Um bei “Bild” Sportchef zu werden, muss man besondere Fähigkeiten besitzen. Man muss während eines Fußballspiels zum Beispiel Dinge sehen, die andere nicht sehen.
Walter M. Straten, aktueller “Bild”-Sportchef, kann das. Zum gestrigen Bundesligaspiel zwischen dem FC Bayern München und Bayer 04 Leverkusen schreibt er in “Bild am Sonntag” und bei Bild.de:
Heiko Herrlich dachte wirklich, wenn er seine Leverkusener zu einer Maurer-Truppe umbaut, könnte er sich einen Punkt ermörteln. Julian Brandt, der beim Frankreich-Spiel in München noch so begeistert hat, wurde zunächst sogar geopfert.
Für Laien wie uns ist es schwer zu sagen, was einen Fachmann wie Straten da “so begeistert hat” — Leverkusens Julian Brandt kam beim 0:0-Unentschieden der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich gar nicht zum Einsatz.
Mit Dank an Frank L. für den Hinweis!
Nachtrag, 13:19 Uhr: Bei Bild.de haben sie den Fehler inzwischen korrigiert. Dort heißt es nun:
Heiko Herrlich dachte wirklich, wenn er seine Leverkusener zu einer Maurer-Truppe umbaut, könnte er sich einen Punkt ermörteln. Julian Brandt, der beim Peru-Spiel noch so begeistert hat, wurde zunächst sogar geopfert.
Beim 2:1-Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Peru hat Julian Brandt auch tatsächlich mitgespielt und sogar ein Tor erzielt. Kann also gut sein, dass er den “Bild”-Sportchef “begeistert” hat.
Walter M. Straten hat die Sache auch bei Twitter noch mal geradegerückt:
Bei ihrem Versuch, Geflüchtete mit negativen Geschichten und Schlagzeilen in Verbindung zu bringen, entfaltet die “Bild”-Redaktion ihre ganze kreative Energie. Erst gestern wieder, in diesem Artikel:
“BILD FORDERT” scheint die nächste Stufe zu sein nach “Das meint BILD”, dem Kommentar der gesamten Redaktion, den Julian Reichelt eingeführt und den Julian Reichelt für gut befunden hat. “BILD FORDERT” jedenfalls erstmal auf einer falschen faktischen Grundlage:
Die Clan-Kriminalität in der deutschen Hauptstadt und im ganzen Land ist außer Kontrolle.
Mehrere Hunderttausend (!) Menschen werden ihr zugerechnet. Sie hat sich zum Staat im Staat entwickelt.
Die Redaktion hat das ganz ähnlich schon mal behauptet:
Doch weder “mehrere Hunderttausend (!)” noch “200.000” stimmt. Stefan Niggemeier hat das bereits vor einem Monat drüben bei “Übermedien” ge- und erklärt. Und auch Martin Klingst erläuterte in der “Zeit” vom 9. August: Das Bundeskriminalamt schätzt nicht, dass 200.000 Clan-Mitglieder kriminell sind, sondern dass die Clans, die in Deutschland immer wieder kriminell auffällig sind, insgesamt etwa 200.000 Familienmitglieder haben. Ein Teil davon ist kriminell, ein anderer Teil nicht. “FORDERT” “Bild” etwa auch die Rückkehr zur Sippenhaft?
Die Entstehung der arabischen, organisierten Kriminalität in Deutschland war das Ergebnis von Flucht und Zuwanderung aufgrund eines Krieges in einem arabischen Land (Libanon).
Viele Politiker sehen solche Szenen [von Clan-Mitgliedern, die die Gesetze nicht achten,] einige wenige Male im Jahr, wenn sie — wie jetzt — in der Zeitung gedruckt sind.
Aber für viele Menschen in deutschen Großstädten gehören sie zum Stadtbild. Natürlich macht das Angst.
Natürlich schmälert das den Glauben an den Rechtsstaat und daran, dass wir weitere Hunderttausende Menschen, die bei uns Zuflucht gefunden haben, erfolgreich integrieren werden.
Krieg in einem arabisches Land, Flucht, Kriminelle in Deutschland. Das ist die dünne wie toxische Logik, die die “Bild”-Medien verbreiten: Wenn die Personen der Gruppe A als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen und hier kriminell geworden sind — wieso sollen dann die Personen der Gruppe B nicht auch kriminell werden? Die sind doch schließlich auch als Flüchtlinge gekommen.
Dazu passt dann auch die bemerkenswerte Verkürzung bei der Entstehungsgeschichte der Clan-Kriminalität: Als wäre zwischen der Flucht vor dem libanesischen Bürgerkrieg, der von 1975 bis 1990 dauerte, und dem Schutzgeldeintreiben, dem Drogengeschäft, dem Menschenhandel einiger Großfamilien Jahre und Jahrzehnte später nichts weiter passiert; als wäre das eine (Clan-Kriminalität) die unausweichliche Folge des anderen (Flucht).
Um die “Bild”-Redaktion zu zitieren: “Natürlich macht das Angst.”
Als die Fußballer des SV Darmstadt 98 vor ein paar Wochen gegen den FC St. Pauli ranmussten, postete der Kreisverband der AfD Darmstadt zum Anpfiff:
Zwei Tage nach dem Spiel antwortete der Fußballverein in der Kommentarspalte:
Daraufhin erschien in der Onlineausgabe der rechten Wochenzeitung “Junge Freiheit” ein Artikel, in dem sich der Vorsitzende der Hessischen AfD über die Reaktion des Vereins beschwert.
Bebildert war der Artikel mit diesem Foto:
Was die “Junge Freiheit” ihren Lesern jedoch verschwieg: Das Bild ist eine Fotomontage.
Vorgestern veröffentlichte die “Junge Freiheit” eine Gegendarstellung des Fußballvereins:
1. Urheberrecht: Axel Voss weiß nicht genau, was in seinem Gesetz steht (netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Man möchte meinen, dass keiner so tief in der Urheberrechtsdebatte steckt wie Axel Voss. Der CDU-Politiker gilt als Vater des neuen Urheberrechtes, das in dieser Woche im EU-Parlament auf den Weg gebracht wurde. Doch was sein Projekt anbelangt, scheint Voss große Wissenslücken zu haben. Nach der Abstimmung wurde er von einem schwedischen Journalisten darauf angesprochen, dass der nun beschlossene Entwurf praktisch jedes Foto oder Video bei einer Sportveranstaltung zur Urheberrechtsverletzung machen würde. Der etwas perplexe Voss darauf: “Nun, wir sind überrascht, dass das im Text ist, und wir werden es erst noch besprechen.”
2. Wahlkampf in der Vorabendserie (deutschlandfunk.de, Michael Watzke, Audio, 4:19 Minuten)
Der frühere “Focus”-Chef Helmut Markwort (81) hat ein neues Lebensziel: Er will für die FDP in den bayerischen Landtag einziehen. Um seine Wahlkampfkasse aufzubessern, veranstaltete Markwort ein Fundraising-Dinner, in dem er eine maßgeschneiderte Rolle in der TV-Serie “Hubert ohne Staller” versteigerte. Der Produzent der Serie und bisherige Markwort-Freund ist sauer: Markwort habe ihm gesagt, die Versteigerung der Rolle erfolge für einen “wohltätigen Zweck”, und verschwiegen, dass es sich bei dem wohltätigen Zweck um Markwort selbst handeln würde.
3. “Das Leitmedium, das der Spiegel mal war, kann er gar nicht mehr sein” (detektor.fm, Christian Eichler, Audio, 16:53 Minuten)
Detektor.fm hat mit “Spiegel”-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer gesprochen, der ein Buch über die USA geschrieben hat (“Nachruf auf Amerika: Das Ende einer Freundschaft und die Zukunft des Westen”). Im Gespräch geht es darum, wie sich die USA unter Trump positionieren und welche Rolle Journalisten in Zeiten politischer Krisen spielen. Aber auch um Brinkbäumers Zeit als “Spiegel”-Chefredakteur, die Ende des Jahres ein Ende findet.
4. “Manchmal sind die Figuren wir selbst” (faz.net, Jörg Thomann)
Das Cartoonisten-Duo Hauck & Bauer feiert 2018 sein 15-jähriges Bestehen und gleichzeitig 15 Jahre des Comicstrips “Am Rande der Gesellschaft” in der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”. Im Interview erzählen die beiden “FAS”-Karikaturisten, wer sie sind und wie sie arbeiten.
5. CC-Lizenz – kostenlos, aber nicht umsonst (ipcl-rieck.com, Corinna Bernauer)
Einige Fotografen stellen ihre Bilder frei nutzbar zur Verfügung und versehen sie dazu mit einer CC-Lizenz. Corinna Bernauer, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei einer Rechtsanwaltskanzlei arbeitet, erklärt die verschiedenen Varianten der CC-Lizenz und weist auf mögliche Fallstricke hin.
6. Polizei ermittelt, weil Student “Postillon”-Artikel likt (sueddeutsche.de, Martin Bernstein)
Eine Geschichte, die wie ausgedacht klingt: Münchener Student gerät ins Visier der bayerischen Polizei, weil er einen Beitrag des Bayerischen Rundfunks mit einer kurdischen YPG-Fahne auf seiner Facebook-Seite geteilt hat. Die fleißigen Beamten untersuchen sein Facebook-Profil und finden Material für ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen einer angeblich rechts motivierten Straftat. Sein Vergehen: Er hatte einen Artikel der Satireseite “Der Postillon” gelikt, auf dem ein Hitler-Foto zu sehen ist.
Am Sonntagmorgen sprang der Sänger und Schauspieler Daniel Küblböck offenbar von einem Kreuzfahrtschiff im Nordatlantik. Nur wenige Stunden später ging bei Bild.de ein erster, kostenpflichtiger Artikel online, bei dem gleich drei Autoren und Autorinnen erste Fakten zusammengetragen hatten:
Laut BILD-Informationen gab es an Bord bereits mehrere Durchsagen an die gesamte Besatzung und Gäste. Der Inhalt der Durchsage: Eine Person wird vermisst — und bei dieser Person handelt es sich um Daniel Küblböck.
Und weiter:
Mehrere Passagiere bestätigen gegenüber BILD, dass Daniel Küblböck die vermisste Person ist. Ein Augenzeuge sagte zu BILD, dass Küblböck von Deck 5 gesprungen ist.
Noch vor wenigen Jahren wären solche Informationen frühestens beim Anlaufen des nächsten Hafens zu bekommen gewesen — das W-LAN an Bord eines solchen Kreuzfahrtschiffes ist zwar nicht ganz billig, aber offenbar ausreichend, um darüber Boulevardredaktionen in Deutschland zu informieren.
Seitdem dominiert die Geschichte die Startseite von Bild.de, es erschienen bisher fast 30 Artikel über Daniel Küblböcks Verschwinden, viele davon als kostenpflichtige “Bild plus”-Beiträge: Die Redaktion “zeichnet sein ungewöhnliches Leben nach” (der Artikel beginnt trotzdem eher gewöhnlich mit seiner Geburt), berichtet detailliert über die laufenden Rettungs- und Suchaktionen, ordnet den Vorfall (“alles andere als ein Einzelfall”) in einen größeren Zusammenhang ein (“Jedes Jahr gehen 24 Menschen über Bord”) — und beginnt auch mit nebulösen Mutmaßungen darüber, warum Küblböck gesprungen sein könnte:
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag druch uns.)
Nach BILD-Informationen fiel der Sänger an Bord auf: Er soll sich aggressiv verhalten haben und die meiste Zeit in Frauenkleidung rumgelaufen sein. Tatsächlich zeigt eines der letzten Fotos Küblböck bei einer Abendveranstaltung an Bord im Kleid und mit hohen Schuhen.
Für Küblböcks Familie ist die Nachricht ein Schock. Vater Günther Küblböck (54) zu BILD: “Ich klammere mich jetzt nur an die Hoffnung, dass irgendwie doch noch alles gut wird!”
In diesen zwei Absätzen steckt vieles, was man über die Arbeit von “Bild” und Bild.de wissen muss: Zunächst einmal werden irgendwelche Gerüchte kolportiert über das, was sich “nach BILD-Informationen” ereignet haben “soll”. Dabei werden aggressives Verhalten und das Tragen von Frauenkleidung nebeneinander gestellt, als sei beides irgendwie vergleichbar oder habe irgendetwas miteinander zu tun. Und weil aggressives Verhalten negativ besetzt ist, wird es das Tragen von Frauenkleidern spätestens durch diese sprachliche Montage auch. Mit beidem “fiel” Küblböck angeblich “auf”.
Mit dem Wort “tatsächlich” kann “Bild” den einen Teil der “BILD-Informationen” bestätigen — und den anderen damit gewissermaßen auch, denn beides gehört ja irgendwie zusammen, wie der Satz davor suggeriert. “Bild” präsentiert also Fotos, die Küblböck an Bord des Schiffes in Frauenkleidern zeigen sollen (praktisch, dieses W-LAN an Bord!) und die sehr danach aussehen, als wären sie ohne sein Einverständnis oder auch nur sein Wissen gemacht worden.
Es folgt ein neuer Absatz, der anscheinend direkt auf den vorherigen Bezug nimmt: “die Nachricht” ist “ein Schock” — das klingt bei unbedarftem Lesen erstmal so, als ginge es hier immer noch um die mutmaßlichen Aggressionen und die Frauenkleider. Dann wird einem allerdings klar: Es geht natürlich eigentlich um das Verschwinden. Und man wünscht Angehörigen in einer solchen Situation sicherlich vieles, aber bestimmt keine “Bild”-Reporter, die knackige O-Töne einholen wollen.
Besonders die Sache mit den Frauenkleider hat es den “Bild”-Leuten angetan — umso mehr, als sie entdeckten, dass Küblböck selbst ein Foto, das ihn geschminkt und offenbar in einem Kleid zeigt, auf Instagram veröffentlicht hatte.
Die Autorin Sophie Passmann kritisierte in einer Instagram-Story die Nebeneinanderstellung der Informationen, dass Küblböck verschwunden sei und Frauenkleider getragen haben soll, als Musterbeispiel für tendenziöse Berichterstattung:
Das ist natürlich mehr als zwei Informationen nebeneinander. Wenn man diese beiden Informationen hintereinander gibt, möchte man damit ja irgendwas sagen. Nämlich: “Daniel Küblböck hat Frauenkleider getragen. Irgendwas scheint nicht mit ihm zu stimmen — wahrscheinlich hat er sich selbst in den Tod gestürzt.”
Mehr noch: Weil Daniel Küblböck im August in einem inzwischen gelöschten Facebook-Post auf einer Fanseite Vorwürfe erhoben haben soll, an seiner Schauspielschule Opfer von Mobbing geworden zu sein, konnten die Gerüchteküchenpsychologen von “Bild” aus den zusammengeraunten Zutaten “Mobbing”, “Depression” und “Frauenkleider” einen geschmacklosen Unheilsbrei anrühren.
Was trieb ihn zu seinem Sprung in die Atlantik-Fluten?
Vieles spricht dafür, dass Ex-DSDS-Sänger Daniel Küblböck (33) unter psychischen Problemen litt. Doch niemand ahnte, dass sich seine Seele schon so verdunkelt hatte.
BILD auf Spurensuche.
In immer neuen Artikeln tackert die Redaktion Puzzleteile, die sie mutmaßlich, angeblich, vielleicht, offenbar irgendwo aufgetrieben hat, zusammen. Dabei stets im Fokus: das vermeintlich Abnorme.
Seit September 2015 studierte Küblböck am “Europäischen Theaterinstitut” (ETI) in Berlin. Zuletzt lernte er wie besessen seinen Text für das Abschluss-Stück “Niemandsland”. Darin spielte er “Aurora” — einen Transvestiten. Auch privat trat er fast nur noch in Frauenkleidern auf.
Der Artikel, der weitere “BILD-Informationen”, Konjunktive und Formulierungen wie “einige seiner Kommilitonen berichten” und “sei gemunkelt worden” enthält, endet ernsthaft so:
Schon in seiner Kindheit fühlte sich Küblböck nicht geliebt.
In seiner Autobiografie “Ich lebe meine Töne” (2003) schreibt er: “Ich bin nicht erwünscht. Zumindest nicht von meiner Mutter. (…) Sie hat mich nicht haben wollen. Aber wenn schon mich, dann ein Mädchen.”
Bei der Lektüre nimmt man zweierlei mit: Wer als Mann in Frauenkleidern herumläuft, hat offensichtlich psychische Probleme — und wer sich als Kind ungeliebt fühlte, springt halt zwangsläufig irgendwann von einem Kreuzfahrtschiff.
Unter den meisten Artikel zum Thema prangt pflichtschuldig ein Hinweis auf Hilfsangebote, die Menschen mit Depressionen oder anderen psychischen Erkrankungen in Anspruch nehmen können. Ausgerechnet unter dem “Bild plus”-Artikel “So entglitt Daniel Küblböck das Leben” (auch Titelgeschichte der gedruckten “Bild” am Dienstag) fehlt er.
Solche Informationen sind, neben dem Hinweis, dass man “normalerweise” nicht über Selbsttötungen berichte, auch bei seriösen Medien seit einiger Zeit üblich. Bei Bild.de allerdings wirkt es so, als würde sich die Redaktion damit selbst einen Freifahrtschein ausstellen: Solange wir hinschreiben, wo man sich Hilfe holen kann, können wir das Thema so ausführlich und gedankenlos ausbreiten, wie wir wollen. Also quasi sowas wie Warnhinweise auf einer Zigarettenschachtel.
Und so begannen die “Bild”-“Spurensuchen” schon, als die Rettungs- und Suchaktionen noch liefen, und hörten nach deren Einstellung (“ER stellte die Suche nach dem DSDS-Star ein” — ganz so, als sei “ER”, der kanadische Einsatzleiter, “der perfekt Deutsch spricht”, irgendwie schuld) natürlich nicht auf.
Vorläufiger Tiefpunkt: Ein “Bild plus”-Artikel, in dem referiert wird, was “Reiseexperte Ralf Benkö bei RTL” vorgetragen habe.
Zum Beispiel:
“Es gibt einige Gerüchte und unbestätigte Informationen, wonach es Augenzeugen gegeben haben soll, für das was passiert ist”
Passiert ist “nach weiteren Gerüchten”, “möglicherweise”, “vielleicht” etwas, denn “es gibt Informationen, die das sagen”. Nach weiteren Konjunktiven stellt der Bild.de-Artikel am Ende wieder so etwas ähnliches wie Klarheit her:
Was es mit all diesen unbestätigten Informationen auf sich hat, muss nun die kanadische Polizei herausfinden.
Aber das ist natürlich noch lange nicht alles zum Thema: In einem Artikel beschreiben mehrere Passagiere die Stimmung an Bord des Kreuzfahrtschiffs, das weiter auf dem Weg nach New York ist, als wahlweise “gelassen”, “ganz gut” und “sehr gedämpft”, wodurch der informative Mehrwert für Leserinnen und Leser in Deutschland gegen Null tendiert.
Weil Dieter Bohlen, der als Juror von “Deutschland sucht den Superstar” dabei war, als Daniel Küblböcks Karriere begann, auf Instagram ein Video zu dem Vorfall veröffentlicht hatte, in dem er ausgerechnet einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift “Be one with the ocean” (“Sei eins mit dem Ozean”) trägt, konnte Bild.de fleißig weitere Artikel (“Ist dieser Pulli dein Ernst, Dieter?!”, “Dieter Bohlen erklärt seinen Geschmacklos-Pulli”) zum Thema (also: “zum Thema”) veröffentlichen.
Und weil der Comedian Oliver Kalkofe auf Facebook einen Post über Daniel Küblböcks Verschwinden veröffentlicht hatte, in dem er die “die Auswirkungen der Casting-Shows und des immer seelenloser werdenden Fernsehens” kritisierte, kann Bild.de Kalkofes Fernseh-Kritik munter weiterverbreiten — und so tun, als hätten Boulevardzeitungen und Onlinemedien mit alledem nichts zu tun.
Unsere Zusammenstellung hier ist natürlich unvollständig — und “Bild” und Bild.de sind längst nicht die einzigen Medien, die sich jetzt durch das Privatleben von Daniel Küblböck mutmaßen. Bei RTL und der “Bunten” kommen jede Menge “enger Freunde” zu Wort, die man, wenn sie wirklich enge Freunde sein sollten, in ihrer aktuellen Verfassung tunlichst nicht in die Öffentlichkeit zerren sollte, und deren Einschätzungen, wenn sie dem Verschwundenen nicht so nahe standen, wie sie behaupten, erst rechts nichts zur Sache tun. Bei DerWesten.de fragen sie, ob es einen Zusammenhang zwischen Küblböcks Sexualität und seinem Verschwinden gibt. Rosenheim24.de hat einen News-Ticker eingerichtet, den das Portal seit Tagen mit Meldungen zu Daniel Küblböck füllt. Express.de berichtet über eine “intime SMS”. Bei Stern.de sind sogar noch mehr Artikel erschienen als bei Bild.de.
Über Medien wie diese hat sich der Youtuber David Hain bereits am Dienstag ausgelassen:
Diese Art der Berichterstattung kann jetzt noch länger so weitergehen: Bild.de hat vorsorglich schon mal erklärt, dass Daniel Küblböck frühestens sechs Monate nach seinem Verschwinden für tot erklärt werden kann.
Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!
***
Du bist depressiv oder steckst in einer schwierigen Situation? Hilfe gibt es bei der TelefonSeelsorge — auf telefonseelsorge.de sowie unter den kostenlosen Telefonnummern 0800 – 111 0 111 und 0800 – 111 0 222.
1. Diese Überschrift dürfen Sie künftig nicht mehr zitieren (zeit.de, Lisa Hegemann)
Gestern beschloss eine Mehrheit im EU-Parlament entgegen aller Kritik von Fachleuten und fast einer Million Unterschriften von skeptischen Bürgern die EU-Urheberrechtsreform. Entsprechend groß ist das Entsetzen bei den Medienbeobachtern.
“Zeit Online”-Redakteurin Lisa Hegemann schreibt: “Die Lobbyarbeit ist aufgegangen: Die EU-Urheberrechtsreform belohnt die Verlage. Für uns alle ist sie desaströs. Die freie Verbreitung von Informationen ist in Gefahr.”
Muzayen Al-Youssef kommentiert im “Standard”: “Die Verschärfung des Urheberrechts fördert Zensur und zeigt, dass das EU-Parlament Netzaktivisten, IT-Koryphäen und Bürger ignoriert hat.”
Patrick Beuth kommentiert bei “Spiegel Online”: “Die Mehrheit der EU-Abgeordneten hat mit ihrer Zustimmung zur Urheberrechtsreform bewiesen, dass sie das Internet nicht versteht — und an magische Lösungen für technische Probleme glaubt.”
Und Richard Gutjahr spricht auf Facebook von einem “Ausverkauf des Journalismus”.
Es gab im Vorfeld jedoch auch Äußerungen von Befürwortern, wie den Beitrag der “SZ”-Größe Heribert Prantl. Einen Kommentar, den Stefan Niggemeier auf “Übermedien” als “Verleumdung im Dienst der Aufklärung” bezeichnet.
2. Eine 22-seitige Klatsche für Tom Buhrow (sueddeutsche.de, Hans Hoff)
Als eine “22-seitige Klatsche für Tom Buhrow” bezeichnet “SZ”-Kolumnist Hans Hoff den Abschlussbericht zum Umgang des WDR mit Vorwürfen der sexuellen Belästigung. Mit der Erstellung des Berichts war die ehemalige Gewerkschaftsvorsitzende Monika Wulf-Mathies betraut worden. Und die gibt dem Sender schlechte Noten: Der WDR brauche dringend einen Kulturwandel, eine Verbesserung des Betriebsklimas und mehr gegenseitige Wertschätzung.
Weiterer Lesehinweis: Nur die Spitze des Eisbergs (taz.de, Wilfried Urbe).
4. Zeitung verteidigt umstrittene Serena-Williams-Karikatur (spiegel.de)
Nach dem Wutausbruch der Tennisspielerin Serena Williams im Finale der US Open erschien in der australischen “Herald Sun” eine vielfach kritisierte Karikatur: Der Zeichner Mark Knight hatte die Tennisspielerin als wutschnaubende Schwarze mit dicken Lippen, breiter Nase und großem Hinterteil gezeichnet. Tausende Menschen, darunter auch Promis wie die Autorin J.K. Rowling, warfen der Zeitung darauf unter anderem Rassismus vor. Das Blatt stellte sich jedoch hinter ihren Zeichner und druckte die Karikatur erneut ab, diesmal sogar auf dem Titel.
Weiterer Lesehinweis: Ebenfalls auf “Spiegel Online” kommentiert Hannah Pilarczyk: “In dieser Karikatur stecken diverse rassistische Stereotype. Ob sie absichtlich benutzt wurden oder nicht, ist egal: Einem Profizeichner darf so etwas nicht passieren.”
5. Erdogan nimmt Geisel (jungewelt.de, Alp Kayserilioglu & Joan Adalar)
In der Türkei ist ein weiterer kritischer Journalist verhaftet worden: der österreichische Autor Max Zirngast, der dort seit 2015 Politikwissenschaften studiert. Vielleicht störten sich die türkischen Behörden an Zirngasts Engagement für eine alternative Sommerschule für Kinder aus armen Familien, vielleicht an seinen politischen Publikationen. Was ihm genau zum Vorwurf gemacht wird, sei jedoch unklar.
Weiterer Lesehinweis: Im österreichischen “Standard” erzählt der Journalist und Türkei-Kenner Markus Benrath von einer Begegnung mit Zirngast, dem “baumlangen, sympathischen Steirer” in Ankara.
6. “Jetzt bin ich halt der Ottlitz” (mediummagazin.de, Jens Twiehaus)
Stefan Plöchinger ist in der Medienwelt ein bekannter Name: Er war Digital-Chef der “Süddeutschen Zeitung” und ist vor Kurzem als Leiter der Produktentwicklung beim “Spiegel” in die Geschäftsleitung aufgestiegen. Doch viele werden sich umgewöhnen müssen, denn Plöchinger heißt jetzt Ottlitz. Das “Medium Magazin” hat sich bei ihm danach erkundigt, wie es dazu gekommen ist, dass er seinen branchenbekannten Namen abgelegt hat.
Sie werden in die Geschichte eingehen als einige der ikonischsten Duos unserer Zeit: Helene & Flori, Pommes & Mayo und natürlich: “Bild” & AfD.
Inzwischen sind sich die Zeitung und die Partei in ihrer Weltsicht und ihrer Sprache dermaßen ähnlich, dass man kaum noch erkennen kann, welche Parole eigentlich von wem kommt. Oder?
Mach den Test: Wir zitieren eine von beiden, und Du versuchst zu erraten, wer dahintersteckt.
1. Jedes Wort setzt einen Rahmen (zeit.de, Houssam Hamade & Viola Nordsieck)
In den letzten Tagen schien es nur eine Diskussion zu geben: Gab es in Chemnitz eine “Hetzjagd” oder nicht? Bundeskanzlerin und Regierungssprecher hatten dieses Wort verwendet, während der Verfassungsschutzpräsident in der “Bild”-Zeitung Zweifel gesät hatte. Im Essay von Houssam Hamade und Viola Nordsieck geht es um den Kampf der Begriffe: “Entscheiden wir uns, über Chemnitz als eine “Hetzjagd auf Ausländer” zu sprechen, oder reden wir von “rechtsradikalen Ausschreitungen”, die “ein Viertel der deutschen Bevölkerung” zum Ziel haben? Gerade in einem aufrichtigen Gespräch wird genau diese Auswahl immer auch ein Element der Debatte sein. Anderenfalls wird sie fremdbestimmt.”
Weiterer Lesetipp:Journalisten müssen Frames genauso checken wie Fakten (stefan-fries.com).
Und wer sich inhaltlich auf den neuesten Stand bringen lassen will, ist beim ARD-“Faktenfinder” gut aufgehoben: Maaßen und das Video von Chemnitz (faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing).
2. Es machte Spaß mit Barbara Laugwitz (taz.de, Margarete Stokowski)
Die Entlassung der erfolgreichen Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz durch den Holtzbrinck-Konzern gibt Rätsel auf. Ein Rätsel, das sie selbst nicht aufklären darf: Laugwitz erhielt eine Kontaktsperre, laut der sie weder mit ihren Ex-MitarbeiterInnen noch mit AutorInnen oder Medien sprechen darf. In der “taz” kommentiert die Rowohlt-Autorin Margarete Stokowski das Geschehen und erzählt von ihrer ersten Begegnung mit der Verlegerin.
3. “Gefahr, dass Journalismus noch mehr Elitenjob wird” (deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio, 5:22 Minuten)
Der Journalist und “Netzwerk Recherche”-Projektleiter Thomas Schnedler hat für seine Dissertation mit prekär beschäftigten Journalisten gesprochen. Viele Journalisten seien auf finanzielle Unterstützung Dritter angewiesen mit den damit verbundenen Folgen: “Das ist tatsächlich eine große Gefahr, dass der Journalismus noch mehr als ohnehin schon zu so einer Art Elitenjob wird, den man sich leisten können muss, weil man entweder selber über die nötigen Mittel verfügt oder weil man eben solche Sicherheitsgaranten und andere Unterstützer hat, die einem das dann erst ermöglichen.”
4. Mein Kollege, der Roboter (journalist-magazin.de, Anna Friedrich)
Kann der Computer leibhaftige Journalisten ersetzen? In machen Bereichen schon: Bei Börsen- und Finanzmeldungen setzen “Focus Online” und das “Handelsblatt” bereits auf das Angebot des Dortmunder Dienstleisters “textomatic”. Dort werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz automatisierte Nachrichten produziert, ganz ohne menschliches Zutun.
5. “Eingeimpft” im MedWatch-Check Teil 1: Wie fragwürdige Experten Stimmung gegen Impfungen machen (medwatch.de, Hinnerk Feldwisch Drentrup)
Im Dokumentarfilm “Eingeimpft” suchen Regisseur David Sieveking und seine Partnerin eine Antwort auf die Frage, ob das Paar seine Kinder impfen lassen soll oder nicht. Dazu spricht Sieveking mit Wissenschaftlern, Ärzten und Impfkritikern. “Medwatch” hat sich den Film angesehen und eigene Recherchen angestellt. Der Befund: “Eingeimpft”, so unschuldig, offen und ehrlich Sievekings Familiengeschichte daherkommt, ist die Geschichte einer Verunsicherung. Sie spielt mit der Angst von Eltern, und sie liefert Impfkritikern Nahrung für ihre Verschwörungstheorien.
6. DDR-Hörfunk-Hitparade startet (am 11.09.1953) (wdr.de, Thomas Klug, Audio, 14:37 Minuten)
Der DDR-Fernsehunterhalter Heinz Quermann war umtriebig und vielseitig wie kaum ein anderer: Er war Redakteur, Regisseur, Talentsucher und Conférencier und soll Tausende von Sendungen in Rundfunk und Fernsehen gestaltet haben. Um westlichen Angeboten etwas entgegenzusetzen, erfand er die Schlagerrevue und wurde zum großen Übervater der Schlagersänger zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Bei WDR-“Zeitzeichen” blickt man auf den 11. September 1953 zurück, den Start der DDR-Hörfunk-Hitparade.
Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.
297.000 Soldaten seien bei “Wostok-2018” (Osten-2018) im Einsatz, 1000 Flugzeuge wie Suchoi Su-34 und Su-35-Jagdbomber, Kampfhubschrauber und Drohnen, 80 Schiffe der Pazifik- und Nordmeerflotte, darunter Fregatten mit Kaliber-Raketen, die in Syrien zum Einsatz kamen, Luftlandetruppen, bis zu 36.000 Panzer, verkündete Walerij Gerassimow, der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, vor internationalen Militärs.
Russland beginnt sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.
Das russische Verteidigungsministerium will 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, hunderte Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.
Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.
Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 wolle das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.
Russland beginnt heute sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.
Das waren, in dieser Reihenfolge: “Focus Online”, “RT Deutsch”, FAZ.net, “Spiegel Online”, “Zeit Online”, Stern.de, Deutschlandfunk.de, Welt.de, n-tv.de, “Die Achse des Guten”, Stuttgarter-Nachrichten.de. Und wir könnten die Liste noch eine ganze Weile fortführen.
Tatsächlich verfügt Russland gar nicht über 36.000 Panzer. Es sind deutlich weniger: Laut “Statista” 15.500, laut “Wikipedia” etwas über 22.000, wobei dort auch die Panzer mitgezählt sind, die als “retired” gelten. Es existieren also durchaus viele Panzer in Russland, aber eben nicht 36.000.
Dass so viele deutsche Medien von “36.000 Panzern” schreiben und dass sie häufig so gleich klingen in ihren Artikeln, dürfte an der dpa liegen. Die hat heute früh um 3:27 Uhr über den Basisdienst eine erste Agenturmeldung verschickt, in der von eben jenen 36.000 Panzern die Rede ist. Drei Minuten später kam ein “Nachrichtenüberblick” mit derselben falschen Zahl, ebenfalls über den großen Basisdienst. Viele Redaktionen übernehmen diese Artikel automatisch.
Taking part in the drills are about 300,000 Russian troops, over 1,000 aircraft, helicopters and unmanned aerial vehicles, up to 36,000 tanks, armored personnel carriers and other vehicles, up to 80 ships and supply vessels, the Defense Ministry added.
Also: bis zu 36.000 Fahrzeuge, zu denen die Panzer genauso zählen wie die Jeeps der Kommandeure.
Die dpa verschickte um 9:36 Uhr eine Berichtigung über ihren Basisdienst. Dort waren die “36.000 Panzer” in “bis zu 36.000 Panzer, Panzerwagen und andere Fahrzeuge” geändert. Manche Redaktionen übernahmen diese Änderung, andere — siehe oben — nicht.
Bei den falschen 36.000 Panzern dürfte es sich um einen Übersetzungs- und/oder Flüchtigkeitsfehler handeln. Dass überall ebenfalls von 300.000 Soldaten geschrieben wird, die vor Ort im Einsatz sein sollen, sieht manch einer als Verbreiten von aufgeblasenen Zahlen der “russischen Münchhausens”. Nur zum Vergleich: An Sapad-81, dem größten Manöver, das je in der Sowjetunion stattgefunden haben soll, mitten im Kalten Krieg, nahmen rund 150.000 Soldaten teil.