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Kein Durchblick auf der Titanic

Eisfrage: Was ist los, wenn Bild.de zu einer solchen Überschrift greift?

Richtig! Zum hundertsten Jahrestag der Jungfernfahrt der “Titanic” (welches auch ihre einzige, unvollendete Fahrt bleiben sollte) bietet ein britischer Reiseveranstalter das an, was Bild.de eine “Gedächtnis-Kreuzfahrt” nennt. Mit zwei Schiffen, von denen keines “Titanic” heißt oder auch nur entfernt so aussieht:

Die Reise auf der MS Balmoral und der Azamara Journey soll der Jungfernfahrt der Titanic so nahe wie möglich kommen: Es gibt den gleichen Speiseplan und die gleiche Musik, und Reisende können sich sogar kleiden, wie die Passagiere vor 100 Jahren – an Bord fährt ein Kostümverleih mit. Nur die Kollision mit dem Eisberg steht nicht auf dem Programm!

Und jetzt, wo Sie einmal im geistigen Fahrwasser von Bild.de dümpeln, können Sie sicher auch auf Anhieb erraten, was es bedeutet, wenn Bild.de in der Bildergalerie so etwas hier schreibt:

Es bedeutet natürlich, dass Gloria Stuart, die etwa anderthalb Jahre vor dem Untergang der “Titanic” in Kalifornien an der US-Westküste geboren wurde, nicht als Kleinkind auf dem Schiff war, das auf seiner Fahrt von Südengland Richtung US-Ostküste mitten im Atlantik gegen einen Eisberg fuhr und unterging.

Die Schauspielerin spielte entsprechend auch nicht “sich selbst”, sondern in der Rahmenhandlung die alte Rose DeWitt Bukater, die in jungen Jahren von Kate Winslet gespielt wird.

Die letzte Überlebende der “Titanic” ist übrigens schon im Jahr 2009 verstorben und hieß Millvina Dean.

Mit Dank an Torben S.

Zu viel Gas gegeben

Sie heizen mit Gas? Dann haben wir eine gute und eine schlechte Nachricht für Sie.

Zuerst die schlechte: Gas wird laut den Internetvergleichsportalen Verivox und Check24 um gut zehn bis elf Prozent teurer.

Und jetzt die gute: So hoch, wie Bild.de die Mehrbelastung angibt, ist sie dann doch nicht:

Auf einen durchschnittlichen Vier-Personen-Haushalt (Jahresverbrauch: 20 000 Kilowattstunden) könnten Mehrbelastungen von gut 100 Euro im Monat zukommen.

Da der “durchschnittliche Vier-Personen-Haushalt” nur in den seltensten Fällen über 1.000 Euro monatlich für Gas bezahlt, darf davon ausgegangen werden, dass die von Bild.de berechnete Mehrbelastung nicht monatlich sondern jährlich anfällt.

Und so sehen das auch die beiden Vergleichsportale, die Bild.de als Quelle angibt.

Verivox:

Ein Musterhaushalt mit einem Jahresverbrauch von 20 000 Kilowattstunden (kWh) müsse mit einer jährlichen Mehrbelastung von 126 Euro rechnen

Check24:

Im Durchschnitt steigen die Preise für einen Vier-Personen-Haushalt mit einem Jahresverbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) um 144 Euro oder elf Prozent.

Mit Dank an Hendrik G.

Nachtrag, 28. September: Bild.de hat sich inzwischen — ohne jeglichen Hinweis — korrigiert. Aus den “gut 100 Euro im Monat” wurden “Mehrbelastungen von mehr als 100 Euro im Jahr”.

Das Totenkopffähnchen im Wind

“Wie soll ich Dich empfangen?” heißt es in einem alten Kirchenlied und diese Frage treibt dieser Tage auch die “Bild”-Familie um — natürlich nicht im Hinblick auf den Papst, da ist der Empfang klar, aber im Bezug auf die Piratenpartei.

Die “Bild am Sonntag” verkündete gestern stolz:

Unser Reporter Adrian Pickshaus besuchte die Kultpartei ohne Scheu- und Augenklappe.

Gut, dieser Kalauer ist jetzt vielleicht ein bisschen bemüht. Oder wie es Bild.de vor ein paar Tagen ausgedrückt hat:

Peinlich: Anne Will eröffnet ihre Sendung mit altbackenen Piraten-Witzen, fragt Christopher Lauer zuerst: “Wo ist denn Ihre Augenklappe?”

Doch wofür stehen die Piraten, die “Polit-Sensation des Jahres”, eigentlich? Adrian Pickshaus erklärt es den “BamS”-Lesern:

Im Berliner Wahlkampf machten die Piraten vor allem mit drei Forderungen Welle: straffreies Kiffen, fahrscheinloses Bahnfahren und ein bedingungsloses Grundeinkommen, weit über dem Hartz-IV-Regelsatz.

Nimmt man die Forderungen unter die Lupe, stellt man fest: Vieles ist nicht verrückt, sondern gut durchdacht. Beispiel Bahnfahren: Nach Piraten-Willen soll jeder Berliner eine Jahres-Pauschale für den öffentlichen Nahverkehr bezahlen. Eine Bus-und-Bahn-Maut sozusagen. Touristen würden über eine Hotel-Abgabe zur Kasse gebeten.

Eine Woche zuvor, als die Piraten überraschend mit 8,9 Prozent der Wählerstimmen ins Berliner Abgeordnetenhaus einzogen, waren die Leute bei Bild.de noch skeptischer, was den Erfolg der Piraten anging — und deutlich kritischer:

Das Wahl-Programm könnte von der Hacker-Vereinigung “Chaos Computer Club” stammen – ein seltsames Sammelsurium ziemlich abstruser Forderungen:

– Nahverkehr in Bus und Bahn zum Nulltarif

– keine Verfolgung von Schwarzfahrern mehr

– „Rauschkunde“-Unterricht in der Schule

– die Einführung von Mindestlohn und Grundeinkommen

Mit Dank an Nico S.

Piraten überspringen die Fünf-Prozent-Würde

Es ist der Umfrage-Hammer:

Umfrage-Hammer: 19 % würden Piraten wählen

19 Prozent würden also Piraten wählen, schreibt Bild.de und setzt noch ein Ausrufezeichen dahinter. Doch wann “würden” sie das tun? Wenn Sonntag Bundestagswahl wäre?

Gefragt wurde nach der aktuellen politischen Stimmung:

Können Sie sich theoretisch vorstellen, Ihre Stimme der Piraten-Partei zu geben? Jeder Fünfte antwortete mit JA!

“Theoretisch vorstellen” können sich die meisten Menschen viel, wenn der Tag lang ist — vermutlich auch, neben den Piraten noch ganz andere Parteien zu wählen.

Immerhin haben die Piraten bei dieser Frage einen etwas höheren Wert erzielt als vor einem Jahr die hypothetische Sarrazin-Partei und vor zwei Jahren Horst Schlämmer.

Mit Dank auch an Giovanni und jw.

Irrsinn, wem Irrsinn gebührt

Seit Monaten sind die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland in einer Art permanentem Alarmzustand, weil sie eine große Kampagne von “Bild” gegen ihre Häuser befürchten. Es spricht wenig dafür, dass der heutige Artikel über den “Gebührenirrsinn” den Auftakt zu einer solchen Kampagne darstellt — dafür ist zur Zeit einfach zu viel Papst in Deutschland und in “Bild”, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber auch für sich genommen ist der Artikel bemerkenswert.

Gebühren-Irrsinn: ARD und ZDF fordern 1,3 Milliarden mehr!

Unter Berufung auf die “Zeit” schreibt “Bild”, dass “das teuerste öffentlich-rechtliche Fernsehen der Welt” noch teurer werden solle. Und zwar zum Beispiel so:

Die ARD kassiert in diesem Jahr 5,52 Milliarden Euro Zwangsgebühren. Demnächst will der Sender 225 Millionen Euro mehr. Für die Jahre 2013 bis 2016 hat die ARD bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) einen Mehrbedarf von 900 Millionen Euro angemeldet.

“225 Millionen Euro mehr” hört sich natürlich nach viel Geld an. Bezogen auf die 5,52 Milliarden sind es knapp vier Prozent, die die ARD zusätzlich “will” — etwas mehr als ein Inflationsausgleich (über die vier Jahre Laufzeit gerechnet, entspricht das einer jährlichen Steigerung von rund 1 Prozent).

Beim ZDF vergleicht “Bild” gleich die Einnahmen eines Jahres mit den Mehrforderungen über den Vierjahreszeitraum, damit letztere höher wirken:

Das ZDF bekommt in diesem Jahr 1,82 Milliarden Euro. Für die nächste Gebührenperiode fordert das Zweite 429 Millionen Euro mehr.

Tatsächlich “bekommt” das ZDF in diesem Jahr auch keine 1,82 Milliarden aus den Gebühreneinnahmen, sondern 1,72. Das geht aus der “internen Finanzvorschau der Sender” (PDF) hervor, die “exklusiv auf BILD.​de” zu sehen sind und mit denen Bild.de die “Transparenz” schaffen will, “die die öffentlich-rechtlichen Anstalten in ihren Finanzangelegenheiten verweigern”.

Außerdem hat Bild.de ein paar vermeintlich namhafte Kritiker des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gefunden, die ganz im Sinne der Axel Springer AG gegen “das gebührenfinanzierte Engagement von ARD und ZDF im Internet und bei Apps” (so der Geschäftsführer der SPD-Medienholding ddvg Jens Berendsen) wettern oder sich wie “CDU-Kulturpolitiker Peter Tauber” und “FDP-Medienexperte Burkhard Müller Sönksen” (ein alter Freund der “Bild”-Zeitung) am Begriff “Grundversorgung” verheben dürfen.

Doch zurück zum “teuersten öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Welt” und seinen “Irrsinns”-Forderungen:

Jeder Haushalt müsste dann statt 17,98 Euro bisher, monatlich 18,86 Euro Rundfunkgebühren zahlen, so “Die Zeit”.

Zum Vergleich: Die Briten zahlen für ihr öffentlich-rechtliches Fernsehen monatlich 12,98 Euro, die Franzosen 9,66 Euro, die Italiener sogar nur 9,08 Euro.

Da hat “Bild” natürlich drei sehr renommierte öffentlich-rechtliche europäische Sendeanstalten ausgewählt (wobei Frankreich und Italien jetzt eher schlechte Beispiele für die gewünschte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgeben) — und drei sehr günstige.

Zum Vergleich: Die Österreicher zahlen im Monat durchschnittlich 22,03 Euro, die Dänen 25,74 Euro (191,67 Dänische Kronen) die Schweizer sogar 31,34 Euro (38,53 Schweizer Franken).

Mit Dank auch an Sebastian.

Nachtrag/Korrektur, 16.10 Uhr: In der ersten Version dieses Artikels hatten wir uns verrechnet, was die Mehrforderungen der ARD angehen.

“Bild” darf Christian Klar wieder nicht zeigen

Seit der frühere RAF-Terrorist Christian Klar im Dezember 2008 aus dem Gefängnis entlassen wurde, druckt “Bild” immer wieder aktuelle Fotos des Mannes, deren Veröffentlichung der Zeitung immer wieder von den Gerichten untersagt werden (BILDblog berichtete etwa hier, hier, hier, hier und hier).

Insofern dürfte der gestrige Termin vor dem Berliner Landgericht durchaus als “Folklore” und “Brauchtum” durchgehen: Klar war gegen die Veröffentlichung mehrerer Fotos in “Bild” und auf Bild.de vorgegangen und konnte gestern eine Einstweilige Verfügung erwirken.

Unter Androhung eines Ordnungsgeldes (traditionell festgesetzt als “bis zu 250.000,00 EUR”) oder Ordnungshaft wurde “Bild” untersagt, “ein Bildnis, das Christian Klar zeigt auf dem Fahrrad” noch einmal zu drucken. Bild.de muss “ein Bildnis, das Christian Klar zeigt auf dem Fahrrad” und “ein Bildnis, das Christian Klar zeigt mit offenem Antlitz und nicht unkenntlich gemacht” offline nehmen.

Aufhänger, die aktuellen Bildnisse von Klar zu zeigen, war seine Ladung als Zeuge im Prozess gegen die ehemalige RAF-Terroristin Verena Becker in Stuttgart, der vorgeworfen wird, 1977 am Mord am damaligen Generalbundesanwalt Siegfried Buback beteiligt gewesen zu sein.

Dazu zeigte “Bild” am 15. September unter der Überschrift “Hier radelt der Ex-Terrorist durch Berlin” auf Seite 2 der Bundesausgabe ein Foto von Klar auf einem Fahrrad. Das Foto war laut Klars Anwalt Johannes Eisenberg zwischen Anfang Juli und Mitte August in Berlin-Kreuzberg entstanden und hat “nichts mit Stuttgart-Stammheim oder der Zeugenladung zu tun”. Der Fotograf habe Klar “aufgelauert” und das Bild “heimlich erbeutet”.

Zu Fotos, die Klar im Stuttgarter Gerichtsgebäude zeigen, erklärt Eisenberg:

Der Antragsteller [Klar] hat versucht, sein Antlitz zu verbergen und sich ständig eine Zeitung vor das Gesicht gehalten. Es gab ein Gedrängel am Gerichtseingang, vermutlich wurde der Antragsteller absichtsvoll bedrängt, um ihn zu zwingen, die Zeitung herunter zu nehmen. Er war dort als Zeuge und hat seiner Zeugenpflicht genügt, bei Gericht zu erscheinen. Er hat damit keinen aktuellen Anlass gegeben, ihn zu fotografieren. Die Antragsgegnerin [Bild.de] zeigt selbst weitere Bilder, die den Versuch des Antragstellers zeigen, sich unsichtbar zu machen.

Klar hatte von der Axel Springer AG und Bild.de zunächst Unterlassungserklärungen gefordert und war dann, als diese ausblieben, vor Gericht gezogen. Springer und Bild.de können gegen die Einstweilige Verfügung vorgehen und wir wären ehrlich gesagt überrascht, wenn sie es nicht täten.

Keine Gnade

Seit einigen Tagen begleitet “Bild” den Fall des Todeskandidaten Troy Davis, der heute im US-Bundesstaat Georgia hingerichtet werden soll.

Vor vier Tagen fragte “Bild”:

Justizskandal in den USA: Wird nächste Woche ein Unschuldiger hingerichtet?

Die Zeitung erklärte:

(…) der Afro-Amerikaner könnte unschuldig sein: Davis war 1991 aufgrund von Zeugenaussagen wegen Mordes an dem weißen Polizisten Mark McPhail zum Tode verurteilt worden. Ein Berufungsverfahren brachte die skandalöse Polizei-Arbeit ans Licht: Cops hatten auf Zeugen Druck ausgeübt. Mittlerweile haben neun Zeugen ihre Aussagen widerrufen.

Vor zwei Tagen fragte “Bild”, ob Ex-US-Präsident Jimmy Carter Davis vor der Hinrichtung retten könne.

Das Todesurteil wackelt immer stärker: Es gab keine Tatwaffe, keine konkreten Beweise, keine DNA-Spuren. Nur neun Zeugen – sieben davon haben ihre Aussagen inzwischen zurückgezogen.

All diese berechtigten Zweifel an der Schuld von Troy Davis hindern Bild.de nicht daran, so über die Ablehnung des letzten Gnadengesuches zu berichten:

Letztes Gnadengesuch abgelehnt: Polizisten-Mörder stirbt durch die Giftspitze

Mit Dank an Thomas F., Mareike H. und Karl H.

Der neue Milchmädchenatlas

Erst vergangene Woche versuchten wir anhand des sogenannten “Einbruchs-Atlas” der Bremer Regionalausgabe von “Bild” zu erklären, warum es sinnlos ist, bei der Erstellung von Karten nur absolute Zahlen einzubeziehen und etwa die Einwohnerzahlen der einzelnen Teilgebiete und andere Faktoren zu ignorieren.

Zu Bild.de ist das anscheinend nicht durchgedrungen. Dort gibt es jetzt den “neuen Pleite-Atlas”, der anzeigt, wo in Deutschland die meisten Privatinsolvenzen angemeldet werden:

Viele Deutsche geraten in die Privatinsolvenz. BILD.de zeigt den Bundesländervergleich: Dunkel gefärbte Länder weisen eine große Anzahl zahlungsunfähiger Bürger auf, die hellen eine niedrige Drucken Versenden Bookmarken Teilen Privat-Insolvenzen Der neue Pleite-Atlas

Es überrascht wenig, dass es genau in den Ländern die meisten Privatinsolvenzen gibt, in denen am meisten Menschen leben: NRW, Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen. Kleinere Bundesländer wie Bremen hingegen schneiden automatisch gut ab.

Viel nützlicher wäre es gewesen, die Anzahl der Privatinsolvenzen mit den Einwohnerzahlen zu verrechnen. Dass der “Pleite-Atlas” ein Muster ohne Wert ist, geht sogar aus dem Artikel auf Bild.de hervor:

Bei den relativen Werten je 100 000 Einwohner gestaltet sich besonders die Schuldnersituation im Norden kritisch.

Die meisten Pleitiers pro 100 000 Einwohner leben in Bremen (162 Fälle), Hamburg (119), Niedersachsen (110) und Schleswig-Holstein (108). Während der Bundesdurchschnitt bei 84 Fällen je 100 000 Einwohner rangiert, stehen Bayern mit 61 Privatinsolvenzen, Baden-Württemberg (62) und Thüringen (74) im Ländervergleich am besten da.

Mit Dank an Mike W. und Boris.

Darauf muss man erst mal kommen

Unsere Eltern hatten uns immer gewarnt: Es schädige das Rückenmark, verursache Pickel und mache blind. “Tausend Schuss, dann ist Schluss”, haben sie gesagt.

Und jetzt das:

Medien berichten: Junge (16) onanierte sich zu Tode

“In Brasilien”, also an einem angenehm weit entfernten Ort, “soll”, so Bild.de, sich ein Junge zu Tode onaniert haben. Das berichte das englische Onlinemagazin “The Morning Star”.

Angeblich soll sich der Jugendliche aus dem Dorf Rubiato im Bundesstaat Goias unglaubliche 42mal selbst befriedigt haben. In einer Nacht. Hintereinander.

Schulfreunde behaupten, er hätte sie sogar zu seinem nächtlichen Samenerguss-Marathon eingeladen. Alles live via Webcam.

Nun heißt das englische Onlinemagazin eigentlich “The Morning Starr”, hat ein irritierend martialisches Logo und bringt sonst Meldungen wie “Die fetteste Frau der Welt”, “Alkoholiker festgenommen, weil er eine Schlange gebissen hat” und “Großmutter findet beim Aufwachen einen Fuchs in ihrem Bett”. Klar, dass sich Bild.de-Redakteure dort auf der Suche nach Meldungen rumtreiben.

Zum angeblichen Tod des Schülers schreibt die Website ziemlich genau das, was Bild.de dort abgeschrieben hat.

Nur: “The Morning Starr” hatte es auch abgeschrieben — bei der brasilianischen Website “G17”, wo die Meldung seit Juni steht. Dort heißt es zu dem Fall unter anderem, auf dem Computer des Teenager seien ungefähr 17 Millionen erotische Videos und 600 Millionen Fotos gefunden worden. Dafür bräuchte er eine verdammt große Festplatte. Das Bild, mit dem “G17” den Artikel bebildert hat, stammt aus einer polnischen Party-Bildergalerie.

Auf der Startseite von “G17” stehen Meldungen wie “Senat billigt automatischen Freispruch für korrupte Politiker” oder “Justin Bieber verspricht, in Brasilien die Windeln auf die Fans zu werfen”. Was ist das für eine Website, die noch bizarrere Artikel bringt, als Bild.de und “The Morning Starr” zusammen?

Nun, das kann man auch ohne größere Portugiesisch-Kenntnisse verstehen:

G17 é um site de humor que satiriza os portais de notícias com conteúdo fictício.

Eine Humor-Website, die mit frei erfundenen Inhalten News-Portale verhöhnt.

Mit Dank an Anonym, Matthias B., Nicole H. und nothing.

Nachtrag, 19.40 Uhr: Bild.de hat’s auch gemerkt und unauffällig einen Nachtrag angefügt:

PS. Tatsächlich handelt es sich bei dieser Geschichte (nicht nur für den Jungen) glücklicherweise um eine Satire, die sich im Internet wie ein Lauffeuer verbreitet. Ob häufiges Onanieren wirklich tödliche Folgen haben kann, lesen Sie hier.

Und “hier” hat Bild.de tatsächlich einen Mediziner befragt: “Kann man sich wirklich zu Tode onanieren?”

Gestern, heute, morgen

Der 11. September 2001 war ein Tag, der die Welt veränderte. Doch wie sah diese Welt eigentlich aus, bevor sie verändert wurde?

Bild.de möchte ab heute über die Tage berichten, “in denen sich unsere Welt noch in Frieden und Sicherheit wähnte”, und erzählt deshalb zehn Jahre alte “Bild”-Meldungen nach. Da geht es dann zum Beispiel um die Flugaffäre des damaligen Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping, die Basketball-EM in der Türkei und die Flitterwochen von Ex-Bundespräsident Roman Herzog.

Doch es geht auch um einen Fall, der bis heute in den Medien ist:

Wulsbüttel (Niedersachsen): Schon wieder wird ein Kind in Deutschland vermisst: Der blonde Dennis (damals 9) ist am 5. September nachts aus dem Schullandheim in Wulsbüttel verschwunden. 300 Einsatzkräfte durchkämmen seitdem die Umgebung. Mit dem Foto, auf dem Dennis mit seinem Pokemon zu sehen ist, wird nach ihm gesucht. Der Verdacht fällt auf den sogenannten “Schwarzen Mann”, der den Jungen entführt haben soll. Erst zehn Jahre später, im April 2011, wird der Täter endlich festgenommen werden. Er wird gestehen, ab Oktober 2011 vor Gericht stehen und schließlich zu lebenslänglich verurteilt werden.

Äh, Stopp!

Die Leute von Bild.de haben auf dem Weg zurück in die Gegenwart soviel Gas gegeben, dass sie in der Zukunft ausgekommen sind: Der Prozess beginnt ja erst im Oktober, da kann Bild.de jetzt noch gar nicht wissen, wie er irgendwann danach ausgehen wird.

Andererseits:

Mit Dank an Johannes G.

Nachtrag, 21:50 Uhr. Puh, Bild.de kann doch nicht in die Zukunft sehen, hat den Artikel korrigiert und schreibt:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels entstand der Eindruck, das Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder stehe bereits fest. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen und danken unseren Lesern für die Hinweise.

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