Archiv für September, 2010

Von Fehlern und Fehlerinnen

Zugegeben: Das mit Europa, das ist unübersichtlich. Es gibt die Europäische Union (EU), die auf die Europäischen Gemeinschaften (nicht zu verwechseln mit der Europäischen Gemeinschaft) zurückgeht, den Europarat (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Rat oder dem Rat der Europäischen Union), den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Gerichtshof der Europäischen Union, obwohl genau das immer wieder geschieht), das Europäische Parlament und die Europäische Kommission, die wiederum Teil der EU sind, außerdem die Europäische Rundfunkunion, die UEFA und die Band Europe. Da kann man schon mal durcheinander kommen.

Trotz dieser offensichtlichen Verwechslungsgefahren nähern sich Journalisten Themen, in denen es irgendwie um Europa geht, häufig mit großer Ahnungslosigkeit Sorglosigkeit. Statt noch mal eben schnell nachzugucken, wird da gerne mal einfach vor sich hinbehauptet. Denn letztlich wissen vor allem die Leser: Europa, das ist immer auch Bürokratie-Irrsinn und irgendwie schlecht für Deutschland.

Im Mai rief die Schweizer Politikerin Doris Stump bei einer Gleichstellungskonferenz des Europarats zum Kampf gegen sexistische Stereotype in den Medien auf, im Juni schließlich schloss sich der Europarat ihren Forderungen an und empfahl dem Ministerkomitee (und damit seinen Mitgliedsstaaten), in den eigenen Verwaltungen auf eine Verwendung “nicht-sexistischer Sprache” zu achten. Beobachter(innen), die zur Resignation neigen, werden festgestellt haben, dass die Fortschritte auf dem Gebiet in den letzten 20 Jahren anscheinend nicht sehr groß waren.

Gestern veröffentlichte dann “Bild” auf Seite 1 eine kleine Meldung, deren Langfassung auf Bild.de erschien. Autor Stefan Ernst ging dabei nicht nur auf die Empfehlung des Europarats ein, sondern füllte seinen Text auch mit zahlreichen Beispielen geschlechtsneutraler Sprache aus Frau Stumps Schweizer Heimat an, die allerdings in keinem direkten Zusammenhang zur Empfehlung des Europarats standen. Das alles war also nicht gerade neu und einigermaßen irreführend, aber auch nicht falsch.

“Welt Online” verkürzte schon etwas und hob den “Leitfaden zum geschlechtergerechten Formulieren” der Schweizer Bundeskanzlei (PDF) in neue Höhen:

Der Rat in Straßburg will Sexismus bekämpfen und rät zu geschlechtsneutraler Sprache. Es gibt bizarre Ersatzvorschläge.

Europamäßig war da aber noch alles im grünen Bereich.

Schlimmer erwischt hat es da schon den “Berliner Kurier”, der dem Thema heute gleich zwei Kommentare, geschlechtergerecht geschrieben von Mann und Frau, widmet: Martin Geiger echauffiert sich über den “EU-Irrsinns-Stadl” und fragt angesichts der Straßburger Empfehlungen und des Schweizer Leitfadens:

Wie viel Fantasie muss in Brüsseler Amtsstuben herrschen, um im Wort “Fußgängerzone” den puren Sexismus der übelsten, chauvinistischen Art auszumachen.

Geigers Kollegin Stefanie Monien geht gleich noch einen Schritt weiter und listet unter der Überschrift “EU will Mama und Papa abschaffen” noch ein paar “Gaga-Empfehlungen für die EU” (“zum Schmunzeln”) auf und erklärt, dass die Schweiz “im Übrigen” gar nicht zum Europarat gehöre — was dann richtig wäre, wenn es tatsächlich um die EU ginge und nicht um den Europarat. Konsequenterweise hat die “Hamburger Morgenpost” Moniens Kommentar gleich die Dachzeile “EU total verrückt” verpasst.

Mit Dank an Florian S. und Henning.

Sarrazin, Sonntagsbären, Lucia R.

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Das verstehe ich nicht”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Andreas Bernard)
Andreas Bernard kann nicht verstehen, warum Thilo Sarrazins Buch “Deutschland schafft sich ab” von “Spiegel” und “Bild” vorabgedruckt wurde und es nun seit zehn Tagen “mit solcher Vehemenz als Debattenstifter in Erscheinung tritt”.

2. “Wo Rauch ist, da ist auch Feuer”
(zeit.de, Bernd Ulrich)
Bernd Ulrich stellt zur Sarrazin-Debatte fest, dass in den Medien “zumeist migrantenfreundliche Menschen tätig sind”. Jedoch wirke das, was sie sagen, oft steril, “die Absichten scheinen durch, Correctness ersetzt Kenntnis”. “Mittelschicht allüberall, mit sehr ähnlichen Biografien. Dass sich daraus keine lebendige Wahrnehmung der wirklichen Welt der Migranten ergibt, liegt auf der Hand.” Abgeholfen werden könnte dem durch die Verpflichtung von bisher in den Redaktionen unterrepräsentierten Gruppen (genannt werden Migranten, Arbeiterkinder oder Ostdeutsche).

3. Interview mit Lucia R.
(derstandard.at, Harald Fidler)
Die unbeteiligte Lucia R. wird von österreichischen Medien als Mordopfer und Prostituierte präsentiert. “Es verletzt wirklich sehr, wenn das eigene Bild in einem solchen Zusammenhang missbraucht wird. Sowas können nur wirklich unverantwortliche Menschen tun.”

4. “Branchenkritik – Sonntags gibt’s Enten”
(persoenlich.com, Peer Teuwsen und Ralph Pöhner)
Peer Teuwsen und Ralph Pöhner thematisieren die Schweizer Sonntagszeitungen: “Die wirtschaftlich lukrativen Wochenend-Titel züchten zwei Tiere, die bislang in der Zoologie unbekannt waren: erstens den Sonntagsbären, mit dem der Leserschaft eine übertrieben zugespitzte Wahrheit aufgebunden wird. Zweitens die Sonntagsente: Hier wird eine Nachricht (gestützt auf ‘Insider’ oder ‘gutinformierte Personen’) selbst bei wackliger Quellenlage veröffentlicht, wobei man notfalls eine Falschmeldung riskiert.”

5. “Gekaufter TV-Auftritt”
(beobachter.ch, Otto Hostettler)
Der medizinische Leiter der im Schweizer Fernsehen ausgestrahlten Sendung “Gesundheit Sprechstunde” kontaktiert per E-Mail “gezielt PR-Agenturen, die zahlungskräftige Pharmaunternehmen zu ihren Kunden zählen. Diese sollen einen fünfstelligen Betrag bezahlen, damit sie einen pharmagenehmen Experten für die Sendung vermitteln dürfen.” Siehe dazu auch “Fragwürdige Methoden bei Suche nach Sponsoren für ‘Gesundheit Sprechstunde'” (tagesanzeiger.ch, Maurice Thiriet).

6. “Bitte aufblättern”
(magda.de, Sabine Böhne)
Sabine Böhne versucht, Studenten das Zeitungslesen beizubringen.

Bild  

Wer leiht Sarrazin ein Bundesverdienstkreuz?

Nachdem er seit anderthalb Wochen die Titelseiten der Zeitung füllt, stellt “Bild” heute mal eine entscheidende Frage:

Thilo Sarrazin: Wer ist der Mann, über den ganz Deutschland streitet?

Und so erfährt der Leser, dass Sarrazin als Baby mit der Mutter vor den Russen geflohen ist (“auf einem britischen Lkw voller Hopfen”), seine Mutter ihm für zwei Jahre das Taschengeld gestrichen hat, er mittags nur zwei halbe belegte Brötchen (“Käse, Kochschinken”) isst, Tortendiagramme dafür aber “immer selbst” erstellt.

Außerdem:

Seine Karriere

Diente unter neun Ministern, acht Staatssekretären, drei Ministerpräsidenten (u. a. Rudolf Scharping). Stieg trotz SPD-Parteibuch unter Finanzminister Theo Waigel (CSU) auf. Fachwissen und Erfolg (z. B. als Finanzsenator in Berlin) unbestritten. Bundesverdienstkreuzträger.

Nur: Thilo Sarrazin hat gar kein Bundesverdienstkreuz.

Womöglich hat “Bild” da einfach einen Artikel aus der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” vom September 2003 missverstanden, in dem es hieß:

Dieser Tage sagte Sarrazin, über die Gebührenerhöhung – durch die der Kostendeckungsgrad der Kindergärten, Krippen und Horte von 11,7 auf 13,1 Prozent wachsen soll – werde in Berlin diskutiert, “als ob wir Kinder ins Konzentrationslager schicken”. Daß so einer nicht mit 65 Jahren, mit der Ernst-Reuter-Plakette und dem Bundesverdienstkreuz am Bande versehen, in den wohlverdienten Ruhestand gehen wird, kann man sich leicht vorstellen.

Die Ernst-Reuter-Plakette hat Sarrazin natürlich auch nicht. Und da sollen wir die Sache mit dem Kochschinken glauben?

Mit Dank an Philipp L.

Die Sautreiber der Schweinegrippe

Die Dresdner Regionalausgabe von “Bild” hat eine “Riesenpleite” entdeckt, nach der inzwischen kein Hahn mehr kräht:

Riesenpleite mit der Schweinegrippe

Schweinegrippe! So hieß die Sau, die im vergangenen Jahr durch jedes deutsche Dorf getrieben wurde. Möglichst jeder sollte sich gegen das “gefährliche, tödliche Virus H1N1” impfen lassen.

Ja, möglichst jeder, auch in der “Bild”-Redaktion. Chefredakteur Kai Diekmann “war der Erste”. Um die Bedenken jener zu zerstreuen, die unsicher waren, ob sie diese Impfung auch wirklich brauchen.

Trotz oder wegen des Vorbilds Diekmann oder wegen möglicher Risiken und Nebenwirkungen reagierten die meisten Bürger zurückhaltend auf die Impfung. Inzwischen sind die Impfdosen verfallen und für den Steuerzahler viele Millionen Euro Kosten aufgelaufen.

Es bleibt, über die Ursache der “Riesenpleite” nachzudenken. Wer es war, der diese “Sau” im vergangenen Jahr durch “jedes deutsche Dorf getrieben” hatte.

Bei “Bild” und “Bild am Sonntag” war das Thema Schweinegrippe im Herbst 2009 in weniger als einem Monat zwölfmal die Titelgeschichte (BILDblog berichtete).

Überhaupt wurden 2009 dazu viele, sehr viele Artikel veröffentlicht. Die folgende Auswahl ist daher sicherlich unvollständig:

28. April 2009:

So schlecht sind wir auf die Schweinegrippe vorbereitet

16. Juni 2009:

Wann gibt es endlich einen Impfstoff?

15. Juli 2009:

Reicht der Impfstoff wirklich für alle Deutschen?

17. Juli 2009:

Bekomme ich als Rentner keine Impfung mehr ab?

5. August 2009:

Warum werden nicht alle Deutschen gratis geimpft?

Am 11. November 2009 forderte “Bild” von Gesundheitsminister Philipp Rösler, Schluss zu machen mit dem “Schweinegrippen-Chaos”. Punkt 1 lautete:

Verhängen Sie Vertragsstrafen für Impfstoffhersteller GlaxoSmithKline, wenn nicht genügend Impfstoff oder nicht pünktlich geliefert wird!

Und jetzt nochmals die Empörung darüber rund zehn Monate später:

150 Millionen Dosen Impfstoff wurden eiligst im Dresdner Pharmaziewerk „GlaxoSmithKline“ produziert. Ein Milliardengeschäft! Allein Sachsen orderte ca. 1,5 Millionen Dosen Impfstoff für rund 20 Millionen Euro.

Und heute? Die Riesenpleite. Kein Hahn kräht mehr nach der Schweinegrippe. Laut Robert Koch-Institut ließen sich gerade mal 340 200 (8,1 %) der 4,2 Millionen Sachsen impfen. Die verbliebenen Dosen stehen nun in Lagern und verfallen nach und nach!

Exekutivpolitiker sind bei drohenden Pandemien in der Zwickmühle. Treffen sie keine Vorkehrungen für den Worst Case, wird ihnen schon präventiv eine mögliche Verantwortungslosigkeit vorgeworfen. Medien wie “Bild” dagegen sind bei drohenden Pandemien in einer komfortablen Ausgangslage. Sie können zwar Panik schüren, müssen sich aber nicht für die Folgen verantworten.

Duckmäuser, Farbbänder, Das Magazin

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. Interview mit Volker Lilienthal
(freitag.de, Matthias Dell)
Für Volker Lilienthal sind Journalisten heute zu häufig Duckmäuser. Er empfiehlt ihnen Haltung: “Es gibt ein Bedürfnis nach natürlicher Autorität, Kinder brauchen Vorbilder. Genauso braucht man in der öffentlichen Wahrnehmung Figuren, zu denen man ein wenig aufblicken kann, Journalisten, von denen man glaubt, dass die etwas zu sagen haben, dass die sich etwas trauen.”

2. “Generation Farbband”
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz denkt über Journalisten seines Alters nach, die die Entscheidungen in den Printverlagen treffen. “So lange es aber meine Generation ist, die Entscheidungen fällt, sie aber gleichzeitig nicht ernsthaft versteht, was da überhaupt passiert, wird es schwierig werden, die richtigen Entscheidungen zu bekommen. Und solange werden sie weiter untergehen, die Vertreter und die Medien der ‘old school’.”

3. “Eingebetteter Journalismus”
(knappdaneben.net)
Max Küng, Mitarbeiter von “Das Magazin”, schreibt einen Artikel über ein von Jörg Boner (“Atelier Pfister”) designtes Bett. Gleichzeitig erscheint auf der Facebook-Seite der Firma ein von ihm geführtes Interview mit Boner. Küngs Chefredakteur, Finn Canonica, meldet sich in den Kommentaren: “Max Küng hätte nie für Möbel Pfister ein Interview machen dürfen und anschliessend bei uns im Blatt über den selben Designer schreiben. Das war ein fast unverzeihlicher Fehler, das wird nicht mehr vorkommen.”

4. “Tabloid Hack Attack on Royals, and Beyond”
(nytimes.com, Don van Natta Jr., Jo Becker and Graham Bowley, englisch)
Ein langer Artikel befasst sich mit den britischen Journalisten, die in den Besitz der PINs der Handy-Mailboxen von Mitgliedern des Königshauses kamen und diese abhörten.

5. “Washington Post Suspends Columnist for Twitter Hoax”
(nytimes.com, Joseph Plambeck, englisch)
Ein Sportkolumnist der “Washington Post” wird beurlaubt, weil er, angeblich absichtlich, eine Fehlinformation twitterte.

6. Interview mit Gina
(laurencethio.de)
Gina erzählt Laurence Thio von ihrem Praktikum in der Online-Redaktion von “Cicero”. “Zu der Zeit war gerade der neue Chefredakteur Michael Naumann beim Cicero und der wollte auch etwas an der Inneneinrichtung verändern. Und da haben wir ihm irgendwelche Spiegel hin und her getragen und Obstschalen von A nach B verrutscht.” Eine zweite Meinung ist in den Kommentaren zu lesen.

Markt der Merkwürdigkeiten

Im April eröffnete die Axel Springer AG den “Bild Shop”, in dem Kunden “jede Woche neue Themenwelten je nach Saison oder zu bestimmten Anlässen und Events sowie täglich ein besonders attraktives oder günstiges ‘Produkt des Tages'” finden können sollen.

Angebot im "Bild Shop"Die Verbraucherzentrale NRW hat die Angebote etwas genauer unter die Lupe genommen und bei ihren Stichproben “viele Merkwürdigkeiten” entdeckt: Die “Preishämmer” gab es in anderen Onlineshops im Schnitt fast zehn Prozent billiger, “Publikumslieblinge” kamen weitgehend ohne Kundenbewertungen daher und das Attribut “Testsieger” bezog sich teilweise auf Tests, die bis zu fünf Jahre zurück lagen.

Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem “Bild Shop” inklusive vieler Beispiele hat die Verbraucherzentrale heute als Pressemitteilung veröffentlicht:

Mit Dank an Martin B.

Gong  

Schleichwerbung auf Rezept

Im Frühjahr ist die einstmals renommierte Fernsehzeitschrift “Gong” vom Presserat dafür gerügt worden, dass die Rezepte ihres großen Weihnachtsmenus durchsetzt waren mit Hinweisen auf Produkte der Firma Unilever (BILDblog berichtete). Noch trauriger als die Schleichwerbung an sich ist allerdings der Versuch der Rechtsabteilung der “WAZ”-Gruppe, sie zu rechtfertigen. Der Presserat fasst ihre Stellungnahme so zusammen:

[…] man habe durch die Reaktion von Lesern festgestellt, dass bei der Verwendung spezieller Zutaten eine redaktionelle Produktempfehlung gewünscht sei. Insofern habe man durch die Nennung konkreter Produkte das Informationsinteresse des Lesers bedient. Dies betreffe maßgeblich die Empfehlung von Produkten wie “Suppenliebe Hühnersuppe”, “Cremefine” und “Fix für Nudel-Mozzarella-Gratin”. Der Leser könne aufgrund dieser Hinweise erkennen, welche Art von Zutat Verwendung gefunden habe. Gegebenenfalls könne er, sofern vorhanden, auf Konkurrenzprodukte zurückgreifen, da jedenfalls eine für das Verständnis des Lesers ausreichende Individualisierung durch die Produktnennung erreicht worden sei. Auch sei nicht zu beanstanden, dass das Produkt “Cremissimo-Schokoladeneis” genannt wurde, da dieses aufgrund seiner Konsistenz und Streichfähigkeit besonders gut für die Verwendung im Rahmen des Rezeptes geeignet sei.

Das ist natürlich alles nicht wahr.

In Wahrheit bezieht der “Gong” einen Großteil seiner Rezepte einfach von der Firma Unilever. Die bietet Redaktionen dafür eine eigene Datenbank im Internet, die, wie ihr Name “Rezept & Bild” nahelegt, auch gleich hochauflösende Fotos der Gerichte enthält.

Unilever stellt diese Inhalte kostenlos zur kommerziellen Nutzung zur Verfügung — unter einer Bedingung: Die darin natürlich immer enthaltenen Namen ihrer Marken wie “Knorr”, “Mondamin” und “Rama” müssen genannt werden. In den Nutzungsbedingungen heißt es:

Zulässig ist es, die Produkt-Kategorie zusammen mit einer Marke der Unilever Gruppe in Klammern zu nennen. Bsp.: ‘Bourbon-Vanille (z.B. von Cremissimo))’.

Genau so verfährt der “Gong”. In der vergangenen Woche gab es drei Braten-Rezepte von Unilever mit der entsprechenden Schleichwerbung für Unilever-Produkte (siehe rechts). In dieser Woche dreht sich auf den “Gong”-Rezeptseiten alles um den Kürbis, mit einem Lachsfilet-Rezept von Pfanni, einem Curry-mit-Rind-Rezept von Mondamin, einem Krosse-Plätzchen-Rezept von Rama und einem Putenbraten-Rezept von Knorr.

Mit dem Informationsinteresse der Leser, wie die sich für ihren Qualitätsjournalismus für bekannt haltende “WAZ”-Gruppe behauptet, hat das alles nichts zu tun. Sondern damit, wie Unternehmen die Lücke füllen, die durch sinkende Etats und Qualitätsansprüche in den Redaktionen entsteht, und redaktionelle Inhalte durch werbliche Inhalte ersetzen — sicherlich nicht nur in so harmlosen Bereichen wie Kochrezepten.

Die Rüge des Presserates hat der “Gong” übrigens bereits am 1. April mit einem irreführenden Text veröffentlicht. Sollten sie auch sorgfältige “Gong”-Leser übersehen haben, könnte das daran liegen, dass die Redaktion einen außerordentlich unauffälligen Platz wählte: im Klein- und Kleinstgedruckten zwischen Leserbriefen und Impressum.

Mit großem Dank an Max M.!

Es gibt Mais, Baby

Die deutsche Sprache kennt das Phänomen der Auslautverhärtung, die dafür sorgt, dass Begriffe wie “Rad” und “Rat” oder “Blog” und “Block” gleich klingen, wenn man sie ausspricht. Die englische Sprache kennt dieses Phänomen nicht, “bad” klingt anders als “bat”.

Bild.de-Koch Andreas “Studi” Studer möchte den “lieben Bild.de-Usern” etwas Englisch beibringen und bereitet dazu ein “American barbeque” zu (natürlich stilecht im Bratschlauch).

Oder, wie Bild.de es formuliert:

Zur Grillparty gehören “garlic”, “honey” und “corn on the cop”.

Dabei hatte sich Studer sogar Mühe bei der englischen Aussprache gegeben und eben nicht von einem “cop” gesprochen, sondern von “cob”. Also nix mit Polizisten, sondern lediglich mit Maiskolben.

Mit Dank an Chris und Alexander B.

Nachtrag, 13.16 Uhr: Nachdem Bild.de die Leserkommentare zum Thema über Stunden ignoriert hatte, haben sie schnell auf unseren Eintrag reagiert und den Fehler unauffällig korrigiert.

Sarrazin, Schwalbenschwänze, Abmahnungen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Bekenntnis zu Sarrazin”
(sprengsatz.de, Michael Spreng)
Michael Spreng hätte, anders als “Bild” und “Spiegel”, das derzeit in vielen Medien verhandelte Buch “Deutschland schafft sich ab” von Thilo Sarrazin nicht vorabgedruckt. “Ohne die beiden spektakulären Vorabdrucke wäre der Aufmerksamkeitspegel nicht über Normalmaß gestiegen: Sarrazins Buch wäre ohne sie nicht über den Zweispalter im Politikteil oder im Feuilleton hinausgekommen, Sarazin hätte sein Buch nicht vor 250, sondern vor maximal 50 Journalisten vorgestellt, er wäre nicht die Spitzenmeldung aller TV-Nachrichten geworden.”

2. “Keine Sympathien für ein Leistungsschutzrecht”
(nzz.ch, ras.)
Die “NZZ” zählt fünf Gründe gegen ein Leistungsschutzrecht für Presseverleger auf: Die Urheberrechte sind bereits geschützt, niemand ist gezwungen, Inhalte kostenlos anzubieten, niemand muss sich von Suchmaschinen finden lassen, der freie Fluss des digitalen Markts kann nicht verboten werden, das Gesetz wäre als Gebührenerhebungssystem ein “grenzüberschreitendes bürokratisches Monster”.

3. “Abmahnungen gegen Blogs”
(spiegel.de, Frank Patalong)
Frank Patalong stellt die Firma Righthaven LLC vor: “Das Unternehmen wurde gegründet, um Blogs gezielt wegen der Verletzung von Coyprights zu verklagen.”

4. “Kleine Formate ganz groß”
(journalist.de, Videos)
Christian Bartels und Svenja Siegert stellen gelungene Web-Experimente von Journalisten vor.

5. “Off topic? Die siamesischen Falter”
(ag-athe.at)
Ein Artikel in der “Kronen Zeitung” über Schwalbenschwänze erheitert derzeit Biologen.

6. “Kleider machen heute”
(juliane-wiedemeier.de)
Juliane Wiedemeier analysiert die Bekleidung von Moderatorinnen bei ARD und ZDF.

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