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Bild.de macht Greta Thunberg zur Atomkraft-Aktivistin

Wie man aus der angeblich “ehrlichsten Antwort” die verlogenste Zusammenfassung macht, zeigt heute “Bild”-Autor Josef Nyary.

Nyary schaut sich regelmäßig Polit-Talkshow im Fernsehen an und fasst sie anschließend für “Bild” und Bild.de zusammen. Gestern lief im Ersten “Anne Will”, Thema: “Streiken statt Pauken — ändert die Generation Greta die Politik?” Mit der titelgebenden Greta Thunberg hatte Moderatorin Anne Will zuvor ein Interview geführt, von dem ein längerer Ausschnitt auch in der Sendung zu sehen war. Josef Nyary schreibt dazu:

Screenshot Bild.de - Ehrlichste Antwort - Sind Sie für Atomkraft?, fragt die Talkmasterin als nächstes. Die Zuschauer sind gespannt und Klima-Greta lässt sie nicht lange warten: Atomkraft ist nicht die Zukunft, meint sie. Aber die Atomkraft kann ein kleiner Teil einer Lösung ohne fossile Brennstoffe sein. Rumms! Was sagt Habeck dazu? Der Grünen-Chef macht keinen Mucks.

Das ist eine bemerkenswert freie Zusammenfassung von Thunbergs Antwort. Tatsächlich sagte die 16-Jährige (ab Minute 23:36):

Anne Will: Zuletzt hieß es, Sie seien für Atomkraft. Stimmt das?

Greta Thunberg: Persönlich: nein. Aber ich meine, Atomkraft ist nicht die Zukunft. Sie ist nicht erneuerbar. Aber nach Meinung des Weltklimarats, nicht meiner Meinung nach, nach Meinung des Weltklimarats kann Atomkraft ein kleiner Teil einer großen Lösung für Energie ohne fossile Brennstoffe sein in Ländern, in Regionen, in denen die Option 100 Prozent erneuerbarer Energie nicht besteht. Aber ich meine, Atomkraft ist sehr gefährlich, teuer und zeitaufwendig.

Sie zitiert also nur das häufig als “Weltklimarat” bezeichnete Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC). Und sie betont extra noch mal, dass das nicht ihre Meinung ist. Bei Bild.de machen sie daraus:

Screenshot Bild.de - Schulstreik-Zoff bei Anne Will - Klima-Greta - Atomkraft kann Teil der Lösung sein

In der längeren, englischen Originalversion des Interviews ist Thunbergs Antwort (ab Minute 18:50) noch etwas ausführlicher:

Anne Will: Recently, it has been said that you are in favor of nuclear power. Are you?

Greta Thunberg: Personally, no. I mean nuclear power is not the future. It’s not renewable. But according to the IPCC, not according to me, according to the IPCC nuclear power can be a small part of a very big new fossil free energy solution in countries, in areas that lack the possibility of 100 percent renewables. But I mean nuclear power is very dangerous, expensive and time consuming. I mean just ask a scientist if we were to replace fossil fuels with nuclear power: How many new nuclear power plants we will have to build each week within the time frame of the Paris Agreement to reach the Paris Agreement? And how much money that will cost? How much time it takes to build nuclear power? And how much it takes from our remaining carbon budgets? But if we should talk about these things, we should talk about energy efficiency and especially reducing our energy demand. But still we can’t keep focussing on these small things. We need to realize that there are no solutions within these current systems. And we need to see the whole picture and to have a holistic view on climate crisis.

Anne Will: Let me follow up. If one wants to stop the emissions — and that is what you want: not to lower them but to stop the emissions — is it then possible to avoid nuclear energy in your understanding?

Greta Thunberg: Ask scientists. That is something I can’t speak out on because I don’t have that scientific education. That is such a big decision that we need to have scientific evidence and scientific based recommendations on what we should do. So, I can’t say what we should do.

Diese komplette Verzerrung von Greta Thunbergs Aussage passt ganz gut zu Josef Nyarys gesamter “TALK KRITIK”: Höhnisch schreibt er, eine “Fridays for Future”-Aktivistin komme “aus der Schülervertretungsszene”, Thunberg sei “ein Milchgesicht aus Pipi-Langstrumpf-Land”, ZDF-Moderator Harald Lesch (den Nyary fälschlich bei der ARD einsortiert) sei ein “Angstmann”, und die Grünen seien die “erfolgreichste deutsche Bevormundungspartei”.

Interessant ist auch Nyarys Seitenhieb Richtung Grünen-Chef Robert Habeck (“Rumms! Was sagt Habeck dazu? Der Grünen-Chef macht keinen Mucks.”). Was Nyary nicht schreibt: Habeck konnte gar keinen “Mucks” machen, schließlich war das eingespielte Interview mit Thunberg aufgezeichnet und lief nach der Frage zur Atomenergie noch einige Zeit weiter. Aber wie soll man sowas als “Bild”-Talkshow-Kritiker auch mitbekommen, wenn man zu diesem Zeitpunkt schon damit beschäftigt ist, Aussagen aus dem Zusammenhang zu reißen?

Dazu auch:

Mit Dank an Andreas P., Farid A. und @EvaStegen für die Hinweise!

Nachtrag, 3. April: “Bild”-Polittalk-Kritiker Josef Nyary hat es schon häufiger auf Grünen-Chef Robert Habeck abgesehen. Bei einer früheren “TALK KRITIK” aus dem Juli 2018 etwa hieß es in der Dachzeile: “AUSRASTER BEI ‘ILLNER'”, in der Überschrift: “Grünen-Chef Habeck brüllt CSU-Staatssekretärin nieder” und in einer Zwischenüberschift: “Brüll-Attacke des Jahres”. Nyary schreibt:

Da ist der nette Herr Habeck auf einmal gar nicht mehr souverän. “Sie vergiften den Diskurs!”, donnert er die Staatsministerin an. (…) “Bleiben Sie doch bei der Wahrheit!” brüllt er die CSU-Frau an.

Das ist alles ziemlicher Unsinn — von “niederbrüllen”, “anbrüllen” oder der “Brüll-Attacke des Jahres” findet man in der Sendung (ab Minute 59:00) nichts. Daher gab es wegen des Verstoßes gegen das Wahrhaftigkeitsgebot auch einen Hinweis vom Deutschen Presserat für Nyarys Text.

Mit Dank an Johannes K. für den Hinweis!

Neues Altes von Grindel, Negatives für Autoren, Seltsame Greta-Ehrung

1. Herr Grindel und seine besondere Beziehung zur Deutschen Welle
(journalist-magazin.de, Olaf Wittrock)
DFB-Präsident Reinhard Grindel brach unlängst vor laufender Kamera ein Interview mit der “Deutschen Welle” ab, wegen unbequemer Fragen zu einem angeblichen Milliardendeal. Nun stellt sich heraus, dass dies nicht der erste Fall dieser Art war. Schon vor acht Jahren habe Grindel ein Interview mit einer früheren freien Mitarbeiterin der “Deutschen Welle” abgebrochen — mit angeblich dramatischen Folgen für die freie Mitarbeiterin: Sie habe nach dem Vorfall keine neuen Aufträge bekommen und sei regelrecht kaltgestellt worden. Grindel sei zu dieser Zeit Mitglied des Verwaltungsrates der “Deutschen Welle” gewesen und habe dies auch während des Interviews deutlich anklingen lassen, was die Interviewerin als Drohung empfunden habe. Laut “Deutscher Welle” habe sich alles mit rechten Dingen zugetragen: “Herr Grindel hat seinen Unmut hierüber der Mitarbeiterin gespiegelt. Das betrachten wir als das gute Recht eines jeden Interviewten.”

2. EU-Urheberrechtsreform: 8 negative Folgen, mit denen Autoren jetzt rechnen müssen
(literaturcafe.de, Wolfgang Tischer)
Vergangene Woche hat das EU-Parlament für die umstrittene Urheberrechtsreform gestimmt. Dies werde für Autorinnen und Autoren überwiegend negative Folgen haben, so “Literaturcafe”-Gründer Wolfgang Tischer. Autorinnen und Autoren würden unter anderem weniger Geld von der VG Wort erhalten, die Zahlungen von YouTube, Facebook & Co. seien noch völlig unklar und das Teilen von eigenen Texte und Leseproben werde erschwert.
Weiterer Lesetipp: Fachanwalt Chan Jo-Jun: “Die Bundesregierung wird bei der Umsetzung den Begriff “Uploadfilter” vermeiden” (quotenmeter.de, Manuel Weis).

3. Der ORF hat Facebook nicht ganz richtig verstanden
(nzz.ch, Reto Stauffacher)
Unlängst hat der Österreichische Rundfunk (ORF) seinen Abschied von Facebook verkündet. In einer Stellungnahme führte der Sender mehrere Gründe dafür an, von grundlegenden Bedenken gegenüber dem Netzwerk als solchem bis hin zu pragmatischen Erwägungen. Reto Stauffacher kritisiert die Entscheidung als Kapitulation vor dem Social-Media-Netzwerk und falsches Signal: “Es ist eine Kernaufgabe von Medien, auf Facebook präsent zu sein, Verantwortung zu übernehmen, zu intervenieren und zu moderieren. Und es ist eine Herausforderung, sich mutig und selbstbewusst der Kritik und der Häme entgegenzustellen. Medienhäuser schaffen das natürlich nur, wenn Ressourcen gesprochen werden. Das allerdings sollte für den ORF, der sich mit Gebührengeldern finanziert, kein Problem sein.”

4. Zwischen Landlust und Randfrust
(message-online.com, Gisbert Strotdrees)
“Landlust”, “Liebes Land”, “Landliebe”, “Schönes Land”, “Landgenuss”, “Landkind”, “Landapotheke” … In den letzten Jahren erschienen etliche Hochglanz-Magazine, die sich der schönen heilen Welt auf dem Land widmen. Fernsehsender und Printmedien haben das Thema für sich entdeckt und berichten in zahlreichen Land-, Dorf- und Provinz-Reportagen über das Regionale. In einem längeren Lesestück untersucht Gisbert Strotdrees das Phänomen, das zwischen Klischees und realem Abbild schwankt.

5. Konrad Weber, wie müssen sich öffentlich-rechtliche Medien verändern?
(anchor.fm/unterzwei, Levin Kubeth & Felix Ogriseck, Audio: 60 Minuten)
Der Journalist des Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) Konrad Weber hat ein Manifest veröffentlicht, wie öffentlich-rechtliche Medien heutzutage aussehen sollten. Im Interview mit dem Medienpodcast “Unter Zwei” erzählt er, wie die Entwicklung der 15 Punkten verlief, welche Mitstreiter es gab und welche Konflikte es zu überwinden gilt: “Es geht darum, als Journalist — vor allem der öffentlich-rechtlichen Medien — vom hohen Ross herunterzukommen und stattdessen zu lernen, wie die digitalen Möglichkeiten bestmöglich genutzt werden können.”

6. Erst Klima-Aktivistin ehren, dann Mini-SUV verschenken
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz, Video: 1:30 Minuten)
Die Funke Mediengruppe hat die Umweltaktivistin Greta Thunberg am Samstagabend für ihr Engagement mit einer “Goldenen Kamera” ausgezeichnet. Sponsor der Veranstaltung war der Autokonzern VW, der live einen Mini-SUV an eine Schauspielerin verschenkte. Boris Rosenkranz hat die beiden Vorgänge kontrastiert, indem er die entsprechenden Sendungsausschnitte gegenübergestellt hat.
Weiterer Lesetipp: Greta Thunberg und Atomkraft: Wie viel CO2 macht eine Nebelkerze?: “Konservative Medien behaupten, die Umweltaktivistin befürworte Atomenergie. Das ist nicht nur falsch — es ist ein bewusstes Ablenkungsmanöver.” (taz.de, Finn Holitzka).

7. Der Bildblog und die HuffPost – die Geschichte einer wahren Liebe
(huffingtonpost.de)
Heute noch ein Zusatzlink: Die deutsche “HuffPost” schließt und verabschiedet sich vom BILDblog mit einem Dank “für die vielen anerkennenden Texte, die Ihr eine zeitlang über uns geschrieben habt!” Nun ja, das mit der Anerkennung, das habt Ihr vielleicht nicht ganz … ach, egal! Macht es gut, liebe HuffPostler und zum Abschied ein WinkeWinke von Eurem BILDblog.

6-vor-9-Sonderausgabe zur beschlossenen Urheberrechtsreform

1. Chance verpasst: Dieses Urheberrecht bleibt in der Vergangenheit stecken
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Die Reform des EU-Urheberrechts biete falsche Antworten auf eine veränderte digitale Welt, findet Markus Beckedahl auf netzpolitik.org. Sie zementiere die Rechte von großen Verwertern und diene nur einem kleinen Teil der Urheber. Beckedahls gründliche Analyse wird von einem Stoßseufzer unterbrochen: “Ich habe viele netzpolitische Debatten in den vergangenen 20 Jahren erlebt. Keine davon war so verlogen wie diese. In Zeiten von gesellschaftlichen Debatten um Desinformation und sinkender Glaubwürdigkeit der Medien haben viele von diesen das Vertrauen vor allem der jungen Generation verspielt, indem sie zugunsten ihrer eigenen wirtschaftlichen Interessen die Wahrheit gedehnt und häufig selbst Desinformation betrieben haben. Allen voran: FAZ und Bild.”
In den “Tagesthemen” bringt Sascha Lobo seine Sorge zum Ausdruck, dass sich eine ganze digitale Generation nicht mehr von der Politik repräsentiert fühle. Junge Menschen könnten wegen des Gesetzes gar anfangen, Antipathien gegen die EU zu entwickeln.
Meike Laaf hat bei “Zeit Online” ähnliche Befürchtungen: Die Art, wie Befürworter der Urheberrechtsreform den Protest dagegen abgewertet haben, schwäche das Vertrauen in die Europapolitik: “Die Frage ist nun, was all diese Menschen machen werden mit ihrer Wut. Besonders Frustrierte werden daraus die Konsequenz ziehen, sich von der Europapolitik insgesamt angeekelt abzuwenden. Andere werden bei der Europawahl diejenigen abstrafen, die diese Reform vorangetrieben haben — und unter Beweis stellen, dass #NieWiederCDU für sie mehr ist als ein Hashtag.”
Peter Welchering kommentiert bei den “Riffreportern”: “Bei der Reform des europäischen Urheberrechts geht es um grundlegende Fragen, die auch darüber entscheiden, ob Journalisten und andere Urheber von ihrer Arbeit überhaupt noch leben können. Eigentlich ist es erstaunlich, dass wir Urheber nicht schon seit Wochen im Streik sind.”
Bei “Spiegel Online” schreibt Patrick Beuth: “Am 26. Mai, bei der nächsten Europawahl, wird sich nun zeigen, wie viele Menschen ihre Stimme als Abwehrmittel gegen diesen verordneten Stillstand verstehen.”
Jan Vollmer war als Reporter in Berlin auf der #SaveYourInternet-Demo, auf der viele junge Menschen gegen das neue Gesetz protestierten. Man merkt Vollmer den tief sitzenden Frust an, wenn er bei t3n.de zum Ende hin schreibt: “Vielleicht will die junge Generation Voss, Caspary und Co. auch etwas beibringen. Bei den Europawahlen kann man sich ab 18 Gehör verschaffen. Und einer der beliebtesten Slogans der Demonstranten am Samstag war: “Nie mehr CDU”.”
Und beim ZDF schlägt Kristina Hofmann einen Bogen zu den “Fridays for Future”-Demos: “Am Freitag werden wieder Zehntausende junge Leute auf die Straße gehen und zusammen mit Greta Thunberg für einen besseren Klimaschutz demonstrieren. Haben die Demonstranten wieder alle angeblich keine Ahnung? Sind sie von den Umweltorganisationen und Grünen instrumentalisiert und haben von dem Ausgleich zwischen Energiegewinnung und Sicherung von Arbeitsplätzen am Industriestandort Deutschland noch nie etwas gehört? Dann redet doch einfach weiter dauernd über die Schulpflicht!

2. YouTube, aber fair
(zeit.de, Heinrich Wefing)
Es gibt aber auch Gegenmeinungen. Heinrich Wefing schreibt bei “Zeit Online”: Das Ergebnis der Abstimmung werde “viele verbittern, die zum ersten Mal mit aller Leidenschaft für eine Sache auf die Straße gegangen sind. Und doch ist die Entscheidung am Ende richtig. Sie zwingt die Netzkonzerne in die Verantwortung. Und sie zeigt, dass Europa endlich anfängt, die Macht der Tech-Giganten einzuhegen.” Viel spreche dafür, “dass sich die Horrorszenarios der Reformgegner recht bald als übertrieben erweisen. YouTube wird nicht abgeschaltet werden, und auch die Meinungsfreiheit dürfte keinen Schaden nehmen.”

3. EU-Urheberrechtsreform: Abgeordnete drückten falschen Knopf
(futurezone.at)
Das Kopfschütteln findet kein Ende: Wie ein Europaabgeordneter twittert, hätte die Abstimmung über Upload-Filter und Leistungsschutzrecht auch anders ausgehen können. Korrekturlisten aus dem EU-Parlament würden zeigen, dass zehn Abgeordnete des EU-Parlaments einen “falschen Knopf” gedrückt hätten.

4. Das steht in der EU-Urheberrechtsrichtlinie
(golem.de, Friedhelm Greis)
Was steht eigentlich in der 149 Seiten umfassenden EU-Richtlinie zum “Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt”? Friedhelm Greis geht in seiner Analyse die entscheidenden Passagen durch.
Weiterer Lesehinweis: In einem weiteren Artikel schreibt Greis über den im Raum stehenden angeblichen Kuhhandel zwischen Deutschland und Frankreich in Sachen Uploadfilter (siehe dazu auch den “FAZ”-Beitrag Altmaier opfert Start-ups im Urheberrecht). Altmaier habe “wenigstens das Leistungsschutzrecht retten” wollen.

5. “Deut­sch­land hat eine lange Tra­di­tion, Euro­pa­recht falsch umzu­setzen”
(lto.de, Maximilian Amos)
Auf “Legal Tribune Online” hält der Zivilrechtsprofessor Michael Beurskens den Kompromissvorschlag für “evident europarechtswidrig”. Gegebenenfalls verstoße er sogar gegen das nationale Verfassungsrecht. Was “kreative” Umsetzungen des deutschen Gesetzgebers anbelangt, ist Beurskens mehr als skeptisch: “Deutschland hat eine lange Tradition, Europarecht falsch umzusetzen. Im Zweifel wird die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleiten oder ein Urheber, der seine Rechte nicht an eine VG übertragen hat, die Frage in einem Prozess dem EuGH vorlegen lassen.”

6. Artikel 13 kommt: Was du jetzt mit deiner Wut anfangen kannst
(vice.com, Sebastian Meineck)
Millionen Unterschriften und Zehntausende Protestierer haben nichts genutzt: Die meistgehasste EU-Reform ist seit gestern beschlossene Sache. Wie kann und wird es jetzt weitergehen? Sebastian Meineck stellt seinen persönlichen Drei-Punkte-Plan vor: “1. Nicht aufgeben, denn was genau aus Artikel 13 wird, ist noch offen. 2. Stolz sein, denn die Internet-Generation hat jetzt eine politische Stimme. 3. Kritisch bleiben, denn das freie Internet wird auch von anderer Seite bedroht.”

Frauenaufstand im Vatikan, Apples Pläne, Abgeschminkte “Welt”-Auflage

Vorbemerkung: Aus aktuellem Anlass folgt im Lauf des Tages eine Sonderausgabe zur umstrittenen EU-Urheberrechtsreform.

1. Frauenaufstand im Vatikan
(sueddeutsche.de, Matthias Drobinski)
Die vatikanische Frauenzeitschrift “Donne Chiesa Mundo” hat sexuelle Gewalt von Priestern und Ordensmännern gegen Nonnen angeprangert. Papst Franziskus musste einräumen, dass dieses Problem existiert. Trotzdem ist die komplette Redaktion aus elf Frauen zurückgetreten. Chefredakteurin Lucetta Scaraffia: “Wir werfen das Handtuch, weil wir uns von einem Klima des Misstrauens und einer fortschreitenden Delegitimierung umgeben sehen.” Auch andere Vatikan-Journalisten würden darüber klagen, dass ausgerechnet unter Papst Franziskus die Freiräume für sie enger geworden seien.
Weiterer Lesetipp: In Australien drohen 23 Journalisten Geldstrafen und Haft. Ihr “Vergehen”: Sie hatten trotz Berichterstattungsverbot über den Missbrauchsprozess gegen den ehemaligen und mittlerweile zu sechs Jahren Haft verurteilten Vatikan-Finanzchef George Pell berichtet (sueddeutsche.de).

2. “Die Welt” kündigt Ende der Auflagen-Kosmetik an
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Keine andere überregionale Tageszeitung habe eine derartige Auflagenkosmetik betrieben wie die “Welt”, so Uwe Mantel bei “DWDL”: Rechne man alle kosmetischen Maßnahmen heraus, bleibe weniger als die Hälfte übrig. Das soll sich nun ändern, halb freiwillig, halb durch die Umstände gezwungen.

3. Wenn alle sehen, wie man pinkelt
(taz.de, Finn Holitzka)
Das Fotoprojekt #DeinKindAuchNicht wirbt mit provozierenden Bildern dafür, die Privatsphäre von Kindern in sozialen Netzwerken zu wahren. Die Botschaft richtet sich dabei vor allem an die stolzen Eltern, die oft gedankenlos die Bilder ihrer Sprösslinge ins Netz stellen.

4. Bevor Sie als Verleger in Apple News+ die Zukunft für Ihre digitalen Medien sehen, sollten Sie das hier lesen
(meedia.de)
Anfang der Woche hat Apple seinen neuen Dienst Apple News+ vorgestellt, ein Flatrate-Angebot für Magazine und Zeitungen, das gerne auch als “Netflix für News” bezeichnet wird. Was bedeutet dies nun für die Verlage? Wird Apples neuer Dienst gar den weltweiten Medienmarkt umkrempeln? Bei “Meedia” gibt es eine spannende Analyse mit allen wichtigen Hintergrundinformationen und einigen Argumenten für und gegen Apples neuen digitalen Zeitungsstand.

5. Kommentar: Apple TV+ ist viel heiße Luft
(heise.de, Ben Schwan)
Apple hat am Montag nicht nur seinen neuen Dienst Apple News+ vorgestellt, sondern auch den Streamingdienst Apple TV+ für den Herbst angekündigt. Ben Schwan äußert sich zurückhaltend: “Alles in allem bleibt von Apple TV+ bislang nicht viel mehr als heiße Luft — das zu verbergen gelang nicht einmal den vielen Promis auf der Bühne. Wenn man bedenkt, wie lange die Vorbereitungszeit war, die Apple für den Streamingdienst hatte, ist das enttäuschend. Apple versucht offensichtlich angesichts all der Ankündigungen der Hollywood-Studios und TV-Channel, eigene Streamingdienste zu starten, Claims abzustecken.”

6. Meisterwerke nach ihren schwarzen Modellen umbenannt
(diepresse.com)
Für die Ausstellung “Das schwarze Modell — Von Gericault bis Matisse” im Pariser Musée d’Orsay sind Meisterwerke nach ihren schwarzen Modellen umbenannt worden. Dem ging eine aufwändige Recherche voraus, so die Kuratorin. Zwar hätten Schwarze bei der Entstehung moderner Kunst in Paris eine wichtige Rolle gespielt, doch seien ihre Namen unerwähnt geblieben und ihr Einfluss in der Kunstgeschichte wegen Rassismus und Stereotypen in den Hintergrund gedrängt worden.

Durchgestochen, Wikipedias Protest-Abschaltung, Gewalt-Verharmloser

1. “Ein faires Strafverfahren steht auf dem Spiel”
(rbb24.de, Martin Krebbers)
Im Fall der vermissten, 15-jährigen Rebecca aus Berlin wurden zahlreiche Details über erste Ermittlungsergebnisse und die Familie sowie Fotos des Tatverdächtigen veröffentlicht. Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hat mit der Form von Echtzeit-Berichterstattung ein Problem. Ihr Vorsitzender Stefan Conen erklärt im Interview: “Das ist ja nicht nur ein Problem, was ich habe, sondern auch der Gesetzgeber. Informationen aus Ermittlungskreisen durchzustechen — und das wird hier vornehmlich die Polizei sein, die Staatsanwälte kenne ich, von denen glaube ich das nicht — das ist eine Straftat.”

2. Gibt es noch gute Nachrichten, Herr Wickert?
(zeit.de, Jochen Wegner & Christoph Amend, Audio: 12:18 Minuten)
Im “Zeit”-Podcast “Alles gesagt” wird so lange gesprochen, bis der Gast befindet, dass es nun gut sei. Das kann schon mal fünf Stunden dauern wie beim Gespräch der “Zeit Online”- beziehungsweise “Zeit Magazin”-Chefs Wegner und Amend mit dem Musiker Herbert Grönemeyer. Beim Interview mit dem Journalisten und Bestsellerautor Ulrich Wickert lief alles anders: Kaum hatte das unterhaltsame Gespräch mit dem langjährigen “Tagesthemen”-Moderator begonnen, war es auch schon wieder zu Ende. Wickert hatte (versehentlich?) sein Stopp-Wort gesagt. Die gut zwölf Minuten lohnen sich trotzdem. Außerdem bleibt die Hoffnung, dass es sich nur um einen Cliffhanger für eine längere Folge handelt.
Weiterer Tipp: Bei ARD-Alpha gibt es ein Gespräch mit Wickert zu sehen, das immerhin 45 Minuten dauert.

3. Protest gegen Artikel 13: Wikipedia schaltet sich ab
(heise.de, Torsten Kleinz)
Als Protest gegen die EU-Urheberrechtsreform soll am 21. März die deutschsprachige Wikipedia komplett abgeschaltet werden. So haben es die Wikipedia-Autoren bei einer Abstimmung beschlossen. Die Wikipedia-Community befürchtet die Errichtung einer Zensur-Infrastruktur und sieht die Gefahr, dass der freie Fluss von Informationen eingeschränkt werde.

4. So wird Gewalt an Frauen verharmlost
(orf.at, Romana Beer)
In Österreich wurden vergangenes Jahr über 40 Frauen von Männern ermordet. Derlei Gewalttaten werden in den Medien immer wieder verharmlost, den Opfern wird eine Mitschuld zugeschrieben. Morde werden unter anderem als “Ehedrama”, “Beziehungsdrama” und “Familiendrama” bezeichnet und auf diese Weise als familiäre Zwiste kleingeschrieben. Brutale Angriffe auf Frauen werden als “missglückter Flirt” bezeichnet und Vergewaltigungen sprachlich in die Nähe von (einvernehmlichem) Sex gerückt. Romana Beer hält eine angemessene und sprachlich sensible Berichterstattung für einen Teil der Prävention: “Indem sie ihre Wortwahl kritisch hinterfragen, können Redaktionen einen Teil dazu beitragen, ein Klima zu schaffen, in dem Gewalt an Frauen nicht verharmlost wird.” Weiterer Lesetipp: Wie der Boulevard sexuelle Gewalt verharmlost (kobuk.at, Philipp Pramer).

5. “Ich war eine Alibifrau”
(taz.de, Simone Schmollack)
Marlies Hesse wurde 1968 Pressechefin des “Deutschlandfunks” und war dort die erste Frau in einer Führungsposition. Eine “Alibifrau”, wie man ihr gegenüber später zugab. Die “taz” hat sich mit Hesse unterhalten, die für die Gleichberechtigung von Frauen im Journalismus eintritt und den nach ihr benannten Preis für Nachwuchsjournalistinnen gestiftet hat.

6. “Achillesfersen finden, nutzen und schauen was passiert”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
Miguel Robitzky war gerade mal 16 Jahre alt, als er sich mit seinen Karikaturen beim Medienportal “DWDL” bewarb. Das ist nun fünf Jahre und über 250 Karikaturen her und Anlass, sich mit dem jungen Zeichner über seine Arbeit zu unterhalten. Robitzky auf die Frage, wie er mit Kritik umgeht: “(…) ich reagiere auf Kritik wie ich auf alles reagiere: mit Masturbation.”

Bild.de lässt Bergmänner am Times Square demonstrieren

Die Bundesregierung hat beschlossen, bis 2038 aus der Braunkohle auszusteigen. Doch die “Bild”-Zeitung ist dagegen.

Der Ausstieg sei viel zu “teuer und kompliziert”, wetterte “Bild”-Vize Nikolaus Blome schon kurz nach dem Beschluss. Wenn es nach den Grünen und den Umweltschützern ginge, säßen wir “irgendwann alle im Dunkeln.”

Von “Öko-Irrsinn” ist die Rede, von “Klima-Chaos”. Der Kohleausstieg: ein riesiger Fehler! “Unser Wohlstand verträgt keinen übereilten Kohle-Ausstieg!”, schreit “Bild” schon vor dem Beschluss und warnt: “STANDORT DEUTSCHLAND IN GEFAHR!” Und nicht nur das!

BILD-Titelseite: Steuern! Strompreis! Arbeitsplätze! DAS KOSTET UNS DAS KOHLE-AUS
Schlagzeile Bild.de: Experten rechnen mit Strompreis-Hammer
Schlagzeile Bild.de: Energiewende - Wie viel Kohle ist uns das wert?
Schlagzeile BILD: Kohle-Aus kostet bis zu 78,5 Milliarden Euro
Schlagzeile BILD: Milliarden-Loch - Scholz geht wegen Kohle-Aus die Kohle aus
Schlagzeile BILD: Merkel äußert Zweifel am Kohle-Ausstieg - Wenn wir so weitermachen, werden wir scheitern

Heute präsentiert Bild.de …

Schlagzeile Bild.de: 5 Gründe, warum der Kohle-Ausstieg so nicht funktioniert

Grund Nummer 3:

Widerstand in den Regionen. Aus den betroffenen Kohle-Regionen — Sachsen, Sachsen-Anhalt, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg — gibt es Widerstand gegen das Kohle-Aus, weil viele Jobs wegfallen. Im Saarland unterzeichneten mindestens ein Dutzend Bürgermeister einen Brief an die Bundesregierung, sie fordern finanzielle Unterstützung. Sogar am Times Square in New York wurde demonstriert.

Der Link steht da so im Original, und wer sich die Mühe macht, ihn anzuklicken, sieht schnell, dass das keine Demonstration empörter Braunkohlearbeiter war …

Schlagzeile Bild.de: Bergbau-Label "Grubenhelden" mit Flashmob aus New York - Pott-Kumpel leuchten am Times Square - Mode-Start-Up nimmt auch an der Fashion Week teil

… sondern eine PR-Kampagne von einem Modelabel.

Mit Dank an den Hinweisgeber!

Tichys Taktik, Giffey im Visier, Tipps zum Umgang mit Rechtspopulisten

1. Kein Kampf: Roland Tichy macht sich zum Opfer
(uebermedien.de. Stefan Niggemeier)
Der Publizist Roland Tichy (“Tichys Einblick”) ist von der Mediengruppe Madsack abgemahnt worden. Nach Informationen von “Übermedien” sei das Unternehmen im Kern gegen zwei Tatsachenbehauptungen Tichys vorgegangen: Dass die SPD bestimme, was in den Zeitungen der Gruppe stehe, und dass es sich bei den Madsack-Medien um “SPD-Medien” handele. Daraufhin löschte Tichy den Artikel und inszenierte sich in einem neuen Beitrag als unschuldiges Zensur-Opfer. Eine Strategie, die Stefan Niggemeier mit deutlichen Worten kritisiert: “Tichys ursprünglicher Artikel war ein übles Machwerk, aber seine Reaktion auf die Abmahnung ist besonders perfide. Er wird wissen, warum er eine juristische Auseinandersetzung scheut: Er müsste all seine forschen und extrem aggressiv formulierten Behauptungen von der Parteipropaganda belegen, die die SPD zentral gesteuert über Medien wie das RND verbreite.”

2. Ein Verdacht ist schnell in der Luft
(faz.net, Jochen Zenthöfer)
Jochen Zenthöfer kritisiert die Berichterstattung des “Spiegel” über die Plagiatsvorwürfe gegen Familienministerin Franziska Giffey. Diese sei laut “Spiegel” wegen ihrer politikwissenschaftlichen Dissertation ins “Visier der Plagiatsjäger” geraten. Zenthöfer kommentiert: “Ehrlicher müsste man wohl sagen: Giffey ist ins Visier des “Spiegel” geraten, der nicht abwarten konnte, bis die Plagiatsprüfung zuerst zu Ende geführt wird.”

3. Gutachten: Macht den Journalismus gemeinnützig!
(netzwerkrecherche.org, Thomas Schnedler)
Ein im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung erstelltes Gutachten empfiehlt, den Journalismus steuerrechtlich als gemeinnützig anzuerkennen. Kommt die vorgeschlagene Gesetzesänderung zur Umsetzung, schaffe dies auch Rechtssicherheit. Bislang mussten journalistische Institutionen wie die “Kontext:Wochenzeitung”, das Recherchezentrum “Correctiv” oder das Online-Magazin “MedWatch” Umwege bemühen, um von den Finanzbehörden als gemeinnützig anerkannt zu werden. Was die Umsetzung auf Bundesebene anbelangt, geben sich die Gutachter optimistisch: “Das politische Klima der 19. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages scheint für eine Gesetzgebungsinitiative günstig.”

4. 5 Empfehlungen zum Umgang mit Rechtspopulisten in der Berichterstattung (und Talkshows)
(neuemedienmacher.de)
Der Umgang mit rechtspopulistischen Parteien ist für Medienschaffende nicht einfach. Die “Neuen deutschen Medienmacher*innen” haben daher eine Handreichung mit fünf Empfehlungen ausgearbeitet.

5. Wissenschaftler wollen Merkels Facebook-Seite für Nachwelt erhalten
(spiegel.de)
Angela Merkel hat sich von Facebook verabschiedet und ihre Seite mit immerhin 2,5 Millionen Likes abschalten lassen, was von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern kritisch gesehen wird. So fordert der Bibliotheksjurist Eric Steinhauer, dass die Seite zumindest sichtbar im Netz hätte bleiben müssen: “Jedermann sollte noch auf das Konto zugreifen können.”

6. Trumps Feind ist unser Feind
(taz.de, Jürn Kruse)
Amazon-Chef Jeff Bezos wirft dem “National Enquirer” Erpressung vor. Es sei ihm per Mail mit der Veröffentlichung von privaten Nachrichten und intimen Fotos gedroht worden, die er anscheinend mit seiner neuen Lebensgefährtin ausgetauscht hatte. Die Hintergründe dazu lesen sich wie der Plot zu einer neuen Netflix-Serie.

“Bild” abgemahnt, Geistig Umnachtet, “Aus Frust schlug er zu”

1. Nach tödlichem S-Bahn-Streit: Familien mahnen “Bild” ab
(nordbayern.de)
Nach Angaben von nordbayern.de haben die beiden Familien der bei dem Unglück an der Nürnberger S-Bahn-Station Frankenstadion ums Leben gekommenen Jugendlichen einen Medienanwalt beauftragt und die Axel Springer SE abgemahnt. “Bild” hatte unverpixelte Fotos veröffentlicht, auf denen die beiden verstorbenen 16-Jährigen gut zu erkennen waren.

2. Sich mit den Tätern anlegen
(kontextwochenzeitung.de, Oliver Stenzel)
Die “Kontext Wochenzeitung” hat sich mit dem Enthüllungsjournalisten und langjährigen “Stern”-Autor Arno Luik über dessen Spezialgebiete Stuttgart 21 und Deutsche Bahn unterhalten. Luik kommentiert das Versagen von Politik und Medien. Schon der Einstieg sei nicht einfach gewesen: “(…) als ich KollegInnen vorgeschlagen hatte, etwas über S 21 zu machen, da hieß es zunächst sinngemäß: S 21, was ist denn das? Interessiert doch kein Schwein. Sollen die Stuttgarter unter sich ausmachen. Es hat auch deswegen niemanden interessiert, weil Stuttgart von Hamburg aus gesehen so sexy ist wie ein überfahrener Frosch.”

3. Die Macht der Geschichten
(spektrum.de, Theodor Schaarschmidt)
Diplompsychologe und Wissenschaftsjournalist Theodor Schaarschmidt hat sich Gedanken gemacht, warum wir immer wieder auf Hochstapler hereinfallen und warum packende Geschichten eine derartige Sogwirkung entfalten: “Offenbar brauchen wir narrative Strukturen, um uns die Welt zu erschließen. Wo keine Geschichten zu finden sind, halluzinieren wir manchmal sogar welche herbei!”

4. Die frustrierend falsche Berichterstattung zu Implantaten, Prothetik und Wissenschaftsthemen
(ennopark.de)
Forscher und Forscherinnen der New Yorker Columbia University haben mit einem Hirnimplantat gemessen, was im Hörzentrum des Gehirns passiert, wenn Menschen gesprochener Sprache zuhören. Über ein KI-System sei es gelungen, die gehörte Sprache während des Zuhörens aus dem Hörzentrum zu rekonstruieren. Mit “Gedankenlesen” habe dies ausdrücklich nichts zu tun, doch genau das behaupteten viele internationale Medien in ihrer Berichterstattung. Enno Park, Vorsitzender des Vereins Cyborgs e.V., kommentiert: “Manchmal sind die Artikel schlicht falsch, manchmal haben die Autor:innen völlig korrekt abgeliefert aber Redakteur:innen offenbar den Inhalt des Textes ignoriert und eine Clickbait-Überschrift drübergetackert. Der Verantwortung der Medien wird ein solches Vorgehen jedenfalls nicht gerecht.”

5. «Aus Frust schlug er zu!»
(infosperber.ch, Barbara Marti)
Immer wieder wird in der Berichterstattung über Gewalttaten gegen Frauen die Täterperspektive übernommen. Dann ist vom “Flirt-Frust” die Rede, vom “Beziehungsdrama” oder der “Eifersuchtstat”. Dadurch werden die Taten bagatellisiert, den Opfern wird eine Teilschuld zugeschoben. Auch Heute.at berichtete in dieser Form und korrigierte sich erst nach zahlreichen Protesten im Netz.

6. Geistige Umnachtung an der Falkenstrasse
(nureinefrage.blogspot.com, Benjamin Blume)
Die “NZZ am Sonntag” veröffentlichte ein “Quiz” über die junge Klimaaktivistin Greta Thunberg, in dem verschiedene Krankheitsformen zur Auswahl gestellt wurden. Mittlerweile hat sich der Chefredakteur der “NZZ am Sonntag” bei Twitter mit einem knappen “Wurde geändert. Danke für die Hinweise” gemeldet. Für ein Wort des Bedauerns oder eine Entschuldigung reichte es augenscheinlich nicht …

7. “Abtreibungsärzte”
(twitter.com, Lorenz Meyer)
Als siebter und damit zusätzlicher Link, weil vom “6 vor 9”-Kurator: “Abtreibungsärzte”…. Müssen wir wirklich solche Vokabeln framen, lieber Spiegel Online?

Soko Chemnitz, Schal mit schalem Beigeschmack, Non Paper

1. Provokation gelungen: #SokoChemnitz nimmt Ermittlungen auf
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Markus Reuter beschäftigt sich mit der neuesten Aktion des Künstler- und Politkollektivs “Zentrum für politische Schönheit”, dem Online-Pranger auf soko-chemnitz.de. Reuter kommentiert: “Wer sich heute das laue mediale Lüftchen anschaut, das die Hannibal-Enthüllungen auslösten — und den Sturm der Entrüstung, der auf diese grenzwertige und umstrittene Kunstaktion folgt, der sieht eben auch gesellschaftliche Konfliktlinien und Defizite. Diese sichtbar zu machen, ist dann wieder Kunst, auch wenn es wehtut und möglicherweise justiziabel ist.”

2. Alles für den guten Zweck?
(taz.de, Anne Fromm)
Käuferinnen und Käufer des “Spendenschals” der “Brigitte”, glauben, dass sie damit in allererster Linie syrische Kinder unterstützen. Die größten Profiteure des Charityverkaufs könnten jedoch die “Brigitte” selbst und ein an der Aktion beteiligtes Unternehmen sein. Anne Fromm hat für die “taz” den Taschenrechner angeworfen, die Materialpreise addiert und ist auf merkwürdige Kalkulationsdifferenzen gestoßen. Auffällig sei zudem, dass seit einiger Zeit nur noch die Rede davon ist, dass alle Beteiligten die Aktion unterstützten. Das bei früheren Schalverkäufen verwendete Wort “unentgeltlich” sei unauffällig eliminiert worden.

3. Wie ein virtueller Mitarbeiter die t-online.de-Redaktion unterstützt
(t-online.de, Björn Schumacher)
t-online.de hat sich einen Bot programmieren lassen, der die Redaktion bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt. “Buddy”, so der Name des virtuellen Kollegen, klinkt sich in die Chat-Software Slack ein und informiert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort über Seitenaufrufe, meldet Rechtschreibfehler und Floskeln und schlägt Alarm, wenn besonders viele Leser aus einem Artikel abspringen.

4. Non Paper: Dokumente, die offiziell nicht existieren
(investigativ.welt.de, Manuel Bewarder)
In der Politik existieren Geisterpapiere, die zwar von Beamten in Ministerien geschrieben werden, aber offiziell nicht existieren. Derartige “Non Papers” kommen ohne Stempel, Unterschrift oder Aktenzeichen aus, was bedeutet, dass sie nicht zugeordnet werden können, und sich niemand für sie rechtfertigen muss. Manuel Bewarder vom Investigativressort der “Welt” erklärt, was es damit auf sich hat.

5. Für Leugner ist kein Platz mehr
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz & Michael Borgers, Audio, 5:15 Minuten)
Muss man für eine ausgewogene Berichterstattung über den Klimawandel auch Klimawandelleugner einbeziehen? Bei der BBC gibt es dazu eine interne Richtlinie, die vor einem “falschen Gleichgewicht” warnt. Doch wie verfahren die deutschen Medien? Der “Deutschlandfunk” hat mit dem Wissenschaftsjournalisten Christopher Schrader über das Thema gesprochen.
Weiterer Lesehinweis: Neutralität mit Nebenwirkungen (riffreporter.de, Christopher Schrader): “Wer in der Debatte über die Klimakrise partout keinem Lager angehören will, gerät womöglich gerade damit auf eine Seite.”

6. Warum der Influencer-Hype bald vorbei sein könnte
(spiegel.de, Florian Gontek)
Ist der Hype um die Influencer bald vorbei? Nun, es könnte zumindest schwerer für sie werden, wie eine Studie der Werbeagentur Werbeagentur Jung von Matt/Sports besagt. Der Markt stoße an seine Grenzen, ein Verdrängungswettbewerb setze ein. Facebook spiele für Personen- und Influencer-Marketing kaum noch eine Rolle. Außerdem gebe es ein Glaubwürdigkeitsproblem. “Die Follower und vor allem die Unternehmen lassen sich immer seltener für dumm verkaufen”, so der Jung-von-Matt-Werber Toan Nguyen.

Sehen alle gleich aus (17)

Was haben Kabarettist Serdar Somuncu und Komiker Abdelkarim gemeinsam? Beide haben eher wenig Haare, beide tragen einen Bart, beide stehen auf der Bühne. Joar.

Für Bild.de sind Serdar Somuncu und Abdelkarim nicht auseinanderzuhalten.

Nachdem die Klima-Allianz Deutschland im Hambacher Forst Portraitfotos von Prominenten an einzelnen Bäumen angebracht hat, weil diese Prominenten für diese Bäume Patenschaften übernommen haben, zeigt Bild.de in einem Artikel einige der teilnehmenden Personen: Moderatorin Enie van de Meiklokjes zum Beispiel und Schauspieler Benno Fürmann. Und ihn hier:

Screenshot Bild.de - Komiker Serdar Somuncu hat auch eine Baumpatenschaft übernommen - zu sehen ist ein Foto, das mehrere Bäume im Hambacher Forst zeigt, an denen große Fotos von Prominenten hängen, ein Mann und eine Frau hängen gerade das Foto des Komikers Abdelkarim an einen der Bäume

Anders als von Bild.de in der Fotozeile …

Komiker Serdar Somuncu hat auch eine Baumpatenschaft übernommen

… behauptet, hat Serdar Somuncu gar keine Baumpatenschaft im Hambacher Forst übernommen. Und er ist auf dem Bild auch nicht zu sehen: Weder bei dem Mann in der roten Jacke noch bei der Frau mit der Wollmütze noch bei dem Mann, dessen Foto gerade am Baum befestigt wird, handelt es sich um Somuncu. Letzterer ist, ihr ahnt es bereits: Abdelkarim.

Mit Dank an @1Maggie12 und @phillip_bien für die Hinweise!

Nachtrag, 24. Oktober: Bei Bild.de ist Abdelkarim nun Abdelkarim und nicht mehr Serdar Somuncu:

Komiker Abdelkarim hat auch eine Baumpatenschaft übernommen

Auf einen Hinweis, dass die Bildunterschrift mal falsch war, hat die Redaktion verzichtet.

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