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Wie, wenn nicht mit zwei Frauen-Hintern, sollte man das Thema “Billig reisen dank Wechselkurs” auch sonst bebildern?
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Wie, wenn nicht mit zwei Frauen-Hintern, sollte man das Thema “Billig reisen dank Wechselkurs” auch sonst bebildern?
1. Warum die Diskussion, ob Stefan Kretzschmar plötzlich rechts ist, nur der AfD hilft
(bento.de, Jan Petter)
Auf Twitter und Facebook sorgt ein isolierter Interviewausschnitt mit dem Ex-Handballer Stefan Kretzschmar für viel Kritik und wird besonders in rechten Kreisen gerne und oft geteilt. Jan Petter stellt dazu fest: “Kretzschmar beklagt nicht, dass man für rechte Parolen Gegenwind erhalte, so wie es manche Kritiker nun weismachen wollen. Sondern nur, dass es polarisierende Meinungen heute schwerer hätten und es bequem geworden sei, einfach unpolitisch zu bleiben.”
2. Gute Zuwanderer, schlechte Zuwanderung: So unausgewogen waren die Flüchtlings-Berichte
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
War die Berichterstattung der Medien über die “Flüchtlingskrise” so einseitig und irreführend, wie ein größerer Teil der Bevölkerung meint? Eine Inhaltsanalyse räumt mit einigen Vorurteilen auf und zeigt: Es ist komplizierter. Und schon gar nicht stimme es, so Stefan Niggemeier, dass die Berichte von “Bild” über das Thema “ausgewogen” waren, wie das Blatt heute stolz auf Seite 1 behauptet.
3. “Die digitale Viertelstunde” mit Martin Fuchs
(lead-digital.de, Christian Jakubetz, Audio: 17:13 Minuten)
Christian Jakubetz hat sich in der “digitalen Viertelstunde” mit dem Politikberater Martin Fuchs über den Rückzug des Grünen-Politikers Robert Habeck aus den sozialen Medien unterhalten. Fuchs kann Habeck zwar verstehen, wäre aber dennoch zu einer anderen Entscheidung gekommen.
4. «Am liebsten würde ich ein Porträt von Erwin Koch oder Margrit Sprecher über Relotius lesen.»
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Daniel Puntas Bernet ist der Chefredakteur des Magazins “Reportagen”, bei dem Claas Relotius als “Hausautor” geschrieben hat. Im Interview mit der “Medienwoche” spricht Bernet über seinen ersten Kontakt mit Relotius, seinen Zweifeln und seiner Einschätzung der Person Relotius: “Ich habe das Gefühl, dass er in Wirklichkeit ein scheuer Typ ist und gar kein klassischer Reporter. Ein Reporter muss neugierig sein, muss frech sein, muss vorwärts gehen, muss Menschen anreden können, auf sie zu- und eingehen wollen und sie auch mal fair kritisieren. Auch muss er seine These über den Haufen werfen können und in eine neue Richtung recherchieren, wenn es mal nicht läuft. Diese Grundelemente der Reporter-DNA fehlen Relotius offensichtlich. Ihm scheint es an Empathie zu fehlen, mit Menschen in Verbindung zu treten und wirklich etwas aus ihnen herauszuholen. Deshalb, so meine Vermutung, begann er zu erfinden.”
5. Vollpfosten sind Vollpfosten
(taz.de, Christian Rath)
Eine Facebook-Nutzerin hatte das Verhalten der Identitären Bewegung mit “Vollpfosten sind Vollpfosten und basta” kommentiert und war dafür vom Netzwerk für 30 Tage gesperrt worden. Zu Unrecht, wie nun das Amtsgericht Tübingen entschieden hat.
6. Für dieses Programm lohnt sich jeder Gebührencent
(welt.de, Timo Feldhaus)
Timo Feldhaus hat ein Loblied auf “Klassik-Pop-et cetera” (“Deutschlandfunk”) verfasst. In der seiner Meinung nach schönsten Radiosendung der Welt stellen die unterschiedlichsten Personen eine Stunde lang ihre Lieblingsmusik vor. Ganz altmodisch und frei von jeden Algorithmen: “Die Musik kommt uns entgegen, gerade nicht, weil ich vorher diese und jene Musik gehört habe, gerade nicht aufgrund eines genialen technischen Codes, gerade nicht, weil ich vorher irgendetwas getan habe, aufgrund dessen mich ein System erkannt und kategorisiert hat — sondern weil es Lieder sind, die einem anderen Menschen übrig geblieben sind.”
Julian Reichelt will ja bekanntermaßen nicht, dass man sein Gehalt öffentlich schätzt. Das könne schließlich seine Familie in Gefahr bringen, so der “Bild”-Chef. Aber was laut Julian Reichelt für Julian Reichelt gilt, gilt bei “Bild” längst nicht für alle Menschen.
Reichelts Redaktion kündigt in ihrer Überschrift an: “Das kassieren die Manager der 18 Bundesliga-Klubs”. Im Artikel folgen recht konkrete Angaben zu den Gehältern von Michael Zorc (BVB), Jörg Schmadtke (VfL Wolfsburg), Ralf Rangnick (RB Leipzig), Hasan Salihamidzic (FC Bayern München), Christian Heidel (FC Schalke 04), Rudi Völler (Bayer 04 Leverkusen), Horst Heldt (Hannover 96), Max Eberl (Borussia Mönchengladbach), Frank Baumann (Werder Bremen), Fredi Bobic (Eintracht Frankfurt), Stefan Reuter (FC Augsburg), Michael Preetz (Hertha BSC), Rouven Schröder (Mainz 05), Alexander Rosen (TSG Hoffenheim), Michael Reschke (VfB Stuttgart), Andreas Bornemann (1. FC Nürnberg), Jochen Saier (SC Freiburg) sowie Lutz Pfannenstiel (Fortuna Düsseldorf).
Spricht man Julian Reichelt auf die Diskrepanz zwischen dem, was er für sich selbst beansprucht, und seinem Handeln an, antwortet er, dass die Bundeskanzlerin zum Beispiel “eine Angestellte der Menschen in diesem Staat” ist, und es daher selbstverständlich sei, dass ihr Gehalt öffentlich ist:
In der Privatwirtschaft ist das eben nicht so, weil da kein zwingendes öffentliches Interesse besteht. Denn die Öffentlichkeit bezahlt mein Gehalt ja nicht.
Dass die Öffentlichkeit auch nicht das Gehalt von Michael Zorc, Jörg Schmadtke und all den anderen oben Genannten zahlt, muss Reichelt übersehen haben.
Und wer will am In-Gefahr-bringen-von-Fußball-Manager-Familien auch noch etwas verdienen? Julian Reichelts Bild.de — es handelt sich schließlich um einen “Bild plus”-Artikel.
Wen Julian Reichelt nach Julian-Reichelt-Logik sonst noch in Gefahr gebracht haben könnte:
Am Sonntagmorgen klingelten Beamte des Bundeskriminalamts (BKA) bei Jan Schürlein, durchsuchten anschließend seine Wohnung und befragten den 19-Jährigen zum großen Datenklau. Schürlein hatte nach eigener Aussage Kontakt zu der Person, die das BKA wenige Tage später als geständigen Tatverdächtigen präsentierte.
Als die BKA-Beamten verschwunden waren, klingelte es wieder an Schürleins Tür, dieses Mal standen Journalisten davor. Sie hatten von der Durchsuchung gehört und vermuteten nun die große Story. Manche machten Schürlein flugs zum Tatverdächtigen oder titelten: “Spur des Politiker-Leaks führt zu 19-Jährigem in Heilbronn”. Das BKA stellte später klar, dass es sich bei Schürlein um einen Zeugen handelt.
Wir haben mit Jan Schürlein über den Medienrummel vor seiner Wohnung und um seine Person gesprochen.
Wann hast du die erste Medienanfrage bekommen?
Die kam bereits, soweit ich mich erinnere, am Samstag. Also noch bevor das BKA bei mir war. Zuvor hatte ein alter Kollege in TV-Interviews und über Soziale Medien auf mich aufmerksam gemacht.
Und wie viele waren es seitdem?
Insgesamt fast bis in den dreistelligen Bereich, wenn nicht sogar mehr. Ganz genau kann ich das nicht sagen. Es war auf jeden Fall eine regelrechte Flut, die nicht zu bewältigen war. Die erste Anfrage für ein TV-Interview kam dann auch direkt von RTL.
Gab es Unterschiede bei der Art und Weise, wie die Anfragen formuliert waren?
Ja, natürlich. Die meisten waren sehr freundlich und höflich. Ein paar sehr wenige aber auch ziemlich arrogant, sehr aufdringlich und unverschämt. Zum Beispiel diese Anfrage, die von “Bild” kam:
Du hast getwittert, dass Journalisten das Haus deiner Familie und Nachbarn belagerten, nachdem das BKA bei Dir war. Was war da genau los?
Ich war zum Glück die ganze Zeit nicht zu Hause, stand aber mit Personen von vor Ort und meiner Familie, die auch da wohnt, natürlich immer wieder in Kontakt. Die ersten, die am Haus waren, kamen von der “Heilbronner Stimme”. Später wurden Kamerastative auf der Straße aufgebaut, das Haus wurde von RTL, aber vermutlich auch von anderen Sendern gefilmt. Ein Kamerateam wollte wohl auch in das Haus meiner Nachbarin. Geschätzt wurde die Zahl an Personen, die über den Tag verteilt anwesend waren, auf um die zwanzig.
“Bild”-Reporter haben das Haus auch noch länger belagert, vermutlich in der Hoffnung, mich irgendwann abzufangen. Die saßen mehrere Stunden in einem schwarzen Auto mit Stuttgarter Kennzeichen vor dem Haus.
Wie haben Deine Verwandten und Nachbarn reagiert?
Die waren verärgert. Die Nachbarn haben unter anderem mit einem Rechtsanwalt gedroht.
Manche Journalisten sind auch Angehörigen von mir hinterhergelaufen. Selbst meinem jüngeren Cousin, der gerade mal 8 Jahre alt ist. Geklingelt haben sie natürlich auch. Nach meiner Information hat aber niemand versucht, irgendwie ins Haus zu gelangen.
Hast Du inzwischen wieder Deine Ruhe?
Durch die aktuelle Medienpräsenz nicht, aber früher oder später sollte sich hoffentlich alles beruhigen.
Das Interview haben wir schriftlich geführt.
Die “Bild”-Zeitung und das Dschungelcamp: lange Zeit das Traumpaar schlechthin. Sie liebten sich, warfen sich die Bälle zu, pushten sich gegenseitig, fast 15 Jahre lang.
So bekam “Bild” immer zuerst gesteckt, welche Kandidaten in den Dschungel ziehen würden (oder freiwillig aufgaben), erhielt exklusive Einblicke und Interviews mit den Teilnehmern. Im Gegenzug veranstaltete das Blatt während der Camp-Wochen immer ein gewaltiges Spektakel und machte gerade zum Beginn der Staffeln jede Menge Werbung für die RTL-Show, mit Schlagzeilen wie:
Doch in diesem Jahr ist alles anders.
Zum ersten Mal hat die “Bild”-Zeitung kein Team nach Australien geschickt. Und auch der Ton der Berichterstattung hat sich schlagartig geändert. Am vergangenen Dienstag titelte “Bild”:
Darin listet das Blatt auf, wie viel hinter den Dschungel-Kulissen geschummelt wird, was im Camp alles “Fake” ist, und erklärt, dass die Show in Wirklichkeit für “Weicheier” sei:
“Diese Show lebt von der Illusion. Tatsächlich ist nichts, wie es scheint”, ätzen die “Bild”-Reporter, die in den Jahren zuvor noch so voller Liebe über das Format geschrieben hatten.
RTL schlug noch am gleichen Tag zurück und veröffentlichte in einer Pressemitteilung sämtliche Fragen von “Bild” und die eigenen Antworten gleich mit:
Die “BILD”-Zeitung kündigt in ihrer heutigen Ausgabe eine “große Enthüllungsserie” zum Dschungelcamp an. Wir “enthüllen” an dieser Stelle schon einmal den umfangreichen Fragenkatalog, den uns BILD dazu am Freitag gestellt hat — und unsere Antworten.
Bei “Bild” mussten sie sich daraufhin den Spott anderer Medien gefallen lassen. Nicht nur, weil RTL ihnen durch die Vorab-Veröffentlichung “in die Parade gefahren” war, sondern auch wegen des Inhalts des Fragenkatalogs. So schreibt “DWDL”:
Manche der Fragen geben ebenso wie einige Antworten durchaus Anlass zum Schmunzeln. Angesprochen auf ein Tempolimit auf dem TV-Gelände, erklärt RTL: “In ganz Australien gibt es Tempolimits.” Und auf die Frage, wie das aktuelle Verhältnis zu den Anwohnern sei, antwortet der Sender einsilbig: “Gut.” Daneben will “Bild” etwa wissen, ob australische Skorpione stechen können, was RTL bejaht. Und warum in der Crew-Bibel vor der Ausrutschgefahr gewarnt wird, kann “Bild” nicht so recht nachvollziehen. Hier klärt RTL auf: “Das Produktionsgelände befindet sich im Regenwald. Von daher kann es bei Nässe teilweise rutschig sein.”
Am Tag darauf legte “Bild” nach:
Und am Tag darauf schon wieder:
Und am Tag darauf, also heute, schon wieder:
Doch warum jetzt die plötzlichen Attacken auf den einstigen Kuschelpartner?
Nun, vor wenigen Wochen hat RTL seine Website (unter Führung eines ehemaligen “Bild”-Mannes) zu einem Boulevard-News-Portal umgebaut. Damit will die Mediengruppe auch und gerade den “Bild”-Medien Konkurrenz machen. Und war damit schon erfolgreich: Den Namen des neuen Freundes von Helene Fischer hatte die Website von RTL zuerst — die Website von “Bild” musste nachziehen. Auch bei anderen Promi-News musste sich “Bild” dem neuen RTL-Portal geschlagen geben.
Und derart in die Ecke gedrängt, verhält sich “Bild” eben nicht anders als ein wildes Tier im Dschungel.
1. Des Kremls treue Helfer
(rbb-online.de, Video: 7:46 Minuten)
Russische Auslands- und Staatsmedien spannen geschickt deutsche Politiker für sich ein, und die lassen sich einspannen: So treten dort immer wieder Politiker von AfD und Linke als zweifelhafte Experten und Interviewpartner auf. “Kontraste” zeigt in einem Videobeitrag, wie das Netzwerk der Helfer der russischen Propaganda funktioniert.
Weiterer Lesehinweis: Ex-MDR-Chefredakteur Wolfgang Kenntemich als Lobbyist für RT: RT Deutsch auf allen Rundfunkwegen (tagesspiegel.de, Joachim Huber).
2. “Lügenpresse” verbreitet AfD-Version der Attacke auf Bremer AfD-Chef
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Viele Medien übernahmen ungeprüft die nicht zutreffende Darstellung der AfD von einem Überfall auf den Bremer AfD-Vorsitzenden Frank Magnitz mit einem angeblichen Kantholz. Stefan Niggemeier analysiert den Fall und kommentiert: “Eine schnelle konkrete Schilderung mit griffigen Details wie dem “Kantholz” ist als Material für Journalisten verführerisch — Konjunktiv-Formulierungen mit Quellenangabe hingegen sind lästig. Diese Ungenauigkeiten und Fehler sind ärgerlich. Und es macht sie nicht weniger ärgerlich, dass sie im Eifer des Gefechts immer wieder passieren. Aber sie müssen nicht in irgendeiner Weise politisch motiviert sein. Nicht, um der AfD zu schaden, wie ihre Anhänger sonst immer wieder unterstellen. Und nicht, wie in diesem Fall, um den ohnehin schlimmen Angriff auf den AfD-Politiker bewusst noch schlimmer erscheinen zu lassen. Es geht hier nicht um die viel diskutierte journalistische “Haltung”. Es geht um journalistisches Handwerk, um Genauigkeit.”
3. Axel Springer scheitert auch in Straßburg
(lto.de, Tim Korkala)
Der Springer-Verlag hat im juristischen Streit mit dem Wettermoderator Jörg Kachelmann eine weitere Niederlage erlitten. 2011 hatte das Landgericht Köln “Bild” untersagt, ein während Kachelmanns Gefängnisaufenthalt heimlich aufgenommenes Foto zu verbreiten. Dagegen war “Bild” vorgegangen und hat alle Instanzen ausgeschöpft, bis hin zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Dieser beschied nun, dass die deutschen Gerichte zu Recht davon ausgegangen seien, dass das Foto “keinerlei Mehrwert zur Berichterstattung” bot und es sich um einen erheblichen Eingriff in die Privatsphäre gehandelt habe.
4. Ältere und Konservative teilen öfter Fake News
(faktenfinder.tagesschau.de)
Eine amerikanische Forschungsstudie zu Fragen der Medienkompetenz kommt zu dem Schluss, dass Nutzer sozialer Medien ab 65 Jahren fast siebenmal häufiger Falschmeldungen teilen als jüngere Personen. Die Autoren der Studie begründeten das Ergebnis mit der mangelnden digitalen Medienkompetenz älterer Menschen sowie mit einem schlechteren Erinnerungsvermögen.
5. Nach Relotius: Reporter hinterfragen sich
(ndr.de, Tim Kukral & Inga Mathwig)
Immer wieder erwarten Redaktionen von ihren Reportern hollywoodreife Geschichten. Nach einem Twitter-Aufruf meldeten sich freie Journalisten, die Erschreckendes berichteten: In ihre Texte seien nicht getätigte Interview-Aussagen hineinredigiert worden, oder es wurden ihnen unzulässige Zuspitzungen abverlangt. “Zapp” hat mit Fabian Goldmann gesprochen, der den Twitter-Aufruf gestartet hat, und weitere Journalisten dazu angehört.
6. Ein Gruß aus der Küche
(taz.de, Leonie Gubela)
Ein Nachrichtenformat auf der Selbstdarstellung-Plattform Instagram? Noch dazu von einem öffentlich-rechtlichen Sender wie dem BR entwickelt? Leonie Gubela berichtet über die “News-WG” und darüber, wie es zu dem digitalen News-Format für junge Leute kam.
Es ist schon ein bisschen beeindruckend, wie die “Bild”-Redaktion es momentan schafft, beim Thema Datenklau immer wieder danebenzuliegen. Erst Redakteur Julian Röpcke, der behauptet, Fälle von “bad political scandals” in dem Material gefunden zu haben — was sein Chef Julian Reichelt später völlig anders sah:
Meine große Schlussfolgerung daraus ist, dass in enorm vielen Daten enorm wenig, so gut wie gar kein wirklich brisantes, skandalöses Material dabei war
Und dann “Bild”-Chef Reichelt, der, kurz bevor ein 20-jähriger Schüler, der noch bei seinen Eltern wohnt, vom Bundeskriminalamt (BKA) als geständiger Einzeltäter präsentiert wird, sagt:
Ich glaube, was relativ klar ist: Das waren nicht ein oder zwei Jungs, die bei Pizza und Cola light im Keller gesessen haben, bisschen Computerspiele, bisschen Youtube und dann bisschen was gehackt haben und das dann aufbereitet haben. Das muss eine größere Struktur gewesen sein.
Heute ist “Bild” der nächsten ganz kalten Sache auf der Spur:
Daten-Dieb Johannes S. (20) hatte nach BILD-Informationen teilweise Passwörter der gehackten Promis und Politiker im sogenannten „Darknet“ gekauft, um illegal Zugang zu ihren Daten zu bekommen!
Und woher stammen diese “BILD-Informationen”?
Auch einige der von ihm auf “Twitter” veröffentlichten Social-Media-Daten hatte der Arzt-Sohn im “Darknet” zuvor erworben, wie BILD aus Ermittlerkreisen erfuhr.
Ah, die Ermittler. Was sagt denn zum Beispiel BKA-Präsident Holger Münch dazu?
Einem Bericht der “Bild”-Zeitung, wonach der mutmaßliche Täter Daten wie Passwörter im Darknet gekauft haben soll, hat BKA-Chef Münch in der Sondersitzung widersprochen.
Das steht heute bei “Spiegel Online”. Und der Absatz geht noch weiter:
Das passt zu Aussagen der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT): “Uns liegen nach derzeitigem Stand der Ermittlungen keinerlei Erkenntnisse darüber vor, dass der Beschuldigte Daten im Zusammenhang mit dem Leak im Darknet gekauft hat”, hieß es von dort auf SPIEGEL-Nachfrage. “Weder was Passwörter angeht noch ganze Datensätze. Es gibt dahingehend keinen neuen Sachstand.”
Die “Bild”-Redaktion kommt wohl auch auf die Sache mit dem Darknet, weil die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main ihr gegenüber bestätigt habe, dass sie auch wegen Datenhehlerei ermittle. “Bild” schreibt:
Woher genau, beziehungsweise aus welcher früheren Hacker-Attacken [sic], die im Darknet zum Kauf angebotenen Daten-Sätze stammen, ist noch unklar.
Aber auch dazu steht etwas bei “Spiegel Online”:
Zwar ermittele man von Anfang an auch wegen Datenhehlerei, weil immer die Möglichkeit bestehe, dass Teile eines Leaks auf Datenausspähungen Dritter beruhen. “Im aktuellen Fall gibt es diesbezüglich aber weder Hinweise auf Darknet noch auf Ankauf”, so die ZIT.
Viele Medien übernahmen heute die Darknet-Geschichte und nannten “Bild” als Quelle. Julian Reichelt und sein Team sind gerade zum meistzitierten Medium Deutschlands gekürt worden. Das klappt auch dank solcher Geschichten. Der “Bild”-Chef kann wirklich stolz sein auf seine “leidenschaftliche Redaktion, die nichts mehr liebt als die harte exklusive News, an der niemand vorbei kann.”
Mit Dank an @MKTuningDO für den Hinweis!
… steht seit heute Mittag bei Welt.de. Und auch auf ihrem Twitter-Kanal lässt die Redaktion es so wirken, als wäre im Fall des am Montag angegriffenen AfD-Politikers Frank Magnitz ein Bekennerschreiben “aufgetaucht”, also so ein richtiges:
Das Problem dabei, und das kommt erst später im “Welt”-Text: Es gibt erhebliche Zweifel an der Authentizität des Schreibens, das von einer bisher unbekannten Gruppe namens “Antifaschistischer Frühling Bremen” stammen soll. Diese Zweifel liegen vor allem an der Quelle: Das “Bekennerschreiben” ist nämlich bei “Indymedia” aufgetaucht, wo jeder anonym solche Texte veröffentlichen kann. Noch einmal, weil Redaktionen das offenbar gerne vergessen: Jeder kann bei “Indymedia” unter irgendeinem Namen ein angebliches “Bekennerschreiben” veröffentlichen. Welt.de schreibt zur aktuellen (und inzwischen wieder gelöschten Veröffentlichung bei “Indymedia”) dennoch: “Es wurde von einer Antifa-Gruppe im Internet veröffentlicht”.
Wie falsch das sein kann, haben nun schon mehrere Fälle gezeigt. 2016 etwa tauchte nach zwei Sprengstoffanschlägen in Dresden, einer davon auf eine Moschee, bei “Indymedia” ein vermeintliches Bekennerschreiben einer Antifa-Gruppe auf, das sich als Fälschung entpuppte. Dennoch berichteten mehrere Medien, als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle. 2017, nach dem Anschlag auf den Mannschaftsbus des BVB, tauchte bei “Indymedia” ein vermeintliches Bekennerschreiben einer Antifa-Gruppe auf, das sich als Fälschung entpuppte. Und wieder berichteten Medien, als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle.
Nun taucht bei “Indymedia” also ein angebliches Bekennerschreiben zum Angriff auf AfD-Mann Magnitz auf, und Welt.de veröffentlicht eine Überschrift, als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle. (Man kann durchaus dafür plädieren, dass ein anonymes Posting auf “Indymedia” überhaupt “keinen Bericht wert” ist.)
Genauso die Redaktion von “Der Westen”:
Kein distanzierendes “angeblich” in der Titelzeile (wie beispielsweise bei tagesschau.de und RTL.de), kein “Zweifel” (wie beispielsweise bei FAZ.net und stern.de). Als wäre es sicher, dass es sich um ein authentisches Bekennerschreiben handelt. Und als wäre “Indymedia” eine ganz normale, seriöse Quelle.
Am vergangenen Sonntag ist ein 32-Jähriger aus Baden-Württemberg beim Ski-Fahren ums Leben gekommen. Eine erste Lawine überlebte der Mann noch dank eines Airbags. Während er bis zu den Knien im Schnee feststeckte, verschüttete ihn allerdings eine zweite Lawine. Die Bergretter konnten den Mann nicht wiederbeleben.
Die “Bild”-Redaktion berichtete gestern über den tragischen Vorfall. Aber nicht etwa rücksichtsvoll irgendwo weiter hinten im Blatt komplett ohne Foto oder wenigstens mit Verpixelung, sondern riesig auf der Titelseite, über dem Bruch, mit unverpixeltem Bild:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag stammen von uns.)
Auf Seite 3 zeigte sie dann noch ein weiteres Foto des Verstorbenen …
… das auch Bild.de veröffentlichte, bereits vorgestern Abend auf der Startseite:
Die Aufnahmen haben sich die “Bild”-Medien offenbar vom Facebook-Profil des Mannes gezogen. Eine Person aus dessen engerem Freundeskreis sagte uns, dass die Familie einer Veröffentlichung nie zugestimmt hat und sich nun rechtlich dagegen wehren wird.
Nachtrag, 11. Januar: Wir hatten auch bei “Bild” nachgefragt, woher die Redaktion die Fotos hat und ob sie vor Veröffentlichung bei der Familie des Verstorbenen nachgefragt hat, ob sie die Fotos unverpixelt verwenden darf. Wir haben bisher keine Antwort auf unsere Fragen erhalten.
1. Den Hass benennen
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
Anlässlich der beiden jüngsten Gewaltverbrechen aus rassistischen beziehungsweise frauenfeindlichen Motiven kritisiert Margarete Stokowski die Medien. Diese würden oft die Taten verharmlosen und den Hass und die Opfer ausblenden: “In beiden Fällen wurden Taten, die ohne Rassismus und Sexismus nicht passiert wären, verharmlost, entpolitisiert, psychologisiert. Es ist ein Geschenk an die Täter und Gleichgesinnte, ihren Hass auszuklammern und ihre Gewalt als Sonderfall darzustellen. Auch wenn es hart ist, in einer Welt zu leben, die immer noch von Rassismus und Frauenhass geprägt ist, hilft es nicht, wenn Journalistinnen und Journalisten die Taten, die daraus entstehen, kleinreden.”
2. “Bild” freut sich zu früh
(taz.de, Steffen Grimberg)
Die “Bild”-Zeitung feiert sich aktuell als “meistzitiertes Medium”. 1.203-mal sei das Blatt laut des “angesehenen Zitate-Rankings von Media Tenor” im vergangenen Jahr mit Nachrichten, Berichten, Interviews von anderen Medien zitiert worden und damit häufiger als die Zweit- und Drittplatzierten “Spiegel” und “New York Times”. Problematisch ist jedoch eben jenes Zitate-Ranking besagter Firma, so Steffen Grimberg: “Denn bei Media Tenor handelt es sich um einen Laden, der mit der Kneifzange anzufassen ist.”
3. Einschalten zum Gebet
(sueddeutsche.de, Carolin Werthmann)
Sind angesichts des dramatischen Rückgangs von Kirchenmitgliedern kirchliche Verkündigungssendungen überhaupt noch zeitgemäß? Mit diesen und anderen Fragen zur medialen Präsenz von Kirchen beschäftigt sich Carolin Werthmann bei Süddeutsche.de.
4. Türkisches Gericht verurteilt Journalistin wegen Diffamierung
(faz.net)
Die türkische Journalistin Pelin Ünker war an der internationalen Recherche über Briefkastenfirmen und Steueroasen (“Paradise Papers”) beteiligt. Ihre Arbeit an dem Projekt führte unter anderem dazu, dass der damalige Ministerpräsident Binali Yildirim aufflog. Nun ist Ünker in der Türkei zu rund einem Jahr Haft verurteilt worden — wegen “Beleidigung”.
5. Nach mir die Sintflut
(kontextwochenzeitung.de, Willi Germund)
Der Journalist und Auslandskorrespondent Willi Germund wundert sich nicht über den Fall “Claas Relotius”: “Die Relotius-Methode ist zumindest in der Auslandsberichterstattung weder neu noch eine Erfindung des tiefgestürzten Lieblings der deutschen Lobpreisungs-Industrie und Talkshows. Sie wurde spätestens an dem Tag geboren, an dem Printmedien beschlossen, Reporter aus der Heimatredaktion bei Krisenfällen oder speziellen Geschichten loszuschicken.”
6. “Niveau ist kein Maßstab”
(deutschlandfunk.de, Sebastian Wellendorf, Audio: 8:24 Minuten)
Für die satirische TV-Serie “Labaule & Erben” hat Harald Schmidt die Welt der fiktiven Verlegerfamilie Labaule ersonnen (zu sehen in der ARD-Mediathek). Im “Deutschlandfunk” spricht Schmidt über sein Erfolgsrezept als TV-Unterhalter und erzählt, wie er reagierte, als er vom Betrugsfall “Claas Relotius” hörte (der Ähnlichkeiten mit einem Betrugsfall in Schmidts Miniserie hat): “Ich sank auf die Knie, entzündete eine Kerze und dankte dem Seriengott für dieses einmalige Geschenk.”
Weitere Leseempfehlung: Die TV-Kritik von Joachim Huber beim “Tagesspiegel”: Die ganze Welt ist Ärger.