Archiv für September 23rd, 2010

Bild.de, dapd  etc.

Trittin mit objektähnlichem Ding beworfen

Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, ist gestern bei einer öffentlichen Veranstaltung vor zahlreichen Zuschauern in Hannover angegriffen worden.

Doch womit?

Farb-Anschlag auf Jürgen Trittin in Hannover

(dapd, 22. September, 20.10 Uhr)

Attacke auf Fraktionsvorsitzenden: Jürgen Trittin in Hannover mit Joghurt überkippt

(haz.de, 22. September, 20.35 Uhr)

Maskierter greift Grünen-Fraktionschef an: Farb-Anschlag auf Jürgen Trittin
Schock für Grünen-Bundesfraktions-Chef Jürgen Trittin (56)! In Hannover wurde er von einem Maskierten mit weißer Farbe beworfen – offenbar versteckt in einer Torten-Attrappe!

(Bild.de, 22. September, 20.50 Uhr)

Während der Veranstaltung sprang ein maskierter Unbekannter auf die Bühne und warf einen tortenähnlichen – offenbar mit heller Farbe gefüllten – Gegenstand auf den Politiker.

(Pressemitteilung der Polizei Hannover, 22. September, 21.20 Uhr)

Trittin bei Theaterprojekt mit Torte beworfen

(dpa, 22. September, 21.21 Uhr)

Anti-Atom-Bewegung: Trittin mit Farbe oder Torte attackiert
Grünen-Politiker Jürgen Trittin ist bei einer Podiumsdiskussion mit Farbe übergossen worden. In anderen Berichten ist von einem Tortenwurf die Rede.

(“Focus Online”, 22. September, 22.22 Uhr)

Trittin war (…) von einem maskierten Unbekannten mit einer mit heller Farbe gefüllten Torte beworfen worden.

(dapd, 22. September, 22.28 Uhr)

Angriff mit Farb-Torte auf Trittin

(“Berliner Kurier”, 23. September)

Ein mit weißem Einweganzug gekleideter Mann (ca. 20), der sein Gesicht hinter einer Maske versteckt haben soll, sprang auf den Politiker zu und warf einen tortenähnlichen Gegenstand, der mit heller Farbe gefüllt war, auf Trittin.

(“B.Z.”, 23. September)

Farb-Anschlag auf Trittin: Hannover - Bei einer Podiumsdiskussion auf dem Ballhofplatz in Hannover kippte ein Maskierter weiße Farbe über Jürgen Trittin (56, Die Grünen). Der Täter flüchtete. Trittin wurde nicht verletzt, verließ die Diskussion.

(“Bild”, 23. September)

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist bei einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend in Hannover mit einer Farbtorte beworfen worden.

(taz.de, 23. September)

Auch ob der tortenähnliche Gegenstand mit heller Farbe oder Joghurt gefüllt war, sei derzeit noch unklar, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag auf dapd-Anfrage.

(dapd, 23. September, 9.20 Uhr)

Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist bei einem Theaterprojekt zur Anti-Atom-Bewegung gestern Abend in Hannover mit einer Torte beworfen worden. Die Polizei geht davon aus, dass sie mit Joghurt gefüllt war.

(dpa, 23. September, 11.00 Uhr)

Doch kurz nach Diskussionsbeginn sprang gegen 19.20 Uhr plötzlich ein Maskierter auf die Bühne, warf eine mit heller Farbe gefüllte Torte auf den Grünen-Politiker und rannte davon.

(dapd, 23. September, 11.40 Uhr)

Attacke in Hannover - der Video-Beweis: Hier wird Trittin mit einer Farb-Torte beworfen
Von hinten kommt ein weiß gekleideter Mann angeschossen, wirft dem Grünen-Politiker einen Gegenstand, der aussieht wie eine Torte, ins Gesicht. Der weiße Brei tropft Trittin über Gesicht und Schulter, es soll sich um Farbe oder Joghurt handeln, die Polizei ermittelt.

(Bild.de, 23. September, 12.04 Uhr)

Ersten Ermittlungen zufolge war der tortenähnliche Gegenstand mit Joghurt gefüllt.

(dapd, 23. September, 12.09 Uhr)

Trittin mit Torte und Carstensen mit Eiern beworfen.

(dapd, 23. September, 13.30 Uhr)

Bei einem Theaterprojekt zur Anti-Atom-Bewegung war Trittin mit Joghurt beworfen worden (…)

(dpa, 23. September, 14.22 Uhr)

Der Chef der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, hat die Attacke mit einer Torte am Mittwochabend in Hannover unverletzt überstanden.

(dapd, 23. September, 14.24 Uhr)

Augenzeugenberichten zufolge handelte es sich bei seinem Wurfobjekt um eine “joghurtähnliche Torte”.

(AFP, 23. September, 14.25 Uhr)

Tortenattacke: Trittin vs. Poddig: Joghurtangriff auf Trittin überschattet Diskussion "Ideale vs. Realpolitik"
(abendblatt.de, 23. September, 15.44 Uhr)

Ein Sprecher der Hannoveraner Polizei erklärte uns um 15.50 Uhr, sie gehe derzeit davon aus, dass es sich um eine “Torte aus Joghurt” bzw. eine “Torte, wo Joghurt drin war” (“vergleichbar einer Käsetorte, nur eben mit Joghurt statt Frischkäse”) gehandelt habe. Die Überreste des Objekts seien beim Eintreffen der Beamten bereits entfernt worden, es gebe aber keine Hinweise, die für Farbe sprächen.

Mit Dank an Christian B., Christian G., Tobias S. und ich.

Bild  

Wenigstens im Wein liegt Wahrheit

Wein und Journalismus eint, dass es sie in unterschiedlichen Qualitätsstufen gibt und man von schlechtem bisweilen Kopfschmerzen bekommt. Im Unterschied zum Journalismus ist die Qualität von Weinen allerdings gesetzlich geregelt.

Und damit zu “Bild”: Am Dienstag ließ Jürgen Helfricht (Experte für Sandmännchen, Wölfe und Katzenbenzin) in der Dresdner Regionalausgabe einen “mutigen Elbtal-Winzer” “enthüllen”:

Mutiger Elbtal-Winzer enthüllt: Beim teuren Sachsen-Wein wird gepanscht

Nun schmälert den Mut des Elbtal-Winzers vielleicht ein wenig, dass er das nicht über den eigenen Wein enthüllt, sondern über die Produkte eines Konkurrenten. Und die Enthüllung ist auch nicht mehr ganz so spektakulär, wenn man weiß, dass auch dieser Konkurrent gar nicht gepanscht haben soll: Der sächsische Winzer hatte nämlich nicht etwa Zusatzstoffe wie Glykol in seinen Wein gemischt, sondern schlicht “Wein aus der Pfalz geholt” und in Flaschen gefüllt, auf deren Etikett groß “Pfalz” steht. Eine Praxis, die “Bild” selbst als “legal, aber jetzt in der Kritik” beschreibt.

Auch die Winzergenossenschaft Meißen wird angegriffen:

Die Winzergenossenschaft Meißen, die mit dem “ehrlichen Genuss” sächsischer Weine wirbt, versteckt die Herkunft ihres “Hausweines” namens “Winzerschoppen” (Flasche 7,55 Euro) neuerdings schamhaft auf der Rückseite: “20 Jahre nach der Wiedervereinigung machen wir möglich, was vorher nicht ging: Die Vermählung von Weinen aus Ost und West.” Im Klartext: Hier kauft man einen Mix, von dem man nicht weiß, wie viel Sachsen drin steckt!

Damit hat sie es sogar zum “Verlierer” auf Seite 1 der Bundesausgabe geschafft:

Verlierer: Der Sächsische Wein hat seine Reinheit verloren. Statt des edlen und teuren sächsischen Tropfens wird immer häufiger auch Wein aus der Pfalz, Baden und Mosel mitabgefüllt. Selbst die Winzergenossenschaft Meißen, die mit dem "ehrlichen Genuss" wirbt, verkauft als "Hauswein" einen Ost-West-Mischmasch. BILD meint: Wohl zu tief ins Glas geschaut?

Doch die Reinheit des Sächsischen Weins ist nicht in Gefahr, der Skandal, den “Bild” daraus zu konstruieren versucht, ist keiner: Die Winzergenossenschaft Meißen nennt den “Ost-West-Mischmasch” auf ihren Etiketten nicht etwa “Sächsischen Wein”, sondern bezeichnet ihn als “Deutschen Wein”. Diese Bezeichnung sieht das deutsche Weinrecht vor für einen Verschnitt aus Trauben, die in Deutschland angebaut wurden. So erklärt es der Deutsche Raiffeisenverband in einer Pressemitteilung.

Ein “Qualitätswein aus Sachsen” enthalte auch weiterhin “zu 100 Prozent Trauben aus dem geografisch streng abgegrenzten Gebiet Sachsen”. Aber wo wäre da die Geschichte?

Mieser Teaser

Der Vorspann vor einem Zeitungsartikel ist eigentlich dazu da, einen kurzen Überblick über den Inhalt zu geben und dadurch zum Weiterlesen zu animieren. Bei einem aktuellen Artikel von stern.de ist das Weiterlesen allerdings Pflicht, denn im Vorspann wird folgendes behauptet:

Rente mit 67? Von wegen. Jeder fünfte Berufstätige muss aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, das Durchschnittsalter aller Ruheständler liegt laut Statistischem Bundesamt bei etwa 55 Jahren. Besonders früh müssen Arbeiter aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

Würde “das Durchschnittsalter aller Ruheständler” nämlich tatsächlich “bei etwa 55 Jahren” liegen, dann hätten wir in Deutschland die jüngsten Rentner der Welt – immerhin beträgt das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung bereits 42,1 Jahre. Nur wer weiterliest, erfährt, dass in Wirklichkeit bloß das Durchschnittsalter derjenigen bei 55,1 Jahren lag, die 2008 ihre Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben mussten. Das kann man nicht nur beim Statistischen Bundesamt nachlesen, sondern auch im Artikel von stern.de:

2008 ist mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Dabei lag das durchschnittliche Alter beim Ausscheiden aus dem Berufsleben bei gut 55 Jahren – rund 8,5 Jahre niedriger als bei denen, die regulär in den Ruhestand gegangen sind.

Entweder wurde der Vorspann – wie in vielen Redaktionen üblich – von einer anderen Person ohne das nötige Hintergrundwissen nachträglich vor den fertigen Artikel gesetzt oder der Autor hat seinen eigenen Artikel nicht verstanden. Beides spräche nicht gerade für stern.de.

Mit Dank an Claudia.

Guttenberg, Sportschau, Bill O’Reilly

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die wundersame Beliebtheit der zu Guttenbergs”
(ndr.de, Video, 7:11 Minuten)
Stephanie und Karl-Theodor zu Guttenberg werden von den Medien als “politisches Power-Paar mit Glamourfaktor” inszeniert. Anna von Bayern (“Bild am Sonntag”) und Fernsehjournalistin Tamara Gräfin von Nayhauß spielen dabei eine tragende Rolle.

2. “‘Heute’ adelt alten PR-Text zu aktueller Uni-Studie”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Eine Studie, die von der Gratiszeitung “Heute” als “aktuelle Uni-Studie” verkauft wird, stammt vom Softwarehersteller Symantec und ist fast ein Jahr alt.

3. “Der Presserat im Web 2.0”
(telemedicus.info, Adrian Schneider)
Adrian Schneider kommentiert die Meldung des Presserats, sich künftig auch für “moderierte Foren” zuständig zu sehen. “Wenn Redaktionen Forenbeiträge vorab kontrollieren, sei diese Prüfung als journalistisch-redaktionelle Leistung zu verstehen, sodass der Presserat auch für solche Nutzerkommentare zuständig sei.”

4. “Lustige Panne bei der ‘Sportschau'”
(sueddeutsche.de, Christopher Keil)
In der ARD-Sportschau wurden am Dienstagabend “vier Spielpaarungen und Spielstände, die es nie gegeben hatte”, verlesen. “Der für die Ergebnistafel zuständige Grafiker habe einen ‘Blackout’ gehabt, sagte der für die Sportschau zuständige Sportchef Steffen Simon vom WDR an diesem Mittwoch. Der technische Mitarbeiter habe offenbar eine andere, eine falsche Maske für die Resultate eingestellt.” Nachtrag, 17 Uhr: Die ersten vier Spielpaarungen hat es durchaus gegeben, nämlich am 1. Spieltag. Die Resultate dazu stammen vom 5. Spieltag.

5. “Vorsicht, Vorurteile!”
(noz.de, Burkhard Ewert)
“Warum Medien die Herkunft von Straftätern selten nennen”

6. “Jon Stewart in No Spin Zone”
(foxnews.com, Video, 6:22 Minuten, englisch)
Jon Stewart zu Besuch bei Bill O’Reilly. In Teil 2 des Gesprächs schätzt Stewart ein, warum O’Reilly nicht mehr so wichtig ist: “You’ve been overtaken by a more extreme version of you. You’re like Fox 1.0, you’re the beta version. Fox 2.0 has jumped over you.”