Suchergebnisse für ‘focus online’

Twitter vs. QAnon, Bayern-Razzia, Falsches Mallorca-Bild

1. Twitter dreht Pro-Trump-Verschwörungskult den Saft ab
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Twitter will den rechtsradikalen Verschwörungsideologen rund um QAnon den Nährboden entziehen und hat in den vergangenen Wochen bereits 7.000 Accounts gesperrt. Weitere 150.000 seien von einer Art Reichweitenbegrenzung betroffen. Markus Reuter kommentiert: “Dem US-Präsidenten Trump könnte durch die Maßnahmen auf Twitter eine äußerst aktive User-Basis im Wahlkampf wegbrechen, da es Überschneidungen zwischen seiner Kern- und der Verschwörungsanhängerschaft gibt.”

2. Science Slams: Kampf dem Fachchinesisch
(ndr.de, Jürgen Deppe)
Bei sogenannten Science Slams kämpfen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen mit kurzweiligen und unterhaltsamen Vorträgen um die Gunst des Publikums. Julia Offe organisiert und veranstaltet seit 2009 die verschiedensten wissenschaftlichen Wettstreite in Deutschland. Im Interview mit NDR Kultur spricht sie über Wissenschaftskommunikation und erklärt, warum der Charité-Virologe Christian Drosten ein ausgezeichnetes Beispiel für Wissenschaft auf Augenhöhe ist.

3. Bayernweite Razzia wegen Hasskommentaren im Netz
(spiegel.de)
Wie das bayerische Landeskriminalamt mitteilt, habe es bayernweite Durchsuchungen im Rahmen der Initiative “Justiz und Medien – Konsequent gegen Hass” gegeben. Ein lokaler Radiosender habe auf Facebook per Livestream Bilder einer Flüchtlingsdemonstration gezeigt. Daraufhin hätten mehrere bayerische Nutzer und Nutzerinnen strafbare Kommentare geschrieben, welche die Ermittlungen gegen sie ausgelöst hätten.

Bildblog unterstuetzen

4. Georg Löwisch: Es ist nicht unsere Aufgabe, Bischofsringe zu küssen
(katholisch.de, Steffen Zimmermann)
“Christ & Welt” war ursprünglich eine evangelisch-konservative und lange Zeit sehr erfolgreiche “Wochenzeitung für Glaube, Geist, Gesellschaft”. Nach mehreren Eigentümerwechseln wird sie seit einiger Zeit als Sonderbeilage der “Zeit” fortgeführt. Heute erscheint die erste Ausgabe unter der Leitung des neuen Chefredakteurs Georg Löwisch, der über 20 Jahre bei der “taz” beschäftigt war, zuletzt als Chefredakteur. Im Interview spricht Löwisch unter anderem über seine publizistischen Ziele und seine Haltung: “Unsere Aufgabe ist es, gegenüber der Institution und den Mächtigen in der Kirche streng zu sein. Es wäre, glaube ich, niemandem geholfen, wenn wir den Exzellenzen nur ehrfürchtig ihre Bischofsringe küssen würden.”

5. Wie wir die Welt sehen
(journalist.de, Ronja von Wurmb-Seibel)
Die Autorin, Filmemacherin und Journalistin Ronja von Wurmb-Seibel hat für die “Zeit” geschrieben und ist unter anderem Autorin eines Buchs über Afghanistan, wo sie auch für eine gewisse Zeit gelebt hat (“Ausgerechnet Kabul: 13 Geschichten vom Leben im Krieg”). In ihrem “Blick auf den Journalismus” erzählt sie von ihrem beruflichen Werdegang und ihrer persönlichen Entwicklung: “Je mehr ich mich mit Angst und ihren Folgen beschäftigte, desto besser verstand ich, warum sich meine Art, Geschichten zu erzählen, so grundlegend verändert hatte: Ich sah keinen Grund dafür, die Welt noch negativer darzustellen, als sie ohnehin schon ist. Noch negativer, als wir sie ohnehin schon sehen.”

6. Mallorca: Einige Medien nutzten ein nicht gekennzeichnetes Archivbild für aktuelle Berichterstattung
(correctiv.org, Kathrin Wesolowski)
“Focus Online” und Welt.de haben laut “Correctiv” in der aktuellen Berichterstattung ein altes und irreführendes Bild eines überfüllten Mallorca-Strands verwendet. Bei Welt.de illustrierte es die Schlagzeile “Hunderte Deutsche feiern am Ballermann – und missachten alle Corona-Regeln”. Aktuelle Live-Bilder einer Webcam würden jedoch einen weitgehend menschenleeren Strand ohne Strandliegen und Sonnenschirme zeigen.

Antifa-Rechercheplattformen, Corona-Empathie, Schnuckelchen

1. Vorsicht vor “antifaschistischen Rechercheplattformen”!
(welt.de, Ricarda Breyton)
Die “Welt”-Politikredakteurin Ricarda Breyton warnt vor “antifaschistischen Rechercheplattformen”: “Im Internet kursierten zuletzt fragwürdige Meldungen über den inzwischen zurückgetretenen Sprecher der Werte-Union sowie den Ostbeauftragten der Regierung. Die wurden in die Nähe von Rechtsradikalen gerückt. Diese Art der Gerüchteverbreitung muss verhindert werden.”
Auf Twitter antwortet der AfD- und Faschismus-Experte Andreas Kemper: “Ausgerechnet die WELT warnt vor antifaschistische Rechercheplattformen? Für die WELT war von 2012 bis 2015 G. Lachmann als Chefreporter in Sachen #AfD zuständig. Seit seinem Rauswurf ist er Medienberater für Höcke. Sie nahm Don Alphonso auf, als die FAZ ihn nicht mehr wollte.” Der Journalist Henrik Merker schreibt: “Antifaschistische Rechercheplattformen liefern Material von Neonazi-Versammlungen, zu denen sich manche @welt-Leute nicht auf 10km rantrauen würden. (…) Dass Journalisten das Material prüfen müssen, bevor sie drüber schreiben, sollte klar sein.” Und ergänzt in einem weiteren Tweet: “Und ne, als potentielle Quelle darf man als Journalist antifaschistische Rechercheplattformen niemals ausschließen, wie das in der @welt gefordert wird. Vielmehr sollte man häufiger mal dort nachschauen, um rechtsextreme Netzwerke frühzeitig erkennen und publik machen zu können.”

2. Trusted Brands: Kündigen Sie das Abo von Steingarts “Morning Briefing” – so wird Ihr Newsletterkonsum klimaneutral
(meedia.de, Mike Kleiß)
Gabor Steingart hat in seinem Newsletter “Morning Briefing” vor wenigen Tagen dazu aufgefordert, diverse Zeitungen und Magazine zu kündigen. Mike Kleiß kommentiert ironisch: “Gut, dass der ‘Spiegel’ darauf bisher nicht eingeht, nicht zurückschießt. Etwa mit einem Cover auf dem Steingart als Kapitän zu sehen ist. An Deck der Pioneer One. Mit der Zeile: ‘Kündigen Sie einfach das Abo von Steingarts ‘Morning Briefing’ — So wird wenigstens Ihr Newsletterkonsum klimaneutral.'”

3. Influ­encer sollen über Pro­dukte “infor­mieren” dürfen
(lto.de, Annelie Kaufmann)
Das Bundesjustizministerium hat einen Vorschlag zur Kennzeichnung von Social-Media-Posts erarbeitet. Demnach müssen Äußerungen auf Sozialen Medien nicht als Werbung gekennzeichnet werden, “wenn sie ohne Gegenleistung erfolgen und vorrangig der Information und Meinungsbildung dienen”. Ein möglicher Gesetzentwurf müsse jedoch eng mit der Europäischen Kommission abgestimmt werden.

4. Die 1,4 Milliarden-Dollar-Wette inmitten der Streaming Wars: Wie viel Potenzial hat Quibi?
(omr.com, Tobi Bauckhage & Jon Hanschin)
Mehr als eine Milliarde Dollar lassen sich zwei amerikanische Unternehmer angeblich den neuen Streamingdienst Quibi kosten. Auf dem zahlungspflichtigen Kanal soll es Kurzvideos (“Quick Bites”) mit einer Länge von maximal zehn Minuten geben. Zielgruppe: Handynutzer und -nutzerinnen. Tobi Bauckhage und Jon Hanschin erklären, was es mit dem Kurzfilm-Netflix auf sich hat.

5. Wo bleibt die Empathie?
(taz.de, Fabian Kretschmer)
Die europäische Berichterstattung über das Coronavirus mache viele Chinesen und Chinesinnen wütend, so der China-Korrespondent Fabian Kretschmer. Der Mangel an Empathie gegenüber der Bevölkerung sei erschreckend. Zumal die derzeitige Situation mit einer Quarantäne für rund 60 Millionen Menschen bislang einmalig und Schuldzuweisungen unangebracht seien.

6. Schnuckeliger Vater von Sportschau-Moderatorin trainiert Schalke.
(twitter.com, Günter Klein)
Der Chefreporter Sport des “Münchner Merkur” antwortet auf eine “Focus Online”-Schlagzeile …

Wie “Bild” eine Kuscheljustiz für Vergewaltiger konstruiert

Es gebe “Verbrechen, die sprachlos machen”, schrieben “Bild” und Bild.de vergangene Woche. Die Vergewaltigung einer 100-Jährigen gehöre dazu. Und dann erst das Urteil des Gerichts:

Screenshot Bild.de - Nach dem Baden fiel er über sie her - Vergewaltiger (18) von 100-Jähriger bleibt frei!

… titelte Bild.de auf der Startseite. In der Thüringen-Ausgabe der gedruckten “Bild” gab es ebenfalls einen größeren Artikel:

Ausriss Bild Thüringen - Pfleger (18) vergewaltigt 100-Jährige - und bleibt frei!

Und in der “Bild”-Bundesausgabe eine Meldung:

Ausriss Bild Zeitung - Pfleger (19) vergewaltigt 100-Jährige - und bleibt frei!
(Zu den unterschiedlichen Altersangaben: Bei der Tat war der Mann 18 Jahre alt, bei der Gerichtsverhandlung bereits 19.)

Damit es zu diesem vermeintlichen Justizskandal reicht, muss die “Bild”-Redaktion allerdings manche Details weglassen, andere überbetonen und noch ein bisschen Politik reinrühren.

Die Tat schildern “Bild” und Bild.de so:

Ein damals 18-jähriger Pflegehelfer, der für einen ambulanten Dienst arbeitete, hatte die Aufgabe, eine 100-Jährige in ihrer Wohnung zu betreuen. Als die Seniorin nach dem Baden aus der Wanne stieg, packte der Jugendliche die 100-Jährige, vergewaltigte sie!

“fiel er über sie her”, “packte der Jugendliche die 100-Jährige”, “vergewaltigte sie” — darunter stellt man sich beim Lesen fast unweigerlich einen erzwungenen Geschlechtsverkehr vor. Den gab es in diesem Fall allerdings nicht. Die “Ostthüringer Zeitung” berichtete ebenfalls über den Prozess am Amtsgericht Gera. Redakteur Tino Zippel beschreibt den Vorwurf der Staatsanwaltschaft: Nachdem die Frau nackt aus der Badewanne gestiegen sei, habe der damals 18-Jährige sie abgetrocknet. Das habe er auch im Brust- und im Intimbereich getan. Dabei sei der Mann mit seinen Fingern in die Frau eingedrungen, was zu erheblichen Schmerzen bei der 100-Jährigen geführt habe. Bei “Focus Online” schreibt Reporter Göran Schattauer:

Im Fall der 100-jährigen Frau war der Angeklagte nach Informationen von FOCUS Online zur Tatzeit vollständig bekleidet und nicht sexuell erregt. (…)

Den Ermittlungen zufolge stand der 18-Jährige zunächst untätig im Bad herum. Dann bat ihn die Seniorin um Unterstützung. Schließlich habe er sie an den Brüsten und zwischen den Beinen abgetrocknet, so der Angeklagte. Vor Gericht gestand er, seine mit einem Handtuch bedeckten Finger in das Opfer eingeführt zu haben. Er habe noch nie eine Patientin abgetrocknet und sei von der Situation völlig überfordert gewesen. Eine sexuelle Motivation des jungen Mannes konnte in der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden.

Um eine Vergewaltigung handelte es sich trotzdem. Denn die liegt laut Gesetz auch vor, wenn ein Täter “sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt (…), die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind”.

Zum Urteil schreiben die “Bild”-Medien:

Der Vergewaltiger der 100-Jährigen wird keinen Knast von innen sehen. Er wurde wegen Vergewaltigung und sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Betreuungsverhältnisses zu einer Jugendstrafe von 22 Monaten verurteilt — auf Bewährung.

Zwar ergänzt die Redaktion noch, dass der heute 19-Jährige die Tat “im Prozess gestanden” habe, aber auch hier fehlen manche Details. Etwa dass der Täter für die gleiche Tat auf jeden Fall einen “Knast von innen” gesehen hätte, wäre er mindestens 21 Jahre alt gewesen. Das Gesetz sieht für eine Vergewaltigung eine “Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren” vor, die dann nicht zur Bewährung ausgesetzt werden kann.* Weil der Angeklagte mit 18 Jahren als Heranwachsender galt, wurde bei ihm allerdings das Jugendstrafrecht angewandt. Außerdem war er nicht vorbestraft und hat durch sein Geständnis dem Opfer eine Aussage vor Gericht erspart. Und es hätten “sich in der Hauptverhandlung keine Hinweise ergeben, wonach er zukünftig Sexualstraftaten oder andere Delikte begehen könnte. Der Angeklagte ist nicht mehr in einem Pflegeberuf tätig und hat dies auch künftig nicht vor”, so Göran Schattauer bei “Focus Online”. Der Mann sei einsichtig gewesen.

Die Artikel von “Bild” und Bild.de haben aber auch eine politische Ebene:

Richter am Jugendschöffengericht: Eugen Wagner, früherer Stadtrat der Grünen in Gera, der schon mal für Aufsehen sorgte, als er einen 73-jährigen Schwarzfahrer ohne Bewährung hinter Gitter steckte.

(Die Redaktion bekommt es nicht mal hin, den richtigen Nachnamen des Richters zu recherchieren.)

Die Richtung ist klar: Ein Grüner, der einen schwarzfahrenden Rentner in den Knast steckt, aber einen Vergewaltiger frei rumlaufen lässt.

Auch hier fehlt das eine oder andere Detail: Der damals 73-Jährige war notorischer Schwarzfahrer, mehrere Dutzend Mal wurde er ohne Ticket erwischt. Er war zuvor schon mehrfach verurteilt worden, auch auf Bewährung. Erst später stellte sich raus, dass der Mann an Demenz leidet. Bei dem Vergewaltigungsprozess gegen den Pflegehelfer kommt hinzu: Mit dem Urteil — ein Jahr und zehn Monate auf Bewährung plus 101 Arbeitsstunden sowie ein fünfseitiger Aufsatz über “Die sexuelle Selbstbestimmung der Frau”, den der Täter verfassen muss — lag das Gericht über den Forderungen von Jugendgerichtshilfe und Staatsanwaltschaft.

Der unvollständige Artikel, in denen die “Bild”-Redaktion geschickt Fakten wegließ, verfehlte seine Wirkung nicht: Der dazugehörige Post auf der “Bild”-Facebookseite wurde über 1200 Mal kommentiert, vor allem mit Wut auf den Richter und die deutsche Justiz:

Warum???? Wie kann das sein das er nicht hinter Gitter muss??? Es ist für mich unfassbar wie die Gerichte hier entscheiden… Ergibt keinen Sinn und schon garkeine Gerechtigkeit!! In Amerika wäre er jetzt ewig eingesessen! Hier?? Darf er frei herum spazieren

unsere Richter scheinen unfähig Recht zu sprechen..unfassbar

Manche Richter sollte man unverzüglich vom Dienst freistellen!

Was sind das für Richter, ich bin einfach sprachlos

Bei der Parteizugehörigkeit des Richters wundert mich das Urteil nicht.

Vor allem gibt es Urteile, die noch sprachloser machen !! Ist der Richter vielleicht krank, ganz vorsichtig gefragt

Und auch andere griffen den Beitrag auf. Beispielsweise Martin Sichert, Bundestagsabgeordneter der AfD, verlinkte ihn bei Facebook und schrieb dazu:

Skandalurteile deutscher Gerichte
Bewährung für Vergewaltigung
Gefängnis für Schwarzfahren

AfD-Ortsgruppen und -Kreisverbände, die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung, die Partei Die Republikaner sowie Dutzende Facebook-Seiten mit Namen wie “Baden-Württemberg Patrioten”, “Klartext für Deutschland – FREI statt bunt”, “NRW schaut nicht weg”, “Patrioten – BW Stuttgart” und “Mannheim / freiheitlich-patriotisch-traditionsbewusst” verbreiteten ebenfalls den Artikel.

Die Wut und der Hass blieben nicht nur im Internet. Göran Schattauer schreibt:

Nach Informationen von FOCUS Online ging beim Amtsgericht Gera sogar eine Todesdrohung gegen den 56-jährigen, aus Bayern stammenden Juristen ein.

Mit Dank an @daniel_burek für den Hinweis!

*Nachtrag, 12. Februar: Ein Leser weist uns darauf hin, dass durch Paragraph 56 des Strafgesetzbuchs durchaus die Möglichkeit besteht, dass auch eine Freiheitsstrafe, die genau zwei Jahre beträgt, unter besonderen Voraussetzungen zur Bewährung ausgesetzt werden kann.

Mit Dank für den Hinweis!

Gabor Steingarts Importgeschäft: falsches Futter für Islamhasser

Mit einem Schiff und regelmäßigen Bootstouren durch das Berliner Regierungsviertel will Herausgeber Gabor Steingart den deutschen Journalismus retten. Für den Anfang wäre es aber schon hilfreich, wenn er sich Statistiken, über die er schreibt, vorher auch mal anschauen würde.

“Focus Online” hat einen Gastbeitrag von Steingart zur “Partnerschaftsgewalt” veröffentlicht:

Screenshot Focus Online - Gastbeitrag von Gabor Steingart - Frauenrechtlerin kritisiert: Haben Gewaltbereitschaft gegen Frauen importiert

Und schon Steingarts erster Satz ist falsch:

Das Bundesfamilienministerium hat erst kürzlich die jährliche Studie zur Partnerschaftsgewalt vorgelegt.

Die “jährliche Studie zur Partnerschaftsgewalt” wird nicht vom Bundesfamilienministerium vorgelegt. Zwar hat Familienministerin Franziska Giffey die Statistik vor wenigen Tagen anlässlich des Internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen herangezogen, um auf das Problem aufmerksam zu machen — erstellt und herausgegeben (PDF) wird sie aber vom Bundeskriminalamt (BKA).

Steingart schreibt zu den Zahlen:

Ein Drittel der männlichen Täter besitzt keine deutsche Staatsangehörigkeit, was bei einem Ausländeranteil von zwölf Prozent in Deutschland ein überproportionaler Anteil ausländischer Täter wäre.

Das ist erstens unpräzise, denn in den BKA-Zahlen geht es immer um Tatverdächtige und nicht um Täter. Und zweitens ist es ein krummer Vergleich: Steingart setzt den Anteil männlicher Tatverdächtiger in Relation zum gesamten Ausländeranteil in Deutschland, zu dem dann auch Frauen und Kleinkinder zählen. Hinzu kommt, dass das BKA stets darauf hinweist, dass ein solcher Vergleich zwischen Tatverdächtigen und Wohnbevölkerung auf Grundlage seiner Zahlen gar nicht möglich sei. In der aktuellen Ausgabe der Polizeilichen Kriminalstatistik (PDF) etwa schreibt die Behörde zu den “Bewertungsproblemen” bei “nichtdeutschen Tatverdächtigen”:

Ein Vergleich der tatsächlichen Kriminalitätsbelastung der nichtdeutschen Wohnbevölkerung mit der deutschen ist schon wegen des Dunkelfeldes der nicht ermittelten Tatverdächtigen in der Polizeilichen Kriminalstatistik nicht möglich. Ferner enthält die Bevölkerungsstatistik keine Angaben zu bestimmten Ausländergruppen wie vor allem Personen ohne Aufenthaltserlaubnis, Touristinnen und Touristen, Durchreisende, Besucherinnen und Besucher, Grenzpendlerinnen und Grenzpendler und Stationierungsstreitkräfte, die jedoch in der Kriminalstatistik als Tatverdächtige mitgezählt werden. Die Volkszählungen von 1979 und von 2011 haben gezeigt, dass auch die Daten der gemeldeten ausländischen Wohnbevölkerung (fortgeschriebene Bevölkerungsstatistik) sehr unzuverlässig sind.

Die Kriminalitätsbelastung der Deutschen und Nichtdeutschen ist zudem aufgrund der unterschiedlichen strukturellen Zusammensetzung (Alters-, Geschlechts- und Sozialstruktur) nicht vergleichbar. Die sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft sind im Vergleich zur deutschen Bevölkerung im Durchschnitt jünger und häufiger männlichen Geschlechts. Sie leben eher in Großstädten, gehören zu einem größeren Anteil unteren Einkommens- und Bildungsschichten an und sind häufiger arbeitslos. Dies alles führt zu einem höheren Risiko, delinquent und damit als Tatverdächtige polizeiauffällig zu werden.

Es ist durchaus wahrscheinlich, dass nicht-deutsche Tatverdächtige in den BKA-Zahlen zur “Partnerschaftsgewalt” überrepräsentiert sind. Man kann es aber nicht so simpel belegen, wie Gabor Steingart es versucht.

Aber der eigentliche Punkt, um den es Steingart geht, ist ja sowieso ein anderer: Flüchtlinge. Dazu zitiert er “die in Istanbul geborene Publizistin und Frauenrechtlerin Necla Kelek”, die zuvor in Steingarts Podcast “Morning Briefing” zu Gast war:

Mit den Flüchtlingsströmen habe man Gewaltbereitschaft “importiert”, so Kelek.

Steingart nennt zwei “Schlussfolgerungen” Keleks. Erstens:

“Unsere Gesellschaft muss begreifen: Der Islam ist nicht einfach eine spirituelle Religion, gleichgesetzt mit der katholischen oder evangelischen Kirche, sondern der Islam kann als ein Gesellschaftssystem gelebt werden. Das müssen wir unbedingt verhindern.”

Und zweitens:

“Warum steigen die Zahlen seit 2015, seitdem wir eine sehr, sehr große Gruppe geflüchteter Menschen, beispielsweise aus dem Orient und aus Nordafrika haben. Diese Zusammenhänge werden überhaupt nicht hergestellt.”

Schaut man sich die BKA-Statistiken etwas genauer an, sieht man, dass es ziemlich tendenziöses Geraune ist, das Kelek da von sich gibt und Steingart weiterträgt.

Von den 117.473 Tatverdächtigen, die das BKA für 2018 nennt, sind 38.714 nicht-deutsche. Die zehn am stärksten vertretenen Nationalitäten unter diesen nicht-deutschen Tatverdächtigen sind:

  • Türkei (6694 Tatverdächtige)
  • Polen (3042)
  • Syrien (2759)
  • Rumänien (1909)
  • Italien (1624)
  • Afghanistan (1563)
  • Serbien (1500)
  • Irak (1228)
  • Kosovo (1165)
  • Bulgarien (1163)

Die Polen, Rumänen, Italiener, Serben und Bulgaren dürften mehrheitlich keine Muslime sein, die den Islam “als ein Gesellschaftssystem” leben. Die Türken dürften mehrheitlich nicht zu der “sehr, sehr großen Gruppe geflüchteter Menschen” zählen, die “seit 2015” nach Deutschland gekommen ist. Dass Kelek auch die Geflüchteten aus Nordafrika erwähnt, zeigt, dass sie keinen blassen Schimmer hat, was in der BKA-Statistik steht. Lediglich Marokko taucht darin mit 643 Tatverdächtigen auf. Die Länder Nordafrikas spielen in der Statistik zur “Partnerschaftsgewalt” also so gut wie keine Rolle.

Bleiben noch die Syrer, Afghanen und Iraker. Von ihnen gibt es tatsächlich mehr Tatverdächtige bei der “Partnerschaftsgewalt” als 2015 — was nach dem Zuzug von vergleichsweise vielen Syrern, Afghanen und Irakern auch keine ganz große Überraschung ist. Und dennoch: Mit 5550 Tatverdächtigen machen sie gerade mal 4,7 Prozent aller 117.473 Tatverdächtigen aus. Das reicht Gabor Steingart, um Panik zu verbreiten: Wir Deutschen hätten mit den “Flüchtlingsströmen” die Gewaltbereitschaft gegen Frauen importiert — als wäre das nicht seit Jahrzehnten auch ein urdeutsches Produkt.

Auch ganz allgemein und unabhängig von Nationalitäten taugt die BKA-Statistik übrigens nicht, um einen Anstieg bei der “Partnerschaftsgewalt” durch “Flüchtlingsströme” “seit 2015” zu belegen. Das BKA hat die Statistik erstmals für das Berichtsjahr 2015 herausgegeben. Für einen Zeitraum davor existiert keine derart detaillierte Auswertung, mit der man aktuelle Zahlen vergleichen könnte.* Seit der ersten Ausgabe hat sich die Zahl der Tatverdächtigen zwar kontinuierlich erhöht (2015: 108.363, 2016: 113.080, 2017: 116.318, 2018: 117.473), allerdings nur um wenige Prozent. Das könnte laut Familienministerin Franziska Giffey auch an der gestiegenen Bereitschaft, Anzeige zu erstatten, liegen. Und es dürfte auch damit zu tun haben, dass das BKA ab 2017 zusätzlich die Deliktsbereiche Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution in die Statistik aufgenommen hat. Die Behörde schreibt zwar nicht, wie viele Tatverdächtige dadurch 2017 und 2018 hinzugekommen sind. Aber bei den Opfern sind es 6898 von insgesamt 138.893 Personen (2017) beziehungsweise 6817 von insgesamt 140.755 Personen (2018).

Der fehlerhafte, krumme und tendenziöse Gastbeitrag von Gabor Steignart hat in den Sozialen Netzwerken eine beachtliche Runde gedreht. Besonders gut kam er bei AfD-Ortsverbänden, “Pegida”-Anhängern und FPÖ-Politikern an.

  • Ebenfalls zum Thema: Elisabeth Raether und Michael Schlegel haben für die “Zeit” in einer besonderen Rechercheleistung alle 122 Fälle aus dem Jahr 2018, in denen Frauen von ihren Partnern oder Ex-Partnern umgebracht wurden, dokumentiert: Von ihren Männern getötet.

Mit Dank an @wilke_tobias für den Hinweis!

*Nachtrag, 16:54 Uhr: In seiner ersten Statistik zur “Partnerschaftsgewalt” aus dem Jahr 2015 (PDF) hat das BKA immerhin Zahlen aus den Jahren 2012, 2013 und 2014 genannt, allerdings nur zu den Opfern und nicht zu den Tatverdächtigen. Aber auch die besitzen ja eine Aussagekraft: 2012 waren es 120.758 Opfer, 2013 stieg die Zahl auf 121.778 und 2014 noch einmal auf 126.230. 2018 waren es, wie bereits geschrieben, 140.755 Opfer. Das heißt, dass seit 2014 — also dem Zeitpunkt, zu dem laut Necla Kelek noch nicht “eine sehr, sehr große Gruppe geflüchteter Menschen” nach Deutschland gekommen war — die Zahl der Opfer um 11,5 Prozent gestiegen ist. Allerdings hat das BKA, wie ebenfalls weiter oben bereits beschrieben, in der Zwischenzeit auch neue Deliktsbereiche in die Statistik aufgenommen. Rechnet man diese für 2018 heraus, ergibt sich bei den Opfern eine Steigerung von 6,1 Prozent seit 2014.

Deckname Bernstein, Ökomythen, Böhmermann und die Hohenzollern

1. Deckname Bernstein
(taz.net, Alexander Nabert & Daniel Kretschmar)
Bei der “Berliner Zeitung” überschlagen sich derzeit die Ereignisse: Erst das wirre und umstrittene Manifest der neuen Verlagseigentümer, dann die Aufdeckung der Stasi-Tätigkeit und das Bekanntwerden von Interessenkonflikten von Neu-Eigentümer Holger Friedrich. Die “taz”-Redakteure Alexander Nabert und Daniel Kretschmar fassen den derzeitigen Erkenntnisstand zusammen.
Vertiefende Lesehinweise: Neuer Besitzer des Berliner Verlags spitzelte als IM für die Stasi (welt.de, Uwe Müller & Christian Meier) und “Berliner Zeitung” veröffentlicht Jubelbericht über Firma — an der der Verleger beteiligt ist (spiegel.de, Stefan Berg & Sven Röbel).
Die “Berliner Zeitung” hat auf die Vorwürfe mit einem Statement von Holger Friedrich und einem “In eigener Sache” reagiert.

2. Wir haben uns entschlossen …
(twitter.com/kugelundniere)
Die Medientage in München haben ein Panel zum Thema Podcasts ausschließlich mit Männern besetzt. Ein Umstand, der dem Podcast-Team von “Kugel und Niere” bei der Zusage nicht bekannt gewesen sei und nun zur Absage führte: “Wir haben uns entschlossen am Montag bei diesem Panel nicht dabei zu sein. Wir wussten bei Zusage nicht, dass nur Männer auf der Bühne sitzen werden. Wir haben angeboten, dass Anna oder Elli kommen. Es hieß, man wolle die Zusammensetzung so kurzfristig nicht ändern.”

3. Gemeinsam gegen Angriffe
(taz.de, Peter Weissenburger)
Journalistinnen und Journalisten, die über die rechte Szene berichten, führen ein gefährliches Leben. Das reicht von Beschimpfungen und Bedrohungen bis zu echten Angriffen. Nachdem Neonazis eine Demonstration gegen drei freie Journalisten angekündigt haben, wurde von Medien- und Gewerkschaftsseite der Aufruf “Schützt die Pressefreiheit” gestartet. Dem Aufruf sollen sich bislang bereits 20 Medienverbände, 17 Redaktio­nen und 450 Einzel­per­sonen angeschlossen haben.

4. Was ist schon politisch?
(zeit.de, Lisa Hegemann)
Im Gegensatz zu Facebook soll es auf Twitter laut Netzwerkchef Jack Dorsey keine politische Werbung mehr geben. Ab Ende der Woche sollen die neuen Richtlinien gelten. Lisa Hegemann erklärt die Hintergründe des Werbeverbots, die Schwachstellen und die Abgrenzungsprobleme. Und sie weist auf ein elementares Problem hin: “Das Netzwerk hat sich also zwar Richtlinien überlegt, aber ob die auch Konsequenzen haben, das scheint man je nach Einzelfall entscheiden zu wollen. Transparent ist das nicht.”

5. Die Arbeit an den Ökomythen
(flurfunk-dresden.de, Stephan Zwerenz)
Stephan Zwerenz beschäftigt sich in seiner Kolumne mit der medialen Sicht auf die Klimadebatte, die an vielen Stellen von “falschen Ökomythen” geprägt sei. Und von der, im wahrsten Sinne des Wortes, Fokussierung auf eine einzelne Person: “Aber was will man erwarten, wenn selbst seriös wirkende Nachrichtenmagazine wie Focus online regelrechte Hetzkampagnen starten, um den Hass auf die Fridays-for-Future-Bewegung zu schüren. Im Sommerloch dieses Jahres hatten die zuständigen Redakteure anscheinend nichts besseres zu tun, als fast jeden Tag über Greta Thunberg zu berichten, obwohl es gar keine Neuigkeiten von ihr gab.”

6. Jan Böhmermann, der Aufklärer
(sueddeutsche.de, Jörg Häntzschel)
Der Entertainer Jan Böhmermann übernimmt immer wieder Themen, denen sich eigentlich der Journalismus widmen müsste. Aktuell geht es um die Forderung der Hohenzollern nach Entschädigung, Wohnrecht in einem Schloss und “Rückgabe” von Tausenden von Kunstwerken. Böhmermann habe “für eine breite Öffentlichkeit die milde Haltung des Bundes gegenüber den Hohenzollern zum Thema gemacht. Nun werden alle darüber reden müssen, warum der deutsche Adel nicht schon in der Weimarer Republik vollständig enteignet wurde, welche Rolle die Hohenzollern davor spielten, und warum man nach der Wende wieder so sanft mit ihnen umging. Daran kommt jetzt keiner mehr vorbei.”

Qualität der Recherche? Fucking miserable.

Ende Mai ging eine Nachricht um die Welt. Angefangen beim “Guardian”, drehte sie schnell auch in deutschsprachigen Medien ihre Runde: Sie erschien unter anderem bei Stern.de, der “Berliner Zeitung”, dem “Kölner Stadtanzeiger”, dem “Berliner Kurier”, dem “Express”, der “Mopo”, bei “Focus Online”, Woman.at, Heute.at, Kurier.at, Kosmo.at, Wienerin.at, Diepresse.com, Bunte.de, Watson.de, Web.de, Businessinsider.de, Gmx.de, Yahoo.de, Infranken.de, Elle.de, Freundin.de, RTL.de — nämlich:

Collage aus Schlagzeilen: Frauen sind ohne Ehepartner und Kinder glücklicher; Unverheiratete und kinderlose Frauen sind die glücklichsten Menschen, sagt ein Verhaltensforscher; Unverheiratete, kinderlose Frauen sind am glücklichsten; Kinderlos glücklich: Frauen leben ohne Ehepartner und Kinder glücklicher; Frauen sind ohne Mann und Kind glücklicher; Experte erklärt: Frauen ohne Mann und Kind sind am glücklichsten, Singles aufgepasst: Ohne Mann und Kind sind Frauen am glücklichsten; Laut Studie: Frauen sind glücklicher ohne Ehemann oder Kinder; Von wegen Heirat und Kinder: Experte berichtet, warum Single-Frauen am glücklichsten sind; Frau, Single, kinderlos, glücklich!; Studie: Deshalb sind unverheiratete, kinderlos Frauen so glücklich; Laut Experte: Frauen sind ohne Kinder und Ehepartner glücklicher; Verhaltensforscher: Unverheiratete und kinderlose Frauen sind am glücklichsten; verhaltensforscher: Unverheiratete Frauen ohne Kinder sind am glücklichsten; Studie: Sind Single-Frauen ohne Kinder am glücklichsten?; Studienauswertung zeigt: Kinderlos und unverheiratet? Gut - denn dann bist du glücklicher als andere Frauen!; Verhaltensforschung enthüllt: Diese Frauen sind am glücklichsten; Verhaltensforscher: Frauen sind ohne Kinder oder Ehepartner glücklicher

In den Artikeln geht es um Aussagen des Verhaltensforschers Paul Dolan. Der bewirbt gerade sein neues Buch und wirft deshalb bei jeder Gelegenheit mit knackigen Thesen um sich. Vor allem mit jener, dass unverheiratete, kinderlose Frauen am gesündesten und glücklichsten seien. Verheiratete Frauen hingegen seien weniger glücklich und würden sogar früher sterben. Außerdem:

Verheiratete Menschen sind glücklicher als andere Bevölkerungsuntergruppen, aber nur dann, wenn ihr Ehepartner im Zimmer ist, wenn sie gefragt werden, wie glücklich sie sind. Wenn der Ehepartner nicht anwesend ist: verdammt elend.

Oder im Original:

Married people are happier than other population subgroups, but only when their spouse is in the room when they’re asked how happy they are. When the spouse is not present: fucking miserable.

Spätestens an dieser Stelle wurde ein anderer Forscher, Gray Kimbrough von der American University’s School of Public Affairs, stutzig.

Kimbrough hat in seiner Arbeit oft mit den Daten des “American Time Use Survey” (ATUS) zu tun — den gleichen Daten, aus denen Dolan auch seine knackigen Thesen abgeleitet hat. Und so fiel Kimbrough sofort auf, dass Dolan einen peinlichen Fehler gemacht hatte: In der ATUS-Umfrage gibt es eine Kategorie, die “spouse absent” (“Ehepartner abwesend”) heißt. Daraus wurde dann bei Dolan (und schließlich in den Medien), dass verheiratete Menschen nur dann glücklich seien, wenn ihr Ehepartner während der Befragung “im Zimmer ist”, und dass es ihnen “fucking miserable” gehe, wenn er nicht im Zimmer ist. Das ist aber völliger Blödsinn. “Spouse absent” ist einfach die Kategorie für Befragte, die zwar noch verheiratet sind, aber nicht mehr im selben Haushalt leben.

Dolan selbst hat den Fehler inzwischen eingeräumt, der “Guardian” hat ihn nun auch korrigiert. Die deutschsprachigen Medien nicht.

Diese Stelle war jedoch nicht das einzige Problem. Auch die anderen Thesen Dolans “fallen schon nach einem flüchtigen Blick auf die Daten auseinander”, kritisiert Kimbrough. So ergibt sich aus den ATUS-Daten beispielsweise diese Tabelle:

Tabelle: Mean happiness rating on a scale of 0 to 6 - Men Never Married No Kids: 4.1, Men Never Married Kids: 4.2, Men Married No Kids: 4.3, Men Married Kids: 4.3, Women Never Married No Kids: 4.2, Women Never Married Kids: 4.4, Women Never Married Kids: 4.4, Women Married No Kids: 4.4, Women Married Kids: 4.4

Und wie man sieht, sind nicht die unverheirateten, kinderlosen Frauen am glücklichsten. Auch nach ihrem Alter betrachtet liegen Verheiratete auf der Happiness-Skala nahezu durchgehend über den Nie-Verheirateten:

Das ist so ziemlich genau das Gegenteil von dem, was Dolan und mit ihm etliche Medien behaupten. Dolan selbst ist immerhin ein kleines bisschen zurückgerudert. Von den Journalisten aber, die, statt selber zu recherchieren, einfach voneinander abgeschrieben haben, hat vermutlich nicht mal jemand gemerkt, was für einen Quatsch sie da verbreiten.

Mit Dank an Benjamin für den Hinweis!

Siehe auch:

Nachtrag, 20. Juni: Stern.de hat den Artikel nun komplett überarbeitet.

Der Klick heiligt die Mittel

Herzlich Willkommen zu unserer spannenden Entdeckungsreise durch die Rotlichtmilieus der deutschen Klick-Industrie! Wir gehen an die Orte, an denen für Klicks alles gemacht wird. Nach einigen Abstechern in den Westen verschlägt es uns heute mal in den Süden. Genauer: nach München.

Merkur.de, die Online-Seite des “Münchner Merkur”, ist eines der erfolgreichsten News-Portale des Landes. Gut 70 Millionen Visits verzeichnet die Seite pro Monat, damit gehört sie zu den Top 10 der besucherstärksten Nachrichtenportale, liegt oft sogar vor Seiten wie Süddeutsche.de, Stern.de, RTL.de oder FAZ.net:

Medium Visits im April 2019
1. Bild.de 427.691.776
2. Spiegel Online 251.339.088
3. Upday 190.994.183
4. Focus Online 184.522.143
5. n-tv.de 142.683.268
6. Welt 120.681.764
7. Funke Medien NRW 72.311.095
8. Zeit Online 68.332.153
9. Merkur.de 67.354.570
10. DuMont Newsnet 65.558.438
11. Stern.de 63.872.828
12. RTL.de 59.734.317
13. Süddeutsche.de 58.826.504
14. FAZ.net 57.227.517
15. tz 49.835.599

(Quelle: IVW via “Meedia”; in den Monaten davor sah es ähnlich aus.)

Wie Merkur.de das schafft, wollen wir an zwei Beispielen vom Wochenende zeigen. (Wir haben sie willkürlich rausgepickt, man könnte auch so gut wie jeden anderen Artikel nehmen.)

Am Samstag, genau drei Monate nach dem Verschwinden der 15-jährigen Rebecca aus Berlin, lockte Merkur.de mit einer “Sensation” auf die Seite:

Rebecca Reusch vermisst: Eltern veröffentlichen trauriges Statement - Was für eine Sensation

Im Artikel geht es um einen Brief der Eltern, den RTL.de veröffentlicht hatte. Merkur.de schreibt:

Seit genau drei Monaten fehlt von der 15-jährigen Rebecca aus Berlin jede Spur. Nun veröffentlichte ihre Familie einen bewegenden Brief über RTL. Darin beschreiben die Eltern ihren unvorstellbaren Schmerz. “Wir sind verloren in unserer Angst und jeden Tag schwindet die Hoffnung, dich jemals wiederzusehen. Wir sind erstarrt in unserer Trauer, alles verhärtet sich innerlich in uns und doch funktionieren wir jeden Tag”, zitiert der TV-Sender die Eltern des vermissten Mädchens. Obwohl Bernd und Brigitte Reusch von Anfang an die Öffentlichkeit nutzten, um die Suche nach ihrer Tochter am Leben zu erhalten, berichten sie nun von dramatische Erlebnissen mit Unbekannten.

“Wir stehen am Fenster starren hinaus und denken jetzt… jetzt musst du doch kommen, doch stattdessen fahren die Autos ganz langsam an unserem Haus vorbei und schauen zu uns rüber… rüber zu Eltern, die trauern. Was für eine Sensation!”

Die Eltern schreiben also, dass ihnen die Sensationalisierung ihrer Trauer zu viel wird. Und daraus — daraus — wird die Überschrift:

Eltern veröffentlichen trauriges Statement – “Was für eine Sensation”

Das ist auf so vielen Ebenen gemein, da hätte selbst “Bild” Mühe mitzuhalten.

Bemerkenswert ist auch die schiere Masse. Der Rebecca-Artikel ist nur einer von etlichen; seit Monaten führt Merkur.de zu dem Fall einen “Nachrichten”-Ticker, für den jeder Instagram-Post von Angehörigen, jedes Gerücht und jede Spekulation mit einem eigenen Beitrag gewürdigt wird. Kleiner Auszug der vergangenen Wochen:




















Fast täglich lockt Merkur.de so mit neuen Sensationsüberschriften auf seinen Rebecca-“News”-Ticker, und oft gehören die Artikel dann tagelang zu den meistgeklickten des Ressorts.

Zum Thema Clickbaiting sagte der Chefredakteur von Merkur.de vor einigen Monaten auf Nachfrage von “Übermedien”:

Ich finde ‘Clickbait’-Überschriften super. Journalisten, die es schaffen, mit guten Zeilen Leser in ihre Texte zu ziehen, beherrschen ihr Handwerk. Was aber nie passieren darf, ist eine Produktenttäuschung: Die Erwartung, die ich in Überschriften wecke, muss im Text auch erfüllt werden. Wird die Erwartungshaltung erfüllt, spricht nichts dagegen, dass Autoren einen Spannungsbogen aufbauen, der im Leser das Gefühl weckt, unbedingt diesen Text lesen zu müssen.

Okay, schauen wir uns einen anderen Artikel an, ebenfalls am Wochenende erschienen:

Wahnsinn in Hamburg - Drama bei illegalem Autorennen: Für Mercedes-Fahrer endet Raserei verheerend

Verheerend. Drama. Wahnsinn. Welche Erwartung wird da geweckt? Verletzte? Tote? Explosionen? Vielleicht werden wir aus dem Teaser schlauer:

Zwei Autofahrer halten an einer roten Ampel in Hamburg. Dann geben sie im Mercedes und Peugeot Gas. Das illegale Autorennen nimmt jedoch ein verheerendes Ende.  - Zwei Autofahrer lieferten sich im Mercedes und Peugeot ein illegales Rennen in Hamburg - Es kam zu wilden Szenen auf Hamburgs Straßen - Für einen der bedien Duellanten endete das illegale Rennen im Unglück

“Für einen” der beiden endete es also “im Unglück”. Also ein Toter? Schwerverletzter? Lesen wir weiter:

Zwei Autos halten an einer roten Ampel. Die beiden Fahrer blicken sich an, dann sind sie sich einig - und geben Vollgas. Für einen der beiden endet die Raserei im Unglück. Am Mittwoch (15. Mai) lieferten sich zwei Autofahrer in Hamburg-Ottensen nach Angaben der Polizei mutmaßlich ein illegales Autorennen zwischen einem Mercedes und einem Peugeot. Schon in der Behringstraße in Hamburg fuhren die beiden Autofahrer, ein 65-Jähriger und ein 28-jähriger Mann stadteinwärts nebeneinander her. Währenddessen müssen sie die Entscheidung getroffen haben, sich zu duellieren - bei höchster Geschwindigkeit. Als dann beide Autofahrer an einer roten Ampel an der Kreuzung Friedensallee in Hamburg halten mussten, bereiteten sich die Fahrer vom Mercedes und Peugeot auf ihr Duell vor. Das illegale Rennen startete bei Grün, beide Fahrer beschleunigten stark. Dem 28-jährigen Peugeot-Fahrer gelang es, sich an einer Fahrbahnverengung mit seinem Auto vor der Mercedes C-Klasse des 65-Jährigen einzufädeln, wie die Polizei Hamburg mitteilt. Der Mercedes-Fahrer versuchte dann den vor ihm fahrenden 28-Jährigen zu überholen - mit Erfolg. Nach mehreren Versuchen zog er am Peugeot vorbei. Dann der Schock! Beim Wiedereinscheren schnitt der 65-jährige Mann mit seinem Mercedes den Peugeot, es kam zur Berührung - mit verheerenden Folgen.

Uh, jetzt aber! Ach nee, zuerst noch ein Link zum Schwesterportal:

... es kam zur Berührung - mit verheerenden Folgen.  Auch ein Unfall auf der Autobahn A2 bei Braunschweig hatte schreckliche Folgen für einen Lkw-Fahrer, wie nordbuzz.de berichtet. [Zwischenüberschrift: Hamburg: Unfall bei illegalem Rennen - Mercedes kracht in Auto]  Durch die Kollision drehte sich der Mercedes auf der Straße in Hamburg und stieß gegen ein am Fahrbahnrand geparktes Auto. An allen beteiligten Fahrzeugen entstand nach Angaben der Polizei ein Sachschaden.  Durch den Unfall wurde immerhin niemand verletzt. Die beiden Unfallbeteiligten aus dem Mercedes und Peugeot konnten nach erfolgter Unfallaufnahme durch die Polizei Hamburg ihren Weg mit ihren Autos fortsetzen. Die weiteren Ermittlungen übernahm der Verkehrsermittlungsdienst West (VD 22) in Hamburg.  Vor Gericht muss sich derzeit ein Mann verantworten, der seiner Nachbarin in Hamburg die Kehle durchgeschnitten hat. Das berichtet nordbuzz.de.

Verheerend. Drama. Weil sich das Auto drehte und gegen ein anderes Auto stieß. Wahnsinn. Und am Ende einfach noch den Kehle-Durchschneider rein, ist ja eh alles egal.

Und damit beenden wir unsere kleine Reise in den klickgeilen Süden, schaut auch nächstes Mal wieder rein, wenn es heißt: Es sah aus wie Journalismus, aber was dann geschah, hat uns tief getroffen.

Die Bank, die einen füttert, beißt man nicht

Die Smartphone-Bank N26 gilt — mit einer Unternehmensbewertung von stolzen 2,3 Milliarden Euro — als eines der erfolgreichsten Start-ups der europäischen Finanzbranche. Doch seit ein paar Wochen steht das Berliner Unternehmen immer wieder in der Kritik.

Zuerst wurden einem Kunden 80.000 Euro von seinem Konto gestohlen; dann wurde bekannt, dass hunderte N26-Konten zur Geldwäsche genutzt worden sein sollen; zudem bekam die Bank Ärger mit dem Berliner Datenschutzbeauftragten, wurde von Kunden für ihren schwer erreichbaren Kundenservice kritisiert und jüngst sogar von der Finanzaufsicht BaFin gerüffelt. Entsprechend häufig ist N26 derzeit in den Schlagzeilen:

Schlagzeilen verschiedener Medien: Bei N26 häufen sich die Probleme, Schwarze Listen: So bekam N26 Ärger mit Datenschützern, Gefäschte Online-Shops sollen über N26 Geld gewaschen haben, Pannen bei gefeierter Online-Bank, N26: Konto leergeräumt - Bank nicht erreichbar, N26-Konten sollen zur Geldwäsche missbraucht worden sein, N26-Kunde werden 80.000 Euro vom Konto geklaut - die bank reagiert ganz schwach, N26 gerät ins Visier der Finanzaufsicht, Finanzaufsicht drängt Onlinebank zu Nachbesserungen, Deutliche Warnung für die Smartphone-Bank N26

Das “Handelsblatt” berichtete, die “Süddeutsche Zeitung”, der “Spiegel”, die “Stuttgarter Zeitung”, “Focus Online”, n-tv.de, Stern.de und viele mehr. Selbst internationale Medien griffen die Geschichten auf.

Nur die “Bild”-Medien bleiben ungewöhnlich still. Bis heute ist weder in der gedruckten noch in der Online-Ausgabe auch nur ein Satz zu den Vorgängen rund um N26 erschienen.

Eine der wertvollsten Banken des Landes wird massiv kritisiert, es geht um Mängel, Betrügereien, Geldwäsche — eigentlich ein gutes Thema für “Bild”, doch das Blatt bleibt stumm. Auch die “Welt” druckte lediglich einen mickrigen Artikel zu den verschwundenen 80.000 Euro. Sonst nichts. Das wird doch wohl nicht etwa daran liegen, dass der Axel-Springer-Verlag an N26 beteiligt ist?

Mit Dank an Jörg G.!

Bild  

“Bild”, Kai Diekmann und der Wunder-Krebstest

Vor zwei Monaten verkündete die “Bild”-Zeitung eine “Weltsensation”, die jedoch gar keine war — und die sich zu einem wissenschaftlichen und journalistischen Skandal entwickelte, zu dem inzwischen sogar die Staatsanwaltschaft ermittelt. Beteiligte, unter anderem: die Uniklinik Heidelberg und ein chinesisches Pharmaunternehmen. Auch Ex-“Bild”-Chef Kai Diekmann spielt bei der Geschichte eine Rolle.

Eine Chronik.

***

21. Februar 2019: Exklusiv bejubelt die “Bild”-Zeitung auf der Titelseite eine “Weltsensation aus Deutschland”:

Es sei “ein echter Durchbruch”, heißt es da, eine “medizinische Sensation”:

Seit vielen Jahren wird daran geforscht, Krebs im Blut zu erkennen. Ärzte der Universitätsklinik Heidelberg erreichten jetzt revolutionäre Ergebnisse: Sie weisen mit einem Test Brustkrebs im Blut nach. Und zwar mit einer Treffsicherheit, die vergleichbar ist mit der einer Mammografie! Wie BILD exklusiv erfuhr, soll der Bluttest noch in diesem Jahr auf den Markt kommen.

Im Innenteil: ein großes Interview mit Christof Sohn, dem Geschäftsführenden Ärztlichen Direktor der Universitäts-Frauenklinik Heidelberg.

Darin darf er den Bluttest ausführlich bewerben: viel sicherer als bisherige Tests, hohe Treffsicherheit, besonders gut für Risikopatientiennen, und so weiter und so fort.

Am selben Tag gibt die Uniklinik eine Pressemitteilung heraus, in der sie die “neue, revolutionäre Möglichkeit” des Bluttests noch einmal selbst feiert: “Dies ist ein Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik”, schreibt sie.

***

21. bis 27. Februar 2019: Andere Medien greifen die Geschichte auf. Dabei melden einige schon Zweifel an, etwa “Spiegel Online” oder die “Zeit”. Viele aber, etwa “Focus Online” oder “DerWesten”, verlassen sich blind auf “Bild” und bezeichnen den Bluttest ihrerseits als “Sensation”, “Durchbruch” oder “Revolution”.


***

27. Februar 2019: Sieben renommierte Verbände, von der Deutschen Krebsgesellschaft über die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe bis zur Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, geben eine gemeinsame Stellungnahme heraus, in der sie die Berichterstattung kritisieren:

Eine Berichterstattung, die ohne Evidenzgrundlage Hoffnungen bei Betroffenen weckt, ist aus unserer Sicht kritisch zu bewerten und entspricht nicht den von uns vertretenen Grundsätzen medizin-ethischer Verantwortung.

Es sei einfach noch zu früh für Jubelstimmung, so die Experten: Die Studie sei “noch nicht abgeschlossen, die Ergebnisse sind nicht in einer wissenschaftlichen Fachzeitschrift publiziert und der Test noch nicht zugelassen”. Daher “halten wir Schlussfolgerungen über die Validität und den klinischen Nutzen für verfrüht und raten ausdrücklich davon ab, diagnostische oder therapeutische Entscheidungen basierend auf Blutuntersuchungen zu treffen, die nicht von nationalen oder internationalen Leitlinien empfohlen werden.”

In den nächsten Tagen häuft sich die Kritik an der “Bild”-Berichterstattung, aber auch am Vorgehen der Heidelberger Forscher. So schreibt etwa Gerd Gigerenzer vom Berliner Max-Planck-Institut für Bildungsforschung:

Nach üblichen wissenschaftlichen Standards veröffentlichen Forscher zuerst eine Studie in einer Fachzeitschrift, die dort begutachtet wird, und gehen erst dann an die Presse. Beim Bluttest wurde dieser Standard nicht eingehalten. Die Heidelberger Forscher sind zuerst medienwirksam zur BILD-Zeitung gegangen. Eine wissenschaftliche Veröffentlichung liegt nicht vor.

***

8. März 2019: Der Journalist Jan-Martin Wiarda berichtet in seinem Blog und bei den “Riffreportern” ausführlich über den Fall und deckt weitere Merkwürdigkeiten auf. “Welche Rolle spielt das Joint Venture mit einem chinesischen Pharma-Unternehmen?”, fragt er unter anderem, denn: Partner der Uniklinik sei ein chinesisches Pharmaunternehmen, dessen Aktienkurs seit einigen Tagen, insbesondere seit der gehypten Berichterstattung über den Bluttest, einen steilen Anstieg zeige.

Erstmals äußert sich auch Christof Sohn, der Geschäftsführende Ärztliche Direktor der Universitäts-Frauenklinik, der von “Bild” groß interviewt wurde, zur Formulierung “Weltsensation”: Diese Schlagzeile sei nicht angebracht gewesen, er habe sie vor Veröffentlichung auch nicht gekannt, und er und seine Kollegen hätten sie “in dieser Form” nicht mitgetragen.

***

20. März 2019: Die “Rhein-Neckar-Zeitung” (“RNZ”) steigt in die Berichterstattung ein und leistet in den darauffolgenden Wochen ausgezeichnete journalistische Arbeit; ihre zahlreichen Artikel sind unter rnz.de/heiscreen nachzulesen.

***

22. März 2019: Der Aktienkurs des chinesischen Pharmaunternehmens erreicht den höchsten Stand seit acht Monaten. Seit dem 21. Februar, dem Erscheinungstag des “Bild”-Artikels und der Pressemitteilung der Uniklinik, ist der Kurs um fast 60 Prozent gestiegen:

***

23. bis 29. März 2019: Die Kritik reißt nicht ab. Das Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg erklärt in der “RNZ”, dass die “verfrühte Kommunikation nicht den hohen Ansprüchen an eine verantwortungsvolle Wissenschaftskommunikation entspreche”. Gerade im medizinischen Bereich, “der für die Betroffenen mit so viel Ängsten und großer Hoffnung verbunden ist, darf es keine Effekthascherei geben”. Auch die Heidelberger Universität teilt mit, dass sie “eine umfassende Klärung der Vorgänge für zwingend erforderlich” halte.

Die Uniklinik ist derweil um Schadensbegrenzung bemüht. Sie “bedauert, dass es zu Irritationen gekommen ist” und verkündet die Gründung einer internen Arbeitsgruppe und einer externen Expertenkommission, die die Vorgänge aufarbeiten sollen.

Außerdem distanziert sie sich von der PR-Strategie zum Bluttest: Die Medienbegleitung habe die Heiscreen GmbH verantwortet, sagt die Kliniksprecherin der dpa. (Die Heiscreen GmbH wurde 2017 gegründet und soll den Bluttest in Deutschland vermarkten. Hauptanteilseigner ist eine Tochterfirma der Uniklinik, weitere Anteile hält über eine Beteiligungsgesellschaft der schillernde Unternehmer Jürgen Harder. Auch der von “Bild” interviewte Christof Sohn und eine weitere Ärztin der Uniklinik sind an der Heiscreen GmbH beteiligt.)

***

30. März 2019: Der “Spiegel” berichtet über “Das Märchen vom Wundertest aus Heidelberg” und bringt einen alten Bekannten ins Spiel:

Wie die angebliche Weltsensation am Ende genau in der “Bild”-Zeitung landete, ist zwar nur schwer nachzuvollziehen. Fest steht aber: Ohne Zustimmung vonseiten des Universitätsklinikums ist dies nicht geschehen. Auch ein weiterer Bekannter Harders war daran offenbar beteiligt: Ex-“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann, der sich dazu nicht äußern will. Aber was wäre der Mann für ein Journalist, wenn er sich nicht dafür einsetzen würde, dass ein Thema, das ihm am Herzen liegt, in seine alte Zeitung kommt?

***

4. April 2019: Die Uniklinik erstattet Anzeige gegen Unbekannt — warum genau, wird allerdings nicht klar. In einer Pressemitteilung teilt sie lediglich mit, dass sie sich “aufgrund der Anzeichen eines unlauteren Vorgehens bei der Entwicklung und Ankündigung” des Bluttests zu diesem Schritt veranlasst sehe. Der Sprecher der Heidelberger Staatsanwaltschaft erklärt in der “RNZ”, in der eingegangenen Anzeige stünden “weder der vermutete Tatbestand, noch weitere Hintergründe zum Sachverhalt, noch Personen, gegen die sich die Strafanzeige richtet.” Das sei sehr ungewöhnlich. Sollte sich jedoch ein Anfangsverdacht ergeben, werde die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen aufnehmen.

***

6. April 2019: Die “RNZ” berichtet, dass Vorstand und Pressestelle des Klinikums “sehr frühzeitig in die unseriöse PR-Kampagne eingeweiht” waren. So sei das “Bild”-Interview …

sowohl von der Pressestelle der Uniklinik als auch von zwei Vorständen gegengelesen worden. Achtete die Ärztliche Direktorin Annette Grüters-Kieslich auf inhaltliche Korrekturen, so freute sich der Dekan der Medizinischen Fakultät, Andreas Draguhn, über die wissenschaftliche Korrektheit: “Präziser, als ich es ‘Bild’ zugetraut hätte”.

Auch die Pressemitteilung der Klinik sei “in großer Runde abgesprochen” worden. Der Entwurf sei unter anderem an Kai Diekmann geschickt worden.

***

11. April 2019: Die “RNZ” geht genauer auf die Rolle Diekmanns ein:

Kai Diekmann war von 2001 bis 2015 Chefredakteur der “Bild”-Zeitung. 2018 startete er mit dem Investmentbanker Lenny Fischer den “Zukunftsfonds”. Die Markenstrategie für diesen Kapitalanlagefonds entwickelte die Digitalagentur “diesdas.digital” — die auch für die Heiscreen GmbH den Internetauftritt machte. Diekmann war “bei mehreren Treffen” in Sachen Brustkrebstest dabei, wie er der RNZ sagte, “aus Interesse”. Finanziell beteiligt sei er aber nicht. Jürgen Harder bezeichnet er gegenüber der RNZ als “persönlichen Freund”.

***

11. April 2019: Die Staatsanwaltschaft nimmt die Ermittlungen auf. Genauer: die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Mannheim. Die Anweisung dazu habe die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe erteilt, schreibt die “RNZ”:

Hintergrund der Ermittlungen soll unter anderem der Verdacht auf Kursmanipulation und Insiderhandel mit Aktien sein. Die “Bild”-Schlagzeile “Weltsensation aus Heidelberg” könnte in diesem Szenario eine gewichtige Rolle spielen, weil sie womöglich den Kurs einer Aktie in China beflügelt hat. Zwar gibt man sich bei der Justiz bedeckt und verweist lediglich auf erste Erkenntnisse durch die Berichterstattung der RNZ — ermittelt wird schließlich “in allen rechtlichen Belangen”. Dennoch kam schnell der Verdacht auf, dass hinter dem “Bluttest-Skandal” im Grunde ein Verstoß gegen das Wertpapierhandelsgesetz stecken könnte.

***

14. April 2019: In der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung” (“FAS”) kritisiert die Leitende Ärztliche Direktorin des Klinikums, Annette Grüters-Kieslich, die Wortwahl der “Bild”-Zeitung:

“Die Schlagzeile einer Boulevardzeitung, die von einer Weltsensation in diesem Zusammenhang sprach, hat mich betroffen gemacht. Als Ärztin und Wissenschaftlerin hätte ich niemals von einer Weltsensation gesprochen; ich habe eine solche Wertung stets als vollkommen irreführend angesehen.” Man sei damit befasst, die Verantwortlichkeiten zu klären und werde die Öffentlichkeit so schnell wie möglich informieren.

Zudem deckt die “FAS” neue Details auf. So sei für die PR-Kampagne unter anderem Christina Afting zuständig gewesen — die frühere Büroleiterin von Kai Diekmann bei “Bild”. Mit der “Bild”-Berichterstattung, so Afting, habe sie jedoch nichts zu tun gehabt. Laut “FAS” soll die PR-Kampagne etwa 80.000 Euro gekostet haben.

Neben den Staatsanwälten aus Mannheim würden sich demnächst auch Spezialermittler des Landeskriminalamtes mit dem Fall befassen, schreibt die “FAS”.

***

Heute: Noch sind eine Menge Fragen offen. Fest steht aber: Viele Details wären ohne die hartnäckige Arbeit einiger Journalisten, vor allem von “Riffreporter” Jan-Martin Wiarda und den Journalisten der “Rhein-Neckar-Zeitung”, wohl nie an die Öffentlichkeit gelangt. Und: Obwohl die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung, insbesondere die Bezeichnung als “Weltsensation”, von Experten als verantwortungslos und selbst von der Klinikleitung als “vollkommen irreführend” gewertet wird, steht sie auch heute noch unverändert online.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

***

Nachtrag, 26. April: Wir haben die Überschrift und den ersten Absatz geändert, weil der Eindruck entstehen konnte, dass die Staatsanwaltschaft in der Sache gegen Kai Diekmann ermittelt. Dem ist nicht so.

***

Nachtrag 2, 26. April: Inzwischen liegt der “RNZ” die Rechnung für die PR-Kampagne vor, die die Düsseldorfer Beratungsagentur Deekeling Arndt Advisors an die Heiscreen GmbH geschickt hat:

79.420,78 Euro rechnen die Berater ab. Sie übernahmen das gesamte Projektmanagement rund um die PR-Kampagne: das Kommunikationskonzept, die Pressemitteilung, die Pressekonferenz am 21. Februar auf einem Kongress in Düsseldorf sowie die Beantwortung und Koordination von Medienanfragen.

Besonders intensiv abgestimmt wurde die Kampagne offenbar in den zehn Tagen vor dem großen Aufschlag am 21. Februar. “Tägliche Telefonkonferenzen zwischen dem 12. und 22. Februar 2019”, listet die Agentur auf. In Rechnung gestellt werden “enge telefonische Abstimmungen und Rücksprachen” unter anderen mit dem früheren “Bild”-Chef Kai Diekmann, Heiscreen-Geschäftsführer Dirk Hessel, den Bluttest-Erfindern Sarah Schott und Christof Sohn, Harders Anwalt Thomas Dörmer sowie Doris Rübsam-Brodkorb, der Pressesprecherin des Universitätsklinikums.

Bemerkenswert ist die enge Abstimmung mit Kai Diekmann, dem Ex-Chefredakteur der “Bild”-Zeitung und persönlichen Freund von Jürgen Harder. Dazu passt: Die Rechnung hat Christina Afting geschickt. Sie ist “Managing Director” bei der Agentur — und leitete früher das Büro Diekmann bei der “Bild”.

***

23.Mai: Das Blog “Medwatch” berichtet, dass der Test “anders als bislang kommuniziert nicht nur nicht marktreif ist — sondern eigentlich wertlos.” Das gehe aus Unterlagen hervor, die “Medwatch” von der Pressestelle der Uniklinik erhielt.

Demnach erhält fast jede zweite gesunde Frau einen falsch positiven Befund — was bislang öffentlich nicht thematisiert wurde. Bei Frauen, die älter als 50 Jahre sind, ist der Wert etwas besser: Bei diesen erhält gut jede vierte gesunde Frau einen falschen Krebsbefund, doch übersieht der Test bei zwei von fünf Brustkrebspatientinnen über 50 den Tumor.

Als besonders vielversprechend bezeichnete die Uniklinik den Test für Frauen bis 50, sowie für Hochrisikopatientinnen mit genetischen Mutationen. Dabei schlägt der Test bei der jüngeren Gruppe von Brustkrebspatientinnen zwar in 86 Prozent aller Fälle korrekt an, doch liegt hier die Spezifität bei nur 45 Prozent: Der Test liefert also bei 55 Prozent der gesunden Frauen einen falsch positiven Befund. Bei Hochrisikopatientinnen liegt die Sensitivität bei 90 Prozent, doch wiederum erhält mehr als jede zweite gesunde Frau einen falschen Krebsbefund. Dies hieße, dass ein Großteil aller Frauen, die über den Bluttest einen Krebs-Befund erhalten, in Wahrheit gesund sind.

“Medwatch” kritisiert auch die Berichterstattung verschiedener Medien, etwa die des “Focus”, der auch noch einen Monat nach Lautwerden der Zweifel titelte: “Die Sensation aus Heidelberg: Mit Bluttest Brustkrebs erkennen”.

Focus-Titselseite: Wie wir den Krebs besiegen - Mediziner können immer mehr Krebsarten erfolgreich behandeln - kleiner Schlagzeile auf der Titelseite: Die Sensation aus Heidelberg - Mit Bluttest Brustkrebs erkennen

Die “Bild”-Zeitung habe ihre Leser “bislang noch nicht über die weiteren Entwicklungen” informiert, schreibt “Medwatch”. Auf “mehrere Fragen zur Berichterstattung über den Bluttest” habe der Axel-Springer-Verlag geantwortet: “Bitte haben Sie Verständnis, dass wir redaktionelle Prozesse und Entscheidungen grundsätzlich nicht kommentieren.”

***

16. August: Der Deutsche Rat für Public Relations hat die “Täuschung der Öffentlichkeit im Fall HeiScreen” gerügt:

Nach intensiver Überprüfung und Anhörung aller beteiligten Parteien hat der Deutsche Rat für Public Relations dem Vorstand des Universitätsklinikums Heidelberg und der HeiScreen GmbH eine Rüge wegen bewusster Falschbehauptung und Täuschung der Öffentlichkeit ausgesprochen. (…)

Der Rat hatte sich zur Prüfung des Falles entschieden und sieht es als erwiesen an, dass beide Parteien bei der Vorstellung des „neuen“ Verfahrens zur Diagnose von Brustkrebs eine öffentliche Produktvorstellung zugelassen und begleitet haben, die weder in Wortwahl, Zeitpunkt und Format angemessen, noch im Hinblick auf abgeschlossene Studien und die angekündigte Marktreife der Wahrheit entsprochen hat.

***

29. August: Nach mehrfacher Beschwerde beim “Ombudsmann” hat “Bild” nun eine Anmerkung unter den Artikeln veröffentlicht (Links im Original):

Aktualisierung – August 2019
Die Uniklinik Heidelberg hat mittlerweile zurückgenommen, dass der oben beschriebene Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs noch dieses Jahr auf den Markt kommen wird.

Eine unabhängige Prüfkommission hat als Zwischenergebnis unter anderem veröffentlicht, dass der Test zu früh der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, es „Führungsversagen“ und „Machtmissbrauch“ an der Universitätsklinik gab.

Inzwischen sind der Medizin-Dekan der Heidelberger Uniklinik sowie zwei Mitglieder des Vorstandes zurückgetreten. Außerdem wurde dem Direktor der Unifrauenklinik für drei Monate die Lehr- und Forschungserlaubnis entzogen.

BILD veröffentlichte am 21. Februar 2019 einen Artikel über den neuen Bluttest. Der Text basierte auf einer offiziellen Pressemitteilung des Universitätsklinikums Heidelberg, in der der neue Test als „revolutionäre Möglichkeit“ und als „Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik“ bezeichnet wurde, sowie auf einem autorisierten Interview. Der Test wurde am 21.2. außerdem auf dem Gynäkologen-Kongress in Düsseldorf vorgestellt.

Wie geht es mit dem Test nun weiter? Das ist im Moment unklar. Abzuwarten bleibt, was die angekündigten größeren Studien zur Wirksamkeit und Sicherheit des Tests ergeben. Dass diese noch ausstehen, hatte Bild direkt zu Anfang geschrieben (siehe hier). Die Ergebnisse lassen aber weiterhin auf sich warten.

BILD informiert, sobald es neue, fundierte Angaben zum Test gibt.

Sonst hat sich aber nichts geändert. Überschrift, weiterhin: “Warum dieser Test eine Weltsensation ist”.

***

13. September: Nun wurde die Berichterstattung auch vom Deutschen Presserat gerügt:

Eine Rüge erhielt BILD.DE für die Veröffentlichung einer Exklusiv-Geschichte unter der Überschrift „Erster Blut-Test erkennt zuverlässig Brustkrebs“ über einen von Heidelberger Forschern entwickelten Brustkrebs-Test. Der Beschwerdeausschuss stellte Verstöße gegen die gebotene Sorgfalt in der Medizin-Berichterstattung (Ziffern 2 und 14 des Pressekodex) fest. Der Artikel über das als „medizinische Sensation“ beschriebene Testverfahren beruhte allein auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums und Aussagen der beteiligten Forscher und war geeignet, unberechtigte Hoffnungen bei Betroffenen zu wecken. Wie sich später herausstellte, hatten die Forscher den Stand des Testverfahrens positiver dargestellt, als es dem Forschungsstand entsprach. Die Redaktion hatte bei ihrer exklusiven Berichterstattung versäumt, die gemachten Angaben durch weitere Quellen zu überprüfen.

Erfolglose Populismus-Fischer, Facebook-Stasi, Anti-LGBTI-Wahlkampf

1. Nichts als Ärger: Wie Springers Bild Politik mit seinen Magazin-Covern im Populismus fischt
(meedia.de, Georg Altrogge)
“Meedia”-Chefredakteur Georg Altrogge hat sich die vier bisherigen “Bild Politik”-Ausgaben angesehen und erkennt darin ein wiederkehrendes System von Negativismen und Populismus. Ein Konzept, das zumindest im Print-Bereich nicht aufzugehen scheint.

2. Deutsche Datenschützer alarmiert über Facebooks interne Spitzelabteilung
(netzpolitik.org, Alexander Fanta)
Es liest sich schon ein wenig gruselig, was über Facebooks firmeninterne Überwachungsabteilung bekannt wurde. Ein “Sicherheitsteam” observiere Mitarbeiter, die es als mögliche Gefährder einstufe, lese die Standortdaten von Ex-Mitarbeitern aus oder schnüffle in den Nachrichten von Praktikanten, die nicht zur Arbeit erscheinen. Facebook bestreitet, mit seinem Vorgehen gegen Datenschutzregeln zu verstoßen. Der Hamburger Datenschutzbeauftragte sieht das laut netzpolitik.org etwas anders und habe die Datenschutzbehörde in Irland eingeschaltet, die in Europa die Hauptzuständigkeit für Facebook hat.
Weiterer Lesetipp in Sachen Facebook: Facebooks Anti-Datenschutz-Lobbying geleakt (golem.de, Friedhelm Greis).

3. Hilfe, die «Junge Freiheit»! Die Schweizer Kette Press & Books säubert die Regale
(nzz.ch, Marc Felix Serrao)
Die Schweizer Handelskette “Press & Books” (mehr als 200 Verkaufsstellen) hat die rechtskonservative Wochenzeitung “Junge Freiheit” aus dem Programm genommen. “NZZ”-Autor Marc Felix Serrao ist irritiert und fragt sich, ob die deutsche Öffentlichkeit in Sachen Pressefreiheit toleranter als die Schweiz ist.

4. Zoë Beck: “Frauenquoten? Auf jeden Fall!”
(ndr.de, Jürgen Deppe, Audio: 8 Minuten)
Mit Blick auf den bevorstehenden Weltfrauentag hat der NDR sich mit der vielfach ausgezeichnete Thriller-Autorin Zoë Beck unterhalten. Es geht um die Frage, ob es auch im Kultur-, speziell im Literaturbereich eine Frauenquote geben sollte. Aber auch der Film- und Fernsehbereich sei betroffen, so Beck: “Da studieren an den entsprechenden Hochschulen genauso viele oder teilweise sogar ein bisschen mehr Frauen als Männer im Bereich Kamera oder Regie. Im Abspann sieht man aber, dass Männer deutlich in der Überzahl sind. Das ist ein Ungleichgewicht, und warum soll es da keine Quote geben?”

5. Nach AKK-Witz: BILD-Chef beschwört Wahlkampf gegen geschlechtliche Vielfalt
(nollendorfblog.de, Johannes Kram)
Johannes Kram schreibt über den Umgang der “Bild”-Redaktion mit dem LGTBI-Thema. Einerseits habe die Zeitung einiges getan, um queeren Menschen das Gefühl zu geben, ihre Andersartigkeit zu akzeptieren. Andererseits hetze und polemisiere die Zeitung unvermindert gegen geschlechtliche Vielfalt. Kram vergleicht den Mechanismus wie folgt: “… wie sich die BILD-Macher heute als Alliierte von LGTBI erklären, machten sie es noch vor wenigen Jahren, als sie sich als Flüchtlingshelfern generierten. Um dann, als es nicht mehr opportun war, genau das Gegenteil zu machen, also Geflüchtete fast ausnahmslos als Deutschlands Gefahr zu stilisieren.”

6. “Ich rechne jeden Tag mit meiner Absetzung”
(fr.de, Danijel Majic)
“Titanic”-Chefredakteur Moritz Hürtgen hat schon einige erfolgreiche Coups gelandet: Ob “Miomio-Gate” bei “Bild”, die “Blasebalg-Leaks” bei “Focus Online” oder die Falschmeldung über die vermeintlichen Bündnisaufkündigung von CDU und CSU. Danijel Majic hat dem respektlosen Satiriker einige nicht minder respektlose Fragen gestellt.

Blättern:  1 ... 4 5 6 ... 48