Man sagt ja, es gebe keine doofen Fragen, nur doofe Antworten. Aber manchmal.
Der, nun ja, Gedanke hinter dieser Bild.de-Startseitengeschichte geht so: Gut möglich, dass das Coronavirus von einer Fledermaus, vielleicht über ein anderes Säugetier als Zwischenwirt, auf den Menschen übertragen wurde — also:
Die “Bild”-Leute haben sogar einen Professor, den sie vorschieben können:
So oder so stellt der US-amerikanische Uni-Professor Scott Galloway (55) den Schutz von Fledermäusen infrage, geht noch weiter und spricht sogar eine Begrenzung der Zahl der Säugetiere an. Er schreibt beim Kurznachrichtendienst Twitter: “Vier von vier der tödlichsten Viren der letzten Zeit stammen von Fledermäusen: Ebola, SARS, MRSA und Covid.”
Während Scott Galloway von “limiting” spricht, also vom Begrenzen, wird bei Bild.de daraus gleich eine komplette Ausrottung der Fledermäuse. Im Original lautet Galloways Tweet:
Scott Galloway ist tatsächlich, wie Bild.de schriebt, Professor. Allerdings nicht etwa für Virologie oder für Epidemiologie und auch nicht für Biologie oder für irgendetwas anderes zum Thema Passendes, sondern für Marketing. Das erklärt vielleicht, warum er so einen hanebüchenen Unsinn schreibt, den die “Bild”-Redaktion bedenkenlos wiedergibt: MRSA zählt nicht zu den “vier der tödlichsten Viren der letzten Zeit”, schlicht weil MRSA kein Virus ist. Bei Methicillin-resistenten Staphylococcus aureus handelt es sich um Bakterien, die gegen Antibiotika resistent sein können. Sie zählen zu den sogenannten “Krankenhauskeimen”. Vielleicht meinte Galloway eigentlich MERS, das ein weiteres Coronavirus ist. Aber bis auf die Buchstaben M, R und S hat das eine mit dem anderen nicht so irre viel zu tun. Und eine Verwechselung würde aus Galloway nicht gerade einen Experten machen, den man zitieren sollte.
Die “Bild”-Leute scheinen solche Details aber nicht weiter zu jucken. Sie übersetzen einfach ohne irgendeine Einordnung und präsentieren Scott Galloway als vermeintlichen Fachmann für die Frage, ob man Fledermäuse wegen der Virusgefahr ausrotten soll.
Was dabei komplett fehlt im Bild.de-Artikel: die Konsequenzen eines solchen Schrittes. Fledermäuse haben eine wichtige Rolle im Ökosystem: Sie fressen viele Pflanzenschädlinge und haben daher einen enormen Wert für die Landwirtschaft. Außerdem bestäuben sie Blüten und verbreiten Samen. Würde man sie einfach ausrotten, was die “Bild”-Redaktion offenbar für einen möglichen Lösungsansatz hält, hätte das deutliche ökologische und ökonomische Folgen. Und auch für die Menschheit gäbe es im Alltag Nachteile: Wir wären viel mehr Mücken und anderen Insekten ausgesetzt.
In China gab es mal ein ähnliches Vorhaben wie das, das Bild.de heute ins Spiel bringt. Ende der 1950er-Jahre wollte man dort in der “Großen Spatzenkampagne” die Spatzen des Landes ausrotten. Die Folgen waren fatal: Riesige Heuschreckenschwärme, die, ohne ihren natürlichen Feind, den Spatz, ungehindert komplette Ernten auffressen konnten. Es verhungerten damals Millionen Menschen.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!