1. Warum macht Herr Enzinger das? Warum macht die „Krone“ das? (diepresse.com, Sibylle Hamann)
Sibylle Hamann berichtet von einem Vorgang, der eigentlich ein Happy End verdient gehabt hätte: In der ersten Klasse einer Salzburger Volksschule gibt es ein neues Kind. Aref heißt es und es stammt aus Syrien. Die Lehrer thematisieren das im Unterricht und führen beim Schulschlussfest mit den Kindern einen syrischen Tanz und ein einstudiertes syrisches Lied auf. Alles klappt vorzüglich und und alle sind zufrieden, bis Politik und Presse davon Wind bekommen. Fremdenfeindliche Äußerungen und Artikel, die das Geschehen bösartig verdrehen, folgen. Schließlich fällt auch noch der entfesselte Online-Mob über die Salzburger Kinder und Lehrer her. Sibylle Hamann in ihrem Kommentar: “Rational verstehe ich, was FPÖ und „Kronen Zeitung“ antreibt: Wählerstimmen maximieren, Leserzahlen maximieren, Aufmerksamkeit maximieren, man hofft halt, dass das mit Hetze funktioniert, und häufig funktioniert es ja leider auch. Aber manchmal möchte ich in die Köpfe dieser Menschen hineinschauen, möchte wissen, wie sich das anfühlt: immer nur Böses zu sehen, selbst dort, wo gar nichts Böses ist. Immer wütend zu werden, wenn anderen etwas gelingt. Immer alles sofort kaputtschlagen, zündeln wollen, und sich erst freuen, wenn es rundherum brennt.”
2. Bildsprache der Verblödung (bilanz.de, Bernd Ziesemer)
In den letzten Tagen beherrschten Bilder von Hamstern die Berichterstattung: Anlass: Die politische Diskussion über ein neues Zivilschutzprogramm. Bernd Ziesemer ist genervt von den ewig gleichen platten Fotos aus den Bilddatenbanken (“stock photos”) und spricht in seiner Kolumne von einer “Bildsprache der Verblödung”.
3. WikiLeaks bringt Unschuldige in Gefahr (zeit.de, Patrick Beuth)
Die Enthüllungsplattform Wikileaks hätte zu ihren besten Zeiten die Mächtigen genervt und bloßgestellt, doch mittlerweile würden sich die Kollateralschäden summieren, so Patrick Beuth in der “Zeit”. Die Plattform habe zahlreiche medizinische Unterlagen von normalen Bürgern sowie private, finanzielle und andere Informationen Hunderter anderer veröffentlicht, heiße es in einem Bericht der Nachrichtenagentur “AP”. Zudem seien Hunderte der Dateien aus dem Türkei-Leak mit Malware verseucht. Wikileaks habe den AP-Bericht auf Twitter als “lächerlich” abgetan und auf Fragen der “Zeit” bislang nicht reagiert.
4. Schnapp den Teenie (sueddeutsche.de, Sebastian Jannasch)
Den klassischen Medien laufen die jungen Leser davon. Also geht man dorthin, wo man die jungen Zielgruppe vermutet und das ist z.B. die quietschige Knips-App “Snapchat”, die in Deutschland 2,5 Millionen Nutzer haben soll. Doch lassen sich mit bunt verzierten Videoschnipseln wirklich Nachrichten vermitteln? Das ist nicht einfach. Außerdem fehlen Kontrolle und Monetarisierungsmöglichkeiten, so Sebastian Jannasch auf “sueddeutsche.de”. Zudem sei es möglich, dass die umworbenen Teenies eh bald weiterziehen: Instagram und Facebook würden versuchen, die jungen Nutzer mit neuen Funktionen zu sich rüberzulocken.
5. Geringe Hemmschwelle – “Vice” und die Drogen (ndr.de, Sabine Schaper)
“Zapp” hat sich mit dem Lifestyle- und Jugendmagazin “Vice” beschäftigt. Dort würden regelmäßig Tipps für den Drogenkonsum erscheinen, von Mischkonsum-Rezepten bis hin zu Tricks für den Drogenschmuggel. Der Leiter des Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters am Uniklinikum Eppendorf in Hamburg bezeichne derlei Artikel als einen “Schlag ins Gesicht” all derer, die täglich mühsam Suchtprävention betreiben: Eine seriöse Berichterstattung im Sinn von “Safer Use” habe nüchtern und sachlich zu sein. Ob und inwiefern das Angebot von “Vice” den Richtlinien des Jugendmedienschutzes entspricht, werde nun ein Prüfverfahren zeigen.
6. Songlyrics-Seiten im Web: Einmal Goldrausch und wieder zurück (onlinemarketingrockstars.de, Roland Eisenbrand)
Spannender Hintergrundbericht, wie findige Website-Macher und teilweise blutjunge Kids seit Jahren Songtexte auf ihren Lyrics-Seiten ausbeuten.
Wir haben unsere Clickbait-TaskforcewiederfürSielosgeschickt, um herauszufinden, was hinter den großen Ankündigungen in Titel und Teaser wirklich steckt. So sparen Sie Lebenszeit und Gehirnzellen.
Weil auch auf dem Toilettenpapier Keime sein können.
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Etwa 226.000 Euro im Jahr.
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Ignorieren, zurechtweisen, genervt reagieren.
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Sie machen ein Selfie auf Bahngleisen. Dann kommt ein Zug angerast. Ist aber nur ein Video der “Deutschen Bahn” zur Abschreckung.
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1. Sie wissen, was sie wollen.
2. Sie klammern nicht.
3. Sie kriegen alles hin.
4. Sie haben Verständnis.
5. Sie sind sexy.
6. Sie lieben.
7. Sie spielen keine Spielchen.
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Pornos.
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Die Frage war eigentlich eine Aufgabe: Die Tochter sollte eine Tube Zahnpasta auf einen Teller ausdrücken und es dann schaffen, die Zahnpasta wieder zurück in die Tube zu bekommen. Klappte natürlich nicht. Das sollte symbolisieren, wie wichtig es ist, vorher über seine Worte und Taten nachzudenken. Oder so.
Mähroboter sind nachts gefährlich. Ich wusste das gar nicht, aber es stand am Montag in der Zeitung, und dann wird es ja wohl stimmen:
Ich sah mir den kleinen blauen Kasten auf dem Foto noch mal etwas genauer an. Und wenn man von seiner Gefährlichkeit weiß, wird er einem gleich etwas unheimlich. Was wird er wohl anstellen, wenn es dunkel ist?
Ich hatte so ein Bild vor Augen. Wie man nachts durch den Vorgarten schleicht, weil man wieder mal irgendwo die Zeit vergessen hat. Gleich wird es hell. Die Grillen zirpen, und man vernimmt ein leises Surren. Von wo genau, kann man gar nicht sagen. Also läuft man weiter. Das Surren wird immer deutlicher. Dann kommt noch ein sprödes Rattern hinzu. Es ist ganz nah. Man dreht sich um, und im letzten Moment sieht man den Mähroboter noch aus dem Augenwinkel. Aber da ist es schon zu spät. Schnitt.
Vielleicht liest man aber auch erst mal die Meldung:
Mähroboter können Igeln und anderen Kleintieren im Garten gefährlich werden.
Ach so. Das klingt natürlich ganz anders. Aber so geht mir das oft mit den Zeitungsmeldungen auf der Service-Seite. Entweder auf den ersten oder auf den zweiten Blick stimmt irgendwas nicht. Vor ein paar Monaten habe ich zum Beispiel das hier gefunden:
Ich habe versucht, mir vorzustellen, wie es zu so einer Meldung kommt. Irgendjemand muss sich das ja ausdenken. Wahrscheinlich sitzen also Menschen zusammen in einem Konferenzraum und reden über Themen. Und dann sagt einer:
“Millionen von Deutschen stecken in großen Schwierigkeiten, weil sie ihre Wochenendeinkäufe nicht organisiert kriegen. Aber ich glaube, es gibt eine Lösung.”
“Und die wäre?”
“Sie müssen einen festen Tag zum Einkaufen einplanen.”
“Das ist genial! Das hauen wir als Meldung raus.”
So kommt es aus den Agenturen in die Redaktionen, wo die Redakteure denken: “Irgendwer wird sich darüber schon Gedanken gemacht haben.” Und dann steht es in der Zeitung.
Ein anderes Mal sah ich auf den Service-Seiten das hier:
Der erste Gedanke ist natürlich: Wer fährt seine Katze betrunken ins Krankenhaus? Aber sogar, wenn man verstanden hat, dass nur die Katze nichts zu sich nehmen soll, bleibt immer noch die Frage: Wie viele Leser stehen gerade vor genau diesem Problem? Und sagt denen nicht vielleicht auch der Tierarzt, dass sie die Katze vor der Operation nicht füttern sollen? Und was wollen die anderen mit diesem Wissen?
Ralf Heimann hat vor ein paar Jahren aus Versehen einen Zeitungsbericht über einen umgefallenen Blumenkübel berühmt gemacht. Seitdem lassen ihn abseitige Meldungen nicht mehr los. Er hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt zusammen mit Daniel Wichmann “Hier ist alles Banane — Erich Honeckers geheime Tagebücher 1994 – 2015”. Fürs BILDblog kümmert er sich um all die unwichtigen Dinge, die in Deutschland und auf der Welt so passieren.
(Foto: Jean-Marie Tronquet)
Vor allem aber: Wie kommt es zu dieser Meldung?
“Gestern ist meine Katze operiert worden. Vorher hab’ ich sie noch gefüttert.”
“Und?”
“Tot.”
“Oh, Shit. Ja. Dann schreib mal besser ‘ne Service-Meldung.”
Vielleicht ist es einfach so. Vielleicht ist es aber auch ganz anders, und es melden sich besorgte Tierärzte in der Service-Redaktion, weil ihnen die Katzen auf dem OP-Tisch reihenweise unter den Händen wegsterben, und sie flehen:
“Auf uns hören die Leute nicht. Bitte schreiben Sie eine Service-Meldung!”
Bis der Redakteur irgendwann ein Einsehen hat und sagt:
“Na, meinetwegen. Wir schreiben das jetzt. Aber nur, wenn Sie dann Ruhe geben.”
Sie geben dann aber trotzdem keine Ruhe, sondern rufen am nächsten Tag gleich wieder an, um mitzuteilen, dass man Axolotl bitte unter keinen Umständen in kochendem Wasser halten sollte. Man möge das melden.
Die unwahrscheinlichste Variante ist, dass sie sich das in den Redaktionen alles selbst ausdenken. Aber wahrscheinlich ist es genau so, und genau in diesem Moment sitzen sie da und überlegen wieder:
“Ich hab’ neulich meinen Nachbarn im Supermarkt getroffen. Und ich frage ihn: ‘Was machst du denn hier?’ Da sagt er: ‘Ich kaufe Ingwer für mein Pferd.’ Aber das hätte er wohl besser nicht getan.”
Wobei — diese Meldung gibt’s ja schon:
Dann reden sie vielleicht gerade über andere Tierprobleme:
“Haben wir schon drauf hingewiesen, dass man Hunden zu Silvester auf keinen Fall Mariacron ins Trockenfutter mischen sollte?”
“Ich glaube, letztes Jahr hatten wir die Meldung mit Dujardin. Nee, aber mit Mariacron noch nicht. Ich frag’ noch mal nach.”
“Und dass Hundehaufen nicht so beliebt sind?”
“Doch. Das hatten wir schon.”
Die Frage ist, ob Menschen, die solche Service-Meldungen nützlich finden, überhaupt Tiere halten sollten — oder ob man im Sinne der Tiere nicht vielleicht eher Dinge schreiben sollte wie: “Pferde sind kaum zu bezahlen.” Oder: “Wellensittich-Haltung nahezu unmöglich.”
Kann aber natürlich auch sein, dass das gar nicht nötig ist, weil diese Menschen einfach so sehr mit ihrem eigenen Leben und der Frage, ob sie endlich einen festen Tag zum Einkaufen benötigen, beschäftigt sind, dass da für Tiere überhaupt kein Platz bleibt.
Vielleicht ist aber auch das Gegenteil der Fall, und sie brauchen dringend einen tierischen Freund, weil sie die folgende Meldung nicht gelesen haben und keinen menschlichen finden:
Oder sie ahnen längst, dass der Kauf eines Haustieres ihrem Leben noch mal eine andere Qualität geben würde, aber sie stehen ratlos vor dem Geldautomaten, und die Karte kommt nicht mehr raus. Weil sie keine Lösung wissen, gehen sie nach Hause und beschließen, ihr Konto und die Sache mit dem Haustier zu vergessen. Dabei wäre es gar nicht so schwer gewesen:
Ja, dort in der Zeitung hätte die Lösung gestanden. Aber womöglich werden genau die Menschen, die dieses Wissen benötigen, davon nie erfahren. Vielleicht wissen sie nichts von diesen Service-Meldungen. Vielleicht bräuchten wir eine große Kampagne auf Litfaßsäulen. Oder irgendwer müsste mal im Fernsehen durchsagen, dass nützliches Wissen in der Zeitung steht.
1. Werber-Werbung im „Morgenmagazin“ (uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Eine Woche lang gab es im ARD-“Morgenmagazin” in Anlehnung an die großen Sommerinterviews Gespräche mit „ganz normalen Wählern“, die „sonst kaum zu Wort kommen“. In einer der Sendungen plaudert die Reporterin mit drei dieser vermeintlich ganz normalen Gäste, die ihr jedoch bestens bekannt sein müssten. Sie gehören nämlich zu der Film- und Videofirma “gretchen”, die sie mitgegründet hat und an der sie beteiligt ist (Werbeclaim: “gretchen ist zu allem bereit”). Boris Rosenkranz berichtet auf “Uebermedien.de” über einen ganz besonderen Fall von Schleichwerbung.
2. Wie durch das Bohei um die Hamsterkäufe Panik entsteht (wiwo.de, Niklas Dummer)
Seit 2004 existiert das “Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe”. Katastrophenschutzpläne gibt es jedoch schon viel länger. Seit nun bekanntgeworden ist, dass das neue Zivilschutzkonzept Empfehlungen zur Bevorratung enthält, hyperventilieren Netz und Medien. Die “Wirtschaftswoche” hat mit dem Medienwissenschaftler Hans-Bernd Brosius über das Phänomen gesprochen: “Die intensive Thematisierung des Zivilschutzkonzepts schürt Ängste. Die sozialen Netzwerke verstärken solche Tendenzen. Auf einmal können alle etwas zum Thema sagen, so entsteht noch stärker der Eindruck von Panik. Zudem werden in den sozialen Netzwerken vor allem kurze Artikel weitergeleitet, in denen keine Beurteilung über die Relevanz des Themas stattfindet – in dem Fall des Zivilschutzkonzepts.”
3. Innovationen: Sechs Lektionen für Redaktionen (de.ejo-online.eu, Ville Seuri)
Ville Seuri hat mit Redakteuren von mehreren Nachrichtenredaktionen in Großbritannien darüber gesprochen, wie es gelingen kann, im journalistischen Alltag Innovationen umzusetzen. Die Ergebnisse hat er in einem Paper festgehalten, das nun auch verkürzt und in deutscher Sprache vorliegt.
4. „Lügenpresse – auf die Fresse“ (taz.de, Michelle Sensel)
Für Journalisten wird die Arbeit in Zeiten der “Lügenpresse-Rufer nicht einfacher. Auf rechten Demonstrationen müssen sie Anfeindungen und teilweise körperliche Attacken fürchten. Michelle Sensel berichtet vom seit Januar existierenden Blog “augenzeugen.info”, das derartige Vorgänge dokumentiert und für das Thema sensibilisieren will.
5. Hoher TV-Konsum kann Blick auf die Realität verstellen (derstandard.at)
Für eine Medienstudie an der Wiener Universität haben Sozialmediziner 322 Personen nach ihrem TV-Konsum befragt und sich bei ihnen erkundigt, ob sie glauben würden, dass es in Österreich noch immer die Todesstrafe gebe. Je höher der TV-Konsum, umso höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass die Studienteilnehmer das glaubten. Hoher TV-Konsum könne den Blick auf die Realität verstellen, so das Ergebnis der Studie.
6. Angriff auf die Pressefreiheit: Deutscher Generalstaatsanwalt will Berichterstattung lenken (kress.de, Jochen Zenthöfer)
Die mittlerweile zwei Jahre alte Geschichte um den “Rabaukenjäger” mag man anfangs als lokales Bauerntheater abgetan haben. (Ein “Nordkurier”-Journalist hatte einen Jagdpächter mit diesem Wort belegt, weil dieser ein totes Reh an sein Auto gebunden und hinter sich her geschleift hatte. Der so Benannte hatte daraufhin Strafanzeige wegen Beleidigung erstattet.) Doch was als Beleidigungsposse in Mecklenburg-Vorpommern begonnen hätte, entwickle sich zum Generalangriff der Generalstaatsanwaltschaft gegen die Pressefreiheit. Jochen Zenthöfer sieht nun die Justizministerin in der Pflicht.
1. Was heißt hier Hass? (sueddeutsche.de, Johannes Boie)
Facebooks Lösch- und Sperrpraxis ist ein beständiges Ärgernis. Schlimmste Inhalte lässt man im Netz, eher harmlose Postings werden gelöscht und deren Verfasser mit Bannstrafen belegt. Und der Konzern verweigert jede Stellungnahme. Johannes Boie über das Verhalten des Social-Media-Riesen: “Facebooks Produkt ist Öffentlichkeit. Niemals in der gesamten Geschichte der Menschheit haben mehr Menschen direkt miteinander kommuniziert als auf Facebook. Für Millionen in Deutschland und Hunderte Millionen in der ganzen Welt ist Facebook die primäre Nachrichtenquelle. Mit dieser Verantwortung geht der Konzern um, als stelle er Kugelschreiber her.”
2. Der Fünfkampf der Journalisten (zeit.de, Christian Spiller)
Christian Spiller hat die wahren Helden der Olympischen Spiele ausgemacht: Journalisten. Deren Fünfkampf bestünde aus Warten, Drängeln, Frieren, Hungern und der Aufgabe, ein schlechtes Bild abzugeben: “Auch sonst überzeugen Journalisten nicht durch Stilsicherheit. Tennissocken und Stachelbeerbeine allerorten. Wo die Medienmeute allerdings besonders doof aussieht: am Strand. In seiner spärlichen Freizeit macht der Journalist dort so viel falsch, dass viele Cariocas ihn schon erkennen, wenn er noch nicht einmal die Hoteltür zugezogen hat. Der Gringo am Strand ist weiß wie eine Bäckermütze, trägt seinen Rucksack ängstlich auf der Brust und macht ganz allgemein den Eindruck eines Rehkitzes in der Großraumdisko. Weil er keine Ahnung von den lokalen Ritualen des Strandbesuchs hat.”
3. Wer will schon die „Rolling Beatles“ (taz.de, Andreas Hartmann)
Die goldenen Zeiten der Stadtmagazine sind vorbei. Nun werden auch die bekannten Berliner Veranstaltungsblätter und ehemaligen Konkurrenten “Zitty” und “Tip” unter einem Dach produziert. Das Konzept habe sich überlebt, so Andreas Hartmann in der “taz”. Wer heute frisch nach Berlin komme, kaufe sich nicht zuallererst eines der genannten Blätter, sondern fahre den Rechner hoch und folge den Empfehlungen in seinen sozialen Netzwerken. Konkurrenz komme zudem von den ortsansässigen Zeitungen, die in den letzten Jahren ihre Veranstaltungsbeilagen ausgebaut hätten.
4. Egal ist egal: Ohne Olympia durch den Sommer (dwdl.de, Hans Hoff)
“dwdl”-Kolumnist Hans Hoff hat in Bezug auf die Olympischen Spiele eine Form televisionärer Totalverweigerung praktiziert: Er hat es geschafft, nichts von Olympia zu sehen! Zum Ende der Spiele hat er seine Kumpels gefragt, ob ihm etwas entgangen sei. Diese hätten nach langem Nachdenken die Frage verneint: “Ich habe also nichts verpasst bei den Olympischen Spielen, deren Bedeutung mir aus der externen Perspektive ein wenig vorkam wie ein auf Wochenlänge gestreckter ZDF-Fernsehgarten. Nur dass man versehentlich statt Andrea Kiewel Katrin Müller-Hohenstein aufgezogen hatte.”
5. Was ist hier eigentlich offenbar? (udostiehl.wordpress.com)
Udo Stiehl, Journalist und Co-Betreiber der sprach- und medienkritischen “Floskelwolke”, schreibt über ein Wort, das für die Glaubwürdigkeit von Nachrichten gefährlich sei: “offenbar”. Stiehl zeigt anhand von Beispielen aus der Praxis, worin die Tücken des Wortes liegen und stellt fest: “Wilde Spekulationen zu verschleiern oder persönliche Zweifel zu verpacken – dafür lässt sich „offenbar“ gut benutzen. Nur mit Journalismus hat es dann nichts mehr zu tun.”
6. Der Anti-Paparazzi-Schal (faz.net, Maria Wiesner)
Es ist kein Hoax, es gibt ihn wirklich: den Anti-Paparazzi-Schal des niederländischen Labels “Ishu”. Der “Privacy Scarf” ist von Reflektoren durchsetzt, die das Handyblitzlicht zurückwerfen und den Träger bzw. die Trägerin nur als undeutlich erkennbare, verschwommene Gestalt erscheinen lassen.
Die Olympischen Spiele 2016 in Rio nähern sich dem Ende. Zeit, ein medienkritisches Resümee zu ziehen. Wie sind die Medien mit dem internationalen Großevent umgegangen? Wie reagiert die Sportberichterstattung auf wachsende Kommerzialisierung, IOC-Einflussnahme und ständigen Dopingverdacht? Und wie steht es um die Themen Gleichberechtigung und Sexismus?
Wir haben 25 Artikel zusammengestellt, die einen kritischen Blick auf Zusammenspiel und Wechselwirkung von Medien und Sport werfen.
1. Medien-Porno bei Olympia (tagesspiegel.de, Martin Einsiedler)
Das Bild vom entstellten Unterschenkel des Turners Samir Ait Said ging um die Welt – häufiger und expliziter, als es einem lieb sein kann, findet Martin Einsiedler im “Tagesspiegel”: “Es wäre gut, wenn die Lieferanten solcher Bilder verantwortungsvoller mit ihrem Material umgehen, ohne dabei zensorisch zu sein. Den verunglückten Sprung von Said hätte man auch zeigen können, ohne die Grenzen des Erträglichen zu überschreiten. So aber wirkte der Umgang mit dem Unfall vonseiten großer Teile der Medien wie ein billiger Porno: unästhetisch und auf den maximalen Effekt getrimmt.”
2. „Eine Beleidigung der Athleten“ (fr-online.de, Sebastian Moll)
Der US-Sender NBC erntet heftige Kritik für seine Aufbereitung der Olympischen Spiele als Reality-Show. Dahinter stecke ein hartes Marktkalkül: Die Mehrheit der Olympiabetrachter in den USA sei weiblich – die Männer würden sich weiter ihre Baseball- und Footballübertragungen anschauen. Um möglichst viel Werbung und “human interest” einbauen zu können, würden die Wettkämpfe von Rio in den USA auch niemals Live gezeigt.
3. Das teuerste Nischenprogramm aller Zeiten (faz.net, Frank Lübberding)
Der Journalist Frank Lübberding ächzt in seiner TV-Olympia-Kritik über die Rund-um-die Uhr-Berichterstattung von ARD und ZDF. Zu viel, zu pausenlos, zu hektisch. Und wer schaut eigentlich das Nachtprogramm? Lübberding schlägt einen Reset vor: “Da wäre es durchaus eine interessante Überlegung, wenn bei den nächsten Spielen ein Nischensender wie Eurosport aus Tokio berichten würde. Es wäre ein wirkungsvoller Beitrag, um die Olympischen Spiele von ihrem derzeitigen Gigantismus zu befreien, der in dieser Form der grenzenlosen Berichterstattung seinen öffentlich-rechtlichen Ausdruck findet.”
4. Olympische Medien-Spiele: Innovatives Storytelling zu #Rio2016 (medium.com, Frederic Huwendiek)
In Zeiten von Olympischen Spielen drehen die Medien besonders hochtourig und versuchen mit kreativen Innovationen zu glänzen. Frederic Huwendiek berichtet in seinem fortlaufend aktualisierten Beitrag über spannende neue Ansätze des Storytellings, von 360-Grad-Video bis Roboterjournalismus.
5. So berichtet man über Frauen bei Olympia, ohne ein Sexist zu sein (vice.com/de)
Die unpassenden Bemerkungen des ARD-Reportes Carsten Sostmeier bei seiner Reitkommentierung, für die er sich später entschuldigt hat, dienen der “Vice” sich mit sexistischer Sportberichterstattung während der olympischen Spiele zu befassen. Das Problem beginnt schon bei der Aufmerksamkeitsverteilung der Medien: “Über Sportlerinnen wird bei Weitem nicht so viel berichtet wie über Männer. In deutschen Medien liegt der Anteil meist unter 15 Prozent. Schlimm genug, dass diese Berichterstattung dann auch noch sexistische Kommentare, unangemessene Interviewfragen und Artikel über die körperliche Erscheinung beinhaltet.”
6. Olympia 2016: Leibwächter für ARD-Journalisten (spiegel.de)
Der ARD-Journalist Hajo Seppelt hat in den letzten zwei Jahren ein staatlich organisiertes Dopingsystem in Russland aufgedeckt und wurde immer wieder bedroht. Bei Olympia in Rio steht der Investigativreporter nach “Spiegel”-Informationen unter Personenschutz: An seiner Seite bewegen sich, vermutlich auf Veranlassung des NDR, immer zwei Leibwächter, die teils zur brasilianischen Spezialeinheit “Batalhão de Operações Policiais Especiais” gehören, einer Elitetruppe der Militärpolizei von Rio de Janeiro.
7. Wir glotzen Olympia (zeit.de, Stefanie Sippel, Tobias Potratz, Fabian Scheler & Oliver Fritsch)
Die “Zeit” hat eine launige Typologie der Olympia-Zuschauer zusammengestellt. Man unterteilt in “Ottonormalsportgucker”, “Olympia-Junkies”, “Schlaaand-Fans”, “Fußballnerds” und “Aussteiger”.
8. Rio verteidigt die olympische Scheinwelt (derstandard.at, Susann Kreutzmann)
In Rio de Janeiro werde alles getan, um eine heile olympische Welt vorzugaukeln, findet Susann Kreutzmann. Doch die Realität lasse sich nur zeitweilig verbergen, nicht ganz aussperren. Das würden selbst die Athleten erfahren.
9. Olympia im TV: Blech für Bommes (spiegel.de, Dirk Brichzi)
Nach elf Tagen Olympia und elf Tagen öffentlich-rechtlicher Sportberichterstattung verleiht Dirk Brichzi seine persönlichen Medaillen für Programmplanung, Ideenreichtum, Kommentatoren, Co-Kommentatoren, Gäste und TV-Maskottchen. Er verteilt Gold und… Blech.
10. Einfach mal abschalten (tagesspiegel.de, Anett Selle)
Einfach mal abschalten, schlägt Anett Selle im “Tagesspiegel” vor. Olympia verkomme zum Imagefilm des Internationalen Olympischen Komitees. Mit seinen TV-Rechten verdiene das IOC etwa drei Viertel der fünf Milliarden Euro, die es zwischen 2013 und 2016 nach eigenen Angaben eigenommen haben wird. Und so kommt sie zum Schluss: “Das gibt dem IOC Macht, dabei kann es die Rechte nur deshalb teuer verkaufen, weil viele Zuschauer bei Olympia einschalten. Wem also nicht passt, was das IOC aus Olympia macht, kann sich wehren: Und einfach mal abschalten.”
11. Dilemma: Olympia-Freude vs. Doping (ndr.de, Hendrick Maaßen, Video, 4:14 Min.)
Bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro geht es nicht nur um sportliche Leistungen und um die Athleten – es geht auch um Doping. “Zapp” hat sich mit dem Problem beschäftigt und unter anderem den Medienwissenschaftler Thomas Horky dazu befragt. Olympische Spiele seien laut Horky auch immer Unterhaltungsfernsehen. Und darum gelte es für die Kommentatoren und Journalisten, den Spagat zwischen Unterhaltung und angebrachter Kritik auszutarieren.
13. Stimmungslos (begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Bei Gregor Keuschnig mag keine rechte Olympia-Stimmung aufkommen, was an den Fernsehmoderatoren und der medialen Inszenierung liege: “Wie man sich bei ARD und ZDF den medienkompatiblen Sportler vorstellt, konnte man am Sonntag bei einer Schaltung zum »Deutschen Haus« sehen. Elf Medaillengewinner saßen da nebeneinander und nun wollte der Reporter von jedem wissen, wie sie gefeiert haben, was es zu trinken gab, wie die Nachtruhe war, usw. Die Szenerie war an Peinlichkeit kaum zu überbieten; die Sportler, noch gezeichnet von den Feiern, als Pönitenten. Und dann wundert man sich, wenn keine Olympia-Stimmung vor dem Fernseher aufkommt.”
14. Das sind die 6 großartigsten Grafiken zu #Rio2016 (medium.com, Frederic Huwendiek)
Mit Datenvisualisierung lassen sich tolle Dinge umsetzen. Frederic Huwendiek hat die nationalen und internationalen Medien durchgescannt und stellt einige gelungene Grafiken zum Thema Olympische Spiele vor.
15. Olympia: So glanzlos senden ARD und ZDF (maz-online.de, Imre Grimm)
“Schnarchige Betulichkeit wie zu Zeiten von Schwarz-Weiß-Fernsehen und Randsport-Reporter, die sich durch machohafte Ausfälle disqualifizieren. Plus: Probleme mit der Glaubwürdigkeit.” So empfindet Medienredakteur Imre Grimm die Sport-Berichterstattung von ARD und ZDF zu Olympia.
16. Reden bringt Silber, Plappern bringt Gold (zeit.de, Mely Kiyak)
“Zeit”-Kolumnistin Mely Kiyak über die Berichterstattung in Zeiten der Olympischen Spiele: “Schweigende Athleten passen nicht ins Olympia-Fernsehen. Große Brüste und Hirnaussetzer hingegen schon.”
17. Sportjournalismus: Dopingberichterstattung im Abseits (fachjournalist.de, Michael Schaffrath)
Die Sportfakultät der TU München hat eine Onlinebefragung durchgeführt, an der sich 850 Sportjournalisten beteiligt haben. Die Daten flossen in die Studie „Wissen und Einstellung von Sportjournalisten in Deutschland zum Thema Doping“ ein. Das Fazit in Sachen Dopingberichterstattung: “Die Befragung zeigt, dass eine gegenüber dem Einzelsportler kritische und trotzdem Strukturen reflektierende Dopingberichterstattung nicht am Wollen der Sportjournalisten scheitert, sondern – neben defizitären Ressourcen – auch am Nicht-Können der Medienmitarbeiter liegt.”
18. Der Hashtag #CoverTheAthlete prangert sexistische Berichterstattung über Athletinnen an. (jetzt.de, Christina Waechter)
Die Kampagne “Cover The Athlete” will ein Bewusstsein für Sexismus in der Sportberichterstattung schaffen und Journalisten für das Thema sensibilisieren. Schließlich werden weibliche Athleten, wie Christina Waechter berichtet, überdurchschnittlich oft von Reportern zu Dingen befragt, die mit ihrer sportlichen Leistung nichts zu tun haben: zu ihrem Privatleben oder ihrer Erscheinung. Waechter berichtet über die Kampagne, erzählt von einer Studie, die belegt, wie unterschiedlich über Sportler und Sportlerinnen berichtet wird und stellt einige Beispielfälle vor.
19. Heuchelei 24/7? (tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Am letzten Tag der Olympischen Spiele in Rio will das IOC einen eigenen globalen Fernsehkanal starten. 443 Millionen Euro hat man dafür bereitgestellt. Joachim Huber fragt im “Tagesspiegel”, was das Ganze soll: “Was wird da laufen, was soll erreicht werden? Propaganda Tag und Nacht, die Weißwaschung des Sports, der längst in der Grauzone agiert? Oder der Spagat, wie ihn ARD und ZDF Tag für Tag zelebrieren – Jubel und Jammer?”
20. Wie berichtet man über Sport, wenn man ihm misstraut? (sueddeutsche.de, Josef Kelnberger)
Die Berichterstattung von ARD und ZDF aus Rio schwankt zwischen Begeisterung und Skepsis, stellt Josef Kelnberger fest. Die Öffentlich-Rechtlichen würden die moralische Empörung der Deutschen ernstnehmen und trotzdem alles tun, um Quote zu machen. Die moralische Empörung über die Auswüchse Olympias sei nirgendwo so stark wie in Deutschland: “eine Gegenreaktion auf die Überhöhung Olympias als Hort des Schönen und Guten”.
21. Nie ist Fernsehen so deutsch wie bei Olympia (tagesspiegel.de, Katrin Schulze)
Katrin Schulze stört sich in ihrer Kolumne daran, dass sich ARD und ZDF bei Olympia auf Wettbewerbe mit deutscher Teilnahme konzentrieren würden: “Klar, eine Olympia-Übertragung kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. Doch indem sich ARD und ZDF nur auf Deutschland fokussieren, machen sie sich und die Sportwelt unnötig klein.”
22. Diese drei Instagram-Kampagnen verdienen Gold (horizont.net, Philipp John)
Philipp John kennt sich als Chef einer “Influencer-Marketing-Plattform” (es geht um Product Placement bei Youtubern) bestens mit Werbung aus und hat ein besonders Auge auf Social-Media-Kampagnen. In seinem Beitrag bei “Horizont” stellt er drei Kampagnen auf Instagram vor, die aus seiner Sicht Gold verdient hätten.
23. Markenschutz unter den Olympischen Ringen: Übertreibt das IOC? (netzpiloten.de, Dev Gangjee)
Dr. Dev S. Gangjee ist Professor an der Rechtsfakultät der Universität Oxford und beschäftigt sich dort unter anderem mit Fragen des geistigen Eigentums und Markenrecht. In seinem Artikel hinterfragt er die olympischen Markenschutzrichtlinien: “Das IOC ist berechtigt, seine Marke gegen schädliche Nutzung zu schützen – solche, die Verwirrung erzeugt oder ungewünschte Assoziationen hervorruft. Trotzdem wird Olympia durch ein weltweites öffentliches Wohlwollen erhalten bleiben. Die Symbolik der Spiele existiert im Geist der Öffentlichkeit. Wenn das IOC all dieses Wohlwollen beansprucht, während es auch als Zensor wirkt, geht es zu weit.”
24. Zu wenige Frauen an den Mikros (tagesspiegel.de, Gaby Papenburg)
Sport-Kommentatorinnen haben es nicht leicht im deutschen Fernsehen. Die olympischen Spiele in Rio belegen diese traurige Tatsache wie Gaby Papenburg mit Zahlen belegt. Unter den 169 für ARD und ZDF tätigen Journalisten seien nur wenige Frauen (33, um genau zu sein). Höre man genauer hin, dann würden das Sportgeschehen nur drei Frauen kommentieren.
25. ITV schaltet für eine Stunde alle Sender ab (dwdl.de, Thomas Lückerath)
Am Morgen des 27. Augusts – also am Samstag in einer Woche – schaltet der britische TV-Konzern ITV alle sieben Fernsehsender für eine Stunde ab. Dahinter stecke in gewisser Art und Weise ein olympischer Gedanke, wie Thomas Lückerath auf “dwdl.de” schreibt.
1. Moderation bleibt Handarbeit: Wie große Online-Medien Leserkommentare moderieren (netzpolitik.org, Markus Reuter & Ingo Dachwitz)
“Netzpolitik.org” hat zehn große deutsche Tageszeitungen und Onlinemedien gefragt, wie sie intern ihre Moderation organisieren. Vier von ihnen haben geantwortet: “Sueddeutsche.de”, “taz.de”, “Zeit Online” und “Spiegel Online”. Das Ergebnis: Die Moderation beruhe auf individuellen Entscheidungen, Facebook sei herausfordernder als die eigenen Seiten und Lösch-Statistiken gäbe es wenige. Algorithmen und feste Moderationsregeln – außer der Netiquette – würden keine Rolle spielen.
2. Sportjournalismus: Dopingberichterstattung im Abseits (fachjournalist.de, Michael Schaffrath)
Die Sportfakultät der TU München hat eine Onlinebefragung durchgeführt, an der sich 850 Sportjournalisten beteiligt haben. Die Daten flossen in die Studie „Wissen und Einstellung von Sportjournalisten in Deutschland zum Thema Doping“ ein. Das Fazit in Sachen Dopingberichterstattung: “Die Befragung zeigt, dass eine gegenüber dem Einzelsportler kritische und trotzdem Strukturen reflektierende Dopingberichterstattung nicht am Wollen der Sportjournalisten scheitert, sondern – neben defizitären Ressourcen – auch am Nicht-Können der Medienmitarbeiter liegt.”
3. Gerichtsberichterstattung: Grottenschlecht? Thomas Fischer antwortet auf kress.de seinen Kritikern (kress.de, Thomas Fischer)
Das Deutschlandfunkinterview mit dem meinungsstarken und für seinen kraftvollen, gelegentlich beißenden, Ton bekannten “Zeit”-Kolumnist und BGH-Richter Thomas Fischer löste bei einigen Journalisten Proteste aus. Sie fühlten ihren Berufsstand zu Unrecht angegriffen und veröffentlichten entsprechende Antwortartikel. Nun meldet sich Thomas Fischer erneut zu Wort. Wie nicht anders zu erwarten in ungeschönter Direktheit.
4. Der Hashtag #CoverTheAthlete prangert sexistische Berichterstattung über Athletinnen an. (jetzt.de, Christina Waechter)
Die Kampagne “Cover The Athlete” will ein Bewusstsein für Sexismus in der Sportberichterstattung schaffen und Journalisten für das Thema sensibilisieren. Schließlich würden weibliche Athleten, wie Christina Waechter berichtet, überdurchschnittlich oft von Reportern zu Dingen befragt, die mit ihrer sportlichen Leistung nichts zu tun haben: zu ihrem Privatleben oder ihrer Erscheinung. Waechter berichtet über die Kampagne, erzählt von einer Studie, die belegt, wie unterschiedlich über Sportler und Sportlerinnen berichtet wird und stellt einige Beispielfälle vor.
5. Das wichtigste Medium des US-Wutbürgertums (sueddeutsche.de, Hubert Wetzel)
Das Propaganda-Organ “Breitbart News” sei Donald Trumps Wahlkampf-Helfer. Nun werde der Chef der Website sein Wahlkampfleiter. Eine explosive Mischung, wie Hubert Wetzel auf “sueddeutsche.de” findet: “Krawall und Provokation sind Teil der Strategie, mit politischen Konzepten oder Ideen setzt sich Breitbart News nicht auseinander. Die Seite ist weitaus amateurhafter und ruppiger als etwa Fox News, der konservative Fernsehsender. Auch Ironie ist Breitbart News fremd, Selbstironie sowieso. Die Autoren sind ernste Eiferer, auch wenn ihre Artikel manchmal wie Satire klingen.”
6. Heuchelei 24/7? (tagesspiegel.de, Joachim Huber)
Am letzten Tag der Olympischen Spiele in Rio will das IOC einen eigenen globalen Fernsehkanal starten. 443 Millionen Euro hat man dafür bereitgestellt. Joachim Huber fragt im “Tagesspiegel”, was das Ganze soll: “Was wird da laufen, was soll erreicht werden? Propaganda Tag und Nacht, die Weißwaschung des Sports, der längst in der Grauzone agiert? Oder der Spagat, wie ihn ARD und ZDF Tag für Tag zelebrieren – Jubel und Jammer?”
1. Klarstellung: Was sagt die Amadeu Antonio Stiftung? (netz-gegen-nazis.de, Simone Rafael)
Die Amadeu Antonio Stiftung ist unter anderem für die Kampagnen “Kein Ort für Neonazis” und “Mut gegen rechte Gewalt” verantwortlich. Von ihr stammt auch die Broschüre zum Umgang mit “Hate Speech” im Internet, die in Zusammenhang mit einer vom Justizminister einberufenen Taskforce gegen Hasskommentare steht. Die Stiftung sieht sich in der letzten Zeit verschiedenen Vorwürfen und Unterstellungen ausgesetzt und hat nun mit einer Stellungnahme reagiert.
2. Spinnen wir eigentlich alle? (infosperber.ch, Christian Müller)
“Infosperber”-Autor Christian Müller ist aufgefallen, dass immer mehr Zeitungen und Magazine mit Psychologie-Themen aufmachen würden. Bei der von ihm abonnierten “Zeit” ist er besonders fassungslos: “Ich habe doch eine Wochenzeitung abonniert, weil ich mich für Politik, für Wirtschaft, für Gesellschaft und Kultur interessiere. Und vor allem damit ich auch an Informationen und an Meinungen komme, die in meiner Tageszeitung keinen Platz finden. Damit ich nicht einäugig werde. Aber jetzt immer diese Psychologie. Will ich das wirklich? Spinne ich vielleicht?”
3. „Behutsam vorgehen“ – Wie britische Zeitungen über den Brexit berichteten (de.ejo-online.eu, Caroline Lees)
Auswertungen beweisen, dass britische Medienhäuser wie “Daily Mail” und “Telegraph” vor dem Brexit-Referendum massiv für den Ausstieg getrommelt haben. Eine neue Analyse zeigt nun, dass die genannten Medien nach der Entscheidung der Wähler die Sache keineswegs mehr so positiv sehen. Caroline Lees vom “European Journalism Observatory” berichtet ausführlich über die Analyse und die wichtigsten Erkenntnisse daraus.
4. “Amaq”: Seriöse Quelle oder geschickte PR? (ndr.de, Melanie Stein & Daniel Schmidthäussler, Video, 05:03 Min.)
Die sogenannte Nachrichtenagentur “Amaq” reklamiert Anschläge oft als Werk der Terrormiliz “Islamischer Staat” (IS), so auch bei den Anschlägen in Würzburg und Ansbach. Doch können sich Journalisten auf diese Quelle beziehen? Oder machen sie sich damit zum Spielball der “IS”-Propaganda? Melanie Stein und Daniel Schmidthäussler haben mit einem Vertreter einer Nachrichtenagentur, einem Terrorismus-Experten und einem Journalisten darüber gesprochen.
5. Schrecklich jung (sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Die ARD nennt ihren Spartensender Eins Festival künftig One und macht ihn zu ihrem jugendlichen Aushängeschild, so Benedikt Frank in seinem Beitrag über das Bemühen der Öffentlich-Rechtlichen um mehr Jugendlichkeit. Dies geschehe nur einen Monat, bevor das lange erwartete gemeinsame Internet-Jugendangebot mit dem ebenfalls gebührenfinanzierten ZDF online gehe.
6. Reden bringt Silber, Plappern bringt Gold (zeit.de, Mely Kiyak)
Mely Kiyak über die Berichterstattung in Zeiten der Olympischen Spiele: “Schweigende Athleten passen nicht ins Olympia-Fernsehen. Große Brüste und Hirnaussetzer hingegen schon.”
Manchmal gibt es gute Mittwoche. Dann spricht Heinz Buschkowsky beispielsweise darüber, warum er “aus dem Fahrrad-Club ausgetreten” ist, oder er erzählt von der Sprengung eines alten Sendemastes. Viel öfter aber gibt es schlechte Mittwoche. Nämlich immer dann, wenn der Ex-Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln in seiner “Klartext”-Kolumne bei “Bild” über irgendwas schreibt, das mit dem Islam oder mit Muslimen oder beidem zu tun hat. Heute ist so ein schlechter Mittwoch.
Buschkowsky greift für seinen aktuellen Text die Diskussion ums “Burka-Verbot” auf. Und schon in der Überschrift wird klar, wie er dazu steht:
Als ich den Londoner Stadtteil Whitechapel besuchte und auf dem Wochenmarkt fast ausschließlich umgeben war von Burka tragenden Frauen, versetzte es mich in eine surreale Gefühlswelt.
“Scotty, beam mich zurück!”, hätte ich am liebsten gerufen. “Hol mich zurück in die britische Hauptstadt.” So stark war die Botschaft dieses Kleidungsstücks für mich. Genauso erging es mir immer wieder beim Anblick von Burkaträgerinnen auf den Straßen Neuköllns. Als käme einem eine andere Welt auf dem Bürgersteig entgegen.
Nun weiß ich nicht, was Buschkowsky alles in Whitechapel gesehen hat. Ich verbringe aber seit gut drei Jahren ziemlich viel Zeit in Neukölln, gar nicht weit von Heinz Buschkowskys früherem Arbeitsplatz, dem Rathaus Neukölln. In dieser Zeit ist mir keine Person in Burka begegnet. Klar, Frauen im Niqab sieht man immer mal wieder, vielleicht jeden dritten Tag eine oder zwei. Aber in einer Burka? Keine einzige in drei Jahren.
Vielleicht kennt Heinz Buschkowsky ganz andere Neuköllner Ecken als ich und begegnet andauernd Burka-Trägerinnen. Vermutlich meint er aber einfach gar nicht die Burka, sondern eben den Niqab, einen Schleier, der ebenfalls viel verhüllt, im Gegensatz zur Burka aber meist die Augen freilässt. Später in seiner Kolumne erwähnt Buschkowsky den Niqab auch noch einmal explizit. (Um das Vokabular noch etwas zu ergänzen: Der Tschador und der Hidschab sind noch mal andere Kleidungsstücke.)
Mit dem Durcheinanderwürfeln der Begriffe ist Heinz Buschkowsky nicht allein. Die “Bild”-Redaktion hat seinen Artikel zum “Burka-Verbot” mit einer Niqab-Trägerin bebildert:
Und auch in den vergangenen Tagen wollten oder konnten die “Bild”-Medien kein Foto einer Burka-Trägerin in Deutschland auftreiben und veröffentlichen. Sie zeigen immer nur Frauen, die in einer anderen Variante verschleiert sind:
(“Bild” vom 12. August)
(“Bild” vom 13. August)
(Bild.de vom 14. August)
(“Bild” vom 17. August)
Schaut man sich die derzeitige Berichterstattung zum “Burka-Verbot” an, wird man das Gefühl nicht los, dass es nicht besonders viele Frauen hier in Deutschland gibt, die eine Burka tragen. Wenn Eric Markuse in “Bild” kommentiert: “Die Burka gehört nicht zu Deutschland”, will man ihm am liebsten antworten: Es gibt sie hier anscheinend ja auch so gut wie gar nicht.
Natürlich darf man der Meinung sein, dass auch der Niqab problematisch ist, und nicht nur die Burka, sondern Vollverschleierung im Allgemeinen verboten werden sollte. Aber dann sollte man nicht von einem “Burka-Verbot” sprechen, nur weil es griffiger ist als “Niqab-Verbot” oder “Verbot der Vollverschleierung”. Es geht hierbei schließlich nicht um einen Olympiasieger aus Vietnam, den man im Boulevardstil schnell mal “Pistolen-Vietnamesen” nennen kann. Es geht um eine Debatte, die in letzter Konsequenz bedeutet, dass einem Teil der Bevölkerung verboten wird, ein bestimmtes Kleidungsstück anzuziehen. Und bei einem derartigen Eingriff ins Privatleben dieser Leute sollte es doch möglich sein, die richtigen Vokabeln zu benutzen.
Doch so, wie die meisten Medien aktuell berichten, dürfte sich das falsche Vokabular in der Gesellschaft etablieren. “Focus Online” berichtet über das “Burka-Verbot” und zeigt Niqab-Trägerinnen:
Genauso “Zeit Online”, “NWZ Online”, augsburger-allgemeine.de. Die Auswahl ist beliebig und ließe sich noch lange fortführen. Manche Redaktionen zeigen Fotos von Burka-Trägerinnen in Afghanistan. Aber ein Bild einer Frau in Burka in Deutschland hat offenbar noch keine von ihnen gefunden.
Im Fernsehen sieht es nicht besser aus. Ein Beispiel: ein Beitrag im “Sat.1-Frühstücksfernsehen” von gestern über “Burkas in Garmisch: So reich machen Araber die Region!” In den 4:57 Minuten sind zwar einige verschleierte Frauen zu sehen, aber keine einzige trägt eine Burka. Manche von ihnen tragen sogar lediglich einen Hidschab:
Bei meiner Suche nach Bildern von Burka-Trägerinnen in Deutschland bin ich am Ende dann doch noch fündig geworden: Bei sueddeutsche.de sind zwei Personen zu sehen, beide in einer Burka verhüllt, eine kleine Deutschlandfahne ist auch noch zu erkennen — Volltreffer. In der Bildunterschrift steht:
Wie fühlt man sich mit einer Burka? Besucher einer Ausstellung im Kunstverein Wiesbaden konnten das im Jahr 2012 ausprobieren.