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Heute beginnt das Kandidatinnen-Vergessen

Wenn Ralf Schuler mal nicht Witze der Flensburger Linksfraktion als ernstgemeinte Vorschläge miss­in­ter­pre­tie­rt, Burger-Interviews führt oder den Untergang des Abendlandes an Weihnachten herbeisingt, schreibt er als Leiter des “Bild”-Parlamentsbüros über Politik. Zusammen mit “Bild”-Politik-Chef dem leitenden “Bild”-Politik-Redakteur Rolf Kleine hat er heute eine Prognose zur Nominierung der Kandidaten für die im kommenden Jahr anstehende Bundespräsidentenwahl geliefert:

Die zwei “Bild”-Polit-Profis haben sich schon mal festgelegt, wer nicht Kandidat werden wird: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (den wolle Angela Merkel nicht) und Bundestagspräsident Norbert Lammert (der habe nicht genug Anhänger).

Aber wer dann? Schuler und Kleine haben da so ihre Infos:

Union und SPD gehen nach BILD-Informationen davon aus, dass Merkel in den nächsten Wochen einen dritten “unparteiischen” Kandidaten präsentieren wird, der für alle GroKo-Delegierten in der Bundesversammlung (setzt sich überwiegend aus Abgeordneten des Bundestages und der Landtage zusammen) wählbar ist. Denkbar wäre z. B. ein hochrangiger, anerkannter Wissenschaftler.

In der SPD heißt es zudem: Wenn Merkel “eine einigermaßen akzeptable Frau” als überhaupt erste Anwärterin fürs Schloss Bellevue präsentiere, könnten zumindest die GenossINNEN kaum Nein sagen.

Das wär’ was — die “überhaupt erste Anwärterin fürs Schloss Bellevue”. Also nach Beate Klarsfeld, die 2012 gegen den derzeitigen Bundespräsidenten Joachim Gauck angetreten ist.

Und nach Luc Jochimsen, die 2010 angetreten ist.

Und nach Gesine Schwan, die 2009 angetreten ist.

Und noch mal nach Gesine Schwan, die auch schon 2004 angetreten ist.

Und nach Dagmar Schipanski, die 1999 angetreten ist.

Und nach Uta Ranke-Heinemann, die ebenfalls 1999 angetreten ist.

Und nach Hildegard Hamm-Brücher, die 1994 angetreten ist.

Und nach Luise Rinser, die 1984 angetreten ist.

Und nach Annemarie Renger, die 1979 angetreten ist.

Marie-Elisabeth Lüders war zwar nie offiziell angetreten, bekam bei der Bundespräsidentenwahl 1954 allerdings eine Stimme.

Aber von denen mal abgesehen, haben Ralf Schuler und Rolf Kleine mit ihrer Aussage recht.

Mit Dank an C. F. und Tobias N. für die Hinweise!

Satzverlust, Autorengewinn, Orakelbilanz

1. Beitrag Steinmeiers erscheint in Russland ohne Ukraine-Bezug
(faz.net, Majid Sattar & Reinhard Veser)
Die “FAZ” berichtet von einem merkwürdigen Satzverlust: Zum 75. Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion habe Bundesaußenminister Steinmeier einen Gastbeitrag geschrieben, in dem er auch die Ukraine-Politik Putins kritisiert habe. (“Die völkerrechtswidrige einseitige Veränderung von Grenzen und die Nichtachtung der territorialen Integrität von Nachbarstaaten — all das führt uns in überwunden geglaubte Zeiten zurück, die sich niemand wünschen kann.”) In den auf Russisch veröffentlichten Versionen des Beitrags in der ukrainischen Zeitung „Serkalo Nedeli“ und der weißrussischen Zeitung „Sowjetskaja Belorussija“ sei der Satz enthalten. Die russische Zeitung „Kommersant“ habe nach Informationen der “FAZ” von der deutschen Botschaft in Moskau jedoch eine Übersetzung erhalten, in der dieser Passus fehlte. Das Auswärtige Amt bedauere den Vorgang und spreche von der Weitergabe einer “nicht autorisierten Fassung”.

2. Darf Lünstroth wieder?
(seemoz.de, H. Reile)
Beim “Südkurier” in Konstanz wurde ein langjähriger Journalist abgemahnt und in die Schreibtisch-Verbannung geschickt. Über die exakten Gründe wurde und wird fleißig spekuliert, vielen erscheint es als Strafe für allzu kritische und offene Berichterstattung. Einen ausführlichen Bericht zur Causa Südkurier kann man bei der “Kontext Wochenzeitung” lesen, die den von unterschiedlichsten Interessenlagen geprägten Konflikt zusammengefasst hat. Nun wurde der seit rund einem Monat mit Schreibverbot belegte Südkurier-Redakteur wieder auf der Pressebank einer Kulturausschuss-Sitzung gesichtet.

3. 10 (ideale) Tugenden und Werte für junge Journalisten von Morgen
(vocer.org, Marcus Nicolini)
Marcus Nicolini ist Leiter der Journalistischen Nachwuchsförderung (JONA) der Konrad-Adenauer-Stiftung und bildet seit 16 Jahren Journalisten aus. In zehn Thesen stellt er vor, was seiner Meinung nach an persönlichen Kompetenzen, Werten und Tugenden erforderlich sei, um in den Journalismus zu starten. Einiges davon können sich auch erfahrene Kollegen in Erinnerung rufen.

4. Rekordausschüttung für Autoren
(journalist.de, Monika Lungmus)
Warmer Geldregen für Autoren: Die VG-Wort konnte ihre Einnahmen nahezu verdoppeln, da die Geräteindustrie nachträglich gut 155 Millionen Euro als Reprografie-Abgabe an die Verwertungsgesellschaft abführt. Verantwortlich für diesen außergewöhnlichen Zuwachs sei eine Vergleichsvereinbarung, die die VG Wort mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) abschließen konnte. Darin ging es um strittige Druckervergütungen für den Zeitraum von 2001 bis 2007, die nun pauschal abgegolten wurden. Hinzu kämen noch etwaige Nachzahlungen, die sich aus dem jüngsten BGH-Urteil ergäben.

5. Werner Reinke: “Das Radio begeht gerade Selbstmord”
(dwdl.de, Alexander Krei)
Das Medienmagazin “dwdl” hat mit dem Hörfunkmoderator Werner Reinke gesprochen, der vielen als Radiolegende gilt. Reinke sieht die Zukunft des Radios düster, aber nicht ausweglos: “Das Medium Radio begeht gerade Selbstmord. Einen sehr schleichenden zwar, aber es begeht Selbstmord. Wir Radioleute müssen viel schneller reagieren auf die neuen Anforderungen und Konsumgewohnheiten, sind viel zu träge in dem, was wir machen. Neue Konkurrenz wie Spotify und Last.fm nehmen wir viel zu wenig wahr. Wir müssten jetzt endlich anfangen, intelligente Inhalte zu liefern, um ein Einschaltradio zu machen. Die Playlists, die hier Land auf, Land ab laufen, kann Ihnen Spotify zu jeder Zeit bieten, nicht aber den Mehrwert, der entsteht, wenn wir konsequent auf gute Inhalte setzen würden.”

6. EM 2016: Orakeltiere suchen ein Zuhause
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video, 3:11)
“Wir wissen, wer Europameister wird! Exklusiv! Naja, nicht ganz. Alle wissen, wer Europameister wird. Und alle wissen etwas anderes. Im Fernsehen haben sie Gockel befragt. Und Stachelschweine. Und Glaskugeln. Echt wahr!”

Begründeter Sachbezug, TV-Debatten, Streaming-Pauperismus

1. Kein Freibrief für Gedankenlosigkeit
(taz.de, Anne Fromm)
Anne Fromm von der “taz” berichtet über die Entscheidung des Presserats, die Nationalität oder Religion von Straftätern weiterhin nur dann zu nennen, wenn ein „begründeter Sachbezug“ bestehe. Anders als “Bild”-Chefredakteurin Tanit Koch begrüßt Fromm die Entscheidung: “Jede Redaktion, auch der Boulevard, trägt eine publizistische Verantwortung – gerade in einer Zeit, in der Asylbewerberunterkünfte brennen. Diese zu erfüllen gehört zum journalistischen Handwerk. Das unterscheidet sie schließlich von Twitter und Facebook.”

2. Streaming: Warum kommt so wenig bei Musikern an?
(telemedicus.info, Fabian Rack)
Kann im Digitalzeitalter wirklich kaum jemand mehr von einem Musikalbum leben? Und zementieren Spotify und Apple Music diesen Zustand? Keine harten Zahlen, kaum Transparenz, viele Akteure im Spiel: Die Situation ist nicht einfach. Dennoch hat das juristische Internetprojekt “Telemedicus” einige Informationen zum Musikstreaming, zu Geldflüssen und Plattenverträgen zusammengetragen.

3. Siri, bin ich süchtig?
(fluter.de, Philipp Brandstädter)
ARD und ZDF wollen in einer Onlinestudie festgestellt haben, dass wir im Durchschnitt drei Stunden täglich an unseren Smartphones hängen. Der Psychologe Dr. Bernd Sobottka hält dies noch nicht für problematisch. Bedenklich könne es jedoch werden, wenn die reale Kommunikation in den Hintergrund rücke und das Smartphone der Hauptinternetzugang sei. Im Interview über Digitalsucht spricht er über typisches Suchtverhalten und gibt Tipps zu Entwöhnung und Ausstieg.

4. Der Countdown läuft
(carta.info, Rubina Möhring )
Die Amtszeit der OSZE-Medienbeauftragten Dunja Mijatovic ist ausgelaufen und die Mitgliedsstaaten können sich nicht auf eine Nachfolge einigen. Das eh nicht üppige, operative Budget dieser OSZE–Institution sei rund um den Jahreswechsel dramatisch gekürzt worden, und für die Entscheidung werde Einstimmigkeit aller 57 Mitgliedsstaaten gefordert. Nun liege es an Deutschland und Frank-Walter Steinmeier eine Entscheidung herbeizuführen, fordert die Autorin und Präsidentin der “Reporter ohne Grenzen Österreich”, Frau Dr. Rubina Möhring.

5. Wer darf auf die große Bühne?
(faz.net, Christoph Bieber)
Zu Wahlzeiten sind Fernsehdebatten ein wichtiges Element, um sich zu informieren oder eine Wahlentscheidung herbeizuführen. Christoph Bieber plädiert für den Blick nach Amerika: Während bei uns vieles ungeordnet abliefe, überwache dort die “Commission on Presidential Debates” den Zugang zu den prominenten Podien und lege die wichtigsten Regeln für die Gesprächsformate fest. Die Einrichtung einer ähnlicher Instanz in Deutschland sei überfällig.

6. Stellungnahme von Karlo Tobler
(facebook.com, Karlo Tobler)
Nachdem im sächsischen Clausnitz ein fremdenfeindlicher Mob die Ankunft eines Busses mit Flüchtlingen blockiert hatte und die Bilder deutschlandweit für Entsetzen gesorgt hatten, setzte sich Karlo Tobler tags darauf spontan ins Auto und fuhr zum Ort des Geschehens. Sein feinfühliger Facebookbericht über die Aktion wurde zehntausendfach geliket und geteilt und medial verwertet. Nun hat Tobler den Eintrag auf “privat” gestellt. In einem öffentlichen Post berichtet er über die Gründe.

“Auto Bild”, vergesslicher “Spiegel”, Nachfolge von Hans Leyendecker

1. Bild-Kampagne “Wir helfen”: Flüchtlingshilfe als PR-Instrument?
(wdr.de, Philipp Jahn und Andreas Maus, Video, 5:00 Minuten)
Im August startete die “Bild”-Zeitung die Aktion “Wir helfen”. Zahlreiche Fußballvereine wollten sich nicht für die Kampagne einspannen lassen, viele Spitzenpolitiker hatten damit offenbar weniger Probleme. Was brachte Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und sogar Gregor Gysi dazu, gemeinsame Sache mit “Bild” zu machen? Ging es dabei wirklich um Flüchtlingshilfe, oder steckte nicht auch und vor allem ein geschicktes PR-Kalkül dahinter?

2. Diesel-Skandal: Auto Bild rudert bezüglich BMW-Abgasen zurück
(bimmertoday.de, Benny)
“Auto Bild” meldete gestern exklusiv, beim BMW-Modell X3 gebe es ebenfalls Probleme mit einer Abgasnorm. Zwangsläufig sei der Eindruck entstanden, “dass auch BMW bei Abgastests betrogen habe”, schreibt das Autoportal “BimmerToday”. Der Aktienkurs des Konzerns litt unter der Meldung, in einer Stellungnahme musste BMW gegen die Nachricht anarbeiten. Und “Auto Bild” zurückrudern: “Hieß es am Morgen noch ‘Exklusiv: BMW-Diesel überschreitet Abgasgrenzwerte deutlich’, lautet die Überschrift inzwischen ‘Kein Indiz für Manipulation bei BMW’.”

3. Der “Spiegel” vergisst sich
(stefan-niggemeier.de, Boris Rosenkranz)
Nach dem Germanwings-Unglück stand für den “Spiegel” fest: Der Co-Pilot “tötete, per Knopfdruck, vielleicht nur, weil er es […] konnte; ein größenwahnsinniger Narzisst und Nihilist.” Ziemlich genau ein halbes Jahr später klingt das geringfügig anders: “In der Ermittlungsakte von [L.] findet sich keine Spur von krankhafter Selbstliebe.” Die Rolle der Medien beschreibt der “Spiegel” dabei so: “Nach der Tat vermuteten viele übersteigerten Narzissmus.” Die Redaktion versuche, “pfeifend im Getümmel zu verschwinden”, schreibt Boris Rosenkranz.

4. Die Nischenreporter
(blog-cj.de, Christian Jakubetz)
Christian Jakubetz, der das Crowdfunding der “Krautreporter” im vergangenen Jahr schon einmal etwas vorschnell für gescheitert und das Projekt im Juni für “belanglos” erklärte, übt nun erneut Kritik. Außerhalb der digital-medialen Filterblase habe niemand Notiz genommen, eine wirklich herausragende Geschichte sei nicht in Erinnerung geblieben. Für die Zukunft ist Jakubetz wenig optimistisch: “Dass es das Projekt doch noch in eine breite öffentliche Wahrnehmung schafft, glauben sie vermutlich nicht mal mehr selbst.”

5. Investigativ-Chef: “Süddeutsche Zeitung” klärt Nachfolge von Leyendecker
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Im Sommer, beim Jahrestreffen des “netzwerk recherche”, hat Hans Leyendecker angekündigt, in absehbarer Zeit in Rente gehen zu wollen. Seitdem gibt es die Frage, wer seine Nachfolge als Leiter des Investigativressorts der “Süddeutschen Zeitung” antritt. Ulrike Simon hätte da jemanden: “SZ”-Washingtonkorrespondent Nicolas Richter.

6. Online-Kommentator, der gutes Argument vorbringt, durch Schreibfehler als Idiot entlarvt
(der-postillon.com)

Keine Reise nach Jerusalem

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist in den vergangenen Tagen durch den Nahen Osten gereist. Mitte Mai war er schon einmal in der Region und besuchte den Libanon und Jordanien, ein Abstecher nach Jerusalem oder Tel Aviv stand hingegen nicht auf dem Programm. Das soll diplomatische Folgen gehabt haben, wie der “Spiegel” in seiner aktuellen Ausgabe schreibt:

Und tatsächlich ist ein ziemlich umständlicher Weg nötig, wenn man aus der libanesischen in die jordanische Hauptstadt (oder umgekehrt) fliegen will. Allerdings nicht nur für deutsche Außenminister, die ihre israelischen Polit-Kollegen verärgert haben sollen, sondern für jeden Passagier eines jeden Verkehrsflugzeugs.

Da wegen des weiter geltenden Kriegszustands zwischen dem Libanon und Israel aktuell kein Luftkorridor zwischen beiden Ländern besteht, können Flugzeuge nicht die direkte 240-Kilometer-Route von Beirut nach Amman über israelisches Gebiet nutzen. Sie müssen entweder einen Umweg über Syrien fliegen, so wie es “Zeit”-Redakteur Yassin Musharbash erlebt und aufgeschrieben hat. Oder sie fliegen raus aufs Mittelmeer in Richtung zyprischen Luftraum und dann in einem weiten Bogen über Ägypten nach Jordanien. Alternativ soll es auch einen Weg über Zypern und anschließend über israelisches Hoheitsgebiet geben (wofür wir allerdings keine aktuellen Flugdaten gefunden haben).

Die Route, die die Regierungsmaschine von Frank-Walter Steinmeier vor knapp zweieinhalb Wochen nehmen musste, ist also nicht so ungewöhnlich, wie der “Spiegel” es darstellt. Das ist auch dem “Israelnetz” aufgefallen. Autor Ulrich W. Sahm hat sowohl beim Auswärtigen Amt als auch im israelischen Außenministerium nachgefragt, was an der “Spiegel”-Meldung dran ist. Beide Seiten erklärten, dass es weder eine Verägerung noch einen “unfreundlichen Akt” gegeben habe.

Der “Spiegel” hat inzwischen auch reagiert und online eine leichte Korrektur veröffentlicht. Die Redaktion bleibt aber bei ihrem Standpunkt, dass die Israelis “eine deutlich kürzere Route” im “Falle Steinmeiers verweigerten”.

Soldatensender Powerplay


(“Bild”-Eigenwerbung aus dem Jahr 2006)

Wir unterbrechen unser Programm für eine wichtige Nachricht: Die ARD hat die Ausstrahlung ihres Programms über den Satelliten Hotbird/Eutelsat eingestellt. Am 8. Juni 2010.

Was sagen Sie? Das sei keine wichtige Nachricht — und vor allem keine aktuelle? Na, da kennen Sie aber “Bild” und Bild.de schlecht.

So berichtet Bild.de seit gestern über die mehr als sechs Monate zurückliegende (und noch viel länger angekündigte) Abschaltung:

Truppe guckt in die Röhre: ARD sperrt TV-Empfang für Soldaten in Afghanistan. 20.12.2010 - 00:29 UHR Das nennt man eine "schöne Bescherung"!

Die ARD, der “Bild” sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit Verschwendungssucht unterstellt, nennt finanzielle Erwägungen als Grund, doch die will Bild.de ausnahmsweise nicht gelten lassen:

Grund für das Aus der ARD: Angeblich ist die Übertragung über den Satelliten “Hot Bird” zu teuer.

Merkwürdig nur: Die Bundeswehr hat der ARD sogar angeboten, einige Programmteile – Tagesschau und Regionalprogramme aus den Heimatregionen der Soldaten – über ihre eigene Satellitenverbindung nach Afghanistan zu übermitteln.

Das lehnten die ARD-Sender mit Hinweis auf rechtliche Gründe bisher ab.

Dass Bild.de – anders als der ARD – die Rechte am Material Dritter eher egal sind, hat die Seite schon oft genug bewiesen.

Klar, dass die Empörung nicht lange auf sich warten ließ:

Kein TV-Empfang für Afghanistan-Soldaten: BILD.de-Leser sauer auf die ARD. "Da setzen die Männer für uns und andere ihr Leben ein und werden auch noch mit gesperrtem TV bestraft."

Zu diesem Zeitpunkt hielt sich Bild.de nicht länger mit einseitiger Berichterstattung auf — jetzt wurde schlicht gelogen:

Keine Christvesper, keine Christmette und schon gar keine Tagesschau für die Bundeswehr-Soldaten in Afghanistan!

Denn: Die ARD stellt die Ausstrahlung ihres Programms am Hindukusch ein. Und das ausgerechnet kurz vor Weihnachten!

(Hervorhebung von uns.)

Noch am Nachmittag hatte sich die ARD bemüht, über Pressemitteilungen ihre Entscheidung zu verteidigen, und erklärt:

Die Berichterstattung über den Fernsehempfang für Soldaten in Afghanistan sorgte heute für einige Irritationen und erweckt in weiten Teilen einen falschen Eindruck.

Die Ausstrahlung von Das Erste über den Satelliten Hotbird/Eutelsat wurde bereits im Juni 2010 eingestellt, da die Nutzung dieses zusätzlichen Angebots in Deutschland kaum noch nachgefragt wird. Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte waren angesichts der Sparbemühungen für diese Entscheidung ausschlaggebend. Für eine weitere Ausstrahlung über Hotbird/Eutelsat hätte die ARD einen Betrag von knapp einer Million Euro pro Jahr zahlen müssen.

Außerdem falle eine Versorgung außerhalb Deutschlands eh nicht in den Aufgabenbereich der ARD:

Für den Auslandsrundfunk hat der Bundesgesetzgeber eigens die Deutsche Welle geschaffen. Zudem können ARD-Angebote auch über das Internet genutzt werden, etwa über www.tagesschau.de oder die Mediatheken.

Den drei “Bild”-Reportern, die da bereits an einem großen Artikel arbeiteten, war diese Stellungnahme freilich egal: Rolf Kleine, Paul Ronzheimer und Guido Brandenburg veröffentlichten heute einen großen Seite-2-Artikel, der die selbst geschürte “Riesenwut auf die ARD” aufgriff.

Riesenwut auf die ARD! 5,3 Mrd. Euro Gebühren – aber bei den Afghanistan-Soldaten wird gespart

Politiker wie der SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier; der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hellmut Königshaus (FDP); der CDU-Verteidigungsexperte Ernst-Reinhard Beck; der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und der FDP-Medienexperte Burkhardt Müller-Sönksen dürfen sich lautstark über die Abschaltung empören und werden damit bewusst oder unbewusst zu Kronzeugen der “Bild” Kampagne. Im Büro des Wehrbeauftragten Königshaus sagte man uns, man wisse natürlich seit Juli von der Abschaltung, freue sich aber über die Aufmerksamkeit, die bisher ausgeblieben sei.

Rolf Kleine, auch sonst nicht für ruhige Töne bekannt, erklärt in seinem Kommentar:

Kleine sieht seine Chance gekommen, eine direkte Brücke von den ARD-losen Soldaten hin zu den (laut “Bild” ja eh schon immer viel zu hohen) Gebühren zu schlagen, und betätigt sich als Milchmädchen:

Was machen die ARD-Gewaltigen eigentlich mit den Gebühren-Milliarden, die wir ihnen Jahr für Jahr in die Kassen spülen – wenn am Ende nicht mal 300000 Euro für die Übertragung nach Afghanistan übrig sind? Denn die restlichen 700000 Euro zahlen die Soldaten mit ihren GEZ-Gebühren ohnehin selbst.

Nun zahlen die Soldaten ihre “GEZ-Gebühren” natürlich primär für die Erstellung von Inhalten bei den Radio- und Fernsehprogrammen von ARD, ZDF und Deutschlandfunk und nicht ausschließlich, um damit die Übertragung des ARD-Fernsehprogramms zu finanzieren.

Kleine verkündet:

Aus Solidarität mit unseren Soldaten schmeißt BILD heute das ARD-TV-Programm raus! Wir sind sicher: Unsere Leser sind genauso empört über die ARD wie wir!

Dabei muss man sich jetzt nicht vorstellen, dass ein armer Praktikant die ARD aus den Redaktionsfernsehern bei “Bild” löschen musste — “Bild” war viel pragmatischer:

Warum die Solidarität von “Bild” ein halbes Jahr auf sich warten ließ, wissen wir nicht. Vielleicht wollte die Zeitung ihrem Liebling Karl-Theodor zu Guttenberg mal wieder Gelegenheit bieten, sich zu profilieren — oder es handelt sich um die Rache für die brandneue iPhone-App der “Tagesschau”, die viele Verleger als “Wettbewerbsverzerrung” empfinden.

Mit Dank an K.N., noir, Matthias B., Peter, Sebastian D., André H. und Alex F.

Nachtrag, 16.10 Uhr: Dafür wird sich “Bild” morgen sicher noch gebührend feiern:

Afghanistan-Soldaten können ARD sehen. Stuttgart – Die Versorgung der Afghanistan-Soldaten mit ARD-Programm ist gesichert. Die ARD hat sich in einer Blitzaktion darum gekümmert, dass die Soldatinnen und Soldaten in Afghanistan noch vor Weihnachten das bereits seit Juni 2010 nicht mehr über den Eutelsat-Satelliten abgestrahlte ARD-Programm wieder empfangen können. Dazu wurde eine Sondervereinbarung mit dem Satelliten-Betreiber SES-Astra in Luxemburg geschlossen, der bereits seit Jahren die Satellitenverbreitung für sämtliche ARD-Landesrundfunkanstalten gewährleistet. ARD-Vorsitzender Peter Boudgoust: "Wir hatten bereits geraume Zeit nach Lösungen für dieses komplexe juristische Problem gesucht und können nun gemeinsam mit SES Astra eine kostenneutrale Lösung präsentieren, die schnell und unbürokratisch das gewünschte Ergebnis bringt."

Hintergrundkreise, Wunder, Federer

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Gefährliche Nähe zwischen Politik und Medien”
(zeit.de, Leif Kramp und Stephan Weichert)
Über die Hintergrundkreise der Berliner Politik: “Geleitet von FAZ-Büroleiter Günter Bannas, treffen sich dessen Mitglieder im monatlichen Reihum zum Abendessen im Wohnzimmer eines der Kollegen – und die Granden der Politik stehen Schlange. Ob Merkel, Steinmeier, Müntefering, Steinbrück, Schäuble: Sie alle wurden schon mehrmals in den Wohnstuben der Journalisten bewirtet und lernten deren Familien kennen.”

2. “Rezension und Rezeption des Wunderheiler-Artikels”
(gesundheit.blogger.de, strappato)
Werner Bartens reagiert auf die Kritik zu seinem Artikel im SZ-Magazin. Strappato findet, seriöse Wissenschaftsjournalisten sollten niemals das Wort “Wunder” verwenden. “Erst recht nicht inklusive Wortkombinationen achtmal im Artikel.”

3. “Die ZEIT überarbeitet Rahmenvereinbarung”
(freischreiber.de)
“Zeit”-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo reagiert per Brief auf ein Protestschreiben von freien Journalisten zur Änderung der Rahmenvereinbarung.

4. “‘Journalismus’ Schweiz 2010”
(contextlink.blogspot.com, Andrea Müller)
Andrea Müller denkt nach über ein Interview von Roger Federer, das im Magazin der Bank Credit Suisse, einem Sponsor von Federer, erschienen ist. “Die Sportreporter der ‘unabhängigen’ Medien kennen die Spielregeln. Sie würden es nie wagen, etwas über Roger Federer zu veröffentlichen, das ihm und seinen PR-Strategen missfällt. Sie würden riskieren, bald nicht mehr zum erlauchten Kreis derer zu gehören, die über den Superstar aus der Schweiz berichten dürfen.”

5. “Why is cadet applause missing from Fox’s video of Obama speech?”
(mediamatters.org/blog, Jamison Foser, englisch)
Bei Fox News ist in einer Rede von Barack Obama vor Kadetten kein Applaus zu hören. “Maybe Fox’s video used a direct feed from Obama’s microphone, and it simply didn’t pick up audience noise. But if Fox didn’t intentionally try to make Obama look silly, why did it choose a 2-minute clip — out of a 32-minute speech — that portrayed Obama looking silently around the room, seemingly for no reason?”

6. “Die Welt ist das Netz, nicht die App”
(faz.net, Michael Spehr)
Ein Fazit zum “Wundergerät” iPad nach zwei Monaten im Einsatz: “Viele Journalisten haben geschrieben, dass das iPad eine Revolution im Umgang mit dem Computer oder dem Internet darstelle. Es sei geradezu ein Paradigma für die nächste Generation besonders einfach zu bedienender PCs. Nur hat leider niemand gefragt, warum das iPad eine solche spielerische Leichtigkeit zu zeigen scheint: weil es im Grunde genommen nicht viel kann.”

Paid Content, ZDFneo, Krawatten

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Doppelt missverstehen heißt trotzdem nicht verstehen”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
Langer, aber lesenswerter Artikel über die Mühen mit dem Online-Journalismus: “Wenn man sich ansieht, wie viele Millionen der Aufbau der Online-Redaktionen und der Seiten, die sie betreuen, bis heute gekostet hat, ist es fast unerträglich zu sehen, wie wenig dabei herausgekommen ist. Einfach nur, weil es niemand gewagt hat, sich auf das zu konzentrieren, was seine Marke ausmacht.”

2. “RSS-Feeds: Eine Option für Paid Content?”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert liefert einen Paid-Content-Vorschlag: “Warum bieten führende Anbieter von journalistischen Angeboten ihren Lesern nicht an, vollständige RSS-Feeds gegen ein monatliches Entgelt zu abonnieren?”

3. “10 noch erwähnenswerte Flops 2009”
(fernsehkritik.tv, Video, ca. 15 Minuten)
10 TV-Flops 2009 mit “Zimmer frei!”, dem TV-Duell zwischen Merkel und Steinmeier, Til Schweiger, Johannes B. Kerner und, überraschend auf Platz 1, ZDFneo. Die Website Fernsehkritik.tv ist derzeit übrigens dazu gezwungen, Inhalte offline zu stellen, siehe dazu den Beitrag “Einfach mal den Stecker gezogen…”.

4. “Dirk Mantheys Medientrends für 2010”
(meedia.de, Dirk Manthey)
“1. Paid Content wird viele Enttäuschungen bringen, 2. Markenartikel werden auf breiter Front ins Internet gehen, 3. Der ganz große Trend heißt Mobiles Internet, 4.Das iPhone wird weltweit Smartphone Nr. 1 – trotz Google, 5. Das Print-Sterben wird auch 2010 weitergehen, 6. Verlage konzentrieren sich auf Internet-Only-Produkte, 7. Digitale Lesegeräte schaffen 2010 den Durchbruch, 8. Der Widerstand gegen Google dürfte stärker werden, 9. Echtzeitsuche wird keine große Rolle spielen, 10. Noch ein Winner für 2010: Foursquare”

5. “Jahrelange Desinformation”
(spiegelblog.net, T. Engelbrecht)
“Wie der SPIEGEL nun endlich realisiert, dass die ‘Spanische Grippe’ von 1918 nicht allein durch ein Virus verursacht worden sein kann.”

6. “Guttenberg-Krawatten-Gedächtnis-Spiel”
(extra3.blog.ndr.de, Pausenbrot)
Unter der investigativen Lupe der Satiresendung “Extra 3” sind die Krawatten von Verteidigungsminister zu Guttenberg, auf denen süße, harmlose Tiere zu finden sind. “Hoppelhäschen und Tintenfischbabys, die sich fröhlich tanzend an den Ärmchen halten, nehmen auch aus den härtesten Verhandlungen ein wenig Schärfe.” Erst kürzlich widmete sich Kurt Kister in der “Süddeutschen Zeitung” den Kleidern des Ministers.

Gehen Sie nicht über Los

Bild.de hat einen besonders gewalttätigen Monat hinter sich, die folgende Liste ist möglicherweise unvollständig:

Hildebrandt geht auf Mitspieler los, 4.10.2009

Steinmeier geht auf den Irren von Teheran los, 5.10.2009

Dante geht auf Levels los, 5.10.2009

Babbel geht auf eigene Nationalspieler los, 6.10.2009

Cruyff geht auf Van Gaal los, 16.10.2009

Städtebund geht auf Steuerzahler-Chef los, 17.10.2009

Wollitz geht auf Bittroff los, 18.10.2009

Münte geht auf Lafo los, 19.10.2009

Toni geht auf van Gaal los, 22.10.2009

Frank Minder geht auf Senatorin Rosenkötter los, 23.10.2009

Zachhuber geht auf Verteidiger los, 24.10.2009

Lehmann geht auf Balljungen los, 27.10.2009

Blick geht auf Blondine los, 29.10.2009

So weit wir das überblicken können, wurde bisher aber niemand physisch verletzt.

Ceci n’est pas un muentefering

Es sollte sich (selbst unter Journalisten) allmählich mal herumgesprochen haben: Was im Microbloggingdienst Twitter so alles veröffentlicht wird, ist nicht unbedingt das, was es zu sein scheint — und im Zweifelsfall ungefähr so glaubwürdig wie, sagen wir, die “Bild”-Zeitung.

Insbesondere der gefälschte Twitter-Account eines gewissen “Franz Müntefering” sorgte in der Vergangenheit schon wiederholt für Verwirrung, worauf die SPD-Zentrale gewohnheitsmäßig mit einem unmissverständlichen Dementi reagiert. Das letzte Mal – aber keinesfalls das letzte Mal – vor zwei Monaten, wie die Nachrichtenagentur AFP verbreitete:

Zwar habe es schon mehrfach Anfragen zu vermeintlichen Twitter-Botschaften des SPD-Chefs gegeben, hieß es aus dem Willy-Brandt-Haus. Doch “der Parteivorsitzende twittert nicht.”

Genutzt hat es nichts. Kaum meldete sich der falsche @muentefering heute aus gegebenem Anlass via Twitter-Botschaft zu Wort (siehe Screenshot), berichtete der, äh, Dingsbumssender n-tv (Eigenwerbung: “schnell und kompetent”) in seinem Online-Angebot:

Nach Informationen von n-tv soll der bisherige Umweltminister Sigmar Gabriel Parteichef Franz Müntefering nachfolgen. Der SPD-Chef bestätigte seinen Rückzug vom Parteivorsitz.

Mit Dank an netzpolitik.org.

Nachtrag, 30.9.2009: Heute hat dann auch die “Berliner Morgenpost” den vermeintlichen Twitterer Müntefering im Blatt, genauer gesagt, auf der Titelseite (siehe Ausriss und online natürlich). Dabei wusste doch die Konkurrenz von der “Berliner Zeitung” schon zu berichten, dass sich hinter @muentefering ein “Mitarbeiter einer Berliner PR-Agentur” und “Experte für virales Marketing” verberge.

Nachtrag, 1.10.2009: Bei n-tv.de wurde der Artikel inzwischen komplett umgeschrieben. Und auch die “Mopo” hat inzwischen gemerkt, dass es sich bei @muentefering “um einen gefälschten Account” handelt.

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