Archiv für September, 2012

dapd, dpa  etc.

Das Phantom der Opfer

Die Sommerferien sind vorbei und ich begrüße Sie ganz herzlich zur ersten Stunde unseres Englisch-Leistungskurses! Es sind noch zwei Jahre bis zum Abitur, deswegen wollen wir es heute erst mal etwas ruhiger angehen lassen – hart wird’s noch früh genug – und gucken zum Einstieg erst mal ein Video:

Sie haben es natürlich schon gemerkt (bis auf den Kollegen da am Fenster, der schon – HALLO! – eingeschlafen war): Wir haben das Video nicht nur zum Vergnügen gesehen. Zum einen machen wir gleich ein paar kleine Übersetzungsübungen, zum anderen werden wir uns in diesem Herbst zunächst intensiv mit dem Thema “Wahlkampf in den USA” beschäftigen. Also, wer hat den Mann erkannt?

Richtig, Mitt Romney war das, der republikanische Präsidentschaftskandidat und Herausforderer von Barack Obama.

Und jetzt lesen wir gemeinsam diesen Text von der Deutschen Presse-Agentur dpa, wenn Sie den mal eben rumgeben, danke!

Dann lesen wir doch mal:

Der republikanische Präsidentenkandidat Mitt Romney hat sich in einem heimlich aufgenommenen Video abfällig über Wähler des demokratischen Präsidenten Barack Obama geäußert. Romney beschrieb 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker, die keine Einkommenssteuer zahlten und glaubten, sie seien Opfer und die Regierung müsse für sie sorgen.

Wem ist was aufgefallen? Ja, Sie da in dem Ringelpulli!

Genau, dpa schreibt, Romney beschreibe 47 Prozent der Obama-Wähler als Abzocker. Da fragt man sich natürlich, was mit den anderen 53 Prozent ist, nicht wahr? In Wirklichkeit hat er ja aber gesagt:

There are 47 percent of the people who will vote for the president no matter what. All right, there are 47 percent who are with him, who are dependent upon government, who believe that they are victims, who believe the government has a responsibility to care for them, who believe that they are entitled to health care, to food, to housing, to you-name-it. That that’s an entitlement. And the government should give it to them. And they will vote for this president no matter what…These are people who pay no income tax.

Der einzelne Satz ist ein bisschen schwer zu verstehen, aber es wird dann schnell klar, dass es um 47 Prozent aller Wähler geht. Also, Romney meint: 47 Prozent stimmen eh für Obama. Er sagt dann später, er muss die fünf bis zehn Prozent in der Mitte überzeugen, die vorher noch nicht festgelegt sind.

Ich hab hier auch noch einen Text von der Nachrichtenagentur dapd, ich les den grad mal vor:

Mitt Romney hat sich im US-Präsidentschaftswahlkampf mal wieder selbst ein Bein gestellt. Vor wohlhabenden Spendern bezeichnete der republikanische Präsidentschaftskandidat Anhänger von Amtsinhaber Barack Obama als Opfer. Fast die Hälfte aller Amerikaner glaubten, sie seien Opfer und hätten Anspruch auf finanzielle Unterstützung.

Wem fällt was auf? Ja, Sie hier vorne? Genau: Im zweiten Satz heißt es, Romney bezeichne die Leute als “Opfer”, im dritten heißt es – richtig – er sagt, sie sähen sich selber als welche. Die Überschrift der Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Anhänger als Opfer”, die der dpa-Meldung lautet: “Romney bezeichnet Obama-Wähler als Abzocker und Opfer”.

Und das ist ja wohl ein Unterschied, ob ich sage “Du Opfer” (sagt man das noch unter jungen Leuten?) oder “Ooooch, der Arme: sieht sich als Opfer”. Man könnte sagen: Mitt Romney spricht diesen Menschen ab, sich rechtmäßig als Opfer fühlen zu dürfen.

Und jetzt gucken Sie sich mal an, was die deutschen Online-Medien so schreiben:

“Spiegel Online”:

“Die Welt:”
Romney beschimpft Wähler von Obama als "Opfer"

“Focus Online”:
Mitt Romney schmäht Obama-Wähler als "Opfer"

stern.de:
Romney verhöhnt Obama-Wähler als "Opfer"

“RP Online”:
Romney nennt Obama-Wähler "Opfer"

So, das war’s für die erste Stunde. Wir machen fünf Minuten Pause und dann fangen wir richtig an. Damit Sie nach dem Abi was Vernünftiges studieren können und nicht Journalist werden müssen.

Mit Dank auch an Wolfgang.

Nachtrag, 17.10 Uhr: dpa hat eine Berichtigung des Artikels verschickt:

## Berichtigung
– Im zweiten Satz wurde klargestellt, dass Romney alle Obama-Wähler meinte. Es heißt richtig “die 47 Prozent Obama-Wähler”, nicht: “47 Prozent der Obama-Wähler”)
– In der Überschrift wurden die Worte “und Opfer” gestrichen

Gerüchte, Wired, Muslime

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Bettina Wulff und das Netz der Gerüchte”
(malte-welding.com)
Malte Welding denkt nach über Gerüchte früher und heute im Internet. Für die Zukunft kann er sich verschiedene Szenarien vorstellen: “1. Jeder weiß alles über jeden und deshalb sind alle etwas freier als heute, weil jeder zu Toleranz gezwungen ist. 2. Jeder weiß alles über jeden und deshalb gibt es einen enormen Anpassungsdruck. Oder 3. Informationen werden rigide gedeckelt, Persönlichkeitsrechte zulasten von Informationsrechten ausgedehnt, das ganze einst so wilde Netz immer stärker reglementiert.”

2. “‘Wired’ ist in Deutschland immer noch tired (und klaut)”
(realvirtuality.wordpress.com, Alexander Gajic)
Alexander Gajic zeigt sich enttäuscht über die bisherigen Leistungen der deutschsprachigen Ausgabe der Zeitschrift “Wired”.

3. “Der eigentliche Busen-Skandal”
(blog.bernerzeitung.ch, Michèle Binswanger)
Michèle Binswanger erkennnt eine Dauerskandalisierung des weiblichen Körpers durch die People-Presse: “Und vielleicht haben die radikalen Feministinnen von Femen ja recht. Vielleicht müssten wir in die Offensive gehen und uns nur noch nackt zeigen, immer, überall, egal ob wir einen prä- oder post- oder was für einen Body wir auch immer haben. Und zwar so lange, bis das System zusammenbricht, weil alle zum Schluss kommen, dass man so nicht arbeiten kann. Oder dass das gar nichts so besonderes ist.”

4. “Aktion und Redaktion”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Michael Hanfeld erinnert daran, dass es nach der Publikation der Mohammed-Karikaturen fünf Monate dauerte, “bis die Eskalation um sich griff”. “Jetzt, beim Video ‘Innocence of Muslims’, gingen zwei Monate ins Land, in denen sich kaum jemand um den Blödsinnsfilm kümmerte. Erst mit arabischer Übersetzung, mit gezielten Hinweisen und dem symbolischen Datum des 11. September im Blick bekam die Geschichte Façon.”

5. “Pro-democracy ‘Arab Spring’ crowds were much larger than those involved in the current protests in the Middle East and North Africa”
(sitemaker.umich.edu, Megan Reif, englisch)
Megan Reif von der University of Colorado Denver stellt die Anzahl der Demonstranten gegen den Film “Innocence of Muslims” respektive für mehr Demokratie (Arabischer Frühling) in Bezug zur gesamten muslimischen Bevölkerung.

6. “Die Schuld der Muslime”
(welt.de, Henryk M. Broder)
Für Henryk M. Broder ist nicht nur ein Kulturrelativist, sondern ein subtiler Rassist, wer behauptet, man könne es den Muslimen nicht zumuten, “Häme und Spott gegenüber ihrer Religion auszuhalten”.

Der Stelzbock als Gärtner

Wenn Sie sich am Wochenende länger als vier Sekunden im Internet bewegt haben, werden Sie um diese Nachricht nicht herumgekommen sein: Eine französisches Magazin hat Oben-ohne-Fotos der britischen Herzogin und Prinzen-Gemahlin Catherine veröffentlicht.

Gut, es ist nicht das erste Mal, dass unscharfe Nacktfotos irgendeiner Berühmtheit auftauchen. Neu ist allerdings die Art, wie Bild.de mit solchen Fotos umgeht:

Französisches Magazin zeigt Kate oben ohne!

Zugegeben: Was die Leute von Bild.de wirklich dazu bewogen hat, die nackten Brüste zu entfernen, wissen wir nicht. Vielleicht war es ja juristische Vorsicht, weil die Paparazzi-Fotos nicht auf öffentlichem, sondern auf privatem Gelände entstanden sind. Vielleicht hat sich “Bild”-Textchef Alexander von Schönburg mit seiner Ansicht durchsetzen können, dass “Royals” mehr Respekt verdient hätten. Vielleicht waren die Fotos so kurz nach der ersten Veröffentlichung auch schlichtweg zu teuer.

Dass die Entscheidung aber grundsätzlich irgendetwas mit Anstand, Diskretion oder Respekt zu tun hatte, ist unwahrscheinlich. Sehr, sehr unwahrscheinlich.

Dafür sind “Bild” und Bild.de viel zu verhaltensauffällig:

“Bild“, 26. Juli 2012:Pixie Geldof hat die Nippel schön!

Bild.de, 25. Juli 2011:

WunderBARe Ausblicke!

Dabei müssen es nicht mal vollständig  enthüllte Brüste sein, damit die Leute von Bild.de sofort mit feuchten Fingern einen Artikel samt Bildergalerie zusammenbasteln. Dafür reicht schon eine versehentlich entblößte Viertel-Brustwarze:

Emma Watson und die Busen-Panne

Oder ein Zipfel Unterwäsche:

Diese Moderatorin ist spitze

Selbst Sportlerinnen, die sich im Eifer des Gefechts unabsichtlich entkleiden, sind Bild.de normalerweise ganze Klickstrecken wert:

Die sexy Blitzer des Sports

Und überhaupt: Sobald irgendwo auf der Welt auch nur ein halber Zentimeter von der Brust oder der Unterwäsche einer halbwegs prominenten Frau abgelichtet wird, ist Bild.de gleich mit einem eigenen Artikel zur Stelle:

1. März 2006:

Busen-Blitzer bei Tottis Blasi!

2. März 2006:

Lindsay Lohan lüpft ihre Lustwarze...

28. Dezember 2006:

Die schönsten Busenblitzer 2006

9. Mai 2008:

Bai Ling lässt mal wieder blitzen

18. Juni 2008:
Kate total durchsichtig in Istanbul

19. September 2008:

Busenblitzer im Taxi

15. Oktober 2008:

Der totale Durchblick bei Pam Anderson

24. Oktober 2008:

Luca Tonis schöne Marta: Busenblitzer!

30. Oktober 2008:

Nippelalarm! Diese Stars lassen blitzen

22. November 2008:

Busenblitzer am Set von "Beverly Hills, 90210"!

22. Januar 2009:
Die schärfsten Busen-Blitzer des Sports

20. Februar 2009:

Hamiltons Pussycat: Plötzlich blitzt der Busen...

17. März 2009:
FKKate Moss lässt den Busen blitzen

3. Juni 2009:

Busenblitzer in Drehbpause

20. Juni 2009:

Bei Lily Allen blitzt es - schon wieder!

8. Juli 2009:

Neuer Busenblitzer von Bai Ling

19. Juli 2009:

Lady Gaga zeigt's allen

20. Juli 2009:

Diese Ladys lassen tief blicken

21. Juli 2009:

Jetzt blitzt's auch bei den Russinnen

18. August 2009:

Die besten Busen-Blitzer im TV

8. September 2009:

Der Busenblitzer von Berlin

15. Oktober 2009:

Freie Sicht auf Slip oder Busen

2. November 2009:

BH-Panne bei Jeanette Biedermann

19. November 2009:

Busenblitzer bei Film-Premiere!

15. Dezember 2009:

Da wird's uns ganz warm ums Herz

1. Januar 2010:

Pamela Anderson: Mit Busenblitzer ins neue Jahr

25. März 2010:

Auch Kate Moss hat sexy Durchblick

29. Dezember 2010:

Die schönsten Busen-Blitzer des Jahres

13. April 2011:

Beim Salsa tanzt Liliana der Busen aus dem Kleid

24. Mai 2011:

Hier geht Lindsay Lohans Busen baden!

2. Juli 2011:

La Dolce Vita! Geris Busen macht sich fei (sic!)

18. August 2011:

Freche kleine Knospen

5. September 2011:

Gwyneth Paltrow mag's gern luftig

2. Oktober 2011:

Hier lässt Maite Kelly ihren Schlüpfer blitzen

30. Dezember 2011:

Rihanna (fast) barbusig auf Barbados

7. März 2012:

Fanfoto mit Busen-Blitzer!

5. April 2012:

Heidiwitzka, was blitzt da!

Doch niemand könnte dieses gespaltene Verhältnis zu Promibrüsten schöner zusammenfassen als Bild.de es am Freitag selbst getan hat:

Mit Dank auch an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Lanz wehrt sich gegen intimes Geständnis

Zu der Art Journalismus, wie ihn die WAZ-Zeitschrift “Frau aktuell” betreibt, gehört es, Woche für Woche auf dem Titelbild eine schicksalshafte Neuigkeit im Leben eines Prominenten anzudeuten, die gar nicht passiert ist.

Insofern ist Heft 30 dieses Jahres keine Ausnahme, sondern typisch:

Der dazugehörige Artikel trägt die Überschrift:

Es passierte kurz vor seiner Sendung

Markus Lanz

So hat er das Baby-Geheimnis verraten…

Und zwar hat Lanz, der mit der RTL-Moderatorin Birgit Schrowange einen elfjährigen Sohn hat, “neulich” kurz vor der Aufzeichnung seiner Talkshow wohl mit einer schwangeren Zuschauerin geredet, mit ihr über den Namen des Kindes gesprochen und gesagt:

“Mir gefallen ja Anna und Julia ganz besonders. Anna heißt ja auch meine Mutter.”

Was die “Frau aktuell”-Leute hyperventilieren ließ:

Ein Mädchen namens Anna (oder Julia) — so ein intimes Geständnis hätte sicher kaum jemand von Markus Lanz erwartet.

Nach der Sendung hätte er dann noch einem Zuschauer gesagt, dass er sich immer ein Mädchen gewünscht hätte. “Dann ist es ein Junge geworden. Das war aber auch okay. Hauptsache gesund.”

Und die “Frau aktuell” fügte hinzu:

Ach, wir würden es ihm ja gönnen. Dann wären Angela (30), er und das Baby endlich eine “richtige” Familie.

Angela ist die Frau, die Lanz im vergangenen Jahr geheiratet hatte (“Frau aktuell” brachte damals eine Titelgeschichte, die im Inneren unter der Überschrift “Hochzeitszauber in den Bergen” nur Blindtext enthielt: “Dunt lor il erosto odio od tincincipit lum venisseniam am, vercil utem aliscilit laoreet wis num velit praestrud tat. Facing eu facin hendre er sum quisim er augait lumsandre molore vel delisim nonsed essisl dolesto eros eriusci liquamc onulla con henibh exero od magna augiat nibh eugait, cortin eniscil iquisciliqui blan voluptat. …”).

Und Angela ist auch die Frau, die die WAZ-Illustrierte auf dem Cover zeigt mit der Zeile “Intimes Baby-Geständnis – Es sollte ein Baby Mädchen werden”. Herr und Frau Lanz meinen, dass der Leser annehmen musste, dass sie ein Kind erwarten oder erwartet haben und fordern deshalb eine Gegendarstellung auf der Titelseite. Und zwar jeweils eine.

Wie die “Süddeutsche Zeitung” in dieser Woche berichtete, urteilte das Landgericht München, dass den Lanzens zwar keine doppelte, aber eine Gegendarstellung zustehe. “Frau aktuell” lehnte das ab und hat Berufung eingelegt.

Im Frühjahr musste die Zeitschrift bereits eine “Klarstellung” auf dem Titel drucken. Sie hatte zuvor mit Oliver Geißen und Christina “Tini” Plate getitelt: “Überraschendes Kinderglück! Es ist die Krönung ihrer Liebe”. Später musste die “Frau aktuell” dann erklären, sie habe keineswegs den Eindruck erwecken wollen, bei Geissens habe sich Nachwuchs eingestellt oder werde erwartet: “Wir wollten mit dem Titel ‘Überraschendes Kinderglück’ nur sagen, wie toll es ist, dass die Patchworkfamilie der Fernsehstars so zusammengewachsen ist.”

So machen sie das, bei den Zeitschriften der WAZ-Gruppe.

Burda, Kate Middleton, Aufwachteller

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Wolfgang Blau: Auch das schärfste Urheberrecht würde den Verlagen nicht helfen”
(stefan-niggemeier.de, Wolfgang Blau)
Stefan Niggemeier dokumentiert eine Rede des Chefredakteurs von “Zeit Online”, Wolfgang Blau: “Wer glaubt, die letzten zehn Jahre seien transfomativ und herausfordernd gewesen, sollte sich darauf einstellen, dass mit der jetzt einsetzenden Nutzungsverlagerung ins mobile Netz noch viel dramatischere Entwicklungen, Umsatz– und Auflageneinbußen bevorstehen als in den letzten Jahren. Das Urheberrecht wird das nicht aufhalten können. Und: Würde Google nicht existieren, ginge es den Verlagen keinen Deut besser.”

2. “Mit Sex und iPhone: Wie der Burda-Verlag Google News austrickst”
(xoomix.de, Bernd Kling)
Berichte von Focus.de sind bei den bei Google News zu findenden Berichten über das iPhone 5 an vorderster Stelle zu finden: “Bei genauem Hinsehen zeigt sich, dass die Burda-Publikation ihre beiden News im Wechsel tagelang immer wieder mit neuem Datum und Zeitpunkt bei Google News einlieferte. Wohl wissend, dass Googles Algorithmen bei News die Aktualität besonders stark gewichten und diese zunächst am angegebenen Zeitpunkt der Veröffentlichung festmachen.”

3. “‘Cover’: Lies mich, klick & kauf mich”
(diepresse.com, Regina Pöll)
Die Zeitschrift “Cover”, ein neues Produkt des Verlags Hubert Burda Media.

4. “Coming-out der Verkäufer”
(carta.info, Jürgen Drommert)
Jürgen Drommert kommentiert Statements aus den Verkaufsabteilungen von Gruner+Jahr und Axel Springer.

5. “The Kate Middleton topless photos are the grossest invasion of privacy”
(newstatesman.com, Steven Baxter, englisch)
Die der französischen Ausgabe von “Closer” veröffentlichten Nacktfotos von Kate Middleton: “Imagine walking around with a normal pocket camera, asking to take photos of someone on the beach. You wouldn’t. Because you’d feel like a pervert. Because you would be. Add on a long lens and a hide, though, and suddenly this behaviour somehow becomes acceptable – acceptable enough for a magazine to pay for your dirty photos.”

6. “Experiment Aufwachteller”
(dasnuf.de)
Das Nuf probiert einen Tipp aus “Brigitte Mom” aus, den Aufwachteller.

Mond ist nicht ihr Hobby (2)

Vor rund drei Wochen starb Neil Armstrong, der erste Mensch auf dem Mond.

Seine Familie ließ sich auf der Website der NASA mit den Worten zitieren:

For those who may ask what they can do to honor Neil, we have a simple request. Honor his example of service, accomplishment and modesty, and the next time you walk outside on a clear night and see the moon smiling down at you, think of Neil Armstrong and give him a wink.

“Bild” übersetzte das mit:

“Wer sich fragt, wie er Neil eine Ehre erweisen kann: Das nächste Mal, wenn ihr an einer sternenklaren Nacht draußen seid und der Mond auf euch herunter strahlt, denkt an Neil
 Armstrong und winkt ihm zu.”

Das war falsch, denn “give him a wink” heißt: “zwinkert ihm zu”.

Wir hatten das damals aufgeschrieben, als Bild.de den Fehler schon heimlich korrigiert hatte.

Am Freitag nun wurde Armstrong mit militärischen Ehren auf dem Atlantik bestattet. Bild.de berichtet groß darüber.

Der Artikel endet mit diesem Absatz:

Auf der Nasa-Internetseite veröffentlichten die Angehörigen eine Botschaft: “Wer sich fragt, wie er Neil eine Ehre erweisen kann: Das nächste Mal, wenn ihr an einer sternenklaren Nacht draußen seid und der Mond auf euch herunterstrahlt, denkt an Neil
 Armstrong und winkt ihm zu.”

Mit Dank an Pascal.

Apropos überfordert

“Zeit Online” schreibt über das Bundesligaspiel zwischen der Spielvereinigung Greuther Fürth und dem FC Schalke 04 (0:2) am gestrigen Abend:

Schalkes neuer Mann Affelay bemühte sich zwar sehr, wie schon beim 0:3 zum Saisonauftakt gegen den FC Bayern München, wirkte er aber oft überfordert.

Dieser Satz ist bemerkenswert, enthält er doch gleich vier Fehler: Erstens hat Schalke beim Saisonauftakt nicht gegen den FC Bayern München gespielt, sondern gegen Hannover 96. Zweitens ging dieses Spiel nicht 0:3 verloren, sondern endete 2:2 unentschieden. Drittens war Ibrahim Afellay beim Saisonauftakt noch gar nicht dabei, sondern wechselte erst ein paar Tage später, am Ende der Transferperiode, zum FC Schalke. Und viertens sahen andere Medien Afellay gestern nicht unbedingt “überfordert”.

Wie kann so ein Satz passieren?

Nun, der ganze Text bei “Zeit Online” ist eine Art Remix des dpa-Berichts zum Spiel. Da lautete die Passage aber etwas anders:

Die Gäste machten zu wenig aus ihrem großen Potenzial, auch wenn der Niederländer Affelay viele gute Ideen hatte.

Der Neuling mühte sich zwar redlich, wirkte aber wie schon beim 0:3 zum Saisonauftakt gegen den FC Bayern München oft überfordert.

Das ist sprachlich etwas gemein, denn wenn man nur halb über Fußball informiert ist, könnte man meinen, mit “der Neuling” sei Ibrahim Afellay gemeint. “Der Neuling” ist aber die Spielvereinigung Greuther Fürth, die gerade zum ersten Mal in die erste Bundesliga aufgestiegen ist.

Das wird auch deutlich, wenn man die nachfolgenden Sätze bei dpa liest:

Viele Fehlpässe störten den Spielaufbau, gefährliche Angriffe waren eine Seltenheit. Daran änderte auch die späte Einwechslung des langjährigen Schalkers Gerald Asamoah nichts mehr.

Diese Sätze stehen genauso bei “Zeit Online”, hinter dem Satz mit den vier Fehlern. Dort ergeben sie zwar gar keinen Sinn, aber das ist an dieser Stelle dann wohl auch egal.

Mit Dank an vanTOM.

Nachtrag/Korrektur, 14.25 Uhr: In der ersten Fassung dieses Eintrags hatten uns von der konsequenten Falschschreibung von Afellays Nachnamen bei dpa (“Affelay” statt “Afellay”) anstecken lassen.

Nachtrag, 18.25 Uhr: “Zeit Online” hat den Artikel (inzwischen unter diesem Link erreichbar) überarbeitet.

Der betreffende Satz lautet jetzt unmissverständlich:

Greuther Fürth mühte sich zwar redlich, wirkte aber wie schon beim 0:3 zum Saisonauftakt gegen den FC Bayern München oft überfordert.

Unter dem Artikel steht dieser Hinweis:

Update: Eine frühere Version des Textes enthielt Fehler über den Schalker Neuzugang Ibrahim Afellay und seine spielerische Leistung. Der Artikel wurde deshalb überarbeitet.

Wahrheit oder Pflicht?

Unsere Gesellschaft wäre ohne Sex nicht denkbar. Damit meinen wir gar nicht, dass die Menschheit ausstürbe, wenn sie sich nicht fortpflanzte, sondern: Artikelserien über “Nippelblitzer”, Klickstrecken mit Playmates und versehentlich an die Öffentlichkeit geratene Privatfotos irgendwelcher Prominenter. Der Online-Journalismus wäre arm dran ohne diese Themen, die die schlichtesten Triebe ihrer Leser (-innen ja wohl eher weniger) ansprechen sollen.

Und doch gibt es Menschen, denen alles Sexuelle fremd ist. Die kein Bedürfnis haben, sich unscharfe Fotos von halbnackten Promibrüsten anzusehen, oder selbst sexuell aktiv zu werden. Diesem Thema Asexualität hat “Spiegel Online” heute einen Artikel gewidmet.

Darin diese Passage:

Auch in Deutschland war das bis zur Scheidungsreform 1977 möglich: Die “Verweigerung des ehelichen Verkehrs” war ein Scheidungsgrund, bei dem der enthaltsame Ehepartner die Schuld zu tragen hatte – etwa durch Zahlung von Unterhalt oder Verlust von Ansprüchen. Die Vorstellungen von Sexualität in der Ehe mögen sich gewandelt haben, doch noch heute beschreibt ein Gesetz den Beischlaf als eheliche Pflicht. “Die Eheschließung als in aller Regel Ausdruck der tiefen Zuneigung und Sympathie, die die Eheleute füreinander empfinden, schließt die ‘Verpflichtung’ der Partner zur Geschlechtsgemeinschaft (…) ein”, heißt in Paragraph 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. “Eine Leugnung dieser Rechtspflicht ist nicht gerechtfertigt.”

Kleines Problem: Die zitierte Formulierung “Die Eheschließung als in aller Regel Ausdruck der tiefen Zuneigung und Sympathie, die die Eheleute füreinander empfinden, schließt die ‘Verpflichtung’ der Partner zur Geschlechtsgemeinschaft (…) ein” steht nicht in § 1353 des BGB, auch nicht in früheren Versionen des Gesetzes.

Und der einzige Treffer bei Google ist der “Spiegel Online”-Artikel:

Wir haben bei der Autorin nachgefragt, wo sie auf diese Formulierung gestoßen ist.

Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten, aber “Spiegel Online” hat die Passage entfernt und den Artikel mit einem Hinweis versehen:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, in Paragraf 1353 des Bürgerlichen Gesetzbuchs stehe, die Eheschließung “schließt die Verpflichtung der Partner zur Geschlechtsgemeinschaft (…) ein”. Dies ist nicht der Fall. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

Wir wüssten allerdings immer noch gern, wo diese Passage herkam.

Mit Dank an Dennis.

Nachtrag, 20.35 Uhr: “Spiegel Online” hat die Anmerkung um eine Quellenangabe ergänzt:

Die Passage stammt aus dem Erman-Kommentar zum BGB (2008).

Thank you for traveling with Louis Vuitton

Heute haben wir mal ein kleines Rätsel für Sie. Also, aufgepasst: Wovon handelt dieser Artikel? Erschienen ist er vor zwei Wochen im “Zeit Magazin”:

Zug in die Zukunft

Schon eine Idee? Nein? Okay, dann helfen wir ein bisschen.

Das Foto stammt von dem international erfolgreichen Blogger und Fotografen Todd Selby, der es während der Fahrt durch die Wüste Gobi geschossen hat. Der Teaser, links oben im Bild, lautet folgendermaßen:

Der Blogger Todd Selby reiste mit der Bahn von der ältesten Luxusmetropole zur neuesten: Von Paris nach Shanghai

Jetzt denken Sie bestimmt, es geht um den “Blogger Todd Selby”. Oder um dessen Reise “von Paris nach Shanghai”.

Aber nein, der Artikel handelt von: Louis Vuitton.

Anders als der Teaser, die Titelzeile und die optische Aufmachung des Artikels vermuten lassen, handelt der Text keineswegs von Selbys Reise. Die wird nämlich lediglich im zweiten Absatz des Textes beschrieben — genauer gesagt in nur drei Sätzen.

Im restlichen Artikel geht es weder um den Blogger noch um die Zugfahrt, sondern im Grunde nur um drei Dinge: die “Megamarke” Louis Vuitton, deren neue Herbstkollektion und um China als Wachstumsmarkt für Luxusgüter. Luxusgüter wie die von Louis Vuitton.

Es ist übrigens nicht so, dass Todd Selby die Reise von sich aus in Angriff genommen hätte, er tat es im Auftrag des Mode-Unternehmens, wie auch der Einstieg in den Artikel verrät:

Das verträumte Bahnfahren ist das modische Thema der Herbstkollektion von Louis Vuitton, dem Modehaus, das einst den Koffer erfand, wie wir ihn heute kennen. Deshalb schickte die Marke den Fotografen Todd Selby auf die Reise von Paris nach Shanghai, wo das Unternehmen gerade seinen bislang größten Shop in China eröffnete.

Über die Fahrt über die Kontinente erfährt der Leser dann aber – abgesehen von der Information, dass Selby die Reise “sehr romantisch” fand – nichts mehr.

Stattdessen weiß das “Zeit Magazin” zum Beispiel solche Dinge zu berichten:

1992 eröffnete Louis Vuitton in Peking den ersten Laden. Da dachte man hier noch, China sei ein Land, in dem man gebratene Hunde isst. […] Heute gibt es in China 44 Louis-Vuitton-Läden. Bevor der Bewohner eines beschaulichen Industriestaates wie Deutschland die Namen der chinesischen Riesenstädte zum ersten Mal hört, hat Louis Vuitton dort schon einen Laden eröffnet […].

Oder solche:

Denn die chinesischen Kundinnen sind innerhalb weniger Jahre von Bling-Bling-Frauen zu Modekennerinnen geworden. Sie wissen genau, was Luxus ist, zum Beispiel ein eigens angefertigtes Köfferchen fürs Teeservice.

Oder solche:

Für die Präsentation seiner Herbstkollektion besann sich Marc Jacobs, der Kreativdirektor des Hauses, auf die Anfänge der Traditionsmarke und stellte das Thema des Reisens in den Mittelpunkt der Inszenierung. Er ließ den lebensgroßen Nachbau einer Dampflok über den Laufsteg fahren. […] Es war eine Kollektion, wie nur Marc Jacobs sie hinbekommt, denn niemand ringt dem Luxus so viel modische Relevanz ab wie er.

Wenn das “Zeit Magazin” also über Louis Vuitton und die neue Herbstkollektion berichten will – warum nimmt es dann diesen Umweg und suggeriert, der Artikel handele von der Reise des Bloggers? (Die Dachzeile der Online-Version des Artikel lautet übrigens: “Bahnreise”.)

Wir haben beim “Zeit Magazin” nachgefragt, warum nicht schon im Inhaltsverzeichnis oder im Teaser auf den tatsächlichen Inhalt des Textes hingewiesen wurde. Silvie Rundel, Sprecherin der “Zeit”, antwortete uns:

Das hätte man ohne weiteres tun können. Die Kollegen beim ZEITmagazin haben stattdessen die spektakulären Bilder des Bloggers Todd Selby in den Vordergrund gestellt.

Das wäre natürlich auch ein netter Ausgleich dafür, dass Selbys Reise im Artikel selbst dann doch eher in den Hintergrund gerät.

Weiter schrieb sie:

In dem Beitrag beschäftigt sich das ZEITmagazin mit der Herbstkollektion des Designers Marc Jacobs für das Modehaus Louis Vuitton, die in Shanghai gezeigt wurde und die das Reisen in den Mittelpunkt stellt. Teil dieser Inszenierung ist neben der Kollektion der Nachbau einer alten Dampflok und eine Fotodokumentation von Todd Selby. Von all dem erzählt das ZEITmagazin in seiner Geschichte, in Bild und Text.

… womit es sich selbst zu einem Teil dieser Inszenierung gemacht hat, denn so landete Louis Vuitton dank der Todd-Selby-Aktion großflächig im redaktionellen Teil des “Zeit Magazins”.

Allerding spielt der Konzern nicht nur im redaktionellen Teil eine Rolle: Auf der Rückseite des “Zeit Magazins” findet sich nämlich eine ganzseitige Anzeige des Parfüms “Miss Dior”, das zur Parfümsparte des Hauses “Christian Dior” gehört. Die wiederum ist eine hundertprozentige Tochter der Aktiengesellschaft LVMH. Und LVMH ist die Abkürzung für: Moët Hennessy – Louis Vuitton.

Die Sprecherin der “Zeit” erklärte uns gegenüber, zwischen dem Artikel und der Anzeige gebe es “nicht den geringsten” Zusammenhang.

Mit Dank auch an Fritz und Moritz T.

Asylbewerber, DSDS, Richard David Precht

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “DSDS: Pensionist klagt RTL nach Verspottung”
(kurier.at, Ricardo Peyerl)
Ein österreichischer Rentner klagt erfolgreich gegen die RTL-Sendung “Deutschland sucht den Superstar”, in der er als “Monster” dargestellt wurde: “RTL zahlte freiwillig 9000 Euro Entschädigung und fand das ‘äußerst großzügig bemessen’. Mithilfe seines Anwalts Josef Wegrostek klagt Herbert P. im Landesgericht Korneuburg nun weitere 21.000 Euro Schmerzensgeld ein.”

2. “taz-Korrektor: ‘Ein durch und durch niederschmetternder Job'”
(blogs.taz.de/hausblog, Friederike Gräff)
Robert Matthies berichtet von seiner Arbeit als Korrektor bei der “taz”: “Ich habe zwei Wochen lang die Fehler gezählt, die ich herausgenommen habe. Im Durchschnitt waren es bis zu 100 pro Ausgabe, also 25 Fehler pro Seite. Es ist eine unsichtbare, aber wesentliche Arbeit, die das Korrektorat da macht, gemeinsam mit den Chefs vom Dienst.”

3. “Ausführlich: #azonline mag #Wikipedia! #stich #duden”
(twitlonger.com, NewsMän)
Eine Analyse eines Artikels zum Tod des Politikers Otto Stich: “Eigentlich wollte ich nur über die vielen Tippfehler und die inhaltlichen Fehler schreiben. Dabei fiel mir aber auf, dass ein nicht kleiner Teil des Artikels von Wikipedia übernommen wurde.”

4. “Liebe Verleger, fallt mir nicht auf Philosoph Precht herein”
(ralfschwartz.typepad.com)
Ralf Schwarz beschäftigt sich mit Aussagen von Richard David Precht, der “mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für Printmedien” die Grossotagung in Baden-Baden “gerockt” habe, wie auf wuv.de zu lesen ist.

5. “Rederepublik Deutschland: Sind die Online-Medien schuld?”
(security-informatics.de)
Eine Auswertung von Sprachhandlungs- und Kommunikationsverben in einem Vergleich der Printarchive von “Zeit” und “Spiegel” sowie dem Archiv von “Spiegel Online”: “In allen Gazetten schreiben Journalistinnen und Journalisten darüber, was Menschen darüber sagen, was andere, mutmaßlich noch wichtigere, Menschen geäußert haben. War das schon immer so? Oder ist das eine Folge des Online-Journalismus mit seiner auf Aktualität getrimmten Kultur, in der jede Äußerung schon eine Meldung wert ist, ohne in größere Nachrichtenzusammenhänge eingebettet zu werden?”

6. “Vier Wochen Asyl – Ein Selbstversuch mit Rückkehrrecht”
(ardmediathek.de, Video, 29:03 Minuten)
Journalisten des RBB leben während vier Wochen in einem Asylbewerberheim, unter den gleichen Bedingungen wie die Asylbewerber. “Es kommt uns vor, als wären es Monate gewesen. Das Erlebte geht nah.”

Blättern:  1 2 3 4 ... 6