Der “Blick” (die “Bild”-ähnliche Journalismusattrappe aus der Schweiz) hat in seiner Ausgabe vom vergangenen Sonntag mehrere Seiten zum Thema Doping gebracht. Darunter auch eine Liste mit den derzeit gesperrten Schweizer Sportlern, auf der auch ein gewisser Lukas Stettler vom FC EDO Simme steht (zwei Jahre Sperre wegen des Besitzes von Anabolika).
Schon kurz nach der Veröffentlichung meldete sich jener FC EDO Simme und erklärte, die Behauptung sei Quatsch:
Weder dem FC EDO Simme 1977 noch dem Spieler selbst, liegen solche Informationen vor. (…) Es handelt sich hierbei um eine Zeitungsente.
Wenig später erfuhr der Verein dann auch, wie es dazu gekommen war: Der Verfasser des “Blick”-Artikels gab an, er sei zunächst von der offiziellen Liste der gesperrten Sportler auf antidoping.ch ausgegangen.
Diese Liste gibt es tatsächlich. Allerdings gibt sie keinen Aufschluss über die Vereinszugehörigkeit:
Also was tat der „Blick“-Journalist? Er recherchierte. Heißt: Er googelte den Namen. In den Suchtreffern stieß er auf den FC EDO Simme. Zack, Recherche beendet.
Hätte er noch zehn Sekunden weitergesurft, wäre er allerdings darauf gestoßen, dass jener Lukas Stettler vom FC EDO Simme in der B-Jugend spielt und erst 15 Jahre alt ist, und vielleicht hätte er dann geahnt, dass er sich hier um den falschen Spieler handelt.
In Wahrheit trifft die Sperre nämlich den 22-jährigen Lucas Stettler von einem ganz anderen Verein.
Der Vorsitzende des FC EDO Simme erklärte uns, es sei „unannehmbar“, dass sein Verein mit Doping in Verbindung gebracht werde.
Dass aber ein 15-Jähriger, der aktuell auf Lehrstellensuche ist, dermaßen verunglimpft werden kann, ist eine Frechheit sondergleichen.
Immerhin hat der “Blick” heute eine Korrektur abgedruckt.
Die IVW hat ihr Auflagen-Archiv geöffnet: Seit Kurzem kann man sich dort auch die Quartalsauflagen aus den Jahren 1950 bis 1997 ansehen (davor waren in der Regel nur die Auflagen seit 1998 abrufbar).
Zeichnet man die Auflagenentwicklung von “Bild” und “Bild am Sonntag” seit ihrer Gründung bis heute nach, sieht das Ganze so aus:
Seit dem Höhepunkt in den Achtzigern hat die „Bild“-Zeitung knapp 70 Prozent ihrer verkauften Auflage verloren. Allein in den vergangenen 15 Jahren (Ära Diekmann) ist sie von über vier Millionen auf aktuell unter 1,9 Millionen gesunken. So niedrig war sie das letzte Mal im Jahr 1954. Ähnlich die Entwicklung der „Bild am Sonntag“, die heute so wenige Ausgaben verkauft wie seit 57 Jahren nicht mehr.
Anders sieht’s dagegen im Digitalen aus: „Bildplus“ wächst im Schnitt um etwa 5.000 Nutzer pro Monat.
Damit haben die „Bild“-Medien seit der Einführung der Paywall im Sommer 2013 mehr als 300.000 zahlende Leser gewonnen. Und in der gleichen Zeit mehr als doppelt so viele verloren.
Nächste Woche kommt Facebook-Chef Mark Zuckerberg nach Deutschland und veranstaltet am Donnerstag eine Frage-und-Antwort-Stunde in Berlin (wird auch per Livestream übertragen). Die Fragen kann man jetzt schon einreichen.
Haben wir gemacht:
Hey Mark! In manchen Medien ist es gängige Praxis, nach Verbrechen oder Unfällen Facebook-Fotos (auch nicht-öffentliche) der Opfer oder Verdächtigen zu zeigen. In vielen Fällen fragen die Reporter nicht um Erlaubnis. Manchmal nehmen sie sogar falsche Fotos, sodass völlig unbeteiligte Personen für tot/zu Mördern erklärt werden. Finden Sie das okay?
Wenn Sie seine Antwort auch interessiert: Hier in den Kommentaren können Sie unsere Frage liken (was wohl die Chance erhöht, dass sie auch drankommt).
Einen Tag vor der Fragestunde ist Zuckerberg übrigens zu Gast beim Axel-Springer-Verlag. Dort bekommt er den “Axel Springer Award”, der jüngst ins Leben gerufen wurde — für „herausragende Unternehmerpersönlichkeiten aus dem In- und Ausland, die in besonderer Weise innovativ sind, Märkte schaffen und verändern, die Kultur prägen und sich gleichzeitig ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen.“
Nachdem etwa gestern von Polizei und Staatsanwaltschaft bekanntgegeben worden war, dass wahrscheinlich ein falsches Lichtsignal für das Zugunglück von Bad Aibling verantwortlich war, brauchte „Bild“ natürlich ein Foto davon, um so was schreiben zu können wie “Mit diesem Signal löste der Fahrdienstleiter das Unglück aus”.
Vermutlich brauchten die zuständigen Rechercheure nicht lang, um auf diese Seite zu stoßen:
Dort sind (“Von Lokführern, für Lokführer & Interessierte”) verschiedene Lichtsignale abgebildet, wie hier mit dem Signalbild „Zs1“, das wohl auch in Bad Aibling eine Rolle gespielt hat.
Und tatsächlich: Ein Mitarbeiter von „Bild“ meldete sich beim Betreiber der Seite und erklärte, dass sie das Foto gerne verwenden würden.
Und so …
Sogar überall mit korrekter Quellenangabe:
Alles ganz vorbildlich.
Bis auf einen kleinen Haken: Der Fotograf hat der Veröffentlichung gar nicht zugestimmt. Er hat nie auf die “Bild”-Anfrage reagiert. Bei Facebook schreibt er:
Der Betreiber erklärte uns, er empfinde das (gerade durch die Namensnennung im Online-Artikel) als „sehr schädigend für meine Internetseite“, vor allem weil „in dem besagten Artikel so viele fachliche Fehler und wilde Spekulationen erschienen sind“. Er habe jetzt einen Anwalt kontaktiert.
(Unkenntlichmachung von uns. Für den Verdächtigen unten rechts hat „Bild“ einen kleinen Augenbalken springen lassen, für die Frau auf dem großen Foto nichts. Quelle: “Privat”.)
Man darf wohl davon ausgehen, dass die Leute von “Bild” auch in diesem Fall keine Erlaubnis der Abgebildeten vorliegen hatten, denn der abgebildete Mann sitzt in U-Haft — und die abgebildete Frau hat überhaupt nichts mit der Sache zu tun. Da haben sie mal wieder das falsche Foto geklaut.
Inzwischen wurde die Seite aus dem ePaper entfernt und in der Ausgabe von gestern eine Korrektur veröffentlicht versteckt, drei Seiten weiter hinten und sechsmal kleiner als das falsche Foto:
Und sie haben es sich nicht nehmen lassen, bei der Gelegenheit auch gleich noch mal den Verdächtigen zu zeigen. Und das (angeblich diesmal richtige) Opfer. Ohne jede Verpixelung.
Über zwei Jahre ist es jetzt her, dass sich Formel-1-Fahrer Michael Schumacher bei einem Skiunfall schwer am Kopf verletzt hat und ins Koma fiel. Inzwischen befindet er sich in einer langwierigen Reha-Phase.
Viele Medien nehmen (abgesehen von denanfänglichenAusrastern) inzwischen Rücksicht auf Schumacher und dessen Familie, berichten nur noch selten und beteiligen sich nicht an Spekulationen.
Einige lassen immer noch nicht locker und verletzen in routinierter Regelmäßigkeit die Persönlichkeitsrechte der Familie, setzen Gerüchte und Falschmeldungen in die Welt und versuchen auf perfide Weise, den Fall Schumacher zu Geld zu machen. In aller Regel bekommt man davon nichts mit, weil es in den düstersten Ecken des Zeitschriftenregals passiert: in “Freizeit Revue”, “Bunte”, “Gala”, “die aktuelle”, den Regenbogen- und “People”-Heften.
Sabine Kehm, Schumachers Managerin, die auch seine Familie in der Öffentlichkeit vertritt, hat sich seit dem Unfall einige Male öffentlich zu Wort gemeldet. Dabei hat sie grobe Angaben zu Schumachers Gesundheitszustand gemacht und immerwieder erklärt, dass der Genesungsprozess sehr lange dauern werde. Und dass sie medizinische Einzelheiten nicht diskutieren möchte, um Schumachers Privatsphäre zu schützen.
Von Anfang an hat sie versichert, dass sie „entscheidende Neuigkeiten im Gesundheitszustand Michaels weiterhin bekanntgeben“ werde. Man müsse „einfach Geduld haben“.
Doch Geduld füllt keine Titelseiten. Die Redaktionen der Knallpresse wollen Details. Sie wollen ganz genau wissen, was im Krankenzimmer vor sich geht. In allen Einzelheiten. Sie nennen das “Wahrheit”, weil “Wahrheit” so klingt, als würde da irgendwas Wichtiges verheimlicht, und als hätte die Öffentlichkeit verdammt noch mal ein Recht darauf, endlich Genaueres zu erfahren.
So sieht die aktuelle “Gala” aus, über die ihr Verlag Gruner & Jahr schreibt, sie schaffe “eine intime, aber immer respektvolle Nähe zu den Stars”.
Im Artikel (“Das Ende der Stille”) schreibt das Blatt:
Zum Gesundheitszustand von Schumacher äußerten sich seine Familie und seine Managerin Sabine Kehm generell nur spärlich und vage. Der 47-Jährige mache “der Schwere seiner Verletzungen entsprechend Fortschritte”, die Reha-Phase werde sehr lange dauern, es sei “ein Kampf”. In diesem Duktus bleiben die Statements. Kein Wunder, dass es immer wieder wilde Spekulationen um Schumacher gibt, die für Schlagzeilen sorgen.
Schlagzeilen? Was denn für Schl…
(Ausgabe 11/2015. Hintergrund: Familie Schumacher soll ihr Ferienhaus verkauft haben.)
Nach der Logik der “Gala” sind die Schumachers also selbst schuld an solchen Schlagzeilen. Nur ein “ehrliches Wort”, schreibt sie, würde “alle Spekulationen im Keim ersticken”. Anders gesagt: Das Blatt wird erst mit dem Gerüchteverbreiten aufhören, wenn die Familie genug Details ausgepackt hat.
Corinna Schumacher, 46, täte sich damit einen großen Gefallen.
Sich. Natürlich.
Auch die “Bunte” will die Stille um Michael Schumacher einfach nicht ertragen und füllt sie lieber mit ein paar exklusiven Geschichten:
Viele davon musste sie, wie diese, in der digitalen Version nachträglich schwärzen, weil sie falsch waren oder sich die Familie juristisch dagegen gewehrt hat. Hier waren es Gerüchte über Schumachers Gesundheitszustand, die das Blatt “aus dem engsten Schweizer Umfeld der Familie” erfahren haben wollte. Managerin Kehm erklärte später: Alles Quatsch.
Wenn der Burda-Verlag seine “Bunte” beschreibt, nennt er sie übrigens ohne einen erkennbaren Anflug von Ironie eine “journalistische Institution”, die für “einzigartigen People-Journalismus” stehe und “der Garant für hochprofessionelle aktuelle Berichterstattung” sei. Viele Menschen kaufen ihm das ab. Und (auch deswegen) seine Hefte.
Das gilt auch für Blätter wie “die aktuelle”.
Für alle, die sie nicht kennen, hier die Kurz-Charakterisierung vom Verlag (Funke):
Spannende und seriöse Reportagen über Showstars, VIPs und Königshäuser, ohne Sensationslust, sondern mit viel Gefühl, bestimmen das redaktionelle Angebot und prägen den „People-Magazin“ – Charakter.
Hach ja:
Das ist die aktuelle Ausgabe. Der “Insider”, von dem das Zitat auf der Titelseite stammt, ist ein französischer Rennfahrer, der angeblich mit Schumacher befreundet ist.
Gefunden hat “die aktuelle” das Zitat in diesem französischen Magazin:
Familie Schumacher hat, wie uns ihr Anwalt bestätigte, bereits eine Verfügung gegen das “aktuelle”-Titelblatt erwirkt. Die ePaper-Ausgabe ist (wie die meisten Schumacher-Ausgaben, die bisher erschienen sind) nicht mehr erhältlich.
(Vor ungefähr einem Jahr gab es einen ähnlichen Fall: Irgendeine französische Postille hatte damals unter Berufung auf einen „Insider” Dinge über Schumachers Gesundheitszustand behauptet. Der Informant sei ein enger Freund der Familie, hieß es, und er habe die Informationen von Schumachers Frau und dessen Arzt. Die Gerüchte verbreiteten sich auch hierzulande. Schumachers Managerin teilte daraufhin mit, die Informationen seien falsch. Der Mann sei nie mit Schumacher befreundet gewesen, er habe außerdem weder Kontakt zu Schumachers Frau noch zu Schumachers Arzt gehabt.)
Oft findet “die aktuelle” ihre Geschichten auch im Internet. In einer der jüngsten Schumacher-Ausgaben schreibt sie:
Auf der Fan-Homepage von Michaels Sohn Mick, 16, fand man im Dezember 2014 rührende alte Familienbilder: Dreikäsehoch Mick mit seinem berühmten Papa. In diesem Jahr gibt es Bilder von Micks Karriere und Kollegen …
Und was schließen wir daraus? Genau:
Überall scheint der letzte Funken Hoffnung zu erlöschen. War alles Beten und Hoffen umsonst? Es macht unendlich traurig, dass immer mehr Menschen Schumi offenbar aufgegeben haben. Seine Familie wird das wohl auch schmerzlich spüren. Es wird immer schwerer, an Genesung zu glauben. Die Zeit der Entscheidung rückt näher, sich zu fragen, ob man selbst noch hoffen kann. Wenn die Kraft fehlt, noch an ein Wunder zu glauben, bleibt nur noch die Liebe und die Erinnerung.
Voilà:
So geht das seit zwei Jahren. Lieblingsthema, selbstverständlich: Schumis Gesundheitszustand.
Bei näherer Betrachtung wird schnell klar, mit welchen Tricks “die aktuelle” sonst noch arbeitet.
„Aufgewacht!“ bezieht sich nicht auf Michael Schumacher, sondern (wie die Mini-Unterzeile verrät) auf irgendwelche Menschen, die schon mal aus dem Koma erwacht sind. Die angebliche „Lungenentzündung“ basiert auf einer unbestätigten „Bild“-Geschichte, die „Bild“ später korrigierte. Die „Traurige Weihnachten“-Story ist eine Collage aus alten Zitaten und Gerüchten. Bei „Er sitzt in der Sonne!“ steht ganz klein neben dem Foto: „St. Moritz, 26.1.2013“ – es wurde also ein Jahr vor dem Unfall aufgenommen.
Zweitliebstes Thema: Schumis Familie.
Auch hier immer die gleichen Muster: Bei „Eine neue Liebe macht sie glücklich!“ geht es nicht um Corinna Schumacher, sondern um ihre Tochter, die angeblich einen neuen Freund hat. Der “neue ‘Papa’ für Schumis Sohn“ ist Formel-1-Pilot Sebastian Vettel, also “Papa” im Sinne von “Ziehvater”, weil er ihm ja bestimmt gute Formel-1-Tipps geben kann und so. Bei „’Sie standen vor der Trennung!’“ steht in der kleinen Unterzeile: „Wer setzt solche Gerüchte in die Welt? Es geht um die Zeit vor dem Unfall…“ Und: „Wie gemein!“
Das alles ist nur ein winziges Abbild des alltäglichen Irrsinns, nur ein Tropfen aus dieser gewaltigen Schlagzeilenflut.
Allein die Ausgaben, die in diesem Eintrag abgebildet sind (das französische Blatt und die erst kürzlich erschienenen Ausgaben ausgenommen), sind insgesamt über 12 Millionen mal verkauft worden. Rechnet man alle verkauften Frauen-Freizeit-Titel zusammen, kommt man in die Hunderte Millionen. Jedes Jahr.
Hunderte Millionen Zeitschriften voller hochprofessioneller Berichterstattung. Ohne Sensationslust. Sondern mit viel Gefühl.
In den vergangenen Tagen haben sich gleich mehrere Fußballvereine und ein Handballer gegen die Berichterstattung der „Bild“-Medien gewehrt. Ein kleiner Überblick.
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Schon vor anderthalb Wochen hatte der FC Bayern erklärt, die vor allem von der „Sport Bild“ verbreiteten „Alkohol-Gerüchte“ um Bayern-Spieler Arturo Vidal und die Behauptung, er verdiene acht Millionen Euro netto im Jahr, seien „frei erfunden“, „böswillig und falsch“ (BILDblog berichtete). Am vergangenen Donnerstag teilte der Verein schließlich mit:
Der FC Bayern München hat von den Zeitschriften „SPORT BILD“ und „Kicker“ die Unterlassung falscher Behauptungen verlangt. Beide hatten geschrieben, der „Netto-Jahresverdienst von Arturo Vidal“ liege bei rund „acht Millionen Euro“. „SPORT BILD“ wie „Kicker“ haben jeweils eine so genannte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben und damit eingeräumt, dass ihre Behauptung nicht der Wahrheit entspricht.
„SPORT BILD“ hatte weiter behauptet, Arturo Vidal solle „das Mannschaftsquartier während des Trainingslagers mehrmals verlassen und bei seiner Rückkehr alkoholisiert gewirkt haben.“ Der FC Bayern München wie Arturo Vidal haben auch hier Unterlassung der falschen Behauptung verlangt und von „SPORT BILD“ eine strafbewehrte Unterlassungserklärung bekommen. Damit hat „SPORT BILD“ auch hier eingeräumt, dass diese Behauptung nicht der Wahrheit entspricht.
Nach der ersten Stellungnahme des Vereins hatte die „Sport Bild“-Redaktion zuerst noch bekräftigt, sie bleibe bei ihrer Darstellung. Inzwischen sind die Artikel aber aus den Onlineauftritten von „Bild“ und „Sport Bild“ verschwunden.
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Gestern äußerte sich Hannover 96 zu einem “Bild”-Artikel. Das Blatt hatte am Samstag behauptet:
Der gesamte Bericht erweckt den Anschein, dass es sich ausschließlich um aktuelle Geschehnisse rund um den Nachwuchsbereich von Hannover 96 handelt. Das ist schlichtweg falsch. Dem Klub sind die Vorfälle im Bezug auf die meisten geschilderten Vorkommnisse bekannt. Allerdings resultieren diese überwiegend aus der Saison 2013/14, wurden bereits aufgearbeitet und teilweise sanktioniert. Einige damals handelnde Personen stehen bereits nicht mehr im Angestelltenverhältnis zu Hannover 96. Auch haben Spieler, die damals angeblich “gemobbt” wurden, aktuell die Möglichkeit nach einer Rückkehr zu Hannover 96 angefragt.
Dem Klub liegen keine Erkenntnisse über “Damenbesuch” sowie eine angeblich größere Anzahl an Spielern mit Spielsucht vor. Hannover 96 wird sich aber noch intensiver mit dieser Thematik beschäftigen.
Wir möchten betonen, dass alle handelnden Personen im Rahmen der Möglichkeiten zielgerichtet und qualifiziert ihren Verpflichtungen nachgehen. Auf dieser Basis wird zudem eine Weiterentwicklung stattfinden. Der Klub hat erkannt, dass er die infrastrukturellen Bedingungen ändern muss und investiert einen zweistelligen Millionenbetrag in ein hochfunktionelles Nachwuchsleistungszentrum, das mit fachkundigem Personal besetzt sein wird.
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Auch Ewald Lienen, Trainer des von der “Bild”-Zeitung soinniggeliebten FC St. Pauli, wehrt sich aktuell gegen eine “Bild”-Geschichte.
Hintergrund war ein Zitat von ihm von einer Pressekonferenz in der vergangenen Woche, auf der ein Sondertrikot für das Spiel gegen RB Leipzig vorgestellt wurde. Aufdruck: „Kein Fußball den Faschisten“. Anlass dafür war der Abschluss der Holocaust-Gedenktage.
Auf dieser Pressekonferenz wurde Lienen von „Bild“ gefragt, „ob Bedingungen wie in Leipzig, also Geld ohne Ende“, nicht auch für ihn „das Paradies“ seien. Darauf Lienen:
“Wenn die Alternative wäre, den Fußball den Faschisten und dem Kommerz zu überlassen, verzichte ich gerne auf diese Möglichkeit.”
Eine merkwürdige Antwort, doch St. Paulis Pressesprecher erklärte den „Bild“-Reportern im Anschluss:
„Das sollte kein Angriff auf Leipzig sein. Das war von Ewald Lienen unglücklich formuliert.“
Auch der Sprecher des RB Leipzig sagte „Bild“:
„St. Pauli hat sich umgehend gemeldet und versichert, dass Ewald Lienen mit seiner Aussage insgesamt die Zusammenhänge so nicht herstellen wollte sowie die explizite Wortwahl nicht uns galt. Und damit ist zwischen den Vereinen alles geregelt.“
Und auch Lienen selbst erklärte den “Bild”-Leuten laut eigenen Angaben, dass er die Aussage nicht so gemeint habe, wie sie sie verstanden hatten.
Doch das alles hielt sie nicht davon ab, am nächsten Tag zu schreiben:
So sah sich auch Ewald Lienen gezwungen, die Sache öffentlich klarzustellen:
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Um welche Sportart es in ihren Märchen geht, ist den “Bild”-Mitarbeitern übrigens Latte. Am Freitag titelten sie online:
Im Artikel heißt es:
Wiede: „Ich hatte ihn Donnerstag vor dem 10-Uhr-Training auf dem Parkplatz vor dem Welli im Sportforum Hohenschönhausen abgestellt. Als ich um 11.30 Uhr raus kam, war die Scheibe an der Fahrerseite eingeschlagen. Sehr ärgerlich, wenn man auf dem Handy und dem Computer sein halbes Leben gespeichert hat.
Wiede rief die Polizei, aber die kam nicht.
Wo hier das Zitat von Wiede endet, ist unklar, weil die schließenden Anführungszeichen fehlen. Ob also der Satz …
Sehr ärgerlich, wenn man auf dem Handy und dem Computer sein halbes Leben gespeichert hat.
… von Wiede stammt oder von der „Bild“-Redaktion, ist nicht zu erkennen. Falsch sei er aber so oder so, erklärt Wiede in einem Interview mit „Sport 1“:
“Das Iphone war eh kaputt und der Laptop war noch gut, aber es waren jetzt auch keine wertvollen Sachen darauf. Die ‘Bild’ hat da irgendwas geschrieben, dass irgendwelche Super-Dateien darauf waren, aber das ist alles Quatsch. Die haben sich irgendetwas ausgedacht.”
***
Da dürfen sich die Reporter von „Bild“ nicht wundern, wenn in Zukunft auch andere Sportler und Funktionäre soreagieren wie Gertjan Verbeek, der Trainer des VfL Bochum — kleiner Ausschnitt aus der Pressekonferenz nach dem letzten Spiel:
Wie VfL Bochum 1848-Trainer Gertjan Verbeek auf Fragen des "Bild"-Reporters reagiert. (Danke an Philip! Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=k28kZLk4q8k)
Posted by BILDblog on Donnerstag, 11. Februar 2016
Mit Dank an Philip W., Alexander B., Chris H. und Julius A.
Sie sind ein deutsches Medium und fragen sich, wie Sie nach einem schweren Unglück trotz der Undurchsichtigkeit und Hektik in kurzer Zeit möglichst viele relevante Informationen liefern Klicks abstauben?
Da können wir helfen.
Wir haben uns die Berichterstattung nach dem Zugunglück in Bad Aibling genauer angeschaut und daraus ein paar hilfreiche Regeln abgeleitet. Wenn also das nächste Mal eine Katastrophe eintritt:
1. Atmen Sie auf keinen Fall tief durch. Beeilen Sie sich. Hauen Sie sofort alles raus, was Sie in die Finger kriegen. Alles. Sofort!
(maz-online.de, Dienstag)
(maz-online.de, Mittwoch)
***
2. Schildern Sie immer wieder ganz ausführlich und in riesiger Aufmachung die grausamen Details.
Wenn der Polizeisprecher sagt:
(n24.de)
… dann besorgen Sie sie woanders.
(“Focus Online”)
(n24.de)
(ovb-online.de)
(tz.de)
***
3. Sie sind ein Fachmedium, das thematisch eigentlich nichts mit der Sache zu tun hat? Egal.
(“Sport 1”)
(“Focus Money”)
***
4. Fangen Sie möglichst früh an, über die Ursachen und Hintergründe zu spekulieren. Raten Sie einfach drauflos.
(Bild.de)
(stuttgarter-zeitung.de)
(Bild.de)
***
5. Benutzen Sie die Spekulationen über die Ursache als Clickbait.
***
6. Benutzen Sie alles als Clickbait.
(“Focus Online”)
(“Huffington Post”)
(“Huffington Post”)
***
7. Ein Augenzeugenvideo vom Unglück taucht auf? Clickbait!
(Bild.de)
(abendzeitung-muenchen.de)
(express.de)
***
8. Ausschnitte! Zeigen Sie Ausschnitte!
(mopo24.de, Unkenntlichmachung von uns)
(“Tagesschau”, Unkenntlichmachung von uns)
(RTL, Unkenntlichmachung von uns)
(“Bild”, Unkenntlichmachung von uns)
Pro-Tipp: Laden Sie das Video auf ihre eigene Seite hoch und schalten Sie Werbung davor. So verdienen Sie jedes Mal mit, wenn sich jemand das Schock-Video angucken will.
(welt.de)
Um die Nörgler wegen des Videos zu besänftigen, schwurbeln Sie sich eine Rechtfertigung zusammen oder denken Sie sich irgendeinen Vorwand aus, warum Sie die Bilder zeigen.
(merkur.de, Unkenntlichmachung von uns)
(Unkenntlichmachung von uns)
***
9. Empören Sie sich über Medien, die die Bilder gezeigt haben. Ignorieren Sie die Tatsache, dass Sie sie selbst gezeigt haben.
***
10. Lassen Sie Beinahe-Opfer zu Wort kommen, die zwar überhaupt nicht dabei waren, aber fast.
(tz.de, Unkenntlichmachung von uns)
***
11. Fotografieren Sie Trauernde.
(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)
***
12. Wühlen Sie im Privatleben der Opfer und veröffentlichen Sie alles, was Sie finden können.
(tz.de)
(merkur.de, Unkenntlichmachung von uns)
(“Focus Online”)
(“Bild”, Unkenntlichmachung von uns)
(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)
(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)
(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)
(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)
(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)
(“Bild am Sonntag”, Unkenntlichmachung von uns)
***
13. Bedrängen Sie die Angehörigen, Freunde, Nachbarn und Kollegen der Opfer. Nehmen Sie keine Rücksicht.
(“Bild am Sonntag”, Unkenntlichmachung von uns)
(Bild.de, Unkenntlichmachung von uns)
***
Alles beherzigt? Glückwunsch! Damit dürften Sie Ihre Reichweite erheblich vergrößert haben. Und das Leid vieler Menschen. Aber so ist das eben.
Gestern Abend berichtete das „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (die Zentralredaktion der Madsack Mediengruppe) „exklusiv“ unter Berufung auf einen Ermittler beim Zugunglück in Bad Aibling:
Die Fehlentscheidung eines Fahrdienstleiters im Stellwerk von Bad Aibling ist offenbar der Grund für das Zugunglück mit mindestens zehn Toten. Dies berichten die Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland, dem mehr als 30 Tageszeitungen angehören, unter Berufung auf Ermittlerkreise.
Und ruck, zuck stand es überall:
15 Minuten später twitterte „Spiegel Online“:
Demnach wies die Polizei die Berichte …
als Spekulation zurück. Die Behörden stünden am Anfang ihrer Ermittlungen. Man müsse jetzt die Auswertung der Blackboxes abwarten, sagte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd SPIEGEL ONLINE.
Keine Stunde später:
In der Zwischenzeit hatte auch die dpa gemeldet, sie habe „aus zuverlässiger Quelle“ erfahren, dass “menschliches Versagen” die Ursache sei. Das reichte dann auch “Spiegel Online”, um auf der Titelseite zu verkünden:
Die Polizei wehrt sich unterdessen nach Kräften gegen die Gerüchte. Gestern schrieb sie in einer Pressemitteilungen:
Zur genauen Ursache können derzeit noch keine Aussagen getroffen werden, die Ermittlungen stehen hier noch am Anfang.
Nach der Bergung der Toten und Verletzten und des Streuguts am gestrigen Tag, stehen für Staatsanwaltschaft und Polizei jetzt die Sicherung von Beweismitteln und die rechtsmedizinischen Untersuchungen im Vordergrund. Darüber hinaus müssen natürlich alle Zeugen, vor allem die Zuginsassen, nach und nach vernommen werden und Sachverständige müssen mit der Auswertung von Beweismitteln und der Erstellung von Gutachten ihre notwendigen Beiträge liefern.
Die Ermittlungen werden kompliziert, aufwändig und zeitraubend. Aussagen zur Unglücksursache können und werden deshalb seitens der Behörden derzeit keine getroffen. Es wird deshalb gebeten, von Nachfragen hierzu bei Polizei und Staatsanwaltschaft abzusehen, zu gegebener Zeit äußern sich die Behörden dazu.
Können sie sich sparen. Die Ursache steht ja schon fest:
Und auch der Schuldige ist schon gefunden:
Oder auch:
Viele Medien widmeten den Spekulationen (und widmen ihnen weiterhin) prominente Plätze auf der Startseite, präsentieren sie als „Ergebnisse“, obwohl die Ermittlungen immer noch laufen. Der Schuldige steht fest, und vermutlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis wir Fotos von seinen heruntergelassenen Rollos sehen und erfahren, was eigentlich sein Lieblingspizzabäcker von der ganzen Sache hält.
Selbst wenn es stimmt, dass ein Verdacht gegen den Mann besteht — wie oft schon hat sich im weiteren Verlauf von Ermittlungen gezeigt, dass alles doch ganzanderswar? So etwas braucht Zeit. Zeit, die viele Medien nicht haben sich nicht nehmen wollen.
Dabei sind Kompromisse so einfach.
„Zeit Online“ zum Beispiel stellte gestern Abend ganz unaufgeregt alle verfügbaren Informationen zusammen, auch die Gerüchte aus Ermittlerkreisen, verzichtete aber auf voreilige Schuldzuweisungen:
Auch tagesschau.de berichtete zwar über die Spekulationen und Mutmaßungen, nannte sie aber auch so:
“Wir wehren uns vehement gegen dieses Gerücht”, teilte ein Sprecher der Polizei am Unglücksort mit. (…) Zwar könne ein Fehler oder Vergehen des Diensthabenden nicht ausgeschlossen werden, doch stünden die Ermittlungen noch am Anfang. Der Fahrdienstleiter sei bereits unmittelbar nach dem Zusammenstoß am Dienstag befragt worden. Daraus habe sich “noch kein dringender Tatverdacht” ergeben, teilte die Polizei mit.
„Klartext“. Das heißt: Hier traut sich jemand, die Fakten auszusprechen, die Wahrheit, auch wenn sie unbequem ist. Keine Schönrederei, keine political correctness. Nur Klartext, damit sich der mündige Bürger sein eigenes Bild machen kann.
Und “Hier” ist natürlich der Ort, wo Menschen noch unzensiert Klartext reden dürfen: in der “Bild”-Zeitung.
Er will, dass Flüchtlinge aus Nordafrika schnell abgeschoben werden: Sachsens Innenminister Markus Ulbig (51, CDU) klagt über hohe Kriminalität bei Asylbewerbern aus der Region.
BILD: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingszahlen und Kriminalitätsentwicklung?
Markus Ulbig: „Bis zum 30. September 2015 hat Sachsen mehr als 45 000 Zuwanderer aufgenommen. Zugleich wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik Sachsen für die ersten neun Monate 4695 Zuwanderer als Tatverdächtige erfasst. Durch diese wurden 10 397 Straftaten (ohne ausländerrechtliche Verstöße) verübt. Im Vergleichszeitraum 2014 waren 3104 Zuwanderer als Tatverdächtige mit 7029 Straftaten registriert.“
BILD: Um welche Delikte geht es?
Ulbig: „Schwerpunkte der durch Zuwanderer begangenen Straftaten waren Diebstahlsdelikte mit 40 Prozent. Dabei ist …
Und so redet Ulbig weiter über kriminelle Flüchtlinge. „Bild“ hört geduldig zu, fragt hin und wieder „Wer ist noch auffällig?“ oder „Warum wird nicht abgeschoben, welche Hindernisse gibt es?“
Und keiner will bemerken, dass er die erste Frage gar nicht richtig beantwortet hat. Schauen wir noch mal rein.
BILD: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingszahlen und Kriminalitätsentwicklung?
Markus Ulbig: „Bis zum 30. September 2015 hat Sachsen mehr als 45 000 Zuwanderer aufgenommen. Zugleich wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik Sachsen für die ersten neun Monate 4695 Zuwanderer als Tatverdächtige erfasst. Durch diese wurden 10 397 Straftaten (ohne ausländerrechtliche Verstöße) verübt. Im Vergleichszeitraum 2014 waren 3104 Zuwanderer als Tatverdächtige mit 7029 Straftaten registriert.
Und was sagt uns das? Genau: nix. Weil die Vergleichsgröße fehlt — die Gesamtzahl der Zuwanderer 2014.
Um den „Zusammenhang zwischen Flüchtlingszahlen und Kriminalitätsentwicklung“ zu untersuchen, muss man die Flüchtlingszahlen erst mal kennen. Ulbig aber liefert nur die für die Kriminalitätsentwicklung. Und „Bild“ belässt es dabei.
Allerdings hätte ein Blick in die Statistik den „Klartext“ auch deutlich getrübt. Laut der Sächsischen Staatskanzlei lebten zum Stichtag 31. Oktober 2014 (die Zahl für den Zeitraum bis September liefern wir nach, sobald wir sie haben) in Sachsen insgesamt 13.747 Asylbewerber.
Nimmt man die Zahlen von Ulbig hinzu …
… lässt sich vereinfacht sagen: 2014 ist jeder fünfte, fast jeder vierte Zuwanderer als Tatverdächtiger erfasst worden, davon hat jeder 2,3 Straftaten begangen. Ein Jahr später war es nur noch jeder zehnte. Mit jeweils 2,2 Straftaten. Die Kriminalitätsrate ist also gesunken.
Aber um bequeme Wahrheiten geht’s hier ja nicht.
***
Und dann war da noch die „Welt“.
Ulbig sagt in dem „Bild“-Interview, „Zuwanderer aus den sogenannten Maghreb-Staaten“ seien in Sachsen besonders auffällig, sie seien „für rund 43 Prozent aller Straftaten von Zuwanderern verantwortlich“.
… und suggeriert damit, 43 Prozent aller Straftaten in Sachsen würden von Nordafrikanern begangen.
Auch wenn es keine Absicht gewesen sein sollte — dass die Überschrift mindestens missverständlich ist, dürfte auch die “Welt” inzwischen mitbekommen haben, trotzdem macht sie keine Anstalten, die Überschrift zu ändern. Und sammelt weiter die Klicks, während die besorgten Leser immer besorgter werden.