Archiv für 6 vor 9

Lichtermarkt-Hysterie, “Addendum” mit Brause-Millionen, Kaffee ist alle

1. Wie sowas läuft: Die rechte Digital-Kampagne gegen Elmshorn.
(fearlessdemocracy.org, Gerald Hensel)
Gerald Hensel hat bei “Fearless Democracy” die Social-Media-Kampagne gegen die Stadt Elmshorn und ihren Lichtermarkt analysiert, vom ersten Tweet bis hin zur hunderttausendfachen Verbreitung. Ein konstruierter Shitstorm, der jeden treffen kann, so Hensel: “Ein Tweet reicht, ein Event-Name, der ins Weltbild passt, und am Ende ein schwarzes Kind auf einem Plakat. Fertig ist die Kampagne. Und eine Stadt, deren Vorweihnachtszeit empfindlich gelitten haben dürfte.”

2. Addendum arbeitet grundsätzliche Themen mit großem Besteck auf
(get.torial.com, Bernd Oswald)
Für seine neue Medienplattform “Addendum” hat der österreichische Multimilliardär und “Red Bull”-Brauer Dietrich Mateschitz etwas tiefer in die Brieftasche gelangt und gleich 40 Mitarbeiter angeheuert. Mateschitz haftet der Ruf an, rechts der Mitte zu stehen, entsprechend kritisch wurde und wird das Projekt von außen beäugt. Bernd Oswald kann der Seite in seiner Rezension durchaus Gutes abgewinnen. Außerdem fänden sich keine Ansatzpunkte dafür, in “Addendum” ein populistisches Projekt oder die Schaffung einer “Gegenöffentlichkeit” zu sehen. Er kritisiert jedoch das Fehlen von konkreten Lösungsvorschlägen.

3. Wenn zwei sich streiten
(deutschlandfunk.de, Thomas Wagner)
Vor 20 Jahren griff der “Südkurier” aus Konstanz mit einer neuen Lokalausgabe die Konkurrenz der “Schwäbischen Zeitung” auf deren Gebiet an. Die “Schwäbische Zeitung” konterte kurze Zeit später mit drei neuen Lokalausgaben im Stammgebiet des “Südkuriers”. Der Wettbewerb findet nun ein Ende: Zum Jahresende will der “Südkurier” seine Lokalausgabe dichtmachen. Die “Schwäbische Zeitung” wiederum habe die Schließung ihrer drei Lokalredaktionen im “Südkurier”-Stammgebiet angekündigt. Kritiker bedauern das Schrumpfen der publizistischen Vielfalt.

4. „Townhall-Meetings“ als Nonplusultra der Wahlberichterstattung? Ein Einspruch von Journalismus-Professor Bernd Gäbler
(meedia.de, Bernd Gäbler)
Neuwahlen würden auch einen erneuten Wahlkampf bedeuten. Wie werden die Medien darüber berichten? Auf welche Formate werden sie setzen? Nachdem das letzte “TV-Duell” eher kritisch gesehen wurde, könnten die Medien verstärkt auf sogenannte “Townhall-Meetings” mit Bürgerbeteiligung setzen. Journalistik-Professor Bernd Gäbler kann dem Format nur wenig abgewinnen: “Wenn die Politik-Journalisten von sich aus beginnen, in die einseitigen Lobeshymnen dieser “Townhall”-Formate einzustimmen, die als gelegentliche Ergänzung in einem Wahlkampf ihre Berechtigung haben mögen, dann stimmen sie letztlich ein in den Abgesang auf ihre eigentliche Profession.”

5. Cyberkriminologe Thomas-Gabriel Rüdiger über Hass im Netz
(blmplus.de, Elena Lorscheid, Video, 3:59 Minuten)
Thomas-Gabriel Rüdiger ist Kriminologe am “Institut für Polizeiwissenschaft” der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg. Die Schwerpunkte des Cyberkriminologen liegen unter anderem auf “digitalen Straftaten und Interaktionsrisiken sozialer Medien”. Auf den Augsburger Mediengesprächen 2017 fordert er beim Thema “Hass im Netz” mehr Schutzmaßnahmen für Opfer und ein höheres Risiko für Täter.

6. Schleichwerbung beim SWR – Jugendradio DASDING handelt sich wegen Kaffeeaktion einstweilige Verfügung ein
(allgemeine-zeitung.de, Markus Lachmann & Mario Thurnes)
Dem Jugendsender des SWR wurde per einstweiliger Verfügung untersagt, im Rahmen der “DASDING Morningshow” Werbung und/oder Sponsoring für Dritte zu betreiben. Bei der sogenannten “Hallo wach”-Aktion hatte man an verschiedenen Orten kostenlosen Kaffee ausgeschenkt. “Powered by McCafé”, wie es hieß. Dies hätte teilweise vor “McDonald’s”-Filialen stattgefunden. Zudem sei im Internet das “McDonald’s”- Logo abgebildet und auf die “McDonald’s”-Seite verlinkt worden.

“Sputnik”-Geilphone, “Wikipedia”-Uploadfilter, FDP-Sharepic

1. Sputnik-Moderatoren sollen iPhones seltener geil finden
(uebermedien.de, Yannick von Eisenhart Rothe)
Auf “Sputnik”, dem “Null Werbung”-Jugendradio des MDR gab es eine iPhone-Gewinnaktion mit geradezu penetrant werblichem Charakter: Die Moderatoren im Radio und im Facebook-Livestream überboten sich geradezu in Produktnennungen und im “Geil, iPhone”-Kreischen. Nach Beschwerden reagierte der Sender zunächst trotzig: “Unsere ModeratorInnen präsentieren die Aktion hervorragend und mit großem Engagement.” Mittlerweile hat auch der Rundfunkrat die Aktion kritisiert und sieht darin Verstöße gegen die Werberichtlinien der ARD. “Übermedien” hat beim MDR nochmal nachgefragt. Dort laviert man in einer Form, die einen an der Einsicht des Senders zweifeln lässt: Es bestehe, so die Aussage, ein Unterschied in einer werblichen Wirkung, ob Produkteigenschaften benannt werden, oder ob lediglich von einem “geilen Teil” gesprochen werde.

2. Aufregung bei MDR-Sputnik-Heimattour: Journalistin ausgesperrt
(flurfunk-dresden.de, Rosalie Stephan)
Das Jugendradio des Mitteldeutschen Rundfunks, “MDR Sputnik”, veranstaltet die sogenannte “Heimattour”, eine Reihe von Partys. Man hat bei diesem Projekt offenbar mit zweifelhaften Partnern zusammengearbeitet. So war im Vorfeld der letzten Veranstaltung in Helbra (Sachsen-Anhalt) bekannt geworden, dass der Besitzer des Veranstaltungsortes der Reichsbürger-Bewegung zuzuordnen sei. Auch die “Mitteldeutsche Zeitung” hatte darüber berichtet. Mit Folgen: Der Veranstalter warf bei der wenige Tage später stattfindenden “Heimattour” die “MZ”-Journalistin Anja Förtsch raus und erteilte ihr ein Hausverbot. Der MDR hat sich mittlerweile von dem Vorgehen des Veranstalters distanziert und die Zusammenarbeit beendet.

3. Spiderman spinnt wohl
(sueddeutsche.de, Friederike Oertel)
Friederike Oertel berichtet bei Sueddeutsche.de über einen verstörenden Youtube-Trend: Dort hätte sich eine Szene etabliert, die sinnlose, brutale und teils gewaltverherrlichende Videos mit Helden aus Comic- und Animationsfilmen produziert. Die gefälschten Videos würden mit bunten Vorschaubildern locken, seien durch ihre originalgetreue Gestaltung zunächst nicht als Fake erkennbar und würden erst im Verlauf eine brutale Wendung nehmen. Noch sei unklar, wer hinter den Videos steckt.

4. #No(Upload)Filter – Bedrohen geplante Upload-Filter die Wikipedia?
(blog.wikimedia.de, Lilli Iliev)
“Wikipedia” sieht große Schwierigkeiten auf sich zukommen, sollte die neue Urheberrechtsrichtlinie durchgesetzt werden, die “Uploadfilter” vorschreibt: “Wir brauchen keine Uploadfilter, sondern für möglichst viele Online-Plattformen verantwortungsvolle, aktive Communitys, die den Kontext einer Nutzung bewerten, etwaigen Missbrauch einhegen und “schwarze Schafe” aktiv bekämpfen können. Ein lebendiges Netzwerk sorgt selbst für fairen Umgang miteinander. Ein Zwang zu Uploadfiltern dagegen ist eine Gefahr nicht nur für ungehinderte Aushandlung und Verbreitung von Freiem Wissen, sondern beim Blick auf das Netz insgesamt für die Meinungsäußerungsfreiheit einer digital erschlossenen Gesellschaft.”

5. Investigativer Journalismus in Tschechien
(de.ejo-online.eu, Pavla Holcová)
Nach der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 fand in Tschechien ein Umbau der Medien statt: Viele westliche Medienunternehmen haben ihre Beteiligungen an den größten tschechischen Medienhäusern an tschechische und slowakische Großunternehmer verkauft. Nun befinden sich viele Medien in den Händen einiger weniger milliardenschwerer Besitzer. Doch es gibt auch eine Gegenbewegung. So wurden in letzter Zeit einige kleinere unabhängige und investigativ arbeitende Medien gegründet.

6. Lieber falsch reagieren als gar nicht
(stefan-fries.com)
Nachdem die FDP die Sondierungsgespräche mit CDU, CSU und Grünen abgebrochen hatte, veröffentlichte sie eine Grafik mit dem Text: “Lieber nicht regieren als falsch.” Computerkenner wiesen daraufhin, dass die Dateiinformationen/Metadaten nahelegen würden, dass die Grafik bereits vor einigen Tagen erstellt wurde. Für einige ein Indiz, dass die FDP den Abbruch der Sondierungsverhandlungen bereits vor Tagen beschlossen habe. So einfach ist die Sache jedoch nicht, wie Stefan Fries in seinem Blogbeitrag erklärt.

Homöopathie-PR, Followerschwund, Gelingensbedingung Lokaljournalismus

1. Der Fall Meditonsin: Wie verdeckte Homöopathie-PR in eine Tageszeitung kommt
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Die “Wilhelmshavener Zeitung” hat einen nicht als Werbung oder PR gekennzeichneten Jubel-Text über ein homöopathisches Erkältungsmittel veröffentlicht. Der Lobgesang stammt von einer Agentur, die zu einem “Institut für Naturheilkunde und Kommunikation e.V.” gehört. Der Text ist nicht nur inhaltlich kritikwürdig, es wurde fälschlicherweise auch angedeutet, er stamme von der “dpa”. Auf Nachfrage von “Meedia” habe der Leiter der Lokalredaktion der “Wilhelmshavener Zeitung” erklärt, dass er keine Veranlassung sehe, einen solchen Artikel als Werbung zu kennzeichnen. Der Text, so der Redaktionsleiter, stamme schließlich “von einer Agentur”, das sei ganz normal.

2. “Paradise Papers”-Daten publiziert
(tagesschau.de)
Das “Internationale Konsortium für Investigative Journalisten” (“ICIJ”) hat den ersten Schwung Daten aus den “Paradise Papers” veröffentlicht. Es handelt sich um Informationen zu 25.000 Offshore-Konstrukten. In den nächsten Wochen sollen weitere Akten folgen. In der Offshore-Leak-Datenbank gibt es nun Dokumente der Projekte “Panama Papers”, “Offshore Leaks” und “Bahamas Leaks”. Insgesamt handelt es sich um mehr als 520.000 Datensätze.

3. Facebook erklärt Skandal um mysteriösen Followerschwund für beendet
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Der Türkei-Kritiker Kerem Schamberger berichtete unlängst von einem rätselhaften Social-Media-Phänomen: Im September und Oktober habe er etwa 5000 seiner etwa 20.000 Follower und Freunde auf Facebook verloren. Anderen pro-kurdischen Accounts sei es ähnlich ergangen. Facebook sagt gegenüber netzpolitik.org, die interne Untersuchung des Falles sei abgeschlossen. Eine Überprüfung habe ergeben, dass nur ein sehr kleiner Teil dem Account Schambergers aus eigenen Stücken entfolgt sei. Die meisten seien wegen “Verstößen gegen die Geschäftsbedingungen” stillgelegt worden. Doch die Angelegenheit bleibt weiterhin mysteriös, und es stellen sich neue Fragen.

4. Staat behält Schlüsselrolle in Medienlandschaft
(reporter-ohne-grenzen.de)
“Reporter ohne Grenzen” hat den “Media Ownership Monitor” für Marokko vorgestellt, nach Angaben der Organisation die erste umfassende Bestandsaufnahme des marokkanischen Medienmarkts einschließlich Hintergrundinformationen zu seinen Hauptakteuren und deren Interessen. Obwohl es vor zwölf Jahren eine Liberalisierung des marokkanischen Fernseh- und Radiomarkts gab, spielen Staat, Königsfamilie und einige Geschäftsleute immer noch Schlüsselrollen in der Medienlandschaft des nordafrikanischen Landes.

5. Arbeit unter Repressionen
(taz.de, Elisabeth Kimmerle)
Über die Türkei werde in den Medien derzeit viel berichtet, doch die Berichterstattung ist schwierig geworden. Stets schwinge die Angst vor Verhaftung mit. Außerdem gebe es unterschiedliche Einschränkungen und “Tabuthemen” wie die Kurdenproblematik oder alles, was die Gülen-Bewegung betrifft. Kritische Journalisten würden von Erdogan als Spione und Agenten tituliert und landen am Medienpranger.

6. Eine für alle
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
“Abstrakt betrachtet, ist flächendeckender Journalismus schlicht eine Gelingensbedingung für freie und funktionierende Gesellschaften. Aus Branchensicht ist flächendeckender Journalismus aber vor allem etwas, das man sich auch leisten können und wollen muss.” Cornelius Pollmer berichtet in der “SZ” aus Schmallenberg im Sauerland, wo die 29-jährige Katrin Clemens die gesamte Lokalredaktion darstellt. Er war “unterwegs mit einer Einzelkämpferin.”

Gekränktes “Bild”-Ego, Untragbare Tragbar-Abstimmung, Söderbesuch

1. Kleine Geschichte am Rande
(facebook.com, Nora Hespers)
Die freie Journalistin Nora Hespers berichtet von einem bemerkenswerten Erlebnis im Zusammenhang mit dem Videodreh der Band “Erdmöbel” mit Judith Holofernes in Köln. Holofernes, von der man spätestens seit ihrem offenen Brief “Ich glaub, es hackt” weiß, wie sie zu “Bild” steht, wollte — wenig überraschend — nicht mit einem “Bild”-Reporter sprechen. Daraus entwickelte sich eine seltsame Eigendynamik, die dazu führte, dass der “Bild”-Reporter bei der bereits anwesenden Polizei nachfragte, ob es stimme, dass keine Drehgenehmigung vorliege. Wahrscheinlich, um wenigstens mit einer Aufreger-Story in die Redaktion kommen zu können, so Nora Hespers. Sie fasst das Verhalten zusammen, dass sie symptomatisch für unsere Gesellschaft hält: “Erstens: Nicht kommunizieren und dafür grundsätzlich erst mal das Negativste vom Gegenüber annehmen, statt Fragen zu stellen oder sich zu informieren. Zweitens: Den Fokus auf das möglicherweise Negative an der Geschichte legen, statt sich eine differenzierte Betrachtung des Geschehens zur Aufgabe zu machen. Drittens: Es laufen zu viele beleidigte und gekränkte Egos durch die Gegend.”

2. Ist Schutzbach noch tragbar?
(franziskaschutzbach.wordpress.com)
Die an der Universität Basel lehrende Soziologin und Geschlechterforscherin Franziska Schutzbach ist ins Visier der “Basler Zeitung” geraten: Angeblich sei sie gegen die Meinungsfreiheit und wolle ihre politischen Gegner aus dem Alltag verdrängen. Der “BaZ”-Beitrag endet mit einer fragwürdigen Abstimmung, in der die Leser gefragt werden, ob Schutzbach für die Universität Basel noch “tragbar” sei. In ihrem Blog wehrt sich Schutzbach gegen den Artikel. Nicht nur der “BaZ”-Text, sondern auch das Vorgehen der Zeitung sei ein Lehrstück für Kampagnen-Journalismus und unsaubere journalistische Arbeit.

3. Fleet Street verliert letzte Bastion des britischen Journalismus
(kontakter.de, Franz Scheele)
Einst galt die Londoner Fleet Street als das Zentrum der britischen Zeitungsbranche, doch das ist nun wohl für alle Zeiten vorbei: Nachdem die Zeitungsverlage längst abgewandert sind, schließt Ende des Jahres auch die Journalisten-Gewerkschaft “British Association of Journalists” ihr Büro. Dennoch sei die Geschichte des britischen Zeitungsjournalismus in London auch heute noch erlebbar: Franz Scheele verweist in seinem Artikel auf einen Onlineführer, mit dessen Hilfe man alle wichtigen Örtlichkeiten auffinden könne. Dort soll es auch Empfehlungen für Pubs geben, die lange als Hauptumschlagplatz für Informationen (und ein gutes Bier) galten.

4. Kritisierte Kooperation – NDR, WDR und SZ
(ndr.de, Daniel Bouhs)
Seit vier Jahren kooperieren NDR, WDR und “Süddeutsche Zeitung”, wenn es um größere Recherche-Projekte geht. Die Mitbewerber aus der Medienbranche sehen die Zusammenarbeit der Konkurrenz kritisch. Von einem “Zitier-Kartell” ist da die Rede, von Quersubventionierung und Bevorzugung in der “Tagesschau”. Daniel Bouhs hat ein Stimmungsbild eingeholt und auch die Kritiker des Rechercheverbunds zu Wort kommen lassen.

5. Ausverkauf: Die Süddeutsche Zeitung und ihre chinesischen Propagandaanzeigen
(savetibet.de, Kai Müller)
Der Geschäftsführer der Berliner Dependance der “International Campaign for Tibet”, Kai Müller, kritisiert die “Süddeutsche Zeitung”. Diese habe am 10. November mit ihrer Deutschlandausgabe eine Sonderbeilage des chinesischen Staats- und Parteiblatts “China Daily” verbreitet. Kai Müller kommentiert die Beilage des “Pamphlets”, wie er es nennt: “Die Süddeutsche Zeitung, will sie wirklich ihrem Anspruch als Qualitätszeitung gerecht werden und will sie ihre Glaubwürdigkeit als unabhängiges Medium wahren, darf keine Propaganda autoritärer Staaten verbreiten, die sich schwerer Menschenrechtsverletzungen schuldig gemacht haben.”

6. Eine Facebook-Real-Satire: Wir haben drei Wochen auf dem Facebook-Profil von Söder verbracht, damit ihr es nicht tun müsst
(zuendfunk-netzteil.br.de, Sebastian Spallek)
Sebastian Spallek hat in einem Akt der Selbstaufopferung drei Wochen auf dem Facebookprofil des bayerischen Finanzministers Markus Söder verbracht, der als Anwärter auf die Seehofer-Nachfolge gehandelt wird. Dies blieb nicht ohne Folgen: „Der hat 1live! Und er ist viele. Zumindest im fränkischen Fasching ist er Punker! Drag Queen!!! Shrek und Mahatma Ghandi!!!! Edmund Stoiber!! Wowwww! Dr. Söder mag Fasching, trägt Trachtenjanker und hat ein uneheliches Kind. Herrgottsakra und ja mei, so modern ist halt die CSU.”

AfD-“FAZ”-Jargon, Umfrageunsinn, Journalisten als Politikberater

1. “Staatliche Sender” – auch #FAZ-Herausgeber macht sich jetzt #AfD-Jargon zu eigen. Bedenklich.
(twitter.com, Kai Küstner)
Der WDR/NDR-Korrespondent im ARD-Studio Brüssel, Kai Küstner, kritisiert eine Formulierung von “FAZ”-Herausgeber Holger Steltzner. Dieser hat in seinem “Konjunktur-Kommentar” “Land der wirtschaftlichen Wunder” statt von den Öffentlich-Rechtlichen von den “staatlichen Sendern” gesprochen. Eine Wendung, die Küstner dem AfD-Jargon zurechnet und bedenklich findet.

2. Begeisterung für Umfragen über Jamaika-Koalition nimmt ab
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier ist genervt von den vielen sinnlosen Umfragen der Meinungsforscher zur sogenannten Jamaika-Koalition: “Die Leute sollen sagen, ob sie eine Koalition gut finden, von der zum Zeitpunkt der Frage kein einziges konkretes Vorhaben bekannt ist. Was ist das für ein Unsinn? Was für Rückschlüsse soll das auf irgendwas erlauben? Wäre nicht die einzige richtige Antwort, die man dem Mann von Infratest Dimap oder der Forschungsgruppe Wahlen geben könnte: Weiß noch nicht, rufen Sie mich nochmal an, wenn klar ist, welche Steuern die erhöhen, wie die mit Flüchtlingen umgehen, welcher Klima-Kompromiss da am Ende rauskommt?”

3. Politisches Rauchen
(taz.de, Raphael Piotrowski)
Am Dienstagabend pünktlich um 18 Uhr füllte sich der Bürgersteig vor dem “taz”-Gebäude in der Rudi-Dutschke-Straße in Berlin mit Protestrauchern, die damit an den ehemaligen “taz”- und heutigen “Welt”-Autoren und passionierten Raucher Deniz Yücel erinnern wollten. Und an seine fortdauernde Haft in der Türkei. Auch vor dem “Spiegel”-Redaktionsgebäude in Hamburg hätten Kollegen solidarisch für Deniz Yücel gequalmt.

4. „Österreich“ vervierfacht Cybermobbing-Opfer
(kobuk.at, Angelika Eva Kapeller)
Die Tageszeitung “Österreich” behauptet, “64 Prozent sind Cybermobbing-Oper”, und beruft sich dabei auf eine Studie der “AK Steiermark”, der gesetzlichen Interessenvertretung aller ArbeitnehmerInnen des österreichischen Bundeslandes Steiermark. Warum die Aussage ziemlicher Quatsch ist, erklärt “Kobuk”-Autorin Angelika Eva Kapeller: In der Studie sei zwar von 64 Prozent die Rede, dabei handele es sich jedoch um die Schüler, die von Cybermobbing-Fällen in ihrem Umfeld wüssten. Außerdem seien die Angaben für Mobbingopfer und Cybermobbing-Opfer vermischt worden.

5. Politikberatungsjournalismus
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal nennt es eine “journalistische Übergriffigkeit”, wenn sich Journalisten zu Politikberatern aufschwingen: “Ist es die Aufgabe politischer Journalisten, ständig zu erklären, was jetzt zu tun ist? Müssen sie täglich hinausposaunen, was “wir” jetzt am dringendsten brauchen? Wie Merkel die Krise noch meistern kann? Wie Jamaika zum Erfolg wird? Der politische Journalismus bietet heute ein solches Übermaß an Politikberatung, dass man bisweilen den Eindruck hat, die Redaktionen fungierten als Planungs- und Krisenstäbe des Kanzleramts und der Parteien.”

6. Montana Black: Wie PewDiePie, nur noch unreflektierter (Special)
(spieletipps.de)
In Youtube-Videos der Gamerszene herrscht schon mal ein rauer Ton, das mag man oder nicht. Bedenklich wird es jedoch, wenn sich rassistische Töne in die Videos einschleichen, wie es dem schwedischen Youtube-Star “PewDiePie” vorgeworfen wird. In einem ähnlichen Fahrwasser scheint sich ein deutscher Youtuber bewegen zu wollen, der eine Spielefirma als “Zigeuner-Söhne” bezeichnet, ein Spiel als “Drecks-Zigeuner-Spiel” beschimpft. Die Macher der Seite “Spieletipps” haben den Vorgang aufgegriffen und kommentieren: “Jemand, der ein Millionenpublikum erreichen kann, sollte sich überlegen, welche Wörter er benutzt — und vor allem auch, welche er nicht benutzen möchte. Denn so ein junges Publikum ist beeinflussbar. Es wird auch durch solche Videos sozialisiert. So entsteht eine Normalität, die nicht normal sein sollte.”

Selbstzensur, “Bild”-Strafanzeige, “Pro7Sat1”-Zuschauer fett und arm?

1. Deutscher Wissenschaftsverlag zensiert Angebot
(deutschlandfunk.de, Steffen Wurzel)
Der deutsche Wissenschaftsverlag “Springer Nature” ist auch in China vertreten, dort aber nicht mit dem kompletten Angebot: Der Verlag habe bestätigt, dass er den Zugang zu bestimmten Artikeln in China blockiert habe. Diese Maßnahme sei nach Angaben des Verlags “zutiefst bedauerlich, wurde aber ergriffen, um wesentlich massivere Auswirkungen für unsere Kunden und Autoren zu vermeiden.” Die Organisation “Reporter ohne Grenzen” kritisiert das Vorgehen und fordert den Verlag auf, seine Entscheidung zu überdenken und die Zusammenarbeit mit den chinesischen Zensurbehörden sofort zu stoppen. Eine besondere Brisanz bekommt der Vorgang dadurch, dass “Springer Nature” eine Kooperation mit “Tencent” vereinbart habe, einem der größten chinesischen Medien- und Onlinekonzerne — in zeitlicher Nähe zur kritisierten Selbstzensur, der wohl mehr als 1000 Beiträge zum Opfer gefallen sind.

2. Nach Strafanzeige von Herbert Grönemeyer: Staatsanwaltschaft Berlin ermittelt gegen Bild-Verantwortliche
(meedia.de, Marvin Schade)
Nach Informationen des Branchendienstes “Meedia” hat Herbert Grönemeyer Strafanzeige gegen mehrere Verantwortliche der “Bild”-Zeitung erstattet. Neben den Verantwortlichen in der “Bild”-Chefredaktion, also die Chefredakteure Julian Reichelt und Tanit Koch, könnte sich die Anzeige auch gegen Mitarbeiter der Rechtsabteilung des Axel-Springer-Verlags richten. Vereinfacht gesagt, geht es um Paparazzi-Aufnahmen, gegen die Grönemeyer vorgegangen war, und die damit verbundene Berichterstattung. Doch die Angelegenheit hat noch einen zusätzlichen Twist: Ein Fotograf hatte behauptet, von Grönemeyer geschlagen und verletzt worden zu sein, und hatte versucht, dies mit manipuliertem Bildmaterial zu belegen.

3. “Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache.” Hanns Joachim Friedrichs (angeblich)
(falschzitate.blogspot.de, Gerald Krieghofer)
Gerald Krieghofer knöpft sich im neuesten Beitrag seines Falschzitate-Blogs die angebliche Äußerung von Journalistenlegende Hanns Joachim Friedrichs vor, nach der man einen guten Journalisten daran erkenne, dass er sich nicht gemein mache mit einer Sache: “Das ist ein Falschzitat, weil es eine Aussage des deutschen Fernsehjournalisten Hanns Joachim Friedrichs aus einem SPIEGEL-Gespräch über die notwendige emotionale Distanz eines Fernsehmoderators zu der Nachricht, die er präsentiert, ins Unsinnige verallgemeinert.”

4. ProSiebenSat.1-Chef Ebeling lästert über seine Zuschauer
(dwdl.de, Timo Niemeier & Thomas Lückerath)
In einer Telefonkonferenz mit Analysten und Börsen-Experten habe sich der Vorstandsvorsitzende von “ProSiebenSat.1”, Thomas Ebeling, abfällig über Zuschauer geäußert: “All die Hollywood-Blockbuster gibt es auf unseren Sendern und nicht jeder Netflix-Film ist ein Homerun. Und sehr oft sind deren Inhalte sehr, sehr Arthouse-like. Es gibt Menschen, ein bisschen fettleibig und ein bisschen arm, die immer noch gerne auf dem Sofa sitzen, sich zurücklehnen und gerne unterhalten werden wollen. Das ist eine Kernzielgruppe, die sich nicht ändert.” Ein Sprecher von “ProSiebenSat.1” dementiert die Aussagen nicht und spricht davon, dass sie “womöglich missverstanden werden” könnten.

5. Heil Heiler!
(taz.de, Matthias Kreienbrink)
Aus der deutschsprachigen Ausgabe des Computerspiels “Wolfenstein II” wurden nicht nur Hakenkreuze oder SS-Runen entfernt, hier fehlt auch der nationalsozialistische Völkermord an den Juden. Das Problem: “Wolfenstein II” ist kein Nazi-Game, sondern — ganz im Gegenteil — ein antifaschistisches Computerspiel. Matthias Kreienbrink ist in seinem Beitrag auf die Schwierigkeiten des Umgangs mit der Geschichte eingegangen und hat Experten befragt. Es sei Zeit für eine öffentliche Debatte: “Wann endlich trauen wir Videospielen mehr zu?”

6. Aufwachen #250: Claus Kleber ist zu Gast + Fortpflanzung, Lobbyismus (mit Hans Jessen)
(youtube.com, Tilo Jung & Stefan Schulz)
Der “Aufwachen”-Podcast mit Tilo Jung und Stefan Schulz feiert seine 250. Ausgabe mit zahlreichen Gratulanten und Special Guest Claus Kleber, der seit vielen Jahren das “heute journal” im ZDF moderiert. Mit Kleber haben sich die Medien-Podcaster unter anderem über dessen neues Buch “Rettet die Wahrheit!” unterhalten, das vom Verlag als “flammendes Plädoyer für die Unabhängigkeit der Medien und gegen die Kampagnen der Hetzer” bezeichnet wird. Außerdem mit dabei in der mehr als vierstündigen Jubiläumssendung: “Jung & Naiv”-Coproduzent Alexander Theiler und der langjährige ARD-Hauptstadtkorrespondent Hans Jessen. BILDblog gratuliert und wünscht alles Gute für die nächsten 250 Folgen!

#Metoo und Kameraschwenks, Rechter Netzjargon, PR-Sprech

1. “Jede Institution hat einen Weinstein”
(spiegel.de, Arno Frank)
Arno Frank kommentiert die “Anne Will”-Sendung, bei der Sexismus als “strukturelles Problem” diskutiert wurde: “Sexismus ist, wenn Laura Himmelreich bei “Anne Will” gerade über Sexismus als “strukturelles Problem” referiert — und der Kameramann auf die rosafarbenen Stilettos von Verona Pooth zoomt, um dann laaangsam die Beine hinaufzufahren. Besser als mit dieser praktischen Übung hätte man #MeToo nicht auf die Meta-Ebene überführen können.”
Mittlerweile hat sich die Pressesprecherin von Anne Will dazu geäußert: “Diese Form der Bildführung widerspricht den redaktionellen und bildlichen Grundsätzen der Sendung. Der zuständige Regisseur bedauert den Fehler.”

2. A wie Alt-Right Netzjargon
(br.de, Tobias Zervos & Julian Wenzel)
Weiße Nationalisten, Anti-Feministen, Trump-Supporter und Verschwörungstheoretiker haben eines gemeinsam: den Alt-Right-Netzjargon. Dabei handelt es sich um “eine Art sprachlichen Erkennungscode der Ultrarechten”, der mit frei erfundenen englischen Begriffen gespickt sei. Bei “BR puls” werden ein paar der Alt-Right-Begriffe vorgestellt und erklärt: vom frauenabwertenden “Femoids” bis zu “Transtrender”, der rechten Spottbeschreibung für Transgender.

3. 7 Gedanken, die ich vom VOCER Innovation Day mitgenommen habe
(stift-und-blog.de, Sonja Kaute)
Die Medienjournalistin Sonja Kaute hat am Wochenende den “Vocer Innovation Day” in Hamburg besucht. Ein Treffen, bei dem “innovative Konzepte für den Journalismus von morgen entworfen und diskutiert werden”. Sie hat sich dort wohlgefühlt: Statt des üblichen Gejammers über den Niedergang des Journalismus hätte dort Aufbruchstimmung und Optimismus, Gründergeist und Tatendrang geherrscht. Wieder zu Hause angekommen, hat sie sieben Gedanken notiert, die sie von der Veranstaltung mitgenommen hat. Dabei geht es um Themen wie Daten und Analyse, Personalisierung und Automatisierung, Diversität und Qualitätssicherung sowie neue Storytelling-Formate.

4. Auf Sansibar leben Menschen
(taz.de, Belinda Grasnick)
Belinda Grasnick kritisiert in der “taz” eine Karikatur auf der Panorama-Seite der “SZ”, die einen Text über den Umgang der Sansibarer mit Sansibars berühmtem Landessohn Freddy Mercury begleitet. Auf der Zeichnung sieht man, wie Affen ein offensichtlich schwules Pärchen mit Steinen bewerfen. Grasnick dazu: “Sansibarer als Affen darzustellen, ist mehr als nur geschmacklos. Derartiges Verhalten kennt man aus rechten Foren und Fußballstadien — und auch dort muss es bekämpft werden. Dass ein solches Bild aber in einer überregionalen Tageszeitung verbreitet wird, ist kaum zu glauben.”

5. Wollen wir Freunde sein?
(sueddeutsche.de Alexandra Föderl-Schmid)
Sexismus in der Medienbranche ist leider auch in Israel ein Thema. Dort sind gleich mehrere berühmte Journalisten involviert. Es geht um Vergewaltigung, sexuelle Übergriffe und Sex-gegen-Job-Angebote. Bei einem der Beschuldigten handelt es sich um den Mitbegründer des größten privaten TV-Senders Israels, der nach Bekanntwerden der Vorwürfe von seinem Posten als Präsident des Senders zurückgetreten ist. “Vorübergehend”, wie er sagt.

6. Faktenchecker und Mauerbauer
(tagesspiegel.de, Stephan Russ-Mohl)
Faktencheck-Redaktionen, Paywalls, Entrepreneurial Journalism — dem PR-Sprech sollte nicht nur wegen der Anglizismen entgegengetreten werden, findet Stephan Russ-Mohl im “Tagesspiegel”: “Wenn die Wortwahl den Ernst der Lage eher ver- als erklärt, dann haben wir es, genau besehen, mit PR-Sprech zu tun. Also mit einem Sprachgebrauch von Spin-Doktoren, dem “gute” Journalisten und Wissenschaftler nicht nur wegen der Anglizismen den Kampf ansagen sollten.”

Yücel-Interview, #Metoo-Verdrehung, Realfakeopfer Dunja Hayali

1. Klagt mich endlich an
(taz.de, Doris Akrap)
Doris Akrap ist “taz”-Redakteurin und enge Freundin des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel. Sie kennt ihn seit dem Abitur in den frühen Neunzigern. Nun hat sie ihn auf ungewöhnliche Weise interviewt: “Meine Fragen habe ich schriftlich über Deniz’ Anwälte gestellt und Deniz hat sie über die Anwälte schriftlich beantwortet. Meine Rückfragen und seine Antworten dazu gingen dann auf demselben Weg noch zwei Mal hin und her. Dazwischen lagen jeweils mehrere Tage.” Yücel wartet bereits seit acht Monaten auf seine Anklageschrift. Er wünscht sich: “Ich will einen fairen Prozess. Und den am besten gleich morgen. Nicht mehr. Nicht weniger.”
Wir vom BILDblog schließen uns dem mit einem #FreeDeniz an und wünschen ihm bis dahin alles Gute.

2. Hauptsache, es ist laut und krass
(spiegel.de, Georg Diez)
Georg Diez beschäftigt sich in seiner Kolumne mit den Gegenstimmen zur #MeToo-Debatte. Es habe sich so etwas wie ein “Post-truth-Journalismus” entwickelt mit unlauteren Absichten: “… das Ziel scheint ein generelles Klima von Verdacht und Verschwörung, in dem dann die eigenen Argumentationen und Wahrheiten platziert werden können. Es ist immer das gleiche Muster. Die einen sagen: Es gibt ein System von Missbrauch. Die anderen sagen: Es gibt ein System von Verdacht.”

3. Einer kämpft gegen „Unter drei“
(taz.de, Christian Rath)
Jost Müller-Neuhof ist rechtspolitischer Korrespondent des “Tagesspiegels” und dessen Justiziar. Neuhof setzt sich immer wieder dafür ein, dass der Staat alle Journalisten gleichermaßen informiert. Nicht nur diejenigen, die man zu Hintergrundrunden einlädt: “Das ist staatliches Informationshandeln, also müssen es auch alle Journalisten erfahren können — zumindest wenn sie sich ebenfalls zu Vertraulichkeit verpflichten.” Gerichte scheinen für diesen Wunsch mehr Verständnis zu haben als seine Kollegen aus dem Journalismus, die schon mal vom “Terror der Transparenz” sprechen.

4. Benjamin Piel über Bestechung im Lokaljournalismus
(kress.de, Benjamin Piel)
Manchmal braucht es keine goldene Armbanduhr, um Journalisten zu bestechen, es muss sich noch nicht mal um materielle Güter oder Geld handeln. Manchmal reicht schon soziale Anerkennung im Ort als Schmierstoff, so Benjamin Piel, Redaktionsleiter der “Elbe-Jeetzel-Zeitung”: “Ein Mann von einigem Ansehen sagte mir immer wieder, wenn wir uns sahen, wie sehr er meine Arbeit schätze. Das sei wahrhaftiger Journalismus, der den Anspruch habe, nichts zu verschweigen, sondern ans Licht bringe, was ans Licht gehöre. Es sind Sätze wie diese, die in mir die Alarmglocken anwerfen. Welche Maschinerie bedient der, der so lobt?”

5. #Netzwende Award 2017 für RiffReporter
(vocer.org)
“Vocer”, der “Thinktank für Medieninnovation”, hat in Kooperation mit der “August Schwingenstein Stiftung”, der “Rudolf Augstein Stiftung” und der “ZEIT-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius” den ersten “#Netzwende Award 2017” verliehen. Preisträger des mit 10.000 Euro dotierten Medienpreises für nachhaltige Innovation im Journalismus ist das Autoren-Kollektiv “RiffReporter”.

6. Thomas existiert nicht
(zeit.de, Dunja Hayali)
Die Journalistin und Fernsehmoderatorin Dunja Hayali stand über Twitter, Mail und Co. mit verschiedenen Leuten in Kontakt, die sich später als eine einzige Person erwiesen. Angefangen hatte die Sache mit einem angeblichen Krankenpfleger namens Thomas Lehmann. Nach Hinweisen von außen keimte in Hayali ein Verdacht auf — und siehe da, besagter “Thomas” stand mit ihr auf Twitter auch unter anderen Namen in Kontakt: als “Leandro Tressko”, “Berlingirl”, “Axel Graf”, “Pia Carreras” und “Bernd Lechner”. Wie sich nun herausstellt, sind alle dieser Fake-Identitäten auf eine Frau zurückzuführen, die von Hayali längst blockiert worden war. Hayali dazu: “Man schämt sich für seine Gutgläubigkeit und für seine Offenheit. Man fühlt sich betrogen. Da geht es mir wie allen anderen auch, die von Realfakes verladen werden: Man möchte schreien.”

Insektensterben, Social-Media-Verifikation, Gladiatoren-Trash-TV

1. Insektenschwundleugner gegen Untergangspropheten
(riffreporter.de, Christian Schwägerl)
Am 18. Oktober veröffentlichte “Plos One”, die internationale Online-Fachzeitschrift der Public Library of Science, eine Studie mit dem Titel “Mehr als 75 Prozent Rückgang der Biomasse von Fluginsekten in 27 Jahren in Schutzgebieten”. Dem zugrunde lagen Untersuchungen des Krefelder Entomologischen Vereins an insgesamt 63 Standorten, mehrheitlich in Nordrhein-Westfalen, aber auch in Rheinland-Pfalz und Brandenburg. Die Reaktionen in Politik und Medien fielen je nach Interessenlage und Weltsicht aus. Manche waren gar “postfaktisch”. Christian Schwägerl hat die irreführenden oder falschen Darstellungen zusammengestellt und eingeordnet.
Nachtrag: Das “RWI Essen” hat das Thema Insektensterben bereits zweimal in seiner Rubrik “Unstatistik des Monats” zum Thema gemacht und übt Kritik an der Berichterstattung der Medien: Teil 1, Teil 2.

2. Ein Plan zur Rettung des Journalismus
(deutschlandfunk.de, Silke Burmester)
“Deutschlandfunk”-Kolumnistin Silke Burmester hat sich einen Plan zur Rettung des Journalismus ausgedacht: Wer den Beruf nicht ernst nehme oder nicht auf das Geld angewiesen ist, solle etwas anderes machen. Burmester denkt dabei an die zahlreichen Rentner, Hobby-Reporterinnen und Jungjournalisten, die das Dumpingsystem der Verlage indirekt unterstützen. Im Wegfall dieser Journalistengruppen sieht sie Vorteile auf allen Seiten: “Die Lokalredakteure verplempern ihre Zeit nicht länger mit den Grützentexten der Opa-Reporter, die Frauen finden mehr Zeit für ihr Erdbeerkuchen-Blog und die Jungjournalisten werfen nicht bereits mit dem Berufseinstieg ihre Selbstachtung über Bord.”

3. Die Lücke aus Medienverboten und Selbstzensur füllen
(sueddeutsche.de, Christiane Schlötzer)
Unmittelbar nach dem Putschversuch in der Türkei im vergangenen Jahr floh der Journalist Yavuz Baydar ins Exil. Von dort aus schrieb er für viele renommierte Medienhäuser. Seit neuestem ist der 61-Jährige wieder Chefredakteur, und zwar für ein neues dreisprachiges in London produziertes Online-Medium mit dem Namen “Ahval”. Die Website erscheint für ein internationales Publikum auf Englisch, auf Türkisch, um eine öffentliche Diskursplattform zu bieten, und auf Arabisch, weil es in der arabischen Welt ein ungebrochen großes Interesse an der Türkei gebe. Finanziell sei die Plattform mit der Verlegergruppe “Al Arab Publishing” verbunden, man habe jedoch “völlige journalistische Freiheit”.

4. Quiz-Reihe: Social-Media-Inhalte verifizieren
(onlinejournalismus.de, Fiete Stegers)
Auf der Suche nach einem netten Zeitvertreib, der über die üblichen Themen wie Puzzle, Kreuzworträtsel, Sudoku oder dem Legen von Patiencen hinausgeht? Dann könnte die Verifikation von Social-Media-Inhalten das Richtige sein. Die Journalistin Julia Bayer (“Deutsche Welle”) hat vor einigen Monaten damit angefangen, auf Twitter Foto-Aufgaben zu posten, mit denen Journalisten genau das trainieren können. Einige Kollegen haben sich dem Projekt angeschlossen: Mittlerweile sind mehr als 100 Quiz-Aufgaben zusammengekommen, die Fiete Stegers in einem Twitter-“Moment” zusammengefasst hat.

5. So funktioniert der Newsroom von Kölner Stadt-Anzeiger und Express
(story.ksta.de)
Welche Aufgabe hat ein Site-Manager? Und was macht ein Blatt-Macher? Eine multimediale Story des “Kölner Stadt-Anzeigers” zeigt, wo im Newsroom welche Entscheidungen getroffen werden. (Wer sich für den technischen Aspekt des Beitrags interessiert: Umgesetzt wurde die kleine Multimedia-Führung durch das Medienhaus mit dem Tool “StoryMap” des amerikanischen “Northwestern University Knight Lab”.)

6. Vier Gründe, weshalb Bromans die Zukunft des Trash-TV sein könnte
(haz.de, Jan Heemann)
Der britische Sender “ITV2” hat ein neues Trash-TV-Format auf den Markt gebracht: “Bromans”, eine Kombination aus “Bro” (Bruder, Kumpel) und Romans (Römer). In einer Gladiatorenarena treten acht Paare in Disziplinen wie Ringen oder Zwillenschießen gegeneinander an. “Sie entblößen dabei nicht nur ihr seichtes Gemüt, sondern auch viel nackte Haut”, schreibt Jan Heemann, der dem Format trotzdem etwas abgewinnen kann: Die Sendung “könnte Trash-TV auf das nächste Level heben.”

Trumps Twitter-Troll, Push it real bad, Facebooks Rache-Pornos

1. Einstweilige Verfügung gegen die FAZ erlassen
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Die “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” hat sich eine einstweilige Verfügung wegen einer falschen Tatsachenbehauptung zur Berichterstattung des ARD-“Faktenfinders” über das Oktoberfest eingefangen. Die AfD hatte suggeriert, dass es seit 2015 Probleme bei der Durchführung von Volksfesten gebe (“Oktoberfest: Gähnende Leere”). Diese Behauptung hatte der “Faktenfinder” überprüft und als falsch zurückgewiesen. Dies wiederum hatte der “FAZ”-Autor Rainer Meyer (“Don Alphonso”) aufgegriffen und der “Tagesschau” vorgeworfen, aus einem “‘Missverständnis’ echte Fake News” gemacht zu haben. Daraufhin beantragte der NDR beim Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung. Das Gericht gab dem statt, die “FAZ” musste die betreffende Passage entfernen.

2. Der „King Of Fake News“: Jack Posobiec ist Trumps Twitter-Troll
(fearlessdemocracy.org, Gerald Hensel)
Gerald Hensel berichtet bei “Fearless Democracy” über den “King Of Fake News” Jack Posobiec. Dabei handelt es sich um einen erst 31-jährigen Mann aus dem neurechten bis rechtsradikalen Umfeld, der für viele schmutzige Social-Media-Aktionen verantwortlich gemacht wird. So soll er unter anderem ein “Rape Melania”-Poster in eine Gruppe Anti-Trump-Demonstranten eingeschmuggelt haben und maßgeblich an der Verbreitung von “Pizzagate” beteiligt gewesen sein (einem im US-Wahlkampf gestreuten Gerücht, nach dem leitende Demokraten einen Kinderporno-Ring unterhalten würden).

3. Film ab
(sueddeutsche.de, Viola Schenz)
Die “Los Angeles Times” berichtete kritisch über das Geschäftsgebaren der Firma “Disney”. Daraufhin erhob diese einen Bann gegen die Filmkritiker der “Los Angeles Times”, die bei Pressevorführungen ab sofort unerwünscht waren. “Disney” hat jedoch augenscheinlich nicht mit der Solidarität der Filmkritik gerechnet: Als Reaktion kündigten die Kollegen der “New York Times” an, so lange “Disney”-Filmvorführungen fernzubleiben, bis der Bann gegen die Kollegen von der anderen Küstenseite aufgehoben sei. Weitere Filmkritiker schlossen sich an. “Disney” knickte schlussendlich ein und hob den Bann auf.

4. Push-Nachrichten: Eilmeldungen als Daueralarm
(ndr.de, Jonas Mayer)
Push-Nachrichten sind Segen und Fluch zugleich. Verantwortlich und behutsam eingesetzt, können sie durchaus wertvolle Nachrichtenlieferanten sein. Ist dies nicht der Fall, mutieren sie zu lästigen Quälgeistern, die bei nichtigsten Anlässen das Handy zum Vibrieren bringen. Jonas Mayer hat sich mit dem Thema beschäftigt, in einem Selbstversuch das Pushverhalten der Apps der neun größten Nachrichtenseiten untersucht und verantwortliche Journalisten und Kritiker befragt.

5. Wächter des Weltwissens – wie Automaten Wikipedia beschützen
(algorithmenethik.de, Torsten Kleinz)
Die Onlineenzyklopädie “Wikipedia” wird von vielen Freiwilligen getragen, die ohne eigenes Interesse und unentgeltlich daran mitwirken, dass es diese Plattform für freies Wissen überhaupt gibt. Dabei haben sie es leider auch mit Vandalismus zu tun. Das reiche von Artikellöschungen über Beschimpfungen bis hin zu ausgefeilten Manipulationskampagnen, die zum Beispiel den Aktienkurs eines Unternehmens beeinflussen sollen. Zum Glück sind sie bei der Abwehr derartiger Angriffe nicht allein: Der von einem künstlichen neuronalen Netzwerk gesteuerte “ClueBot NG” arbeitet wie ein Spamfilter und hilft fleißig dabei, die “Wikipedia” sauber zu halten. Torsten Kleinz erklärt, was es damit auf sich hat.

6. Schickt Facebook eure Nacktbilder, damit sie niemand sieht
(zeit.de, Patrick Beuth)
Ist es eine gute Idee, seine Nacktbilder an Facebook zu senden, um zu verhindern, dass sie online verbreitet werden? Zum Beispiel als “Rache-Porno” eines Ex-Partners? Was zunächst nach einer Schnapsidee klingt, will Facebook versuchsweise in Australien und anschließend auch in den USA, Großbritannien und Kanada testen. Facebook will die Bilder mit einem digitalen Wasserzeichen versehen und ein weiteres Hochladen Unbefugter unterbinden. Dazu müssten die eingesandten Bilder jedoch von Facebook-Mitarbeitern überprüft werden.

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