Graeter, Wallraff, Boudgoust

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ihr seid die Langweiler!”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld kritisiert die Fernsehmacher als “Langweiler, die sich selbst inszenieren, die aufgehört haben, Fragen zu stellen, die nichts wissen wollen.”

2. “ZDF sperrt Graeter”
(fr-online.de, Ulrike Simon)
Das ZDF stellt die Sendung “Johannes B. Kerner” mit dem Gast Michael Graeter nicht in die Mediathek: “Interventionen aus dem Umfeld des CSU-Politikers Edmund Stoiber, der als früherer CSU-Chef auch für die politische Glaubwürdigkeit der Partei zuständig war, sollen dazu geführt haben, heißt es aus gut unterrichteten Kreisen.”

3. “Schluss mit dem Gebell”
(dasmagazin.ch, Rico Czerwinski)
Rico Czerwinski ist es zu laut bei den politischen Talk-Sendungen am Fernsehen: “Kann man denn heute überhaupt noch unterhaltsam über Politik oder mit Politikern sprechen, ohne seine Zuhörer zu beleidigen? Gewiss.”

4. “Als Somalier in Deutschland”
(n-tv.de)
“Der Publizist und Journalist Günter Wallraff ist in die Rolle eines Flüchtlings aus Somalia geschlüpft und will seine Erfahrungen im Herbst veröffentlichen.”

5. Porträt von Peter Boudgoust
(merkur.de, Volker S. Stahr)
“Verwaltungsmann” Peter Boudgoust, Intendant beim SWR, möchte “gutes Fernsehen” machen. “Konkret heißt gutes Fernsehen für ihn: populäre Programme am Freitag- und Samstagabend, Sport und ‘Tatort’. Es heißt aber auch Information und Dokumentation.”

6. “HOW TO: Launch Your Own Indie Journalism Site”
(mashable.com, Maria Schneider, englisch)
“Here, five former mainstream media reporters share their tips and best advice for creating a startup journalism site.”

Nein, so eine Ähnlichkeit!

Der brasilianische Fußballstar Ronaldo sollte, wenn man einer jungen Damen namens Michele Umrazu glauben darf, erst gar keine Hoffnungen darauf setzen, dass ihn ein Vaterschaftstest entlasten könnte: Haare, Augen, Nase, alles an ihrem vierjährigen Sohn sei so wie bei dem Mann, den sie lange ein Phänomen nannten. Bei soviel Ähnlichkeit ist sie sich jetzt sicher: Der Vater kann nur Ronaldo sein.

Ronaldo? Fußballer? Da gibt´s in der Tat eine klitzekleine Verwechlungsgefahr: zwischen dem Brasilianer Ronaldo und dem Portugiesen Cristiano Ronaldo. FAZ.net hat sich angesichts dessen nicht so recht entscheiden können und einen Doppel-Ronaldo daraus gemacht: In der Überschrift ist von “Cristiano” die Rede, im ersten Satz vom “brasilianischen Fußballstar”. Bei der Bebilderung musste man sich dann doch entscheiden, Brasilianer, Portugiese — und wählte (siehe Bild 9): den Portugiesen…

(Nicht grämen, liebe FAZ: Geht andersrum genauso, wie das ZDF unlängst eindrucksvoll bewiesen hat).

Priester, SPD, Idle

6 vor 9

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1. “Kaufgerüchte bei Nachrichtenagenturen”
(taz.de, Daniel Bouhs)
“Neue Gefahr für Nachrichtenagentur dpa: Schon bald könnte sich der deutsche Dienst der AP zum Hauptkonkurrenten ddp gesellen.”

2. “Böses, böses Google!”
(blog.persoenlich.com, Rolando Baron)
Rolando Baron zieht einen Vergleich zwischen alten Medien und Priestern. Beide würden die Wahrheit konstruieren, Himmel und Hölle erklären “und ihre Weltsicht zur alleingültigen Weltsicht von ganzen Gesellschaften” machen. “Doch dann kam die Aufklärung, die Menschen entdeckten ihre eigene Vernunft, jagten die Priester von den Kanzeln und schlossen die Pforten der Gotteshäuser. Dabei spielte ein Martin Luther eine bedeutende Rolle – und ein gewisser Johannes Gutenberg.”

3. “Für die Verlage: SPD will Siegeszug des Web stoppen”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Die SPD-Medienkommission bringt Vorschläge zur Krise auf dem Zeitungsmarkt. Sie konstatiert, dass vor allem Jüngere “immer häufiger auf die Nutzung der Tageszeitung” verzichten und sich lieber im Internet rumtreiben. Was zur Frage führt: “Wie lässt sich dieser Trend stoppen, wenn er sich schon nicht umkehren lässt?”

4. “Only Five Percent Of Readers Would Pay For Online News”
(paidcontent.co.uk)
Eine Umfrage ergibt: 5 Prozent der Leser wären bereit, zu bezahlen, damit sie die Inhalte ihrer Lieblings-News-Website weiterhin lesen können.

5. “Kerners künstliche Aufregung über Twitter”
(blog.hogenkamp.com, Peter Hogenkamp)
Johannes B. Kerner diskutiert “mit einigen teilweise verrenteten Journalisten vom ZDF” über den Microblogging-Dienst Twitter. “Die kurze ‘Diskussion’ ist ein Armutszeugnis für den Berufsstand.” Nur einer, Wolf von Lojewski, sagt: “Was wären wir ohne Internet? Tolle Sache.”

6. “Eric Idle Responds to Your Fatuous Comments”
(youtube.com, Video, 3:02 Minuten)
Eric Idle von Monty Python antwortet auf Kommentare bei YouTube.

Nach Berechnungen, die niemand berechnet hat

Wenn es um das Thema staatliche Versorgungsleistungen geht, begibt man sich als Journalist schnell auf dünnes Eis. Ein schönes Beispiel dafür stammt aus der “Augsburger Allgemeinen”, die über den Fall des Deutsch-Libanesen Khaled al-Masri (der zuletzt Schlagzeilen machte, weil er den Oberbürgermeister von Neu-Ulm angriff und deswegen derzeit in Haft sitzt) folgendes berichtet:

Der  Überschrift schiebt das Blatt dann noch eine Einleitung hinterher, die Raum für Interpretationen lässt:

Wenn der Vater schon im Gefängnis sitzt, dann soll wenigstens die Familie nicht allzu sehr darunter leiden.

Um kurz darauf nochmal ausdrücklich klarzustellen:

Am Hungertuch werden die Frau und ihre Kinder nicht nagen müssen. Ihre wirtschaftliche Situation ist geregelt.

Und dann geht’s los:

Die Frau bekommt nach den Berechnungen des Jugendamtschefs monatlich rund 3000 Euro für sich und ihre Kinder. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus etwa 250 Euro Hartz IV für jedes Kind plus annähernd 170 Euro Kindergeld je Kind sowie 359 Euro Hartz IV für die Eltern.

Das Problem ist nur: Die Rechnung stimmt nicht.

Und was noch viel schlimmer ist: Hätte die Zeitung mal zum ungewöhnlichen Instrument der Recherche gegriffen, sie hätte es selber merken können. Das Gesetz ist nämlich völlig klar: Hartz IV, also das “Arbeitslosengeld II”, ist eine einkommensabhängige Leistung. Das bedeutet, dass nicht jeder einfach einen Einheitssatz zugewiesen bekommt, sondern sich die Leistungen nach den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen richten. Hat jemand Vermögen, muss er es zunächst einbringen. Hat jemand Einkommen, wird es angerechnet. Zudem muss das Einkommen nicht zwingend eines aus eigener Arbeit sein; auch Kindergeld z.B. gilt als Einkommen. Weswegen wohl auch bei al-Masris Familie die ausgezahlten Sozialleistungen entsprechend geringer ausfallen. (Ob und wie viel hängt, wie gesagt, vom Einzelfall ab.) Außerdem ist per Gesetz ausgeschlossen, das beispielsweise sowohl al-Masri als auch seine Frau 359 Euro Regelsatz erhalten. Sie erhalten lediglich je 323 Euro.*. Und schließlich schreibt die “Augsburger” kurioserweise sogar selbst: Während seines Aufenthalts im Gefängnis werden Khaled al-Masri seine Hartz-IV-Bezüge “natürlich gestrichen”.

Kurzum: Womöglich bekommt die Familie pro Monat nicht “rund 3000 Euro”, sondern im ungünstigsten Fall nur etwa 1800 Euro.

Hinzu kommt, dass das Jugendamt Neu-Ulm, auf das sich die “Augsburger” beruft, die “3000 Euro” offenbar überhaupt nicht in den Raum gestellt hat: Uns gegenüber erklärte die Behörde, man habe die Zeitung auf Anfrage lediglich darüber informiert, was den Bedürftigen grundsätzlich zustehe. Das (nicht legitime) Zusammenzählen der Hilfsleistungen wurde offenbar in der Redaktion vorgenommen.

Nun könnte man dies mehr oder minder achselzuckend hinnehmen — als ein Resultat schlechter Recherche, als ein Ergebnis von Fahrlässigkeit, schlimmstenfalls sogar als Vorsatz. Sicher ist jedenfalls, dass es Leute gibt, die auf solche Berichte geradezu warten, weil sie sich prima als islamfeindliche Propaganda missbrauchen lassen.

Mit Dank an Christoph!

*) Nachtrag/Korrektur, 24.9.2009: Leider hatten sich auch bei uns zwei kleine Hartz-IV-Ungenauigkeiten eingeschlichen. Wir bitten um Entschuldigung.

Ansbach, Musikantenstadl, Neininger

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1. “Zuspruch für ein weinendes Mädchen”
(sueddeutsche.de, U. Ritzer)
Die Medienjagd nach dem Amoklauf von Ansbach: “In bei Jugendlichen beliebten Chatrooms und Foren wanzten sich Boulevardreporter mit falschen Namen und als angeblich gleichaltrige Schülerreporter an Carolinum-Gymnasiasten an, erzählen Helene Hellmuth und Rahel Herzog. Aus geschützten Forenbereichen seien Bilder von Sandra und Georg R. herauskopiert und veröffentlicht worden.”

2. “Musikantenstadl – ARD bricht ab”
(youtube.com, Video, 1:59 Minuten)
Die ARD-Sendung “Musikantenstadl” kündigt zum Schluß der Sendung eine “Sensation” an: Neun (9!) durch den Saal ziehende Blaskapellen. Die Übertragung wird aber (offenbar aus Zeitgründen) bereits nach zwei Blaskapellen abgebrochen. Einige Zuschauer guckten sich den Rest der Eurovisionssendung auf ORF2 an.

3. “Unser täglich Bernd gib uns heute”
(print-würgt.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris macht sich Gedanken zum Marktplatz Internet: “Journalisten sind dafür da, die Informationen der Welt unters Volk zu bringen. Genau: zu bringen. Dahin, wo das Volk ist. Man muss das nicht dumm tun, man darf es auch intellektuell tun, so wie man auf einem Markt eben jedes Angebot machen darf. Aber hier. Nicht vom Turm aus.”

4. “Unterwegs als digitaler Nomade – ein Selbstversuch”
(blog.persoenlich.com, Norbert Neininger)
Noch vor einem Jahr behauptete Norbert Neininger, Präsidiumsmitglied des Verbandes Schweizer Presse: “Was Google macht, ist illegal.” Doch dann wollte er es genauer wissen: “In unserer Branche aber reden die Leute über Twitter, Facebook und die Blogs, ohne zu wissen, was ein Retweet, eine Facebook-Gruppe oder ein Blog-Feed ist. Und so habe ich mich – zum Entsetzen meiner Tochter und vom milden Lächeln ernsthafter Kollegen begleitet – ins volle Social- Media-Leben im Netz gestürzt und bin so manchem begegnet, den ich dort eigentlich nicht erwartet hätte.”

5. “Eine neue Form und neuer Inhalt”
(nzz.ch, Dossier)
Die “Neue Zürcher Zeitung” erscheint heute in erneuerter Form: “Bis auf einige wenige gestalterische und inhaltliche Anpassungen ist es die erste umfassende Überarbeitung der Zeitung seit der Umstellung von der Fraktur- auf die Antiqua-Schrift 1946.”

6. “Verdacht auf Internet”
(stefan-niggemeier.de, Herm)
Markus Herrmann zeichnet ausführlich den Verlauf einer Folge der RTL-Doku-Soap “Verdachtsfälle” nach.

Besonnenheit vereitelt

Nachahmungseffekte:

“[Die Nachahmungseffekte bei Amokläufern sind] sehr hoch. Auch wegen der Medien, die (…) ein mystisches Bild von ihm zeichnen. Das wirkt wie ein Vorbild. Bei Selbstmorden sind die Medien sehr zurückhaltend, um nicht Nachahmer zu provozieren. Bei Amokläufen gilt leider das Gegenteil. Ab jetzt besteht die große Gefahr, dass wir es in den nächsten Wochen oder Monaten mit einem Nachahmungstäter zu tun bekommen.”
(Quelle: Die Kriminologin Britta Bannenberg in der “Süddeutsche Zeitung” vom 12. März 2009)

Was genau der auslösende Faktor für Amokläufer und Trittbrettfahrer ist, ist nicht klar – bei Experten steht die umfassende Medienberichterstattung mit an vorderer Stelle (siehe Kasten). Doch gleichzeitig kann ein Amoklauf das Publikum fesseln wie kaum eine andere Katastrophe.

Als am frühen Nachmittag die Nachricht über einen Polizeieinsatz an einer Schule in Zwickau bekannt wurde, reagierte die dpa ohne zu Zögern. In einer Eilmeldung verbreitete sie um 13.22 Uhr die alarmierende Nachricht:

Amoklauf an Zwickauer Berufsschule vereitelt

Die Polizei hat an einer Berufsschule im sächsischen Zwickau am Dienstag einen Amoklauf vereitelt. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen, es gab keine Verletzten. Weitere Einzelheiten wollte die Polizei zunächst nicht mitteilen. Gegen Mittag war bei der Polizei ein Notruf eingegangen. Alle verfügbaren Einsatzkräfte hätten unverzüglich die Schule umstellt, hieß es.

Die anderen Nachrichtenagenturen zeigten sich angesichts der vagen Faktenlage etwas vorsichtiger. So meldete die AFP um 13.40 Uhr: “Großeinsatz der Polizei an Berufsschule in Zwickau – eine Festnahme”; AP titelte: “Polizei vereitelt möglicherweise Amoklauf in Zwickau”.

Welche Version bei den Redaktionen am Besten ankam, ist kaum verwunderlich:

Nachdem sich herausstellte, dass der Verdächtige weder Waffen, noch konkrete Amok-Pläne hatte, knickte auch die dpa ein, sprach um 14.55 Uhr nur noch von einem “Amokalarm” — und meldete:

Von einem Amoklauf könne keine Rede sein, sagte der Sprecher des sächsischen Innenministeriums, Frank Wend.

Aber schon um 16.45 Uhr ist das alles wieder passé. Da meldet die dpa selbstvergessen:

Fünf Tage nach dem Amoklauf von Ansbach hat die Polizei im sächsischen Zwickau einen möglichen Nachahmer gestoppt.

Mit Dank auch an Niklas und Stefan A.

Holovaty, Bomben, Liberia

6 vor 9

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1. Interview mit Adrian Holovaty
(faz.net, Marco Dettweiler)
Journalist Adrian Holovaty ist dafür, dass Journalisten programmieren können: “Im Journalismus sollte Programmieren eine Teildisziplin sein wie Fotografieren, Schreiben, Redigieren, Layouten oder Video produzieren. Webentwickler und -programmierer können neue Präsentationsformen von Informationen wie etwa interaktive Datenbanken schaffen.”

2. “Medienexperten kritisieren Form des TV-Duells”
(epd.de)
Der evangelische Pressedienst fasst nochmals die Reaktionen zum TV-Duell zwischen den Kanzlerkandidaten zusammen und konstatiert, dass die 14.21 Millionen dem Duell beiwohnenden Menschen “knapp sieben Millionen weniger als beim TV-Duell vor vier Jahren” waren.

3. “Die Presse pfuscht!”
(derbund.ch, Constantin Seibt)
Constantin Seibt zitiert ein “jüngeres Verlagskader” am Jahreskongress des Verbandes Schweizer Presse, an dem Bunderat Ueli Maurer den Medien “Unfug, Einheitsbrei und Prostitution” vorwarf (Rede auf admin.ch): “Die einzige Chance der Schweizer Presse auf Erneuerung wäre hier im Saal eine Bombe. Wenn wir alle zusammen weg wären, dann ginge wirklich eine Welle von Innovation durch die Schweizer Medienhäuser.”

4. Boulevard-Zeitungen zum Oktoberfest-Auftakt
(jbenno.posterous.com)
Der Start der Wiesn in München wird von den Boulevardzeitungen “tz” und “Abendzeitung” sehr unterschiedlich beurteilt.

5. “Profitipps zu allen Sujets”
(zeitlupenbaer.de)
Verschiedene Tipps, wie Journalisten besser fotografieren.

6. “Daily Talk” in Liberia
(monocle.com, Video, 4:25 Minuten, englisch)
Von der Zeitung “Daily Talk” aus Liberia erscheint jeden Tag nur ein Exemplar – trotzdem erreicht dieses Tausende. Wie das? Die Texte werden auf eine grosse Schiefertafel geschrieben.

Darmstädter Echo, Diekmann, Maurer

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1. “Der Journalismus des Darmstädter Echo”
(regioblog.de, Peter Löwenstein)
Ein Pressebeauftragter für die Piratenpartei schickt dem “Darmstädter Echo” eine Einladung zu einer Gründungsveranstaltung und erhält als Antwort einen Anruf, in dem er gebeten wird, “selbst produziertes Material” zu liefern, also “ein paar Textbausteine, die Abstimmungsergebnisse und auch ein paar Bilder”, da das Blatt offenbar keinen Reporter schicken will. Löwenstein sagt ab und bloggt lieber darüber.

2. “Spießer in den Cyberspace”
(tagesspiegel.de, Markus Hesselmann)
Der Online-Chef des “Tagesspiegels” plädiert dafür, das Netz nicht den “Experten und Alpha-Bloggern” zu überlassen. “Die Debatte über das Internet muss raus aus dem digitalen Ghetto. Rein in die Mitte der bürgerlichen Gesellschaft.”

3. “Schleichwerbefall beim SWR”
(kress.de)
Die Sportsendung “Flutlicht” berichtet am 30. August laut “Spiegel” von einem unter anderen von Haribo gesponserten Golf-Benefizturnier: “Der knapp zehnminütige Beitrag soll dabei wie ein Werbefilm dahergekommen sein: Das Goldbären-Maskottchen spielte Golf, es wurden Fußballspiele mit Gummibärchen nachgespielt, das Logo sei häufig im Hintergrund zu sehen gewesen.”

4. Kai Diekmann bei der “taz”
(30jahre.taz.de, Sebastian Heiser)
“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann besucht als eines von 8826 Mitgliedern die Mitgliederversammlung der taz-Genossenschaft. Im roten Kapuzenpulli plädiert er für eine Bezahlung von Inhalten: “Ich halte es für richtig, für guten Journalismus auch gutes Geld zu verlangen.”

5. “Des Kaisers Kleider und der Kurtisanen Kostüme”
(news.admin.ch, Ueli Maurer)
Der Schweizer Verteidigungsminister Ueli Maurer hält am Jahreskongress des Verbandes Schweizer Presse eine gepfefferte Rede: “Viele Medien nehmen den Informationsauftrag nicht ernst. So legen sie den Boden schlecht: Pfusch ist da an der Tagesordnung. Schnellschüsse und Kurzschlüsse, Sofort-Umfragen, Sofort-Erklärungen, Sofort-Geschichten füllen die online-Zeitungen, die Tageszeitungen, die Radio- und Fernsehprogramme. Aus dem Internet gegoogelt und schrill umformuliert, werden aus Nichts Schlagzeilen und aus Wenig Texte.”

6. “Schweinegrippenjournalismus”
(youtube.com, Video, 4:34 Minuten)
Ein Ausschnitt aus der letzten Sendung von “Harald Schmidt” zeigt, wie sich Jan Böhmermann als Rüdiger Alt in die Nachrichten der Pro7/Sat.1-Gruppe und in einen Leitartikel der “WAZ” schmuggelte.

Bild  

Viel Giftgas um nichts

“Bild” war da gestern “exklusiv” einer ganz heißen Sache, einer “Horror-Szene”, auf der Spur:

1.-Mai-Krawalle: Giftgas-Anschlag auf Berliner Polizei

Was war (vor dreiviereinhalb Monaten) geschehen?

Wie BILD jetzt exklusiv erfuhr, wurden Berliner Polizisten sogar mit einer Granate attackiert, die das britische Militär im Anti-Terror-Kampf einsetzt. 47 Beamte wurden durch die giftigen Gase verletzt.

Die Geschichte klingt dramatisch, und sie klänge sicher noch dramatischer, wenn “Bild” nicht ein Foto der “Giftgas-Granate” abgebildet hätte:

So sieht die Giftgas-Granate aus, die beim Berliner Anschlag verwendet wurde

“Spiegel Online” vom 12. Juni 2009:

“Nach vorläufigen Ermittlungen des Staatsschutzes habe es sich bei der Granate um einen vermutlich mit Reizgas befüllten “Nebelwurfkörper” gehandelt, sagte [ein] Sprecher der Berliner Polizei (…). Die Polizisten hätten Reizungen der Augen und Gesichtsschleimhäute erlitten sowie über Übelkeit und Schwindelgefühle geklagt (…). Sie hätten jedoch den Einsatz nicht abgebrochen. Auch habe keiner von ihnen die angebotene ärztliche Nachsorge in Anspruch genommen.”

Im “Spiegel-Online”-Artikel heißt es zudem, “dass eine derartige Chemiekeule zum ersten Mal gegen Polizisten eingesetzt wurde” (siehe auch “Berliner Morgenpost” vom 29. Mai 2009), was den Stolz der “Bild”-Zeitung, wonach es “nach BILD-Informationen (…) bundesweit das erste Mal [ist], dass eine Waffe mit derartiger Wirkung gegen Polizisten eingesetzt wurde” etwas schmälern dürfte.

So aber kann jeder, der sich dafür interessiert, nach “M7A2” googeln und beispielsweise auf diese Seite stoßen, auf der erklärt wird, dass Granaten dieses Typs “CS gas for riot control” verströmen. Sie werden also bei Straßenkämpfen von der Polizei eingesetzt und enthalten Tränengas. Klar: Das ist nichts, was man unbedingt aus nächster Nähe ins Gesicht kriegen möchte. Aber auch nichts, was man ernsthaft als “Giftgas” bezeichnen würde — schon gar nicht, wenn man vor drei Monaten aufmerksam “Spiegel Online” gelesen hätte (siehe Kasten).

Theoretisch wissen auch die “Bild”-Autoren, dass die “britische Militär-Granate!” so schädlich nicht sein kann, wenn sie gegen Menschen eingesetzt wird:

Wegen der starken Wirkung wurde sie für das Militär zur Bekämpfung von Aufständen und sogar für Anti-Terror-Einsätze entwickelt.

Nach dem “Bild”-Artikel sah sich der Berliner Polizeipräsident am gestrigen Nachmittag veranlasst, die Situation in einer Pressemitteilung klar zu stellen:

(…) Es handelt sich hier um einen Sachverhalt, der von der Berliner Polizei bereits unmittelbar nach dem 1. Mai umfassend und abschließend untersucht und ausgewertet wurde. Noch bevor das Ergebnis schon vor mehreren Monaten von der Polizei in verschiedenen Medien kommuniziert wurde, waren die betroffenen Beamten über den Inhalt selbstverständlich informiert.

Die heutige erneute Berichterstattung, die den Eindruck wecken könnte, es handele sich hier um neue Erkenntnisse, hat uns veranlasst, das damalige Untersuchungsergebnis erneut zu kommunizieren:

Es handelte sich bei dem Gegenstand nach Untersuchung der Kriminaltechnik um einen britischen Nebelwurfkörper, der mit Reizgas des Typs “CS” befüllt war. Dieses CS-Gas findet auch in handelsüblichen Selbstverteidigungs-Sprays Verwendung und stellt keine grundsätzliche Gesundheitsgefährdung dar. Die am 1.Mai beworfenen Polizeibeamten klagten unmittelbar nach dem Bewurf kurzfristig über Augen- und Atemwegsreizungen sowie Übelkeit. Jedoch musste keiner der Beamten verletzt vom Dienst abtreten. Aus diesem Grund meldeten sie den Vorfall auch erst nach dem Einsatz. Bei der daraufhin erfolgten intensiven polizeiärztlichen Untersuchung, die auch die Entnahme von Blutproben beinhaltete, wurden keine gesundheitlichen Schäden festgestellt. Selbstverständlich sind die Beamten unverzüglich über das Ergebnis der Untersuchungen umfassend informiert worden.

Eine Gefährdung der Anwohner bestand zu keiner Zeit.

Mit dem Sachverhalt befasst sich auch eine Pressemeldung der Deutschen Polizeigewerkschaft vom 19.09.2009*. Die darin enthaltenen Vorwürfe gegen den Polizeipräsidenten, die Mitarbeiter seien nicht informiert und der Vorgang nicht transparent dargestellt worden, entbehren jeder Grundlage.

*) Die DPolG-Pressemeldung (hier im Wortlaut), die übrigens quasi zeitgleich mit dem “Bild”-Artikel veröffentlich wurde, enthält — neben kruder Polemik — nicht nur ein Zitat des Berliner DPolG-Chefs, das sich wortgleich im “Bild”-Artikel wiederfindet, sondern auch sonst dieselben Infos, die “Bild” (ohne genauere Quellenangabe) “exklusiv erfuhr”.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber.

Mehr Gegenwart wagen

Polizei verstärkt Präsens auf Flughäfen und Bahnhöfen - Bundesregierung warnt vor ernster Gefahr

Mit Dank an perry.

Nachtrag, 21:40 Uhr: Jetzt hat die Polizei ihre “Präsenz” verstärkt …

2. Nachtrag, 19. September: AP hat heute schon zwei Mal getickert:

Die Sicherheitsbehörden reagierten mit erhöhter Polizeipräsens auf die Drohbotschaft.

Nachzulesen z.B. bei stern.de.

Mit Dank an Daniel und Jahan D.

3. Nachtrag, 20. September: Seit gestern Nachmittag tickert AP “Polizeipräsenz” und auch stern.de hat den Fehler in der Zwischenzeit korrigiert.

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