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KW 31/22: Hör- und Gucktipps zum Wochenende

Hurra, endlich Wochenende – und damit mehr Zeit zum Hören und Sehen! In unserer Samstagsausgabe präsentieren wir Euch eine Auswahl empfehlenswerter Filme und Podcasts mit Medienbezug. Viel Spaß bei Erkenntnisgewinn und Unterhaltung!

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1. Dienstwagen-Vorwurf und Compliance-Aufklärung im rbb
(ardaudiothek.de, Jörg Wagner, Audio: 1:20:14 Stunden)
Im radioeins-Medienmagazin beschäftigt sich Jörg Wagner mit den Vorwürfen, die gegenüber der rbb-Intendantin Patricia Schlesinger erhoben werden, darunter die strittige Zurverfügungstellung eines Dienstwagens der Luxusklasse. Obwohl es das eigene Haus betrifft, stellt Wagner unbeeindruckt die richtigen Fragen.

2. Nähe oder Distanz? Podcast zum pikanten Verhältnis zwischen Journalisten und Politik
(rnd.de, Steven Geyer & Andreas Niesmann, Audio: 38:08 Minuten)
In einer Sonderausgabe widmen sich die “RND”-Hauptstadtkorrespondenten Steven Geyer und Andreas Niesmann der Frage: Wie viel Nähe darf und wie viel Distanz muss man als Journalist oder Journalistin zum Politikbetrieb pflegen? Zu Gast sind zwei ehemalige Bundespräsidentensprecherinnen: Anna Engelke, heute wieder Journalistin beim NDR, und die Journalistin Ferdos Forudastan, inzwischen unter anderem für den WDR tätig.

3. Podcasts im Kampf für die gute Sache
(deutschlandfunkkultur.de, Carina Schroeder, Audio: 35:15 Minuten)
In der aktuellen Folge “Über Podcast” geht es um die Frage: Was macht es mit einem Medium, wenn die Grenzen zwischen Journalismus und Aktivismus verschwimmen? Carina Schroeder spricht darüber unter anderem mit Sara Schurmann vom Politik-Podcast “Pod steh uns bei” sowie mit der Podcast-Expertin Arielle Nissenblatt.

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4. Medien im Gefängnis
(podcast.hans-bredow-institut.de, Audio: 44:28 Minuten)
Anne Kaun, Professorin an der schwedischen Universität Södertörn und Gastforscherin am Hans-Bredow-Institut, erforscht, wie Medien im Gefängnis funktionieren: Welche Formen der Kommunikation existieren in Gefängnissen? Wozu werden Medien im Gefängnis benutzt? Und welche Medien werden zu welchen Zwecken ins Gefängnis geschmuggelt?

5. Tatjana Ohm über Kriegs- und Krisenberichterstattung
(youtube.com, Markus Trantow & Pauline Stahl, Audio: 45:08 Minuten)
Im “turi2 clubraum” sprechen Markus Trantow und Pauline Stahl mit Welt-TV-Chefmoderatorin Tatjana Ohm, die vor Kurzem von ihrem Einsatz in der Ukraine zurückgekehrt ist. Wie ist es ihr dort ergangen? Wie sieht Kriegs- und Krisenberichterstattung in der Realität aus? Und wie hat sie die Erlebnisse verarbeitet?
Weiterer Hörtipp, jedoch in englischer Sprache: Journalismus im Krieg: “Die Journalistin Olga Tokariuk berichtet für internationale Medien aus der Ukraine. Sie beschreibt die Rolle der Oligarchen in der ukrainischen Medienwelt, warum es so viele arbeitslose Reporter gibt und wie objektiver Journalismus unter den Bedingungen der russischen Aggression funktioniert.” (youtube.com, Falter, Tessa Szyszkowitz, Audio: 33:10 Minuten)

6. “Nah dran, aber trotzdem kritisch” – Berichterstattung über Männer- und Frauenfußball
(br.de, Ingo Lierheimer, Audio: 22:13 Minuten)
Im Medienmagazin des Bayerischen Rundfunks geht es um die Berichterstattung über Männer- und Frauenfußball: Warum bekommt Frauenfußball immer noch deutlich weniger Aufmerksamkeit als der von Männern? Wie steht es um kritische Berichterstattung, um Nähe und kritische Distanz zwischen Reportern und Sportlern? Und wie viele Reporterinnen arbeiten inzwischen hinter dem Mikrofon?

Machtmissbrauch bei “Bild”?, Hoppsala, Royale Millionendeals

1. Interne Ermittlungen gegen »Bild«-Chefredakteur Reichelt
(spiegel.de, Isabell Hülsen & Alexander Kühn & Martin U. Müller & Anton Rainer)
Gegen Julian Reichelt, Chefredakteur der “Bild”-Zeitung, wurde innerhalb des Springer-Konzerns ein sogenanntes Compliance-Verfahren eingeleitet. Unter anderem gehe es bei der Untersuchung um Machtmissbrauch und die Ausnutzung von Abhängigkeitsverhältnissen. Außerdem sei von möglichen Vorwürfen der Nötigung und des Mobbings die Rede. Das gesamte Ausmaß der Compliance-Untersuchung sei derzeit noch unklar.

2. Wie Sexismus Journalistinnen bedroht
(reporter-ohne-grenzen.de)
Zum gestrigen Internationalen Frauentag hat Reporter ohne Grenzen einen Themenbericht zu Sexismus im Journalismus veröffentlicht (PDF, englisch). Vorstandssprecherin Katja Gloger kommentiert: “Anlässlich des Weltfrauentags möchten – und müssen – wir erneut deutlich machen, dass für Journalistinnen überall auf der Welt die Ausübung ihres Berufes oft schwieriger und gefährlicher ist als für ihre Kollegen. Sie müssen sich gegen sexuelle Belästigung wehren, wenn sie einfach nur ihren Job machen wollen. Sie müssen damit rechnen, dass eine Welle des Hasses über sie hereinbricht, wenn sie sich in den sozialen Netzwerken äußern. In manchen Ländern wie Pakistan oder Indien riskieren sie sogar ihr Leben.”

3. Zu große Nähe? Das ZDF, Jochen Breyer und die TSG Hoffenheim
(ndr.de, Daniel Bouhs)
“Sind das ZDF und sein Moderator Jochen Breyer zu gefällig geworden, wenn es um den Bundesligisten und dessen Mäzen geht?” Daniel Bouhs geht noch einmal einem Fall nach, der vor rund einem Jahr für Schlagzeilen sorgte und der Breyer, den Fußballklub TSG Hoffenheim sowie Dietmar Hopp betrifft (siehe dazu: Knallhart am Journalismus vorbei (taz.de, Andreas Rüttenauer) und Perfekt inszenierte Hetze (spiegel.de, Daniel Montezari)). Anlass für das neuerliche Aufflammen des Themas ist eine vom ZDF angekündigte Doku, von der sich Bouhs schon vorab einen Eindruck machen konnte.

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4. turi2 schafft das Gendersternchen wieder ab – und setzt aufs generische Femininum.
(turi2.de, Peter Turi)
Über ein Jahr habe das Branchenportal “turi2” das Gendersternchen verwendet, doch damit sei nun Schluss. Viele Leser und Leserinnen hätten das Sternchen in den Texten als störend empfunden – man schaffe es daher ab. Überraschend: Die Redaktion kehrt nicht etwa zur alten Schreibweise zurück, sondern setzt auf das generisches Femininum. Chefredakteur Markus Trantow: “Wir Männer dürfen uns ganz selbstbewusst mitgemeint fühlen.”

5. Perspektive in Wartestellung
(out-takes.de, Elisabeth Nagy)
In der Kategorie “Perspektive Deutsches Kino” will die Berlinale dem Filmnachwuchs eine Chance geben. Zu Corona-Zeiten ist es jedoch für alle etwas schwieriger. Die ausgewählten Filme soll es zum Beispiel erst im Sommer zu sehen geben. Elisabeth Nagy stellt die sechs Stücke vor, die von der Jury aus 225 Einreichungen dafür auserkoren wurden.

6. Morddrohungen und Millionendeals
(deutschlandfunk.de, Mike Herbstreuth & Christine Heuer & Mirjam Kid, Audio: 7:15 Minuten)
Prinz Harry und Herzogin Meghan haben der Talk-Milliardärin Oprah Winfrey ein weltweit beachtetes Interview gegeben. Anlass für den Deutschlandfunk, sich die Medienstrategie des royalen Ehepaars anzuschauen – weg vom Beobachtungsgegenstand der Medien, hin zu aktiven Medienplayern mit lukrativen Netflix- und Spotify-Deals.

Gedächtnis­protokolle, “NZZ” im Tabaknebel, Diskursverschiebung

1. Warum berufen sich Undercover-Reportagen auf ominöse “Gedächtnis­protokolle”?
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
In einer ProSieben-Reportage über rechte Netzwerke wurde ein AfD-Funktionär mit seinen Gewaltfantasien gegen Geflüchtete zitiert. Währenddessen wurde das Wort “Gedächtnisprotokoll” eingeblendet. Ein Undercover-Team hatte die den Politiker belastende Szene heimlich in einem Restaurant aufgenommen, in der Reportage war der AfD-Mann jedoch nicht zu sehen, und auch der Originalton war nicht zu hören. Medienanwalt Thorsten Feldmann ordnet die Thematik ein und erklärt, welche rechtlichen Gründe hinter dieser Vorgehensweise stecken.

2. Meinung: Mehr Debatte in den Tagesthemen
(ndr.de, Daniel Bouhs)
Bei den “Tagesthemen” soll es zukünftig einige Änderungen geben. Der “Kommentar” wurde nach 42 Jahren bereits zur “Meinung”. Ein “Pro und Contra” soll Debatten abbilden/anheizen. Der Historiker Jürgen Zimmerer warnt vor einer “Diskursverschiebung nach rechts”. Außerdem könnten auf diese Weise extreme Positionen salonfähig gemacht werden. Multiperspektivität sei gut, “aber es gibt natürlich einen Rahmen, außerhalb dessen Positionen einfach absurd sind. Ich warte dann auf den Kommentar in den ‘Tagesthemen’ zu ‘Die Erde ist eine Scheibe’ oder ‘Der Antisemitismus ist richtig’.”

3. Journalismus in Zeiten der Polarisierung: neun Empfehlungen von Jeff Jarvis
(innovation.dpa.com, Meinolf Ellers)
Der US-amerikanische Journalist und Autor Jeff Jarvis wurde vom Hamburger Senat und der Nachrichtenagentur dpa “für seine Verdienste als Brückenbauer zwischen den Internet-Plattformen und den traditionellen Medien” mit dem “Scoop-Award” geehrt. In seiner Keynote liefert Jarvis neun Denkanstöße für einen besseren Journalismus. Seine vollständige Rede gibt es bei Youtube (in englischer Sprache) zum Nachhören und Nachschauen.

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4. NZZ im Dunstnebel der Tabakindustrie
(infosperber.ch, Rainer M. Kaelin)
Die “NZZ” veröffentlichte jüngst einen PR-Artikel der Tabakindustrie. Der Pneumologe und ehemalige Vizepräsident der Lungenliga Schweiz, Rainer M. Kaelin, kritisiert den Beitrag: “Die Tribüne, die das älteste Medium der Schweiz dem Tabakgiganten Philip Morris zur Verfügung gestellt hat, lässt erschreckend deutlich erkennen, wie Lobbying, PR-Arbeit und Geld seit Langem die Tabakprävention auf Kosten der Jugend unterminieren. Das schadet dem Ansehen der NZZ, deren vornehmste Aufgabe die seriöse Information ihrer Leserinnen und Leser wäre.”

5. “Eine Frage von Leben und Tod”
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 5:58 Minuten)
In London wird derzeit über die Auslieferung des Wikileaks-Gründers Julian Assange an die USA verhandelt. Dort drohen ihm eine Anklage wegen Spionage in 17 Fällen und insgesamt 175 Jahre Haft. Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen beobachtet das Verfahren und zeigt sich äußerst besorgt: “Abgesehen davon, dass es hier um ein Verfahren gegen Julian Assange und ein Verfahren letztlich um Pressefreiheit geht, muss Julian Assange aus unserer Sicht auch schon allein aus humanitären Gründen sofort freigelassen werden.”

6. Die Rasen-Reporter
(zdf.de, 43:33 Minuten, Christian Bock)
Das Fußballmagazin “Kicker” wird dieses Jahr stolze 100 Jahre alt. Anlässlich des runden Geburtstags berichtet eine ZDF-Doku über die Entwicklung des Fußballs zum Volkssport und die Bedeutung der ihn begleitenden Medien, nicht nur des “Kickers”.
Weiterer Gucktipp: Die ARD hat im April eine Doku zum gleichen Thema in die Mediathek gestellt: 100 Jahre “Kicker”: Ein Sportmagazin schreibt Geschichte (Andreas Kramer, Video: 41:26 Minuten).

Coronavirus-Berichterstattung, Falscher Preis, “Spiegel”-Standards

1. Die “gelbe Gefahr” ist zurück
(welt.de, Maximilian Kalkhof)
Mit deutlichen Worten kritisiert Maximilian Kalkhof Teile der Berichterstattung über das Coronavirus: “Vorsicht vor dem Virus ist das eine. Sie ist angebracht. Aber Diskriminierung von Menschen, die asiatisch sind oder asiatisch aussehen, ist das andere. Sie ist widerwärtig.”
Weiterer Lesehinweis: Zu einer ähnlichen Feststellung kommt Kira Ayyadi bei Rassismus gegen Asiaten (belltower.news): “Spätestens seitdem das Coronavirus auch in Deutschland gemeldet wurde, tritt der Rassismus gegen Asiat*innen und asiatisch aussehende Menschen so deutlich zutage wie selten. Selbst Medien beteiligen sich an der Stigmatisierung von Menschen nur wegen ihres Aussehens. Das kann für Betroffene ernst zu nehmende Folgen haben.”

2. Die verschenkte Dekade der Tageszeitungen
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz ist sich sicher: “Der Kampf um die Zukunft ist für die meisten Tageszeitungen in Deutschland endgültig verloren.” Das Unangenehme: Man kann ihm nicht leicht widersprechen. Jakubetz ist ein langjähriger Medienbeobachter und hat gute Argumente für seine These.

3. Die Antworten sind vernünftig, die Fragen nicht
(spiegel.de, Nils Minkmar)
“Bild”-Chef Julian Reichelt will in einem neuen Talk-Format (“Hier spricht das Volk”) mit “ganz normalen Menschen” ins Gespräch kommen. Das geht schief, wie Nils Minkmar findet. Reichelts Gäste würden sich einfach nicht empören wollen: “Selbst das Thema Geflüchtete bringt nicht die üblichen Erregungszustände. Eine junge Frau bemerkt, sie sei selbst als Flüchtling aus Russland nach Deutschland gekommen und eine andere meint, wir sollten uns glücklich schätzen, in der Lage zu sein, den armen Menschen helfen zu können. Die Antworten sind also vernünftiger als die Fragen. Darin liegt der konzeptionelle Fehler der Sendung: Das Volk kommt zu Wort, nachdem Julian Reichelt es ihm erteilt hat, um auf eine Frage zu antworten, die ihn interessiert und solange sie ihn interessiert — und das ist arg kurz.”
PS: “Hier spricht das Volk” hat übrigens die absolut gelungene Website hiersprichtdasvolk.de, hihi. PPS: Danke dafür an @schmidtlepp!

4. Nach Relotius: Neue journalistische Standards beim “Spiegel”
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Ein Jahr nach Relotius hat sich der “Spiegel” neue Standards (PDF) verpasst. Der neue journalistische Leitfaden ist 74 Seiten lang und sei von insgesamt 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeitet worden.

5. Lieber die taz digital lesen, statt von der taz abgehängt zu sein
(blogs.taz.de, Andreas Bull)
Bei der “taz” macht sich der digitale Wandel samt seiner logistischen Herausforderungen für das Printprodukt bemerkbar. Noch könne die gedruckte “taz” überall im Land zugestellt werden, doch das werde nicht mehr lange der Fall sein: “Wir ahnen, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis (…) sich dann weiße Flecken auf der Landkarte ausbreiten, in denen die taz nicht mehr gelesen werden könnte. Was können die Leute im Thüringer Wald dafür, wenn ihnen weder Post noch lokaler Trägerdienst die taz in den Briefkasten bringen will?”

6. Rassistische Journalistin flog für falschen Preis nach Prag
(kurier.at)
Die Journalistin Katie Hopkins hetzt bevorzugt gegen Muslime, Homosexuelle und Feministinnen und hat es damit in Großbritannien zu trauriger Berühmtheit gebracht. Nun hat sie ein südafrikanischer Youtuber gefoppt und zu einer angeblichen Preisübergabe in ein Prager Luxushotel gelockt: “Als sie den Preis annahm, leuchtete auf einer Leinwand hinter Hopkins der Schriftzug ‘Campaign to Unify the Nation Trophy’ mit gefetteten Initialen auf. Die Abkürzung ‘Cunt’ ist auf Englisch eine üble sexistische Beleidigung.” Hier der Videomitschnitt der würdevollen Verleihung (youtube.com, 10:10 Minuten).

Anderer Blick auf den Fall Assange, Binsen-Profilerin, Offener DW-Brief

1. “Vor unseren Augen kreiert sich ein mörderisches System”
(republik.ch, Daniel Ryser & Yves Bachmann)
Wer heute nur einen Text lesen will oder kann: Hier ist er! Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, erzählt von den Erkenntnissen seiner Untersuchung im Fall des “Wikileaks”-Gründers Julian Assange. Und die sind brisant, aufrüttelnd und verstörend. Seiner Meinung nach habe die schwedische Polizei die Vergewaltigungsvorwürfe herbei konstruiert: Beweise seien manipuliert, Aussagen umgeschrieben worden. Julian Assange werde bei einer Auslieferung in die USA kein rechtsstaatliches Verfahren bekommen. Assange werde auch jetzt nicht rechtsstaatlich fair behandelt, sondern auf verschiedene Weise psychologisch gefoltert. Melzer fragt: “Was ist die Rechts­grundlage dafür, jemandem das fundamentale Recht seiner eigenen Verteidigung zu verweigern? Warum wird ein ungefährlicher, nicht gewalt­tätiger Mann monatelang in Isolations­haft gehalten, wo doch die Uno-Standards jede Isolations­haft von mehr als 15 Tagen grundsätzlich verbieten? Keiner dieser Uno-Mitglieds­staaten hat eine Untersuchung eingeleitet, meine Fragen beantwortet oder auch nur den Dialog gesucht.”

2. Wohltäter, Streber, Freigeister
(faz.net, Tobias Rüther & Peter Körte & Andreas Lesti & Timon Karl Kaleyta & Harald Staun)
Einige Sportlerinnen und Sportler zieht es nach ihrer Sportkarriere in die Medien, zum Beispiel als Expertinnen und Experten hinter dem Mikro. Doch sind sie tatsächlich die besseren Fachleute? Die “FAZ” hat sich ein paar von ihnen näher angeschaut, darunter die ehemalige Biathletin Laura Dahlmeier (ZDF), den Ex-Skirennfahrer Felix Neureuther (ARD), die Ex-Fußballer Oliver Kahn (ZDF), Steffen Freund (RTL Nitro), Thomas Broich (ARD) und Dietmar Hamann (Sky), die Ex-Tennisspielerin Andrea Petkovic (ZDF) und den ehemaligen Zehnkämpfer Frank Busemann (ARD).

3. Grieger-Langer und die gefakte Kundenliste
(haufe.de, Ruth Lemmer)
“Suzanne Grieger-Langer nennt sich ‘Profilerin’ und zieht mit einer martialischen Show durch Deutschland, in der Binsenweisheiten über Persönlichkeit und Führung verbreitet werden. Sie findet zahlreiche Zuhörer, obwohl ihr Umgang mit der eigenen Vita und mit ihrer Kundenliste Zweifel an ihrer Kompetenz und Wahrheitsliebe aufkommen lassen.” Ruth Lemmer berichtet über eine, nennen wir es euphemistisch “schillernde”, Person, die berechtigte Kritik gerne mit Abmahnungen beantworten lässt.
Weitere Lesehinweise zum Hintergrund: Grieger-Langer: Profilerin mit Hang zur Lüge (mba-journal.de, Bärbel Schwertfeger). Und: Eine zweifelhafte Expertin fürs “Charakter-Profiling” (uebermedien.de, Bärbel Schwerdtfeger).

4. Sag zum Abschied leise Kamener Kreuz
(zeit.de, Nils Markwardt)
Nach über 50 Jahren hat der Deutschlandfunk (DLF) seine Stau- und Verkehrsmeldungen eingestellt. Nils Markwardt winkt dem Format zum Abschied zärtlich hinterher: “Die DLF-Verkehrsmeldungen waren (…) der Soundtrack des Franz-Josef-Wagner-Deutschlands: ein melancholisch-kitschiges Hörspiel über jene mystische ‘Mitte’, die in Talkshows und Leitartikeln unentwegt beschworen wird. Meldete die sonore Stimme Störungen bei Dettingen an der Iller und Erlangen-Frauenaurach oder Sperrungen auf A1 und B12, konnte sich der einfühlsame Hörer die Schicksale hinter dem zähfließenden Verkehr vorstellen: den genervten Pendler, der eigentlich zum Anstoß zu Hause sein wollte; die müde Truckerin, der im Laderaum langsam 200 Kilo Mett weggammeln; oder den hungrigen Schichtarbeiter, der auf eine Senfpeitsche an der Tanke hinfiebert.”
Hörtipp: Der Deutschlandfunk verabschiedet sich auf besondere Weise von den Staumeldungen: Auf Twitter verliest DLF-Chefsprecher Gerd Daaßen die schönsten Orte und Autobahnkreuze. (Video: 1:06 Minuten).
Weiterer Lesetipp: Torsten Kleinz beleuchtet einen anderen Aspekt: “Aus meiner Sicht ist diese Episode ein plastischer Beleg dafür warum DAB+ keine Chance hatte. Wenn man schon den Rundfunk digitalisiert, dann hätten die Verkehrsnachrichten an erste Stelle gehört. Statt alle Verkehrsnachrichten für alle auszustrahlen, könnte man ein Opt-In realisieren. Technisch ist das ohne weiteres möglich — man hat es halt nicht getan.”

5. Mehr als 250 Mitarbeitende kritisieren die Deutsche Welle für ihren Umgang mit Vorwürfen von Belästigung, Mobbing und Einschüchterung
(buzzfeed.com, Pascale Müller & Juliane Loeffler)
Von mehr als 250 Mitarbeitenden der Deutschen Welle (DW) ist die Rede, die sich in einem Offenen Brief an den DW-Intendanten Peter Limbourg gewandt haben. Es sind schwere Vorwürfe, die dort erhoben werden: “Wir glauben, dass Machtmissbrauch bei der Deutschen Welle allgegenwärtig ist”. Die “Buzzfeed”-Reporterinnen Pascale Müller und Juliane Loeffler erklären den Hintergrund des Beschwerdebriefs. Dem Artikel ist außerdem der Offene Brief im Original (in englischer und deutscher Sprache) beigefügt.
Weiterer Lesehinweis: Die “taz” konnte die Antwort der Geschäftsleitung einsehen: “Wenn sich offenbar mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter veranlasst sehen, sich anonym an den Intendanten zu wenden, scheint tatsächlich einiges nicht zu funktionieren” (taz.de, Peter Weissenburger).

6. Deutsches Fernsehballett vor dem Aus
(spiegel.de)
Das 1962 zu DDR-Zeiten gegründete Deutsche Fernsehballett steht vor dem Aus. Geschäftsführer Peter Wolf habe dem “Spiegel” gegenüber bestätigt, dass das Ensemble Ende 2021 aufgelöst werde. TV-Aufträge kämen nur noch vom MDR. Allein mit diesen Auftritten lasse sich die Gruppe mit 18 Tänzerinnen und Tänzern nicht finanzieren. 
Tipp des Kurators für einen nostalgischen Rückblick: Auf der Seite des Deutschen Fernsehballetts gibt es eine Zeitreise durch die vergangenen Jahrzehnte und eine Zusammenstellung von Videomitschnitten.

Bild.de macht Greta Thunberg zur Atomkraft-Aktivistin

Wie man aus der angeblich “ehrlichsten Antwort” die verlogenste Zusammenfassung macht, zeigt heute “Bild”-Autor Josef Nyary.

Nyary schaut sich regelmäßig Polit-Talkshow im Fernsehen an und fasst sie anschließend für “Bild” und Bild.de zusammen. Gestern lief im Ersten “Anne Will”, Thema: “Streiken statt Pauken — ändert die Generation Greta die Politik?” Mit der titelgebenden Greta Thunberg hatte Moderatorin Anne Will zuvor ein Interview geführt, von dem ein längerer Ausschnitt auch in der Sendung zu sehen war. Josef Nyary schreibt dazu:

Screenshot Bild.de - Ehrlichste Antwort - Sind Sie für Atomkraft?, fragt die Talkmasterin als nächstes. Die Zuschauer sind gespannt und Klima-Greta lässt sie nicht lange warten: Atomkraft ist nicht die Zukunft, meint sie. Aber die Atomkraft kann ein kleiner Teil einer Lösung ohne fossile Brennstoffe sein. Rumms! Was sagt Habeck dazu? Der Grünen-Chef macht keinen Mucks.

Das ist eine bemerkenswert freie Zusammenfassung von Thunbergs Antwort. Tatsächlich sagte die 16-Jährige (ab Minute 23:36):

Anne Will: Zuletzt hieß es, Sie seien für Atomkraft. Stimmt das?

Greta Thunberg: Persönlich: nein. Aber ich meine, Atomkraft ist nicht die Zukunft. Sie ist nicht erneuerbar. Aber nach Meinung des Weltklimarats, nicht meiner Meinung nach, nach Meinung des Weltklimarats kann Atomkraft ein kleiner Teil einer großen Lösung für Energie ohne fossile Brennstoffe sein in Ländern, in Regionen, in denen die Option 100 Prozent erneuerbarer Energie nicht besteht. Aber ich meine, Atomkraft ist sehr gefährlich, teuer und zeitaufwendig.

Sie zitiert also nur das häufig als “Weltklimarat” bezeichnete Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Und sie betont extra noch mal, dass das nicht ihre Meinung ist. Bei Bild.de machen sie daraus:

Screenshot Bild.de - Schulstreik-Zoff bei Anne Will - Klima-Greta - Atomkraft kann Teil der Lösung sein

In der längeren, englischen Originalversion des Interviews ist Thunbergs Antwort (ab Minute 18:50) noch etwas ausführlicher:

Anne Will: Recently, it has been said that you are in favor of nuclear power. Are you?

Greta Thunberg: Personally, no. I mean nuclear power is not the future. It’s not renewable. But according to the IPCC, not according to me, according to the IPCC nuclear power can be a small part of a very big new fossil free energy solution in countries, in areas that lack the possibility of 100 percent renewables. But I mean nuclear power is very dangerous, expensive and time consuming. I mean just ask a scientist if we were to replace fossil fuels with nuclear power: How many new nuclear power plants we will have to build each week within the time frame of the Paris Agreement to reach the Paris Agreement? And how much money that will cost? How much time it takes to build nuclear power? And how much it takes from our remaining carbon budgets? But if we should talk about these things, we should talk about energy efficiency and especially reducing our energy demand. But still we can’t keep focussing on these small things. We need to realize that there are no solutions within these current systems. And we need to see the whole picture and to have a holistic view on climate crisis.

Anne Will: Let me follow up. If one wants to stop the emissions — and that is what you want: not to lower them but to stop the emissions — is it then possible to avoid nuclear energy in your understanding?

Greta Thunberg: Ask scientists. That is something I can’t speak out on because I don’t have that scientific education. That is such a big decision that we need to have scientific evidence and scientific based recommendations on what we should do. So, I can’t say what we should do.

Diese komplette Verzerrung von Greta Thunbergs Aussage passt ganz gut zu Josef Nyarys gesamter “TALK KRITIK”: Höhnisch schreibt er, eine “Fridays for Future”-Aktivistin komme “aus der Schülervertretungsszene”, Thunberg sei “ein Milchgesicht aus Pipi-Langstrumpf-Land”, ZDF-Moderator Harald Lesch (den Nyary fälschlich bei der ARD einsortiert) sei ein “Angstmann”, und die Grünen seien die “erfolgreichste deutsche Bevormundungspartei”.

Interessant ist auch Nyarys Seitenhieb Richtung Grünen-Chef Robert Habeck (“Rumms! Was sagt Habeck dazu? Der Grünen-Chef macht keinen Mucks.”). Was Nyary nicht schreibt: Habeck konnte gar keinen “Mucks” machen, schließlich war das eingespielte Interview mit Thunberg aufgezeichnet und lief nach der Frage zur Atomenergie noch einige Zeit weiter. Aber wie soll man sowas als “Bild”-Talkshow-Kritiker auch mitbekommen, wenn man zu diesem Zeitpunkt schon damit beschäftigt ist, Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen?

Dazu auch:

Mit Dank an Andreas P., Farid A. und @EvaStegen für die Hinweise!

Nachtrag, 3. April: “Bild”-Polittalk-Kritiker Josef Nyary hat es schon häufiger auf Grünen-Chef Robert Habeck abgesehen. Bei einer früheren “TALK KRITIK” aus dem Juli 2018 etwa hieß es in der Dachzeile: “AUSRASTER BEI ‘ILLNER'”, in der Überschrift: “Grünen-Chef Habeck brüllt CSU-Staatssekretärin nieder” und in einer Zwischenüberschift: “Brüll-Attacke des Jahres”. Nyary schreibt:

Da ist der nette Herr Habeck auf einmal gar nicht mehr souverän. “Sie vergiften den Diskurs!”, donnert er die Staatsministerin an. (…) “Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!” brüllt er die CSU-Frau an.

Das ist alles ziemlicher Unsinn — von “niederbrüllen”, “anbrüllen” oder der “Brüll-Attacke des Jahres” findet man in der Sendung (ab Minute 59:00) nichts. Daher gab es wegen des Verstoßes gegen das Wahrhaftigkeitsgebot auch einen Hinweis vom Deutschen Presserat für Nyarys Text.

Mit Dank an Johannes K. für den Hinweis!

Der Begriff “Schießerei” – und wie Redaktionen mit ihm umgehen

Vergangene Woche, am späten Mittwochabend, hat ein ehemaliger Soldat in der südkalifornischen Stadt Thousand Oaks auf die Gäste einer Country Music Bar geschossen und dabei mindestens zwölf Menschen getötet.

Die deutschen Medien berichteten über diesen Vorfall zum Beispiel so:

Screenshot FAZ.net - Schießerei in Kalifornien - Mehrere Tote bei Angriff auf Studentenparty
Screenshot n-tv.de - Vorfall in Kalifornien - Etliche Tote bei Schießerei in US-Bar
Screenshot Tagesschau.de - Thousand Oaks in Kalifornien - Viele Tote bei Schießerei in Bar
Screenshot heute.de - Thousand Oaks in Kalifornien - Mindestens zwölf Tote nach Schießerei in Bar
Screenshot Tagesspiegel.de - Thousand Oaks - Zwölf Tote bei Schießerei in Bar in Kalifornien
(in dieser Reihenfolge: FAZ.net, n-tv.de, tagesschau.de, heute.de, Tagesspiegel.de)

Nun ist so ein tragisches Ereignis nicht unbedingt der beste Moment für Wortklaubereien, aber diese Schlagzeilen sind andererseits ein passender Anlass, das Wort “Schießerei” einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Der Duden definiert den Begriff so:

1. (meist abwertend) [dauerndes] Schießen
2. wiederholter Schusswechsel

Dass die zweite Bedeutung die häufiger verwendete ist, zeigt sich bei den Synonymen, die der Duden auf seiner Webseite vorschlägt:

[bewaffnete] Auseinandersetzung, Gefecht, Kampf, Kugelwechsel, Plänkelei, Schusswechsel; (umgangssprachlich) Ballerei; (besonders Militär) Feuergefecht; (Militär veraltend) Geplänkel, Scharmützel, Treffen

Der Begriff “Ballerei” zeigt, in welchem Sinne die erste Bedeutung zu verstehen ist.

Das bedeutet nicht zwingend, dass der Begriff “Schießerei” im Zusammenhang mit dem Verbrechen in Thousand Oaks falsch verwendet wird, aber angesichts der Tatsache, dass Begriffe wie “Messerstecherei”, “Schlägerei” oder “Prügelei” ja eigentlich ausschließlich zur Beschreibung einer Auseinandersetzung verwendet werden, haben wir uns gefragt, wie Redaktionen mit einem solchen Begriff umgehen — und die Frage entsprechend auch Redaktionen gestellt.

Die Deutsche Presse-Agentur (dpa) hat in ihren internen Standards eine klare Definition, was eine “Schießerei” ist:

Schießerei
Eine Schießerei ist ein Schusswechsel. Wir sprechen also von einer Schießerei, wenn zwei oder mehr Seiten sich gegenseitig beschießen, nicht aber, wenn nur eine Seite (wiederholt) feuert.

Zwar führt der Duden als Bedeutung auch “dauerndes Schießen” auf — allerdings mit dem Zusatz “meist abwertend”. So mag es sprachlich korrekt sein, über eine Jagd zu sagen: “Diese idiotische Schießerei”. Dies rechtfertigt aber nicht, von einer Schießerei zu sprechen, wenn zum Beispiel Polizisten auf einen Verdächtigen geschossen haben, ohne dass dieser das Feuer erwiderte.

Besonders vorsichtig müssen wir bei der Übersetzung des englischen “shooting” sein, das sowohl für einen Schusswechsel als auch eine einseitige Schussabgabe stehen kann.

Der Verweis auf die Übersetzung ist wichtig. Das Oxford Dictionary definiert “shooting” so:

The action or practice of shooting with a gun.

Trotz klarer Regeln könne man nicht vollständig ausschließen, dass sich der Begriff nicht doch mal in Meldungen einschleiche, hat uns dpa-Nachrichtenchef Froben Homburger auf Anfrage erklärt. Insbesondere in ersten Meldungen, wenn die Lage noch unübersichtlich sei, könne dies mitunter passieren. Bei Hinweisen auf eine Verwendung des Begriffs, die nicht den eigenen Standards entspricht, würden die Meldungen sofort korrigiert. Im aktuellen Fall lauteten die Überschriften der dpa-Meldungen aber etwa “Schüsse in Bar in Kalifornien” oder “Polizei: 13 Tote nach Schüssen in Bar in Kalifornien”.

Etwas anders sah es beim deutschsprachigen Dienst der Agence France-Presse (AFP) aus, der zunächst von einer “Schießerei” geschrieben hatte. Aber auch dort ist man sich der Problematik des Begriffs bewusst, wie Geschäftsführer und Chefredakteur Andreas Krieger auf unsere Anfrage antwortet:

Wir verwenden den Begriff “Schießerei” nur in bestimmten Fällen, da er nicht präzise ist. Dies gilt etwa, wenn — wie im vorliegenden Fall — zu einem frühen Zeitpunkt der Tathergang noch nicht klar zu erkennen ist. In den ersten Meldungen der Feuerwehr von Thousand Oaks hieß es: “Firefighters and first responders are arriving on scene of a report of a shooting at an establishment.” Diese Quelle war die Grundlage für unsere anfängliche Berichterstattung. Nachdem zuverlässige Quellen — Feuerwehr, Zeugen und der örtliche Sheriff — bestätigten, dass ein bewaffneter Mann in die Disko eingedrungen war und den Angriff verübt hatte, berichteten wir dies und verwendeten den Begriff “Schießerei” nicht weiter.

Bei tagesschau.de ist der Begriff “Schießerei” im Laufe des Donnerstags aus dem Artikel verschwunden, noch bevor “Tagesschau”-Chefredakteur Kai Gniffke unsere E-Mail gelesen hatte. Eine Antwort auf unsere Anfrage haben bisher leider noch nicht erhalten, die “Tagesschau”-Redaktion hat aber angekündigt, uns über die internen Abstimmungen zum Begriff auf dem Laufenden zu halten.*

Auch beim ZDF haben wir nachgefragt und diese Antwort erhalten:

Die Redaktion heute.de ringt täglich um möglichst treffende Begriffe und Formulierungen. Gerade bei Gewalttaten ist das eine besondere Herausforderung, sind Ablauf, Hintergründe und Motivlage doch zunächst meist völlig unklar. “Amoklauf”, “Terroranschlag”, “Angriff”? Richtig ist, dass die — zumindest breiter gefasste — Begrifflichkeit “Schießerei” auch als Schusswechsel verstanden werden kann. Es muss immer im Einzelfall entschieden werden, welche Wortwahl am präzisesten den Sachverhalt spiegelt.

Im konkreten Fall hat sich die Redaktion offensichtlich gegen den Begriff entschieden, denn er taucht in der aktualisierten Fassung des Artikels nicht mehr auf. Und auch ein Artikel vom vergangenen Wochenende, dessen Überschrift zunächst “Tote bei Schießerei in Florida” gelautet hatte, ist jetzt mit “Tödliche Schüsse in Florida” überschrieben.

Der “Tagesspiegel” schrieb uns:

[W]ir beim Tagesspiegel haben gerade über Ihre Mail zum Thema “Schießerei” gesprochen und Ihren Denkanstoß gerne und dankbar aufgenommen.
 
“Schießerei” impliziert einen “Schusswechsel”. Ihr Vergleich mit “Prügelei” und “Schlägerei” etwa ist da sehr treffend. Insofern haben wir unsere Zeile in diesem Fall auch geändert.
 
Bei solchen Vorfällen ist es aber oft so, dass die Hintergründe zunächst unklar sind. Dann wird schnell erst einmal auch bei den Agenturen von “Schießerei” geschrieben.

Auch bei n-tv.de hat es offensichtlich eine Diskussion über den Begriff gegeben, denn obwohl wir dort gar nicht nachgefragt hatten, ist im dortigen Artikel inzwischen nicht mehr von einer “Schießerei” die Rede.

Von den oben gezeigten Beispielen verwendet nur noch FAZ.net den Begriff “Schießerei” in der Dachzeile. Von dort haben wir bisher auch noch keine Antwort auf unsere Anfrage erhalten.

Da der Begriff “Schießerei” natürlich nicht nur im aktuellen Fall verwendet wurde, haben wir auch beim RBB nachgefragt, der am vergangenen Mittwoch zum Beispiel eine Meldung über einen Mann, der in Blankenfelde-Mahlow angeschossen wurde, unter dieser Überschrift bei rbb24.de veröffentlicht hatte:

Screenshot rbb24.de - Schwerverletzter bei Schießerei vor Dönerimbiss

Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten.**

*Nachtrag, 14. November: Wie angekündigt, hat auch die “Tagesschau”-Redaktion noch geantwortet. Chef vom Dienst Andreas Werner schreibt heute auf unsere Anfrage:

Bei der “Tagesschau” verwenden wir den Begriff “Schiesserei” in der Regel nicht! Er trifft nur selten das Geschehen, ist ungenau oder gar falsch. Ob Amoklauf oder politisch motivierter Angriff (etwa in Schulen oder auch kürzlich in einer Synagoge in den USA) — wir bemühen uns, möglichst schnell, das, was passiert, auch begrifflich präzise zu benennen! “Schiesserei” verharmlost meistens Tathergänge. Allerdings neigen etwa amerikanische Medien dazu, in ersten Eil-Meldungen den Begriff “Schiesserei” zu benutzen — häufig, weil das Geschehen noch unklar ist. Und die Versuchung ist groß, das Unklare in unklare Begriffe zu Hüllen. Wir machen es uns zur Aufgabe, dem nicht zu erliegen. Und fast immer gelingt es uns — auch wenn die Faktenlage noch nebulös ist.

Korrektur, 14. November: Wir hatten AFP-Geschäftsführer Andreas Krieger aus Versehen zuerst Christian Krieger genannt. Wir bitten Herrn Krieger sowie unsere Leserinnen und Leser für diesen Fehler um Entschuldigung!

**Nachtrag, 19. November: Inzwischen hat auch der RBB auf unsere Anfrage reagiert. Wolfram Leytz, Leiter von rbb24, schreibt:

Es gibt keine grundsätzliche Entscheidung zur Verwendung von Begriffen wie Schießerei. Es gilt eher die grundsätzliche Regel: So korrekt wie möglich (zum Beispiel im Sinne der Definition des Duden oder auch des StGB bei Straftaten), aber auch so lebensnah verständlich für den Nutzer wie möglich.

Sprache der Flüchtlingspolitik, Kalte Liebe für Brexit, Lothars Siegtreffer

1. Monsterworte
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez schreibt über die Sprache der Flüchtlingspolitik: “Sie denken sich immer neue Monsterworte aus, diese Politiker, um ihre Verantwortung zu verschleiern, schreckliche, technokratische, sterile, bürokratische Maßnahmenworte, Umsetzungsworte, Tatenworte ohne Taten, denn es ist allein die Fiktion von Autorität, die in Worten wie “Masterplan” steckt oder “Ausschiffungsplattform” oder “Ankerzentren” — schlimmer noch, es sind Worte, die einen Rechtsbruch in abwaschbare Sprache verkleiden und so tun, als sei dieser tatsächliche Rechtsbruch die geeignete Maßnahme, um einen fiktiven Rechtsbruch zu bekämpfen.”
Weiterer Lesetipp: Bei “Flüchtlingsforschung gegen Mythen” diskutieren WissenschaftlerInnen Behauptungen aus der Flüchtlingsdebatte. Aktuell in der siebten Ausgabe.

2. Gegendarstellung
(martinsonneborn.de)
Gibt es im Europaparlament immer mehr Fraktionen und Fraktionslose, wie die “FAZ” einen CDU-Abgeordneten zitiert? Martin Sonneborn, fraktionsloses Mitglied im EU-Parlament (Die Partei), widerspricht dem in seiner “Gegendarstellung” und räumt mit aus seiner Sicht weiteren Lügen und Mythen auf.

3. Die kalte Liebe der Medien gegenüber dem Brexit
(nzz.ch, Felix Simon)
Europäische Medien zeichnen sich in Bezug auf den Brexit vor allem durch leidenschaftslose Distanz aus, schreibt Felix Simon. Laut einer neuen Studie würden Fernsehsender, Zeitungen und Online-Medien in acht europäischen Ländern neutral und faktenbasiert berichten — was sich von der Berichterstattung einiger grosser Zeitungen der Insel nicht unbedingt behaupten lasse.
Weiterer Lesetipp: Nach 26 Jahren im Amt tritt der englische Journalist Paul Dacre als Chefredakteur des konservativen Boulevardblatts “Daily Mail” zurück: Eine Pro-Brexit-Stimme wird leiser (nzz.ch, Rolf Hürzeler)

Und für Brexit-Interessierte die aktuelle Meldung: Brexit-Minister David Davis tritt zurück (spiegel.de)

4. Stichwortgeber für die rechte Blase
(taz.de, Lalon Sander)
“Bild” ist oft Stichwortgeber für die rechte Blase, übernimmt jedoch auch Meinungen von dort. Ein Beispiel dafür sei “Bild”-Boss Julian Reichelt höchstpersönlich, der mit seinen Tweets immer wieder Lautsprecher und Stichwortgeber für Deutschlands Rechte sei, so Lalon Sander in seiner “Right Trash”-Kolumne.

5. “Sie sollten Gott danken, dass es hier in Deutschland kein Fox News gibt”
(deutschlandfunkkultur.de, Mike Herbstreuth & Teresa Sickert, Audio, 15:59 Minuten)
Der US-Journalismusforscher Jay Rosen untersucht, wie sich das deutsche und das US-amerikanische Mediensystem voneinander unterscheiden. Zurzeit befindet er sich zu Studienzwecken in Deutschland. Bei “Deutschlandradio Kultur” spricht er über seine Eindrücke und Erkenntnisse: “Egal ob Sie religiös sind oder nicht, sollten Sie Gott danken, dass es hier in Deutschland kein Fox News gibt.”
Weiterer Lesetipp: Auf “Der rechte Rand” geht es aktuell um die Printversion des rechtskonservativen Onlineblogs “Tichys Einblick”. (der-rechte-rand.de, Robert Andreasch)

6. Siegtreffer
(twitter.com/LMatthaeus10, Lothar Matthäus)
“Bild” kritisiert den ehemaligen Fußballspieler Lothar Matthäus dafür, Putin die Hand geschüttelt zu haben, und der macht keine langen Worte, sondern antwortet mit einem Foto. In der Fußballsprache würde man wohl sagen: Siegtreffer!

Alphonso-Aus, Abschiebe-Romantik, akkurates Banker-Drama

1. #ausFAZwirdTAZ
(taz.de, Heide Oestreich)
“DDR 4.0”, “Gleichschaltung”, “linke totalitäre Diskursregeln” — seit gestern schlägt der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” viel Wut entgegen. Der Grund: Die Redaktion hat bekanntgegeben, dass sie einige hauseigene Blogs einstelle, darunter auch das von Rainer Meyer alias “Don Alphonso”. Heide Oestreich über das “FAZ”-Ende Meyers, der “die Marktlücke eines elitären Rechtspopulismus für sich” entdeckte: “Die treue Leserschaft (18.000 Follower auf Twitter) sieht da sofort die linke Erziehungsdiktatur am Werk: #AusFAZwirdTAZ hieß der flugs erfundene Hashtag, der sich alsbald mit Abo-Kündigungsdrohungen füllte”. Kurt Sagatz schreibt beim “Tagesspiegel”, dass weder inhaltliche Gründe noch schlechte Abrufzahlen zur Trennung von “Don Alphonso” geführt hätten.

2. Mass shootings covered LIVE
(abc.net.au, Paul Barry, englisch, Video, 5:15 Minuten)
Beim Amoklauf vor drei Wochen an einer Schule im US-Bundesstaat Florida konnte man sie wieder beobachten: Journalisten, die Schüler via Social Media fragen, ob sie mal eben anrufen könnten, noch während diese Schüler sich im Klassenzimmer vor dem Schützen versteckten. Das Medienmagazin “Media Watch” des australischen Senders ABC ist der Frage nachgegangen: “Are reporters putting victims in danger as they chase the story over social media?”

3. Vier Minister? Wie sich die „Süddeutsche“ von der CSU blenden ließ
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
“EIL : CSU schickt vier Minister nach Berlin”, twitterte die Redaktion der “Süddeutschen Zeitung” vorgestern. “Das schien ein ziemlicher Coup zu sein für die CSU — und ein ziemlicher Scoop für die ‘Süddeutsche Zeitung'”, schreibt Stefan Niggemeier. Bloß: Es stimmt gar nicht stimmt. Tatsächlich sind es drei CSU-Minister (Horst Seehofer für Inneres, Andreas Scheuer für das Ressort Verkehr und Gerd Müller als Entwicklungshilfeminister). Dazu kommt Dorothee Bär, die Staatssekretärin im Bundeskanzleramt wird. Weiterer Lesetipp zu Bär: der frühere Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, über “Dorothee Bärs eigenartiges Datenschutzverständnis”.

4. Abschiebung: Was wirklich passiert — Teil 1
(bmi.gv.at, Reinhard Leprich)
Ein Lese-Tipp, aber sicher keine Empfehlung: Das österreichische Innenministerium, FPÖ-geführt, will sich offenbar nicht mehr auf Journalisten verlassen und schreibt nun selbst Reportagen. Reinhard Leprich aus der Kommunikationsabteilung hat “eine Luftabschiebung in den Kosovo und nach Moldawien” begleitet. Und festgestellt: Das gefällt allen voll super, jeder ist happy, eine tolle Sache, so eine Abschiebung. Laut Innenminister Herbert Kickl handelt es sich um “eine spannende Reportage”. Wir finden eher: erstaunlich erschreckende Abschiebe-Romantik.

5. Not Heidis Girl: Wie Youtube eine Kampagne gegen Sexismus ausbremste
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz & Alexander Fanta)
Die Organisation “Pinkstinks” startet ihre Anti-Germany’s-next-Topmodel-Kampagne “Not Heidis Girl”, zu der auch ein Youtube-Video gehört. RTL zeigt einen Ausschnitt dieses Videos in einer Sendung. Youtubes Filtersystem “Content ID” gleicht ab, schreibt RTL das geistige Eigentum zu und sperrt das Originalvideo. “Pinkstinks” ist verständlicherweise stinkig und vermutet starke Reichweitenverluste. netzpolitik.org über einen “neuen Fall von algorithmischem Overblocking”.

6. Wir haben “Bad Banks” mit einem Banker geguckt
(vice.com, Lisa Ludwig)
Die Serie “Bad Banks” (aktuell in den Mediatheken von ZDF und “Arte” zu finden) ist ein großer Erfolg: viele Zuschauer, lobende Kritiker, beschlossene Fortsetzung. “Doch wie realistisch ist das Banker-Drama? Arbeiten im Frankfurter Bankenviertel wirklich lauter Soziopathen mit Kokainproblem?”, fragt Lisa Ludwig. Sie hat sich “Bad Banks” mit einem Experten aus dem Finanzsektor angeschaut. Und der urteilt: “‘Die Serie ist erstaunlich akkurat'”. (Unser Tipp wegen Spoilergefahr: erst die Serie gucken, dann den Text lesen.)

Bild, Bild.de  etc.

FIFA kuscht vor “Bild” – und widerspricht ihr

Wenn man irgendein Problem hat und nicht weiterweiß, kann man sich an “Bild” wenden, und dann heißt es: “BILD kämpft für Sie”. Das Boulevardblatt regelt die Sache für einen — zum Beispiel, dass der Kioskbesitzer das Überraschungsei erstattet, das er einem verkauft hatte, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum schon zwei Tage überschritten war. Sowas halt.

In den vergangen zwei Tagen hat “Bild” aber noch etwas viel Größeres erkämpft, für Sie, für uns, für die Welt: den Erhalt der Pressefreiheit. Doch, doch, lesen Sie selbst:

Das Ganze ging gestern los. Da schrieb die “Bild”-Redaktion groß auf ihrer Titelseite:

Grund für die “Zensur”-Rufe von “Bild” ist ein Dokument mit dem Titel “Media Visa Procedure and Guidelines on Foreign Media Work in Russia”. Diese “Guidelines” haben Journalisten zugeschickt bekommen, die sich für den “Confederations Cup” akkreditiert haben, ein Fußballturnier, das immer ein Jahr vor der Weltmeisterschaft im jeweiligen Gastgeberland stattfindet. Dieses Mal in Russland.

“Bild” zitierte gestern aus dem Dokument:

In der Akkreditierungs-Bestätigung steht:

“1. Medienvertreter mit einer Akkreditierung für den FIFA Konföderationen-Pokal dürfen ausschließlich über den FIFA Konföderationen-Pokal 2017 und damit verbundene Ereignisse berichten.

2. Medienvertreter mit einer Akkreditierung für den FIFA Konföderationen-Pokal dürfen nur auf dem Gebiet der Spielorte und nahe gelegener Sehenswürdigkeiten tätig sein.”

Die Schlussfolgerung der Redaktion:

Bedeutet: Die Reporter dürfen mit der Akkreditierung kaum über die Außenlinie des Platzes hinaus berichten. Über Missstände, über mögliche Proteste.

Die FIFA kuscht wohl vor Putin.

In einem Kommentar machte “Bild” dann auch noch klar: Nicht mit uns!

Putin zensiert die WM-Generalprobe im Sommer, an der auch unsere Weltmeister teilnehmen.

Journalisten dürfen beim sogenannten Confed-Cup nur über die Fußballspiele berichten. Außerdem ist die Tätigkeit auf die Spielorte und “nahegelegene Sehenswürdigkeiten” begrenzt. (…)

BILD jedenfalls wird keine Reporter zum Confed-Cup schicken, solange diese Zensur gilt.

Ziemlich viele Leute aus Sport und Politik schlossen sich “Bild” an, und auch viele Medien berichteten über die “Guidelines” der FIFA (obwohl die schon eine ganze Weile bekannt sind, mindestens seit Ende März).

Heute dann die oben bereits präsentierte, vermeintliche “Wende”: “Fifa und Putin lenken ein”, schreibt “Bild” und lässt keinen Zweifel daran, wer dafür gesorgt hat:

Und sie bewegen sich doch! Nachdem BILD die Knebel-Klausel für Journalisten beim Confederations Cup in Russland (17. Juni bis 2. Juli) enthüllt hat, lenken beide ein — die Fifa und Präsident Wladimir Putin (64). (…)

BILD kündigte an, den Confederations Cup zu boykottieren, falls die Zensur-Regelung bestehen bleibt.

Gestern die sensationelle Wende!

Schaut man sich die Reaktion der FIFA und des russischen Organisationskomitees auf den “Zensur”-Vorwurf von “Bild” genauer an, hat man das Gefühl, dass es sich eher um ein Widersprechen handelt — und nicht um ein Einlenken. Die “Bild”-Zeitung zitiert heute aus einer Erklärung der gemeinsamen Ausrichter:

“Journalisten, die eine FIFA-Akkreditierung für den FIFA Konföderationen-Pokal erhalten, können an den Spielorten und in den umliegenden Gebieten ohne jede Einschränkung frei arbeiten.”

Bild.de schrieb gestern am Nachmittag selbst noch, dass die FIFA die Zensur-Vorwürfe zurückweise:

Und “Bild” schreibt, dass die kritisierten Stellen in den “Guidelines” auch nicht gestrichen werden sollen:

BILD hakte bei der Fifa nach: Werden die Akkreditierungs-Unterlagen geändert und die Zensur-Regel auch schriftlich gestrichen?

Die mündliche Antwort eines Sprechers: Man habe die Unterlagen bereits vor knapp drei Wochen an die Medienvertreter verschickt. Eine Neuversendung mit Änderungen ist nicht geplant.

Das Dementi der FIFA zur “Bild”-Berichterstattung und das Nicht-Streichen der kritisierten Passagen nutzt “Bild” heute also, um sich als Retter der Pressefreiheit zu inszenieren.

Natürlich ist es überhaupt nicht abwegig zu vermuten, dass Wladimir Putin kritische Berichterstattung während der Fußballweltmeisterschaft im kommenden Jahr und während des “Confederations Cup” in diesem verhindern will. Und es ist auch klar, dass in einem Land wie Russland, das in der “Rangliste der Pressefreiheit” von “Reporter ohne Grenzen” auf Platz 148 von 180 liegt, nicht sicher ist, ob und wie man berichten kann. Man kann sich also über den Passus in den “Guidelines” der FIFA völlig zurecht aufregen und darüber schreiben — schließlich bringt er zusätzliche Unsicherheiten für die Journalisten, die bald nach Russland reisen wollen. Die Hysterie, mit der “Bild” dies tut, und der sich viele Medien gestern angeschlossen haben, ist dabei das Problem. Dass gleich “Zensur” geschrien wird und “Boykott”. Für “Bild” ist momentan alles vieles, was aus Russland kommt, die Ausgeburt des Bösen.

Dazu kommt, dass die “Guidelines”, auf die sich “Bild” bezieht, gewisse Schwächen bei der Übersetzung aufweisen. Es gibt sie in Englisch, Spanisch, Französisch und Deutsch. Schaut man sich das Dokument (PDF) an, sieht man, dass bei Punkt 2 …

2. Medienvertreter mit einer Akkreditierung für den FIFA Konföderationen-Pokal dürfen nur auf dem Gebiet der Spielorte und nahegelegener Sehenswürdigkeiten tätig sein.

… im Deutschen ein “nur” steht und im Spanischen ein “solo”. Im Englischen gibt es hingegen kein “only” und im Französischen kein “seulment”. Ohne das “nur” wird aus dem Satz, der etwas einschränkt, auf einmal eine Erlaubnis.

Und auch der Begriff “Spielort” ist in der Deutschen Übersetzung unglücklich gewählt. Damit kann sowohl die gesamte Stadt als “Spielort” gemeint sein, beispielsweise Sotschi, aber auch nur das Stadion in Sotschi. Die “Bild”-Redaktion hat sich bei ihrer Interpretation offenbar für Variante zwei entschieden:

Die Reporter dürfen mit der Akkreditierung kaum über die Außenlinie des Platzes hinaus berichten.

Allerdings steht in der englischen Variante “host cities”, in der spanischen “ciudades anfitrionas” und in der französischen “villes hôtes”, was alles eher für die gesamte Stadt spricht, in der gespielt wird.

Klar, auch wenn man “Spielort” durch “Gastgeberstadt” ersetzt, mögen die FIFA-“Guidelines” noch eine Einschränkung bei der Berichterstattung darstellen. Diese scheint aber nicht so eng gefasst zu sein, wie “Bild” behauptet.

Mit Dank an Roland B. und Andreas für die Hinweise!

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