durch eine Mauer getrennt, die zwischen Rassisten und Nicht-Rassisten verläuft, so, als ob die einen sich alles vorwerfen lassen müssten und die anderen nichts, als ob es darum ginge, möglichst viele Menschen auf die gute Mauerseite zu ziehen, anstatt darum zu erklären, dass es diese Mauer gar nicht gibt.

So führen auch begründete Rassismusvorwürfe nicht dazu, über Rassismus zu reden. Hätte jener Tag, an dem Günther Oettinger sich per “Welt”-Interview als rassismusfrei erklärte, nicht der Tag sein müssen, an dem Medien zum Thema machen, dass das und warum das so einfach eben nicht geht?

Wäre es nicht Aufgabe deutscher Medien gewesen, den Erklärungsdruck zu erzeugen, der jetzt aus China kam und immerhin dazu geführt hat, dass Oettinger nicht weiter so tun kann, als sei in Wahrheit gar nichts passiert? Sahen nicht überraschend viele Medien Oettinger weniger als Täter, sondern als Opfer des nervigen deutschen Gutmenschentums?

An dem Tag, als Oettinger dachte, mit seinem “Welt”-Interview diese lästige Geschichte beenden zu können, sah das offensichtlich ein Großteil der Journalisten genauso. Nicht nur bei “Spiegel Online” waren die obersten Meldungen wieder irgendwas mit Trump. Eines der merkwürdigsten deutschen Medienphänomene zurzeit ist die Diskrepanz zwischen dem größtmögliche Staunen und Empören über das, was bei Trump als eindeutig rassistisch und abwertend benannt wird, und der Weigerung, ähnliche Maßstäbe bei der Betrachtung von Geschehnissen in Deutschland auch nur in Erwägung zu ziehen.

Ja, klar ist Oettinger auch ein notorischer Dummbrabbler, er hat versucht, lustig zu sein, seine Worte waren nicht für eine große Öffentlichkeit bestimmt. Ja, klar ist es gut, wenn ein Politiker auch mal “frei von der Leber” drauflosreden kann. Aber was davon relativiert seine Homophobie und seinen Rassismus?

“Wenn Sie sich rassistisch äußern, dann sind Sie verdammt noch mal ein Rassist”, sagt Dunja Hayali. Warum gilt das nicht für den EU-Kommissar?

Trauen sich viele Medien nicht, Oettinger einen Rassisten zu nennen, weil sie dann ihren Zuschauern und Lesern erklären müssten, dass sie es vielleicht auch sind? Oder sind der oettingersche Rassismus, sein Sexismus und seine Homophobie in Deutschland so alltäglich, so selbstverständlich, dass sie als solche kaum erkannt werden können?

Es stimmt einfach nicht, was in diesen Tagen so oft behauptet wird: Dass jede nicht politisch korrekte Äußerung in den Medien einen riesigen Shitstorm zur Folge hat. Es ist eher andersrum so, dass jeden Tag Erstaunliches gesendet und geschrieben wird, ohne dass jemand ernsthaft darüber staunt. Ist die Aufmerksamkeit vieler Medien so sehr darauf ausgerichtet, den Rassismus in der AfD aufzuzeigen, haben sie sich so sehr daran gewöhnt, Rassismus bei pöbelnden rechtschreibschwachen Menschen zu dokumentieren, dass sie ihn sich bei netten gebildeten Menschen ohne AfD-Hintergrund gar nicht mehr vorstellen können?

Wie zum Beispiel bei Luke Mockridge, der am letzten Sonntag in seiner “Sat.1”-Show wohl etwas Lustiges über Musicals sagen wollte, sich dann aber doch lieber auf einen altbewährten Brüller verließ:

Ich war bei “High School Musical”, hab’ ich mitgespielt, kanadische Bühnenproduktion, ich war der Schwarze, es wurde nach Penislänge gecastet, ich habe die Rolle be …

Weil das Publikum begeistert lacht, muss er seinen Satz nicht zu Ende sprechen. In dem Oettinger-Video kann man hören, wie gelacht wird, als er das Wort “Frau” benutzt.

Nach Mockridges Witz, der die Penislänge schwarzer Männer zur Pointe machte, gab es einen fünfminütigen Einspieler. Der Studiogast, der danach auftreten sollte, wird also schon hinter der Bühne gestanden haben, als er erzählt wurde, der Klassiker aller Rassistenwitze. Er durfte anhören, wie und worüber sich das Publikum beömmelte, das da wenige Meter entfernt vor der Bühne sitzt, und vor dem er sich gleich präsentieren würde. Der Gast war der Sternekoch Nelson Müller. Er ist schwarz.

Dieses Humorprinzip ist in deutschen Medien keine Ausnahme. Es findet ganz selbstverständlich in vielen Formaten statt, sogar in denen, die sich als besonders aufklärerisch empfinden. Dieter Nuhr erzählte im “Ersten” noch vor zwei Jahren sogar den uralten “Mainz bleibt Mainz”-Klopfer mit den Männern unter der Dusche, die warten, dass “einer die Seife fallen lässt”. Im Endeffekt ist die Pointe sehr verwandt mit der von Mockridge, nicht nur, weil sie das Geschlechtliche von Randgruppen ins Lächerliche zieht, sondern auch, weil sie einen Aspekt der Bedrohung insinuiert.


(Foto: Michael SchillingEigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link)

Ich bin mir sicher, dass dieses Muster nicht trotz, sondern wegen dieses Zusammenhanges immer wieder so gerne benutzt wird. Die “ARD” ist sich sicher, dass das nicht so ist. “Wir bedauern es, wenn Sie die Äußerungen Dieter Nuhrs als homophob empfanden”, antwortete sie einem Zuschauer, der entsprechend nachgefragt hatte. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass die “ARD” den homophoben Kern dieses Witzes erkannt hätte, wenn er von Alexander Gauland erzählt worden wäre.

Es gibt außer Nelson Müller nicht viele Deutsche, die schwarz und erfolgreich und im Fernsehen sind. Was wäre wohl passiert, wenn Müller bei seinem Auftritt in der Mockridge-Show gesagt hätte, dass er den Witz nicht witzig findet, sondern diskriminierend? Hätte man ihn überhaupt verstanden? Und wäre er dann noch so oft im Fernsehen? Wäre Roberto Blanco auch so beliebt, wenn er nicht sagen würde, dass es ihn nicht stört, wenn ihn ein deutscher Minister einen “wunderbaren Neger” nennt?

Aber es ist nicht der vorrangige Job von Müller oder Blanco auf Rassismus hinzuweisen. Genauso wenig, wie es der “der Homosexuellen”, “der Feministinnen” oder “der Chinesen” ist zu erklären, was an Oettinger nicht geht.

Sie wollen, dass nur noch Jüdinnen und Juden sich gegen Antisemitismus wehren, dass nur noch Schwule gegen Diskriminierung protestieren, sie wollen, dass nur noch Muslime sich für Religionsfreiheit engagieren, damit sie sie dann denunzieren können als jüdische oder schwule “Lobby” oder “Parallelgesellschaft”, sie wollen, dass nur noch Schwarze gegen Rassismus aufbegehren, damit sie sie als “zornig” diffamieren können, sie wollen, dass sich nur Feministinnen gegen Machismo und Sexismus engagieren, damit sie sie als “humorlos” abwerten können.

Ganz ohne Carolin Emcke geht es dann eben doch nicht. Was von dem, was sie sagt, ist eigentlich so schwer zu verstehen?

Der lange Weg vom Homo- zum Piratenmörder

Die Political Correctness ist Schuld. Gutmenschen und weinerliche Minderheiten lähmen die Gesellschaft. Falsche Rücksichtnahmen und Denkverbote machen jede vernünftige Auseinandersetzung mit den wichtigen Themen der Zeit unmöglich. Die Ära von George W. Bush stand für den Krieg gegen den Terror. Donald Trump möchte seine gerne dem Krieg gegen “PC” widmen. In Deutschland hatte Kai Diekmann früh die Zeichen der Zeit erkannt. In seinem 2008 erschienenem Buch “Der große Selbst-Betrug” erklärte er, “wie wir um unsere Zukunft gebracht werden”. Im Vorwort rühmte er sich damit, er habe seine “Sätze nicht abgestimmt mit den politisch Korrekten im Land.” Anti-PC als Qualitätsmerkmal. Anti-PC zur Rettung unseres Landes. Die begann dann mit Sarrazin. Sarrazin wurde groß gemacht durch “Bild” und mit ihm die neue Lesart des Wörtchens “Mut”. Mut bedeutet in Deutschland seitdem nicht mehr, sich mit den Starken anzulegen. Sondern mit den Schwachen. Seitdem ist der Kampf gegen die Politische Korrektheit, der sich als Kampf gegen den Mainstream versteht, selbst zum Mainstream geworden.

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. Den “Waldschlösschen-Appell” gegen Homophobie in Medien hat er initiiert. Sein “Nollendorfblog” bekam eine Nominierung für den “Grimme Online Award”. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

Deshalb gibt es jetzt diese Kolumne. Sie ist ein Versuch, Political Correctness zu verteidigen. Und die Gutmenschen. Die Basisweisheit im Gutmenschen-Bashing lautet, dass “gut gemeint” eben nicht automatisch “gut gemacht” bedeutet. Das stimmt zwar, ändert aber nichts daran, dass man etwas gleichzeitig gut meinen und gut machen kann und dass es nicht schadet, etwas gut zu meinen, wenn man es gut machen will. Bei der Political Correctness ist das so: Sie funktioniert, sie hat vieles besser, ja, sie hat vieles gut gemacht.

PC bedeutet eben nicht Denkverbote, sondern das Gegenteil. Es geht darum, genauer nachzudenken. Es geht nicht darum, Worte zu verbieten, sondern darum, ein Bewusstsein für deren Wirkung und Kontexte zu erreichen. Jeder “darf” sagen, was er will. Aber dank Political Correctness kann sich keiner mehr damit herausreden, dass er nicht weiß, was er da tut. Wenn jemand unbedingt “Neger” sagen möchte, weil er meint, dass man das unbedingt sagen dürfen muss, dann weiß er, dass er einen rassistischen Begriff benutzt. Nein, das Streichen des N-Worts aus Pipi-Langstrumpf-Büchern schafft den Rassismus nicht ab, aber ohne die Diskussion um die Geschichte des Wortes hätten wichtige Erkenntnisgewinne zum Thema Rassismus so nicht stattgefunden.

Wenn ZDF-Mann Peter Hahne darauf besteht, das “Zigeuner-Schnitzel” zu “retten” (sic!), dann tut er das in dem Bewusstsein um die Probleme, die viele Menschen in diesem Land aufgrund ihrer Leidenserfahrung mit diesem Wort haben. Und tritt für das Privileg der Gesamtgesellschaft ein, sich nicht um diese Probleme kümmern zu müssen, angesichts der Zumutung, die es für sie bedeuten würde, auf diese paar Wörter (ja, wie viele ähnlich populäre Mohrenkopfwörter gibt es eigentlich? Fünf? Zehn?) zu verzichten. Wenn Peter Hahne fragt: “Müssen wir uns diesen täglichen Schwachsinn wirklich bieten lassen? Haben wir keine größeren Probleme als uns tagelang über die politisch korrekte Bezeichnung von Schnitzeln zu ereifern?”, dann lautet die — politisch korrekte — Antwort: Doch die haben wir, aber viele von ihnen haben eben auch damit zu tun, dass die immer weitere Dehnung des Sagbaren, verbunden mit dem Insistieren darauf, das bewusst Verletzende sagen zu dürfen, zu Treibmitteln geworden sind, mit denen sich die Gesellschaft gerade rasant entsolidarisiert.

Political Correctness bedeutet ja nicht, dass alle ihr Verhalten ändern müssen, nur weil irgendjemand “Diskriminierung” ruft. Es bedeutet aber hinzuhören, verstehen lernen, zu akzeptieren, dass individuelle Diskriminierungserfahrungen und die daraus resultierenden Gefühle eben individuell sind und nicht allgemein plausibel. Dass diese Gefühle eben nicht nur Befindlichkeiten sind, sondern Hemmnisse, ganz konkrete Barrieren, verwehrte Entwicklungsmöglichkeiten, die nicht nur die Betroffenen betreffen, sondern die ganze Gesellschaft. Was bedeutet, dass man diese Gefühle auch dann nicht ohne Not zu verletzen sucht, wenn man sie nicht teilen kann. Welche Not hat Peter Hahne? Was “rettet” er?

Ich streite für Political Correctness nicht, weil ich möchte, dass sie etwas bewirkt. Sondern weil ich es weiß. Die aktuelle Berichterstattung über den Fall des Berliner Piraten-Politikers Gerwald Claus-Brunner ist dafür ein guter Indikator. Wie auf Minderheiten geblickt wird, sieht man so richtig deutlich dann, wenn es zu einem ihrer “Vertreter” etwas Spektakuläres zu berichten gibt. Und unter Boulevard-Kriterien ist ein spektakulärerer Fall kaum vorstellbar. Trotzdem wurde aus politisch korrekter Sicht in Deutschland noch nie so angemessen über einen spektakulären Mordfall berichtet, bei dem Täter, Opfer oder beide schwul sind: Noch nie war das Schwulsein selbst so wenig Skandal wie in diesem. Dass im Sinne einer Knallerstory heute der Exotismus des Piratentums die des Schwulseins übertrumpft, ist eine wirklich interessante Erkenntnis.

Natürlich gibt es trotzdem noch viel zu bemängeln. Bevor man von dem Mord wusste, konnte man in der “Bild”-Zeitung an der Beschreibung des “sensiblen Riesen” sehr schön sehen, wie tief sie noch sitzen, die Stereotype, die Codes der Andersartigkeit. Wie reflexhaft sie greifen, zeigte sich dann direkt, nachdem die Story zum Mordfall und ganz selbstverständlich in den unterschiedlichsten Medien davon ausgegangen wurde, dass Claus-Brunner sein Opfer sexuell missbraucht hat. Eine schwule Tat ohne Missbrauch, ohne Sex, ohne sexuellen Missbrauch mag man sich heute dann doch noch nicht vorstellen.

Trotzdem ist das Nichts im Vergleich dazu, wie noch vor wenigen Jahren über ähnliche Fälle berichtet wurde und sicherlich auch über diesen berichtet worden wäre. Damit will ich nicht sagen, dass es keine gravierenden Grenzüberschreitungen gegeben hätte. Es ist widerlich, wie die “Bild”-Zeitung Details aus dem Intimleben von Claus-Brunner skandalisiert, obwohl diese mit dem Mordfall ganz offensichtlich nichts zu tun haben. Daran ist nichts Gutes, aber die berechtigte Annahme, dass sie es bei einem heterosexuellen Mörder ziemlich genauso und nicht weniger schlimm gemacht hätten, ist dann doch neu.

Natürlich wird “Bild” nie zugeben, dass die Tatsache, dass sie heute über den schwul-Aspekt einer solchen Geschichte einigermaßen angemessen berichten kann, ein Erfolg der Politischen Korrektheit ist. Doch das ist sie. Es ist der Erfolg vieler Menschen, die in Gesellschaft, Politik und Medien ein Bewusstsein dafür geschaffen haben, dass es nicht egal ist, wie man über Schwule spricht. Diesen Menschen wurde und wird Korinthenkackerei vorgeworfen und dass sie zu “sensibel” seien. Sie werden gefragt, wann sie denn endlich zufrieden sind mit dem, was sie erreicht haben, und ob sie eigentlich keine anderen Probleme haben, als über Wörter zu streiten. Man wirft ihnen Totschlagargumentiererei vor, weil sie, wenn es sein muss (und manchmal muss es sein) beispielsweise darauf hinweisen, dass die hohe Zahl schwuler Teenagerselbstmorde im Vergleich zu den heterosexuellen auch irgendwie was damit zu tun hat, wie Journalisten über Schwule schreiben. Diese Menschen leben mit dem Vorwurf, Schwule, Homosexuelle dauernd zu Opfern zu stilisieren, auch wenn sie gerade dafür kämpfen, dass diese nicht zu Tätern gemacht werden.

Politische Korrektheit nervt. Aber weil sie wirkt, müssen Sie da jetzt durch. Ab jetzt hier einmal im Monat.

Nachrichtenkanal, Lehrstück, Livestream

1. WikiLeaks veröffentlicht AKP-Mails
(tagesschau.de)
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hat ihre Ankündigung wahrgemacht und unzählige E-Mails (es sollen mehr als 294.000 sein) der türkischen Regierungspartei AKP öffentlich zugänglich gemacht. Die neueste Mail sei am 6. Juli dieses Jahres verschickt worden, die älteste stamme aus dem Jahr 2010. Viele Mails seien auf Türkisch, ein Teil der Korrespondenz aber auch auf Deutsch. Die Mails sind in einer Datenbank erfasst und lassen sich nach darin vorkommenden Begriffen durchsuchen.

2. Warum es keinen öffentlich-rechtlichen Nachrichtensender geben wird
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
In bewegten Nachrichtenzeiten wird immer wieder der Ruf nach einem öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal laut, der rund um die Uhr sendet. Warum es dazu nicht kommen wird, schreibt Stefan Winterbauer: “Es fehlt im bestehenden System also am Geld und am Willen, einen öffentlich-rechtlichen Nachrichtenkanal aufzubauen. Möglich wäre dies nur, bei einer umfassenden, grundlegenden Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt. Und die wird es auf absehbare Zeit nicht geben. Der öffentlich-rechtliche Newskanal in Deutschland bleibt also leider Wunschdenken.”
Ergänzung: Auch der “Tagesspiegel” beschäftigt sich mit den “News als Politikum”.

3. Live: Kleine Chronologie der vergangenen Wochen
(mobile-journalism.com, Marcus Bösch)
Marcus Bösch hat sich die Mühe gemacht und eine kleine Chronologie der Liveberichterstattung der letzten Wochen zusammengestellt. Unterteilt in fünf Kapitel “zur Dokumentation eines neuen Status Quo mit neuen Gatekeepern und alten Verhaltensregeln”.

4. “Ein Chronist, der lügt, ist erledigt”: Ein Lehrstück über Fehler, ihre Entstehung und die Entschuldigung
(kress.de, Paul-Josef Raue)
Wenn ein Journalist und Herausgeber des Buchs “Das neue Handbuch des Journalismus” über eine Veranstaltung des “Netzwerk Recherche” schreibt und in dem Beitrag Leute zu Wort kommen lässt, die gar nicht anwesend waren, ist dies ein besonders bemerkenswerter Vorgang. Nachdem Stefan Niggemeier den “Rutschunfall” des Kollegen bereits bei “Übermedien” aufgearbeitet hat, meldet sich dieser mit einigen Tagen Verspätung bei “kress.de” wortreich zu Wort. Zu Beginn des Beitrags bittet der Autor kurz um Entschuldigung, das gerät jedoch im weiteren Verlauf immer mehr in den Hintergrund. Die Angelegenheit sei ein “Lehrstück”, er verfüge über keine Dokumentations- und Verifikationsabteilung wie “Spiegel” und “Stern” und – so lässt er den Beitrag enden – auch Reporterlegende Egon Erwin Kisch hätte sich dereinst mal was aus den Fingern gesaugt.

5. Alles muss ans Licht
(faz.net, Harald Staun)
Millionen von Menschen haben das Video von Lavish Reynolds gesehen, das sie nach dem tödlichen Schuss auf ihren Freund via Livestream auf Facebook postete. Der Tod werde heute live im Internet übertragen. Der wahre Horror aber sei, was wir nicht sehen, findet Harald Staun in seiner Auseinandersetzung mit der radikalen medialen Transparenz. Gegen Rassismus würden keine Bilder helfen und: “Wenn gesellschaftliche Probleme nur noch danach entschieden werden, wer die glaubhafteren Beweise hat, wird nicht nur das Vertrauen zerstört, ohne das keine Gemeinschaft überleben kann; sondern, was womöglich viel schlimmer ist, auch das Misstrauen in die Bilder, die tun, als zeigten sie eine objektive Wahrheit.”

6. Kann ich bitte alle Informationen schon vor der ersten Eilmeldung haben?
(udostiehl.wordpress.com)
Udo Stiehl ist Journalist, Redakteur und Mitbetreiber der “Floskelwolke”, die täglich 2000 Nachrichtenseiten auf Phrasen hin untersucht und daraus ein Ranking erstellt. Weil er sich derzeit im Urlaub befindet, hat er die aktuellen Nachrichten und Reaktionen aus einem anderen Blickwinkel, nämlich dem des Konsumenten, verfolgt. Dem in den sozialen Medien oftmals erschallenden Ruf nach Schnelligkeit setzt er entgegen: “Es ist dringend geboten, dem rasenden Geschäft der „Klick-Geier“ und „Schnell-Melder“ mit Qualität und Recherche das Handwerk zu legen. Ja, das kostet im Berichtsfall Zeit, die man uns nachträglich als Versäumnis vorwerfen wird. Und es kostet Geduld, die uns – insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Medien – als Geldschneiderei unterstellt wird. Aber wenn wir dem Druck nachgeben und damit journalistische Grundwerte über Bord werfen, dann haben wir vielleicht sogar kurzfristig eine tolle Quote, aber langfristig das eigene Grab gegraben.”

6-vor-9-Special: Re:publica 2016, Tag 1

Hier sind sie nun, die sechs medienrelevanten Vorträge des ersten re:publica-Tags, die wir uns herausgepickt haben. Nach der Konferenz gibt es eine Liste mit allen genannten Vorträgen und (so vorhanden) den Videomitschnitten auf YouTube.

1. What’s next for Twitter and News?
(Mark Little)
Stage 7, Mo 12:15–12:45
“Nach zehn Jahren ist Twitter aus der Nachrichtenlandschaft kaum mehr wegzudenken. Trotzdem oder gerade deshalb wachsen die Ansprüchen der Analysten und Nutzer an den Kurznachrichtendienst. Mark Little, Twitters Vice President of Media in Europe and Africa, gibt einen Ausblick: “What’s next for Twitter and News?“. Als Jack Dorsey vor zehn Jahren den ersten Tweet verschickte, war keineswegs abzusehen, dass der Strom an Kurzbotschaften einmal auf rund 500 Millionen pro Tag anschwellen sollte. Etwa 320 Millionen Menschen weltweit nutzen heute Twitter mindestens einmal im Monat. Das soziale Netzwerk verbuchte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 2,2 Milliarden Dollar, hat jedoch mit den Ansprüchen der Analysten zu kämpfen.”

2. Commercial Content Moderation – die Müllabfuhr im Internet!
(Moritz Riesewieck)
Stage 2, Mo 12:45–13:15
“Täglich werden Millionen Bilder in die sozialen Netzwerke geladen, die wir nie zu Gesicht bekommen. Bilder von Gewalt und Pornographie, aber auch solche, die Facebook & Co schlicht als “unangemessen” einstufen. Gesichtet und aussortiert werden die Fotos und Videos von Billiglöhner/innen auf den Philippinen. Als Christen können die Philippinos westliche Moralvorstellungen gut einschätzen, denken die Konzerne. War es einmal Gott, der sich für die Sünder opfern wollte, so sind es heute philippinische “Content Moderators”. Posttraumatische Belastungsstörungen der Angestellten werden als Kollateralschaden eingepreist. Die Passionsgeschichte des Internetzeitalters? – Moritz Riesewieck und Sarah T. Roberts konzentrieren ihre Recherche und Forschung auf die neuen Formierungen von digitaler Arbeit und Produktion im postindustriellen Zeitalter.”

3. Slow media? Digitale Magazine als Gegengewicht zum Snackable-Content.
(Kati Krause)
Stage 7, Mo 12:45–13:15
“Im Internet kann es nie schnell genug gehen, niemals genug geben. Mehr Informationen aus immer mehr Quellen. Ungefiltert, von jedem. Dazwischen Katzenbilder.
Freunde von Freunden empfehlen, was wir lesen sollen, Algorithmen sortieren Inhalte nach Relevanz. Das Interessante geht niemals zu Ende: „10 Tricks, wie du noch mehr Informationen aufnehmen kannst.” Eine Nachricht nach der anderen wird überflogen, geteilt und in den meisten Fällen wieder vergessen. Dazwischen Katzenvideos. Mit Ruhe und Reflexion verbinden wir weiterhin Papier. Doch geht das nicht auch digital?”

4. The Making Of A Journalism Startup
(Christian Fahrenbach, Sebastian Horn, Lena Lammers, Frauke Lüpke-Narberhaus)
Media Cube, Mo 13:30–14:30
“Klingt eigentlich nicht gerade nach deutschen Verlagshäusern: Wir lassen junge Leute was Neues machen und geben Ihnen die Verantwortung dafür. Ist trotzdem so passiert und die Kritik in der Medien-Filterbubble zu den Launches war groß. Wir wollen darüber diskutieren, was bento, ze.tt und co. aus ihrem ersten Jahr gelernt haben. Wie kommen die Seiten beim breiten Publikum an? Wie ging es nach der Kritik vom Anfang weiter? Und: Braucht es überhaupt spezielle Nachrichten-Angebote für junge Leute?”

5. Facebook ist nicht nur Pediga-Hass – Vom Aktivieren der Zivilgesellschaft
(NN)
Lightning Talks 1, Mo 14:00–14:30
“Flüchtlinge und Vertriebene Herbst 2015: Auf einmal kam uns Onlinerinnen eine Aufgabe zu, mit der wir nicht gerechnet haben. Weil wir schon morgens auf dem Klo mehr kommunizieren als die meisten unserer Nachbarinnen über den ganzen Tag, waren wir im Vorteil. Wussten früher, was passiert, hatten früher die Informationen zusammen, haben früher erfahren, wie es andere vor uns gemacht haben, bei denen schon ein, zwei, viele Wochen vorher Vertriebene angekommen und in Hallen und Zelten untergebracht worden waren. Und auf einmal haben einige von uns Aufgaben übernommen, von denen sie vorher noch nie gehört haben. Waren Führungskräfte in der Zivilgesellschaft geworden und Leitungen im Ehrenamt. Viele von uns zum ersten Mal in ihrem Leben. Onlinerinnen kommt eine Schlüsselrolle im Bau der neuen Zivilgesellschaft zu, die wir annehmen müssen und ausfüllen können. (Bonustrack: Wer hätte das mit Facebook gedacht? Wahnsinn!)”

6. Wir müssen reden! Warum Rassismus im Netz noch immer Alltag ist
(NN)
Stage J, Mo 14:45–15:15
“Zehn Jahre re:publica und trotzdem ist im Netz nicht alles Glitzer, Flausch und Einhörner. Belästigungen, Beschimpfungen und in vielen fällen auch Bedrohungen sind für viele Menschen, die im Netz unterwegs sind, leider immer noch Alltag.
Durch die aktuellen Entwicklungen in der Welt, der zunehmenden Zahl von Menschen auf der Flucht, nimmt die Anzahl der rassistischen Äußerungen durch “besorgte Bürger*innen”, auch unter Klarnamen, massiv zu. Deshalb müssen wir JETZT darüber reden, wie wir mit Hass und Rassismus im Netz umgeben. Nur so kann das Internet zu einem Ort für alle werden.”

Außerdem interessant:
“Netzneutralität bis Recht auf Vergessen. wo steht die EU” (mit Günther Oettinger, Stage 7, 15.15 – 15.45 Uhr)
“Ist die Netzneutralität in Europa noch zu retten” (Stage 7, 16.00 – 17.00 Uhr)
“Digital Storytelling – Trends, Tools, Topics” (Stage T, 16.00 – 17.00 Uhr)
“Spreading Free Media Worldwide – Mobile Journalism” (Lightning Talks 1, 16.30 – 17.00 Uhr)
“Debattenkultur im Netz” (Media Cube, 18.39 – 19.00 Uhr)
“Jahresrückblick Social-Media-Recht” (Stage 6, 18.30 – 20.30 Uhr)

Und zum Schluss: “The Age of Trotzdem” (Stage 1, 19.45 – 20.45 Uhr. TIpp: Wer beim Sascha-Lobo-Vortrag nicht auf dem Fußboden sitzen will, sollte rechtzeitig erscheinen.)

Journalisten über Terrorismus, Xavier Naidoo, Copyright bei blick.ch

1. Medien, Polizei und die Inszenierung des Terrorismus
(zeit.de, Yassin Musharbash)
In einer Rede bei der Herbsttagung des Bundeskriminalamts hat “Zeit”-Redakteur Yassin Musharbash über die Dilemmata gesprochen, “mit denen wir Journalisten konfrontiert sind, wenn wir über Terrorismus und Terroristen berichten.” Das Manuskript hat “Zeit Online” veröffentlicht.

2. Kindern im Umgang mit Medien — wie können Eltern helfen?
(srf.ch, Claudio Fuchs)
Die ausgiebige Berichterstattung über die Attentate in Paris bekommen natürlich auch Kinder und Jugendliche mit. “Die ständige Konfrontation mit solchen verstörenden Bildern kann ernsthafte Konsequenzen auf das Wohlbefinden haben”, schreibt Claudio Fuchs beim SRF. Tipp vom Medienwissenschaftler: “offene Kommunikation zwischen den Generationen” sei wichtig. Dazu gibt’s auch ein Video — allerdings in Schweizerdeutsch.

3. Ex-Ministerin macht auf Ex-Bundespräsident
(spiegelkritik.de)
Die evangelische Nachrichtenagentur “Idea” veröffentlicht einen kritischen Kommentar, der “rund zwei Tage nach Erscheinen” wieder aus dem Internet verschwindet. Die Löschung soll laut “Spiegelkritik” auf einen Eingriff von Irmgard Schwaetzer, ehemalige Bundesministerin und heutige Vorsitzende der Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland, zurückzuführen sein. Ebenfalls zum Thema: Timo Rieg mit “‘Idea’ ist journalistisch unten durch”.

4. Xavier Naidoo beim ESC ist ein schlechter Scherz
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Es sei “blanker Hohn”, so Carolin Gasteiger, dass die ARD im kommenden Jahr Xavier Naidoo zum “Eurovision Song Contest” schicken will: “Wenn Xavier Naidoo Deutschland beim ESC vertritt, wirkt das so, als würde man Matthias Matussek zum Bundespräsidenten küren.” Hans Hoff schreibt über die “ziemlich einsame Entscheidung” der “Showstrategen der ARD”. Johannes Kram ärgert sich im “Nollendorfblog”, dass die Rechtfertigung der ARD “Homophobie und Rassismus in einer Aktion” sei. Und Patrick Gensing schreibt beim — für den ESC federführenden — NDR: “Nicht in meinem Namen”.

5. Faszinierendes Copyrightverständnis bei blick.ch
(facebook.com, Jörgen Camrath)
Jörgen Camrath, Social-Media-Leiter bei der “Morgenpost”, wundert sich über die Quellen- und Copyrightlage bei einem “Telegraph”-Video, das auf der Facebook-Seite von blick.ch auftaucht. Auf seine Nachfrage bekommt er eine interessante Antwort. “Blick”-Vizechef Thomas Benkö revidiert später das eindeutige “Jain” seiner Social-Media-Kollegen.

6. IS bedankt sich bei Medien für Hilfe bei Verbreitung von Angst und Schrecken
(der-postillon.com)

Angriffe auf Journalisten, Todsünden, “The Westport Independent”

1. Tagesspiegel-Autor Helmut Schümann angegriffen
(tagesspiegel.de)
Der “Tagesspiegel”-Kolumnist Helmut Schümann ist von hinten niedergeschlagen worden, der Angreifer rief offenbar: “‘Du bist doch der Schümann vom Tagesspiegel, du linke Drecksau'”. Schümann hatte sich in der Flüchtlingsdiskussion zuvor deutlich positioniert. Bei Facebook schreibt er, dass er sich nicht einschüchtern lassen wolle, in der “taz” äußert er sich ebenfalls zum Angriff. Dazu auch “Meedia”: Gestern ist ein Videoteam der “Welt” bei einer Neonazi-Demo attackiert worden.

2. “Bild”, de Maizière und ein Schinkenteller auf Mallorca
(sueddeutsche.de, Claudia Tieschky)
Innenminister Thomas de Maizière ist gerade von einer schweren Grippe genesen, hat wochenlang mehr oder weniger durchgearbeitet und saß mit hohem Fieber auf Flüchtlingsgipfeln. Jetzt macht er einen Kurzurlaub auf Mallorca. Für die “Bild”-Zeitung ist das ein Grund zur Empörung. Angeblich “flüchtet” de Mazière vor der Krise, der stellvertretende “Bild”-Chefredakteur Béla Anda kommentiert: “instinktlos!” Claudia Tieschky fragt: “Ist das noch Bericht oder schon Kampagne?”

3. Die “sieben Todsünden” der Nachrichten
(deutschlandfunk.de, Marco Bertolaso)
Die Nachrichtenredaktion des “Deutschlandfunks” will mit den Hörern in Kontakt kommen und sich der Kritik stellen — “per Post und per Mail, über die sozialen Medien, am Telefon und manchmal tatsächlich sogar noch per Fax”, nur Brieftauben seien etwas aus der Mode gekommen. Bestimmte Vorwürfe werden dabei besonders oft geäußert. Marco Bertolaso relativiert sieben dieser Anschuldigungen.

4. Instagram: Märchenstunde im Bayerischen Rundfunk
(buggisch.wordpress.com, Christian Buggisch)
Christian Buggisch hält das BR-Computermagazin für “naiv und wirklichkeitsfremd”. Zuhörer bekämen den Eindruck, dass Soziale Medien “gefährlicher Unfug” seien. Die Redakteure würden die Welt mit der “Brille des Datenschützers” betrachten und die Realität nur schwarz und weiß sehen: “Datenschutz ist gut, alles andere böse.” Seine Beobachtung belegt er an einer Sendung über Instagram, die “nicht nur tendenziös, sondern auch schlecht recherchiert” sei. Buggischs Fazit: “Aber eher fährt ein Fisch Fahrrad als dass im Computermagazin des BR mal ausgewogen über soziale Medien berichtet wird.”

5. “Straßengezwitscher”: Twitterprojekt erhält Auszeichnung für Zivilcourage
(tagesschau.de, Siegbert Schefke, Video, 1:43 Minuten)
Mit ihrem Twitter-Account “Straßengezwitscher” berichten zwei Dresdner seit einigen Monaten von “Pegida”-Aufmärschen. Gestern haben sie für ihren Einsatz gegen Rassismus und Antisemitismus den “Preis für Zivilcourage” verliehen bekommen.

6. Lügenpresse als Spiel
(dradiowissen.de, Thomas Ruscher, Audio, 5:33 Minuten)
Nachrichten auswählen, Überschriften drübersetzen — das Computerspiel “The Westport Independent” simuliert die Arbeit in der Redaktion einer Tageszeitung. Allerdings in einem Staat, der am Rande eines Bürgerkriegs steht. Jede Schlagzeile kann das Land weiter in die Krise führen. Die Stärke dieses “politischen Games” ist laut Thomas Ruscher der ständige Zwiespalt: “Befolgt der Spieler seine Anweisungen und Befehle, oder handelt er nach seinem Gewissen?”

Einschüchterung, Sex-Onkel, Schmiermittel Freundlichkeit

1. Neue Dimension der Einschüchterung
(zeit.de, Christian Fuchs)
Journalisten sind es gewohnt, dass sie nach der Veröffentlichung ihrer Beiträge kritisiert werden, mitunter auch heftig und persönlich. Doch Christian Fuchs beobachtet “eine neue Qualität von Einschüchterungsversuchen” schon während der Recherche. Insbesondere Protagonisten von “Pegida” und anderer rechter Bewegungen versuchten, Journalisten durch Warnen, Beleidigen, Anschwärzen und Drohungen vom Anwalt vorab mundtot zu machen. Dazu passt: Die WDR-“Lokalzeit” über einen Hobbyfotografen (Video), der Bilder für einen Benefizkalender für Flüchtlinge gemacht hat — und kurz darauf einen deutlichen Drohbrief bekommt.

2. Öffentlichkeit hat ein Recht, Gerichtsurteile zu lesen
(verfassungsblog.de, Maximilian Steinbeis)
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass die Presse ein Recht hat, Urteilsbegründungen zu lesen, auch wenn sie noch nicht rechtskräftig sind — und damit dem Oberverwaltungsgericht Thüringen widersprochen. Das “Handelsblatt” hatte gegen die Praxis geklagt, dass zunächst nur Pressemitteilungen herausgegeben werden. Maximilian Steinbeis fällt als Grund für die bisherige Ablehnung der Gerichte nur das “generelle Bedürfnis der Justiz ein, die Kontrolle über die Presseberichterstattung nicht aus der Hand zu geben”. Das sieht das BVerG anders, wie auch die, nun ja, Pressemitteilung deutlich macht. Auch die “taz” berichtet über das Urteil.

3. Bei Bild.de kann man was erleben
(coffeeandtv.de, Lukas Heinser)
Lukas Heinser hat sich das Wasauchimmer-Portal “OZY” angeschaut, in das der Springer-Konzern investiert hat. Dort gibt es unter anderem den “Dr. Sommer”-Verschnitt “Eugene S. Robinson”. Das ist eine Art Sex-Onkel, “dem (angebliche) Leser (angebliche) Zuschriften über ihre (angeblichen) Erfahrungen, Meinungen und Sorgen zum Thema zukommen lassen”. Und Robinson antwortet auf eine selten eklige Art.

4. Ein Nachmittag in der VIP-Loge
(operation-harakiri.de, Ralf Heimann)
Ein Redakteur im Lokalsport der “Emsdettener Volkszeitung” trifft “in der DEVK-VIP-Loge in der BAY-Arena” den ehemaligen Schalker Fußballprofi Ingo Anderbrügge und schreibt dabei unter anderem über “das so beliebte DEVK-Fußballcamp”. Das erinnert Ralf Heimann an einen Jahre zurückliegenden Vorfall — und bringt ihn zu folgender Feststellung: “Der Mechanismus funktioniert anders, als man denkt, wenn man furchteinflößende Wörter wie ‘Einflussnahme’ oder ‘Korruption’ hört. (…) Niemand droht. Das Schmiermittel heißt Freundlichkeit.”

5. “Boom”, sagt der Dschihadist
(tagesspiegel.de, Mohamed Amjahid)
Die Anfragen der Castingagenturen lauten so: “arabisch-orientalisch aussehende Männer, welche als Terroristen drehen können”. Mohamed Amjahid überlegt dann immer, “ob ich nicht doch mein langes Gewand und meinen Gebetsteppich auspacken soll, immerhin haben die öffentlich-rechtlichen Sender einen Bildungsauftrag zu erfüllen.” Die Stereotypen, die bereits in den Stellenausschreibungen für TV-Statisten zu finden sind, spiegelten den “Rassismus in Film und Fernsehen” wider.

6. Für manche ist es ein schönes Herbstfoto — für Chemtrail-Trolle der letzte Beweis
(motherboard.vice.com, Theresa Locker)

Wer Hass sät

“Bild” hat also beschlossen, noch ein wenig im Mittelalter zu verweilen.

So viel offener Hass war noch nie in unserem Land! Und wer Hass sät, wird Gewalt ernten. (…) BILD reicht es jetzt: Wir stellen die Hetzer an den Pranger!


(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)

So präsentiert “Bild” heute knapp 40 Kommentare von Facebook (ganz prangermäßig natürlich samt Fotos und Namen der Verfasser). Zum Beispiel von Marco W.:

Verpisst euch aus Deutschland

Oder von Waldemar B.:

An die Wand,mit dem Dreckspack.

Oder von von Silvio B.:

Sind wir nicht alle ein bisschen Nazi

Dazu erklärte “Bild”-Chef Kai Diekmann heute:

Man kriegt Angst, wenn man sich dieser Tage die Nachrichten anschaut. Eine Politikerin, die sich für Flüchtlinge einsetzt in Köln, wird einfach abgestochen, niedergestochen. Da gibt es Demonstrationen, da laufen Leute rum mit selbstgebastelten Galgen, an denen Politiker hängen. Und das alles hat angefangen mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien. Und da gilt einfach, wir sehen es jetzt: Wer Hass sät, der wird Gewalt ernten. Das können wir nicht zulassen, da müssen wir „Halt, Stopp!“ rufen. Da wird ein Klima erzeugt, was wir nicht wollen. Und deshalb ist es richtig, diese Leute, die glauben, hier mit ihrem Gesicht diesen Hass, diesen Rassismus verbreiten zu müssen – die müssen wir an den Pranger stellen.

Die eigentliche Frage lässt er allerdings unbeantwortet: Warum „Bild“ die Hetzer an den Pranger stellt. Was soll das bewirken? Dass die 40 Abgebildeten jetzt stellvertretend für all die Dumpfnasen sozial geächtet, von ihrer Familie verstoßen und von ihrem Boss gefeuert werden? Oder dass sich die rechtschaffenden Leser dazu aufgefordert fühlen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen?

Der Medienanwalt Christian Solmecke hat die Aktion heute stark kritisiert. In einer Pressemitteilung schreibt er, „Bild“ hätte die Fotos und Nachnamen verpixeln müssen:

Unabhängig davon welche Straftat möglicherweise durch ein Bürger begangen wurde, gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Dieses Prinzip gehört zu den fundamentalen Grundlagen unseres Rechtsstaates und wird durch einen solchen undifferenzierten Internetpranger mit Füßen getreten. Hinzukommt, dass die Verfolgung von Straftaten ausschließlich den zuständigen Behörden zukommt. Wer die Namen potentieller Straftäter veröffentlicht, verurteilt diese, bevor die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Ermittlungen aufgenommen haben. Dies widerspricht unserem Rechtssystem und greift tief in die Grundrechte der einzeln aufgeführten Personen ein.

Gerade diejenigen, „die zwar moralisch verwerfliche Kommentare von sich geben, jedoch die Grenze der Strafbarkeit noch nicht erreichen“, würden „besonders stark in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt“, schreibt Solmecke. Das Gleiche gelte für jene, die einen ähnlichen Namen tragen „und durch die Berichterstattung nun mit rechtswidrigen Äußerungen in Verbindung gebracht werden“.

Beim Presserat sind schon die ersten Beschwerden eingegangen, was in den Springer-Chefetagen freilich nur für eines sorgte:

Aber zurück zu den Hetzern, also denen bei Facebook.

Angefangen habe alles „mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien“, sagt Kai Diekmann. Aber das ist nicht ganz richtig.

Ab ins Arbeitslager, und die Alte gleich mit !!!

Garnicht erst reinlassen diesen Abshaum
raus aus der EU und die Grenzen wieder dicht !!!

Die Familie sofort abschieben, meine Steuern sind mir zu Schade für solche Menschen, der wird sonst sein Leben lang auf Kosten der anderen leben. Kein Wunder, wenn die Deutschen immer mehr nach rechts rucken, so kann es nicht weitergehn!!!

Diese Hass-Botschaften sind nicht bei Facebook oder Twitter veröffentlicht worden, sondern in der Kommentarspalte von Bild.de. Und sie waren auch nicht der Anfang, sondern eine Reaktion – auf diesen Artikel:

Dass die beiden in Wirklichkeit Deutsche sind, haben die „Bild“-Medien damals natürlich verschwiegen. Dort war nur von „Roma“ die Rede.

Und dieses Pack füttert der Steuerzahler durch, sofort dort hin wo sie hin gehören.
Sehe es auch so, dass später nur krumme Dinger gedreht werden. Haben doch genug von den Romas in Deutschland Der größte Teil ist wie die oben genannte Sippe. Ein Kind nach dem anderen kriegen. Geld kassieren und nicht arbeiten.

Viele solcher Hass-Posts kamen nicht aus dem Nichts. Sie kamen, weil „Bild“ sie provoziert hat.

Das ist unser D E U T S C H L A N D!!!
Wir, das Volk sollte mitbestimmen dürfen, wen wir hier reinlassen oder nicht!
Ich möchte nicht, mit einer S&W Cal .357 schlafen, bzw. jeden Tag draussen rum laufen müssen,
aus Angst wegen ein paar Cent ausgeraubt zu werden!
Aber, ich denke, das ist so gewollt mit der Unterwanderung anderer Völker in Deutschland.
Siehe I. und II.WK!

Ich bin nur noch traurig. Haben diese Richter keine Verantwortung oder Gespür für das deutsche Volk.
Wer hier schreib es gibt keine Menschen erster od. zweiter Klasse gibt, hat eigentlich recht. Mitlerweile komme ich mir, als hier geborener,also echter Inländer, schon vor wie in der dritten Klasse.

[…] jetzt müssen wir noch Rumänen und Bulgaren, die arbeitsscheu sind unterstützen. Für einen Normalverdiener mit Kindern ist es doch jetzt schonj uninteressant in die Arbeit zu gehen. […] Aber für Asylanten und sonstige haben wir scheinbar genug Geld. Armes Deutschland.

Diese Kommentare sind erschienen, weil „Bild“ geschrieben hatte:


Dabei war das nur ein winziger Teil der Wahrheit. Das Urteil bezog sich nämlich nicht nur auf Rumänen und Bulgaren, sondern auf alle EU-Bürger, die in Deutschland leben und keinen Job finden, völlig unabhängig davon, aus welchem EU-Land sie kommen.

Nächstes Beispiel.

Solche Dreckspatzen sollte man verrecken lassen!!!!!!!

Großes Schiff. Care-Paket für die Reise, Bundeswehr“reisebegleiter“ mit genügend Waffen im Anschlag und gute Heimreise. Ganz einfach.
Wer tatsächlich vor Krieg und Tot fliehen MÜSSTE, benimmt sich nicht so , sondern würde vor Dankbarkeit den ganzen Tag arbeiten und fleißig deutsch lernen, um sich möglichst schnell in die Kultur und Gesellschaft einzubringen und anzupassen…!

Gleich eine Injektion aufziehen mit Fentanyl und Dormicum dazu noch ein bißchen Lidocain und fertig..

All das sind Reaktionen auf den „Bild“-Artikel, in dem behauptet wird, Rettungssanitäter in Bautzen müssten jetzt Schutzwesten tragen – „aus Angst vor Attacken im Asyl-Hotel“. Was überhaupt nicht stimmt.

Nächstes Beispiel.

Der deutsche Steuerzahler blecht dafür, dass brutale Ausländer in Deutschland sicher leben können, muss aber damit rechnen, von ihnen verprügelt zu werden!

Ah, nee. Das stammt von „Bild“ selbst.

Diese hier aber …

bekomme ein immer größeren Hass auf den rückständigen sch**** Islam, und das ist auch gut so. Lange lebe PEGIDA. Und Gauck, du Urmel aus dem Eis, gehe dahin wo die Baumwollpflücker leben….over and out.

WIE BESCHEUERT UND VERRÄTERISCH GEBEN SICH DIESE ISLAM-ARSCHKRIECHER NOCH BEI DER ABSCHAFFUNG UNSERER KULTUR UND UNSERER WERTE?!

Und genau darum bin ich dabei, genau darum werde ich im Neuen Jahr weiter argumentieren, mich streiten, mit linkem PACK anlegen, demonstrieren, zum N.A.S.I gemacht, und ich werde es aushalten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und der Gemeinde noch ein schönes Weihnachtsfest !

… sind ebenfalls Reaktionen auf einen zurechtgebogenen „Bild“-Artikel, in dem das Blatt behauptete, Politiker würden „fordern“, dass im christlichen Weihnachtsgottesdienst muslimische Lieder gesungen werden.

Eine Idee, die in Wahrheit von „Bild“ kam, nicht von den Politikern.

Es gibt unzählige solcher Beispiele: Islam-Rabatt, Weihnachtsmarktverbot, Sonne-Mond-und-Sterne-Fest, Schnitzelkrieg, Moslem-Feiertag, Sarrazin, Ehrenmorde, Roma, Griechen, kriminelle Ausländer und so weiter und so weiter. Seit Jahren verschweigen die „Bild“-Medien bei diesen Themen entscheidende Tatsachen, sie verdrehen die Fakten zu knalligen Schlagzeilen, sie tricksen und lügen, sie heizen die Stimmung an, sie säen den Hass, über den sie sich heute empören.

Oder anders:

Mit Dank auch an Saskia K., Geesje R., Thomas R., Christian B. und bluspot.

Siehe auch:

Wie „Bild“ Ausländerfeindlichkeit fördert
Wie „Bild“ den Hass gegen Flüchtlinge schürt
„BILD lässt Vorurteile wachsen“

Medien sprechen Reisewarnung für Ostdeutschland aus

Große Aufregung in der vergangenen Woche:

Die Regierung in Kanada hat eine Reisewarnung für Ostdeutschland herausgegeben. Darin ist die Rede von extremistischen Jugendbanden, die in Teilen Ostdeutschlands eine Bedrohung darstellten. Mitglieder solcher Gangs seien bekannt dafür, Personen wegen ihrer Rasse oder ihres ausländischen Aussehens zu belästigen oder direkt zu attackieren. Auch habe es schon Brandanschläge auf parkende Fahrzeuge gegeben.

Die „Warnung aus Kanada konkret für Ostdeutschland“ komme „nicht von ungefähr“, schreibt das „Handelsblatt“: “Die ausländerfeindliche Pegida-Bewegung verzeichnet in Dresden in Sachsen weiter Zulauf.”

Darauf habe die kanadische Regierung also reagiert. Und das schmeckt den hiesigen Politikern so gar nicht.

Die Sachsen-CDU reagiert empört auf die Reisewarnung. „Das entspricht nicht der Realität und ist extrem rufschädigend“, sagte der Generalsekretär der sächsischen CDU und Vize-Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Michael Kretschmer, dem Handelsblatt. „Deutschland muss dieser Beurteilung entschieden entgegen treten.“

Bevor Deutschland damit loslegt, würden wir ihm raten, sich ein bisschen besser zu informieren als das “Handelsblatt” oder der Herr Generalsekretär. Die Geschichte stimmt nämlich gar nicht.

Kanada hat keine Reisewarnung für Deutschland herausgegeben. Es gelten nach wie vor die „normalen Sicherheitsvorkehrungen“, also die niedrigste Sicherheitsstufe.

Auf der Internetseite der kanadischen Regierung gibt es lediglich einige Sicherheitshinweise für Deutschland. Da wird zum Beispiel vor Taschendieben „an Bahnhöfen, auf Flughäfen und Weihnachtsmärkten“ gewarnt. Oder davor, dass Demonstrationen ohne Vorwarnung in Gewalt umschlagen könnten. Oder eben vor extremistischen Jugendgruppen, die besonders „in einigen kleineren Städten und in Teilen des früheren Ostdeutschlands“ eine Bedrohung seien.

Das „Handelsblatt“ verdreht diesen Vermerk zu einer „Reisewarnung für Ostdeutschland“. Und erweckt den Eindruck, als reagiere die kanadische Regierung damit auf „Pegida“ & Co. – aber auch das ist falsch. Die Hinweise stehen nicht erst seit Neuestem auf der kanadischen Seite (wie auch ein Blick in die Wayback-Machine verraten hätte), sondern seit zehn Jahren.

Was sich vor dem Hintergrund der Angriffe auf Flüchtlingsheime vor allem im Osten der Republik wie eine aktuelle Zustandsbeschreibung liest, stammt allerdings schon aus dem Jahr 2005.

schreibt „Zeit Online“, eines der wenigen Medien, die nicht einfach blind vom “Handelsblatt” abgeschrieben haben.

Nur ein Hinweis zu gestiegenen Flüchtlingszahlen in Europa sei am 28. September neu hinzugekommen, sagt die Sprecherin der kanadischen Botschaft in Berlin, Jennifer Broadbridge ZEIT ONLINE. Dadurch könne es zu Verspätungen an Grenzübergängen und Bahnhöfen kommen, steht in dem Absatz.

Anders gesagt: Das einzig Neue an den der Geschichte ist, dass die kanadische Regierung vor Verzögerungen im Zugverkehr warnt. Alles andere ist entweder falsch oder mindestens zehn Jahre alt.

Das muss jetzt nur noch jemand dem “Handelsblatt” erklären. Und der “Thüringer Allgemeinen”:

Und “Spiegel Online”:

Und stern.de:

Und der “tz”:

Und der “Huffington Post”:

Und den vielen, vielen anderen.

Immerhin: Es gibt noch eine Handvoll Journalisten, die erkannt haben, dass das alles Unsinn ist. Bernhard Honnigfort etwa schreibt auf der Onlineseite der „Frankfurter Rundschau“:

Tatsache ist, Kanada hat nicht vor Reisen nach Ostdeutschland gewarnt, sondern bittet seine Landsleute nur darum, aufzupassen und wachsam zu sein.

Und:

Natürlich ist das lange bekannt und der kanadische Warnhinweis ist nicht neu, sondern nur aktualisiert.

Natürlich. Und dass er das Märchen zuvor selbst ganz empört verbreitet hatte, sowohl in der “FR”

… als auch in der „Berliner Zeitung“

… im „Express“

… im „Berliner Kurier“

… und in der „Mopo“

… das erwähnt Honnigfort – natürlich – nicht.

Bei “Focus Online”, wo ebenfalls eindringlich über den Fall berichtet wird …

… haben sie sich nicht bloß auf die falschen Fakten der Kollegen verlassen, sondern selbst welche erfunden. Das Portal schreibt:

Auch vor in Brand gesteckten geparkten Autos wird gewarnt – das betreffe vor allem Berlin.

Berlin wird in den Hinweisen an keiner Stelle erwähnt.

So zieht die Geschichte munter ihre Kreise und wird mit jedem Mal ein bisschen weniger wahr.

Man will sich gar nicht vorstellen, was die kanadische Botschaft inzwischen denkt. Auf Anfrage gibt sie sich aber, klar: diplomatisch. Dem Evangelischen Pressedienst sagte die Sprecherin, man könne die ganze Aufregung zwar nicht nachvollziehen, jedoch würde die Ostdeutschland-Passage „angesichts der aktuellen Debatte” nun “geprüft und möglicherweise in den kommenden Tagen geändert“.

In den Sicherheitshinweisen schreibt die Regierung übrigens, dass man, wenn man in Deutschland unterwegs sei, „die lokalen Medien verfolgen“ solle. Auch ein Ratschlag, über den man mal nachdenken könnte.

Mit Dank an Holger S.

Stasi-Verdacht, Blendle-Start, Merkel-Hitler-Vergleich

1. Stasi-Verdacht gegen Chef des Berliner Journalistenverbandes
(rbb-online.de, Gabi Probst)
Nach Recherchen des RBB war der Berliner DJV-Chef Bernd Lammel in den 80er-Jahren als IM für die Stasi tätig. Lammel bestreite den Vorwurf, räume aber ein, Informationen an Stasi-Mitarbeiter gegeben zu haben. Der DJV-Bundesvorsitzende forderte Lammel auf, sein Amt vorerst ruhen zu lassen.

2. Bullerjahn zahlt für Radiobeitrag
(volksstimme.de, Hagen Eichler)
Beim privaten Sender “Radio SAW” ging es vergangenen Montag außergewöhnlich umfassend um ein Investitionsprogramm der Landesregierung Sachsen-Anhalts. Teil der zweistündigen Sendung war auch Finanzminister Jens Bullerjahn. “Jetzt zeigt sich: Der Sender hatte einen guten Grund, Bullerjahn so ausführlich zu Wort kommen zu lassen. Denn das Finanzministerium zahlt für die Sondersendung.” Rund 10.000 Euro Steuergeld seien geflossen, recherchierte die “Volksstimme”. Die Initiative “Fair Radio” hat bei der zuständige Landesmedienanstalt bereits eine Überprüfung vorgeschlagen.

3. „Wenn der Artikel nicht hält, was die Überschrift verspricht“
(daniel-bouhs.de, Audio, 14:09 Minuten)
Heute startet Blendle in Deutschland. Daniel Bouhs hat mit dem Gründer Alexander Klöpping gesprochen und ihn unter anderem gefragt, was passiert, wenn Leser Artikel “zurückgeben” dürfen, die ihnen nicht gefallen. Siehe auch: Stefan Niggemeier über “Die große Chance und der kleine Haken von Blendle”.

4. Hitler als „Merkels Amtskollege“
(faz.net, Jürg Altwegg)
Am 8. September veröffentlichte die “Basler Zeitung” einen Kommentar von David Klein, der die deutsche Flüchtlingspolitik zum Anlass nahm, Angela Merkel mit Adolf Hitler zu vergleichen (die Online-Version des Artikels wurde inzwischen entfernt). Klein ist vorbestraft, hatte Muslime als “Abschaum”, “verkommenes Pack” und “Nazis von heute” beschimpft. Auch in der Schweiz sorgte die Entgleisung für Aufsehen, so schrieb etwa “Watson”-Chefredaktor Hansi Voigt auf Facebook: “Unfassbarer Scheissdreck von der Baz. Nur für Gruselliebhaber!” Auch beim Schweizerischen Presserat ist eine Anfrage eingegangen.

5. Australien: Vodafone-Mitarbeiter bespitzelte Journalistin nach kritischem Bericht
(heise.de, Axel Kannenberg)
Die Investigativ-Journalistin Natalie O’Brien berichtete 2011 über eine schwere Sicherheitslücke beim australischen Ableger von Vodafone — bei dem sie selbst auch Kundin war. Daraufhin durchsuchte ein Mitarbeiter des Unternehmens ihre Textnachrichten und Telefonverbindungsdaten, um herauszufinden, ob es im Unternehmen Whistleblower gebe. O’Brien selbst bezeichnet die Schnüffelei als “gruselige, ekelhafte Erfahrung”.

6. [x] Schlimmer als Hitler
(taz.de, Margarete Stokowski)
Sehr geerte Frau Stkowskiki,

es ist eine Frechhiet, wie Sie sich mit ihrem absoult unlustigen “Leserbrief Classic”-Formular übre angagierte Leserbriefe Schreuber versuhcen lustig zu machen. Dsa ist nähmlich fiel mehr arbeit als wie sie sich denken können!

Mit empörten Grüssen,
das Bildblog

PS: Feminismus ist doof!

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