Randale auf Umwegen

Das Land Nordrhein-Westfalen will bei Fußballspielen künftig offenbar weniger Polizei einsetzen, was die “Bild”-Zeitung seit ein paar Tagen zum Anlass nimmt, das sportliche Sommerloch mit ein bisschen Hysterie zu füllen.

Für ihre gestrige Ausgabe hat sie sich diese neue Schreckensliste ausgedacht:

Minden, Mannheim, Hamm, Kassel, Würzburg, Magdeburg gehören zu den gefährlichsten Orten im deutschen Fußball.

Grund: Es sind sechs von zehn Umsteige-Knotenpunkten der Deutschen Bahn, an denen die Fans Wochenende für Wochenende aufeinander prallen.

Begleitend dazu haben die “Bild”-Onliner eine flotte Infografik gebastelt, deren Informationsgehalt sich bei näherem Hinsehen allerdings eher in Grenzen hält (Klick für größere Version):

Gut, inzwischen wurde der “sehr lange Text” ersetzt, aber viel besser ist es dadurch nicht geworden.

Ein paar Beispiele.

Am 23. August könnte es laut Bild.de in Minden gefährlich werden, weil dort Schalke-Fans (die nach Hannover wollen) auf Fortuna-Köln-Fans (die nach Bielefeld wollen) treffen könnten:

Allerdings: Von Köln fahren Züge direkt nach Bielefeld, die Fans müssen also gar nicht umsteigen. Und wenn, dann eher in Hamm, nicht in Minden.

Einen Tag später könnten sich laut Bild.de am selben Bahnhof die Duisburger Fans (nach Chemnitz) und die Mainzer (nach Paderborn) treffen:

Auch sehr unwahrscheinlich — von Minden gibt es gar keine direkte Zugverbindung nach Paderborn (dagegen aber aus Hannover und Kassel).

Für die Fans von Dortmund II dürfte es auch eher schwierig werden, auf dem Weg nach Bielefeld in Minden umzusteigen, die Züge fahren nämlich über Bielefeld nach Minden.

Und die Fans der Stuttgarter Kickers lässt Bild.de auf ihrem Weg nach Bielefeld sowohl in Frankfurt (Main) als auch in Mannheim, Minden, Hannover und Kassel umsteigen — was ebenfalls sehr unrealistisch sein dürfte.

Oder das Aufeinandertreffen von Rostockern (nach Regensburg) und Schalkern (nach Hannover) in Hannover: Wenn die Schalker in Hannover ankommen, dürften die Rostocker schon längst wieder weg sein, weil ihr Spiel anderthalb Stunden früher beginnt und allein die Fahrt von Hannover noch mindestens vier Stunden dauert.

Aber solche Details übersieht die “Bild”-Redaktion ganz gerne mal, wenn sie ihr nicht in den Kram passen.

Das Foto, auf dem der Bahnsteig in Bengalo-Flammen steht, stammt übrigens nicht von einem der genannten Randale-Bahnhöfe, sondern vom Hamburger Hauptbahnhof, wie an dem Schild “Hamburg Hbf” nicht allzu schwer zu erkennen ist — wenn man es denn sehen kann. In der Print-Ausgabe wurde es abgeschnitten; “Bild” brauchte den Platz für die Schlagzeile.

Mit Dank an Ingo H., Peter M. und Tjalf P.!

Muss das wirklich sein?


(Screenshot: Bild.de; Unkenntlichmachung von uns.)

Das dürfte dann übrigens diese B-I-G-O-T-T-E-R-I-E sein, die Kai Diekmann anprangert: Empörung über andere Medien, aber hübsch alles zeigen.

Mit Dank an @ImreGrimm und Michael M.

Flatrate, Paywall, Migrantenkinder

1. “Anmerkungen eines ehemaligen Zeitungslesers”
(wiesaussieht.de, TeraEuro)
TeraEuro möchte gerne unkompliziert für Journalismus bezahlen und skizziert die Idee einer Flatrate: “Die ersten 100 Artikel sind für jeden frei (finanziert von mir aus über eine Kulturflatrate, freie Mittel nach Abschaffung des BND, der Mineralölsteuer oder bei den öffentlich-rechtlichen Sendern abgezwackt, whatever), weitere Artikel kosten anschließend Geld.”

2. “Ein Duracell-Häschen namens Journalismus”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz hinterfragt die Atemlosigkeit im Journalismus: “Wenn wir wirklich wollen, dass Menschen Journalismus wertschätzen und in deshalb letztendlich auch finanzieren, dann sollten wir aufhören, ihn immer wahlloser zu betreiben. Manchmal erinnern mich Medien zunehmend mehr an einen vollgestopften Briefkasten, aus dem man genervt eine Menge Papier rausholt, um es dann ungelesen wegzuwerfen.”

3. “Sind Promis Opfer der Medien?”
(mainpost.de)
Medienethiker Alexander Filipovic stuft die Barmherzigkeit und Unbarmherzigkeit von Medien ein: “In der Berichterstattung über Tebartz-van Elst oder Wulff konnte man teilweise eine gewisse Unbarmherzigkeit beobachten. Die wurde dort deutlich, wo nicht zwischen Tat und Person unterschieden worden ist. Journalisten haben jedoch die Aufgabe zu differenzieren: Sie müssen Fehler klar benennen, dürfen aber nicht einen Menschen an den Pranger stellen.”

4. “Zigeunerschnitzel und Dönermorde?”
(zeitjung.de, Markus Ehrlich)
Daniel Bax von der “taz” erklärt, warum “nur jeder 50. Journalist” in Deutschland über einen Migrationshintergrund verfügt: “Natürlich sind die unsichtbaren Schwellen für Arbeiter und oder Migrantenkinder in diesem Bereich, wo es sehr stark auf kulturellen Habitus und kulturellen Background ankommt, sehr hoch. Medien sind Exzellenzbetriebe und Arbeitgeber stellen gerne Leute ein, die so ähnlich sind wie sie selbst.”

5. “Zu Hause im Kalten Krieg”
(fr-online.de, Stephan Hebel)
Stephan Hebel antwortet auf den Text “Linke Heuchler” (faz.net, Reinhard Mohr): “Leise stellt sich uns die Frage: Wenn wir schon gewonnen haben, wir linken Mainstream-Spießer, warum lesen wir dann immer noch von Kriegseinsätzen und Klimawandel, von kläglich ertrinkenden Flüchtlingen an unseren europäischen Grenzen?”

6. “Walt Disney hat ja schon 1991 eine Paywall eingeführt”
(twitter.com/uniwave)

Nacktbilder, Krankenakte, Deutschlands Beste

1. “Ein Jahr Leistungsschutzrecht: Außer Spesen bislang nichts gewesen”
(wsj.de, Stephan Dörner)
Eine Bilanz ein Jahr nach Inkrafttreten des Leistungsschutzrechts für Presseverleger: “Für Anwalt Kreutzer haben sich jetzt schon ‘die schlimmsten Befürchtungen’ realisiert ‘oder werden sich absehbar realisieren.’ Springer beurteilt den Fortschritt nach einem Jahr Leistungsschutzrecht dagegen positiv und sieht sich ‘genau im Zeitplan.’ Den Rest werden wohl Gerichte entscheiden.”

2. “Was ist öffentlich? – #selfiegate”
(schulesocialmedia.com, Philippe Wampfler)
Hinsichtlich der Medienberichte über Nacktbilder im Parlamentsgebäude (BILDblog berichtete) plädiert Philippe Wampfler für einen neuen Öffentlichkeitsbegriff: “Die Bundesangestellte wollte in ihrer Freizeit mit ihrem Körper und ihrer Sexualität ‘in public’ sein. Sie wollte, das ihre Bilder und ihre Videos gesehen werden, sie veröffentlichte sie für ein (großes) Publikum. Aber sie wollte keine öffentliche Figur sein und die Kontrolle darüber behalten, ob diese Bilder mit ihrem Arbeitsplatz in Verbindung gebracht werden.” Siehe dazu auch “Auch Bundeshaus-Sekretärinnen haben ein Recht auf Pornos und Privatsphäre” (watson.ch, Sven Zaugg).

3. “Tragische Entwicklung im Fall ‘Schumacher'”
(nzz.ch, Marcel Gyr)
Ein Kadermitglied der Schweizer Rettungsflugwacht wird am Mittwochmorgen im Polizeigefängnis Zürich tot aufgefunden: “Der Rega-Mitarbeiter wird von den Untersuchungsbehörden verdächtigt, die Krankenakte des Ende letzten Jahres beim Skifahren in Méribel schwerverletzten Michael Schumacher gestohlen und für 60 000 Franken verschiedenen ausländischen Medien zwecks Veröffentlichung angeboten zu haben.”

4. “‘Deutschlands Beste!’ – ein Abschlussbericht”
(ndr.de, Boris Rosenkranz)
Weshalb hat das ZDF die Umfrage zur Sendung “Deutschlands Beste!” manipuliert? “Anfangs erklärte das ZDF, die Redaktion habe den Gästen der Shows ‘schmeicheln’ wollen. Im Abschlussbericht des ZDF-Programmdirektors steht nun, warum sie das angeblich wollte: ‘Durch eine möglichst gute Platzierung unter den Top 50 sollte die Wahrscheinlichkeit der Zusage der angefragten Gäste erhöht werden.'”

5. “Wo verkaufen sich Süddeutsche und FAZ am besten, wo am schlechtesten?”
(meedia.de, Jens Schröder)
Jens Schröder wertet die Verkaufszahlen der “Süddeutschen Zeitung” und der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” aus: “Die Süddeutsche Zeitung ist in München, Passau und zehn bayerischen Landkreisen erfolgreicher als die Bild, die FAZ einzig im Hochtaunuskreis.”

6. “‘Recht auf Vergessen’: Wikipedia zeigt gesperrte Links”
(heise.de, Torsten Kleinz)

“NZZ” zieht blank

Jetzt hat auch die Schweiz ihren eigenen Sommerloch-Twitter-Porno-Skandal. Die “Neue Zürcher Zeitung” berichtete heute Morgen über …

Nach “Recherchen der NZZ”, heißt es dort, mache eine Sekretärin des Bundeshauses in ihrem Büro regelmäßig Nacktfotos von sich und veröffentliche diese auf ihrem Twitter-Profil.

Dass diese Bilder früher oder später jemand sehen könnte, mit dem sie beruflich zu tun hat, ist ihr bewusst. «Das Thema beschäftigt mich ständig», sagt die Frau, der auf Twitter über 11 000 Nutzer folgen, auf Anfrage. Da die Aufnahmen jedoch Teil ihres Privatlebens seien, sehe sie keinen Interessenkonflikt mit ihrer beruflichen Funktion.

Ob sie damit falschliegt, konnte die “NZZ” nicht sagen. Und auch sonst war sich die Zeitung offensichtlich nicht sicher, was sie der Frau nun eigentlich vorwerfen soll. Sie schreibt lediglich, dass “der Sachverhalt” nicht “ganz so einfach” sei — “immerhin sind auf den Bildern die Büroräumlichkeiten erkennbar”.

Das Eidgenössische Personalamt (EPA) wollte sich gegenüber der Zeitung nicht dazu äußern, weil jede Verwaltungseinheit die Regeln im Umgang mit den Sozialen Medien selbständig umsetze.

Das EPA verwies jedoch auf den Verhaltenskodex der Bundesverwaltung, der vorsieht, dass Angestellte auch im Privatleben darauf achten sollten, den guten Ruf und das Ansehen des Bundes nicht zu beeinträchtigen. Ob dies durch Nacktaufnahmen am Arbeitsplatz geschieht, ist eine Interpretationssache.

Ein von der “NZZ” zitierter Arbeitsrechtler hegt jedoch starke Zweifel daran, dass die Frau mit einer Kündigung rechnen muss:

«Es sei denn, der Arbeitgeber stuft die Tätigkeit als Sicherheitsrisiko ein» (…). Dies könnte der Fall sein, wenn der Arbeitgeber zum Schluss kommt, die Angestellte könnte durch die Bilder erpressbar werden.

Die Schweizer Boulevardmedien jedenfalls fanden die Sache auch so skandalös genug und sprangen eifrig mit auf. Zum Beispiel die Online-Ausgabe des Gratisblatts “20 Minuten”:

Dass die Fotos “während ihrer Arbeit” veröffentlicht wurden, hatte die “NZZ” übrigens nie behauptet.

Und weil das Blatt auch weder den richtigen noch den Twitter-Namen noch sonst irgendwelche persönlichen Informationen der Sekretärin verraten hatte, begann sogleich die Jagd nach ihrer Identität — und natürlich: nach ihren Fotos.

Kleine Auswahl aus den Kommentaren bei “20min.ch”:

Auch die Journalisten wollten unbedingt mehr wissen, darum bat “20 Minuten” die Leser sogar um sachdienliche Hinweise:

Die “NZZ” versuchte zwar noch, die von ihr ausgelösten Wogen zu glätten…

… doch der Zwischenruf verhallte im tosenden Sturm der Sekretärinnenjäger.

Kurze Zeit später tauchten dann auch die ersten (halbherzig verpixelten) Fotos auf. Der Schweizer “Blick” zeigt sie online, inklusive abgekürztem Namen der Frau:

(Unkenntlichmachung von uns.)

Auch 20min.ch konnte nun endlich verkünden:

… und den Lesern in einer Klickstrecke die lang ersehnten Nacktfotos zeigen.

Inzwischen hat der “Skandal” einen eigenen Namen (natürlich: “Selfiegate”), der Account ist gelöscht, die Identität der “Porno-Sekretärin” weitestgehend bekannt, die ersten Politiker fordern die Kündigung der Dame und Journalisten wie Leser machen sich weiterhin empört aber sabbernd über die Fotos her. Und uns bleibt nur der Verweis auf den Schweizer Presserat, der mal geschrieben hat:

Auch Amtspersonen haben ein Recht darauf, dass ihre Privatsphäre respektiert wird. Wenn Medien darüber berichten, dass von einer solchen Personen Sexbilder im Internet abgerufen werden können, befriedigt das allenfalls die Neugier des Publikums. Ein schützenswertes öffentliches Interesse an solchen Informationen gibt es in der Regel nicht – selbst dann nicht, wenn die Amtsperson eine hohe Stellung hat oder prominent ist.

Mit Dank an Flavio F.

Filterblasen, Allan Nairn, Tatort

1. “Statistik: Wo verkauft sich Bild am besten – wo am schlechtesten?”
(meedia.de, Jens Schröder)
Am besten verkauft sich “Bild” nach einer “Meedia”-Auswertung in den Städten Halle, Frankfurt und Neumünster sowie in den Landkreisen Stormarn, Leipzig und Pinneberg. Am schlechtesten in den Städten Berlin, Bonn und Köln sowie in den Landkreisen Märkisch-Oderland, Tübingen und Oberhavel.

2. “‘Dieses Recht ist völlig verrückt'”
(nzz.ch, Stefan Betschon)
Bezüglich des durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) geschaffenen Rechts auf Vergessenwerden hat Google bisher “mehr als 91 000 Anträge auf die Entfernung von insgesamt 328 000 Verweisen auf Web-Seiten (URL) erhalten. Am meisten Anträge kamen aus Frankreich (17,500 Anträge mit 58,000 URL), Deutschland (16,500, 57,000 URLs) und Grossbritannien (12,000, 44,000). Mit Bezug auf die URL wurden mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Löschanträge ausgeführt, die entsprechenden Suchanfragen führen nun bei Google ins Leere.” Siehe dazu auch “Wikipedia link to be hidden in Google under ‘right to be forgotten’ law” (theguardian.com, Juliette Garside, englisch).

3. “Israel, Gaza, Krieg & Daten – Die Kunst, Propaganda zu personalisieren”
(de.globalvoicesonline.org, Gilad Lotan)
Eine Übersetzung des Texts “Israel, Gaza, War & Data” (medium.com, englisch), in dem Gilad Lotan über Propaganda und Filterblasen schreibt.

4. “Spy Agency Stole Scoop From Media Outlet And Handed It To The AP”
(huffingtonpost.com, Ryan Grim, englisch)
Die Exklusivität der Story “Barack Obama’s Secret Terrorist-Tracking System, by the Numbers” (firstlook.org/theintercept) wird von der US-Regierung hintertrieben. “The government’s decision to spoil a story on the topic of national security is especially unusual, given that it has a significant interest in earning the trust of national security reporters so that it can make its case that certain information should remain private.”

5. “Dürfen wir vorstellen: der Journalist, der Kriegsverbrecher vernichtet”
(vice.com, Max Metzger, englisch)
Max Metzger spricht mit Investigativjournalist Allan Nairn: “Oftmals besteht die Ironie darin, dass die Leute, die Nairn anprangert, ihn nicht töten oder foltern können, denn er ist US-Staatsbürger—das würde die amerikanische Förderung und Unterstützung gefährden.”

6. “‘Eine Leiche ist ausreichend'”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Susanne Schneider und Alexandros Stefanidis)
Ein Interview mit fünf “Tatort”-Kommissaren. Klaus J. Behrendt: “Wenn wir die Polizeiarbeit eins zu eins abbilden müssten, würden wir von den 90 Filmminuten etwa 70 oder 80 im Büro verbringen, in den Computer glotzen oder Akten lesen.”

Bild, dpa  

Angehörige sollen Fotografen verprügelt haben

In Freiburg ist vor zwei Wochen die Leiche eines achtjährigen Jungen gefunden worden. Die Ermittler gehen von einem Verbrechen aus.

Das Medieninteresse an dem Fall ist so enorm, dass das Ordnungsamt vor der Beerdigung des Kindes eine Verfügung verhängen musste, um Fotos und Filmaufnahmen während der Trauerfeier zu verhindern. Der Friedhof wurde so gut es ging abgeschirmt, Kameraleute mussten draußen bleiben.

Einige Journalisten warteten jedoch, bis die Beisetzung vorbei war, gingen auf den Friedhof und knipsten dann.

“Bild” druckte in der Stuttgarter Ausgabe ein Foto, auf dem (aus einiger Entfernung) zu sehen ist, wie das Grab des Jungen zugeschaufelt wird. Online ist außerdem ein riesiges Foto erschienen, auf dem man die Trauerkränze und das Grabkreuz sieht.

Wie die “Stuttgarter Nachrichten” berichten, hat noch ein weiterer Journalist auf dem Friedhof fotografiert — und ist daraufhin von Angehörigen des Jungen krankenhausreif geprügelt worden.

Familienangehörige des ermordeten Achtjährigen haben einen Pressefotografen zusammengeschlagen, weil er das Grab des Jungen fotografiert hat. Das Opfer erlitt massive Gesichtsverletzungen und musste stationär in einem Krankenhaus behandelt werden. Das bestätigte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Freiburg (…).

Der Fotograf habe mehrere Stunden nach der Beerdigung Fotos vom Grab des Jungen gemacht, sich damit aber “rein rechtlich” nichts zu Schulden kommen lassen, zitiert die Zeitung eine Polizeisprecherin.

Als er sich weigerte, den Angehörigen die Speicherkarte zu geben, soll ein Familienmitglied

ausgerastet sein und derart brutal auf den Mann eingeprügelt haben, dass dieser einen Kiefer- und einen Augenhöhlenbruch erlitt.

Weil dem Fotografen zudem die Speicherkarte abgenommen worden sei, ermittle die Staatsanwaltschaft jetzt gegen zwei Angehörige wegen Körperverletzung und räuberischen Diebstahls.

Weder die Staatsanwaltschaft noch die Polizei hatten den Fall öffentlich gemacht. „Auf ausdrücklichen Wunsch des Opfers“, wie es heißt.

Nach unseren Informationen war der Fotograf im Auftrag der dpa unterwegs. Die Agentur wollte sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht zu der Sache äußern.

Karl Dall, Native Advertising, Gutmenschen

1. “Mitten im Propaganda-Krieg – ohne es zu wissen”
(heute.de, Video, 3:33 Minuten)
Manipulierte Videos und verfälschte Meldungen im Propagandakrieg: “Wenn die Story gut ist und Emotionen schürt, trägt sie weit.”

2. “Vermitteln deutsche Medien ein extrem einseitiges, negatives Israel-Bild?”
(stefan-niggemeier.de)
Stefan Niggemeier zweifelt daran, dass “kein anderes Land der Welt” in deutschen Medien so oft und scharf kritisiert werde wie Israel – so hatte es Stern.de mit Bezug auf eine noch nicht veröffentliche Studie dargestellt.

3. “Ermittlungen gegen Karl Dall beendet”
(handelsblatt.com/AFP)
Erhebt die Staatsanwaltschaft Zürich Anklage gegen Karl Dall, wie “Bild” berichtet? “Die entsprechende Meldung der „Bild“-Zeitung vom Montag sei ‘nicht korrekt’, sagte die Sprecherin der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Corinne Bouvard, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Es sei noch keine formelle Entscheidung gefallen.”

4. “Männer gestehen sich ihre sanfte Seite nicht ein”
(planet-interview.de, Jakob Buhre und Lovis-Marie Trummer)
Matthias Reim spricht über die Herzkatheter-Untersuchung, aus der “Bild” eine “heimliche Herz-OP” (“sechsstündiger Eingriff am Herzen”) machte (BILDblog berichtete).

5. “Politische Korrektheit: Wider den Aufstand der Gutmenschen”
(novo-argumente.com, Günter Ropohl)
Ein “Diktat eines kleinbürgerlichen Moralismus” durch politisch korrekte Sprache fürchtet Technikphilosoph Günter Ropohl in einem Beitrag zur Debatte über sogenannte Gutmenschen: “Natürlich möchten wir alle, dass die Welt gut wäre. Wo sie es nicht ist, müssen alle mit persönlichen und politischen Anstrengungen daran arbeiten, sie besser zu machen. Aber es hilft nicht, sie bloß gut zu reden. In der eskapistischen Version ist solche Moralrhetorik bestenfalls Gesinnungspflege zur Beruhigung des eigenen Gewissens, in der kategorischen Form kann sie schlimmstenfalls in Tugendterror ausarten. Daher rühren die Vorbehalte gegen die Gutmenschen, nicht daher, dass sie linke Ideen von Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität verträten. Gutmenschen sind nicht ‘links’, sie sind Moralisten.” Siehe dazu auch “Linke Heuchler” (faz.net, Reinhard Mohr).

6. “Last Week Tonight with John Oliver: Native Advertising (HBO)”
(youtube.com, Video, 11:22 Minuten, englisch)

Der doch nicht letzte Bulle

Bis vergangenen Sonntag war nicht klar, wie es mit der Sat.1-Serie “Der letzte Bulle” weitergehen würde. Doch dann verkündete die “Bild am Sonntag” exklusiv:

Dort heißt es:

“Das war es jetzt für mich”, bestätigte Henning Baum (…) gegenüber BILD am SONNTAG. “Ich wollte eigentlich schon mit der vierten Staffel aufhören.”

Die Nachricht vom Serien-Aus verbreitete sich schnell — doch kurz darauf meldete sich der “letzte Bulle” persönlich zu Wort:

Sein Management bekräftigt auf Anfrage: Das Zitat in der “BamS” sei frei erfunden. Henning Baum habe dem Blatt zwar ein Interview gegeben, doch dieses Statement sei definitiv nicht dabei gewesen.

Auch Sat.1 teilte uns mit:

Wir sind nach wie vor in Gesprächen mit Henning Baum. Wenn es eine Stoff-Idee gibt, die uns und Henning gleichermaßen gefällt, dann kann es durchaus noch mal weitergehen.

Und schwupps:

Jetzt macht der „Mick Brisgau“-Darsteller auf seiner Facebook-Seite den Fans der Serie wieder Hoffnung!

„Es gibt aktuell keine konkreten Pläne zum ,Bullen‘ oder andren Projekten“, ließ der dort am Sonntagabend verlauten.

Den Satz davor haben sie natürlich weggelassen.

Mit Dank an Lisa H.

Entfolgungswahn um Homer Simpson

Die Nachricht des Tages kommt von der Agentur AFP und lautet vollständig so:

Kanadas Premier Harper folgt Homer Simpson nicht länger auf Twitter
Politiker hat selbst fast eine halbe Million Follower

Montréal (AFP) – Kanadas Premierminister Stephen Harper folgt dem Zeichentrickstar Homer Simpson nicht länger auf Twitter. Harper meldete sich am Sonntag als Follower des Oberhauptes der Comic-Familie ab. Kurz zuvor war ein Artikel auf der Website des Fernsehsenders CBC erschienen, der die Interessen des konservativen Politikers auf Twitter aufzeigte. Demnach folgt Harper 223 anderen Twitter-Nutzern. Er selbst ist mit fast einer halben Million Followern der beliebteste “zwitschernde” Parteichef in Kanada.

Ist das nicht interessant?

Doch, ist es:

“Focus Online” informierte seine Leser noch in der Nacht über diese aktuelle Entwicklung:

Ein Twitter-Follower weniger - Kanadas Premier Harper folgt Homer Simpson nicht mehr

Auch der “Donaukurier” staunte und berichtete:

Kanadas Premier kein Follower mehr von Homer Simpson

Die österreichische Nachrichtenagentur APA entschied sich, dass das Thema in Österreich auch nicht weniger relevant ist als in Deutschland, und reichte die Meldung an ihre eigenen Abonnenten durch.

Nun könnte man all das an sich schon als Ausweis eines größeren Irrsinns sehen. Die Meldungen sind aber nicht nur bekloppt, sondern auch noch falsch. Jedenfalls folgt @PMHarper aktuell durchaus @HomerJSimpson. (Es gab da sogar vor eineinhalb Jahren mal einen Tweetwechsel zwischen den beiden.)

Angesichts der Gefahr, dass da eine Falschmeldung die Runde macht und Menschen in aller Welt nun von ihren Medien informiert werden, dass der Parteichef-Zwitscherkönig Kanadas nicht mehr Homer Simpson folgt, obwohl er Homer Simpson folgt, haben wir natürlich sofort bei der Agentur AFP nachgefragt, was da los ist.

Daniel Jahn, der Chefredakteur von AFP in Deutschland, antwortet:  

Unsere Meldung über Stephen Harper und Homer Simpson basiert auf einer Meldung des AFP-Büros in Montreal. Wir versuchen derzeit, durch Kontaktaufnahme mit den dortigen Kollegen herauszufinden, wie die Meldung zustande gekommen ist. Dies ist wegen des Zeitunterschieds leider nicht auf die Schnelle möglich, das Büro ist derzeit nicht besetzt. Es ist nicht auszuschließen, dass Harper zwischenzeitlich Simpson “entfolgt” ist, um ihm wenig später wieder zu folgen. Wenn ich Näheres weiß, melde ich mich wieder bei Ihnen.

Wir werden eine eventuelle Antwort hier natürlich zeitnah weiterreichen, auch wenn unsere Kapazitäten — anders als offenbar die von AFP — vermutlich nicht ausreichen, jeden möglichen Statuswechsel im Twitter-Verhältnis zwischen kanadischen Politikern und amerikanischen Comicfiguren bekannt zu geben.

Die andere Frage, die wir AFP gestellt hatten, blieb übrigens unbeantwortet: Welchen Nachrichtenwert die Meldung erfüllt. Ist vielleicht auch eine aufwändigere Recherche.

PS: Unter dem “Focus Online”-Artikel findet sich der folgende Leserkommentar:

Mit Dank an Boris R.!

Nachtrag, 19:00 Uhr. Der “Donaukurier” hat sich korrigiert und meldet nun: “Kanadas Premier ist nach wie vor Follower von Homer Simpson”.

Nachtrag, 21:45 Uhr. AFP hat die Meldung zurückgezogen:

Montréal (AFP) – Der kanadische Regierungschef Stephen Harper hat nicht aufgehört, dem Zeichentrickstar Homer Simpson auf Twitter zu folgen. AFP hatte für die Meldung irrtümlich den französischsprachigen Twitter-Account von Harper eingesehen, der sich aber von seinem englischen Account stark unterscheidet. Im französischen Account ist Harper der Cartoonfigur nie gefolgt, im englischen Account folgt er ihr ohne Unterbrechungen weiterhin.

Nachtrag, 5. August. Der verwirrende Stand der Dinge auf “Zeit Online”:

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