Wegen fehlender anderweitiger Kennzeichnung müssen wir davon ausgehen, dass es sich bei diesem Text aus der heutigen “Bild” um einen Artikel handelt:
Der “perfekte Bankraub für zu Hause”, besser hätte es die Promo-Abteilung von Playmobil wohl auch nicht ausdrücken können. Nur, dass es als Anzeige in der Bundesausgabe mehr als 40.000 Euro gekostet hätte.
Wenn Sie jetzt sagen, es könne doch durchaus einen Nachrichtenwert haben, dass es diesen “Bankraub fürs Kinderzimmer” “ab sofort” zu kaufen gebe, müssen wir Sie enttäuschen: Beim Internetversandhändler Amazon können Sie die “Bank mit Geldautomat” (so der offizielle Name des Produkts) bereits seit dem 10. Februar 2012 bestellen. Und dieses einjährige Jubiläum kann ja auch kein Grund für eine Berichterstattung (“ab sofort”) sein.
Es hätte da allerdings schon einen Grund für aktuelle Berichterstattung gegeben — tatsächlich gab es den auch in jenen britischen Boulevardmedien, von denen sich “Bild” so gerne inspirieren lässt: Der “Daily Mirror” berichtet seit Samstagabend auf seiner Internetseite, dass Aktivisten gegen Schusswaffengewalt das Spielzeugset als “abscheulich” bezeichnet hätten. (Ob wenigstens diese Aussagen aktuell sind, geht aus dem Artikel leider nicht hervor — in Großbritannien gibt es die “Bank with Safe” auch schon fast ein Jahr lang zu kaufen.)
Die “Daily Mail” griff die Geschichte auf, die “Sun”, die “Huffington Post” aus den USA und schließlich auch “Bild”. Nur, dass die Geschichte dort völlig fehlt.
Die “Bild”-“Berichterstattung” hat derweil blick.ch inspiriert, über das “Bankraub-Set” zu schreiben, das Playmobil “seit kurzem” für “die Kleinsten unter den Kriminellen im Sortiment” habe.
Man kann den Redakteuren dort nicht vorwerfen, gar keine eigenen Recherchen mehr angestellt zu haben. Nur das Ergebnis ist etwas überraschend:
Wem ein Banküberfall zu langweilig ist, kann seinen Kleinen das Set “Diebstahl im Museum” kaufen, mit drei Museumsdieben, die mit ihrer raffinierten Ausrüstung an den Film “Mission Impossible” erinnern.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Journalismusforschung: ‘Ganz auf Linie mit den Eliten'” (heise.de/tp, Marcus Klöckner)
Ein Interview mit Uwe Krüger, der im Buch “Meinungsmacht” die Netzwerke von Journalisten und Eliten untersucht: “Ich vermute folgendes: Journalisten mit Eliten-kompatiblen Werten und Meinungen haben höhere Chancen, Zugang zu den höchsten Kreisen zu bekommen, und die Einbindung in das Elitenmilieu verstärkt dann über die Zeit hinweg die Konformität.”
2. “Die Finsternis einer Behinderung” (jule-stinkesocke.blogspot.de, Jule)
Jule liest eine Kolumne von Franz Josef Wagner: “Könnte dieser Mensch mal aufhören, seine verrückten Vorstellungen über das Volk zu gießen? Finsternis! Glaubt wirklich irgendjemand, dass ein Rollstuhlfahrer auf eine Party fährt, um davon zu träumen, wie es wäre, jetzt tanzen zu können?”
3. “Im Mund rumgedreht: Fahrscheinlos oder kostenlos?” (blogs.taz.de, Sebastian Heiser)
Sebastian Heiser erklärt, warum er von “kostenlosem” Nahverkehr schreibt, und nicht von “fahrscheinlosem” oder “umlagefinanziertem”. Einige Kommentarschreiber halten das aber nicht für korrekt.
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1. “Der Blogger, das Gold und die Startbahn” (wortfeld.de, Alexander Svensson)
Alexander Svensson sucht (bisher erfolglos) einen Blogger, der, wie der “Spiegel” berichtet, Isländer dazu brachte, in einer Winternacht “ebenso tapfer wie sinnlos anderthalb Tage die Startbahn” zu blockieren.
2. “Gamification: Warum die Paywall für Medien ein Irrtum ist” (netzwertig.com, Matthias Sala)
Matthias Sala empfiehlt Zeitungsportalen, sich an der erfolgreichen Spieleindustrie zu orientieren und Angebote im Centbereich zu offerieren, die mittels Kleinsttransaktionen erworben werden können: “Online-Zeitungen sollten dies auch anbieten: die schnelle Suche im Archiv, das Drucken einer Infografik in hoher Auflösung für PowerPoint, das Erstellen eines gelayouteten PDFs für ein Spezialthema oder das Freischalten genauer Statistiken eines Wirtschaftsartikels.”
3. “Genial, geliebt, gefährdet” (zeit.de, John F. Jungclaussen)
Die Guardian Media Group verliert “jede Woche über eine Million Pfund”. “Lohnkosten für 600 Journalisten, die in der integrierten Print- und Onlineredaktion arbeiten, müssen weiter bezahlt werden. Das Jahresgehalt des Chefredakteurs von 600.000 Pfund erscheint da immer extravaganter. ‘In drei bis fünf Jahren wird uns das Geld ausgehen’, rechnet Geschäftsführer Miller vor.”
4. “Der Zentrallappen des Grauens” (gehirn-und-geist.de, Steve Ayan)
Ein Bremer Hirnforscher habe den Sitz des Bösen im menschlichen Gehirn entdeckt, schreibt Bild.de. “Das alles wäre zum Lachen, wenn es nicht auch einen bitteren Beigeschmack hätte. Denn der krude Biologismus, den Boulevardmedien in Sachen Gehirn immer wieder bedienen, suggeriert letztlich: Die können nicht anders! Wer das Böse im Hirn hat, der handelt auch so.”
6. “Wir Empörten” (dasmagazin.ch, Christian Schmidt)
Am 13. November 2002 sinkt die Prestige, 64.000 Tonnen Schweröl laufen aus, verpesten die Küste Spaniens und Frankreichs. Ein Besuch vor Ort, zehn Jahre danach.
Es gibt Dinge in unserem Rechtsstaat, die will “Bild” einfach nicht akzeptieren. Vor allem die Tatsache, dass selbst Mörder und Kinderschänder grundlegende Rechte haben.
Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zum Beispiel. Das spricht die “Bild”-Zeitung Menschen, die ein schweres Verbrechen begangen haben, in der Regel kurzerhand ab – und tut dann sogar so, als müsste man ihr dafür auch noch dankbar sein:
“Die Identität eines Straftäters ist grundsätzlich zu schützen”, sagt der Deutsche Presserat, der oberste Sittenwächter der Presse – und kritisiert aus diesem Grund immer wieder die BILD-Zeitung. Weil wir ganz anderer Meinung sind. Weil wir glauben, dass die Öffentlichkeit ein Recht darauf hat zu erfahren, wie ein Vergewaltiger, ein Kinderschänder und ein Mörder aussehen. Und wir deshalb Vergewaltiger, Kinderschänder und Mörder auch zeigen.
Und es wird sich auch in naher Zukunft vermutlich nicht viel daran ändern. Auch deshalb, weil “Bild” in solchen Fällen – abgesehen von den Maßnahmen des Presserats, die das Blatt in der Regel sowieso ignoriert – nur selten irgendwelche Konsequenzen zu erwarten hat, erst recht keine juristischen. Denn, wie wir schon vor ein paar Jahren mal geschrieben haben, ist …
(…) die Wahrscheinlichkeit, dass sich z.B. eine junge Frau, die gerade wegen des Verdachts, ihr eigenes Baby getötet zu haben, in Untersuchungshaft sitzt, juristisch gegen die Veröffentlichung eines Fotos von ihr zur Wehr setzt, für “Bild” ebenso überschaubar, wie es die aus einem eventuellen Gerichtsprozess resultierenden Schmerzensgeldforderungen sind.
Aber auch wenn sich nur selten jemand traut oder überhaupt befähigt fühlt, in so einer Situation juristisch gegen “Bild” vorzugehen – die Erfolgschancen eines solchen Prozesses sind gar nicht mal gering. Denn vor Gericht zieht die wackelige Argumentation der “Bild”-Juristen offenbar nur wenig. Das jedenfalls zeigt ein Urteil des Landgerichts Verden, das nun rechtskräftig geworden ist.
Verurteilt wurde der Axel-Springer-Verlag wegen der “Bild”-Berichterstattung über einen Prozess, in dem eine junge Frau angeklagt war, ihr neugeborenes Baby ermordet zu haben. Sie wurde wegen Totschlags in einem minderschweren Fall verurteilt.
“Bild” hatte den Prozess von Anfang an begleitet und die Frau, eine Polizistin, schon ab dem ersten Verhandlungstag im Januar 2011 ohne jede Unkenntlichmachung gezeigt sowie Details aus ihrem Privatleben veröffentlicht. Später klagte die Frau gegen die identifizierende Berichterstattung – und bekam Recht: Dem Axel-Springer-Verlag wurde gerichtlich untersagt, ungepixelte Fotos der Frau zu verbreiten. Außerdem muss er ihr 6000 Euro Schmerzensgeld zahlen.
Laut einer Pressemitteilung des Landgerichts argumentierte die Frau vor Gericht, “die Berichterstattung verstoße gegen die Unschuldsvermutung, weil sie den Tatvorwurf des Mordes nie gestanden und dieser sich auch im Verlaufe des Verfahrens nicht erwiesen habe”. Der Verlag hingegen hatte unter anderem eingewendet, bei der Frau “handele es sich um eine Person der Zeitgeschichte, weil sie Polizistin gewesen sei und eine schwerwiegende, außergewöhnliche Tat begangen habe”.
Die Richter betonten, bei Gewaltverbrechen sei “in der Regel ein über bloße Neugier und Sensationslust hinausgehendes Interesse an näherer Information” über den Täter und den Tathergang erforderlich, um eine identifizierende Berichterstattung zu rechtfertigen. Grundsätzlich sei hierbei also – das fordert im Übrigen auch das Bundesverfassungsgericht – “eine Abwägung zwischen den Rechten der Abgebildeten und der Pressefreiheit vorzunehmen”. In diesem Fall …
(…) überwiegten die berechtigten Interessen der Klägerin. Es sei schon nicht ersichtlich, dass es für die Berichterstattung auch auf die Identifizierbarkeit der Klägerin ankam. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Lichtbildes habe weder eine (erstinstanzliche) Verurteilung der Klägerin vorgelegen, noch habe diese sich in der Hauptverhandlung überhaupt schon zur Sache eingelassen.
Der Verlag ging zwar in Berufung, doch das Oberlandesgericht Celle bestätigte das Urteil des Landgerichts. Und die Kritik der dortigen Richter galt nicht nur den ungepixelten Fotos:
Der Senat beanstandet darüber hinaus die mit dem Lichtbild versehene Schlagzeile der Zeitung. Auch diese könnte bei Abwägung der Interessen zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden.
Die auf das Lichtbild aufgebrachte Schlagzeile sei “tendenziös und vorverurteilend”, die Informationen aus der Pressemitteilung des Landgerichts Verden über diesen Fall seien in einer Art umgestaltet und umformuliert worden, dass hieraus eine “marktschreierische, sensationsheischende und vorverurteilende Überschrift” geworden sei.
“Umgestaltet” und “umformuliert” wurden die Informationen übrigens von “Bild”-Reporterin Astrid Sievert, die ihr, sagen wir: Talent darin schon mehrfach eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat. In der angesprochenen Pressemitteilung hatte es damals jedenfalls geheißen:
Die Staatsanwaltschaft wirft der Angeklagten vor, das Kind getötet zu haben, weil sie durch die ungewollte Schwangerschaft befürchtete finanzielle Einschränkungen nicht habe hinnehmen und ihren “bis dahin geführten hohen Lebensstandard” nicht habe reduzieren wollen.
In “Bild” lautete die Überschrift dann: “Polizistin ersticht ihr Baby mit Schere …weil sie ihr schönes Leben nicht aufgeben wollte”.
Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) ist seit dieser Woche nicht mehr Bundesbildungsministerin Prof. Dr. Annette Schavan (CDU), weil ihr die Heinrich-Heine-Universität zu Düsseldorf den Doktorgrad entzogen hat.* In der Dissertation von Frau Schavan seien “in bedeutendem Umfang nicht gekennzeichnete wörtliche Übernahmen fremder Texte zu finden”, begründete die Universität ihre Entscheidung.
Für Tilman Krause, Leitender Literaturredakteur bei der “Welt”, ist der Fall Schavan kein Einzelfall, sondern Symptom einer gesellschaftlichen Fehlentwicklung. Er schreibt:
Der Fall Schavan erinnert noch einmal an einen Umstand, der dem Vergessen anheimzufallen droht, aber zum Verständnis unserer Gegenwartsnöte unabdingbar ist: Der Ausverkauf von Bildung, der naive Glaube, jeder könne ein Intellektueller sein und der Aufstieg ins Bildungsbürgertum lasse sich in zwei, drei Jahren bewältigen – all diese törichten Illusionen sind auf sozialdemokratischem Mist gewachsen.
Krause fragt, was man von einer Frau halten solle, die, “aus einfachen Verhältnissen kommend, promovieren will um jeden Preis, hauptsächlich aber ohne vernünftig studiert zu haben” und die – “mit anderen Worten” – “Bildung missverstand wie Honecker den Sozialismus”.**
Nimmt man dazu noch die Tatsache, dass Annette Schavan ihre Fahrt ins akademische Glück im Fach Erziehungswissenschaften angestrebt hat und sich dafür an der Universität Düsseldorf immatrikulierte, dann hat man ein so lupenreines sozialdemokratisches Aufstiegsmuster beisammen, dass man schon fast wieder an der Daseinsberechtigung der CDU zweifeln möchte, wenn solche Lebensläufe sich jetzt dort finden statt in der SPD, wo sie hingehören.
Krause liefert dann eine “kleine Erinnerung an die universitäre Landschaft, wie sie sich im Jahr von Annette Schavans Dissertationsanstrengung, also 1980, darbot”. Erziehungswissenschaften seien damals in etwa das gewesen, was heute “Kulturmanagement” oder “Journalistik” seien: “ein Non-Fach, eine intellektuelle Simulation”.
Im Falle von Annette Schavan kam es aber laut Tilman Krause noch schlimmer:
Und nun Düsseldorf. Wer aus Nordrhein-Westfalen stammte und auf sich hielt, schickte seine Kinder doch nicht nach Düsseldorf! Bonn, Münster, Köln waren die renommierten Ausbildungsstätten, Bochum galt als interessante Reformuniversität, aber Düsseldorf, 1965 gegründet, stand nun wirklich für gar nichts – außer für den sozialdemokratischen Traum von der Hochschulreife für alle.
Die Uni Düsseldorf ist für Krause also quasi der betongewordene “sozialdemokratischen Traum von der Hochschulreife für alle”.
Und tatsächlich hatte die Landesregierung NRW 1965 die Umwandlung der bisherigen Medizinischen Akademie in eine “Universität Düsseldorf” beschlossen.
Nordrhein-Westfalen, den anderen Bundesländern bislang nur in den Einnahmen und Einwohnern weit voraus, entwickelt sich nun zum hochschulreichsten Land der Bundesrepublik. Treibende Kraft ist Kultusminister Professor Paul Mikat, Geburtshelfer von fünf Universitäten (Bochum, Dortmund, Ostwestfalen, Aachen, Düsseldorf).
Paul Mikat war Mitglied der CDU. So, wie überhaupt die ganze Landesregierung unter Ministerpräsident Franz Meyers (CDU) damals aus CDU und FDP bestand.
Mit Dank an Ralf B.
*) Nachtrag/Hinweis, 19.30 Uhr: Streng genommen ist es wohl so, dass Frau Schavan ihren Doktorgrad zumindest solange behält, bis das Verwaltungsgericht Düsseldorf über ihre Klage gegen die Aberkennung entschieden hat.
**) Nachtrag/Hinweis, 9. Februar: In der Onlineversion steht nun “die mit anderen Worten Bildung missverstand wie Ulbricht den Sozialismus”. Zuvor hatte dort – wie in der Printversion – “Honecker” gestanden. Die Universität Düsseldorf steht aber immer noch für den “sozialdemokratischen Traum”.
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2. “KLAPPE ZU!” (focus.de, Thomas Wolf, 30. Januar)
Thomas Wolf beklagt die Politische Korrektheit: “Was nicht den genormten Mustern und Schablonen entspricht, darf auch nicht gesagt werden – selbst wenn sich die Debatten dadurch in einer Endlosschleife bewegen.”
3. “Warum deutsche Chefredaktoren in der Schweiz scheitern” (blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Anlässlich des Abgangs von Ralph Grosse-Bley bei “Blick” denkt Constantin Seibt darüber nach, warum deutsche Chefredakteure in der Schweiz immer wieder scheitern: “Sie waren erfahrene Profis, aber sie hatten nicht über Jahre in der Schweiz gelebt. So konnten sie die feinen Grenzen des lokalen Geschmacks nicht kennen, um sie zu verletzen und nicht zu verletzen. Sie spürten nicht: Was ist eine offene Tür, was nur eine Absurdität, was eine Kühnheit, was eine wirkliche Kühnheit, was eine Tollkühnheit, was eine tödliche Beleidigung jeden Geschmacks?”
4. “Are Email Interviews That Bad? Yes.” (mediabistro.com, Karen Fratti, englisch)
Karen Fratti erwägt Vor- und Nachteile von per E-Mail geführten Interviews: “But when you have a conversation with someone in person and foster that relationship, the narrative could change. Other things come up. We all know this. That’s the fun part of truth-telling.”
*) Nachtrag/Hinweis: Wir haben den Vorwurf der Skandalisierung an HR Online entfernt, weil er kaum haltbar ist und die FNP ihn auch nicht direkt erhebt.
Die Nachrichtenagentur spot on news (“die neue deutsche Nachrichtenagentur für Unterhaltung”) bestimmt täglich einen “Verlierer des Tages”.
Heute ist es dieser Mann:
Da hat Bernd Busemann (CDU) wohl ein Gläschen zu viel getrunken: Der niedersächsische Ministerpräsident wurde in Hannover mit Alkohol am Steuer erwischt. Jetzt muss er seine Fahrlizenz für einige Wochen abgeben, eine Geldstrafe zahlen und bekommt vier Punkte in Flensburg. […]
Der niedersächsische Ministerpräsident Bernd Busemann? Die “Neue Presse” aus Hannover (!) glaubt’s; die “Welt” macht daraus sogar eine doppelte Überschrift:
(Bernd Busemann ist — noch — niedersächischer Justizminister.)
Man kann den Leuten bei der “B.Z.” nicht vorwerfen, dass sie sich nicht auch bei ernsten Themen noch ihren Humor bewahren:
Am Ostbahnhof wurde ein Fahrgast von einem Mann angespuckt. Das “Lama” soll Aids haben.
So stand es auf der Internetseite der Boulevardzeitung.
Im Print sieht es heute immerhin so aus:
Und darum ging’s:
Am Ostbahnhof könnte sich ein Reisender mit dem HI-Virus angesteckt haben. Ein 30-jähriger Infizierter hat den Mann auf dem Bahnhof in Friedrichshain grundlos angespuckt. Der Täter stellte sich, die Polizei sucht sein Opfer. […]
Ein Mitarbeiter der Bahn beobachtete den Vorfall und ermöglichte die Festnahme des Verdächtigen durch unsere Beamten”, sagt ein Sprecher der Bundespolizei.
Der Verdächtige, ein Italiener, wurde von den Polizisten befragt. “Bei den Ermittlungen wurde bekannt, dass der Täter möglicherweise an einer unheilbaren Krankheit leidet”, sagt der Sprecher.
Wie die B.Z. erfuhr, soll es sich dabei um Aids handeln. Gegen den Italiener wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Eine Übertragung des HI-Virus durch Spucke ist faktisch auszuschließen. Das erfahren sogar die Leser, die den “B.Z.”-Text, der mit dem Satz “Am Ostbahnhof könnte sich ein Reisender mit dem HI-Virus angesteckt haben” beginnt, bis zum Ende lesen:
Der Sprecher der Berliner Aids-Hilfe, Holger Wicht (41), warnt jedoch vor Panikmache: “HIV kann über Speichel nicht übertragen werden. Selbst wenn der Spuckende Zahnfleischbluten und der Bespuckte eine offene Wunde im Gesicht hatte, kann eine Ansteckung ausgeschlossen werden, denn im Speichel wird der Virus sehr stark verdünnt, sodass er seine Ansteckungskraft verliert.”
Die “B.Z.”-Redaktion hielt diese von ihr selbst eingeholte, seriöse Auskunft offenbar nicht für glaubwürdig, ignoriert sie diese doch im Rest des Artikels vollkommen.
Die “B.Z.” ist schon einmal bei diesem Thema negativ aufgefallen (BILDblog berichtete) und sah sich jetzt der Kritik der Aidshilfe ausgesetzt. Und natürlich lag sie mit ihrer Ferndiagnose falsch.
Um 13.59 Uhr überarbeitete die Redaktion jedenfalls unauffällig die Online-Version des Artikels:
Nach ersten Informationen sollte es sich um Aids handeln. Das wurde inzwischen korrigiert. Der Mann ist an Hepatitis erkrankt.
Die “ersten Informationen” hatte die “B.Z.” höchstselbst verbreitet, weil sie “erfahren” haben will, dass es sich “um Aids handeln” “soll”. Das “wurde” also “inzwischen” korrigiert — aber wohl nicht von offizieller Seite.
Die Bundespolizei schreibt uns nämlich auf Anfrage:
Bewusst haben wir es vermieden in unserer Pressemitteilung “Opfer nach Spuckattacke gesucht” vom 6. Februar 2013 die genaue Krankheit zu benennen.
Die weiteren Ermittlungen müssen zeigen, inwieweit der Täter wirklich an einer Krankheit leidet, die unter den genannten Umständen durch Speichel übertragbar ist. In der Pressemitteilung heißt es daher auch “…dass der Täter möglicherweise an einer unheilbaren Erkrankung leidet.”.
Dass eine Infektion bei HIV eh praktisch ausgeschlossen gewesen wäre, hat die “B.Z.” in der neuen Fassung dann mal direkt aus dem Text gekürzt. Aber das hat sie ja eh nie geglaubt.
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1. “Strafverfolgung: Warum wir keine Bilder rausgeben” (blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Eine “bundesweite Razzia bei Fotografen” (tagesspiegel.de) führt zu Protesten. Die “taz” erklärt, warum sie freiwillig keine Bilder herausrückt: “Wenn Demonstranten mitbekommen, dass Pressefotografen ihre Bilder der Polizei überlassen, müssen sie befürchten, von den Demonstranten als Hilfspolizisten wahrgenommen zu werden. Und das heißt in Fällen wie diesen auch, dass unsere Fotografen – genau wie der Polizist – zusammengeschlagen würden. Die Arbeit wäre zu gefährlich. Journalisten sind darauf angewiesen, von allen Beteiligten als unabhängige Berichterstatter wahrgenommen zu werden.”
2. “I ♥ Political Correctness!” (kleinerdrei.org, Daniel)
Daniel liebt Politische Korrektheit: “Political Correctness ist super, weil sie dazu führt, dass weniger Leute diskriminiert werden. Das führt zu einem besseren und angenehmeren Zusammenleben für alle und macht die Welt zu einem besseren Ort. So einfach ist das.”
3. “Aussteigen oder bleiben?” (medienwoche.ch, Joel Weibel)
Noch drei Monate lang ist Joel Weibel als Journalist angestellt. Doch will er wirklich beim Journalismus bleiben? “Will ich mir das antun, angesichts der Tatsache, dass derjenige Journalismus, den ich gerne machen würde, in der Schweiz noch von ein paar wenigen privilegierten Journalisten betrieben werden kann und sich der Rest mit den Brosamen abfinden muss?”
5. “Wie ein Twitterer das Lewandowski-Gerücht ins Rollen brachte” (11freunde.de, Andreas Bock)
Ein Interview mit @breitnigge, dessen Tweet “vermutlich von einem italienischen User falsch interpretiert und nicht als Nebengeräusch, sondern als Ursache gewertet” wurde. “Im Laufe des Dienstags hat sich diese Meldung auf Twitter verselbständigt, ganz so, als sei ich die verlässliche Quelle dieses Gerüchts.”
In Bremen steht ein Mann vor Gericht, der in einem Parkhaus in der Innenstadt einen anderen Mann erschossen hat.
“Bild” gibt seine Aussage vor Gericht so wieder:
Da packt der Angeklagte aus: “Ich kannte den Mann gar nicht. Er bog mit seinem Mercedes in die Knochenhauerstraße ein, wo ich als Fußgänger rüber wollte. Ich ging ihm zu langsam. Er stieg aus, beschimpfte mich: ‘Hurensohn! Ich f… deine Mutter.’ Seit dem dachte ich an nichts anderes mehr.”
“Bild” behauptet, vor Gericht werde der Mord “immer spektakulärer”. Ganz so spektakulär, wie die Zeitung ihn zu Beginn dank der Vermutungen des “renommierten” Kriminologen Prof. Dr. Christian Pfeiffer gehalten hatte, war der Mord dann aber vielleicht doch nicht.
Der war sich damals laut “Bild” nämlich “sicher”, dass der Mord einen ganz anderen Hintergrund hätte — woran Bild.de bei der aktuellen Berichterstattung auch gerne noch mal erinnert: