Suchergebnisse für ‘focus online’

Erfolglose Populismus-Fischer, Facebook-Stasi, Anti-LGBTI-Wahlkampf

1. Nichts als Ärger: Wie Springers Bild Politik mit seinen Magazin-Covern im Populismus fischt
(meedia.de, Georg Altrogge)
“Meedia”-Chefredakteur Georg Altrogge hat sich die vier bisherigen “Bild Politik”-Ausgaben angesehen und erkennt darin ein wiederkehrendes System von Negativismen und Populismus. Ein Konzept, das zumindest im Print-Bereich nicht aufzugehen scheint.

2. Deutsche Datenschützer alarmiert über Facebooks interne Spitzelabteilung
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Es liest sich schon ein wenig gruselig, was über Facebooks firmeninterne Überwachungsabteilung bekannt wurde. Ein “Sicherheitsteam” observiere Mitarbeiter, die es als mögliche Gefährder einstufe, lese die Standortdaten von Ex-Mitarbeitern aus oder schnüffle in den Nachrichten von Praktikanten, die nicht zur Arbeit erscheinen. Facebook bestreitet, mit seinem Vorgehen gegen Datenschutzregeln zu verstoßen. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte sieht das laut netzpolitik.org etwas anders und habe die Datenschutzbehörde in Irland eingeschaltet, die in Europa die Hauptzuständigkeit für Facebook hat.
Weiterer Lesetipp in Sachen Facebook: Facebooks Anti-Datenschutz-Lobbying geleakt (golem.de, Friedhelm Greis).

3. Hilfe, die «Junge Freiheit»! Die Schweizer Kette Press & Books säubert die Regale
(nzz.ch, Marc Felix Serrao)
Die Schweizer Handelskette “Press & Books” (mehr als 200 Verkaufsstellen) hat die rechtskonservative Wochenzeitung “Junge Freiheit” aus dem Programm genommen. “NZZ”-Autor Marc Felix Serrao ist irritiert und fragt sich, ob die deutsche Öffentlichkeit in Sachen Pressefreiheit toleranter als die Schweiz ist.

4. Zoë Beck: “Frauenquoten? Auf jeden Fall!”
(ndr.de, Jürgen Deppe, Audio: 8 Minuten)
Mit Blick auf den bevorstehenden Weltfrauentag hat der NDR sich mit der vielfach ausgezeichnete Thriller-Autorin Zoë Beck unterhalten. Es geht um die Frage, ob es auch im Kultur-, speziell im Literaturbereich eine Frauenquote geben sollte. Aber auch der Film- und Fernsehbereich sei betroffen, so Beck: “Da studieren an den entsprechenden Hochschulen genauso viele oder teilweise sogar ein bisschen mehr Frauen als Männer im Bereich Kamera oder Regie. Im Abspann sieht man aber, dass Männer deutlich in der Überzahl sind. Das ist ein Ungleichgewicht, und warum soll es da keine Quote geben?”

5. Nach AKK-Witz: BILD-Chef beschwört Wahlkampf gegen geschlechtliche Vielfalt
(nollendorfblog.de, Johannes Kram)
Johannes Kram schreibt über den Umgang der “Bild”-Redaktion mit dem LGTBI-Thema. Einerseits habe die Zeitung einiges getan, um queeren Menschen das Gefühl zu geben, ihre Andersartigkeit zu akzeptieren. Andererseits hetze und polemisiere die Zeitung unvermindert gegen geschlechtliche Vielfalt. Kram vergleicht den Mechanismus wie folgt: “… wie sich die BILD-Macher heute als Alliierte von LGTBI erklären, machten sie es noch vor wenigen Jahren, als sie sich als Flüchtlingshelfern generierten. Um dann, als es nicht mehr opportun war, genau das Gegenteil zu machen, also Geflüchtete fast ausnahmslos als Deutschlands Gefahr zu stilisieren.”

6. “Ich rechne jeden Tag mit meiner Absetzung”
(fr.de, Danijel Majic)
“Titanic”-Chefredakteur Moritz Hürtgen hat schon einige erfolgreiche Coups gelandet: Ob “Miomio-Gate” bei “Bild”, die “Blasebalg-Leaks” bei “Focus Online” oder die Falschmeldung über die vermeintlichen Bündnisaufkündigung von CDU und CSU. Danijel Majic hat dem respektlosen Satiriker einige nicht minder respektlose Fragen gestellt.

Wie “Bild” das Schicksal des zweijährigen Julen ausschlachtet

In Spanien ist ein kleiner Junge in einen rund 110 Meter tiefen Schacht gefallen. Seit neun Tagen läuft die Rettungsaktion für den zweijährigen Julen nun. Und fast genau so lang belagern Reporter nun den Ort Totalán, wo das Unglück passierte und wo die Rettungskräfte versuchen, einen Tunnel zu dem Jungen zu bohren.

“Bild” ist natürlich mit dabei, aber auch andere Knallportale berichten fleißig, Stern.de zum Beispiel, “Focus Online”, RTL.de und so weiter.

Heute meldete Bild.de:

Screenshot Bild.de - Mediziner über das Bohrloch-Unglück - Es ist nur theoretisch möglich, dass Julen lebt

… was nicht besonders überraschen dürfte, angesichts der Tatsache, dass ein Zweijähriger erst einen sehr tiefen Brunnenschacht hinunterstürzt und anschließend viele Tage ohne Essen und Trinken verbringen muss. Aber wie hätte man ohne Hoffnung dem gierigen Klickvolk die vielen Akte dieses Dramas verkaufen sollen?

Screenshot Bild.de - Rettung sehr gefährlich - Junge (2) stürzt 110 Meter tief in Brunnen
Screenshot Bild.de - Junge in 110 Meter tiefen Brunnenschacht gestürzt - 2017 starb sein Brüderchen - Das Schicksal schlug schon einmal zu
Ausriss Bild-Zeitung - Junge (2) stürzt in 110 Meter tiefen Schacht
Screenshot Bild.de - Junge in 100-Meter-Schacht gestürzt - Gibt es noch Hoffnung für den kleinen Julen?
Screenshot Bild.de - Julen stürzte in 110-Meter-Loch - Das furchtbare Warten auf ein Wunder
Screenshot Bild.de - Ganz Spanien bangt um Jungen im Schacht - Bagger und Bohrer sollen Julen retten
Ausriss Bild-Zeitung - Das furchtbare Warten auf ein Wunder
Screenshot Bild.de - Junge stürzte in 110 Meter tiefes Brunnenloch - Julen und das Prinzip Hoffnung
Ausriss Bild-Zeitung - Kinder beten für Jungen im Schacht
Screenshot Bild.de - Beklemmende Kamerafahrt in das Brunnenloch - Hier stürzte der kleine Julen hinein
Screenshot Bild.de - Wie die Helfer zu dem Jungen im Brunnenloch vordringen wollen - Neuer Rettungsversucht für den kleinen Julen
Ausriss Bild-Zeitung - Vor der Haustür steht noch Julens Dreirad
Screenshot Bild.de - Kleiner Julen seit Sonntag verschüttet - Vor der Haustür steht noch das Dreirad
Screenshot Bild.de - Seit Sonntag im Schacht gefangen - So wollen sie den kleinen Julen retten
Screenshot Bild.de - Kleiner Julen im Brunnenschacht - Nur noch wenige Stunden, bis es regnen soll
Screenshot Bild.de - Junge stürzt in 110 Meter tiefes Loch - Dieser Bohrer ist Julens letzte Hoffnung
Ausriss Bild am Sonntag - Retter bohren endlich Schacht zu kleinem Julen
Screenshot Bild.de - Retter kämpfen um Julen in Schacht - Bohrer schafft drei Meter pro Stunde
Screenshot Bild.de - Kleiner Junge stürzte vor einer Woche in 100 Meter tiefen Bohrschacht - Retter müssen sich per Hand zu Julen durchgraben
Screenshot Bild.de - Kleiner Julen fiel vor einer Woche in Bohrschacht - Retter stoßen auf fünf Meter Granit
Screenshot Bild.de - Julen fiel vor acht Tagen in Bohrschacht - Jetzt beginnt die kritische Phase
Ausriss Bild-Zeitung - Julen soll mit Käfig geborgen werden
Screenshot Bild.de - Julens Eltern am Unglücksort in Totalan - Acht Tage Albtraum
Screenshot Bild.de - Kind im Brunnenschacht - Heute wollen sie Julen finden
Screenshot Bild.de - Vor mehr als einer Woche fiel der Junge in einen Bohrschacht - Retter wollen heute Mittag zu Julen vordringen
Screenshot Bild.de - Bild sprach mit dem Feuerwehr-Chef der Rettungsmission am Bohrloch - Ich gehe erst wieder heim, wenn wir Julen haben
Screenshot Bild.de - Julen fiel vor neun Tagen in ein Bohrloch - Wiederholt sich das Schicksal des kleinen Alfredo?
Screenshot Bild.de - Schon wieder Verzögerung bei Drama um Julen - Parallel-Schacht einsturzgefährdet

Gnadenlos und ohne Rücksicht auf irgendwas oder irgendwen schlachten sie das Schicksal eines Zweijährigen aus.

Im Mai 2017, nach dem Terroranschlag in Manchester, verteidigte Ombudsmann Ernst Elitz die Berichterstattung der “Bild”-Redaktion, die Fotos von verstorbenen Kindern und Jugendlichen gezeigt hatte, so:

Viele Mitarbeiter haben Kinder im Alter der Ermordeten. Und so wurde die Auswahl der Fotos eben nicht nur von Journalisten getroffen, sondern von Müttern und Vätern, die sich fragten: Würde ich mein Kind so zeigen, wenn meine eigene Familie von diesem Grauen betroffen wäre? (…)

Die Auswahl eines jeden Fotos war eine Gewissensentscheidung. Ich finde, das Gewissen der Mütter und Väter in der Redaktion hat bei der Auswahl der Fotos aus Manchester richtig entschieden.

Auch vor diesem Hintergrund kann man den Beitrag des “Postillon” von heute sehen: “Bild-Chef Reichelt: ‘Wenn mein 2-jähriges Kind in ein 100-Meter-Loch fällt und wahrscheinlich tot ist, hätte ich auch gern, dass die gesamte Welt live daran teilnimmt’.”

Mit Dank an Sebastian E. und Olaf für die Hinweise!

Das “meistzitierte Medium Deutschlands” zitiert nicht

Bescheidenheit ist nicht gerade die Sache der “Bild”-Redaktion. Am vergangenen Montag schlagzeilte sie auf der eigenen Titelseite:

Ausriss Bild-Titelseite - Bild ist das meistzitierte Medium Deutschlands!

Das Korkenknallen ging im Text weiter:

Es ist die härteste Währung im politischen Journalismus: mit Exklusiv-Nachrichten von der Konkurrenz zitiert zu werden. Niemandem gelang dies 2018 so häufig wie BILD.

1203-mal wurde BILD laut des angesehenen Zitate-Rankings von “Media Tenor” im vergangenen Jahr mit Nachrichten, Berichten, Interviews etc. von anderen Medien zitiert. Eine klare Meinungsführerschaft: vor “Spiegel” (1098), “New York Times” (907) und BILD am SONNTAG (895 Zitate). “Süddeutsche Zeitung” und “Handelsblatt” belegten die Plätze 5 und 6.

In der “taz” wies Steffen Grimberg darauf hin, dass es “schon mehr als etwas verräterisch” sei, “wenn man die Quelle des Freudentaumels selbst mit Attributen wie ‘angesehen’ aufpeppen muss. Denn bei Media Tenor handelt es sich um einen Laden, der mit der Kneifzange anzufassen ist.” Aber das nur nebenbei.

Schauen wir doch mal, wie “Bild” und Bild.de selbst so mit dem Zitieren umgehen. Am Dienstag, da war der “Bild”-Jubel in eigener Sache gerade mal einen Tag alt, erschien dieser Artikel:

Screenshot Bild.de - Facebook-Fotos entlarvten ihn als Betrüger - Motz-Urlauber muss TUI 22000 Euro zahlen

Ein Brite forderte von TUI Schadensersatz, da er bei seinem Urlaub auf den Kapverdischen Inseln wegen der vermeintlich mangelnden Hygiene und des vermeintlich schlechten Essens vermeintlich krank geworden sei. Allerdings zeigten Facebook-Posts des Mannes, was für eine gute Zeit er in dem Fünf-Sterne-Hotel hatte und wie begeistert er vom angebotenen Essen war. TUI ging gegen ihn wegen Betrugs vor, der Mann soll dem Reiseveranstalter nun 20.000 Pfund zahlen.

Mirror.co.uk hatte die Geschichte exklusiv. Doch von dieser Quelle ist bei Bild.de, wo sie so stolz aufs Zitiertwerden sind, kein Wort zu lesen (anders als zum Beispiel bei “Focus Online”). Zugegeben, die Story vom betrügenden Briten ist kein politischer Journalismus. Aber nur weil die Politik fehlt, wird “die härteste Währung” doch nicht dramatisch an Wert verlieren.

Autorin des Bild.de-Artikels ist Silke Hümmer, die bereits im vergangenen September im BILDblog auftauchte, nachdem sie, ohne Nennung der Quelle, bei einem anderen Portal abgeschrieben hatte.

Mit Dank an anonym für den Hinweis!

Goldkartoffel Reichelt, Selfie-Journalismus, Never ending Maaßen

1. Neue deutsche Medienmacher zeichnen “Bild”-Chefredakteur für “unterirdische” Berichterstattung aus
(deutschlandfunk.de)
“Bild”-Chef Julian Reichelt ist der erste Preisträger der “Goldenen Kartoffel”. Der Negativpreis wurde ihm von den “Neuen deutschen Medienmachern” für seine “unterirdische Berichterstattung über Aspekte unserer vielfältigen Einwanderungsgesellschaft” verliehen. BILDblog gratuliert!

2. Österreich: Rekordland bei Morden
(noemix.wordpress.com)
Wenn man den Schlagzeilen österreichischer, aber auch deutscher Medien wie “Focus Online” glaubt, ist Österreich das Rekordland bei Morden. Dabei ist es umgekehrt: Österreich ist das Land mit der niedrigsten Mordrate in ganz Europa. Michael Nöhrig erklärt das Phänomen.

3. Ein bisschen anonym? Wie Selfie-Journalismus Informanten gefährdet
(uebermedien.de, Peter Welchering)
Wenn Journalisten ihre anonym bleiben wollenden Informanten vor laufender Kamera befragten, reichte es früher, das Aussehen der Hinweisgeber oder Kronzeugen zu verändern und einen Stimmverzerrer einzusetzen. Dass dieser Schutz heute unzureichend ist, müssten Journalisten spätestens seit dem Frühjahr 2014 wissen. Da sei auf einer Forensiker-Tagung nämlich eine Methode bekannt geworden, schreibt Peter Welchering, mit der Ermittler durch Analyse der elektrischen Netzfrequenz vermummte und verkleidete Informanten enttarnen können, auch wenn deren Stimme verzerrt wurde. Deshalb lasse man Aussagen von Informanten vor der Kamera inzwischen häufig von Schauspielern nachstellen. In einem “Panorama”-Beitrag unterblieb dies, was am “Selfie-Journalismus” der Beitragsmacher liege: “Journalistische Arbeit wird zur Aufführung, die Enttarnung eines Informanten zum Kollateralschaden des Schauspiels.”

4. Presseteam der Polizei darf keine Demonstranten fotografieren
(sueddeutsche.de)
Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen hat entschieden, dass die Polizei keine Demonstranten fotografieren darf, um die Aufnahmen später für PR-Zwecke zu verwenden: “Schon dass die Polizei Demonstranten wahrnehmbar fotografiert hatte, sei rechtswidrig, urteilten die Richter. Es dürfe bei Kundgebungen erst gar nicht der Eindruck von staatlicher Überwachung entstehen. Fotografierende Polizeibeamte könnten einschüchternd wirken und Demonstranten von der Ausübung ihres Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abhalten.”

5. Maaßen wiederholt Medienschelte
(spiegel.de, Wolf Wiedmann-Schmidt)
Der (vielleicht irgendwann einmal) scheidende Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen hat seine Kritik an der Berichterstattung der Medien bekräftigt und dem “Tagesschau”-Chef Kai Gniffke einen vierseitigen Brief zukommen lassen. Es sei ein “kritischer Blick” auf “die Maßstäbe der medialen Darstellung des Rechtsextremismus erforderlich”.

6. Eine Branche stirbt: Nur noch 600 Videotheken in Deutschland
(heise.de, Wolf von Dewitz & dpa)
Es gibt nur noch (oder soll man sagen immer noch?) 600 Videotheken in Deutschland. Von 2015 bis 2017 sank nach Angaben eines Branchenverbands die Kundenzahl von 4,8 Millionen auf 2,6 Millionen. Der Verband sehe vor allem die Piraterie und deren unzureichende Bekämpfung als Wurzel allen Übels.

Rahmensetzende Worte, Elitenjob, Eingeimpfte Verunsicherung

1. Jedes Wort setzt einen Rahmen
(zeit.de, Houssam Hamade & Viola Nordsieck)
In den letzten Tagen schien es nur eine Diskussion zu geben: Gab es in Chemnitz eine “Hetzjagd” oder nicht? Bundeskanzlerin und Regierungssprecher hatten dieses Wort verwendet, während der Verfassungsschutzpräsident in der “Bild”-Zeitung Zweifel gesät hatte. Im Essay von Houssam Hamade und Viola Nordsieck geht es um den Kampf der Begriffe: “Entscheiden wir uns, über Chemnitz als eine “Hetzjagd auf Ausländer” zu sprechen, oder reden wir von “rechtsradikalen Ausschreitungen”, die “ein Viertel der deutschen Bevölkerung” zum Ziel haben? Gerade in einem aufrichtigen Gespräch wird genau diese Auswahl immer auch ein Element der Debatte sein. Anderenfalls wird sie fremdbestimmt.”
Weiterer Lesetipp:Journalisten müssen Frames genauso checken wie Fakten (stefan-fries.com).
Und wer sich inhaltlich auf den neuesten Stand bringen lassen will, ist beim ARD-“Faktenfinder” gut aufgehoben: Maaßen und das Video von Chemnitz (faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing).

2. Es machte Spaß mit Barbara Laugwitz
(taz.de, Margarete Stokowski)
Die Entlassung der erfolgreichen Rowohlt-Verlegerin Barbara Laugwitz durch den Holtzbrinck-Konzern gibt Rätsel auf. Ein Rätsel, das sie selbst nicht aufklären darf: Laugwitz erhielt eine Kontaktsperre, laut der sie weder mit ihren Ex-MitarbeiterInnen noch mit AutorInnen oder Medien sprechen darf. In der “taz” kommentiert die Rowohlt-Autorin Margarete Stokowski das Geschehen und erzählt von ihrer ersten Begegnung mit der Verlegerin.

3. “Gefahr, dass Journalismus noch mehr Elitenjob wird”
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein, Audio, 5:22 Minuten)
Der Journalist und “Netzwerk Recherche”-Projektleiter Thomas Schnedler hat für seine Dissertation mit prekär beschäftigten Journalisten gesprochen. Viele Journalisten seien auf finanzielle Unterstützung Dritter angewiesen mit den damit verbundenen Folgen: “Das ist tatsächlich eine große Gefahr, dass der Journalismus noch mehr als ohnehin schon zu so einer Art Elitenjob wird, den man sich leisten können muss, weil man entweder selber über die nötigen Mittel verfügt oder weil man eben solche Sicherheitsgaranten und andere Unterstützer hat, die einem das dann erst ermöglichen.”

4. Mein Kollege, der Roboter
(journalist-magazin.de, Anna Friedrich)
Kann der Computer leibhaftige Journalisten ersetzen? In machen Bereichen schon: Bei Börsen- und Finanzmeldungen setzen “Focus Online” und das “Handelsblatt” bereits auf das Angebot des Dortmunder Dienstleisters “textomatic”. Dort werden mit Hilfe künstlicher Intelligenz automatisierte Nachrichten produziert, ganz ohne menschliches Zutun.

5. “Eingeimpft” im MedWatch-Check Teil 1: Wie fragwürdige Experten Stimmung gegen Impfungen machen
(medwatch.de, Hinnerk Feldwisch Drentrup)
Im Dokumentarfilm “Eingeimpft” suchen Regisseur David Sieveking und seine Partnerin eine Antwort auf die Frage, ob das Paar seine Kinder impfen lassen soll oder nicht. Dazu spricht Sieveking mit Wissenschaftlern, Ärzten und Impfkritikern. “Medwatch” hat sich den Film angesehen und eigene Recherchen angestellt. Der Befund: “Eingeimpft”, so unschuldig, offen und ehrlich Sievekings Familiengeschichte daherkommt, ist die Geschichte einer Verunsicherung. Sie spielt mit der Angst von Eltern, und sie liefert Impfkritikern Nahrung für ihre Verschwörungstheorien.

6. DDR-Hörfunk-Hitparade startet (am 11.09.1953)
(wdr.de, Thomas Klug, Audio, 14:37 Minuten)
Der DDR-Fernsehunterhalter Heinz Quermann war umtriebig und vielseitig wie kaum ein anderer: Er war Redakteur, Regisseur, Talentsucher und Conférencier und soll Tausende von Sendungen in Rundfunk und Fernsehen gestaltet haben. Um westlichen Angeboten etwas entgegenzusetzen, erfand er die Schlagerrevue und wurde zum großen Übervater der Schlagersänger zwischen Kap Arkona und Fichtelberg. Bei WDR-“Zeitzeichen” blickt man auf den 11. September 1953 zurück, den Start der DDR-Hörfunk-Hitparade.

dpa und deutsche Redaktionen schicken Tausende russische Panzer

Es steht heute fast überall:

Screenshot Focus Online - Erstmals ist China dabei -Mit 300.000 Soldaten und 36.000 Panzern - Russland startet Rekord-Manöver
Screenshot RT Deutsch - Russland beginnt größtes Manöver im Fernen Osten: 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, 1.000 Flugzeuge

Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

297.000 Soldaten seien bei “Wostok-2018” (Osten-2018) im Einsatz, 1000 Flugzeuge wie Suchoi Su-34 und Su-35-Jagdbomber, Kampfhubschrauber und Drohnen, 80 Schiffe der Pazifik- und Nordmeerflotte, darunter Fregatten mit Kaliber-Raketen, die in Syrien zum Einsatz kamen, Luftlandetruppen, bis zu 36.000 Panzer, verkündete Walerij Gerassimow, der Generalstabschef der russischen Streitkräfte, vor internationalen Militärs.

Screenshot eines Tweets von Zeit Online - 300.000 Soldaten und 36.000 Panzer - Russland startet eines der größten Militärmanöver seiner Geschichte

Russland beginnt sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Das russische Verteidigungsministerium will 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, hunderte Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.

Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Screenshot n-tv.de - Wie zu besten Sowjet-Zeiten Russland startet Rekord-Militärmanöver - 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer und mehr als 1000 Jets und Hubschrauber: Die nackten Zahlen des russischen Militärmanövers sind beeindruckend und erinnern an Sowjet-Zeiten. Auch China und die Mongolei mischen mit.

Bei der Übung Wostok (Osten) 2018 wolle das russische Verteidigungsministerium 300.000 Soldaten, 36.000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffe einsetzen.

Russland beginnt heute sein größtes Manöver seit sowjetischen Zeiten 1981. Bei der Übung Wostok 2018 will das russische Verteidigungsministerium 300 000 Soldaten, 36 000 Panzer, mehr als 1000 Flugzeuge, Hubschrauber und Drohnen sowie 80 Marineschiffen einsetzen.

Das waren, in dieser Reihenfolge: “Focus Online”, “RT Deutsch”, FAZ.net, “Spiegel Online”, “Zeit Online”, Stern.de, Deutschlandfunk.de, Welt.de, n-tv.de, “Die Achse des Guten”, Stuttgarter-Nachrichten.de. Und wir könnten die Liste noch eine ganze Weile fortführen.

Tatsächlich verfügt Russland gar nicht über 36.000 Panzer. Es sind deutlich weniger: Laut “Statista” 15.500, laut “Wikipedia” etwas über 22.000, wobei dort auch die Panzer mitgezählt sind, die als “retired” gelten. Es existieren also durchaus viele Panzer in Russland, aber eben nicht 36.000.

Dass so viele deutsche Medien von “36.000 Panzern” schreiben und dass sie häufig so gleich klingen in ihren Artikeln, dürfte an der dpa liegen. Die hat heute früh um 3:27 Uhr über den Basisdienst eine erste Agenturmeldung verschickt, in der von eben jenen 36.000 Panzern die Rede ist. Drei Minuten später kam ein “Nachrichtenüberblick” mit derselben falschen Zahl, ebenfalls über den großen Basisdienst. Viele Redaktionen übernehmen diese Artikel automatisch.

In russischen Quellen findet man die Zahl 36.000 ebenfalls im Zusammenhang mit dem Manöver “Wostok”. Etwa bei der staatlichen Nachrichtenagentur “TASS”. Allerdings setzt sie sich dort anders zusammen:

Taking part in the drills are about 300,000 Russian troops, over 1,000 aircraft, helicopters and unmanned aerial vehicles, up to 36,000 tanks, armored personnel carriers and other vehicles, up to 80 ships and supply vessels, the Defense Ministry added.

Also: bis zu 36.000 Fahrzeuge, zu denen die Panzer genauso zählen wie die Jeeps der Kommandeure.

Die dpa verschickte um 9:36 Uhr eine Berichtigung über ihren Basisdienst. Dort waren die “36.000 Panzer” in “bis zu 36.000 Panzer, Panzerwagen und andere Fahrzeuge” geändert. Manche Redaktionen übernahmen diese Änderung, andere — siehe oben — nicht.

Bei den falschen 36.000 Panzern dürfte es sich um einen Übersetzungs- und/oder Flüchtigkeitsfehler handeln. Dass überall ebenfalls von 300.000 Soldaten geschrieben wird, die vor Ort im Einsatz sein sollen, sieht manch einer als Verbreiten von aufgeblasenen Zahlen der “russischen Münchhausens”. Nur zum Vergleich: An Sapad-81, dem größten Manöver, das je in der Sowjetunion stattgefunden haben soll, mitten im Kalten Krieg, nahmen rund 150.000 Soldaten teil.

Mit Dank an Tom S. für den Hinweis!

Jan Ullrich und die Vielleicht-Journalisten

Wenn man bei “Zeit Online” nach “Jan Ullrich” sucht, findet man aus den vergangenen Wochen vier Beiträge.

Wenn man bei Stern.de sucht, findet man vierundfünfzig.

[Collage mit etwa zwei Dutzend Überschriften von Stern.de]

Als Ullrich nach seinem Ausraster auf Til Schweigers Grundstück erklärte, dass er nun eine Therapie machen wolle, erschien bei Stern.de:

Jan Ullrich - Nach dem Absturz will er eine Therapie machen

Und ein paar Stunden später:

Früherer Radprofi Jan Ullrich will nach Vorfall auf Mallorca Therapie machen

Und ein paar Stunden später:

Für seine Kinder: Jan Ullrich will eine Therapie machen

Als Ullrich ein paar Tage darauf nach einem mutmaßlichen Angriff auf eine Escort-Dame in Frankfurt festgenommen wurde, erschien bei Stern.de:

Jan Ullrich - Er wurde am Morgen in Frankfurt festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Jan Ullrich in Frankfurter Luxus-Hotel festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Ex-Radprofi Jan Ullrich in Frankfurt festgenommen

Und ein paar Stunden später:

Ex-Radprofi Jan Ullrich in Frankfurt festgenommen

In den Beiträgen (die von verschiedenen Agenturen stammen) steht zwar überall das gleiche, aber hey, mehr Artikel bedeuten schließlich: mehr Klicks.

Und viel mehr Artikel bedeuten viel mehr Klicks. Das weiß niemand besser als das Team von “Focus Online”. Ganze 65 Artikel hat das Portal in den zweieinhalb Jan-Ullrich-Skandal-Wochen veröffentlicht — fast doppelt so viele wie “Zeit Online” (4), “Spiegel Online” (12) und FAZ.net (19) zusammen. Und sogar deutlich mehr als Bild.de (43).

Denn “Focus Online” veröffentlicht nicht nur endlos Agenturmaterial, sondern auch Beiträge von anderen Medien. Zum Beispiel:

Dieser Inhalt wird bereitgestellt von Mallorca Magazin: Mit Bettlaken verhüllt und in Handschellen - Hier wird Jan Ullrich auf Mallorca zum Haftrichter gebracht

Von “GQ” nacherzählte Witze des “Postillon” nochmal recyceln. “Focus Online” weiß eben, wie man mit minimalem Aufwand maximale Klicks einfährt.

Aber: Hin und wieder macht die Redaktion tatsächlich mal was selbst.

Gefallener Radsport-Star - Hier wurde Jan Ullrich festgenommen: Meine Nacht im Frankfurter Luxus-Hotel - Erst Polizeigewahrsam auf Mallorca nach einer Rangelei auf dem Grundstück seines Villa-Nachbarn Till Schweiger, dann Zwangseinweisung in eine Psychiatrie, nachdem er eine Escort-Dame in einem Frankfurter Luxus-Hotel gewürgt haben soll: Die Ausfälle des gefallenen Radsport-Stars Jan Ullrich nehmen kein Ende. FOCUS-Online-Reporter Ulf Lüdeke hat eine Nacht später im selben Hotel übernachtet.

Da schläft also ein Reporter von “Focus Online” eine Nacht später im selben Hotel, und was passiert? Nix.

Wen man im Hotel zum Vorfall fragt, erklärt freundlich, nichts zu wissen.

Auch am Bar-Tresen, wo man normalerweise viel über das Leben in einem Hotel erfährt, halten sich die Angestellten bedeckt zu den Vorgängen der letzten Nacht.

Was macht der Reporter also? Setzt sich bis nachts an die Bar.

1.30 Uhr, Freitagnacht: Der allerletzte Gast ist aus der Bar verschwunden. Das Klirren der letzten Gläser, die vom Tisch geräumt werden, läutet den Feierabend für die Nachtschicht am Tresen ein. Der Fahrstuhl kommt so geräuschlos, wie der dichte Teppich jeden Schritt im Haus schluckt.

Aber damit “Focus Online” die “bis zu 6000 Euro”, die hier pro Nacht fällig werden, nicht völlig umsonst ausgegeben hat, schreibt er noch schnell:

Mein Deluxe-Zimmer ist hell und freundlich. 35 Quadratmeter Wohlfühlzone mit Sitzecke und schwerem Holzschreibtisch, ein elegantes Milchglasfenster lässt Licht in das riesige Badezimmer fallen.

Die Matratze vom Doppelbett ist dick und solide. Vielleicht war es genau dieses Bett, auf das sich Ullrich sich mit der Escort-Dame legte?

Vielleicht!

Und vielleicht darf sich der Reporter ja bald über ein Jobangebot der “FAZ” freuen, denn auch für die ist am wichtigsten, dass sie Zeilen gefüllt bekommt. Was drinsteht, ist wumpe:

Tweet von @hauckundbauer - Für Qualitätsjournalisten ist es z. Zt. nicht ganz leicht, den für die Jan-Ullrich-Berichterstattung vorgesehenen Platz auch vollzukriegen. Dazu ein Zeitungsausriss der FAZ: ... für eine Inhaftierung lägen nicht vor. Ullrichs Anwälte äußerten sich zunächst nicht zu dem Vorfall. Überhaupt ist am Freitag von der Aufregung nichts mehr zu erahnen. Kaum vorstellbar, dass hier in dem Fünf-Sterne-Hotel an der Kennedyallee vor ein paar Stunden noch viel los war. Nun herrscht wieder Ruhe. Wochenend-Gäste checken ein, die Concierges nehmen ihnen die Koffer ab. Im Innenhof schützen Schirmae und ein Baum zwei Gruppen vor der Sonne. Ein Springprunnern plätschert, Wind fährt durch das Blumenbeet. Die einen trinken Kaffee, zwei Asiatinnen essen zu Mittag. Ihr Hund wedelt mit dem Schwanz - ermöchte auch etwas abhaben.

In welchem Ausmaß deutsche Onlinemedien sonst noch über Jan Ullrich berichtet haben, haben wir in dieser Übersicht (PDF, mit Links zu den jeweiligen Artikeln) zusammengestellt:

Dazu auch:

Bild.de versetzt Tochter an Tatort

In Offenburg soll gestern ein Mann einen Arzt in dessen Praxis mit einem Messer erstochen haben. Bei Bild.de erzählten sie auf der Startseite diese falsche Geschichte dazu:

Screenshot Bild.de - 26-Jähriger tötet Hausarzt mit Messer - Tochter (10) war dabei, als ihr Vater in der Praxis starb

Der vermeintliche Umstand, dass die Tochter vor Ort gewesen ist, macht den ohnehin schon dramatischen Fall noch dramatischer. Das findet auch Bild.de-Autorin Stephanie Keber:

Am Donnerstagmorgen stürmte ein Mann (26) in eine Hausarztpraxis in Offenburg (Baden-Württemberg), tötete einen Mediziner und dessen Assistentin mit einem Messer. Schrecklich: Die Tochter (10) des Arztes war dabei, als ihr Vater in den Räumen der Praxis starb.

Dass auch die Assistentin getötet wurde, stimmt nicht — sie wurde verletzt und musste ins Krankenhaus. Diese Stelle hat Bild.de inzwischen korrigiert.

Doch zurück zu der Tochter. Dass die ebenfalls in der Praxis gewesen sein soll, berichteten auch anderen Medien. Darunter “Focus Online”:

Screenshot Focus Online - Sie rief noch Papa! Mann ersticht Arzt in Offenburger Praxis - zehnjährige Tochter sieht Drama mit an

HNA.de:

Screenshot HNA.de - Angriff ohne Vorwarnung - Messerattacke in Offenburg: Arzt vor seiner Tochter (10) getötet - Haftbefehl erlassen

Merkur.de:

Screenshot Merkur.de - Messerattacke in Offenburg: Arzt vor seiner Tochter (10) getötet - Haftbefehl erlassen

Sie alle beziehen sich dabei auf die “Bild”-Medien.

Da der mutmaßliche Täter aus dem Ausland stammt, interessiert sich auch die AfD für den Fall. Ein Landtagsabgeordneter der Partei startete noch gestern einen Demo-Aufruf, unter anderem mit der Behauptung:

Anlass ist der feige Mord […] an einem deutschen Arzt vor den Augen seiner 10-jährigen Tochter

Woher die Partei die Information mit der Tochter hat, wird nicht direkt klar. Da aber nur Bild.de und die von Bild.de abschreibenden Redaktionen dieses Detail erwähnten, dürfte auch die AfD es von dort haben.

Das Portal “Baden online” berichtet heute* von der Pressekonferenz der zuständigen Staatsanwaltschaft. Dort ging es auch um die angebliche Anwesenheit der Tochter:

Entgegen diverser Berichte hat die Staatsanwaltschaft keine Hinweise darauf, dass sich Familienangehörige während der Tat in der Praxis aufgehalten haben, sagte [Staatsanwaltschaftsleiter] Schäfer. Unter anderem die AfD Ortenau behauptet auf einem Flyer, dass der Arzt vor den Augen seiner Tochter getötet worden sein soll. Das war den Ermittlern zufolge nicht so.

Mit Dank an Fabian für den Hinweis!

*Nachtrag, 18. August: “Baden online” hat den verlinkten Beitrag in der Zwischenzeit überarbeitet. Daher findet man die oben zitierte Passage nicht mehr in dem Artikel. Stattdessen heißt es dort nun:

Falsch waren Medienberichte und Kommentare in den sozialen Medien, denen zufolge die zehnjährige Tochter des Hausarztes die Tat beobachtet haben soll. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Tat unter den Augen eines Angehörigen stattgefunden habe, betonte Schäfer. Tatsächlich scheint sich das Kind aber in unmittelbarer Nähe des Tatorts befunden zu haben.

Wie “Bild” mit Ausländern Rekorde knackt – ein Beispiel

Bei “Bild” haben sie neulich einen Rekord geknackt: Im Juni erreichte die Redaktion mit ihren Artikeln als erste deutschsprachige Website mehr als 5 Millionen Interaktionen in den Sozialen Netzwerken, also zusammengerechnete Likes und Kommentare bei Facebook, Retweets bei Twitter und so weiter. Der Chef dankte dem “ganzen NP-Team”, was wohl “New Platforms” heißen soll:

Screenshot eines Tweets von Julian Reichelt - Dank an Andreas Rickmann, Jakob Wais, Marc Biskup und das ganze NP-Team. Ihr habt es einfach drauf!

Nun ist 5.000.000 erst mal eine (große) Zahl, die nicht zwingend etwas über die Qualität der kommentierten, geliketen und retweeteten Artikel aussagt. Und dass ein Lügenportal wie “jouwatch” im selben Ranking auf Platz 11 liegt oder die Islamhasser von “Politically Incorret” auf Platz 31 oder “RT Deutsch” auf Platz 19 oder “Promiflash” auf Platz 10 oder “Epoch Times” auf Platz 6 oder “Focus Online” auf Platz 4, spricht auch dafür, dass es dort ausschließlich um Quantität geht.

Wie die “Bild”-Redaktion auch zu ihrem Rekord kommt, mit welcher Art von Inhalten sie viele Interaktionen erzielt, und wie diese Inhalte aufbereitet sind, kann man zum Beispiel an diesem Text über Freibäder in Chemnitz und Zwickau beobachten, der am 24. Juli bei Bild.de erschienen ist:

Screenshot Bild.de - Stell dir vor es ist Sommer und ... Keiner geht ins Freibad

Ausgangspunkt des Artikels ist ein Facebook-Post des Betreibervereins des Freibads Crossen in Zwickau. Carol Forster, der Vorsitzende des Vereins, schreibt darin unter anderem:

Hallo Zusammen…

aus aktuellem Anlass hier auf der Facebook Seite des Freibades Crossen ein mehr oder weniger Hilferuf und / oder die Frage: Was können wir noch verändern und/ oder verbessern.

Hintergrund ist jener, dass wie vielleicht Einige von Euch gelesen haben, die derzeitige Besuchersituation in allen Freibädern der Stadt Zwickau, so auch bei uns recht Verhalten ist.

Obwohl wir ja nun schon seit einigen Wochen mehr als nur schönes Badewetter haben.

Woran liegt es:
An den Ferien ?
An den Eintrittspreisen ?
Am Umfeld ?
Am Service ?
Oder hat jetzt jeder einen Mini Pool im Garten ?

Eure Meinung zählt…..

Wir wissen es eben nicht und machen uns nun berechtigte Sorgen wie es weiter gehen soll.

“Bild” und Bild.de griffen die Sache auf. Forster kommt im Artikel zu Wort und sagt, dass “das Freibad als soziokultureller Treffpunkt” verlorengehe:

“Heute verabredet man sich in der WhatsApp-Gruppe, bequatscht so alles — früher war der Treffpunkt das Freibad.”

Roland Mehlhorn, Schwimmmeister aus Annaberg, nennt einen anderen Grund, warum vornehmlich Jugendliche nicht mehr ins Freibad kämen:

“Wenn ihre komischen Wetter-Apps Regen anzeigen, kommen sie nicht. Dabei stimmen die Vorhersagen oft gar nicht!”

Und dann taucht noch ein “Bad-Betreiber aus dem Vogtland” auf, der seinen Namen aber offenbar nicht nennen möchte, jedenfalls bleibt er anonym:

Weiterer Grund für den Besucherschwund: “Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind”, so ein Bad-Betreiber aus dem Vogtland zu BILD.

Jaja, die lärmenden Ausländer wieder.

Das Argument ist allein schon deswegen interessant, weil es auch recht schnell unter dem Facebook-Post des Freibads Crossen auftauchte

Schon einmal darüber nachgedacht, dass es vielen “Einheimischen” unbehaglich ist, von unseren zugereisten Neubürgern begafft zu werden?

… und Vereinschef Forster darauf antwortete, dass es so gut wie keine “zugereisten Neubürger” als Badegäste bei ihnen gebe:

Das ist aber weit weit hergeholt als Argument. Sorry. Erstens haben wir noch fast keine, wie sagtet ihr, Neudeutschen, bei uns gehabt und zweitens ist es immer möglich, gegenüber evtl. Daneben Benehmen einzuschreiten.

All die Leute, die unter dem zum Artikel gehörenden Facebook-Post der “Bild”-Redaktion ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen, juckt so ein Argument natürlich nicht. Sie wollen eben nur ihren Ärger, ihre Wut, ihren Hass hinterlassen:

Screenshot eines Facebook-Kommentars - Es sind andere Gäste da als früher. Jugendliche, auch aus anderen Kulturkreisen, die oft sehr laut sind... mehr Begründung braucht es nicht!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - wieso gehen wir nicht ins Freibad? Weil wir keine Lust haben mit 500 anderen Menschen in einem kleinem Becken eingepfercht zu sein. Weil wir keine Lust haben, dass den Kindern ohne Rücksicht auf den Kopf gesprungen wird.
Weil wir keine Lust haben, angepöbelt zu werden. Weil wir keinen gefühlten Auslandsurlaub machen wollen
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ein neuer Bürger hat im Bad gemeint, meine Frau an Stellen begrabschen zu dürfen, wo er es für richtig hält! Hat er nur einmal gemacht, jetzt geht's nicht mehr! Leider ist das, mal vom Eintritt abgesehen, die Realität... Nein, ich bin kein Rassist, da selbst andere Wurzeln, aber irgendwo gibt's Grenzen!
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Meine Kinder gehen nur aus einem einzigen Grund nicht mehr ins Freibad, wegen der sexuellen Belästigungen, die sie durch kulturfremde Menschen erfahren haben.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Das Freibad ist nicht mehr das was es war...ein erholungsort eine Oase zum Abkühlen.Respekt und Anstand herrschte mal und die Kinder und Frauen waren sicher.
Das war einmal ....die Gäste haben sich geändert und das ist der Preis der Toleranz
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Komisch das es in wirklich JEDEM Bereich Probleme mit den Bereicherern gibt und wir aber offiziell kein Problem haben. Schließt die Bäder und gut ist, so wie im Moment nutzen sie zumindest keinem Einheimischen etwas. Und das sind die welche den Spass finanzieren.
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Wenn ich mit meinem Mann ins Freibad gehen würde, würde mein Mann im 10 Minütigen Takt dort Backpfeifen verteilen bei dem Volk das dort teilweise rum läuft und meinen die dürften hier alles! Ne , da sind wir sowas von raus. und mit dem Handy hat es rein garnichts zu tun
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Ja, auch ich habe einmal sehr schlechte Erfahrungen in einem Städtischen Bad gemacht. Jugendliche aus anderen Kulturkreisen, ach es ist problematisch
Screenshot eines Facebook-Kommentars - Nun ja, im Freibad darf man das nicht und jenes nicht. Dann weiß man nicht wer als Handtuch Nachbar auftaucht. Ich kenne viele Frauen und Mädels die da nicht mehr hingehen weil Horden von Neubürger meinen sie sind da Freiwild.

Noch mal: Im Zwickauer Freibad Crossen, um das es im Beitrag geht, sind Menschen mit Migrationshintergrund laut Betreiberverein kein Problem, allein schon, weil kaum da. Eine anonyme Quelle hat diesen Aspekt ins Spiel gebracht, und “Bild” hat ihn in den Artikel gepackt.

Dass es daraufhin im Kommentarbereich der “Bild”-Facebookseite so wirkt, als traue sich kaum noch jemand ins Freibad, weil dort “Bereicherer”, “neue Bürger”, “Jugendliche aus anderen Kulturkreisen” lauern, ist umso erstaunlicher, wenn man sich aktuelle Meldungen zu Besucherzahlen von Freibädern im Rest Deutschlands anschaut:

Aachen — Rekord!
Elmshorn — Rekord!
Grevesmühlen — Rekord!
Unna — Rekord!
Wermelskirchen — Rekord!
Ganderkesee — Rekord!
Saarlouis — Rekord!
Rastede — Rekord!
Siegburg — Rekord!
Leipzig — Rekord!
Ratingen — Rekord!
Tarp — Rekord!
Hannover — Rekord!

Das ließe sich noch eine ganze Weile fortführen.

Apropos Rekord: Bis jetzt hat die “Bild”-Redaktion mit ihrem Artikel zum Freibad in Crossen nur bei Facebook über 10.700 Interaktionen erzielt. Allein der Facebook-Post des “Bild”-“NP-Teams” wurde 2197 Mal kommentiert, 936 Mal geteilt, 1725 Mal geliket. Dazu kommen zahlreiche Interaktionen durch AfD-Accounts und -Politiker. Es braucht eben nur Ausländer, schon läuft das mit dem Rekord in den Sozialen Netzwerken.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Jens Schröder hat den Fall bei “Meedia” ebenfalls schön aufgedröselt:

Medien über Mesut Özil: der Rassismus der Anderen

Kurz nach dem Ausscheiden bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Russland berichteten viele Medien vor allem über einen deutschen Nationalspieler: Mesut Özil. Es war schließlich auch etwas passiert nach dem letzten Gruppenspiel gegen Südkorea: Eine Person auf der Tribüne beleidigte Özil, vermutlich ausländerfeindlich. Der DFB schrieb uns auf Nachfrage, dass dem Verband Informationen vorliegen, die diesen Vorgang bestätigen. Özil ließ sich das nicht bieten. Torwarttrainer Andreas Köpke und ein Bodyguard mussten einschreiten.

Doch statt zu schreiben “Eklige Attacke gegen Mesut Özil” oder “Rassistischer Angriff auf Nationalspieler”, titelten die Redaktionen:

Screenshot BZ - Pleite gegen Südkorea - Özil legt sich nach WM-Aus mit deutschen Fans an
(bz-berlin.de)
Screenshot T-Online - Nach WM-Debakel - Özil legt sich mit deutschen Fans an
(t-online.de)
Screenshot Sky Sport - Der Weltmeister ist raus - Nach Peinlich-Aus: Özil legt sich mit den Fans an
(“Sky Sport”)
Screenshot Rheinische Post - Nach dem Spiel gegen Südkorea - Özil und Köpke legen sich mit deutschen Fans an
(“RP Online”)
Screenshot Focus Online - Nach WM-Debakel - Mesut Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Focus Online”)
Screenshot Express.de - Auch das noch - Mesut Özil gerät in Auseinandersetzung mit deutschen Fans
(Express.de)
Screenshot Huffington Post - Bodyguard musste ihn beruhigen - Özil zofft sich mit deutschen Fans
(“Huffington Post”)
Screenshot Mitteldeutsche Zeitung - Nach WM-Aus gegen Südkorea - Özil gerät mit deutschen Fans aneinander
(“Mitteldeutsche Zeitung”)
Screenshot Reviersport.de - Özil zofft sich nach der DFB-Pleite mit Deutschland-Fan
(“Reviersport”)

So, als ginge die Aggression von Özil aus; als hätte nicht zuerst irgendein Holzkopf ausländerfeindlichen Dreck von sich gegeben; als müsste ein Nationalspieler nach dem Ausscheiden bei einer WM alles hinnehmen, auch rassistische Anfeindungen; als dürfte er sich gegen die Beleidigung nicht wehren, ohne mit dieser Reaktion für Ärger zu sorgen.

Genau das behaupten “Bild” und Bild.de, wenn sie zwei Tage nach der Niederlage schlagzeilen:

Ausriss Bild-Zeitung - Özil - Zweimal Ärger und sonst nix

Ärger Nummer 1 laut “Bild”-Medien: das unsägliche Treffen von Mesut Özil und dessen Nationalmannschaftskollegen Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Ärger Nummer 2: die Szene nach dem Südkorea-Spiel:

Emotionen zeigte Özil bei der WM nur einmal: Als er nach dem Aus vorm Spielertunnel von einem “Fan” beleidigt wurde, musste er von Torwart-Trainer Andy Köpke zurückgehalten werden.

Köpke zu BILD: “Der Fan hat ihn beschimpft. Ich habe Mesut zurückgezogen und zu dem Fan gesagt, er soll den Schnabel halten.” Nach BILD-Info sollen ausländerfeindliche Beleidigungen gefallen sein.

Die bewusste Teilnahme an einem Treffen mit einem Autokraten auf der einen Seite, eine Beleidigung durch eine fremde Person auf der anderen — für die Mitarbeiter von “Bild” und Bild.de alles dieselbe kritikwürdige Soße, die sie Özil vorhalten:

Es begann mit Zoff und endete mit Zoff. Und dazwischen war sportlich leider nix los.

“sportlich leider nix los” ist dann auch eine ausgesprochen negative Auslegung dessen, was Mesut Özil beispielsweise gegen Südkorea auf dem Spielfeld gezeigt hat. Er hat sicher kein überragendes Spiel gemacht, aber laut Statistiken deutlich mehr als “nix”: mit 110 Ballberührungen die zweitmeisten im deutschen Team, mit 95 Pässen ebenfalls die zweitmeisten, darunter sieben sogenannte “Key Passes”, also solche, die direkt zu guten Chancen führen. Mesut Özil war, glaubt man den Zahlen, gegen Südkorea einer der Besten einer insgesamt schwachen Mannschaft.

Und dennoch suchten zahlreiche Redaktionen Fotos von Özil aus, um das Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft zu bebildern: Die “Welt” zeigte, “wie schwach Deutschland wirklich war”, und wählte für den Artikel ein Foto von Özil. Bei der “FAZ” brachten sie die Schlagzeile “Der deutsche Untergang” und wählten ein Foto von Özil (was die Redaktion später änderte). “Bild” schrieb bei Instagram “Peinlicher Auftritt” und wählte dazu ein Foto von Özil. “Pro Sieben” forderte ausschließlich Mesut Özil per Twitter zum Rücktritt auf (wofür sich der Sender später entschuldigte). “11 Freunde”-Chefredakteur Philipp Köster hat das alles drüben bei “Übermedien” detailliert aufgeschrieben.

Mit der sportlichen Leistung allein lässt sich die Wucht der Kritik an Mesut Özil nicht erklären. Vielleicht spielt eine angestaute Wut darüber, dass er die deutsche Nationalhymne nicht mitsingt, eine Rolle. Vielleicht das generelle Misstrauen gegenüber, der Hass auf Türken. Auf jeden Fall immer noch das Foto mit Erdogan. Karim Benzema, französischer Fußballer mit algerischen Wurzeln und früher Stürmer in Frankreichs Nationalmannschaft, sagte mal: “Wenn ich ein Tor schieße, bin ich Franzose, aber wenn ich keins schieße oder wenn es Probleme gibt, dann bin ich Araber.”

Am Sonntag erschien in “Bild am Sonntag” und bei Bild.de (dort inzwischen gelöscht) ein Kommentar von Hatice Akyün:

Ausriss Bild am Sonntag - Der Rassismus gegen Özil hat mich umgehauen

Sie kritisiert völlig zurecht die ausländerfeindlichen Parolen von AfD-Politikern gegen Mesut Özil. Zur Rolle der Medien verliert sie hingegen kein Wort, leider auch nicht zur Kampagne von “Bild” und Bild.de, die für den “Rassismus gegen Özil” mindestens ein nützliches Klima geschaffen hat.

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