Suchergebnisse für ‘SChweden’

WAZ, waz.de  

Den bot zum Gärtner machen

Wirklich sicher sind wir auch nicht, was Donald Trump meinte, als er gestern in einer Rede im US-Bundesstaat Florida sagte: “You look at what happened last night in Sweden”. Mit irgendeinem Vorfall in Schweden wollte Trump seinen Zuhörern klarmachen, wie wichtig seine verschärften Einwanderungsgesetze seien, und wie schnell unkontrollierte Einwanderung zu Terroranschlägen führen könne. Nur: In Schweden ist “last night” nichts Dramatisches passiert, das im Zusammenhang mit der Einwanderungspolitik des Landes steht.

Es gibt die Vermutung, dass der US-Präsident Schweden mit dem pakistanischen Sehwan verwechselt haben könnte, wo es tatsächlich gerade erst einen Selbstmordanschlag mit vielen Toten gab.

Wir haben aber noch eine andere Theorie, wie Donald Trump auf die Schreckensmeldung aus Schweden gekommen sein könnte: Zwischen zwei Hasstiraden gegen die US-Medien hat er sich einmal durch Twitter geklickt und ist auf den Account der “WAZ” gestoßen.

Dort steht seit gestern morgen:

Und auch wenn man dem Link folgt und nur die Überschrift des Artikels liest, denkt man noch, es sei in irgendeinem schwedischen Supermarkt etwas Schlimmes passiert:

Wir können Sie aber beruhigen: Es gab kein “Geiseldrama im schwedischen Supermarkt”, also nicht in echt. Samstagabend lief im “ZDF” bloß ein neuer Krimi mit Walter Sittler. Der spielt in Schweden. Und in der Folge von gestern gab es auch eine Geiselnahme im Supermarkt. Das ist alles.

Was erstmal nach ganz dämlichem Clickbaiting aussieht, dürfte an der Automatisierung der “WAZ”-Twitterei liegen. Denn die Redaktion aus Essen schreibt ihre Tweets in der Regel nicht selbst — ein Auto-Twitterer (“(bot)”) übernimmt die Arbeit. Und der greift sich immer nur die Überschrift eines Artikels und schickt diese dann samt Link an die 213.000 Follower.

So wirkt ein Filmplot dann schnell wie eine ernste Nachricht. Und landet in einer Rede von Donald Trump. Oder auch nicht.

Mit Dank an @Amoebication für den Hinweis!

Nachtrag, 20. Februar: Vielleicht lagen wir mit unserer “WAZ”-Twitter-Theorie doch daneben. Donald Trump hat sich inzwischen dazu geäußert, was er mit “You look at what happened last night in Sweden” meinte — er schreibt, er habe sich dabei auf eine Sendung von “Fox News” bezogen.

Mit Dank an Sebastian für den Hinweis!

Falschmeldungen, Staatsknete, Mario Barth

1. Fakten? Fuck.
(tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Der amerikanische Wahlkampf war beherrscht von Falschmeldungen und Lügen. Zusätzlich feuerten über 100 US-Politik-Nachrichtenseiten ohne Unterlass Lügenmeldungen pro Trump raus. Das Besondere: Gesteuert wurde alles aus einer Kleinstadt in Mazedonien. Von Teenagern, denen es weniger um Politik als um das große Geld ging. Und Facebook sorgte dafür, dass sich die Geschichten noch schneller verbreiteten. Constantin Seibt stellt einige Thesen vor, warum Falschmeldungen heutzutage derart erfolgreich sind.

2. Justiz muss Anklage gegen Dündar fallenlassen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Heute wird in Istanbul das Verfahren gegen den ehemaligen Chefredakteur und den Ankara-Büroleiter der oppositionellen Zeitung “Cumhuriyet” wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation fortgesetzt. „Can Dündar und Erdem Gül sind angeklagt, weil sie ihre journalistische Arbeit getan haben. Ihr Fall steht symbolisch für die Willkür, mit der die türkische Regierung reihenweise gegen kritische Journalisten vorgeht“, so ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. „Die türkische Justiz muss die beiden Journalisten freisprechen.”

3. Facebook-Mitarbeiter fordern Mark Zuckerberg heraus
(faz.net)
Während des amerikanischen Wahlkampfs verbreiteten sich auf Facebook viele falsche Nachrichten. Immerhin 150 Millionen Amerikaner seien während des Kampfes Clinton versus Trump mit derartigen Fakenews konfrontiert worden. Facebook-Chef Mark Zuckerberg spielt den Vorgang herunter, doch einige seiner Mitarbeiter sind ernsthaft besorgt.

4. Staatsknete für Qualitätsjournalismus
(taz.de, Reinhard Wolff)
In Schweden hat die Subvention von Medienunternehmen Tradition: Derzeit würden etwa 140 Printmedien staatliche Fördergelder erhalten. Nun ist ein neues öffentlich finanziertes Medienunternehmen im Gespräch, ein Public-Service-(Digital)-Kanal zusätzlich zu den drei bestehenden im Radio- und TV-Sektor. Im Rahmen der Reform sollen auch die Spielregeln geändert werden. Die Förderung war bislang neutral und kam auch rassistischen Blättern zu Gute. Dies soll dank “Demokratieklausel” nun ein Ende haben.

5. „Wir schützen nur unsere Bank“
(sz-online.de, Sebastian Beutler)
Der Görlitzer Volksbank-Chef Sven Fiedler hat eine Geldanlage bewerben lassen, bei der es fürs Tagesgeld symbolische 0,01 Prozent geben sollte, bei einer Kontogebühr von mindestens fünf Euro pro Monat. Daraufhin erging sich ein weltweiter Shitstorm über dem Kreditinstitut. BILD bezeichnete den Bankchef beispielsweise als “Verlierer des Tages”. Im Interview mit der “Sächsischen Zeitung” erklärt Fiedler die Hintergründe der Geschichte.

6. Live vorm Trump-Tower: Mario Barth entlarvt die Lügenpresse
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Der Comedian Mario Barth (“Kennste? Kennste?”) hat aufgedeckt, dass vor dem Trump Tower, anders als in den Medien berichtet, keine Proteste stattgefunden haben. Wie er das gemacht hat? “… Mario Barth hat bewiesen, dass da abends keine Proteste stattfinden, indem er morgens vorbeigegangen ist.”

Bild.de schiebt Wladimir Putin ein britisches Kriegsschiff unter

Wenn Russlands Präsident Wladimir Putin irgendwo auf der Welt der Welt präsentiert, was sein Land militärisch so zu bieten hat, leuchtet im Großraumbüro von Bild.de immer eine rote Alarmlampe auf. Und wir finden auch, dass die aktuelle Aufrüstung — auf allen Seiten — einem schon ziemlich Angst einjagen kann. Angsteinjagen ist dann auch wieder genau das Gebiet, auf dem sich Bild.de bestens auskennt, wenn es eben um Wladimir Putin und Russland geht. Gestern meldete das Portal:

Im Text heißt es:

Die Nachricht erschütterte Montagabend Schweden. Zwei russische Kriegsschiffe, die mit Langdistanzraketen ausgerüstet sind und sogar mit Kernwaffen bestückt werden können, fuhren bei Dänemark durch den Großen Belt — direkt Richtung Ostsee und vorbei an der schwedischen Küste.

Sogar Schwedens Verteidigungsminister Peter Hultqvist äußerte sich laut Bild.de zu den beiden russischen Schiffen:

“Wir haben alle Informationen und verfolgen die Entwicklung. Das ist natürlich beunruhigend und trägt nicht zur Entspannung in unserer Region bei. Das betrifft alle Staaten an der Ostsee!”

Im Artikel zeigt Bild.de dann noch einmal dieses riesige graue Schiff mit dem roten Drachen am Bug, das auch schon in die Teaser-Optik zu sehen war:

Unter dem Foto steht:

Eskortiert von der britischen Marine passierten die Kriegsschiffe vor wenigen Tagen den Ärmelkanal

Nun ist auf dem Foto erstmal nur ein Kriegsschiff zu sehen und nicht zwei. Was aber noch viel problematischer ist: Das vermeintliche russische Kriegsschiff, das Bild.de zeigt, wird nicht nur von der britischen Marine eskortiert, es gehört sogar zur britischen Marine. Es handelt sich nämlich um den Zerstörer “HMS Dragon (D35)”, was man an dem roten Drachen und dem Schriftzug “D35” ganz gut erkennen kann. Und dieser Zerstörer gehört zur Royal Navy.

Die zwei russischen Schiffe “Serpuchow” und “Seljony Dol”, die an der schwedischen Küste vorbeifuhren, sind Korvetten und gehören zur sogenannten Bujan-Klasse. Mit ihrer Länge von 62 Metern sind sie deutlich kürzer als die “HMS Dragon”, die 152,4 Meter lang ist. Vielleicht sahen sie einfach nicht bedrohlich genug aus.

Mit Dank an Torben W. für den Hinweis!

Polarisierung, Framing, Crowdfunding

1. Polarisierte britische Presse
(nzz.ch)
In Spanien, Schweden, Italien und Grossbritannien berichten die großen Zeitungen recht unterschiedlich über die Flüchtlingswelle. Der Tenor werde aber kritischer, so die NZZ in ihrem Beitrag über Migration in den Medien. Als Belege für diese Aussage führt die Zeitung eine von der UNO in Auftrag gegebene Studie der “Cardiff School of Journalism” und die vielbeachtete Analyse der “SZ” an.

2. Die Tücken politischer Sprache
(de.ejo-online.eu, Stephan Russ-Mohl)
Ein Journalismus-Professor schreibt über ein Buch, das unter jedermanns Kopfkissen gehöre: “Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht” von Elisabeth Wehling. “Je dreister die Machthaber dieser Welt ihre Propaganda-Trupps einsetzen und je kreativer und zahlreicher die Public Relations Experten werden – in den USA kommen derzeit bereits fünf auf einen Journalisten – , desto wichtiger wäre es, dass gerade Redaktionen bei der Wortwahl und bei Sprachregelungen aufpassen.”

3. Mehr PR-Kritik, bitte!
(medienwoche.ch, Ronnie Grob)
Ronnie Grob wünscht sich mehr PR-Kritik. Während Journalisten und Medien unter kritischer Beobachtung stünden, werde die Arbeit hochbezahlter Kommunikationsstellen und -büros kaum kritisiert. Dies müsse sich ändern. Gerade direkt und indirekt von Steuergeldern finanzierte PR-Leute benötigten mehr Kontrolle und Kritik durch die Öffentlichkeit. Vier von ihm geschilderte, aktuelle Fälle aus der Praxis machen klar, warum dies nötig ist.

4. Ein schmaler Grat: Native Advertising als Herausforderung für Journalisten und Werbemacher
(fachjournalist.de, Katharina Pencz)
Katharina Pencz berichtet über den derzeitigen Stand in Sachen “Native Advertising” und sieht die Reputation der Verlage in Gefahr. Der Grat zwischen “Native Advertising” und Schleichwerbung sei schmal: “Die Verlage stehen vor dem Problem, im digitalen Bereich ausreichende Gewinne erzielen zu müssen, denn nur so lässt sich guter Journalismus finanzieren. Dabei greifen sie zunehmend auf Werbeformate wie Native Advertising zurück, die jedoch, wenn sie nicht richtig angewendet werden, zu einem Vertrauensverlust in das Medium führen können.”

5. «Wir beschränken uns radikal auf Qualität»
(presseverein.ch, Janosch Tröhler )
Auf einer Crowdfunding-Plattform wollen drei Journalisten 50.000 Franken für ihr Projekt sammeln: Das “Coup Magazin”, das vor allem auf längere Texte setzt. Geplant sei eine Geschichte pro Monat. “Es ist das, was momentan realistisch ist. Es gibt eine große Konkurrenz an Content und wir möchten einmal im Monat das Beste rausholen.” Etwa ein Drittel der angestrebten Summe ist zusammen. Die nächsten drei Wochen werden zeigen, ob sich noch mehr Leser für das journalistische Longreader-Projekt begeistern.

6. Journalisten festgesetzt:
Mazedonien verhindert gezielt Berichterstattung über Flüchtlingsmarsch

(metronaut.de, John F. Nebel)
Eine vierstellige Zahl von Flüchtlingen soll das griechische Lager Idomeni in Richtung Mazedonien verlassen haben. Der Exodus der verzweifelten Menschen wurde von zahlreichen Journalisten begleitet (Twitter-Hashtag: #marchofhope). Mazedonische Polizei und Militär haben offenbar gezielt Journalisten herausgegriffen und über viele Stunden festgesetzt. Ein Journalist berichtet von je 260 Euro verhängtem Bußgeld und einer eventuellen Einreisesperre.

Abgelaufener Etikettenschwindel

Der Beschluss der EU-Kommission, dass es eine Kennzeichnungspflicht für Produkte geben soll, die aus den israelischen Siedlungen in palästinensischen Gebieten stammen, beschäftigte die Medien im November. Vergangene Woche griff auch “Welt”-Autor Michael Stürmer das Thema in seiner Kolumne auf, in der er sich mit der “Weltlage” beschäftigt:

Und dieser “bemerkenswerte Humor”, mit dem Israelis der EU-Entscheidung begegneten, sehe so aus:

Doch die Israelis müssten nicht Israelis sein, hätten sie nicht sogleich eine Antwort im Stil von Woody Allen parat: “Wir helfen Ihnen gern, Israel künftig effektiver zu boykottieren.”

Dann folgt eine lange Liste, beginnend mit Intel-Prozessoren, gefolgt vom Betriebssystem Microsoft: “Ihr Handy, iPad und Tablet besteht aus lauter israelischen Patenten und Einzelteilen.” Alles davon sofort zu entsorgen und nie wieder zu verwenden.

Wer genau diese Woody-Allen-Antwort gegeben hat, lässt Stürmer offen. Er dürfte aber das Portal il-israel.org meinen, das der deutsche Verein “I like Israel” betreut. Jedenfalls findet man auf der Homepage des Vereins besagte “lange Liste”, die Stürmer zitiert.

“I like Israel” schreibt wiederum, man habe die Auflistung vom amerikanischen “Christian Science Monitor” adaptiert. Die Journalistin Christa Case Bryant wollte dort nach eigener Aussage verdeutlichen, welche Marken Konsumenten aufgeben müssten, wenn sie strikt israelische Produkte boykottieren wollten oder Firmen, die wirtschaftliche Beziehungen mit israelischen Partnern unterhalten. Darunter: Victoria’s Secret, McDonald’s und SodaStream.

Bryants Beitrag ist allerdings keine Reaktion auf die aktuelle Diskussionen um die Kennzeichnungspflicht in der EU, sondern bezieht sich auf die 2005 gestartete Anti-Israel-Kampagne “Boycott, Divestment and Sanctions“, die Israel unter anderem wirtschaftlich unter Druck setzen will. Ihre Boykott-Liste hat Bryant im Januar 2014 veröffentlicht, also vor fast zwei Jahren.

Doch nicht nur zeitlich ist was schräg an Stürmers Kolumne, sondern auch inhaltlich. Neben dem “Betriebssystem Microsoft”, von dem Stürmer spricht, hat er auch die Fehler seiner Quelle ungeprüft übernommen:

HP-Drucker? BMW, Volvo, VW “und was sonst auf vier Rädern fährt” — sofort zu verschrotten. “Sie ahnen nicht, wie viele Rohstoffe — Aluminium — aus Israel stammen.” Skype? Rein israelisches Produkt.

Skype wurde von einem Schweden und einem Dänen in Luxemburg gegründet, die Software entwickelten drei Esten. Seit 2011 gehört Skype zum US-Konzern Microsoft. Wie Stürmer und “I like Israel” darauf kommen, es sei ein “rein israelisches Produkt”, wissen wir nicht. Vielleicht haben sie es mit dem Messenger ICQ verwechselt.

Das alles hätte auch welt.de wissen und korrigieren können. Leser haben uns geschrieben, dass sie versucht hätten, die Redaktion auf die Fehler aufmerksam zu machen. Ihre Kommentare seien jedoch gelöscht worden.

Mit Dank an Florian!

n24.de  

Über tote Flüchtlinge lachen mit N24

Am Wochenende berichtete N24 auf seiner Onlineseite:

Wegen der hohen Zahl von Flüchtlingen haben in Südschweden in der Nacht zum Freitag einige Menschen unter freiem Himmel übernachten müssen. Im südschwedischen Malmö liegen die Temperaturen nachts derzeit knapp über dem Gefrierpunkt.

Zuvor hatte die Ausländerbehörde mitgeteilt, dass das Land nicht mehr allen Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf anbieten könne.

Und wie reagierten die Leser auf diese Nachricht?

(“belustigt”, “inspiriert”, “überrascht”, “informiert”, “egal”, “erschreckt”, “traurig”, “verärgert”)

Eine ähnliche Emotions-Funktion (“Lachen”, “Weinen”, “Wut”, “Staunen”, “Wow”) gab es bis vor Kurzem auch bei den Springer-Kollegen von Bild.de. Der Unterschied: Die Leser von N24 lachen (im Gegensatz zu denen von Bild.de) nicht über alles. Wenn Menschen Deutsche zu Schaden kommen, reagieren sie sogar meist “erschreckt” oder “traurig”. Wenn jedoch Flüchtlinge die Leidtragenden sind, kommt Freude auf:




































Der Presserat hat sich in seiner letzten Sitzung mit diesem Emotions-Tool beschäftigt. Im konkreten Fall ging es nicht um N24, sondern um Bild.de, und zwar um einen Artikel mit der Überschrift “Schläger attackieren homosexuellen Politiker” (224-mal “Lachen”). Es schade dem Ansehen der Presse, so der Presserat, “wenn ein Medium bei einem Beitrag, der sich mit einer Gewalttat gegen einen Menschen beschäftigt, den Usern die Möglichkeit eröffnet, den Artikel mit einer Emotion wie ‘Lachen’ zu bewerten”. Darum sprach der Presserat einen folgenlosen “Hinweis” gegen Bild.de aus; inzwischen gibt es die Funktion dort nicht mehr.

Bei N24 muss man fairerweise dazusagen: Nicht bei allen Artikeln über Flüchtlinge reagieren die Leser mehrheitlich belustigt.


Mit Dank an Thomas O.!

Nachtrag, 25. November: N24 hat die Funktion jetzt komplett von der Seite entfernt. Übrigens kam die hohe “belustigt”-Zahl im ersten Screenshot (“In Schweden schlafen Flüchtlinge nun in der Kälte”) vor allem dadurch zustande, weil auf der Plattform “pr0gramm” jemand auf die Voting-Funktion hingewiesen hatte.

Schreibblockade, Formulierungshilfe, Google

1. “Sprechen wir übers Geschäft: Die Bilanz”
(journalist.de, Benjamin O’Daniel)
Freie Journalisten in Deutschland: “Das Einkommen wird offenbar auf zwei unterschiedliche Arten gedrückt. Bei der regionalen Tagespresse gibt es schlicht unterirdische Zeilenhonorare. Bei renommierten Magazinen gibt es zwar bessere Pauschalen. Das Honorar wird dort allerdings über den Qualitätsanspruch gedrückt. Hier einen Absatz umschreiben, dort nachrecherchieren – und am Ende wird die Geschichte auf zwei Seiten eingedampft, weil etwas anderes wichtiger war.”

2. “Was tun gegen Schreibblockade?”
(scienceblogs.de, Florian Freistetter)
Schreibblockade? Man könne auch schreiben, wenn man keine Lust dazu habe, glaubt Florian Freistetter: “Schreiben ist zum überwiegenden Teil Handwerk und es fällt um so leichter, je mehr man übt.”

3. “Ehrenmord oder Familientragödie? Wie die Neuen Deutschen Medienmacher die Suche nach den richtigen Worten sabotieren.”
(ruhrbarone.de, Julius Hagen)
Julius Hagen befasst sich mit dem “Glossar der Neuen deutschen Medienmacher: Formulierungshilfen für die Berichterstattung im Einwanderungsland” (neuemedienmacher.de, PDF-Datei): “Die manierierten Sprachcodes der Neuen Deutschen Medienmacher entfremden den Journalismus dabei zunehmend von seinen Lesern, Zuhörern und Zuschauern. (…) Der Leser nimmt die Sprachcodes oft als impliziten Vorwurf wahr: Die Neuen Deutschen Medienmacher konstatieren mit ihrem Glossar die Betreuungsbedürftigkeit einer zur Mündigkeit unfähigen Öffentlichkeit und geraten unter Manipulationsverdacht. Auf jede Wortneuschöpfung folgt routinierter Verweis auf George Orwells Roman ‘1984’. Wenn sich die Sprache der Medienmacher von der Sprache der Leser zu weit entfernt, ist der öffentliche Diskurs gestört. Schlimmstenfalls wandern die Leser dorthin ab, wo ‘Klartext’ geredet wird.”

4. “High Heels statt Enthüllung”
(berliner-zeitung.de, Jonas Rest)
Die ARD-Doku “Die geheime Macht von Google” (ardmediathek.de, Video, 44:02 Minuten) hat es verpasst, zu fragen, was wirklich mit den von Google gesammelten Daten geschieht, kritisiert Jonas Rest: “Stattdessen fokussiert sich der Film auf die Klage von Internetfirmen, die sich in der Darstellung der Google-Suchergebnisse benachteiligt fühlen.”

5. “Der Wert von Papier im digitalen News-Zeitalter”
(netzpiloten.de, Jakob Steinschaden)
Jakob Steinschaden hat sich entschieden, wieder Print zu abonnieren, denn: “Nie ist eine Story fertig erzählt, das nächste Update wartet schon an der nächsten Ecke, die Personalisierung ließ mich in Details verlieren.” Und: “In der digitalen Welt ist die Verlockung fast immer zu groß, sich schnell mal etwas anderem zu widmen, seine Aufmerksamkeit jemandem oder etwas anderen zu schenken.”

6. “Haste mal ’ne PIN?”
(freitag.de, Helen Russell)
Obdachlose in Schweden mit Kreditkarten-Lesegeräten.

EuGH, Gabriele Pauli, Homosexuelle

1. “Über die Kraft einer positiven Sogwirkung und wie verfrühte Kritik sie verhindert”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert beobachtet, wie unterschiedlich neue Projekte in Schweden und in Deutschland aufgenommen werden: “Für Deutsche ist ein frühzeitiges Diskutieren aller Vor- und Nachteile ein Muss. Wird ein neues, herausforderndes Vorhaben angeschoben, dann müssen sich die Initiatoren darauf einstellen, dass selbst womöglich vorhandene ehrenwerte Ziele und ein eventuelles allgemeines öffentliches Interesse an der Verwirklichung nicht vor ausgedehnten, mit negativer Tonalität untermalten Analysen schützen.” Siehe dazu auch “kritik-kritiker kritik” (wirres.net, felix schwenzel).

2. “Zensur bei der taz?”
(blogs.taz.de/hausblog, tazkommune)
Die “tazkommune” antwortet auf den Beitrag “Warum ich nicht mehr für die TAZ schreibe” von Schriftsteller Raul Zelik: “Die allgemeinen Vorwürfe von Zelik gegen die taz können wir nicht nachvollziehen. Wir verstehen bereits nicht, wie man die Ablehnung eines Textes durch eine Redaktion als ‘Zensur’ bezeichnen kann.”

3. “Bild darf Ex-Landrätin Pauli nicht als ‘durchgeknallte Frau’ bezeichnen”
(juraforum.de)
Ein Rechtsstreit zwischen “Bild” und Gabriele Pauli vor dem Oberlandesgericht München behandelt einen Text von Franz Josef Wagner.

4. “EU Wants a ‘Right to Be Forgotten,’ But the Internet Never Forgets”
(mashable.com, Lance Ulanoff, englisch)
Lance Ulanoff kommentiert ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das Suchmaschinen dazu verpflichtet, personenbezogene Daten von Privatpersonen auf Anfrage aus ihren Ergebnissen zu streichen: “You’ve got it all wrong, EU. I say this not as someone who enjoys a level of popularity on the web, but as a regular person who managed to anger a powerful few (at least online).” Siehe dazu auch “Wer gegen Netzsperren ist, muss auch das EuGH-Urteil zu Löschpflichten von Google ablehnen” (internet-law.de, Thomas Stadler) und “EuGH: Suchmaschinen und Datenschutz” (telemedicus.info, Adrian Schneider).

5. “10 Tipps auf dem Weg zur Normalität”
(journalist.de, Jennifer Stange)
Jennifer Stange gibt Tipps, wie man beim Schreiben über Homosexuelle “jenseits von übereuphorischen Riesenschlagzeilen, Klischees und peinlicher Verschwiegenheit die Dinge beim Namen nennt”.

6. “Wie man eine Geschichte schnell erhitzt”
(faz.net, Michael Hanfeld)
Als PR-Mann von McDonald’s, wie ihn den “Spiegel” darstellt, tauge Günter Wallraff nicht, schreibt Michael Hanfeld: “Günter Wallraff ist nämlich nicht nur Enthüllungsjournalist, sondern auch so etwas wie ein Mediator: Er verfolgt Geschichten weiter, selbst wenn sie keine Schlagzeilen mehr machen, und schaltet sich in Fällen ein, die nicht groß genug für eine Story sind. Nur zum PR-Mann von McDonald’s, als der er im ‘Spiegel’ mehr oder weniger erscheint, taugt er nicht.”

Bunte  

Zeitschrift mit Verfallsdatum

Also angenehmer fürs Auge ist es so allemal:

09-1

Und irgendwie sind uns schwarze Kästen dann auch insgesamt lieber als die pixeligen, offenbar heimlich aufgenommenen Paparazzi-Fotos von Charlène im Privaturlaub, die dort ursprünglich zu sehen waren (die Ausgabe ist im Februar erschienen). Offenbar ist die Fürstin dagegen vorgegangen, also mussten die Fotos in der e-Paper-Version nachträglich geschwärzt werden. Und zwar alle:

09-2-1-3
09-2-2
09-3
09-4

Auch mehrere Textpassagen mussten dran glauben:

09-5

Für Charlène natürlich nur ein mäßiger Erfolg. Die Print-Version ist — ohne Schwärzungen — längst über 500.000-mal verkauft worden.

Zwei Ausgaben später sah die “Bunte”, wie wir ja neulich schon geschrieben haben, so aus:

11-1-4
11-2
11-3
11-45

Auf den oberen Ausrissen ging es ursprünglich um Charlotte Casiraghi, auf dem untersten um Madeleine von Schweden.

Nachdem wir diese Seiten entdeckt hatten, haben wir uns auch die anderen digitalen Ausgaben der “Bunten” aus diesem Jahr mal etwas näher angeschaut — und dabei einiges entdeckt. Beziehungsweise: nicht.

Vom Text über Jürgen Fliege (Ausgabe Nr. 2/2014) ist nur noch das hier übrig:

02-2

Selbst aus dem Inhaltsverzeichnis ist er verschwunden:
02-1

Das Cover der darauffolgenden Ausgabe (Nr. 3) zeigte ursprünglich Corinna Schumacher am Krankenhaus in Grenoble, sieht inzwischen aber so aus:

03-12

Auch im Heftinnern sind die Fotos unkenntlich gemacht worden:
03-3-12
03-3-2
03-22

Genauso wie ein Artikel über Katrin Göring-Eckardt (Nr. 6) …

06-1-11 06-1-2
06-22

… einer über die monegassische Fürstenfamilie (Nr. 7), für den sich, ausgeschnitten und eingerahmt, sicherlich auch in irgendeiner Galerie ein nettes Plätzchen an der Wand finden ließe  …

07-1
07-2
07-3-1
07-4-12
07-4-22
07-5
07-6
07-7

… und einer über Mirja Sachs (Nr. 8):

08-1
08-22
08-3

Beim Foto von David Coulthard (Nr. 10) hat sich die “Bunte” die schwarze Farbe dann ausnahmsweise mal gespart:
10-1
… allerdings wurde die auch für den Text gebraucht :
10-2

Die jüngste Unkenntlichmachung haben wir schließlich in Ausgabe Nr. 14 gefunden, in einem Text über Lukas Podolski:

14-1
14-2

Sechzehn Ausgaben sind in diesem Jahr bislang erschienen, in neun davon wurden Artikel geschwärzt, gegraut oder geweißt. Wenn das so weitergeht, sollte die “Bunte” mal überlegen, ob sie diesen Namen überhaupt noch verdient hat.

Bunte  

Schwarze Stunde für die “Bunte”

Ginge es nach der “Bunten”, würden sich alle frischgebackenen Promi-Mütter so verhalten wie Charlotte Casiraghi. Denn die …

versteckt Baby Raphaël nicht! Kein nerviges Tarnspiel mit Wickeltuch über dem Maxi-Cosi oder krampfhafte Klammerhaltung, damit bloß keiner das Gesichtchen sieht.

Deshalb musste auch nur noch ein Paparazzo im richtigen Moment draufhalten, und schon konnte die “Bunte” Anfang dieses Monats die Fotos vom royalen Nachwuchs groß aufs Cover drucken und verkünden:

CHARLOTTE CASIRAGHI
zeigt stolz und zum ersten Mal Söhnchen Raphael. So süüüüß!

Der Umstand, dass Charlotte Casiraghi ihr Kind nicht 24 Stunden am Tag in eine blickdichte Decke hüllt, um es vor möglicherweise irgendwo lauernden Paparazzi zu schützen, wird von der “Bunten” sogar als bewusster Akt gedeutet. Als habe Casiraghi damit gerechnet — oder vielleicht sogar darauf gewartet –, dass ihr Kind fotografiert wird und die Bilder um die Welt gehen. Richtig so!, findet die Redaktion:

Charlotte scheint verstanden zu haben […] dass Raphaël mitnichten ein rein privates Baby ist.

Inzwischen dürfte aber auch bei der “Bunten” angekommen sein, dass das völliger Blödsinn ist. Dafür muss sie nur ein Blick auf ihr eigenes Cover werfen, denn das sieht, wenn man sich die Ausgabe in den vergangenen Tagen als e-Paper gekauft hat, mittlerweile so aus:Charlotte Casiraghi - Das ist ihr süßes Baby!

Und so das Foto im Innenteil:Hallo, ich bin Monacos SCHUTZENGEL!

Die Bilder, auf denen ursprünglich Charlotte Casiraghi mit ihrem Baby zu sehen war, sind samt Bildunterschriften nachträglich unkenntlich gemacht worden (ebenso online). Auch über zwei Textpassagen liegen jetzt schwarze Balken. Sie bezogen sich auf die Fotos und darauf, dass Charlotte Casiraghi ihr Kind womöglich bewusst so offen gezeigt habe.

Es ist also jemand — vermutlich Casiraghi selbst — gegen die “Bunte” vorgegangen. Der Burda-Verlag hat uns bestätigt, dass eine juristische Auseinandersetzung dahintersteckt. Mehr wollte man dazu nicht sagen.

Tja, doof für die “Bunte”. Dabei hatte sie sich doch solche Mühe gegeben, den Eindruck zu erwecken, als habe Charlotte Casiraghi endlich ein Einsehen gehabt und ihr Kind freiwillig und bewusst der Weltöffentlichkeit präsentiert.

Aber sei’s drum, schließlich gibt es ja noch eine Menge anderer royaler Babys auf der Welt, über die die “Bunte” berichten kann. Zum Beispiel das hier:LEONORE - SCHLAFENDE ENGELSPRINZESSIN - Am 20. Februar nahm Papa Chris dieses Foto von seiner Tochter Leonore auf

Das Foto zeigt die Tochter von Madeleine von Schweden und wird vom Königshaus selbst verbreitet. Es wurde in derselben Ausgabe der “Bunten” gedruckt, in der auch die geschwärzten Casiraghi-Fotos zu finden sind. Die Überschrift des Artikels lautet:

Madeleine von Schweden: Royales Tauziehen mit König Carl Gustaf um Babyprinzessin Leonore

Zumindest steht das so im Inhaltsverzeichnis. Und im Artikel selbst? Nun ja:-

Tatsächlich: Auch dieses Paparazzi-Foto — es zeigte Madeleine von Schweden, ihren Mann und ihre Schwiegermutter, die mit dem Baby (versteckt im Maxi-Cosi) unterwegs sind — musste die “Bunte” samt Schlagzeile und Bildunterschrift nachträglich schwärzen. Auch hier ist der Grund eine juristische Auseinandersetzung, wie uns der Verlag bestätigte, und auch hier wollte er sich nicht weiter dazu äußern.

Zwei Rechtsstreite, ein zensiertes Cover, mehrere geschwärzte Fotos und Textpassagen in ein und derselben Ausgabe — ob die “Bunte” nun ahnt, dass auch Mitglieder von Königshäusern ihr privates Kinderglück nicht jederzeit mit der Welt (und irgendwelchen Promiblättchen) teilen müssen? Vermutlich nicht.

Mit großem Dank auch an Ralf K.

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