Archiv für August 20th, 2012

Scott ist tot

Am Wochenende starb der amerikanische Sänger Scott McKenzie (“San Francisco [Be Sure to Wear Flowers in Your Hair]”) im Alter von 73 Jahren an einem Nervenleiden.

Ebenfalls am Wochenende starb der britische Regisseur Tony Scott (“Top Gun”), als er im Alter von 68 Jahren in Los Angeles von einer Brücke sprang.

Zu viele tote Scotts auf einmal für die Website des “Hamburger Abendblatts”:

Scott McKenzie begeht Selbstmord: Die Stimme der Flower-Power-Generation. Scott McKenzie landete mit "San Francisco" einen Welthit. Am Sonnabend starb er im Alter von 73 Jahren. Scott hinterließ einen Abschiedsbrief, bevor er von einer Brücke in Los Angeles sprang.

Der Artikel ist dann übrigens eine dapd-Meldung über den (natürlichen) Tod von Scott McKenzie, darunter folgt ein Video zum Suizid von Tony Scott.

Mit Dank an Oliver Sch. und Thom.

Nachtrag, 22.30 Uhr: abendblatt.de hat den falschen Vorspann und das Video rausgeschmissen.

Bild  

Lehrstunde in Sachen Pietät

In Köln ist gestern ein Mann offenbar an den Folgen der hohen Temperaturen verstorben. Für “Bild”, wo ein Einzelfall immer gleich den Beginn einer Serie markiert, “Kölns erster Hitzetoter”. Die “Sonnenschande” sieht so aus:

Es ist ein Foto, das verstört und wütend macht…

Gestern Nachmittag, der Stadtteil Niehl, Am Molenkopf unten am Rheinufer. 39 Grad heiß. Eine blonde Frau im Bikini liegt lächelnd auf dem Badetuch. Neben ihr ein Mädchen, das liest. Daneben zwei Männer. Sie sonnen sich, als ob nichts wär…

Doch nur zehn Meter hinter ihnen liegt eine von der Polizei abgedeckte Leiche im Gebüsch. Es ist Kölns erster Hitze-Toter in diesem Jahr am Rhein. Doch den Sonnenhungrigen scheint‘s egal! DIE SONNENSCHANDE VON KÖLN!! Wie kann man bloß so gleichgültig sein!?

Mit dem ersten Satz meint “Bild” offenbar nicht das Foto an sich, sondern das, was darauf zu sehen ist.

Ein Mann aus der Gruppe schaut sogar direkt auf den Leichnam. Doch keiner macht Anstalten, seine Sachen zu packen und – aus Pietät – zu gehen. Im Gegenteil: Auch andere Badegäste bleiben liegen und lassen sich die Sonne auf den Bauch scheinen. Ebenfalls geschmacklos: Als der Tote in den Leichenwagen gehoben wird, stellen sich einige Sonnenanbeter extra hin, um einen besseren Blick zu erhaschen.

… und nicht nur die Sonnenanbeter. Auch der “Bild”-Fotograf hatte einen besonders guten Blick auf die Szenerie:

Vieles kann man dieser Tage auf die Hitze schieben: klebrige Kleidung, Konzentrationsschwäche, den Drang, sich eine Kiste mit Eiswürfeln über den Kopf zu schütten.

Das Verhalten von “Bild” zählt allerdings nicht dazu: Bei der Zeitung sind sie ganzjährig merkbefreit.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Da schlägt das Sammlerherz höher

Mit großer Freude und auch etwas Stolz freuen wir uns, Ihnen mitteilen zu können, dass “Die Sammlung BILDblog — Exponate aus 4000 Jahren Diagramm-Malerei” zwei besonders schöne Neuzugänge zu feiern hat.

Da ist zunächst dieses Meisterwerk aus dem “Südkurier” vom Freitag, das wegen seiner rätselhaften Schönheit von Experten bereits mit der “Mona Lisa” verglichen wird:

Am Samstag kam diese Kreation aus der Tortendiagrammbäckerei der “Frankfurter Rundschau” hinzu:

In beiden Fällen sind alle Prozentwerte übrigens korrekt angegeben.*

Mit Dank an Simon und Patrick K. für die Schenkungen!

* Nachtrag/Korrektur, 14.03 Uhr: Während in der oberen Grafik alle Prozentwerte korrekt aus der Quelle (PDF) übertragen wurden, ist in der unteren auch noch ein Zahlenfehler drin: Statt 13 gaben nur 2 Prozent der Befragten an, keines der beiden Länder als Heimat zu empfinden (PDF).

Nachtrag, 22.45 Uhr: Dank diverser Leserhinweise können wir nun so etwas wie eine Auflösung bringen: In der oberen Grafik sind offenbar die dunkelblauen und die orangenen Balken vertauscht und in der unteren ist die Beschriftung (von der fehlerhaften 13 mal ab) jeweils im Uhrzeigersinn verrutscht.

Julia Friedrichs, Ringier, Touristen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “nachrichten sind flüsse, kein seen”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Statt RSS-Feeds zu kürzen, schlägt Felix Schwenzel vor, Werbung direkt in den Text einzubauen: “was spricht denn dagegen werbung in den inhalten einzubetten? ein bild, ein bisschen text, einen link — jeder VHS-HTML-kurs-absolvent kann das in einen RSS-artikel einbetten. wahrscheinlich sogar meine oma.”

2. “Ein offener Brief an Julia Friedrichs”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Julia Friedrichs nervt sich auf Deutschlandradio Kultur über Facebook, was Thomas Knüwer veranlasst, ihr einen Brief zu schreiben.

3. “‘Neue Lage’: Wie der ‘Spiegel’ aus einem Kritiker einen Gejagten macht”
(deutsch-tuerkische-nachrichten.de, Michael Maier)
In einem langen Artikel (und einem Nachfolgeartikel) schreibt Michael Maier über eine Auseinandersetzung zwischen den “Deutsch Türkischen Nachrichten” und dem “Spiegel”. “Spiegel”-Redakteure kommen hier zu Wort: “Michael Maier und der Spiegel im Clinch” (meedia.de, cm).

4. “Erneute Mea Culpa von Ringier”
(nzz.ch, ras.)
Der Ringier-Verlag zieht einen Vergleich mit Carl Hirschmann, über den “teilweise unzutreffende Vorwürfe” verbreitet wurden, die sich auf “Behauptungen anonymer Informanten stützten oder in der Weitergabe blosser Gerüchte bestanden”. “Das Medienhaus verpflichtet sich im Weiteren, die Mea Culpa auf den Frontseiten von ‘Blick’, ‘Blick am Abend’ sowie während vierzehn Tagen auf blick.ch und der Website der ‘Schweizer Illustrierten’ zu veröffentlichen. (…) Ringier wird zudem die betreffenden Publikationen im Internet und auf Datenbanken löschen. Überdies unterlässt Ringier künftig Berichte über Hirschmann.”

5. “Journalists Dancing on the Edge of Truth”
(nytimes.com, David Carr, englisch)
David Carr denkt über Wahrheit im Journalismus nach: “I once lost a job I dearly wanted because I had misspelled the name of the publisher of the publication I was about to go to work for. Not very smart, but I learned a brutal lesson that has stayed with me.”

6. “Herr Tao Qu im Paradies”
(sonntagszeitung.ch, Gabi Schwegler)
Wie eine Gruppe von dreissig chinesischen Touristen in zwei Tagen die Schweiz erlebt.