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Der Sauerstoff, aus dem Legenden sind

Die österreichische Bergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner hat als erste Frau alle Achttausender der Welt ohne zusätzlichen Sauerstoff bestiegen.

Bild.de schrieb dazu gestern:

Als erste Frau hat Gerlinde Kaltenbrunner (40) alle Achttausender-Gipfel der Welt bezwungen – ohne zusätzliche Sauerstoff-Versorgung. Das hatte vor ihr nur Reinhold Messner geschafft.

Das war teils irreführend, teils falsch — entstand doch der Eindruck, Frau Kaltenbrunner hätte als erste Frau überhaupt aller Achttausender bezwungen. In Wahrheit ist sie (je nach Zählweise) die zweite oder dritte Frau. Vor allem aber hatten nach Reinhold Messner und vor Gerlinde Kaltenbrunner noch neun weitere Männer alle Achttausender ohne Sauerstoffmaske bestiegen.

Diesen Fehler hatte Bild.de mutmaßlich von der Nachrichtenagentur AFP übernommen, die gestern zunächst berichtet hatte:

Bislang war Reinhold Messner der einzige, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang.

Und:

Bislang war der Südtiroler Reinhold Messner der einzige Mensch der Welt, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwungen hat.

Um 17.15 Uhr korrigierte AFP seine Meldung:

+++ Berichtigung: Im dritten Satz sowie im letzten Satz des vierten Absatzes heißt es nun richtig, dass Messner der erste (nicht der bisher einzige) Bergsteiger war, der alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske bezwang. Diese Korrektur gilt auch für die diesbezügliche Meldung von 15.09 Uhr. +++

Zu spät für die heutige “Bild”-Zeitung:

Bisher war es nur Reinhold Messner gelungen, alle 14 Achttausender ohne Sauerstoffmaske zu besteigen.

Mit Dank an Mithrandir und Florian B.

Als wär die Realität nicht schlimm genug

Vor dem Berliner Landgericht hat heute der Prozess gegen zwei 18-Jährige begonnen, die im April einen Mann in der U-Bahnstation Friedrichstraße zusammengeschlagen haben.

Bild.de berichtet über das Geständnis des Hauptangeklagten und erinnert noch einmal an den Tathergang:

Der brutale Fall erschütterte Deutschland: Es war 3.30 Uhr in der Nacht zu Ostersamstag, U-Bahnhof Friedrichstraße. Handwerker Markus P. (29) wartete auf eine Bahn. Er wird von zwei jungen Männern angepöbelt und zu Boden geschlagen.

Ohne Skrupel tritt einer der Männer – Torben P. – auf den Kopf seines Opfers ein. Vier Mal!

Ein Tourist (21) aus Bayern schreitet ein, hält den Treter fest. Der Komplize des Treters verpasst dem Retter einen Tritt in den Rücken. Dann flüchten die beiden Brutalos. Das schwer verletzte Opfer lag wochenlang im künstlichen Koma.

Es mag angesichts der Brutalität zunächst nebensächlich erscheinen, doch das Opfer erwachte nach etwa 16 Stunden und konnte das Krankenhaus sogar schon am Ostermontag wieder verlassen, “noch von Schnittwunden und Blutergüssen gezeichnet”, wie die “Berliner Morgenpost” damals schrieb. Einen Tag später “sprach” der Mann in der “B.Z.”, wenige Tage später in “Bild”.

Womöglich hat Bild.de Torben Markus P. mit Marcel R. verwechselt, einem anderen Gewaltopfer, dem es noch schlechter ergangen war:

Nach mehr als drei Monaten im Unfallkrankenhaus Marzahn kann der 30-jährige Marcel R. Ende dieser Woche entlassen werden. Geheilt ist er dann noch lange nicht. Aber dass er nach dem brutalen Überfall auf dem U-Bahnhof Lichtenberg und seinen schweren Verletzungen überhaupt wieder sprechen und laufen kann, ist schon fast ein Wunder.

Am Abend des 11. Februar waren auf dem U-Bahnhof vier Jugendliche über den Malergesellen hergefallen, hatten ihn zusammengeschlagen und ihm auf den Kopf getreten, als er schon am Boden lag. Das Opfer erlitt ein schweres Schädel- Hirn-Trauma, ein Teil der Schädeldecke musste entfernt werden, drei Wochen lang lag Marcel R. im künstlichen Koma.

Doch Bild.de ist nicht das einzige Medium, das mit den Opfern der verschiedenen “U-Bahn-Schläger” durcheinander gekommen zu sein scheint: Die Nachrichtenagentur dapd behauptet seit Sonntag in mehreren Vorschauen und aktuellen Artikeln, das Opfer habe “wochenlang im künstlichen Koma” gelegen.

Die “Süddeutsche Zeitung” schreibt heute:

Das Opfer Markus P. kann sich bis heute kaum an den Angriff erinnern. Der 29-Jährige erlitt eine Gehirnerschütterung, einen Nasenbeinbruch und zahlreiche Platzwunden im Gesicht.

Er lag wochenlang im künstlichen Koma und befindet sich noch immer in psychiatrischer Behandlung.

Mit Dank an Julia M.

Nachtrag, 24. August: sueddeutsche.de hat den Artikel aus der “Süddeutschen Zeitung” überarbeitet und schreibt dazu:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes stand zu lesen, dass Markus P. “wochenlang im künstlichen Koma” lag. Das ist so nicht richtig, der 29-Jährige verlor lediglich vorübergehend das Bewusstsein. Wir haben den Fehler korrigiert und bedanken uns für den Hinweis unserer aufmerksamen User.

Sensationelle journalistische Kehrtwenden

Im Profifußball ist es eine liebgewonnene Tradition, dass Journalisten munter verkünden, welcher Spieler aktuell zu welchem Verein wechseln könne oder gar wolle, während Spieler und Vereine mindestens ebenso viel Energie darauf verwenden, alles abzustreiten. Wer recht hatte, weiß man höchstens hinterher, als Faustformel kann man aber sagen: jede Seite kommt auf etwa 50%.

Seit Tagen spekulieren “Bild” und andere Ruhrgebietsmedien, der Spanier Raúl werde den FC Schalke 04 verlassen. Womöglich war es in dieser Situation nicht allzu clever von Schalkes Manager Horst Heldt, gegenüber Bild.de zu bestätigen, dass eine Anfrage von den Blackburn Rovers vorlag. Denn aus dem Angebot machte Bild.de schnell einen Wechsel:

Schalke-Superstar Raúl (34) steht vor dem Abflug nach England. Der Premier League-Klub Blackburn Rovers macht dem Spanier ein Angebot. Das bestätigte Schalke-Manager Horst Heldt (41) gegenüber BILD.de

Heldt: “Wir haben gestern (Montag, die Redaktion) eine offizielle Anfrage von Blackburn Rovers per Mail bekommen. Daraufhin haben wir mit seinem Berater Kontakt aufgenommen. Wir werden uns heute mit Raul und seinem Berater treffen und darüber sprechen.

Eigentlich wollen wir ihn nicht abgeben, aber wenn er uns sagt, dass er gehen möchte, werden wir uns damit beschäftigen und in Verhandlungen einsteigen. Es wird eine zeitnahe Entscheidung in dieser Sache geben und zwar bis spätestens Morgen, 13 Uhr.” Dann steigt Schalke in den Flieger zum Europa League-Play-Off-Spiel in Helsinki.

Noch mehr wusste die “Recklinghäuser Zeitung”:

Jetzt ist es sicher: Schalkes Star Raul wird den Verein noch bis zum 31. August verlassen. Das hat S04-Sportdirektor Horst Heldt unserem Medienhaus gerade bestätigt.

Schon seit Tagen gab es Gerüchte über einen Wechsel des Spaniers in die englische Premiere League zu den Blackburn Rovers. Gerade sagte Horst Held zu dem Thema: “Es macht keinen Sinn, einen Spieler auf Schalke zu halten, der nicht mehr zufrieden ist”. Mehr Details wollte Heldt nicht preisgeben.

Interessant, dass Schalke 04 anschließend das exakte Gegenteil auf seiner Website schrieb:

Am heutigen Dienstag (16.8.) nahm der FC Schalke 04 von einer offiziellen Anfrage der Blackburn Rovers Kenntnis, in welcher der Premier-League-Club mitteilte, an einer Verpflichtung von Raul interessiert zu sein. “Sowohl unser Trainer Ralf Rangnick als auch mein Vorstandskollege Peter Peters und ich haben immer betont, dass wir ihn nicht abgeben möchten”, stellte Manager Horst Heldt klar.

Gleichwohl unterrichteten die Königsblauen den Spieler vom Interesse aus England. Heldt: “Raul hat uns gesagt, dass er bei Schalke 04 bleiben möchte und uns gebeten, den Blackburn Rovers abzusagen. Dies haben wir bereits getan. Wir freuen uns, dass Raul auch künftig alles dazu beitragen will, dass wir sportlich erfolgreich sind.”

Bild.de drehte den Artikel, der ursprünglich unter der Überschrift “Also doch! Raul vor Abflug nach England zu Blackburn Rovers” gestanden hatte, um 180 Grad:

Schalke-Star will nicht nach England: Raúl-Wechsel zu Blackburn geplatzt!

Und die “Recklinghäuser Zeitung”, deren Überschrift “Raul geht definitiv” gelautet hatte, schreibt nun unter der gleichen URL und der ursprünglichen Uhrzeit:

Sensationelle Kehrtwende: Raul bleibt Schalker!

Nur das Ruhrgebietsportal westline.de, das den Artikel von der “Recklinghäuser Zeitung” übernommen hatte, verkündet immer noch:

Abschied vom Spanier:
Raul geht definitiv - Weg von Schalke

Mit Dank an Machete04, Martin E., Cornelius und Steffen F.

Nachtrag, 18. August: westline.de hat seinen Artikel überarbeitet und mit einem Hinweis versehen:

Durch ein Missverständnis war aus einer ganz neutralen Aussage des Schalker Managers Horst Heldt eine “Vollzugsmeldung” geworden. Heldt hatte (wie oben im Artikel nachzulesen) lediglich erklärt, dass es sinnlos sei, einen unzufriedenen Spieler unbedingt halten zu wollen.

Beim Übermitteln des Gesprächsinhaltes in eine Onlinemeldung war dann in unserem Haus aus dem Konjunktiv eine Tatsache geworden. Nun hieß es nicht mehr “wenn ein Spieler gehen wolle”, sondern “dass der Spieler gehen will”.

Wir bitten um Entschuldigung wegen der Falschmeldung. Mehr dazu auch im Schalke-Forum.

Journalismus in den Seilen

17 Stunden saßen die Leute, denen Franz Josef Wagner gestern seine “Post” widmete, am Wochenende in der Gondel einer Seilbahn in Schwangau im Allgäu fest. Erst am Samstagmorgen ab 6 Uhr konnten die 19 Fahrgäste und der Gondelführer gerettet werden.

Bei dapd mussten die Eingeschlossenen allerdings nicht so lange ausharren. Schon am Freitag um 18.44 Uhr vermeldete die Nachrichtenagentur ihre Rettung:

45 Bergbahnfahrgäste mit Hubschraubern geborgen

Nach der Kollision eines Tandemgleitschirms mit einem Bergbahntragseil sind am Freitag in Schwangau im Allgäu zwei Gondeln evakuiert worden. 45 Fahrgäste und die beiden Gleitschirmflieger mussten mit mehreren Hubschraubern geborgen werden, wie die Polizei mitteilte.

Erst nach Mitternacht vermeldete dapd, dass zu diesem Zeitpunkt immer noch fast die Hälfte der ursprünglich 45 Menschen in der oberen Gondel festsaßen.

Auch dpa hatte am frühen Freitagabend eine mindestens irreführende Meldung abgesetzt:

Gleitschirm legt Seilbahn lahm – 45 Fahrgäste steckten fest

Schwangau (dpa) – Ein Gleitschirm hat sich am Freitag in Schwangau im Allgäu in einer Seilbahn verfangen und sie damit stundenlang lahmgelegt. 45 Fahrgäste in den Gondeln mussten mit mehreren Hubschraubern geborgen werden.

In der Überschrift der Zusammenfassung von 20 Uhr war aus “45 Fahrgäste steckten fest” überraschend “45 Fahrgäste stecken fest” geworden, aber ansonsten legte der Text den Schluss nahe, dass die Rettungsaktion bereits erfolgreich abgeschlossen war:

Ein Gleitschirm hat sich am Freitag in Schwangau im Allgäu in einer Seilbahn verfangen und sie damit stundenlang lahmgelegt. 45 Fahrgäste in den Gondeln der Tegelbergbahn mussten mit Hubschraubern geborgen werden.

Die Rettungsaktion dauerte bis in den Abend an.

Die dpa erklärte uns auf Anfrage, dass diese Meldungen für die Tageszeitungen des Samstags gedacht waren, die bereits am Abend Redaktionsschluss haben. Es handle sich dabei um einen “Kunstgriff”, die Redaktionen würden meist selbst dazuschreiben, dass die Entwicklung bei Redaktionsschluss noch nicht zu abgeschlossen gewesen sei. (Aus der Meldung selbst ergibt sich das allerdings nicht.)

Anders als dapd setzte dpa seine Berichterstattung am Abend aber fort und meldete so etwa um 22.04 Uhr:

Ein Ausflug in die Berge nahe dem Schloss Neuschwanstein hat für zahlreiche Menschen eine dramatische Wende genommen. Nach einem Unfall steht die Seilbahn still. 45 Menschen sitzen in luftiger Höhe fest.

Da stimmte dann nur die Zahl nicht mehr.

Doch auch nach der erfolgreichen Rettung aller eingeschlossenen ließen die journalistischen Merkwürdigkeiten nicht nach — sie fingen bei Bild.de erst richtig an.

Sonntagmittag vermeldete das Portal:

Er brachte 50 Menschen in Lebensgefahr: Gleitschirm-Pilot auf der Flucht

Und schrieb:

UNFASSBAR, DER GLEITSCHITM-PILOT IST AUF DER FLUCHT!

Der Mann aus dem schweizerischen Kanton Zürich hat sich direkt nach der Bergung in die Schweiz abgesetzt.

Unfassbar und ziemlicher Quatsch — den “Welt Online” gerne übernommen hat:

17 Stunden Angst. Autor: Antje Hildebrandt. Gleitschirmflieger von Gondel-Drama auf der Flucht. Die Situation in der Gondel am Tegelberg war kritischer als bisher angenommen. Der mutmaßliche Schuldige ist in die Schweiz geflüchtet.

Das “Füssener Blatt” hat heute ein Interview mit dem Pressesprecher des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West in Kempten, Christian Owsinski, abgedruckt. Darin heißt es unter anderem:

Der Gleitschirmpilot, der einen Mitarbeiter des Bayerischen Rundfunks in Gurt hatte, hat sich angeblich in die Schweiz abgesetzt. Stimmt das?

Owsinski: Die Formulierung “abgesetzt” ist irritierend, denn der Mann hat sich dem Zugriff der Behörden nicht entzogen. Der Deutsche mit Wohnsitz in der Schweiz ist nach dem Vorfall am Tegelberg in die Schweiz abgereist. Das ist nicht zu beanstanden.

Mit Dank an Norbert P., Murry, Jens und Michael W.

Schatzi, schenk mir ein Foto

Uiuiui:

Eine frivole Lektüre entdeckte ein BILD-Leser-Reporter in diesem Streifenwagen auf der Cranger Kirmes in Herne (NRW). In der Windschutzscheibe liegt gut sichtbar die aktuelle Ausgabe des “Playboy” mit Ex-Turnerin Magdalena Brzeska (33) auf dem Cover.

Damit die Leser von Bild.de wissen, wie so ein “Playboy” mit Magdalena Brzeska drauf aussieht, haben die Grafiker ihn im Foto noch einmal extra hervorgehoben:

Herne in NRW: Nackte Tatsachen im Streifenwagen. Ein Leser-Reporter fotografierte den „verhafteten“ Playboy und berichtet: "Da standen schon einige Leute am Auto und kicherten".

Und die Texter schrieben dazu:

Rechtliche Konsequenzen drohen dem Beamten aber nicht. Also: Beim nächsten Mal am Kiosk auf Nummer sicher gehen – und sich für eine BILD entscheiden…

Zum Vergleich hier noch mal die “Nummer sicher” vom vergangenen Mittwoch, auf der Titelseite, über dem Bruch:

Mit Dank an FreSch und Daniel K.

Alter Mann? Alter Hut!

Dieses Internet… Über irgendetwas lacht es ja eigentlich immer. Laut Bild.de zurzeit darüber:

Daüber lacht das Internet Mann will aus Alko-Tester trinken

Das von Bild.de eingebundene YouTube-Video ist zwar wirklich lustig. Ziemlich albern ist allerdings diese Behauptung:

Die unfreiwillig komische Alkoholkontrolle entwickelt sich zum Youtube-Renner.

Ja, genauso wie der Verrückte Frosch sich langsam zum Klingelton-Renner entwickelt und Super Mario Bros. auf dem NES zum beliebten Videospiel avanciert.

Das Video existiert schon seit mindestens zweieinhalb Jahren und hat sich – schon lange bevor Bild.de darüber schrieb – unter anderem mithilfe des “Failblogs” zum YouTube-Renner mit inzwischen knapp 4,5 Millionen Views entwickelt. Durch weitere Uploads kommen noch einige Millionen mehr dazu. Selbst die Variante, die Bild.de anbietet und die aktuell bei rund 30.000 Views liegt, wurde bereits im März 2010 auf YouTube hochgeladen.

Insofern schließen wir uns einem der zahlreichen Kommentatoren des bei Bild.de eingebetteten YouTube-Videos an:

Die Bild ist der eigentliche Lacher an der Sache.....Verkaufen ein uraltes Video, dass wohl schon jeder kennt als aktuellen Internetrenner. Hammer :D

Mit Dank an Conny S., Dennis, FreSch und Tobias F.

Ich will dir fressen!

Das wird das Krümelmonster freuen: Kekse fallen jetzt unter “Sport”. Zumindest bei Bild.de:

Prinz Poldi völlig von der Rolle: Nationalspieler wirbt nicht mehr für Kekse

Dort heißt es:

Binde verloren, Auftakt verloren, und nun auch Werbe-Deal verloren: Für Kölns Lukas Podolski (26) kommt es gerade knüppeldick.

Gebäck-Riese Griesson de Beukelaer wirbt zukünftig nicht mit Prinz Poldi. Der neue TV-Spot für die “Prinzenrolle” wird ohne den Kölner Publikumsliebling ausgestrahlt.

Die (irgendwie) gute Nachricht für Lukas Podolski: Er hat seinen Werbe-Deal nicht “nun” oder “gerade” “verloren”, sondern bereits im Januar, als Griesson de Beukelaer ankündigte, “die Kommunikation der Marke Prinzen Rolle” in diesem Jahr “neu ausrichten” zu wollen.

Der Werbevertrag mit Fußballnationalspieler Lukas Podolski endete mit Ablauf des Jahres 2010.

Das hätten sie bei wuv.de, der Website des Branchenmagazins “Werben & Verkaufen”, vielleicht besser noch mal dazu schreiben sollen, als sie gestern den neuen Werbespot vorstellten und dazu kalauerten:

Griesson de Beukelaer: Prinz Poldi spielt keine Rolle mehr

Der “Kölner Stadtanzeiger” schrieb etwas ahnungslos (ab):

Kekse! Prinzenrolle mustert Podolski aus. Nach zwei Jahren Pause wirbt Griesson de Beukelaer erstmals wieder im Fernsehen für seine mit Schokocreme gefüllten Kekse. Lukas Podolski spielt in dieser Werbekampagne - Achtung, Wortspiel! - keine Rolle mehr.

Aber dort behaupteten sie wenigstens nicht, Podolski habe “nun” seinen Werbe-Deal verloren.

Mit Dank an Mr. X und Thomas D.

AFP, AP, Bild.de  etc.

Ja, mir san mit’m Panzer da

Politiker würden fast alles tun, um in die Medien zu kommen. Und die Medien lieben außergewöhnliche Politikerfotos: Helmut Kohl mit wechselnden Tieren am Wolfgangsee, George W. Bush auf dem Flugzeugträger, Karl-Theodor zu Guttenberg am Times Square.

Den Namen Arturas Zuokas werden sich wohl auch in Zukunft die Wenigsten merken können, aber das Bild, wie der Bürgermeister der litauischen Hauptstadt Vilnius im Panzerwagen über einen falsch geparkten Mercedes fährt, das geht jetzt um die Welt und wird in Erinnerung bleiben.

Bild.de schreibt dazu:

Um zu beweisen, dass er es ernst meint, griff der Politiker zur Brachialmethode.

Vor geladenen Medienvertretern walzte das Stadtoberhaupt höchstpersönlich mit einem russischen Panzer eine auf einem Radweg abgestellte Luxuslimousine platt.

Im dazugehörigen Video beschreibt der Off-Sprecher die Szenerie so:

Zurück bleibt ein schrottreifer Benz und ein Besitzer, der dieses Schicksal offensichtlich nicht fassen kann. Zur Belehrung seines Bürgermeisters kann der Mann mit Goldkette nur entschuldigend nicken.

Die gute Nachricht für Bild.de zuerst: Arturas Zuokas ist tatsächlich mit einem Panzer über einen Mercedes gefahren. Das würde aber wohl auch in Litauen den Straftatbestand der Sachbeschädigung erfüllen.

Die Hintergründe der Aktion stellen sich – und damit zur schlechten Nachricht für Bild.de – dann auch ein bisschen anders dar, wie AFP schreibt:

Ein Schauspieler, der die Rolle des Autobesitzers spielte, bekam von Zuokas anschließend eine Lektion verpasst und schaute angemessen bedröppelt drein.

Das Auto wurde extra für den Stunt gebraucht gekauft, teilte das Rathaus mit.

Die außergewöhnliche Aktion wurde gemeinsam mit den Machern der schwedischen Fernsehsendung “99 Dinge, die man tun muss, bevor man stirbt” entwickelt, die im Oktober ausgestrahlt werden soll.

(Übersetzung von uns.)

Die meisten anderen Medien haben irgendwie verstanden, dass die Szene gestellt war, aber sie zeigen ein Foto, das offensichtlich nachbearbeitet wurde:

Fotomontage, von AFP verbreitet.

Zoukas saß nämlich nicht alleine im Panzer, wie das Video beweist:

Die Pressestelle der Stadt Vilnius hat den Herrn im blauen Hemd einfach aus dem Bild retuschiert — und das ziemlich schlecht:

Schlechte Fotomontage der Pressestelle der Stadt Vilnius.

Die weltweite Verbreitung des Bildes übernahmen dann Nachrichtenagenturen wie AFP und AP.

Mit Dank an Diekmann, John Doe und Fal H.

Wer hat die dümmsten Redakteure?

Das Sommerloch macht es schwer, journalistische Angebote zu füllen. Die Parlamente machen Ferien, im Fernsehen kommen nur Wiederholungen und falls man doch Mal recherchieren will, hört man am anderen Ende der Leitung all zu oft: “Ihr Ansprechpartner ist leider im Urlaub”.

Also muss man den Bodensatz der Pressemitteilungen durchwühlen. Am Besten sind Geschichten, die sich gut anhören, bei denen es aber egal ist, ob sie nun wahr sind oder nicht. Beispielsweise: “Schwangere mögen Sellerie lieber als Saure Gurken”. Oder: “Im Fernsehen kommen nur Wiederholungen“. Oder zur Abwechslung etwas Neues: Der Web-Browser ist mit der Intelligenz verknüpft. Klingt abwegig, banal, irgendwie doof? Egal, es füllt Platz:

Bei “Welt kompakt”:

Browser-Test: Opera-User sind am schlauesten

Bei Krone.at:

Nutzer des Internet Explorer sind am dümmsten

Bei “20 Minuten”:

Bei Bild.de:

Dass niemand zuvor von der ominösen Marktforschungsfirma gehört hatte — egal. Dass die Abweichungen von über 40 IQ-Punkten enorm hoch sind und Nutzer des Internet Explorer 6 mit knapp über 80 IQ-Punkten im Schnitt nur wenig besser abschneiden als Forrest Gump — kein Problem. Schließlich sind in der Studie bunte Grafiken und gewichtig klingende Fachbegriffe wie “WISC-iV”, “Verbal IQ” und “Full Scale IQ”.

Dumm nur: nichts davon stimmt. Die BBC, die die Story zunächst auch verbreitet hatte, hat doch noch einmal nachgefragt und die Geschichte als “Bogus” entlarvt: Unter der angegebenen Telefonnummer meldet sich niemand, die Webseite der angeblich seit fünf Jahre existierenden Firma ist brandneu und aus anderen Webseiten zusammen gestückelt und ein Statistikforscher an der Universität Cambridge findet die publizierten Zahlen unplausibel.

Kurz gesagt: Studie samt Firma sind offenbar Produkt von Witzbolden, die sich über Nutzer des Internet Explorer lustig machen wollten. Das stellt die hiesigen Medien vor ein Problem: Die Spielverderber von der BBC können schließlich nicht ganz ignoriert werden.

Bild.de gibt sich humorvoll:

Und ergänzt:

Wie Kollegen von Computerbild.de jetzt herausfanden, existierte die Kanadische Beraterfirma AptiQuant nicht einmal.

Doch die Kollegen behaupten nicht einmal selbst, es herausgefunden zu haben: Sie beziehen sich bei ihrer Korrektur ausdrücklich auf die BBC.

(Nicht-)Wissen ist Yacht

Vergangene Woche berichtete Bild.de über die angeblich “teuerste Jacht der Welt”.

Dabei ist die “History Supreme” nicht mal besonders groß (30 Meter). Dafür aber besonders goldig. Etwa 100 Tonnen Gold und Platin will Stuart Hughes verbaut haben.

Der Text ist voller “wills”, “solls” und Konjunktive — aber so unglaubwürdig, um sie einfach unter den Tisch fallen zu lassen, war Bild.de die Meldung dann offenbar auch nicht.

Aufmerksam geworden ist Bild.de auf die Geschichte offenbar durch Berichte in britischen Boulevardmedien, die sich alle nicht die Mühe gemacht hatten, die Ausführungen des angeblichen Schiffsbauers Stuart Hughes zu hinterfragen.

Das übernahm dann das Online-Magazin “Motorboat & Yachting” (MBY) und stellte einige Ungereimtheiten fest:

  • Das Boot soll angeblich an einen “Geschäftsmann aus Malaysia” verkauft worden sein. In Malaysia gibt es aber nur drei Menschen, für die die 3 Milliarden Pfund Kaufpreis einigermaßen bezahlbar wären — der eine ist 72, der andere 87 Jahre alt und die dritte eine Frau. (Außerdem sind die 100 Tonnen Gold drei Mal mehr, als in der Nationalbank von Malaysia lagern.)
  • Die 100 Tonnen Gold sollen zum Ursprungsgewicht von 80 Tonnen hinzugefügt worden sein. Es erscheint äußerst unwahrscheinlich, dass eine 180 Tonnen schwere 30-Meter-Yacht überhaupt schwimmen oder gar fahren kann.
  • Die Fotos, die Stuart Hughes zeigt, stammen von der Website des Yacht-Herstellers Baia und wurden in Photoshop golden angemalt.
  • An Bord soll eine Wand-Installation aus dem Knochen eines Tyrannosaurus Rex sein.

Gestern konnte MBY dann vermelden, dass es sich um einen Fake handelt: Baia bestätigte, dass die Bilder von ihrer Website geklaut und bearbeitet worden seien.

Original.

Fälschung.

Rechtliche Schritte wolle man aber nicht unternehmen:

“(…) It’s such a stupid story it’s not worth it.”

Offenbar nicht dumm genug für Bild.de.

Mit Dank an Uwe R.

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