Archiv für Februar, 2019

Facebook schließt “In the Now”, Im Reichsbürger-Visier, Entlassungswelle

1. Facebook schließt die Seiten von Russlands heimlicher Medienzentrale
(t-online.de, Lars Wienand & Jan-Henrik Wiebe)
Facebook hat mehrere Seiten geschlossen, die von Russlands heimlicher Medienzentrale in Berlin aus gesteuert wurden. Darunter der erfolgreiche Kanal “In the Now”, der zuletzt rund vier Millionen Fans auf Facebook hatte. Die Begründung sei offenbar, dass in den Profilen die Verbindungen zum russischen Staat verschleiert worden sei.
Weiterer Lesehinweis zum Hintergrund: Mitten in Berlin: Russlands heimliche Medienzentrale in Europa (t-online.de, Jan-Henrik Wiebe).

2. 2018 gingen in den USA über 15.000 Medien-Jobs verloren
(wuv.de, Franz Scheele)
Laut der Analyse einer amerikanischen Outplacement-Firma wurden in der amerikanischen Medienbranche (Fernsehen, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Publishing allgemein und Kino) vergangenes Jahr mehr als 15.000 Arbeitsplätze abgebaut. Wesentlicher Grund dafür seien die um Werbeerlöse konkurrierenden Tech-Konzerne wie Google, Facebook und Amazon sowie die zunehmende Nutzung von Werbeblockern. Paywalls als zusätzliche Einnahmequelle hätten die Verluste nicht abfedern können. 2019 scheint nicht besser zu werden: Das “Reuters Institute” rechne für 2019 mit der “größten Entlassungswelle für Journalisten seit Jahren”.

3. “Sie müssen sich für Ihre Taten verantworten”
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
“Tagesspiegel”-Reporter Sebastian Leber ist ins Visier von Reichsbürgern geraten und sieht sich zahlreichen Angriffen und Beschimpfungen ausgesetzt: “In den vergangenen Tagen habe ich versucht, einige der Nachrichten zu beantworten. Es hat sich bestätigt, was ich schon bei früheren Gesprächsversuchen erleben musste — als mir ein Verschwörungstheoretiker etwa weismachen wollte, die Erde werde im Geheimen von Satanisten beherrscht, aber auch von Juden, aber auch von Außerirdischen, aber auch von Chinesen, aber auch von Illuminaten. In hellen Momenten war der Mann bereit zuzugeben, dass vermutlich nicht alle Theorien gleichzeitig stimmen konnten. Doch er zog daraus keine Konsequenzen, er hatte schließlich jede einzelne Theorie im Internet gelesen, sie stimmten also.”

4. DJV kritisiert Vorgaben für Fotografen
(taz.de, Frederik Schindler)
Bildjournalisten könnten es bei Veranstaltungen der katholischen Kirche bald schwerer haben: Laut Deutschem Journalisten-Verband (DJV) versuche die katholische Kirche derzeit, Fotojournalisten vorzuschreiben, in welcher Weise bei kirchlichen Veranstaltungen fotografiert oder gefilmt werden darf. In einem der “taz” vorliegenden Vorstandsbeschluss fordere der DJV die katholische Kirche in Deutschland auf, “die Arbeit von Bildjournalistinnen und Bildjournalisten nach den bewährten Grundsätzen des Presse- und Fotorechts ohne weitere Einschränkungen zu gewährleisten”.

5. Wie Google und Amazon die Wikipedia gefährden
(sueddeutsche.de, Adrian Lobe)
Wikipedia kassiert Millionen Euro Spenden von Plattformen wie Google und Amazon, die jedoch auch massiv von den kostenlos zur Verfügung gestellten Daten profitieren. So bezieht Amazons Sprachassistentin Alexa ihre Informationen unter anderem aus Wikipedia. Adrian Lobe stellt die Frage, “ob die Datenverarbeitung mit den angesichts der Milliardenumsätze der Tech-Konzerne eher mickrigen Spenden abgegolten ist — und wie die kommerzielle Nutzung mit dem Commons-Gedanken der Wikipedia vereinbar ist. Die Idee des Gemeinguts beruht ja gerade auf der Nichtexklusivität, auf der nicht kommerziellen Nutzung von Inhalten. Werden die freiwilligen Autoren und Helfer ausgebeutet, wenn sich gewinnorientierte Konzerne an dem Wissensschatz wie an einem Steinbruch bedienen?”

6. Studie: YouTube verantwortlich für Verbreitung von Flat-Earth-Bewegung
(heise.de, Tilman Wittenhorst)
Ja, es gibt sie tatsächlich: Menschen, die an die Flat-Earth-Theorie glauben, wonach die Erde, nun ja, flach ist. Jetzt hat eine Studie herausgefunden, dass die meisten der befragten Plattheitsverfechter erst durch Youtube auf die Theorie gestoßen seien. Flacherdler, die es laut einem bekannten Bonmot, anscheinend rund um die Welt gibt.

“Not open for any stories in your piece of shit paper”

Die “New York Times” berichtete vor eineinhalb Wochen über ein “Obscure German Soccer Team”, das es zum “Brooklyn Cult” geschafft hat. Dass sich in einer Kneipe neben der Williamsburg Bridge, der East River Bar, seit Jahren Fußballfans zum gemeinsamen Gucken treffen, sei vor allem ein “Anti-Fascist Thing”, steht in der Überschrift. In dem Artikel geht es um den FC St. Pauli und seine New Yorker Anhänger, die East River Pirates.

Bild.de fand die Geschichte wohl ganz gut und wollte auch über den Fanklub berichten. Aber der wollte nicht. Und machte das “Bild”-Autor Herbert Bauernebel in einer Antwort auf dessen Anfrage mit ziemlich deutlichen Worten klar:

Screenshot einer Mail der East River Pirates an Bild-Autor Bauernebel - Hi Herbert, Thank you for your email. You are more than welcome to join us privately for the game, but our fan club is not open for any stories in your piece of shit paper. No interviews, no photos, no videos for Bild - YNWA

“YNWA”, You’ll Never Walk Alone, dachte sich offenbar auch Bauernebel, schnappte sich einen Fotografen und suchte am Samstag die East River Bar auf, während das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Erzgebirge Aue gezeigt wurde. Der “Bild”-Reporter führte Interviews, der Fotograf fotografierte — bis die East River Pirates es mitbekommen haben. Dann kam es laut Statement des Fanklubs zu einem hitzigen Streit:

Screenshot eines Facbook Posts der East River PiratesBild.de - STATEMENT As we found out today BILD has posted an article about our fan club today against our will. After the NYTimes published a nice story last week with our consent, BILD in classic copycat manner tried to jump on it. The U.S correspondent for BILD, Mr Herbert Bauernebel, contacted us by email beforehand, but we clearly told him that we would not be open for any interviews, photos or videos. Guess what, he went over our heads and behind our backs and showed up with a photographer at the bar Saturday night anyway. He got the permission from the owner of the bar, who didn’t know who or what BILD was at the time. When they came and started interviewing guests and took photos, we told them again to stop as we were not ok with it. It came to a heated argument or even shouting match and eventually they left the bar mid second halftime. Again the story in BILD online was published against our will and without our consent. We don’t want to be associated to what we feel is a right-wing, populist fucked up newspaper. The East River Pirates

Bild.de brachte die Geschichte gestern, allerdings ohne Hinweis zu all dem Trubel. Im Gegenteil: Man sei “zu Gast bei den St. Pauli-Fans aus der Brooklyn-Bar” gewesen:

Screenshot Bild.de - Rudelgucken in New York - Zu Gast bei den St. Pauli-Fans aus der Brooklyn-Bar

Die Info aus dem Statement der East River Pirates, dass Herbert Bauernebel und der Fotograf die Bar während der zweiten Halbzeit verlassen haben sollen, ist übrigens ganz interessant. Am Ende des Bild.de-Artikels steht:

Der FC St. Pauli hat unterdessen die frühe Führung vergeigt und geht beim Abpfiff als Verlierer mit 1:2 vom Platz. Ein paar enttäuschte Gesichter gibt es schon, aber dann geht der Barbetrieb gleich heiter weiter. Das Sportliche ist dann doch eher nebensächlich …

Woher der Autor das bloß weiß, wenn er die East River Bar früher verlassen haben sollte?

Mit Dank an Niclas P. für den Hinweis!

“Focus Online” fällt auf autonome Abgassammler der “Titanic” rein

Was auf den ersten Blick nach einem schlechten Scherz aussieht, scheinen die Macher des Videos offenbar ernst gemeint zu haben.

… schreibt “Focus Online”.

Linksextreme die Autoabgase einsammeln, um sie zu einer Messstation zu tragen — was wie Satire klingt, war tatsächlich Gegenstand einer Anleitung, die kürzlich auf einer Internetseite von sogenannten Linksautonomen veröffentlicht wurde.

… heißt es bei der “Achse des Guten”.

“schlechter Scherz” — das ist Geschmackssache. Satire — auf jeden Fall! Denn die “Titanic” schreibt zu den linksautonomen Abgassammlern: Wir waren’s!

Die “Titanic”-Redakteure Leonard Riegel und Moritz Hürtgen haben “Focus Online” reingelegt. Sie haben sich unter dem Namen Michael Leitmayr — ein Münchner, “der als Hobby ‘linke Aktivitäten überwacht'” — bei dem Portal mit einem selbst zusammengefrickelten Video gemeldet, das vermeintlich auf der Plattform “Indymedia” veröffentlicht und dort wieder gelöscht wurde:

Wer die “Focus online”-App auf seinem Smartphone installiert hat, weiß, dass die Münchner Vollgasjournalisten jeden Tag zwischen fünf und hundert Push-Mitteilungen zum Thema Pkw ausgeben. Müsste das Faktenmagazin nicht zwingend berichten, wenn das Autohasser-Filmchen z.B. beim linksextremen Portal “Indymedia” auftaucht? Na klar, es müsste!

Das “Filmchen” mit dem Titel “TUTORIAL FEINSTAUBMESSSTATIONEN MANIPULIEREN” zeigt Hürtgen und Riegel mit Sturmhauben, wie sie mit einer Fußpumpe erst Abgase an einem Autoauspuff sammeln und diese dann an einer Frankfurter Messstation verteilen. Dazu die Slogans “Autokonzerne bekämpfen” und “Diesellobby zerschlagen”. Bei “Focus Online” haben sie einen Artikel draus gemacht:

Screenshot Focus Online - Radikale Maßnahmen für Fahrverbote? Autonome verbreiten Anleitung zur Manipulation von Feinstaub-Messstationen

Auf einer Internetseite wurde eine Anleitung verbreitet, wie man Feinstaub- und Stickoxid-Messstationen manipulieren könnte. Das Video liegt FOCUS Online vor.

Die “Achse des Guten” schrieb von “Focus Online” ab. Genauso die “Junge Freiheit”. Und auch “Spiegel”-Autor Jan Fleischhauer glaubte die Geschichte:

Screenshot eines Tweets von Jan Fleischhauer - Ich stelle mir gerade vor, wie der aufrechte Autonome mit einer Fusspumpe am Auspuff seines Autos Abgase einsammelt, um diese zur Messstation zu tragen und da dann wieder freizulassen. Irgendwie war das Autonomenleben auch schon mal glamouröser.

Unter anderem “Welt”-Chef Ulf Poschardt verbreitete Fleischhauers Tweet.

Und ja, es hätte einen relativ leichten Weg gegeben, die Sache vor Veröffentlichung zu überprüfen: Die “Titanic” (beziehungsweise Michael Leitmayr) hat nach eigener Angabe mit einem Mitarbeiter von “Focus Online” telefoniert und ihm erzählt, über Twitter auf den Link zur inzwischen gelöschten “Indymedia”-Seite gestoßen zu sein. Man könne sich aber nicht mehr erinnern, welcher Twitter-Account das genau gewesen ist, so die Notlüge der “Titanic”-Mitarbeiter. Nach diesem Link, der “Focus Online” durch einen Screenshot bekannt war, hätte man bei Twitter suchen können — und nichts gefunden. Dafür hätte man natürlich gewillt sein müssen, auf eine klickträchtige Story zu verzichten.

Alle Hintergrundinfos und ein Protokoll zur Aktion gibt’s bei der “Titanic”:

Geleaktes ARD-Gutachten, Social-Bot-Panikmache, Sachsens Polizei

1. Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Für viel Aufregung sorgte in den letzten Tagen das von der ARD bei der Sprachforscherin Elisabeth Wehling in Auftrag gegebene “Framing Manual”. Ziel der Schrift: die Vorzüge des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks durch Erkenntnisse der Framing-Theorie besser zu kommunizieren. Netzpolitik.org ist an das eigentlich nur für den internen Gebrauch gedachte Gutachten gelangt und veröffentlicht es (PDF), damit sich alle Beitragszahlende aus der Originalquelle informieren und an der Debatte informierter teilhaben können. Mittlerweile hat die ARD mit einer “Klarstellung” reagiert: Es handelt sich ausdrücklich weder um eine neue Kommunikationsstrategie noch um eine Sprach- oder gar Handlungsanweisung an die Mitarbeitenden, sondern um Vorschläge aus sprachwissenschaftlicher Sicht. Es ist eine Unterlage, die Teilnehmenden ARD-interner Workshops im Vorfeld als Diskussionsgrundlage und Denkanstoß zur Verfügung gestellt wird. Die Aufregung um dieses Papier funktioniert nur, wenn man diesen Kontext nicht kennt oder ignoriert. Auch deswegen ist die Unterlage von Frau Dr. Wehling zur Weitergabe völlig ungeeignet.”

2. Am lustigsten sind alte Männer
(sueddeutsche.de, Gianna Niewel)
Moritz Hürtgen hat vor einiger Zeit eine Bachelorarbeit über Robert Gernhardt und Thomas Gsella verfasst, der eine war “Titanic”-Gründer, der andere Chefredakteur. Nun ist Hürtgen selbst “Titanic”-Chef (“Außer mir wollte es niemand machen”) und entwickelt mit dem “Titanic”-Team Ideen. Was nicht so lustig ist, wie es sich vielleicht viele vorstellen: “Es ist nicht so, dass wir hier die ganze Zeit lachen. Ein guter Witz ist Handwerk.”

3. Panikmache der Medien
(faz.net, Oliver Weber)
Immer wieder wird in Medien über sogenannte “Social Bots” berichtet. Dabei handelt es sich um Computerprogramme, die darauf programmiert sein sollen, Debatten zu beeinflussen. Nun hat sich eine Forschergruppe damit beschäftigt, inwieweit Bots Stimmungen in sozialen Medien beeinflussen können, und dazu eine Simulation modelliert. Leider wurden die Ergebnisse der “rein hypothetischen Simulationsstudie” von einigen Redaktionen gründlich missverstanden: “Dass die Untersuchung aus Duisburg theoretischer Natur ist, hätte eigentlich jedem auffallen können. Ist es aber nicht. Es scheint, als ähnele die Debatte zum Thema “Desinformation” mittlerweile ihrem Gegenstand.”

4. Vorwürfe auf Twitter: Hat Sachsens Polizei wieder in die Pressefreiheit eingegriffen?
(haz.de)
Wieder einmal steht Sachsens Polizei in der Kritik: In Dresden soll es am Freitagabend bei einem rechten Aufmarsch sowie einer Gegendemonstration zu Behinderungen von Journalisten gekommen sein, so die Kritik von Vertretern der Opposition im sächsischen Landtag. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Valentin Lippmann, sagt: “Es gibt eine Vielzahl von Berichten und Videos in den Sozialen Netzwerken über erneute gravierende Behinderungen der freien Medienberichterstattung durch Maßnahmen der Polizei”.
Weiterer Lesetipp: Demo-Berichterstattung #dd1502: Polizisten behindern Journalisten( flurfunk-dresden.de, Peter Stawowy).

5. Am Gesetz vorbeigeguckt
(zeit.de, Manuel Heckel)
Man könnte annehmen, dass mit Streaming-Diensten wie Netflix, Amazon Prime, Maxdome, Sky und Co. das Angebot von illegaler Stream-Ware abnehmen würde, doch dem ist nicht so. Ein Grund: Die Nutzer der illegalen Streams könnten sich immer noch relativ sicher fühlen, so Manuel Heckel in seiner Analyse.

6. Liederkranz erteilt WZ-Redakteurin Hausverbot
(wormser-zeitung.de, Johannes Götzen)
Eine Medien-Posse der etwas anderen Art erreicht uns aus Worms: Dort hat der “Liederkranz” einer Redakteurin der “Wormser Zeitung” Hausverbot erteilt und ihr untersagt, künftig über Veranstaltungen des Vereins zu berichten. Ihre “ausgesprochen wohlwollende, nahezu ausschließlich positive Darstellung des Geschehens” (Zitat “Wormser Zeitung”) war dem “Liederkranz” anscheinend nicht wohlwollend und positiv genug … Wer sich für das, nun ja, aufregende Geschehen um die “Zuckerschnude”, die rassige Spanierin Kirsten, die zuckersüßen Minihoppers und Engel “Biggi” interessiert: Hier geht es zum beanstandeten Artikel.

Auf die Straße gegen Uploadfilter!, Thüringer Rückzug, Ängstliche AfD-JA

1. Uploadfilter: Jetzt hilft nur noch Protest auf der Straße
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
In wenigen Wochen stimmt das Europaparlament über die Einführung von verpflichtenden Uploadfiltern und damit über eine automatisierte Inhaltskontrolle ab. Markus Reuters eindringlicher Appell: “Mit den Uploadfiltern wird Europa eine Technik einführen, die schnell in eine Kontroll- und Zensurinfrastruktur umzubauen ist. Noch können wir dieses gefährliche Projekt stoppen. Hashtags und Petitionen sind ganz nett. Aber um Uploadfilter noch zu verhindern, braucht es mehr: Verbündet Euch und geht für Demokratie und freie Gesellschaft auf die Straße.”
Weiterer Lesetipp: Aufbruch ins unfreie Internet (zeit.de, Lisa Hegemann).

2. AfD-Jugendorganisation verweigert taz Akkreditierung
(blogs.taz.de)
Am Wochenende findet in Magdeburg der Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative statt. Während andere Medien dort zugelassen sind, verweigert die JA der “taz” die Akkreditierung. Der Organisation würden anscheinend die Kommentare der zuständigen “taz”-Korrespondentin nicht gefallen.
Weitere Lesetipps: Sabine am Ordes “taz”-Kommentar Überwachung allein reicht nicht (“Der Verfassungsschutz macht die AfD als Ganze zum Prüffall in Sachen Rechtsextremismus. Ein wichtiger Schritt, aber kein Grund zum Aufatmen.”) und ihr Beitrag Mitgliederschwund beim AfD-Nachwuchs: Exodus bei der Jungen Alternative.

3. Der Kampf um Bayern
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Vor der Landtagswahl in Bayern hat es nach Angaben des britischen Institute for Strategic Dialogue massive Kampagnen von Rechtsextremen in sozialen Medien gegeben. Dabei setzten die Rechts-Aktivisten Strategien aus Handbüchern um, bei denen es um hetzerische Bildmontagen, Troll-Aktionen und das Verwenden von Fake-Accounts geht. Insgesamt erkennten die Forscher bei den Manipulationsversuchen im Wahlkampf eine wachsende internationale Vernetzung von Rechtsradikalen.

4. Immer mehr Schikanen gegen Korrespondenten
(deutschlandfunk.de, Steffen Wurzel, Audio: 5:16 Minuten)
Ständige Kontrollen, intensive Beschattungen, Schikanen und Repressionen: Für ausländische Reporter wird es in China immer schwieriger. Der Pekinger Auslandskorrespondenten-Club hat für seinen neuen Jahresbericht etwa einhundert ausländische Medienvertreter in China befragt. Mehr als die Hälfte habe angegeben, dass sich die Arbeitsbedingungen in China 2018 verschlechtert hätten. Neun von zehn der befragten Auslandskorrespondenten würden davon ausgehen, dass ihre Smartphones angezapft werden. Außerdem werde es immer schwieriger, an Gesprächspartner zu kommen.

5. Bloggen wieder cool: «Medium» is the message
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Zwischen Amazon-Chef Jeff Bezos und dem amerikanischen Boulevardblatt “National Enquirer” läuft eine heftige Fehde. Die Hintergründe dazu lesen sich wie ein Netflix-Plot (Erpressungsversuch gegen Amazon-Chef: Trumps Feind ist unser Feind, taz.de, Jürn Kruse). Bezos verfasste eine Art offenen Brief an den “Enquirer”-Verlagschef David Pecker, den er auf der Blogging-Plattform Medium publizierte. Für Adrian Lobe ein Anlass, sich mit der zuletzt etwas angeschlagenen Plattform zu beschäftigen.

6. Rückzug auf Raten
(faz.net, Stefan Locke)
Die Funke-Mediengruppe besitzt in Thüringen mit der “Thüringer Allgemeine”, der “Thüringischen Landeszeitung” und der “Ostthüringer Zeitung” quasi ein Monopol. Nun hat der Konzern mit einer zunächst harmlos wirkenden Pressemitteilung für Aufregung gesorgt: “Für die Thüringer Titel werden Szenarien erarbeitet, wie eine Versorgung der Leserinnen und Leser in ländlichen Gebieten mit digitalen Angeboten gewährleistet werden kann.” Werde dieser Plan umgesetzt, könne dies das Ende der Papierzeitung bedeuten, so die Befürchtung. Damit wäre Thüringen das erste Bundesland, in dem keine gedruckte Tageszeitung mehr erschiene.
Dazu entfernt passend ein weiterer Lesetipp: Deutschlands größter Buchgroßhändler ist insolvent — über die Pleite des 185 Jahre alten Traditionshauses KNV, das mit 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Buchhandel mit Ware versorgt hat.

Update: Ein BILDblog-Leser merkt an: “Hr. Locke irrt, wenn er meint, dass nach dem möglichen Print-Rückzug von Funke keine Tageszeitung mehr in Thüringen erscheinen würde – immerhin gibt es noch das “Freie Wort” aus Suhl mit lt. Wikipedia rund 60.000er-Auflage (inkl. “Meiniger Tageblatt”) und die “Südthüringer Zeitung” mit 11.000er-Auflage. Lustig ist der Fehler Lockes natürlich vor dem Hintergrund des Zitats von Sergej Lochthofen: “Aber in Essen haben sie keine Vorstellung davon, wie die Orte in Thüringen heißen, wer die Leser überhaupt sind und was die hier so machen. Thüringen ist offensichtlich unwichtig.“ In Dresden offenbar genauso wenig…”

Lungenarzt verrechnet sich, “Bild” juckt es nicht

Dieter Köhler ist so etwas wie der Posterboy der Medien, die gegen den “Grenzwert-Irrsinn” (Bild.de), die “Gaga-Vorschläge” (auch Bild.de) der “Diesel-Hasser” (ebenfalls Bild.de) und die drohenden Diesel-Fahrverbote anschreiben. Der Lungenarzt im Ruhestand lieferte ihnen mit einem Positionspapier zu Luftverschmutzung, Feinstaub und Stickoxiden eine vermeintliche wissenschaftliche Grundlage. Es kümmerte die Redaktionen nicht, dass Köhler noch nie zu dem Thema publiziert hatte, und auch nicht, dass die etwa 100 weiteren Ärzte, die das Positionspapier unterzeichneten, nur einen Bruchteil der rund 3800 von Köhler angeschriebenen Ärzte ausmachten. Alles egal, Dieter Köhlers Thesen drehten die ganz große mediale Runde. Nun zeigt eine Recherche von “taz”-Redakteur Malte Kreutzfeldt, dass Köhler sich mehrfacht verrechnet hat, teils so gravierend, dass seine Aussagen sich ins Gegenteil verkehren, wenn man korrekt rechnet.

Am 23. Januar berichtete die “Welt” groß über Dieter Köhler und seine Mitstreiter:

Ausriss Welt - Lungenärzte gegen Grenzwerte

Am selben Tag brachte “Bild” die Geschichte mit größtmöglichem Knall:

Ausriss Bild-Titelseite - 107 Lungen-Ärzte - Alles Lüge mit dem Diesel-Feinstaub

Im Blatt ähnlich laut:

Ausriss Bild-Zeitung - Aufstand der Ärzte gegen Feinstaub-Hysterie

Bild.de machte natürlich mit, und schon bald gab es so gut wie keine Nachrichtenseite in Deutschland mehr, die nicht über Köhlers Positionspapier berichtete. Manche von ihnen holten schon früh Gegenstimmen ein oder äußerten etwas später Zweifel. Andere übernahmen einfach die Aussagen aus dem Papier. Köhler, der bereits zuvor immer mal wieder von Redaktionen als Experte auf dem Feld präsentiert wurde, saß bei “Anne Will”, “Hart aber fair”, “SternTV”. FDP-Chef Christian Lindner hing sich in “Bild” an die “aktuelle Intervention führender Lungenfachärzte” ran und forderte “ein Moratorium bei den Stickoxid-Grenzwerten”. Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU), dessen Sprecher seit knapp einem Jahr der frühere “Bild”-Mann Wolfgang Ainetter ist, schrieb einen “BRAND-BRIEF AN DIE EU-KOMMISSION” (“Bild”) und bezog sich dabei auf deutsche Lungenärzte.

Dieter Köhler bekam in der folgenden Berichterstattung immer wieder Platz in den “Bild”-Medien:

Screenshot Bild.de - Lungenarzt zur Feinstaub-Hysterie - Das Atmen in Berlin ist absolut unbedenklich
Screenshot Bild.de - Schlimmster Verdacht - Es geht um Forschungsgelder, sagt Köhler. Da muss ja ein Ergebnis rauskommen, dass Feinstaub und Stickstoffdioxid schädlich sind. Rumms!
Ausriss Bild am Sonntag - Mich ärgert, wenn Blödsinn verbreitet wird

Dann dürfte sich Köhler ziemlich über sich selbst ärgern.

Denn Malte Kreutzfeldt zeigt heute in seiner “taz”-Titelgeschichte, was für einen Blödsinn der pensionierte Lungenarzt verbreitet. Ein Beispiel, auf das “auch die taz erst durch einen externen Hinweis aufmerksam wurde”: Köhler behauptet in seinem Positionspapier (PDF):

Dabei erreichen Raucher (eine Packung/Tag angenommen) in weniger als zwei Monaten die Feinstaubdosis, die sonst ein 80-jähriger Nichtraucher im Leben einatmen würde. Beim NOx [Stickoxide] sind die Unterschiede ähnlich, wenn auch etwas geringer.

Köhler bringt dabei allerdings Zahlen durcheinander und rechnet mit falschen Werten. Tatsächlich, so Kreutzfeldt, sind es nicht wenige Raucher-Monate, sondern zwischen 6,4 und 32 Raucher-Jahre (je nach angenommenen Stickstoffdioxid-Anteil am Stickoxid). Köhler sagt nämlich, dass man durch eine Zigarette rund 500 Mikrogramm Stickstoffdioxod in 10 Litern Atemluft aufnehme. Das rechnet er korrekt auf 50.000 µg/m³ hoch. Allerdings multipliziert er dann, um auf den Wert für eine Zigarettenschachtel zu kommen, nicht die 500 µg/10 Liter (die er pro Zigarette angibt) mit 20 Zigaretten, sondern fälschlicherweise die 50.000 µg/m³ (was letztlich bedeuten würde, dass die Person in dem Beispiel nicht 20, sondern 2000 Zigaretten am Tag raucht). Köhler kommt so auf 1 Million Mikrogramm Stickstoffdioxid, die ein Raucher am Tag zu sich nimmt. Richtig wären hingegen 10.000 Mikrogramm.

Wobei das auch nicht wirklich stimmt. Denn Köhler macht an dieser Stelle noch einen weiteren Fehler, wie Kreutzfeldt schreibt:

Zusätzlich zu diesem Rechenfehler, der das Ergebnis um Faktor 100 verfälscht, stimmt auch hier der Ausgangswert nicht, mit dem Köhler rechnet. Der von ihm genannte Wert von 500 Mikrogramm pro Zigarette gilt nicht für Stickstoffdioxid (NO2), also jenes Gas, für das die Grenzwerte gelten und das für die Fahrverbote in deutschen Städten verantwortlich ist, sondern für Stickoxide generell (NOx).

Als Anteil von NO2 an NOx beim Zigarettenrauch nennt Köhler zunächst 10 Prozent — damit wäre das Ergebnis insgesamt um den Faktor 1.000 verkehrt. In einer späteren Mail revidierte der Lungenarzt die Angabe wieder, nannte nun — ohne klare Quellenangabe — einen Bereich von 10 bis 50 Prozent; das Ergebnis seiner Rechnung wäre dann entsprechend um den Faktor 200 bis 1.000 verkehrt.

Bei Bild.de fanden sie Köhlers Raucher-Rechnung besonders anschaulich:

Screenshot Bild.de - Köhler: Raucher liefern uns diese Studie aber quasi freiwillig. Der Rauch einer Zigarette ist nun mal um das Mehrfache giftiger als unsere Luft. Raucher (eine Schachtel/Tag) erreichen in weniger als zwei Monaten die Feinstaubdosis, die sonst ein 80-jähriger Nichtraucher in seinem Leben einatmen würde. Und fast die NOx-Menge.

Durch einen Klick auf die beiden letzten, blau hinterlegten Sätze können Bild.de-Leser den Artikel bei Facebook teilen. Die zwei Sätze mit Köhlers plakativem (falschem) Beispiel werden dann automatisch als Text für ihren Post übernommen.

Während Welt.de bereits einen recht langen Beitrag zu Köhlers Rechenfehlern veröffentlich hat (letztlich eine Abschrift von Malte Kreutzfeldts “taz”-Text in indirekter Rede), gibt es bei “Bild” nur: Schweigen. In der gedruckten Ausgabe von heute kein Wort (was eigentlich nicht am Redaktionsschluss liegen kann, schließlich schafft es das “Bild”-Team auch, Geschehen aus dem Dschungelcamp von kurz vor Mitternacht noch ins Blatt zu hieven, und Malte Kreutzfeldt twitterte gestern bereits um 18:35 Uhr einen Link zu den Ergebnissen seiner Recherche). Bei Bild.de erschien der letzte Artikel, in dem der Name Köhler fällt, vor vier Tagen — eine Vorabkritik des “Polizeiruf” im “Ersten”, in dem der Kommissar Dirk Köhler heißt. Die schlampige Rechnerei des Lungenarztes Köhler existiert im “Bild”-Kosmos nicht.

Vielleicht meldet sich morgen ja Franz Josef Wagner zu Wort und berichtet von seiner großen Enttäuschung. Dieter Köhler und die “Lieben Lungen-Ärzte” hatte der “Bild”-Briefchenschreiber neulich noch als “Helden im Diesel-Chaos” gefeiert:

Ausriss Bild-Zeitung - Liebe Lungen-Ärzte, Ihr seht die dunklen Flecken, den Krebs in unseren Lungen. An Feinstaub, sagt Ihr, sei noch kein Mensch gestorben. Ich glaube Euch. Wenn es eine Wissenschaft gab, die uns Menschen half, dann war es die Medizin. Die Medizin hat die Pocken besiegt, das Penicillin erfunden, Herzen verpflanzt, Lungen. Die Medizin hat Beinamputierten neue Beine gegeben. Blinde konnten wieder sehen durch die besondere Lasertechnik. Tote wurden wieder zum Leben erweckt durch rhythmisches Pressen. Die Politik hat zu schweigen. Es sind die Ärzte, die unser Leben retten. Die Politik soll auf die Ärzte hören, bevor sie Gesetze machen. Meine Helden im Diesel-Chaos sind die Ärzte. Herzlichst Franz Josef Wagner

Nachtrag, 21:04 Uhr: Nun hat auch die “Bild”-Redaktion gemerkt, dass alle größeren deutschen Nachrichtenseiten über Köhlers Rechenfehler berichten. Bei Bild.de schreiben Tom Drechsler und Florian Kain:

Jetzt kommt raus: Professor Köhler hat genau das getan, was er anderen vorwirft — sich verrechnet!

Sein Beispiel, ein Raucher würde in nur zwei Monaten die Feinstaubdosis inhalieren, die sonst ein 80-jähriger Nichtraucher in seinem ganzes Leben einatmen würde, stimmt nicht.

Und es passt bestens zu “Bild”, dass Drechsler und Kain es selbst hier noch schaffen, einen Fehler einzubauen: In der Recherche von “taz”-Redakteur Malte Kreutzfeldt geht es um Stickoxide beziehungsweise um Stickstoffdioxid und nicht um Feinstaub.

Mit Dank an Michael E., Korbinian P., Sven H. und @De215S für die Hinweise!

Lungenarzt mit Rechenschwäche, Klatsche für AfD-Mann, Unfreies Netz

1. Lungenarzt mit Rechenschwäche
(taz.de, Malte Kreuzfeldt)
Dieter Köhler hat mit seiner von circa 100 Lungenärzten unterschriebenen Stellungnahme (PDF) viel (Fein)Staub aufgewirbelt: Quasi im Vorbeigehen stellte er den gesamten Forschungsstand zur Schädlichkeit von Luftschadstoffen in Frage, ohne jemals wissenschaftlich zum Thema publiziert zu haben. Malte Kreuzfeldt hat für die “taz” die Berechnungen nachvollzogen und festgestellt, dass der Professor nicht nur unter einer gewaltigen Hybris, sondern auch unter gewaltiger Rechenschwäche leidet: “Als Anteil von NO2 an NOx beim Zigarettenrauch nennt Köhler zunächst 10 Prozent — damit wäre das Ergebnis insgesamt um den Faktor 1.000 verkehrt. In einer späteren Mail revidierte der Lungenarzt die Angabe wieder, nannte nun — ohne klare Quellenangabe — einen Bereich von 10 bis 50 Prozent; das Ergebnis seiner Rechnung wäre dann entsprechend um den Faktor 200 bis 1.000 verkehrt.” Es wird spannend, wie die beiden Lieblinge der Automobilindustrie (“Bild” und Verkehrsminister Scheuer) reagieren werden, die sich die Behauptungen Köhlers begierig zu eigen gemacht hatten.

2. “Ein Sieg für die Pressefreiheit”
(deutschlandfunk.de, Anke Petermann)
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat entschieden: Die Wochenzeitung “Kontext” darf über die rassistischen und rechtsextremen Chats eines Mitarbeiters zweier AfD-Landtagsabgeordneter berichten. Der Eilantrag des früheren NPD-Mitglieds hatte keinen Erfolg. “Kontext”-Autorin Anna Hunger habe sich nach der Entscheidung die Tränen der Erleichterung aus dem Gesicht gewischt.
Hier die offizielle Pressemitteilung des Oberlandesgerichts Karlsruhe von gestern.

3. Dieser Kompromiss gefährdet das freie Netz
(sueddeutsche.de, Simon Hurtz)
Die geplante EU-Urheberrechtsreform sorgt überall für Entsetzen. Der Einsatz von Upload-Filtern, den die Große Koalition noch als unverhältnismäßig bezeichnet hatte, gefährde das freie Netz und könne zu einer fehleranfälligen und grundrechtswidrigen Vorzensur führen. Simon Hurtz kommentiert: “Dieser Kompromiss hilft fast niemandem weiter, lasst uns von vorn anfangen. Diesen Mut sollte das EU-Parlament haben. Die Abgeordneten sind die einzigen, die eine misslungene Reform noch stoppen können.”
Weiterer Lesetipp: Auf “Spiegel Online” fragt Sascha Lobo: Wollt ihr Europa zerstören? — und man merkt ihm dabei sein ernstes Entsetzen und seine Empörung an.

4. Apple fordert die Hälfte der Erlöse von Medien
(faz.net)
Apple arbeitet angeblich an einem Portal mit Artikeln verschiedenster amerikanischer Zeitungen, einer Art “Netflix für News”. Laut “Wall Street Journal” verlange Apple eine 50-prozentige Provision, was bei den Verlegern auf heftigen Widerstand stoße. Zumal Apple die E-Mail-Adressen und Kreditkartennummern der Abonnenten für sich behalten wolle.

5. Betrug mit dem Journalistenausweis
(zeit.de, Henrik Merker)
Henrik Merker hat einer spannenden Geschichte hinterher recherchiert: Ein von drei Menschen aufgebautes Netzwerk verscherbele seit mehr als 15 Jahren selbstgemachte Presseausweise im Netz. Der Schwindel mit den Fantasiepapieren wirke sich auch politisch aus: “Auf Demonstrationen und Veranstaltungen fallen Rechtsextreme mit Ausweisen der Organisationen DVPJ und GNS. auf. Sie geben sich als Journalistinnen aus, fotografieren und provozieren politische Gegner und werden von überforderten Polizisten an Absperrungen vorbeigelassen. So bewegten sich Rechtsextreme in Chemnitz mit den Ausweisen an Polizeiabsperrungen vorbei. Der Neonazi Sven L. aus Halle kam mit einem Presseausweis von GNS auf die Leipziger Buchmesse”.

6. Das sind die reichweitenstärksten Influencer bei Tik Tok – in Deutschland und weltweit
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Wenn man sich die Top 5 der weltweit am häufigsten heruntergeladenen Apps anschaut, ist man zunächst nicht überrascht: Facebook, der Messenger von Facebook, WhatsApp, Instagram … doch an Platz vier steht ein Stück Software, das viele noch nicht auf dem Zettel haben: die Social-Video-App Tik Tok. Roland Eisenbrand hat für “OMR” recherchiert, wer die reichweitenstärksten internationalen sowie deutschsprachigen Influencer auf Tik Tok sind, und zeigt, wie und gemeinsam mit wem diese ihre Reichweiten monetarisieren.

Rechter Siff, Queer in den Medien, “Framing Manual” der ARD

1. Warum “linksgrün versifft”?
(spiegel.de, Margarete Stokowski)
“Spiegel”-Kolumnistin Margarete Stokowski denkt über die Besonderheiten rechter Sprache nach, in der Formulierungen wie “links-/rotgrün versifft” auftauchen. Derlei Begriffe seien in einem historischen Kontext zu sehen, wobei nicht jeder Verwender derartiger Vokabeln durch und durch ein Faschist sei: “Aber wenn man schon genau sein will, dann muss man auch sehen, dass heute Begriffe in die Alltagssprache sehr vieler Menschen übergegangen sind, die direkt aus dem Faschismus kommen und bei denen sich eine klare Linie zu Hitler ziehen lässt, die offensichtlicher ist, als viele sich wohl wünschen würden, die heimlich immer noch auf einen Führer warten, der sie an die Hand nimmt.”

2. Eine Frage der Ressourcen
(taz.de, Wilfried Urbe)
Gleich vier Kinder-Fernsehprogramme buhlen um die Gunst der jungen Zuschauer, doch die Angebote werden von Kritikern bemängelt, vor allem hinsichtlich Qualität und Vielfalt. Medienexpertin Gudrun Sommer kritisiert: “Es wird vorrangig ein bestimmter Ausschnitt der Gesellschaft gezeigt, Hauptschüler*innen beispielsweise kommen, wenn überhaupt, nur problematisiert vor. Die Vielfalt junger Lebenswelten, jenseits von Berlin oder Köln, und jenseits der herkömmlichen Geschlechterstereotypen findet sich höchstens marginalisiert im Kinderfernsehen wieder.”

3. Wenn der Druck zu groß wird
(de.ejo-online.eu, Alice Antheaume)
Französischen Journalistinnen und Journalisten, die über die Gelbwesten-Bewegung berichten, scheint es derzeit so zu gehen wie ihren deutschen Kolleginnen und Kollegen in der Hochblüte der “Pegida”-Versammlungen: Die Feindlichkeit ist teilweise so heftig, dass sie die Logos ihrer Medienhäuser auf ihren Mikrofonen verstecken. Gleichzeitig soll mit knappem Personal möglichst rund um die Uhr berichtet werden. Ein Druck, der seinen Tribut fordert.
Weiterer Lesetipp: Bei den Gelbwesten haben die traditionellen Medien einen schlechten Ruf. Ihr Held ist ein junger Live-Reporter (nzz.ch, Nina Belz).

4. Queer in den Medien: Homosexualität ist keine Privatsache und Stonewall war keine Online-Petition!
(nollendorfblog.de, Johannes Kram)
Etwa 150 Medienschaffende haben die “Queer Media Society” gegründet, unter anderem, um die Präsenz der LGBTI-Community in den Medien zu verbessern. Johannes Kram spricht in seiner Eröffnungsrede über die Wahrnehmung in Medien und Unterhaltungsindustrie und über die damit verbundenen Widersprüche und Dilemmata: “Wir wollen endlich als ganz normale Charaktere sichtbar sein, die nicht vor allem ihr Anderssein zur Schau stellen. Einerseits. Denn andererseits haben wir darum gekämpft, endlich anders sein und auch stattfinden zu dürfen! Wir wollen endlich, dass Homo- oder Transsexualität nicht immer nur als Problem, sondern als Normalität gezeigt wird. Einerseits. Denn andererseits wollen wir, dass endlich unsere Opfergeschichten angemessen gezeigt werden. Wir wollen, dass es egal ist, ob eine Figur LGBTI ist. Anderseits wollen wir zeigen, dass, und wo es eben nicht egal ist. Wir wollen keine Klischees, keine Stereotypen mehr sein. Aber andererseits sind viele dieser Stereotype auch ikonenhafte Ergebnisse und auch Erfolge von Queer Culture! Wir wollen, dass es nicht immer um Sex geht. Andererseits haben wir auch dafür gekämpft, dass wir keine bürgerlichen, aseptischen Homos mehr sein müssen!”
Weiterer Lesetipp: “Queer Media Society” gegründet: Für mehr Diversität in den Medien (tagesspiegel.de, Tilmann Warnecke).

5. “Framing Manual” der ARD sorgt für Diskussionen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Sprachforscherin und Framing-Expertin Elisabeth Wehling hat im Auftrag der ARD ein Gutachten erstellt, wie man mit sprachlichen Mitteln den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in ein besseres Licht rücken kann. Das ruft Kritiker auf den Plan, die von Manipulation sprechen.
Weiterer Lesetipp: Wofür braucht die ARD denn ein “Framing Manual”? Generalsekretärin Susanne Pfab über den viel diskutierten Sprach-Leitfaden (meedia.de, Stefan Winterbauer).

6. Klick durchs Museum
(sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Beim Fernsehsender ZDFkultur soll heute eine virtuelle Kunsthalle eröffnet werden mit Werken, die der Öffentlichkeit sonst nicht zugänglich sind. Aber auch sonst tut sich viel bei dem Spartensender, der einen Relaunch mit 15 Eigenproduktionen und interaktiven Tools hinlegt. Siehe dazu auch: Comeback im Digitalen: Das kann das neue ZDFkultur (dwdl.de, Timo Niemeier) und die dazugehörige Formatübersicht.

Wichtiger Hinweis an alle “Bild”-Mitarbeiter

Mit zwei großen Ausrufezeichen, aber ohne erkennbaren Grund oder Zusammenhang richtet sich die “Bild”-Redaktion heute in ihrem Blatt “an alle BILD-Leser-Reporter”:

Ausriss Bild-Zeitung - Wichtiger Hinweis an alle Bild-Leser-Reporter - Bringen Sie weder sich selbst noch andere bei dem Versuch in Gefahr, ein Foto oder ein Video zu machen. - Seien Sie beim Fotografieren rücksichtsvoll und beachten Sie geltende Gesetze. - Ach­ten Sie stets darauf, dass Sie zum Bei­spiel bei Un­fäl­len nie­mals die Ret­tungs­kräf­te oder die Po­li­zei be­hin­dern. Bedenken Sie: Wer an einem Un­fall­ort zunächst Fotos macht und sich erst da­nach um die Un­fall­op­fer küm­mert, macht sich strafbar. - Wahren Sie die Per­sön­lich­keits­rech­te an­de­rer Men­schen, verletzen Sie niemals die Privatsphäre oder die Intimsphäre anderer Menschen. - Senden Sie nur Fotos an BILD, die Sie selbst gemacht haben. Nur, wenn Sie die Urheberrechte an einem Foto besitzen, können Sie damit BILD-Leser-Reporter werden.
(Draufklicken für größere Version.)

Unter anderem auch mit diesem Absatz:

Wahren Sie die Per­sön­lich­keits­rech­te an­de­rer Men­schen, verletzen Sie niemals die Privatsphäre oder die Intimsphäre anderer Menschen.

Und diesem:

Senden Sie nur Fotos an BILD, die Sie selbst gemacht haben. Nur, wenn Sie die Urheberrechte an einem Foto besitzen, können Sie damit BILD-Leser-Reporter werden.

Was angeblich für “BILD-Leser-Reporter” gelten soll, scheint nicht für die “Bild”-Mitarbeiter selbst zu gelten. In dem noch jungen Jahr haben sie jedenfalls schon zahlreich diese Grundsätze missachtet. Nachdem zum Beispiel ein 7-Jähriger zu Tode gequält wurde, zeigte Bild.de ein unverpixeltes Foto auf der Startseite:

Screenshot Bild.de - Eltern und Bruder angeklagt - Junge (7) geötet, weil er Bibelverse vergaß - dazu ein unverpixeltes Foto des Jungen
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

Nachdem zwei Jugendliche auf ein Bahngleis geschubst und von einer S-Bahn überfahren wurden, zeigte “Bild” auf der Titelseite unverpixelte Fotos der beiden:

Ausriss Bild-Titelseite - F (16) und L (16) von S-Bahn überrollt - zwei 17-Jährige in U-Haft - Nach Disco in den Tod gestoßen - dazu zwei unverpixelte Fotos der verstorbenen Jugendlichen

Die Familien wehrten sich gegen die Veröffentlichung.

Nachdem bei einem Unfall fünf Kinder starben, zeigte Bild.de zwei von ihnen unverpixelt:

Screenshot Bild.de - Sie waren nicht angeschnallt - Fünf Kinder sterben bei Horror-Unfall. Dazu ein Foto, das zwei der Kinder, die bei dem Unfall gestorben sind, zeigt.

Nachdem eine 19-Jährige wohl aus Versehen von ihrem Vater erschossen wurde, zeigte “Bild” ein unverpixeltes Foto:

Ausriss Bild-Zeitung - Tragödie in der Wohnung - Jäger erschießt seine Tochter (19) - dazu ein unverpixeltes Foto der Tochter

Nachdem ein Mann bei einem Lawinenunglück ums Leben kam, zeigte “Bild” ihn unverpixelt auf der Titelseite:

Ausriss Bild-Titelseite - Seine Freundin sah alles mit an - Doppel-Lawine töte Mathe-Lehrer - Die erste überlebte er noch, die zweite begrub ihn - dazu ein unverpixeltes Foto des Verstorbenen

Auch hier wehrte sich die Familie gegen die Verwendung des Fotos.

Dass solche Schweinereien nicht in Ordnung sind, egal, ob “BILD-Leser-Reporter” oder bigotte “Bild”-Redakteure dafür verantwortlich sind, zeigt schon ein Blick in den Pressekodex. Dort steht:

Die Identität von Opfern ist besonders zu schützen. Für das Verständnis eines Unfallgeschehens, Unglücks- bzw. Tathergangs ist das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Name und Foto eines Opfers können veröffentlicht werden, wenn das Opfer bzw. Angehörige oder sonstige befugte Personen zugestimmt haben, oder wenn es sich bei dem Opfer um eine Person des öffentlichen Lebens handelt.

Und speziell zu Kindern und Jugendlichen:

Insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle dürfen Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein.

Dazu auch:

Mit Dank an Markus S. und @Nordhessische für die Hinweise!

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