Suchergebnisse für ‘anonym’

The Sunday Times, NZZ, taz

1. “The Sunday Times’ Snowden Story is Journalism at its Worst — and Filled with Falsehoods”
(firstlook.org/theintercept, Glenn Greenwald, englisch)
Glenn Greenwald ärgert sich über die unkritische Aufnahme eines Artikels in der “Sunday Times” durch Journalisten: “The whole article does literally nothing other than quote anonymous British officials. It gives voice to banal but inflammatory accusations that are made about every whistleblower from Daniel Ellsberg to Chelsea Manning. It offers zero evidence or confirmation for any of its claims. The ‘journalists’ who wrote it neither questioned any of the official assertions nor even quoted anyone who denies them.” Siehe dazu auch “Five Reasons the MI6 Story is a Lie” (craigmurray.org.uk, englisch).

2. “Berichtigung: gefürchtete Konsequenz eines journalistischen Fehlers”
(fachjournalist.de, Frank C. Biethahn)
Frank C. Biethahn klärt auf über Berichtigungsansprüche und unzulässige Tatsachenbehauptungen.

3. “NZZ verbreitet irreführende Statistik”
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Urs P. Gasche kritisiert die NZZ, weil sie bei einer Kriminalitätsstatistik das Bevölkerungswachstum nicht einbezogen hatte: “Im konkreten Fall gab es im Jahr 1984 eine Verurteilung pro 105 Einwohner, im Jahr 2014 eine Verurteilung auf 60 Einwohner. Das ist immer noch eine starke Zunahme, jedoch nicht um 138 Prozent, sondern um 75 Prozent.”

4. “Die Kasachstan-Connection: Wie der SPIEGEL ins Visier der Nasarbajew-Lobby geriet”
(spiegel.de, Walter Mayr)
Walter Mayr liest E-Mails, die “in seltener Eindringlichkeit die Versuche der Nasarbajew-Lobbyisten, sich Teile der Presse dienstbar zu machen”, beleuchten.

5. “Wirtschaftsförderung auf Abwegen”
(nzz.ch, Christoph Eisenring)
Die “taz” erhält 3,8 Millionen Euro Fördergelder aus der “Gemeinschaftsaufgabe ‘Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur'”. Wie sie auch im eigenen Hausblog transparent macht: “Die taz braucht keine staatlichen Subventionen, um auch Ihr Handeln weiterhin kritisch verfolgen zu können. Die 3,7 Mio. ‘Subvention’ dienen der taz Verlagsgenossenschaft eG ausschließlich dazu, ein neues Haus zu bauen. Hier wird also nicht irgendwas subventioniert, sondern investiert – in die Zukunft.”

6. “Tim Hunt: ‘I’ve been hung out to dry. They haven’t even bothered to ask for my side of affairs'”
(theguardian.com, Robin McKie, englisch)
Wissenschaftler Tim Hunt tritt nach Aussagen an einem Vortrag von seiner Honorarprofessur zurück: “‘I was very nervous and a bit confused but, yes, I made those remarks – which were inexcusable – but I made them in a totally jocular, ironic way. There was some polite applause and that was it, I thought.’ (…) Hunt may have meant to be humorous, but his words were not taken as a joke by his audience. One or two began tweeting what he had said and within a few hours he had become the focus of a particularly vicious social media campaign.”

Rügen-Drama! Helene Fischer und das Killer-Kommando

Vergangene Woche hat der Presserat neben der Germanwings-Berichterstattung auch die “regulären” Beschwerden bearbeitet und im Anschluss (zusätzlich zu den zwei Rügen, sechs Missbilligungen und neun Hinweisen zu Germanwings) sechs Rügen, 26 Missbilligungen und 27 Hinweise ausgesprochen.

Am fleißigsten unjournalistisch unterwegs waren mal wieder die “Bild”-Medien und die der Regenbogenpresse.

***

Eine Rüge bekam Bild.de für die Veröffentlichung eines Notruf-Mitschnitts aus den USA, in dem eine schwer verletzte Frau berichtet, dass sie schwanger sei und ihr der Bauch aufgeschnitten wurde:

(Inzwischen offline.)

Der Beschwerdeausschuss bewertete die Veröffentlichung als unangemessen sensationell (Verstoß gegen Ziffer 11):

Der über fünf Minuten lange Mitschnitt ermöglichte es den Hörern, am Leiden der Frau teilzunehmen. Ein Begleittext mit einer journalistischen Einordnung des Falls fehlte. Da die Frau auch mit Bild gezeigt wurde und sie bei dem Notruf ihren Vornamen, ihr Alter und ihre Adresse nennt, lag zudem eine Verletzung des Schutzes ihrer Persönlichkeit vor.

Dass ein Begleittext fehlte, ist übrigens so nicht ganz richtig. Im Video-Bereich von Bild.de erschien das Video zwar ohne eigenen Text, geschrieben hat das Portal über den Fall aber an anderer Stelle. Und da umso ausführlicher:


Darüber hat sich aber niemand beim Presserat beschwert.

„Bild“ und Bild.de erhielten außerdem fünf Missbilligungen.

Auf Bild.de war ein Artikel über einen Mann erschienen, der angeblich heimlich ein Mädchen gefilmt hatte und von dessen Vater daraufhin zu Tode geprügelt wurde. Im Artikel wurden beide Männer unverpixelt gezeigt, worin der Presserat einen Verstoß gegen Ziffer 8 (Schutz der Persönlichkeit) erkannte.

Ebenfalls gegen Ziffer 8 verstieß nach Ansicht des Presserats dieser Artikel:

… weil Bild.de die Gesichter der Opfer unverpixelt gezeigt hatte.

Auch in diesem Fall …

… verzichtete Bild.de auf eine Anonymisierung des Opfers, allerdings ist wohl davon auszugehen, dass eine Erlaubnis der Eltern vorlag (sie haben sich auch selbst von „Bild“ fotografieren lassen).

Eine Erlaubnis für das Zeigen des Täters hatte Bild.de aber offensichtlich nicht; der Presserat sprach erneut eine Missbilligung wegen Verstoßes gegen Ziffer 8 aus.

Missbilligt wurde zudem dieser Beitrag:

Das Video wurde zwar von der Mutter selbst veröffentlicht, dennoch erkannte der Presserat einen Verstoß gegen Ziffer 1 (Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde).

***

Die “Maßnahmen” des Presserates:

Hat eine Zeitung, eine Zeitschrift oder ein dazugehöriger Internetauftritt gegen den Pressekodex verstoßen, kann der Presserat aussprechen:

  • einen Hinweis
  • eine Missbilligung
  • eine Rüge.

Eine “Missbilligung” ist schlimmer als ein “Hinweis”, aber genauso folgenlos. Die schärfste Sanktion ist die “Rüge”. Gerügte Presseorgane werden in der Regel vom Presserat öffentlich gemacht. Rügen müssen in der Regel von den jeweiligen Medien veröffentlicht werden. Tun sie es nicht, dann tun sie es nicht.

Eine weitere Rüge sprach der Presserat gegen die „Ludwigsburger Kreiszeitung“ aus. Das Blatt hatte eine Polizeimeldung über einen Trickdiebstahl veröffentlicht. Darin stand, dass die Verdächtigen „vermutlich Sinti oder Roma“ seien. Der Beschwerdeausschuss bewertete das als diskriminierend und als „einen schwerwiegenden Verstoß gegen Ziffer 12 in Verbindung mit Richtinie 12.1 des Pressekodex“, in der steht:

In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.

Dieser Bezug fehlte nach Ansicht des Presserats in diesem Fall.

***

Ebenfalls gerügt wurde die „Märkische Allgemeine“. Die Zeitung hatte drei Beiträge veröffentlicht, in denen den Lesern jeweils ein bestimmtes Produkt vorgestellt wurde (Notizbuch, Haarpflegemittel, Raumspray), inklusive Produktfotos und Preisnennung. In einem Fall wurde der vorgestellte Artikel zudem als „Wundermittel“ bezeichnet. Der Beschwerdeausschuss sah durch diese Angaben die Grenze zur Schleichwerbung nach Richtlinie 7.2 überschritten.

***

Alle weiteren Rügen gingen diesmal wieder an die Regenbogenpresse.

Unter anderem an “Das neue Blatt“. Das Heft aus dem Bauer-Verlag hatte im vergangenen Jahr getitelt:

Die Geschichte ging so: Neulich ist mal eine Artistin im Düsseldorfer Varieté aus vier Metern Höhe gestürzt und hat sich verletzt. Helene Fischer macht bei ihrer Tour auch ein paar Kunststücke in luftiger Höhe. Ende.

Oder wie „Das neue Blatt“ zusammenfasst:

Sie will überraschen, das Publikum begeistern: Für ihre Fans gibt Helene Fischer alles! Dabei ist die Gefahr, sich zu verletzen oder dass Schlimmeres passiert, groß, wie ein schwerer Unfall zeigt. […] Ob Helene nach diesem Drama vernünftig wird?

Auch der Presserat wertete die Darstellung auf der Titelseite und in der Schlagzeile als „bewusst irreführend“ und als Verstoß gegen die Ziffern 1 (Wahrhaftigkeit) und 2 (Sorgfalt).

***

Gleich zwei Rügen (ebenfalls wegen Verstößen gegen die Ziffern 1 und 2) kassierte der „Alles Gute Verlag“ — für einen identischen Artikel in zwei verschiedenen Heften. Beide hatten getitelt:


Diese Mehrfachverwurstung ist in der Regenbogenpresse übrigens üblich.

Die Informanten für die Story sind angeblich irgendwelche „Palastinsider“, die angeblich „von einer ausgewachsenen Depression“ bei Norwegens Prinzessin sprechen. Belege für eine tatsächliche Erkrankung liefern die Blätter nicht.

Das Foto auf dem Titel haben die Redaktionen noch dazu komplett aus dem Zusammenhang gerissen. Ja, sie weint auf dem Foto, aber nicht wegen der angeblichen „Schock-Diagnose“, sondern weil sie um die 77 Opfer trauert, die bei den Anschlägen in Norwegen am 22. Juli 2011 ums Leben kamen. Darunter auch Mette-Marits Stiefbruder, der auf der Insel Utøya erschossen wurde.

Die Fotos wurden bei einer Trauerfeier aufgenommen und werde seitdem immer wieder von den Regenbogenredaktionen missbraucht, um ihre Lügengeschichten zu illustrieren.

Apropos. Die „Freizeit direkt“ aus dem Deltapark-Verlag sieht zurzeit so aus:

Und der “Alles Gute Verlag” hat seinen soeben doppelt gerügten Artikel einfach noch ein drittes Mal rausgejagt. Die aktuelle “Freizeit heute” sieht so aus:

Zu den Mitteilungen des Presserats

Presserat rügt “Bild” für Germanwings-Opferfotos

Der Presserat hat gestern in einer Sondersitzung über die Beschwerden zur Berichterstattung über den Germanwings-Absturz beraten. Insgesamt hatten über 400 Menschen die Berichterstattung verschiedener Medien kritisiert, das sei, so der Presserat, “die höchste Zahl an Beschwerden zu einem einzelnen Ereignis seit der Gründung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Presse.”

Am Ende der Sitzung sprach das Gremium zwei öffentliche Rügen, sechs Missbilligungen und neun Hinweise aus.

Kritisiert wurde vor allem die Berichterstattung von „Bild“ und Bild.de über die Opfer des Absturzes. Beide Medien hatten mehrfach und riesengroß Fotos und Namen von Opfern veröffentlicht, in einigen Fällen auch ihre Wohnorte, Berufspläne, Hobbies und andere private Dinge (BILDblog berichtete):

Auf Anfrage schrieb uns eine Sprecherin des Axel-Springer-Verlags vor ein paar Wochen, „Bild“ halte es „für wichtig, die Opfer und ihre Geschichten abzubilden“, denn nur so werde „die Tragik deutlich und fassbar“.

Laut Presserat dürfen Fotos und Namen von Opfern aber …

nur dann identifizierbar veröffentlicht werden, wenn es sich um berühmte Persönlichkeiten handelt oder eine ausdrückliche Zustimmung vorliegt.

„Bild“ hatte sich die Fotos, wie üblich, bei Facebook besorgt oder irgendwo abfotografiert. Der Presserat schreibt:

So waren Fotos von Urlaubern gezeigt worden, die zwar an einem Ort in der Kleinstadt öffentlich ausgehängt worden waren. Dies geschah jedoch nicht für die Medienöffentlichkeit und ohne Zustimmung der Abgebildeten oder Angehörigen.

Außerdem druckte das Blatt ein großes Klassenfoto, auf dem auch einige Opfer des Unglücks zu sehen waren:

Die Gesichter waren zwar verpixelt, trotzdem verstoße die Veröffentlichung, so der Presserat, gegen den Schutz der Persönlichkeit der Abgebildeten, weil die Klasse „für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar“ gewesen sei.

Als unzulässig wertete das Gremium auch den Nachdruck einer Todesanzeige mit den Namen der Todesopfer aus dieser Klasse, die „Bild“ ebenfalls veröffentlicht hatte, ohne die Namen unkenntlich zu machen.

„Bild“ druckte auch ein unverpixeltes Foto der bei dem Absturz gestorbenen Klassenlehrerin und nannte ihren (abgekürzten) Namen. Auch das war aus Sicht des Presserats nicht erlaubt.

Insgesamt sah der Ausschuss in den Veröffentlichungen „einen schweren Verstoß gegen Richtlinie 8.2 des Pressekodex“ und sprach eine öffentliche Rüge gegen „Bild“ und Bild.de aus. (Ja, genau: eine Rüge für beide Medien, für alle Vergehen.)

Übrigens waren die “Bild”-Medien unseres Wissens nach die einzigen Medien in Deutschland, die unverpixelte Fotos der Opfer veröffentlicht haben.

Eine Missbilligung erhielt Bild.de, weil in zwei Artikeln zu viele Details über die Eltern des Co-Piloten genannt wurden.

So ist es zwar angesichts des hohen Interesses an Andreas [L.] selbst durch die Nennung seines Nachnamens nicht zu vermeiden, dass in einer Berichterstattung über ihn auch seine Eltern identifizierbar werden. In den beanstandeten Berichten waren darüber hinaus aber noch die Berufe der Eltern erwähnt worden, womit die Grenze des Persönlichkeitsschutzes überschritten worden ist.

Eine weitere Missbilligung ging an Bild.de, weil das Portal Fotos von trauernden Angehörigen veröffentlicht hatte, die an den Flughäfen in Düsseldorf und Barcelona aufgenommen worden waren.

Von einer Rüge sah das Gremium ab, weil die Fotos “nach sehr kurzer Zeit wieder von der Seite gelöscht worden waren”.

Der Beschwerdeausschuss vertritt jedoch die Auffassung, dass die ethische Abwägung durch die Redaktion erfolgen muss, bevor durch die Veröffentlichung ein Verstoß gegen die ethischen Grundsätze begangen wird.

Aus den gleichen Gründen wurden auch andere Medien für derartige Fotos missbilligt.

Eine nicht näher benannte regionale Tageszeitung erhielt außerdem eine Missbilligung, weil sie ein Foto vom Elternhaus des Co-Piloten gezeigt hatte.

Zwar gab es unter den vom Presserat insgesamt geprüften Fällen auch solche mit zulässigen Fotos, die zum Beispiel nur den Eingang zeigten. Im vorliegenden Fall waren aber das vollständige Haus und dessen Umgebung zu erkennen, wodurch es sich verorten lässt. Dies verletzt […] den Schutz der Persönlichkeit der Eltern.

Schließlich wurde auch die “Rheinische Post” gerügt, weil sie detailliert über die Partnerin des Co-Piloten geschrieben hatte:

Zwar wurde ihr vollständiger Name nicht genannt, jedoch waren in dem Text so viele persönliche Details über sie enthalten, dass sie für einen erweiterten Personenkreis identifizierbar war.

Natürlich diskutierte der Presserat auch zu der Frage, ob der Name des Co-Piloten genannt und sein Gesicht ohne Unkenntlichmachung gezeigt werden durfte. Das Ergebnis: In den “allermeisten Fällen” sei dies erlaubt gewesen. In der Begründung heißt es:

Zunächst handelte es sich bei dem Germanwings-Unglück nach Ansicht des Presserats um eine außergewöhnlich schwere Tat, die in ihrer Art und Dimension einzigartig ist. Dies spricht für ein überwiegendes öffentliches Interesse an dem Fall insgesamt, jedoch könnte es auch Gründe geben, die dennoch eine Anonymisierung erfordern würden.

So könnte z.B. durch die Nennung des Namens des Co-Piloten, seines Wohnortes und der Information, dass er auch im Elternhaus gelebt hat, die Identifizierung der Eltern ermöglicht werden. Aus Sicht des Presserats überwiegt jedoch in diesem außerordentlichen Fall das öffentliche Interesse an der Information über den Täter, soweit es die reine Nennung des Nachnamens betrifft.

Beschäftigt hat sich der Presserat auch mit der Frage, ob das Ereignis als Suizid zu behandeln ist und deshalb besondere Zurückhaltung geboten gewesen wäre. Dieser Gesichtspunkt tritt jedoch im Hinblick auf die 149 weiteren Todesopfer zurück.

Schließlich setzte sich der Presserat mit einer möglichen Vorverurteilung des Co-Piloten durch die Berichterstattung auseinander. Er kam zu der Auffassung, dass die Medien ab dem Zeitpunkt der Pressekonferenz der Staatsanwaltschaft Marseille am Mittag des 26.3.2015 davon ausgehen durften, dass Andreas [L.] das Flugzeug absichtlich zum Absturz gebracht hatte. Zu diesem Zeitpunkt hatten entsprechende Erkenntnisse durch die Auswertungen des Sprachrekorders und weitere Ermittlungen der französischen Luftfahrtbehörde vorgelegen. Zusammen mit der Einzigartigkeit des Falls war in der Gesamtschau eine Nennung des Namens des Co-Piloten aus Sicht des Presserats zulässig.

Nicht entscheidend war hingegen, dass internationale Medien bereits Namen veröffentlicht hatten [was unter anderem “Bild”-Chef Kai Diekmann immer wieder als Argument angeführt hatte, Anm.], da in Deutschland in der Regel andere ethische Maßstäbe im Allgemeinen und der Pressekodex des Deutschen Presserats im Besonderen ausschlaggebend für die Presse sind.

Nicht beanstandet wurde außerdem der Brief an die “lieben Absturzopfer” von “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner:

Ausschlaggebend war, dass darin keine Äußerungen enthalten waren, welche gegen den Pressekodex verstoßen. Zu Entscheidungen über guten oder schlechten Geschmack ist der Presserat jedoch nicht berufen.

Zur Mitteilung des Presserats

“Bild” lässt Leser auf Presserat los

Der “Bild”-Zeitung fällt es schwer zu akzeptieren, dass auch Verbrecher Rechte haben. Vor allem das Recht auf informationelle Selbstbestimmung spricht sie ihnen regelmäßig ab. Der Presserat rügt diese Praxis immer wieder, was die Leute von “Bild” wiederum gerne mal zum Anlass nehmen, ihre Leser gegen den Presserat und diesen Täterschutzquatsch zu mobilisieren.

Das alles ist nicht neu. Neu ist, dass die “Bild”-Macher in ihrem Kampf für das Zurschaustellendürfen von Tätern sogar die Eltern eines Mordopfers instrumentalisieren.

Im März 2014 ist im Norden Deutschlands eine junge Frau von einem 16-Jährigen getötet worden. Er wurde inzwischen wegen Mordes verurteilt. Die „Bild“-Medien berichteten damals unter anderem so über den Fall:

(Das große Foto zeigt den 16-Jährigen mit schwarzem Alibi-Augenbalken, ein Foto zeigt die Freunde des Opfers beim Trauern, eins das – unverpixelte – Opfer; drei weitere sind Screenshots aus Videos, auf denen Frauen zum Schein erwürgt werden.)

Und so:

„Bild“ veröffentlichte den Vornamen, den abgekürzten Nachnamen, den Wohnort und andere persönliche Details des Täters, zeigte ein Foto seines Elternhauses und druckte in der Hamburger Ausgabe ein unverpixeltes Portraitfoto von ihm.

Vor drei Monaten beschäftigte sich dann der Beschwerdeausschuss des Presserats mit der Berichterstattung und sprach eine öffentliche Rüge gegen „Bild“ aus. In der Begründung heißt es, das Blatt habe gegen Ziffer 8 des Pressekodex (Schutz der Persönlichkeit) verstoßen, denn:

Der Artikel berichtet über das abgeschlossene Strafverfahren und die erwiesene Schuld des Täters. Die schutzbedürftigen Interessen des Betroffenen sind jedoch durch die identifizierende Berichterstattung verletzt. Gemäß Richtlinie 8.3 des Pressekodex dürfen insbesondere in der Berichterstattung über Straftaten und Unglücksfälle Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres in der Regel nicht identifizierbar sein. Ein Fall, der eine Ausnahme rechtfertigen würde, liegt nach Auffassung des Ausschusses nicht vor. Bei der Tat handelt es sich zwar um eine schwere, nicht jedoch um eine außergewöhnlich schwere und in ihre Art und Dimension besondere Straftat gemäß Richtlinie 8.1 Abs. 2 des Presskodex.

Normalerweise versteckt “Bild” solche Rügen irgendwo klein im Blatt, in diesem Fall haben sie der Sache aber fast eine komplette Seite gewidmet. Und zwar so:

(Unkenntlichmachung von uns.)

Im Artikel fasst „Bild“ die Entscheidung des Presserats folgerndermaßen zusammen:

Ausgerechnet das Foto des MÖRDERS hätte nicht gezeigt werden dürfen, urteilt das Gremium. Die unglaubliche Begründung: Der Mordfall [L.] sei dafür einfach nicht besonders genug …

Dabei hätte das Gremium sehr wahrscheinlich auch das Fotos des OPFERS beanstandet, wenn dazu eine Beschwerde eingegangen wäre (was allerdings nicht passiert ist).

Aus der Begründung des Presserats gibt das Blatt nur einen einzigen (unvollständigen) Satz wieder:

Wörtlich schreibt der Presserat: „Bei der Tat handelt es sich zwar um eine schwere, nicht jedoch um eine außergewöhnlich schwere und in ihrer Art und Dimension besondere Straftat …“

Dass bei der Entscheidung aber — vor allem — die Minderjährigkeit des Täters eine Rolle gespielt hat, wird erst am Ende des vorletzten Absatzes erwähnt:

Zwei Mal schreibt BILD mit der Bitte um Erläuterung an den Presserat: Wie außergewöhnlich schwer und besonders muss ein Täter sein Opfer umbringen, dass der Presserat eine entsprechende Berichterstattung für zulässig hält? Und wie soll BILD den Eltern der toten [L.] die unglaubliche Begründung des Presserats erklären? Drei Wochen hört BILD nichts. Gestern Abend dann ein Fax. Die Vorsitzende des Beschwerde-Ausschusses verteidigt die Rüge: „Aus Sicht des Ausschusses war die Tat, so scheußlich sie war, nicht derart monströs, dass dahinter alle anderen Erwägungen, insbesondere des Jugendschutzes, zurückzutreten haben.“ Dass der Mörder erst 16 Jahre alt war, spreche gegen eine identifizierende Berichterstattung.

Bis dahin hat der empörte „Bild“-Leser aber sicher gar nicht mehr gelesen, denn es gab ja viel Wichtigeres zu tun:

Den Kasten hat “Bild” groß unter den Artikel gedruckt. Auch online werden die Leser heute dazu aufgerufen:

Inzwischen hat der Presserat eine Stellungnahme zu der „Bild“-Kampagne veröffentlicht. Darin wird noch einmal betont, dass das Alter des Täters „eine wichtige Grundlage der Entscheidung“ gewesen sei.

Weiter schreibt der Presserat, …

dass es bei Straftaten zwar in der Tat Kriterien gibt, die in Einzelfällen dafür sprechen können, dass identifizierende Berichterstattung ethisch vertretbar sein kann. Eines dieser Kriterien ist gemäß Richtlinie 8.1, dass es sich um eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat handeln muss. Mord ist stets eine schwere Straftat, darüber gibt es keinen Zweifel. Jedoch rechtfertigt auch Mord nicht in jedem Fall die identifizierende Berichterstattung.

Mit Blick auf die in Frage stehende Tat ist der Presserat zu dem Ergebnis gekommen, dass diese, so verachtenswert, wie sie ist, die Identifikation des Täters für ein großes Publikum nicht ethisch rechtfertigt, da andere Kriterien der Ziffer 8 des Pressekodex dafür sprechen, dass er hätte anonymisiert werden müssen. Vor allem die Tatsache, dass der Täter erst 16 Jahre alt war, also deutlich noch ein Jugendlicher, sprach nach Ansicht des Ausschusses erheblich gegen eine identifizierende Berichterstattung.

Auch der Medienrechtler Dominik Höch betont auf BILDblog-Anfrage, dass das Alter des Täters eine entscheidende Rolle spiele:

Bei dem Täter handelt es sich um einen 16-Jährigen. Das heißt, dass in dem Fall ohne Wenn und Aber das Jugendstrafrecht gilt, die Verhandlung ist also nicht öffentlich. Da muss man die Frage stellen, warum die “Bild”-Zeitung das Recht haben soll, dieses Foto einem Millionenpublikum zu präsentieren, während der Lokalreporter vor Ort das nicht darf und selbst der Nachbar vom Prozess ausgeschlossen wird. Rechtlich ist das also ganz klar geregelt.

Darüber hinaus, so Höch, sei es „eine perfide Boulevardmethode“, die Leser in dieser Weise gegen den Presserat zu mobilisieren:

Am Ende der Leitung sitzt dann vermutlich eine Sekretärin, die sich den ganzen Tag von Anrufern beschimpfen lassen muss. Auf dieser Ebene sollte man Kritik am Presserat nicht spielen.

Jeder habe das Recht, öffentliche Entscheidungen wie die des Presserats zu kritisieren. Es gehe aber um das Wie. Und da habe die „Bild“-Zeitung heute „klar die Grenze des guten Geschmacks überschritten.”

Interessant ist übrigens der Zeitpunkt der Kampagne. „Bild“ hat sich genau den Tag ausgesucht, an dem der Presserat die Beratungen zur Berichterstattung über den Germanwings-Absturz begonnen hat.

Angesichts der laufenden Sitzung konnte uns der Presserat heute auch noch nicht genau sagen, wie viele Anrufe und Mails bereits bei ihm eingegangen sind. Nur soviel: Es seien „viele“.

Darunter aber nicht nur keifende „Bild“-Fans, wie wir unserem Posteingang (wir wurden in cc gesetzt) entnehmen durften:

Hiermit möchte ich Ihnen meine Meinung sagen: Vielen Dank!

Danke, dass Sie die Bild für die unangemessenen und Persönlichkeitsrechte verletzenden Artikel gerügt haben. Falls Sie nun viele Anrufe und Mails mit wütendem Protest im Sinne Diekmanns Wunsch erhalten, so möchte ich Ihnen schreiben, dass es viele Bürger gibt, die diese Rüge richtig verstehen und Sie die wütenden, Betroffenheit heuchelnden (Bild)Leser nicht ernst zu nehmen brauchen.

Mit Dank an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 3. Juni: Heute geht’s weiter:

„Bild“ präsentiert einige der „entsetzten“ Reaktionen auf die „schwer nachvollziehbare Entscheidung“:

Und, klar:

Und schließlich würfelt “Bild” die Aussagen des Presserats nochmal komplett durcheinander:

Der Presserat entschied: BILD hätte das Täter-Foto nicht zeigen dürfen. Begründung: Da der Killer zur Tatzeit erst 16 war, sei der Mord nicht „außergewöhnlich schwer“ und „monströs“ genug. Der Jugendschutz überwiege …

Es ist hoffnungslos.

BeHaind, Griechenland, Daniel Steil

1. “Schluss damit!”
(youtube.com, Video, 7:46 Minuten)
Nutzer BeHaind ist genervt vom Quotendruck bei YouTube. Er will zukünftig weniger boulevardeske Inhalte erstellen: “Dieses YouTube-Deutschland, was sich da gerade aufbaut, von dem möchte ich kein Teil mehr sein. (…) Ich möchte nicht mehr ‘masturbieren’ in den Titel schreiben müssen, damit ihr klickt. Denn wenn ihr nur deswegen klickt, dann klickt ihr bei mir aus den falschen Gründen.”

2. “Jung, cool, lustig sein”
(dirkvongehlen.de)
Stefan Raab befasst sich in “TV Total” auf ProSieben (tvtotal.prosieben.de, Video, 5:47 Minuten) mit der Nachrichtensendung Heute+.

3. “Eine Frage des Zeitpunkts”
(taz.de, Ferry Batzoglou)
Der stellvertretender Finanzminister der griechischen Regierung, Dimitris Mardas, klagt gegen “Bild”, und zwar “wegen Beleidigung seiner Persönlichkeit, verleumderischen Diffamierung und Beschimpfung auf ‘die Wiederherstellung der Wahrheit, seiner Ehre und seines Ansehens'”.

4. “So funktioniert Rufmordmaschine gegen Varoufakis”
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Urs P. Gasche geht Medienberichten nach, die vermeldet hatten, dass der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis von ungenannten Quellen als “Spieler”, “Amateur” und “Zeitverschwender” bezeichnet wurde. “Varoufakis italienischer Minister-Kollege Pier Carlo Padoan hat in der Folge öffentlich dementiert, dass es diese Beleidigungen bei dem Treffen gegeben habe. Dieses Dementi hinterliess aber in den Medien keine grösseren Spuren. Daraus muss man schliessen, dass in den europäischen Medien von anonymen Quellen verbreitete Beleidigungen, zudem ohne mit Namen identifizierte Beleidiger, mehr zählen als der abweichende Bericht des italienischen Finanzministers, der sich mit Namen zitieren lässt.”

5. “‘Relevant ist, was die Masse der Menschen interessiert'”
(meedia.de, Georg Altrogge)
Daniel Steil räumt ein, dass “Focus Online” mit “einigen Berichten” zur “Verwirrung über den Gesundheitszustand” von Michael Schumacher beigetragen hat. “Journalisten erklären häufig, was sie selbst für relevant erachten. Ob das immer mit dem Relevanzgedanken der meisten User übereinstimmt, bezweifle ich stark – unsere Userlab-Befragungen zeigen andere Ergebnisse. Grundsätzlich halte ich eher das für relevant, was die Masse der Menschen interessiert.” Siehe dazu auch “Sie haben bisher immer das falsche Online-Angebot gelesen!” (stefan-niggemeier.de).

6. “Schreiben: Zehn Tipps”
(tomhillenbrand.de)

Andreas L.

Vorab eine kurze persönliche Anmerkung. Ich bin jetzt seit drei Jahren beim BILDblog und habe schon viele krasse Sachen gesehen. Aber die letzten Tage haben mich wirklich fertiggemacht. Gerade gestern*, als ich mitansehen musste, wie sich immer mehr Medien reflexartig und bar jeden Anstands auf einen Menschen und dessen Familie stürzten, habe ich mich so ohnmächtig und verzweifelt gefühlt wie lange nicht mehr. Dennoch, oder gerade deshalb, will ich versuchen, mich im Folgenden einigermaßen sachlich mit den Ereignissen auseinanderzusetzen, und ich hoffe sehr, dass diese ganze Tragödie wenigstens dazu führt, dass einige Journalisten ihr eigenes Handeln zumindest ein kleines bisschen überdenken.

***

Was in den vergangenen Tagen passiert ist, ist in weiten Teilen, in sehr weiten Teilen kein Journalismus mehr, sondern eine Jagd. Eine Jagd nach Informationen und Bildern, die für das Verständnis des Geschehens komplett irrelevant sind.

Um eines gleich ganz klar zu sagen: Selbstverständlich muss über ein solches Geschehen berichtet werden. Meinetwegen auch schnell und laut und in hoher Frequenz. Aber es gibt eine Grenze zwischen der Versorgung mit relevanten Informationen und dem Bedienen voyeuristischer Interessen. Diese Grenze wurde in den letzten Stunden und Tagen auf übelste Weise überschritten, und ich glaube, dass die allermeisten Journalisten ganz genau wissen, wann sie das tun — was es nur noch viel trauriger macht.

Ob die identifizierende Berichterstattung über den Co-Piloten eine solche Grenzüberschreitung ist, darüber sind sich die Medien bemerkenswert uneinig. Viele Journalisten diskutieren derzeit darüber, ob man seinen vollständigen Namen nennen und sein Foto unverpixelt zeigen darf und soll, einige Medien haben (was so gut wie nie vorkommt) Begründungen für ihre jeweiligen Entscheidungen veröffentlicht, das Portal watson.ch ließ sogar seine Nutzer darüber abstimmen, ob es den Namen nennen solle (die meisten stimmten für Nein, das Portal nennt ihn trotzdem), und Kai Biermann von „Zeit Online“ hat sich beim Presserat über sich selbst beschwert, um herauszufinden, ob er mit der Nennung des Namens gegen den Pressekodex verstoßen hat.

Ich persönlich finde, dass man durchaus auf die Identifizierung verzichten kann. Es macht für mich keinen Unterschied, ob ich einen Artikel lese, in dem der Mann zu erkennen ist, oder einen, in dem er anonym bleibt. Es lässt mich das Geschehen weder mehr noch weniger begreifen, darum kann man, finde ich, seine Identität auch weglassen.

„Spiegel Online“ sieht sah es ähnlich und schrieb gestern:

FAZ.net hingegen nennt seinen vollständigen Namen und zeigt sein Foto ohne Unkenntlichmachung. In der Begründung, die FAZ.net-Digitalchef Mathias Müller von Blumencron heute veröffentlicht hat, heißt es:

Es ist ein schrecklicher Unfall, ausgelöst durch das Verhalten des Kopiloten. Die Opfer und die Öffentlichkeit haben ein Recht darauf zu erfahren, wer das Unglück ausgelöst hat. […] Im Zentrum der Erklärung steht ein Mensch, genauer sein Kopf, sein möglicherweise irregeleitetes Gehirn. Das ist das Unerklärliche, was uns soviel Schwierigkeiten bereitet: Es ist die Psyche von Andreas [L.], die Unfassbares verursacht hat. Die Lösung ist nach gegenwärtigem Stand nur in der Person des Kopiloten zu finden. Wir müssen uns mit ihm beschäftigen, wir müssen ihn ansehen, wir dürfen ihn sehen.

Deshalb hat FAZ.NET das Foto von Andreas [L.] gezeigt.

Soll, wenn ich das richtig verstanden habe, heißen: Weil der Kopf des Co-Piloten des Rätsels Lösung ist, dürfen wir ihn uns auch angucken. Oder wie?

Dagegen klingt sogar die Begründung der „Bild“-Zeitung nachvollziehbar: Weil Andreas L. einen „Ritualmord“ begangen habe (ja, das steht da wirklich), mache ihn das zu einer Person der Zeitgeschichte, darum müsse er auch im Tod „hinnehmen, dass er mit seiner vollen Identität, seinem Namen und auch seinem Gesicht für seine Tat steht.“

Es kann durchaus sein, dass Gerichte das ähnlich bewerten würden; rechtlich gesehen ist es vermutlich in Ordnung, den Namen auszuschreiben. Medienanwalt Dominik Höch schreibt dazu in einem lesenswerten Beitrag:

Die Gerichte haben in der Vergangenheit entschieden, dass der Name des Betroffenen nicht tabu sein muss, wenn der Verdachtsgrad hoch genug ist und es um eine die Öffentlichkeit besonders berührende Angelegenheit geht. Beides dürfte hier vorliegen.

Er schreibt aber auch, dass man letztlich fragen müsse:

Welcher Mehrwert an Information ergibt sich durch die Namensnennung wirklich? Ist es wirklich zwingend ihn zu nennen?

Denn, und diesen Punkt vermisse ich in den meisten Diskussionen zu diesem Thema:

Durch die Nennung des Namens und des Wohnortes dürften [die Eltern und anderen Angehörigen des Co-Piloten] für eine Vielzahl von Personen erkennbar sein. Sie sind schuldlos an der Katastrophe und müssen nun neben dem Verlust des Kindes mit den neueren Erkenntnissen leben. Sie müssen außerdem erhebliche Anfeindungen befürchten; sie müssen eine – unzulässige – Durchleuchtung ihres Privatlebens durch Medien befürchten. Davor sind sie zu schützen. Ihr Allgemeines Persönlichkeitsrecht verleiht Ihnen das Recht auf Privatsphäre. Sie sind  eigentlich – vereinfacht gesprochen – nicht Teil eines zeitgeschichtlichen Ereignisses. Das ist ein hohes Schutzgut.

Und dieses Schutzgut finde ich wichtiger als das Wissen um den Nachnamen des Mannes. Wenn ich zum Beispiel vom “Amokläufer Tim K.” spreche, wissen Sie sicher alle, wen ich meine und welche Geschichte dahinter steckt — ohne den vollen Namen zu nennen. Und wenn das den Angehörigen viel Leid erspart, dann kann ich getrost auf den Namen verzichten.

Es geht in diesem Fall aber nicht nur um das Ob. Sondern auch — und vor allem — um das Wie. “Bild” und “Express” zum Beispiel bezeichnen den Mann heute als “Amok-Piloten” und zeigen ihn, wie auch andere Medien, riesengroß auf der Titelseite (Ausrisse siehe ganz oben). Wenn man als Medium aber schon von einer “Amok”-Tat ausgeht, darf man, um Nachahmungstaten zu vermeiden, den Täter umso weniger in Postergröße auf der Titelseite abbilden. Schon nach dem Amoklauf in Winnenden zitierte der Presserat in einem Leitfaden für die Berichterstattung über Amokläufe (PDF) einen Psychologen mit den Worten, bei Berichten über den Täter sei Zurückhaltung geboten, weil eine gewisse Form der Berichterstattung mögliche Nachahmungstäter bestärken könne:

“Nicht den Täter und seine Motive in den Vordergrund rücken, sondern die Tat, keine Klischees fördern, keine Bilder vom Täter zeigen und keine Namen nennen”, sagte [Prof. Dr. Herbert] Scheithauer. Bei allem legitimen öffentlichen Interesse sollten sich Journalisten stets die Frage stellen, wie ihre Beiträge auf potenzielle Täter wirken könnten.

Auch im Fall des Co-Piloten besteht eine solche Nachahmungsgefahr. Prof. Dr. Thomas Bronisch vom Max-Planck-Institut für Psychiatrie sagte heute im “Mittagsmagazin”:

“Man muss damit rechnen, dass bei einem so spektakulären Ereignis es auch Nachahmer findet. Sicherlich ist es eine extreme Form, sich umzubringen, und es werden nur wenige bereit dazu sein, aber es könnte für manche doch dazu gereichen, diese Tat mit diesem spektakulären Aspekt durchzuziehen.”

Aber lassen wir den Punkt erst einmal beiseite.

Sofort nachdem bekannt geworden war, dass der Co-Pilot die Maschine möglicherweise absichtlich in den Berg geflogen hat, begaben sich ganze Heerscharen von Journalisten auf Spurensuche: Sie belagerten das Elternhaus des Mannes, befragten seine angeblichen Freunde („Spiegel Online“), Nachbarn (Stern.de), Bekannten („Focus Online“), Weggefährten („Passauer Neue Presse“), die Mutter einer ehemaligen Klassenkameradin (FAZ.net) und den Besitzer der Pizzeria in der Nähe seiner Zweitwohnung („Bild“), sie durchwühlten sein Umfeld, seine Facebookseite, seine Krankenakte.

Dagegen ist auch erstmal nichts zu sagen. Es kommt darauf an, wie die Medien dabei vorgehen und was sie daraus machen. Wenn aber eigentlich nichts dabei rauskommt, die Nicht-Erkenntnisse aber trotzdem mit übertriebener Bedeutung aufgeladen werden, wenn also beispielsweise FAZ.net schreibt …

„Das war ein lieber Junge“, sagte die Mutter einer Klassenkameradin gegenüber FAZ.NET. Ihre Tochter ist in Tränen aufgelöst und steht für Gespräche vorerst nicht zur Verfügung. „Er hatte gute familiäre Hintergründe“, sagt sie. Allerdings habe sich Andreas [L.] ihrer Tochter vor einigen Jahren anvertraut mit dem Hinweis, er habe in seiner Ausbildung eine Auszeit genommen: „Offenbar hatte er ein Burnout, eine Depression“. Die Tochter habe ihn zuletzt vor Weihnachten gesehen, da habe er ganz normal gewirkt.

… dann trägt das nicht zur Wahrheitsfindung bei, sondern heizt allenfalls die unsinnigen Spekulationen an.

Und ich frage mich jedes Mal: Werden die Ereignisse für mich als Leser in irgendeiner Art greifbarer, wenn ich erfahre, in welchem Haus der Co-Pilot gewohnt hat und was der Schwippschwager der Nachbarin eines Bekannten von ihm hielt? Wenn ich weiß, welche Musik er gerne hörte („Focus Online“), welche Marathon-Zeit er gelaufen ist („Bild“), welchen Beruf seine Eltern ausüben („Blick“) oder in welches Fastfood-Restaurant er am liebsten ging („Welt“)? Und die einzige Antwort, die ich jedes Mal finde, ist: Nein.

In einigen Fällen sind die so zutage geförderten Dinge aber nicht nur belang- und geschmacklos, sondern schlichtweg falsch. In vielen Medien wurde zum Beispiel dieses Foto veröffentlicht, das den Co-Piloten Andreas L. zeigen soll:

Tatsächlich zeigt es aber Andreas G., der mit der Sache gar nichts zu tun hat, wie das Portal tio.ch schreibt:

(Unkenntlichmachung des rechten Fotos von uns. Den Artikel haben wir per Google Translator übersetzt. Da im Original das Gesicht des „echten“ Co-Piloten zu erkennen ist, haben wir auf einen Link verzichtet.)

Neben der „Kronen Zeitung“ hat auch „Österreich“ das Foto heute auf der Titelseite abgedruckt (via Kobuk):

Hierzulande wurde das falsche Foto unter anderem von den „Tagesthemen“ und „ZDF heute“ veröffentlicht (immerhin: verpixelt), beide Redaktionen haben sich inzwischen dafür entschuldigt.

Was für Folgen eine solche Verwechslung haben kann, lässt sich heute in der „Rhein-Zeitung“ (Abo-Link) nachlesen. In einem Restaurant sei die Freundin von Andreas G. von Journalisten förmlich überfallen worden:

„Sie saß bei einem Geschäftsessen“, berichtet Andreas [G.] unserer Zeitung. „Plötzlich kommen 20 Journalisten rein und sie wird vor laufender Kamera mit der Frage bombardiert, wie sie sich fühlt, mit einem Mörder zusammen gelebt zu haben.“ Die Freundin ist offenbar so leicht nicht zu erschüttern: „Sie konnte dann schnell aufklären, dass ich gar nicht Pilot bin“, so der im Stromhandel tätige Deutsche. „Die Journalisten sind dann wieder weg.“

„Witwenschütteln“ nennt man diese furchtbare Praxis (hier ein eindrucksvoller Erfahrungsbericht zu diesem Thema, den wir heute auch bei „6 vor 9“ verlinkt haben), und die Freundin des falschen Piloten war nicht die einzige, die dermaßen von Reportern belästigt wurde. Vor allem die Mitschüler der bei dem Unglück gestorbenen Kinder aus Haltern am See haben in den letzten Tagen unglaubliche Dinge erlebt. In einem Post bei Facebook heißt es:

Wer zum Gedenken eine Kerze abstellen oder einen Moment an der Treppe zum Gymnasium innehalten möchte, fühlt sich wie im Zoo oder auf einem Laufsteg:

Vor einer Front aus teilweise über 50 Kameras wird jeder Emotionsausbruch von den geifernden Kameraleuten schnell eingefangen und geht kurz darauf um die Welt und wird von distanzierten Stimmen kommentiert.

Als ob man nicht sehen würde, dass es den Menschen hier schlecht geht!

Selbstverständlich besteht ein großes Interesse der Öffentlichkeit aufgrund der Dimension dieses Unglücks.
Die internationale Anteilnahme berührt uns natürlich sehr. Es tut gut, so viele Trost spendenden Stimmen aus der ganzen Welt zu lesen und zu hören.

In Momenten aber, in denen Eure Kollegen KINDERN GELD dafür anbieten, Informationen preiszugeben oder VORGEGEBENE SÄTZE in die Kameras zu sprechen ODER sich eine Fotografenmeute auf einen Mann stürzt, der vor Kummer in der Fußgängerzone zusammenbricht, WIRD HALTERN AM SEE ZUSAMMENHALTEN UND EUCH IN EURE SCHRANKEN VERWEISEN!

Dass Kindern Geld für Informationen angeboten wurde, ist uns von mehreren Quellen aus Haltern am See bestätigt worden. Die „Ruhrnachrichten“ schreiben außerdem:

Bürgermeister Bodo Klimpel berichtet von einer erschreckenden Situation am Bahnhof. Ein ausländisches Reporterteam soll dort einem Jugendlichen ein lukratives Honorar angeboten haben. Als Gegenleistung sollte der Schüler mit seinem Handy Aufnahmen von der internen, nicht-öffentlichen Trauerveranstaltung, die im Joseph-König-Gymnasium stattfindet, machen.

So bleibt für mich am Ende die — aus journalistischer Sicht — traurigste Erkenntnis aus diesem ganzen Unglück: Dass viele Journalisten, die ja eigentlich dazu beitragen sollten, dass wir die Welt besser verstehen und dass in Zukunft weniger schlimme Dinge passieren, im Moment viel eher damit beschäftigt sind, das Leid noch zu vergrößern.

Mit Dank auch an die vielen, vielen Hinweisgeber!

*Nachtrag, 29. März: Hier stand zunächst ein sprachliches Bild (der Co-Pilot sei “zum Abschuss freigegeben” worden), das von einigen Lesern zurecht kritisiert wurde, weil es natürlich nicht besonders glücklich gewählt war. Ich habe es daher gestrichen und bitte um Entschuldigung!

Wenn Schlagzeilen Menschenleben kosten

Prof. Dr. Ulrich Hegerl ist Vorstandsvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und beschäftigt sich seit Jahren mit der Berichterstattung über Suizide. Wir haben uns anlässlich der Berichterstattung über den Tod von Ben Wettervogel mit ihm unterhalten.

BILDblog: Herr Professor Hegerl, aktuell wird sehr intensiv über den Suizid von Ben Wettervogel berichtet. Vor allem die Boulevardmedien haben in den letzten Tagen große Titelgeschichten veröffentlicht, in denen der Fall sehr ausführlich und ergreifend beschrieben wird. Wie bewerten Sie solche Berichte?

Hegerl: Wenn sehr emotionalisierend berichtet wird, besteht immer das Risiko von Nachahmungssuiziden. Vor allem, wenn der Suizid als nachvollziehbare Reaktion auf schwierige Lebensumstände dargestellt wird. Das ist der Suizid aber in den allermeisten Fällen nicht, sondern er ist Folge einer meist nicht optimal behandelten psychiatrischen Erkrankung. Wenn jemand eine Depression kriegt, dann hat er immer das Gefühl, das Leben sei aussichtslos – auch wenn es ihm von außen betrachtet gar nicht schlecht geht. Und wenn jemand Probleme hat, dann nimmt er diese Probleme in der Depression noch hundertfach vergrößert wahr und hat das Gefühl, da komme ich nie wieder raus. Deswegen darf man die Gründe, die zunächst auf der Hand zu liegen scheinen, nicht überbewerten.

Über die Motive von Ben Wettervogel wird zurzeit auch viel spekuliert. Wir wollen nicht näher darauf eingehen, aber ganz allgemein gesagt halten die Medien seine schweren Lebensumstände für das Entscheidende.

Das wird oft angenommen. Weil jeder Mensch irgendwo Probleme hat, hat man immer auch gleich die Gründe: Wenn jemand alt ist, sind es die Erkrankungen, die angeblich schuld sind, bei anderen ist es die Entlassung oder was auch immer. Das sind aber meistens gar nicht die entscheidenden Faktoren, sondern eben die Depression, die dazu führt, dass die bestehenden Probleme als unüberwindbar und riesengroß wahrgenommen werden.

Wenn nun ein Betroffener solche Berichte liest, kann es also passieren, dass sie etwas in ihm auslösen, es also zu Nachahmungen kommt?

Ja, das ist der sogenannte Werther-Effekt. Er bezieht sich auf den Roman „Die Leiden des jungen Werther“ von Goethe, in dem sich ein junger Mann das Leben nimmt. In der Folge gab es andere junge Männer, die das gelesen und sich dann in gleicher Weise das Leben genommen haben. Seitdem ist dieses Phänomen des Nachahmungssuizids bekannt.

Sie haben dieses Phänomen am Fall von Robert Enke ausführlicher untersucht, über dessen Suizid ja auch massiv berichtet wurde. Was haben Sie herausgefunden?

Es kam zu Nachahmungstaten, und zwar nicht nur in den ersten Tagen nach der Berichterstattung (die Zahl der Suizide auf Bahnstrecken verdoppelte sich schlagartig, Anm. d. R.), sondern auch längerfristig. Und das zeigt eben, wie wichtig es ist, dass man sehr verantwortungsvoll berichtet.

Man kann also sagen, Journalisten können im schlimmsten Fall dazu beitragen, dass sich Menschen das Leben nehmen?

Das kann man in jedem Fall sagen, ja.

Wie sollten sich die Medien denn am besten verhalten?

Sie sollten zum Beispiel den Suizid als Ausdruck einer Depression oder anderen psychiatrischen Erkrankung darstellen und nicht als nachvollziehbare Reaktion, auch auf Hilfsangebote hinweisen. Es gibt einen Leitfaden für Journalisten, in dem wir solche Empfehlungen ausführlich darstellen.

***

Diesen Leitfaden kann man sich hier herunterladen. Auch die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention hat Empfehlungen für Journalisten herausgegeben (hier), ebenso wie die Weltgesundheitsorganisation (hier).

Sie alle sind sich einig, dass die Gefahr von Nachahmungstaten sinkt, wenn:

  • der Suizid als Folge einer Erkrankung (z.B. Depression) dargestellt wird, die erfolgreich hätte behandelt werden können
  • alternative Problemlösungen und Fälle von Krisenbewältigung aufgezeigt werden
  • Expertenmeinungen eingeholt werden
  • Hintergrundinformation zum Krankheitsbild Depression gegeben werden
  • über die Arbeit professioneller Helfer berichtet wird
  • Helplines und Hilfekontakte angegeben werden (etwa die Nummern der Telefonseelsorge — 0800-1110111 oder 0800-1110222 –, unter denen sich Betroffene rund um die Uhr kostenfrei und anonym beraten lassen können)
  • Erfreulicherweise gibt es immer mehr Medien, die sich zumindest an einige dieser Punkte halten (wobei es in manchen Fällen doch sehr alibimäßig wirkt, wenn wenige Zeilen über dem Kasten mit den Hotlines dann doch die genaue Suizid-Methode beschrieben wird).

    Denn die Gefahr von Nachahmungstaten steigt, wenn:

    • durch Titelgeschichten, Schlagzeilen und Fotos Aufmerksamkeit erregt wird
    • die Begriffe Selbstmord, Suizid und Freitod in der Überschrift vorkommen
    • die Suizid-Methode detailliert beschrieben wird
    • ein leicht zugänglicher Ort beschrieben oder gar mystifiziert wird
    • das soziale Umfeld, die Identität und die Motive ergreifend beschrieben werden
    • der Suizid positiv bewertet, glorifiziert oder romantisiert wird
    • der Suizid als völlig unverständlich oder als einziger Ausweg bezeichnet wird
    • das Opfer eine prominente Person ist

    Mindestens sechs dieser acht Punkte treffen auf die aktuelle Berichterstattung der „Bild“-Zeitung zu. Auch die „B.Z.“, der „Berliner Kurier“ und der „Express“ berichten ohne große Rücksicht, stark emotionalisiert und detailliert. Und selbst seriösere Medien wie die „Berliner Zeitung“, der „Kölner Stadt-Anzeiger“ oder die „Augsburger Allgemeine“ beschreiben die Suizid-Methode ganz genau.

Totalablehner, Emma, Olaf Latzel

1. “Im Netz der Wutbürger und Verschwörungstheoretiker”
(faz.net, Markus Linden)
Markus Linden analysiert die sich im Internet formierende “weitgehend anonyme, über alternative Medien informierte Bewegung der Totalablehner”.

2. “Gegenlesen? Nicht mit uns”
(kontextwochenzeitung.de, Susanne Stiefel)
Viele junge Journalisten wissen nicht mehr, dass die Autorisierung von Interviews ein journalistisches Entgegenkommen und kein Muss sei, bemerkt Susanne Stiefel. “Alle reden derzeit von Pressefreiheit, die es gegen islamistische Amokläufer zu verteidigen gilt. Keine Widerrede. Dringend notwendig wäre es jedoch auch, diese tapfer verteidigte Freiheit den vielen Pressestellen von Unternehmen, Politikern und Universitäten ins Gedächtnis zu rufen, deren Job es ist, ihre Auftraggeber in den schönsten Farben schillern zu lassen oder zu verkaufen.”

3. “Ach Bild :( Die bösen Griechen-Milliardäre zahlen keine Steuern für ihre Schiffe?”
(diewunderbareweltderwirtschaft.de, Dieter Meyeer)
Dieter Meyeer schreibt über den Bild.de-Artikel “Warum zahlen superreiche Griechen keine Steuern?” und fragt, warum darin nicht im Ansatz belegt werde, “dass die namentlich genannten und an den Pranger gestellten Milliardäre wirklich keine Steuern zahlen. Kennt die Bild deren Steuererklärung?”

4. “Chefredaktoren auf dem Schleudersitz”
(nzz.ch, Thomas Maissen)
Es war zu lesen, Markus Spillmann habe als erster Chefredaktor in der Geschichte der NZZ zurücktreten müssen. Das ist nicht so, wie Historiker Thomas Maissen mit einem Blick zurück auf das 19. Jahrhundert klar macht.

5. “Kein Hassprediger, ein Don Quijote”
(boess.welt.de)
Gideon Böss hört eine Predigt des evangelischen Pastors Olaf Latzel, der in den Medien als “Hassprediger” bezeichnet wird. Und urteilt: “Es bleibt ein Geheimnis, wo der Pastor Hass gegen andere schürt. Diese Predigt ist vielmehr der Versuch eines frommen Christen, die Werte seiner Religion gegen die Moderne zu verteidigen, deren ‘alle Meinungen sind gleich viel wert’-Toleranz für ihn Neuheidentum ist und dem er eine kompromisslose ‘Jesus, sonst nichts’-Parole entgegenhält. (…) Das Christentum ist eben in Gottesfragen nicht tolerant und Jesus hat nicht gepredigt, ‘soll doch jeder glauben, was er will’. Latzel macht nichts weiter, als daran zu erinnern.”

6. “Meine Mudda gehört zu Deutschland”
(taz.de, Deniz Yücel)
Deniz Yücel antwortet auf eine E-Mail der Zeitschrift “Emma”, die in Erfahrung bringen will, welche Rolle “MuslimInnen in Deutschland” jetzt spielen sollen “bei dem Schulterschluss von DemokratInnen aller Provenienzen gegen den Islamismus in Deutschland und die Terrorismusgefahr”.

Herzinfarkt, ZDF-Fernsehrat, Christian Nitsche

1. “Zwischen Mittelmeer und Jordan”
(tagesschau.de, Video, 10:47 Minuten)
Richard C. Schneider lädt die Zuschauer ein, aufgrund von Videomaterial zu entscheiden, was in einer Szene, in der ein Mann (gemäß Autopsie) einen Herzinfarkt erleidet, geschehen ist. “Diese Bilder beweisen gar nichts. Sie zeigen unterbrochen bestimmte Ereignisse, die aber noch nicht unbedingt einen kausalen Zusammenhang herstellen müssen.”

2. “Wer Angst sät, will Macht ausüben”
(blog.tagesschau.de, Christian Nitsche)
Christian Nitsche, zweiter Chefredakteur von ARD Aktuell, verteidigt “Angriffe auf Qualitätsmedien” – eine “geschürte Stimmung des Misstrauens” zersetze den Diskurs: “Der Nachweis, dass Sachverhalte von oftmals anonymen, gut organisierten Kritikern verdreht und verkürzt werden, entfaltet kaum Wirkung. Eine offenbar angstgesteuerte Wahrnehmung blendet aus, dass eine Kampagne gegen ‘die Medien’ läuft. Das Ziel der Kampagne ist nicht die Stärkung der Demokratie, sie soll vielmehr zu einer Abkehr von Sendern und Zeitungen führen. Im Ergebnis schwächt dies die Demokratie.”

3. “Die Welt des Christian Nitsche”
(begleitschreiben.net, Gregor Keuschnig)
Gregor Keuschnig antwortet Nitsche, bei ihm sei offenbar nicht angekommen, dass Kritik “ein wesentlicher Bestandteil einer demokratischen Gesellschaft” sei. Mit seiner “unfassbaren Arroganz” erreiche er “exakt das Gegenteil” dessen, was er als notwendig erachte. “Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der dringender benötigt wird denn je, nimmt mit solchen Personen einen lange Zeit irreversiblen Schaden. Statt mit journalistischer Arbeit verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen, gefällt man sich in der Rolle des selbstgefälligen Alleswissers.”

4. “ZAPP Studie: Vertrauen in Medien ist gesunken”
(ndr.de, Annette Leiterer)
Eine telefonische Umfrage unter 1002 Personen ergibt, dass “63 Prozent der Deutschen wenig oder gar kein Vertrauen in die Ukraine-Berichterstattung deutscher Medien” haben. “Von diesem Teil der Nutzer empfindet fast jeder Dritte die Berichterstattung als einseitig und 18 Prozent gehen gar von einer bewussten Fehlinformation durch die Medien aus. Das Misstrauen zieht sich dabei quer durch alle Alters- und Einkommensgruppen, unabhängig von Geschlecht und Wohnort.”

5. “Das Publikum weiss mehr als wir”
(tageswoche.ch, Thom Nagy)
Die “Tageswoche” fragt beim Publikum nach bezüglich des Vertrauensverlusts in die Medien – und erhält “eine unerwartet grosse Menge von erhellenden Beiträgen”. “Die zahlreichen, ausgesprochen differenziert dargebrachten Voten haben unsere eigene Sicht auf das Thema deutlich erweitert und bilden damit eine hervorragende Ergänzung zu unserer Analyse.”

6. “Die Revolution, die gar keine ist”
(sueddeutsche.de, Claudia Tieschky)
Die Reform des ZDF-Fernsehrats: “In dem künftig von 77 auf 60 Sitze verkleinerten Fernsehrat wird es 20 staatliche Vertreter geben – 16 von den Bundesländern, je zwei vom Bund und den Kommunen. (…) Ob die fürsorgliche Betreuung des Senders durch Rot und Schwarz weitergeht, hängt von der Unabhängigkeit und dem Selbstbewusstsein ab, mit der die künftig 40 Vertreter der gesellschaftlichen Gruppen antreten, die nun mehr Gewicht haben.”

Sebastian Vettel, Nightcrawler, Roma

1. “Falscher Wechsel bei Twitter”
(deutschlandfunk.de)
Auf Grundlage eines Tweets wird fälschlicherweise ein Wechsel von Sebastian Vettel zu Ferrari vermeldet: “Die dpa und viele der Medien, die ihre Meldungen nutzen, ließen sich das ‘L’ für ein ‘I’ vormachen und verbreiteten die Nachricht.”

2. “Schreibblockade? 14 Journalisten erklären, was sie dagegen tun”
(journalist.de)
14 Journalisten erläutern, was sie tun, wenn sie etwas schreiben müssten und ihnen nichts einfällt.

3. “Wenn der Leser zum Tier wird”
(tagesschau.de, Bettina Less)
Bettina Less befasst sich mit Aggressivität im Netz: “So schlecht wie im anonymen Raum eines Internetforums benehmen sich Menschen selten. Unvorstellbar, dass man etwa auf der Straße zu einem unbekannten Passanten geht und Dinge sagt wie: ‘Sind Sie einer von den intoleranten Schwulen, die die Öffentlichkeit mit ihren privaten Präferenzen langweilen? (…) Machen Sie das absichtlich oder reicht der Intellekt vielleicht nicht aus?'”

4. “Die ‘schockierende’ Studie, von der Journalisten nichts wissen wollen”
(tagesanzeiger.ch, Felix Schindler)
Eine Studie ergibt eine einseitige Berichterstattung der Schweizer Medien über Roma: “Die einseitige Berichterstattung habe für die in der Schweiz lebenden Roma Folgen, sagte Laederich gestern. Selbst er werde gefragt, ob er Lesen und Schreiben könne, wenn er erwähne, dass er Rom sei, sagte der Träger eines Doktortitels.”

5. “Moral und Berufsethos sind nicht mehr nötig”
(heise.de/tp, Rüdiger Suchsland)
Rüdiger Suchsland stellt den Kinofilm Nightcrawler vor: “Zumindest in diesem Film gilt jedenfalls, dass nur ein amoralischer Reporter maximalen Erfolg haben kann. Damit wird “Nightcrawler” zu einer scharfen Bestandsaufnahme moderner Medienmechanismen. Denn es dauert nicht lang, da ist klar, dass Louis bereit ist, für den Erfolg alle Grenzen zu überschreiten.”

6. “Wir sind hier, um zu berichten”
(sueddeutsche.de, Christine Brinck)
Christine Brinck, Ehefrau von Josef Joffe, schreibt über das Buch “Die Frau des Journalisten” von Ilse Kienzle, Ehefrau von Ulrich Kienzle.

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