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1. “Internet, intelligent!”
(dasmagazin.ch, Thomas Zaugg)
“Pessimisten aller Länder, seid lieb mit dem digitalen Zeitalter. Wenn man sich nicht dumm anstellt, macht es nicht dumm. Ein Appell.”

2. “Chinas Botschafter kritisiert Schweizer Medien”
(sonntagonline.ch, Katia Murmann und Patrik Müller)
Der chinesische Botschafter in der Schweiz, Dong Jinyi, empfiehlt folgende Sehenswürdigkeiten: “Die Grosse Mauer, weil sie das wohl wichtigste Kulturerbe Chinas ist. Dann die Sommerpaläste der chinesischen Kaiser. Und die Einkaufszentren – damit die Schweizer sehen, welch grosses Angebot es heute in China gibt.”

3. “Als Journalist in Peking”
(stern.de, Jens Fischer)
Stern.de-Reporter Jens Fischer wird nachts von sechs Polizisten geweckt und kontrolliert: “Meine Daten wurden notiert, ihre Blicke durchbohrten mich. Nach etwa 15 Minuten hatte der ganze Spuk ein Ende. Pass und Akkreditierung wurden mir wieder ausgehändigt, die Staatsmacht zog von dannen.”

4. Interview mit Christiane zu Salm
(faz.net, Georg Meck)
Christiane zu Salm vom Burda Verlag beruhigt den Fragesteller von der Frankfurter Allgemeinen: “Zeitschriften und Zeitungen sterben genauso wenig wie seinerzeit das Buch.” – “Danke. Genau das wollten wir hören.”

5. “Eine kleine Umfrage unter Bloggern”
(blogbar.de, Don Alphonso)
Don Alphonso macht sich Gedanken über die Leute, die einen, viele Blogger kennen das, dummdreist um Informationen angehen: “Das sind vermutlich irgendwelche viertelgebildeten Auswendiglerner, die unter Druck ihre 20 Seiten zusammenschmieren und dann faktisch von irgendeinem HiWi betreut werden, der auch keine Ahnung vom Thema hat. Hauptsache was mit Internet und einem Modethema.”

6. “Ich war ein hübscher Arztsohn mit guten Manieren”
(welt.de, Sven Michaelsen)
Wer dem Spiegel beweisen will, dass er doch noch fähig ist, einen über fünf Zeilen hinausgehenden Text zu lesen, sollte sich Interview mit Oswalt Kolle in voller Länge antun. Es lohnt sich.

Wochenrückblick Nr. 32

In der Schweiz essen sie Hunde, noch ältere Bloggerin gestorben und Alan Posener gibt Apocalypso auf im medienlese.com-Rückblick auf die 32. Kalenderwoche.

(Keystone/Gerald Herbert) 3 Bilder

Das Bild der Woche: Präsident Bush besucht die amerikanischen Vollyballerinnen. Es hat ja gar nichts mit Bush zu tun, aber ältliche Männer, die Gesten im Rücken trainierter und kaum bekleideter Athletinnen machen und ihnen auf den Hintern schauen: Immer etwas daneben.

Schweizer Promis gestalteten eine Ausgabe des SonntagsBlicks und setzten eine Story mit der Schlagzeile “Schweizer essen Katzen” auf den Titel, was einerseits total absurd ist (Kurt W. Zimmermann in der Weltwoche dazu: “Wir wollen uns nicht lange mit dem Detail aufhalten, dass die Story über den Trend zum Katzenessen ohne jeden Beleg aus den Fingern gesaugt war”), andererseits dankbar von B.Z. und Berliner Kurier aufgenommen wurde. Heute legte Blick nach und präsentierte einen Bauern aus dem Rheintal, der von sich sagt, lieber Hunde als Katzen zu essen. Sein eigener Hund ist aber nicht in Gefahr: “Luki würde ich sicher nicht verspeisen, er ist viel zu alt und zu zäh.”

Read On…

BILDblog vergisst “Bild”-Korrekturspalte

Oh, nein! Nun ist es passiert. Nun haben auch wir die kleine “Bild”-Korrekturspalte vergessen, die, als sie auf die Welt kam, auf das staunende Interesse der Weltöffentlichkeit stieß, aber schon ihren ersten Geburtstag im vergangenen Jahr allein feiern musste (wir berichteten). Dass sie bereits am 14. Juli 2008 zwei Jahre alt wurde, daran erinnerten auch wir uns erst, als uns diese Aufnahme von BILDblog-Leserreporter Jojo Beetlebum erreichte, die die Stimmung während der Feierlichkeiten eindrucksvoll dokumentiert:

Wir sind tief beschämt und gratulieren nachträglich — mit der Siegerin der Wahl der “Bild”-Berichtigung 2007/2008. Gewonnen hat …

… die Korrekturspalte vom 20. Juli 2007!

Berichtigung: Auf Seite 2 in der BILD-Ausgabe vom Donnerstag hieß es, der ehemalige Kanzleramtsminister Bodo Hombach sei als EU-Koordinator auf den "Balkon" weggelobt worden. Das ist falsch. Hombach wurde auf den BALKAN weggelobt.

Es war ein knappes Rennen, aber am Ende musste sich die Korrekturspalte vom 4. Dezember 2007, die vor allem auf der nach oben offenen Kryptik-Skala punktete, geschlagen geben:

Berichtigung: In der Meldung "Ab wie viel Kilometer lohnt sich ein Öko-Auto" vom 3.12.2007 steht irrtümlich, dass es sich um die Laufleistung pro Jahr handeln würde. Das ist falsch.

Chancenlos waren Kandidatinnen wie die Korrekturspalte vom 28. November 2007, trotz ihrer demonstrativen Bereitschaft, auch gravierende Fehler der “Bild”-Zeitung nicht unberichtigt zu lassen:

Die Heimatstadt Sundern von Ex-Arbeitsminister Franz Müntefering (SPD) im Sauerland hat nicht, wie gestern auf Seite 1 berichtet, 3000, sondern 30 000 Einwohner.

Der Vollständigkeit halber dokumentieren wir auch in diesem Jahr, in welchem Maß die “Bild”-Zeitung noch von der Möglichkeit Gebrauch macht, die Fehler, wie “Bild”-Sprecher Tobias Fröhlich es einmal formulierte, da zu korrigieren, wo sie passieren:

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1. Keine 68er ohne Medien?
(rundschau-online.de, Torsten Sülzer)
“Die Achtundsechziger – nichts als ein aufgeblasenes Medien-Ereignis? Der Philosoph Uwe C. Steiner sagt sogar, ohne Fernsehen hätte es die ganze Bewegung nicht gegeben.”

2. “Verwirrung um TV-Beitrag von Kabel1”
(satundkabel.magnus.de, Pit Klein)
Kabel 1 interviewt für die Sendung “Abenteuer Leben – täglich Wissen” den PR-Manager eines Hotels, weist ihn aber ganz anders aus: “Darin kam unter anderem ein vermeintlich reicher Stammgast der Herberge namens Sergey Logvinov zu Wort, der mit dem Titel ‘Geschäftsmann’ in einer Bauchbinde versehen wurde.”

3. “Newsnetz enttäuscht: Web 1.0 Auftritt”
(swiss-lupe.blogspot.com)
“was bitte soll daran innovativ sein, wenn sich drei zeitungen (Basler Zeitung, Berner Zeitung und Tagesanzeiger) zusammentun, die gleichen newsartikel, gleich aufbereitet, jeder in seinem eigenen online-auftritt veröffentlicht? eine reine demonstration der macht eines monopolisten.”

4. “Privatfernsehen in der Schweiz: Und es funktioniert doch!”
(tagesanzeiger.ch, David Vonplon)
“Mit dem Format «Bauer, ledig, sucht…» hat der Privatsender 3+ erstmals quotenmässig das Schweizer Fernsehen überrundet. Nun plant Senderchef Dominik Kaiser einen Programmausbau.”

5. “Al-Dschasiras schärfste Waffe”
(zeit.de, Julia Gerlach)
“Achmed Mansur ist der Starmoderator des arabischen Satellitensenders. Sein Credo: Reporter müssen parteiisch sein.”

6. “Mark Medlock bei Neben-Mann-Hergehen erwischt”
(bildblog.de, Clarissa)
Gleich mehrere Medien machen Heteros zu Schwulen. Weil sie nebeneinander irgendwo hinlaufen.

Mark Medlock bei Neben-Mann-Hergehen erwischt

Paparazzerei ist ein schmieriges Geschäft. Websites wie TMZ.com können ein Video davon spielen, wie unschön das penetrante Behelligen und Beschleimen irgendwelcher Promis in der Öffentlichkeit mitanzusehen ist.

Aber auch die Schmalspur-Paparazzi der “HauptBruch GbR – Film- & Fernsehproduktion” zeigen uns das in einer Videosequenz (Der Sänger Mark Medlock und ein weiterer junger Mann verlassen wortlos eine Veranstaltung, gehen wortlos zum Parkplatz und steigen dort wortlos in ein Auto) ganz eindrucksvoll. O-Ton:

Wie hat’s euch gefallen, darf ich fragen? Bleibt ihr noch lange auf Mallorca?

Magst du deinen Fans was sagen? Bitte, nur einmal… Du musst dein Schweigen doch mal brechen!

Bitte einmal noch umdrehen, dann lass ich euch in Ruhe! Ein Bild zusammen noch, ein schönes…

Aber natürlich betteln und hecheln Paparazzi nicht zum Spaß. Und wenn sich schon die Aufnahmen nicht lohnen, müssen sie sich wenigstens lohnen. Eine HauptBruch-Website etwa verkauft sie so:

Sprachloser Superstar
Mark Medlock Arm in Arm mit einem Mann!

(…) Aber irgendwie hatte der Sänger keine Lust gefilmt zu werden und legte lieber demonstrativ den Arm um seinen Begleiter! (…) Wir fragen, wie ihm der Abend gefallen hat – keine Antwort! Dafür gestikuliert der DSDS-Star: Mark zeigt ein Peace-Zeichen und züngelt lasziv in unsere Linse! Auch einen Gruß an seine Fans möchte er uns nicht in die Kamera sagen.
Immer wieder haken wir nach, (…).

Und es hat funktioniert. Gestern zeigte die kleine “Bild”-Schwester “B.Z.” Fotos aus dem HauptBruch-Video — und schrieb:

Händchen haltend laufen Mark Medlock (30) und sein neuer Freund […] durch die Straßen von Mallorca

Und weil die “B.Z.” auch gleich noch eine News dazu hatte, steht sie mitsamt dem HauptBruchschen Foto-Beweis seit gestern (samt Video) auch bei Bild.de:

Mark Medlock liebt jungen Unternehmer

(…) Der Sänger und sein Lover wurden Hand in Hand auf der Baleareninsel gesichtet.

Und mal mit mal ohne Bild.de als Quelle findet sich die “Hand in Hand”-Nachricht seither u.a. auch auf Gossip-Halden* wie 20min.ch und shortnews.de**.

Die Sache hat nur einen Haken. Nein, nicht den, dass der Medlock-“Lover” die Beziehung gestern auf Sat.1 irgendwie dementiert hat (“… als Kumpel … gute Freundschaft, mehr auch nicht … bin nicht schwul …”). Nein, der vermeintliche Foto-Beweis ist keiner:


Wer auf dem Video irgendein “Händchen halten” sieht, sollte Boulevardjournalist werden.

Mit Dank an Leon B. für den Hinweis.

*) Nachtrag, 8.8.2008: Laut Viva.tv wurden sie sogar “beim öffentlichen Turteln und Händchenhalten auf Malle entdeckt”. Ach, echt?!

**) Nachtrag. 11.8.2008: Bei shortnews.de wurde die Übernahme der Bild.de-Meldung inzwischen entfernt. (Mehr dazu hier.)

F. J. Wagner endlich wieder so alt wie Mick Jagger

Zu Ehren von “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner, der heute seinen 65. Geburtstag feiert, wiederholen wir unseren BILDblog-Eintrag von vorvergangener Woche:

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Franz Josef Wagner und die Nebel von Avon

Jedes Jahr um diese Zeit feiert Franz Josef Wagner zwei Geburtstage. Seinen eigenen und den von Mick Jagger. Eine ganz besondere Beziehung verbindet den “Bild”-Autor mit dem Sänger. Kein Wunder: Ihre Biographien weisen verblüffende Parallelen auf.

Beide sind im Sommer 1943 geboren. Beide sind Männer. Jaggers Mutter war Avon-Beraterin, Wagners Mutter Handarbeitslehrerin. Jagger macht Musik, Wagner hört sie.

Zum 60. Geburtstag Jaggers schrieb Wagner in der “Welt”:

Wenn man an 60 denkt, dann denkt man, dass die betreffende Person Schwierigkeiten beim Einparken hat und gelegentliche Unsicherheit im Personengedächtnis. Ich glaube, dass man mit 60 triumphierend jung sein kann — wenn man ein Rock ‘n’ Roller ist. Jeder Orthopäde sagt, dass das Geheimnis die Bewegung sei. Tanzen wir den Tod zum Teufel. Der 60-jährige Mick Jagger tanzt das Leben vor. In einer Woche werde ich 60.

Zum 63. Geburtstag Jaggers schrieb Wagner in “Bild”:

Rock ‘n’ Roll ist ein Lebensentwurf – es ist auch mein Lebensentwurf. Wir rocken uns den Tod weg, die Bandscheibe, die Prostata, die Röchel-Lunge. Ich liebe Mick Jagger nicht nur, weil er “Satisfaction” singt, sondern weil seine Mutter Avon-Beraterin war. Der Sohn einer Avon-Beraterin wird Mick Jagger — was für ein Traum, was für ein Märchen!

Und ein paar Tage später in der “taz”, nach einem Konzert der Stones:

Mick Jagger ist eine Woche älter als ich, er wird am 26. Juli 63, ich am 7. August. Aber es waren viele tausend noch Ältere im Berliner Olympiastadion als wir beide. Vielleicht war es das, was wir feierten: dass die Katastrophen wie Weltuntergang, Raucherkrebs, Prostata, Herz, Venen nicht eingetreten waren und auch in dieser Nacht nicht eintreten würden. (…)

“What can a poor boy do except to sing for a rock’n’roll band”, fragte Mick Jagger vor 40 Jahren in seinem Ur-Song “Street Fighting Man”. Vor 40 Jahren — wo war ich?

Vor 40 Jahren hing ich auch an den Fersen des Glücks. What can a poor boy do … Micks Mutter war Avon-Beraterin, meine Handarbeitslehrerin, sie unterrichtete Mädchen im Stricken und Tischdecken. Da war nicht viel Kohle zu holen. Also, what can a poor boy do?

Er kann Zahnarzt werden, Astronaut werden, er kann sein Leben verschlafen, er kann Mick Jagger werden, oder er kann im Drogenrausch wie der beste Rolling Stone, Brian Jones, im Swimmingpool ertrinken. Er kann ein Gesicht wie Keith Richards kriegen, er kann Bianca Jagger heiraten, Jerry Hall. Er kann sieben Kinder mit vier Frauen zeugen, er kann aber auch als PR-Gag auf eine Palme klettern und herunterfallen. Er kann Boulevard-Reporter werden, Gossen-Goethe. Er kann eigentlich alles werden, wenn er ein Street Fighting Man ist.

Und heute nun wird Mick Jagger 65. Und Franz Josef Wagner, der “Gossen-Goethe”, schreibt in “Bild”:

Sie sind eine Woche älter als ich, heute werden Sie 65, ich am 7. August. Was gibt’s für uns 65-Jährige zu feiern? Zuallererst, dass wir überlebten und Leber, Lunge, Arterien sich bisher nicht bemerkbar machen. Den Genen sei Dank!

Es war im Sommer 62, vor 46 Jahren, als ich Ihren Ursong “Street Fighting Man” zum ersten Mal hörte. Ich war damals ein Junge wie Sie. Ihre Mutter war Avon-Beraterin, meine Mutter war Handarbeitslehrerin. (…) Man konnte damals schnell abgleiten in die Hippie- und Kifferkultur.

Von einem Tag auf den anderen riss mich Ihr “Street Fighting Man” aus dem Kiffen heraus. “What can a poor boy do except to sing for a rock ‘n’ roll band”. (…)

Ihr Song hat mich gerettet. Ihr Song war eine Aufforderung, seine eigene Kraft zu entdecken.

Ja, so war es. Es war dieser Song. Alle, die dabei gewesen waren und heute Zahnärzte sind, Therapeuten, Rechtsanwälte, werden es bestätigen. Es war dieser Song. (…)

Rock ‘n’ Roll hat die Welt immer verbessert. Vor 46 Jahren wurde ich durch Mick Jagger Rock ‘n’ Roller – ich liebe die Freiheit.

Aber was immer Franz Josef Wagner vor 46 Jahren vom rechten Weg abbrachte und ihn veranlasste, einen Karrierepfad einzuschlagen, an dessen Ende er heute täglich einen Brief in der “Bild”-Zeitung schreibt — die Rolling Stones und “Street Fighting Man” waren es nicht. Ihr erstes Album brachten die Stones 1964 heraus. “Street Fighting Man” wurde, inspiriert von den Studentenunruhen in Paris, 1968 aufgenommen und veröffentlicht.

Wann hörte Franz Josef Wagner also mit dem Kiffen auf? Man weiß es nicht. Aber nach dem Konzert der Stones fuhr er mit dem Taxi nach Hause: “Richtung Paris Bar, um mich mit Alkohol noch ein bisschen mehr in Stimmung zu bringen.”

Mit Dank an Steffen B., Manfred L., Maren, Andreas und Map!

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Weiters gratulieren Wagner dpa, der “Kölner Stadtanzeiger”, “RP Online”, die “Berliner Morgenpost” und die Ursula.

“Bild” findet ein H in der Suppe

In einem erstaunlichen Akt hausinterner Kollegenschelte geißelt die “Bild”-Zeitung heute das Fehlen einer funktionierenden Schlusskorrektur im Schwesterblatt “Welt”.

„Erhards soziale Marktwirtschaft ist am Ende“, behauptet DGB-Chef Michael Sommer (56) in einem Beitrag für die „Welt“. Ob er nun recht hat oder nicht, seine Rechtschreibung scheint auch am Ende zu sein. Er schreibt den legendären Vater des deutschen Wirtschaftswunders gleich 6-mal falsch als „Ehrhard“.Nee, doch nicht.

Die Fehler-Expertin geißelt dann doch nur den Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, weil der in einem ihr politisch suspekten Gastbeitrag für die gestrige Ausgabe der “Welt” den Namen Ludwig Erhards genauso oft falsch wie richtig geschrieben hat. “Bild” macht ihn zum “Verlierer des Tages” (siehe Ausriss rechts) und “meint”: “Setzen, 6!”

Dass das bei der “Welt” niemandem auffiel, ist allerdings kein Wunder.

Die Erhard-Ehrhard-Schwäche
der “Welt”:

  • “… für Ludwig Ehrhard, jedenfalls …”
    (“Welt”, Leitartikel, 7.5.2007)
  • “… nur Ludwig Ehrhard und …”
    (“Welt”, 20.12.2006)
  • “… gab Ludwig Ehrhard die …”
    (“Welt am Sonntag”, 13.11.2005)
  • “… im Ludwig-Ehrhard-Haus …”
    (“Welt”, 14.10.2005)
  • “… aus. Ehrhard war …”
    (“Welt”, 20.3.2005)
  • “… auf Ludwig Ehrhard hätte …”
    (“Welt”, Leserbrief, 17.3.2005)
  • “… Ludwig Ehrhard, Ordnungspolitiker …”
    (“Welt”, Bildtext, 19.2.2005)
  • “… der Ludwig-Ehrhard-Stiftung …”
    (“Welt am Sonntag”, 22.7.2001)
  • “… Ludwig Ehrhard wusste …”
    (“Welt am Sonntag”, 17.6.2001)
  • “… Millerntor, Ludwig-Ehrhard-Straße …”
    (“Welt”, 5.6.2001)
  • “… Vorgänger Ludwig Ehrhard ein …”
    (“Welt”, 29.6.2000)
  • “… von Ludwig Ehrhard hat …”
    (“Welt”, 14.2.2000)
  • “… Gründergeneration Ludwig Ehrhards geht …”
    (“Welt”, 2.7.1999)
  • “… ohne Ludwig Ehrhard zu …”
    (“Welt”, 22.3.1999)
  • “… ins Ludwig-Ehrhard Haus …”
    (“Welt”, 4.2.1999)
  • “… dem Ludwig-Ehrhard-Haus …”
    (“Welt”, 22.9.1998)
  • “… mit Ludwig Ehrhard die …”
    (“Welt am Sonntag”, 12.7.1998)

Die ausgeprägte Erhard-Ehrhard-Schwäche der “Welt” führte dazu, dass selbst Bundeskanzerlin Angela Merkel in einer Rede vor dem Weltwirtschaftsforum in Davos 2006 “Erhard” laut “Welt” mit zwei H sprach.

Nachtrag, 8. August: In der Aachener Ausgabe der “Bild”-Zeitung findet sich zwei Seiten hinter der “Verlierer des Tages”-Meldung folgende Karte:

Mit Dank an Sebastian G. und seine Freundin!

6 vor 9

1. “Journalisten fallen auf Steinmeiers PR herein”
(ndr.de, Video, 5:27 Minuten)
Die mit dem deutschen Aussenminister Frank-Walter Steinmeier nach Afghanistan mitreisenden Journalisten berichten unkritisch über dessen symbolische Aktionen. So wurde eine Schule für Armeefahrer schon zum dritten Mal eröffnet, ein Trinkwasserprojekt eingeweiht, das seit Jahren in Betrieb ist und eine Altstadt-Sanierung verkündet, die aber nur einen kleinen Teil davon abdeckt.

2. Will tagesschau.de Google News zensieren?
(blog.jan-filter.de)
Der tagesschau.de-Artikel “Wie braune Propaganda zur Nachricht wird” sorgt bei mehreren Bloggern für Unmut. Das Filterblog fragt sich, “wie man sich mit den Positionen der politischen Ränder auseinandersetzen soll, wenn sie totgeschwiegen” werden. “Vielleicht sollen wir uns auf das verlassen, was uns die Tagesschau zu diesem Thema liefert?”. Die Öffentlich-Rechtlichen nennt er “8.000.000.000 Euro teure Pay-TV-Sender, deren Abo keiner von uns legal kündigen kann”.

3. “Transparenz: Glücksache” bei den Rundfunkgebühren
(fr-online.de, Daniel Bouhs)
Ein Journalist verklagt den WDR, um Transparenz bei der Ausgabenpolitik zu erhalten: “Er will wissen, mit welchen dieser Firmen der WDR Geschäfte macht, welche Honorare vereinbart wurden und ob die Aufträge ausgeschrieben wurden.”

4. “John Miller”, Redakteur eines staatlichen chinesischen Mediums
(zeit.de, Steffen Dobbert)
Ein unter dem Namen “John Miller” verdeckter chinesischer Redakteur gibt Auskunft und ernüchtert gleich mal die zum Teil missionarischen Texte vieler westlicher Medien. “ZEIT ONLINE: Kommt vom Protest der westlichen Medien gegen die Zensur etwas in China an? – Miller: Wo denken Sie hin? Das wird hier nicht wahrgenommen und auch nicht gelesen.”

5. “Internet killed the Kochzeitschrift?”
(antsinp.antville.org, herr paulsen)
“Sind Kochzeitschriften also tatsächlich die ersten ‘Print-Opfer’ des Internets?”

6. Norbert Neininger zu news1.ch
(shn.ch, Erwin Küenzi)
Norbert Neininger wird von der Zeitung, der er als Chefredaktor vorsteht, zu seinem neuen Projekt befragt. News1.ch sei mit mehreren 100.000 Franken finanziert: “Der Return on Investment wird durch Onlinewerbung erzielt. Nach einem Jahr sollte die Investitionsphase abgeschlossen sein.”

“Bild”-Reporter bei mieser Recherche erwischt

Ein BILDblog-Leser schilderte uns vorgestern folgendes Erlebnis:

Am heutigen Montag, dem 4. August, hatte ich einen handgeschriebenen Zettel im Briefkasten auf dem stand “Lieber            , bitte ruf mich an Jörg Bergmann” und eine Handynummer (siehe Ausriss). Mein Vater hatte den Zettel gefunden, und weil ich keinen Jörg Bergmann kenne, rief mein Vater die Handy-Nummer an. Er gab sich zunächst als ich aus, reichte das Telefon aber kurz darauf an mich weiter. Der Mann am anderen Ende erklärte kurz, er sei Journalist, und sagte, es ginge um einen gewissen Stefan B. und ob ich mit ihm befreundet sei. Auf meine Frage, für welche Zeitung er denn arbeitet, antwortete der Mann zunächst nur, er sei freier Journalist. Aber ich wollte es genauer wissen und bekam etwas zögerlich zur Antwort: “Konkret für die ‘B.Z.’ und ‘Bild’.”

Ich gab dem Mann deutlich zu verstehen, dass er nichts von mir erfahren wird, und dass er keine Zitate von mir veröffentlichen darf. Daraufhin sagte der Mann, dass das dann so am nächsten Tag in der Zeitung stehen würde. Mir kam das ein wenig wie eine Drohung vor. Ich sagte dem Mann, dass ich auf keinen Fall Bestandteil der Berichterstattung werden möchte und dass er nicht mehr anrufen soll. Damit war das Gespräch beendet und ich kontaktierte noch einige Leute, die Stefan B. auch kannten, und riet ihnen, nicht mit Journalisten über Stefan B. zu reden. Zum Wohle Stefans, seiner Eltern und ihrem eigenen.

Soweit die Schilderung unseres Lesers.

Gestern fand sich dann folgende Meldung in der “Bild”-Zeitung:

"Abiturient (20) rast gegen Baum – tot!"

Abiturient Stefan B. (20) ist im grünen Skoda seiner Eltern unterwegs. Er ist mit der Schule fertig, wartet auf einen Studienplatz. Medizin oder Psychologie will der Musterschüler (Abischnitt 1,6) vom            -Gymnasium in             studieren. Doch dann rast der junge Mann gegen einen Straßenbaum. (…)

Bergmann in “Bild”:

  • “Sex-Unfall: Foto-Model (20) tot nach Fessel-Spielen”
    (31.7.2008)
  • “Anna (11) in diesem Keller vergewaltigt – Straßenmusiker festgenommen”
    (23.7.2008)
  • “Ihr Herz schlägt jetzt in der Brust eines 7-Jährigen: Michelle (15) totgerast”
    (16.2.2008)
  • “Mädchen (6) auf Schulweg vergewaltigt – Polizei jagt Mann mit weißen Schuhen”
    (31.1.2008)
  • “Liebes-Terror! Anna (13) schickte Prügel-Bande zu ihrem Ex”
    (29.1.2008)

Es ist keine besonders große Geschichte. Vielleicht gab es nichts übermäßig Aufregendes oder gar Skandalöses über Stefan B. zu berichten. Vielleicht hatte Bergmann bei anderen Mitschülern von Stefan B. genauso wenig Glück wie bei unserem Leser. Vielleicht gab es aber auch Wichtigeres.

Anscheinend hat Bergmann aber immerhin ein Foto des tödlich Verunglückten auftreiben können, wie sich aus einem Foto-Nachweis ergibt. Es ist ein wenig unscharf, und Bergmann könnte es aus einem Internet-Angebot wie StudiVZ oder SchülerVZ haben. Das sind bekanntlich beliebte und ergiebige Quellen für “Bild”-Mitarbeiter auf der Suche nach privaten Fotos von Unfall-Opfern. Und bei StudiVZ beispielsweise gibt es tatsächlich diverse Abi-Fotos des Abschlussjahrgangs von Stefan B.

Allerdings ist der junge Mann auf dem “Bild”-Foto, das einen kleinen Ausschnitt eines Gruppenfotos vom Abi-Ball zeigt, nicht der tödlich verunglückte Abiturient Stefan B. Es ist nur ein junger Mann aus demselben Jahrgang. Stefan B. war nach unseren Informationen überhaupt nicht anwesend, als das Foto entstand.

P.S.: Interessanterweise steht nirgends in der “Bild”-Meldung explizit, dass das Foto Stefan B. zeigt. Wir hoffen, das liegt nicht daran, dass man bei der “Bild”-Zeitung wusste, dass das Foto nicht Stefan B. zeigt.

Nachtrag, 18.44 Uhr: Jörg Bergmann teilt uns auf Anfrage mit, er habe das Foto nicht aus dem Internet, sondern aus dem Umfeld von Stefan B. bekommen. Den Umständen nach habe er keine Zweifel gehabt, dass Stefan B. darauf zu sehen sei. Sonst fände er das sehr schlimm.

Nachtrag, 7.8.2008: “Bild” veröffentlicht heute diese Gegendarstellung:

"Gegendarstellung"

Tote Links zu toter Frau

Nachdem die Potsdamer Staatsanwaltschaft am Dienstag vergangener Woche bekannt gegeben hatte, dass eine junge Frau tot aufgefunden wurde und gegen einen Mann wegen fahrlässiger Tötung ermittelt werde, berichtete auch “Bild” – und zwar…

… am Mittwoch vergangener Woche, am Donnerstag vergangener Woche, am Freitag vergangener Woche, am Samstag vergangener Woche sowie am Montag dieser Woche und am Dienstag dieser Woche.

Alle diese Berichte, verfasst u.a. von “Bild”-Reporter Jörg Bergmann, waren illustriert mit allerlei Fotos, die “Bild” offenbar aus Internetseiten zusammengesucht hatte: “Bild” jedenfalls nannte als Quelle einfach nur “Web”. Und ab Tag 2 der Berichterstattung zeigten alle diese Fotos das Opfer (das mit der Preisgabe privater Daten im Internet – StudiVZ, MySpace etc. – leider nicht zimperlich gewesen ist) ohne jede Unkenntlichmachung. Wollten wir indes die vielen “Bild”-Berichte ohne irgendeine Urheber- und Persönlichkeitsrechtsverletzung zeigen, bliebe davon wohl nicht mehr viel übrig (siehe Beispielausriss).

Heute nun berichtet “Bild” wieder über den Fall, wieder fast seitenfüllend. Aber anders als bisher wird der heutige Bericht nicht mit Fotos des Opfers illustriert. Anders als bisher wird die junge Frau heute auch nicht mehr bei ihrem richtigen Vornamen und abgekürzten Nachnamen genannt, sondern plötzlich:

"Katja Z. (21, Name und Alter geändert)"

Und bei Bild.de sind die bisherigen Veröffentlichungen zum Thema (außer ein paar, in deren URL die, ähm, unbeachtete Aufforderung “ACHTUNG… PIXELN” steht) vollständig aus dem Angebot entfernt.

Erfahrungsgemäß machen “Bild” und Bild.de sowas nicht freiwillig.

Und dass “Bild” nach einer Woche täglicher Berichterstattung auf einmal von selber zur Besinnung gekommen wäre, ist unwahrscheinlich: Über den Mann, gegen den im Zusammenhang mit dem Todesfall ermittelt wird, berichtet “Bild” auch heute wieder ausführlich, vorverurteilend und identifizierbar — und (seit gegen ihn auch wegen Mordes ermittelt wird) auch ohne schwarze Balken oder sonstige Unkenntlichmachung.

Mit Dank auch an die zahlreichen Hinweisgeber.

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