Gestern kam es in Leipzig zu einem Rennen zwischen einem Pferd und einem Porsche, die bei einer Aktion der MDR-Jugendwelle Jump gegeneinander (im Sinne von “nacheinander”) antraten. Der Sportwagen war ein bisschen schneller, aber auch das Pferd erreichte noch eine erstaunliche Geschwindigkeit.
Aus Sicherheitsgründen absolvierten Pferd und Porsche nacheinander den 6,1-Kilometer-Parcours. Miriam, die als Erste ran durfte, nach dem Rennen: “Bis auf die Kurve, die wir nicht ganz hingekriegt haben, war das eine super Leistung!”
Mit einer Zeit von 36,88 Sekunden war sie dennoch nicht schnell genug, um “Porsche-Rocky” zu schlagen: Kollege Bleifuß raste nach 35,48 Sekunden über die Ziellinie. “Dabei hab’ ich einige Fehler gemacht. Ich hätte noch schneller sein können…”
36,88 Sekunden auf 6,1 Kilometern sind rund 595 km/h. Der Porsche erreichte gar einen Durchschnittswert von 619 km/h, was bedeutend schneller ist als ein Düsenjäger beim Start und etwa halber Schallgeschwindigkeit entspricht. Und das auf unebenem Gelände!
Und diese Sensationsmeldung steht nur klein in der Leipziger Regionalausgabe von “Bild”?! Ja.
Die Zeiten stimmen zwar, aber die Wegstrecke, die “Chici Mici” und Porsche Cayenne in der Zeit zurückgelegt haben, ist etwas kürzer: Von der 6,1 km langen Offroad-Strecke habe man “nur rund 500 m” genutzt, teilte uns der MDR auf Anfrage mit. Die Durchschnittswerte liegen damit bei rund 50 km/h.
Mit Dank an René, Andreas Sch., kmr, André B. und Ronny K.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. Interview mit Norbert Pfeiffer (jetzt.sueddeutsche.de, Marc Widmann)
Norbert Pfeiffer war als Leiter der Mainzer Uniklinik mehrere Tage im Fokus der Medien, nachdem drei Babys an Infusionen verstarben, die mit Bakterien verseucht waren. “Mein Umgang mit dieser Situation war von einem einfachen Prinzip geprägt: Ich wollte authentisch bleiben und bei der Wahrheit bleiben.”
2. “Ein schwerer Fall von Missbrauch” (novo-argumente.com, Boris Kotchoubey)
Boris Kotchoubey fragt, wer an Missbrauchsfällen Geld verdient und mahnt an, das Wort “Missbrauch” nicht wahllos zu gebrauchen. “Glaubt man den Journalisten, so führten all diese Handlungen bei den Opfern zu gleich schweren seelischen Verletzungen, sodass das einzige Heilmittel wahrscheinlich in der Möglichkeit bestand, jetzt – in manchen Fällen 30 bis 40 Jahre nach dem Ereignis – darüber ein exklusives Interview zu geben.”
3. Interview mit Willi Steul (merkur.de, Dieter Anschlag)
Deutschlandradio-Intendant Willi Steul tut vom vielen Schulterklopfen über das nicht quotenorientierte Programm des Deutschlandradios bereits die Schulter weh: “Von der Quote, würde ich sagen, sind wir relativ befreit. Aber auch wir brauchen eine Anerkennung. Wir können ja nicht für die Fische senden.”
4. “David Beckham takes legal action over claims he slept with prostitute” (telegraph.co.uk, Anita Singh, englisch) David Beckham verklagt das US-Magazin “In Touch”. Sein Sprecher dazu: “The allegations that have been made are completely untrue and totally ridiculous, as the magazine was clearly told before publication. Sadly, we live in a world where a magazine can print lies and believe they can get away with it. We are taking legal action against the magazine”.
5. Ein Buch von Erika Steinbach (visdp.de, Sebastian Esser, PDF-Datei, 1.7 MB)
Sebastian Esser fragt: “Wenn Erika Steinbach ein Buch herausbringt, und niemand schreibt darüber, ist es dann immer noch eine Provokation?”
6. “Narrensicheres Geschäftsmodell, kostenlos abzugeben” (oetting.posterous.com, Martin Oetting)
“Das Geschäftsmodell nennt sich ‘Berater-Berater’, und man muss nur das folgende Redemanuskript bei irgendeiner Social Media Konferenz möglichst energisch vortragen. Danach sollte man für ca. ein Jahr ausgesorgt haben.”
Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, ist gestern bei einer öffentlichen Veranstaltung vor zahlreichen Zuschauern in Hannover angegriffen worden.
Schock für Grünen-Bundesfraktions-Chef Jürgen Trittin (56)! In Hannover wurde er von einem Maskierten mit weißer Farbe beworfen – offenbar versteckt in einer Torten-Attrappe!
Während der Veranstaltung sprang ein maskierter Unbekannter auf die Bühne und warf einen tortenähnlichen – offenbar mit heller Farbe gefüllten – Gegenstand auf den Politiker.
(Pressemitteilung der Polizei Hannover, 22. September, 21.20 Uhr)
Trittin bei Theaterprojekt mit Torte beworfen
(dpa, 22. September, 21.21 Uhr)
Grünen-Politiker Jürgen Trittin ist bei einer Podiumsdiskussion mit Farbe übergossen worden. In anderen Berichten ist von einem Tortenwurf die Rede.
Trittin war (…) von einem maskierten Unbekannten mit einer mit heller Farbe gefüllten Torte beworfen worden.
(dapd, 22. September, 22.28 Uhr)
Angriff mit Farb-Torte auf Trittin
(“Berliner Kurier”, 23. September)
Ein mit weißem Einweganzug gekleideter Mann (ca. 20), der sein Gesicht hinter einer Maske versteckt haben soll, sprang auf den Politiker zu und warf einen tortenähnlichen Gegenstand, der mit heller Farbe gefüllt war, auf Trittin.
(“B.Z.”, 23. September)
(“Bild”, 23. September)
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist bei einer Podiumsdiskussion am Mittwochabend in Hannover mit einer Farbtorte beworfen worden.
(taz.de, 23. September)
Auch ob der tortenähnliche Gegenstand mit heller Farbe oder Joghurt gefüllt war, sei derzeit noch unklar, sagte ein Polizeisprecher am Donnerstag auf dapd-Anfrage.
(dapd, 23. September, 9.20 Uhr)
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin ist bei einem Theaterprojekt zur Anti-Atom-Bewegung gestern Abend in Hannover mit einer Torte beworfen worden. Die Polizei geht davon aus, dass sie mit Joghurt gefüllt war.
(dpa, 23. September, 11.00 Uhr)
Doch kurz nach Diskussionsbeginn sprang gegen 19.20 Uhr plötzlich ein Maskierter auf die Bühne, warf eine mit heller Farbe gefüllte Torte auf den Grünen-Politiker und rannte davon.
(dapd, 23. September, 11.40 Uhr)
Von hinten kommt ein weiß gekleideter Mann angeschossen, wirft dem Grünen-Politiker einen Gegenstand, der aussieht wie eine Torte, ins Gesicht. Der weiße Brei tropft Trittin über Gesicht und Schulter, es soll sich um Farbe oder Joghurt handeln, die Polizei ermittelt.
Ein Sprecher der Hannoveraner Polizei erklärte uns um 15.50 Uhr, sie gehe derzeit davon aus, dass es sich um eine “Torte aus Joghurt” bzw. eine “Torte, wo Joghurt drin war” (“vergleichbar einer Käsetorte, nur eben mit Joghurt statt Frischkäse”) gehandelt habe. Die Überreste des Objekts seien beim Eintreffen der Beamten bereits entfernt worden, es gebe aber keine Hinweise, die für Farbe sprächen.
Mit Dank an Christian B., Christian G., Tobias S. und ich.
Wein und Journalismus eint, dass es sie in unterschiedlichen Qualitätsstufen gibt und man von schlechtem bisweilen Kopfschmerzen bekommt. Im Unterschied zum Journalismus ist die Qualität von Weinen allerdings gesetzlich geregelt.
Nun schmälert den Mut des Elbtal-Winzers vielleicht ein wenig, dass er das nicht über den eigenen Wein enthüllt, sondern über die Produkte eines Konkurrenten. Und die Enthüllung ist auch nicht mehr ganz so spektakulär, wenn man weiß, dass auch dieser Konkurrent gar nicht gepanscht haben soll: Der sächsische Winzer hatte nämlich nicht etwa Zusatzstoffe wie Glykol in seinen Wein gemischt, sondern schlicht “Wein aus der Pfalz geholt” und in Flaschen gefüllt, auf deren Etikett groß “Pfalz” steht. Eine Praxis, die “Bild” selbst als “legal, aber jetzt in der Kritik” beschreibt.
Auch die Winzergenossenschaft Meißen wird angegriffen:
Die Winzergenossenschaft Meißen, die mit dem “ehrlichen Genuss” sächsischer Weine wirbt, versteckt die Herkunft ihres “Hausweines” namens “Winzerschoppen” (Flasche 7,55 Euro) neuerdings schamhaft auf der Rückseite: “20 Jahre nach der Wiedervereinigung machen wir möglich, was vorher nicht ging: Die Vermählung von Weinen aus Ost und West.” Im Klartext: Hier kauft man einen Mix, von dem man nicht weiß, wie viel Sachsen drin steckt!
Damit hat sie es sogar zum “Verlierer” auf Seite 1 der Bundesausgabe geschafft:
Doch die Reinheit des Sächsischen Weins ist nicht in Gefahr, der Skandal, den “Bild” daraus zu konstruieren versucht, ist keiner: Die Winzergenossenschaft Meißen nennt den “Ost-West-Mischmasch” auf ihren Etiketten nicht etwa “Sächsischen Wein”, sondern bezeichnet ihn als “Deutschen Wein”. Diese Bezeichnung sieht das deutsche Weinrecht vor für einen Verschnitt aus Trauben, die in Deutschland angebaut wurden. So erklärt es der Deutsche Raiffeisenverband in einer Pressemitteilung.
Ein “Qualitätswein aus Sachsen” enthalte auch weiterhin “zu 100 Prozent Trauben aus dem geografisch streng abgegrenzten Gebiet Sachsen”. Aber wo wäre da die Geschichte?
Der Vorspann vor einem Zeitungsartikel ist eigentlich dazu da, einen kurzen Überblick über den Inhalt zu geben und dadurch zum Weiterlesen zu animieren. Bei einem aktuellen Artikel von stern.de ist das Weiterlesen allerdings Pflicht, denn im Vorspann wird folgendes behauptet:
Rente mit 67? Von wegen. Jeder fünfte Berufstätige muss aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand, das Durchschnittsalter aller Ruheständler liegt laut Statistischem Bundesamt bei etwa 55 Jahren. Besonders früh müssen Arbeiter aus dem Erwerbsleben ausscheiden.
Würde “das Durchschnittsalter aller Ruheständler” nämlich tatsächlich “bei etwa 55 Jahren” liegen, dann hätten wir in Deutschland die jüngsten Rentner der Welt – immerhin beträgt das Durchschnittsalter der Gesamtbevölkerung bereits 42,1 Jahre. Nur wer weiterliest, erfährt, dass in Wirklichkeit bloß das Durchschnittsalter derjenigen bei 55,1 Jahren lag, die 2008 ihre Erwerbstätigkeit aus gesundheitlichen Gründen aufgeben mussten. Das kann man nicht nur beim Statistischen Bundesamt nachlesen, sondern auch im Artikel von stern.de:
2008 ist mehr als jeder fünfte Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Dabei lag das durchschnittliche Alter beim Ausscheiden aus dem Berufsleben bei gut 55 Jahren – rund 8,5 Jahre niedriger als bei denen, die regulär in den Ruhestand gegangen sind.
Entweder wurde der Vorspann – wie in vielen Redaktionen üblich – von einer anderen Person ohne das nötige Hintergrundwissen nachträglich vor den fertigen Artikel gesetzt oder der Autor hat seinen eigenen Artikel nicht verstanden. Beides spräche nicht gerade für stern.de.
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3. “Der Presserat im Web 2.0” (telemedicus.info, Adrian Schneider)
Adrian Schneider kommentiert die Meldung des Presserats, sich künftig auch für “moderierte Foren” zuständig zu sehen. “Wenn Redaktionen Forenbeiträge vorab kontrollieren, sei diese Prüfung als journalistisch-redaktionelle Leistung zu verstehen, sodass der Presserat auch für solche Nutzerkommentare zuständig sei.”
4. “Lustige Panne bei der ‘Sportschau'” (sueddeutsche.de, Christopher Keil)
In der ARD-Sportschau wurden am Dienstagabend “vier Spielpaarungen und Spielstände, die es nie gegeben hatte”, verlesen. “Der für die Ergebnistafel zuständige Grafiker habe einen ‘Blackout’ gehabt, sagte der für die Sportschau zuständige Sportchef Steffen Simon vom WDR an diesem Mittwoch. Der technische Mitarbeiter habe offenbar eine andere, eine falsche Maske für die Resultate eingestellt.” Nachtrag, 17 Uhr: Die ersten vier Spielpaarungen hat es durchaus gegeben, nämlich am 1. Spieltag. Die Resultate dazu stammen vom 5. Spieltag.
5. “Vorsicht, Vorurteile!” (noz.de, Burkhard Ewert)
“Warum Medien die Herkunft von Straftätern selten nennen”
6. “Jon Stewart in No Spin Zone” (foxnews.com, Video, 6:22 Minuten, englisch) Jon Stewart zu Besuch bei Bill O’Reilly. In Teil 2 des Gesprächs schätzt Stewart ein, warum O’Reilly nicht mehr so wichtig ist: “You’ve been overtaken by a more extreme version of you. You’re like Fox 1.0, you’re the beta version. Fox 2.0 has jumped over you.”
Das Landgericht [Berlin] untersagte der Printausgabe von BILD mit Hinweis auf die Privatsphäre des Ministers, über den Fall zu berichten.
So steht es – surprise, surprise! – auf Bild.de und das ist natürlich ganz praktisch für so einen Verlag: Wenn der Printausgabe verboten wird, über das Privatleben eines Politikers zu berichten, kann die Onlineausgabe einfach weitermachen.
Allerdings hatte Bild.de bei der angeblichen Enthüllung am Montag noch von “Dokumenten, die BILD.de vorliegen” gesprochen und so ist es kein Wunder, dass der Ursprungsartikel nach einer weiteren Einstweiligen Verfügung auch aus dem Online-Auftritt verschwunden ist. Ein neuerer Artikel ist aber noch online.
Doch worum ging es eigentlich? Am Montag berichteten “Bild” und Bild.de von Vorwürfen gegen den Brandenburgischen Innenminister Rainer Speer, der in den 1990er Jahren an einem Sozialbetrug beteiligt gewesen sein soll. Die beiden Medien brachten dazu einige angebliche Details aus dem angeblichen Privatleben des Politikers und beriefen sich dabei auf angebliche E-Mails, die ihnen “vorliegen”. “Bild” verstieß damit gegen eine Einstweilige Verfügung, die Speers Anwalt Johnny Eisenberg nach eigenen Angaben vorsorglich erwirkt hatte, und die der Axel Springer AG untersagte, die Geschichte zu verbreiten. Da die BILD digital GmbH & CO. KG als Herausgeberin von Bild.de von dieser ersten Verfügung nicht betroffen war, erwirkte Eisenberg gestern eine weitere, so dass auch Bild.de jetzt nicht mehr über den Fall berichten darf.
Ob diese E-Mails überhaupt echt sind, ist nicht ganz klar, aber auch zur Herkunft konnte der Anwalt der Axel Springer AG bei der gestrigen Verhandlung vor dem Berliner Landgericht nichts sagen — er selbst bezeichnete die Quellen als “trübe”. Andererseits war Rainer Speers Laptop vor rund einem Jahr gestohlen worden, wie die “Märkische Allgemeine” berichtet:
Ermittlungen der Polizei, die den Laptop sogar orten wollten, führten ins Leere. Zuletzt soll das Gerät bei Motorradrockern gelandet sein, als für das Datenmaterial nach Abnehmern bei der Presse gesucht wurde.
Offenbar wurde man bei der Bild-Zeitung fündig, weshalb es gestern vor der Pressekammer des Landgerichts Berlin zu einer Verhandlung kam.
Die Sonne ist heute in Berlin um zwei Minuten später aufgegangen als gestern. Erstaunlicherweise war das aber nicht einmal “Spiegel Online” einen unheilschwangeren Artikel wert. Das könnte daran liegen, dass die Entwicklung abzusehen war. Das allein erklärt die fehlenden Schlagzeilen aber nicht.
Heute morgen ist der Aktienkurs der Deutschen Bank eingebrochen, und das Bemerkenswerte daran ist, dass man das gestern schon wissen konnte. Die Aktie wird nämlich seit heute ohne das Bezugsrecht auf die neuen Aktien gehandelt, die das Unternehmen ausgeben wird, und der Kurs liegt um den Wert dieses Bezugsrechtes niedriger. Deshalb war klar, dass unabhängig von irgendwelchen anderen Einflüssen allein aus technischen Gründen die Aktie um diesen Betrag niedriger in den Handel gehen würde, das macht über acht Prozent aus.
Aktien-Experten wussten das. Und zum Beispiel die “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” hat es ihren Lesern freundlicherweise vorab schon erklärt; “Der Aktionär” riet online vor der Börsenöffnung: “Aktionäre der Deutschen Bank sollten beim Anblick des heutigen Kurses nicht in Panik verfallen.”
Nun sind aber, anders als man vielleicht glauben könnte, Journalisten, die über Aktien berichten, nicht unbedingt Aktien-Experten. Und wer ahnungslos auf die reinen Zahlen schaut, gerät schnell und ganz unnötig ins Hyperventilieren.
Wie die Nachrichtenagentur AFP. Die meldete heute morgen um 9.22 Uhr:
Deutsche-Bank-Aktien stürzen nach Gewinnwarnung acht Prozent ab
Frankfurt/Main, 22. September (AFP) – Die Aktien der Deutschen Bank sind am Mittwoch nach einer Verlustwarnung des Konzerns vom Vortag massiv abgestürzt. Die Papiere des Konzerns verloren an der Deutschen Börse in Frankfurt am Main kurz nach Handelsstart über acht Prozent. Deutschlands größte private Bank hatte am Dienstag mitgeteilt, dass sie für das dritte Quartal von Juli bis September mit einem Verlust rechnet. (…)
Noch einmal: Der “Absturz” war schon am Tag vorauszusehen und er hatte nichts mit der Gewinnwarnung zu tun.
Doch obwohl Reuters bereits eine halbe Stunde zuvor den Abschlag von 8,8 Prozent berichtet und richtig eingeordnet hatte, wurde die sensationsheischende Falschmeldung von AFP mit der branchenüblichen Besinnungslosigkeit von den Online-Medien übernommen. “Spiegel Online” meldete aufgeregt:
Aktie tief im Minus: Anleger strafen Deutsche Bank ab
An der Frankfurter Börse spekulieren die Investoren massiv gegen die Deutsche Bank: Nachdem das Institut vor einem Verlust warnen musste, fiel die Aktie am Mittwochmorgen um bis zu acht Prozent in die Tiefe. Bereits am Vortag war der Kurs abgestürzt.
Frankfurt am Main – Aktien der Deutschen Bank sind am Mittwoch nach einer Verlustwarnung vom Vortag massiv abgestürzt. Der Konzern rechnet für das dritte Quartal mit einem negativen Ergebnis. Diese Nachricht gab das größte deutsche Geldhaus bereits am Dienstag bekannt – woraufhin der Aktienkurs um rund fünf Prozent fiel. Doch auch am Mittwochmorgen ist noch keine Erholung in Sicht. Im Gegenteil: Die Papiere notierten am Vormittag zeitweise mit rund acht Prozent noch kräftiger im Minus.
“Welt Online” titelte: “Nach Verlustwarnung: Deutsche-Bank-Aktien stürzen in den Keller”, die Internetableger von “Stern” und “Rheinischer Post” schrieben: “Nach Gewinnwarnung: Deutsche-Bank-Aktien stürzen acht Prozent ab”.
Es dauerte bis 15:51, bis AFP in einer Meldung den Sachverhalt richtig darstellte, allerdings ohne die Falschmeldung vom Morgen explizit zu korrigieren. Aber auch “Welt Online” und “RP-Online” verzichteten darauf, den Fehler ihren Lesern zu erklären, und verbesserten nur klammheimlich ihre Artikel. “Spiegel Online” hat seiner neuen Fassung, die plötzlich harmlos “Bezugsrechtehandel drückt Aktienkurs” heißt, immerhin einen Hinweis auf den früheren Fehler hinzugefügt.
Beim Rumpfonlineangebot des “Stern” steht natürlich weiterhin die alte Falschmeldung. Rechnet man den rein technischen Kursrückgang heraus, hat die Deutsche-Bank-Aktie heute übrigens sogar an Wert gewonnen.
Creative Commons-Lizenzen sind eigentlich toll für Redaktionen: Tausende Fotografen stellen ihre Werke im Internet kostenlos zur Verfügung und wollen nicht viel mehr als ein bisschen Anerkennung. Ein besonderer Schatz ist das Bilderarchiv der Online-Enzyklopädie Wikipedia, die “Wikimedia Commons“. Hier findet man über sieben Millionen Dateien, die jedermann kostenlos nutzen darf — sogar für kommerzielle Zwecke. Allerdings muss man einige Bedingungen erfüllen:
Dies sind im wesentlichen:
der Autor muss genannt werden,
die Lizenz muss genannt werden, so dass jeder Leser sehen kann: dieses Bild darf er selbst kostenlos weiter nutzen.
Die Umsetzung im Pressealltag sieht jedoch etwas anders aus. So bebildert die “Stuttgarter Zeitung” einen Artikel über den ehemaligen hessischen Regierungssprecher Dirk Metz so:
Der Fehler wird so häufig gemacht, man kann ihn einen Klassiker nennen: Wikimedia Commons ist keinesfalls der Autor, lediglich die Fundstelle des Bildes. Der Fotograf heißt – wie man unschwer der Bildbeschreibungsseite entnehmen kann – Armin Kübelbeck und er hat sein Bild unter die Lizenz “Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported” – oder kurz: cc-by-sa – gestellt. Damit auch jeder nachvollziehen kann, was darunter zu verstehen ist, sollte möglichst ein Link auf die Lizenz gesetzt werden. Ein korrekter Lizenzhinweis sähe deshalb zum Beispiel so aus:
Der Autor wird genannt, auch ein rudimentärer Hinweis auf die Fundstelle fehlt nicht — allein: Wo ist die Lizenz? Woher soll der Leser wissen, dass er das Bild kostenlos weiter verwenden darf? Korrekt könnte die Bildunterschrift daher lauten:
Die Gletscher rund um den Globus schmelzen. (Bild: Ben W. Bell/wikimedia unter cc-by-sa).
Etwas mehr Aufmerksamkeit erfordert die im Artikel verlinkte Fotogalerie: Die Redakteure der “Kölnischen Rundschau” bedienten sich hierfür auch bei Fotografen, die ihre Bilder in der Bilderbörse Flickr eingestellt und nicht zur kommerziellen Verwendung freigegeben hatten. Doch hier scheint das Motto zu gelten: Wo kein Kläger, da kein Richter.
Schon fast korrekt schaffte es die Online-Redaktion der “Frankfurter Rundschau” ein Bild zur Illustration eines Artikels über den ermordeten ukrainischen Journalisten Georgi Gongadse zu verwenden:
Name, Fundstelle, CC-Lizenz – aber welche? Es gibt mehrere Abarten der CC-Lizenz, die mehr oder minder strenge Vorschriften für die Weiterverwendung machen. Nur vier Buchstaben und ein Link fehlen, damit die “Frankfurter Rundschau” vielen Kollegen eine Nase drehen kann. Die korrekte Bildunterschrift lautete dann:
Gedenktafel in Kiew für “Journalisten, die ihr Leben für die Wahrheit ließen”.
Foto: Elke Wetzig/wikipedia/cc-by-sa
Nachtrag, 22. September, 19 Uhr: Die Stuttgarter Zeitung hat inzwischen nachgebessert. Der Lizenzhinweis lautet jetzt — fast wie von uns vorgeschlagen — so:
Foto: Armin Kübelbeck unter cc-by-sa
Alleine der Link auf die Lizenz fehlt immer noch. Dies mag freilich am Redaktionssystem liegen: nicht jedes System lässt in Bildunterschriften Links zu.