Das Fenster zu Kachelmanns Hof

Um zu illustrieren, was sich in einer Gefängniszelle abgespielt haben könnte, braucht “Bild” Grafiker.

Um zu illustrieren, was sich (Unspektakuläres) auf einem Gefängnishof abspielt, braucht “Bild” nur einen Fotografen, der einen günstig gelegenen Ort in der Nachbarschaft findet. So geschehen in der Nachbarschaft der JVA Mannheim, in der zur Zeit der TV-Wetterexperte Jörg Kachelmann in Untersuchungshaft sitzt: Mehrfach waren bei “Bild” und Bild.de Fotos zu sehen, die Kachelmann beim Hofgang zeigen.

Hofgang im Knast - Jörg Kachelmann genießt die Sonne im Gefängnishof

Das Landgericht Köln hat am Freitag die Veröffentlichung dieser Paparazzi-Fotos untersagt, weil sie eine Verletzung des Rechts am eigenen Bild von Jörg Kachelmann darstellen, wie Kachelmanns Medienanwalt Ralf Höcker auf seiner Website mitteilt. Laut Höcker habe sich der Fotograf in eine unbewohnte Wohnung in der Nachbarschaft “geschlichen” und von dort aus über die Gefängnismauern hinweg den Hof der JVA fotografiert.

Diese Einstweilige Verfügung ist nicht die erste, die Jörg Kachelmann gegen “Bild” und Bild.de erwirkt hat: Vor etwa zehn Tagen hatte das Landgericht Köln die Veröffentlichung von Details aus den Ermittlungsakten und von SMS-Nachrichten untersagt, die Kachelmann an eine Sängerin geschickt haben soll (BILDblog berichtete).

Die größte Strafe

In Neuseeland ist ein Vater zur Zahlung von umgerechnet etwa 100 Euro Strafe verurteilt worden, weil er seinen 18 Monate alten Sohn 40 Minuten lang im Auto allein gelassen hatte. Mitten in der Nacht. Vor einem Striplokal.

Jedoch:

Laut Richter Michael Behrens habe sich der Vater eindeutig “keinen Phantasien” hingegeben. Die größte Strafe für Schwamm aber sei, dass die Öffentlichkeit davon ausgehe, dass er in dem Lokal etwas Anrüchiges getan habe, während sein Kind alleine im Auto lag, sagte der Richter dem neuseeländischen Radiosender “3news”.

Und deshalb überschreibt “Spiegel Online” die Meldung, der dieser Satz entstammt, auch wie folgt:

Neuseeland: Vater lässt Baby während Strip-Club-Besuchs alleine im Auto

Mit Dank an Philipp S.

Wie ein iPhone dem anderen

Kommt ‘n Apple-Entwickler in ‘ne Bar und lässt ein neues iPhone liegen.

Was klingt wie eine Szene aus einem Film, ist der Aufhänger einer Sensationsgeschichte auf Bild.de:

Es klingt wie eine Szene aus einem Film: In einer Bar in San José taucht plötzlich ein brandneues, supergeheimes iPhone der nächsten Generation (4G) auf. Diese Fotos zeigte die britische Tageszeitung “Daily Mail” online.

Ganz in der Nähe liegt ein Forschungslabor von Apple. Hat es ein Mitarbeiter nach einer durchzechten Nacht dort liegen lassen? Oder ist die Geschichte zu gut, um wahr zu sein?

Ob die Geschichte stimmt oder nicht, lässt sich schwer sagen. Was sich sagen lässt, ist, dass das Foto des angeblichen neuen iPhones, das Bild.de zeigt, nichts, aber auch gar nichts mit der Bar in San Jose zu tun hat:

Ist das der erste Blick auf die nächste iPhone-Generation? Die Netz-Welt streitet

Es entstammt einer ganz anderen Geschichte im Internetangebot der britischen “Daily Mail”, die die Autoren bei Bild.de selbst verlinkt haben. Und wenn sie ein wenig weiter recherchiert hätten, hätten sie vielleicht auch herausgefunden, dass die in der “Daily Mail” gezeigten “Fotos” am Computer zusammengebaute Fakes sind. Die Fragen “Sehen wir hier das iPhone 4G?” und “Ist das der erste Blick auf die nächste iPhone-Generation?” lassen sich also beide klar mit “Nein” beantworten.

Sehen könnte man das angebliche iPhone aus der Bar bei Engadget, deren Redaktion sie als erstes veröffentlicht hat.

Oder wie Bild.de schreibt:

Andere Bilder im Technikblog “engadget” zeigen ein iPhione mit einer Glasrückseite – angeblich ein Patent von Apple.

Nein, nicht “andere Bilder”, sondern die, um die es im Artikel auf Bild.de geht.

Mit Dank an Kathrin G.

Jeder nur ein Kreuz

Dunkle Wolken über der katholischen Kirche

“Dunkle Wolken”, “Kirche”, alles klar:

Dunkle Wolken über der katholischen Kirche: Immer mehr Missbrauchsfälle werden bekannt. Sollte der Papst in einem Fall aus der Schusslinie genommen werden? Foto: Getty

Die Hartnäckigkeit, mit der sueddeutsche.de das Kuppelkreuz des (evangelischen) Berliner Doms als Symbolbild für Artikel über Vorfälle in der katholischen Kirche verwendet, ist schon beeindruckend.

Aber unser erster Eintrag zum Thema ist ja auch schon wieder mehr als fünf Wochen her — die anschließende Umdeklarierung der Fotos in der Bilddatenbank von Getty Images allerdings auch. Doch weil sueddeutsche.de das Foto in der Zwischenzeit aus dem damals kritisierten Artikel entfernt hatte, war es jetzt wohl für eine Wiederverwendung frei.

Mit Dank an Bernhard und Andreas N.

Nachtrag, 11.05 Uhr: sueddeutsche.de hat schnell Ersatz gefunden:

Immer mehr Missbrauchsfälle werden bekannt. Sollte der Papst in einem Fall aus der Schusslinie genommen werden? Foto: dpa

Sachsensumpf, Panorama, Mars

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Sumpf, der eine Ente war”
(fr-online.de, Bernhard Honnigfort)
Bernhard Honnigfort berichtet vom “Sachsensumpf”-Prozess, der durch den im Januar 2008 im “Spiegel” publizierten Artikel “Dreckige Wäsche” ausgelöst wurde. “Die Angeklagten, die auch für Zeit Online über den angeblichen Sachsensumpf berichteten, haben in einer von ihren Anwälten verlesenen Erklärung bestritten, dass die beanstandeten Passagen von ihnen stammten. Der Spiegel-Artikel sei auch nicht von ihnen ‘legitimiert’. Ihre Namen stehen zwar darunter, aber die ehrverletzenden Passagen sollen von jemand anderem stammen.”

2. “Die ‘Ente’ über den Fake-Report”
(blog.tagesschau.de, Silvia Stöber)
Silvia Stöber beschreibt die komplizierte Faktenlage zu Meldungen, die auf einem inszenierten Bericht zum Flugzeugabsturz bei Smolensk basieren und behaupten, “der Sender Imedi habe den Tod Kaczynskis in diesem Szenario vorweggenommen”. “Keine der Redaktionen machte sich aber offenbar die Mühe, den ursprünglichen Bericht von Imedi genau anzuschauen.”

3. Interview mit Olaf Scholz
(ndr.de/panorama, Video, 9:05 Minuten)
Olaf Scholz hält nicht viel von politischen Fernsehmagazinen wie “Panorama”. Durch Schnitte würde die Realität zurechtgebogen, echtes Interesse an der Sachlage sei oft keines vorhanden. Diese Aussagen hindern “Panorama” aber nicht, daraus einen Beitrag (Video, 7:30 Minuten) zu schneiden, in dem die eigene Leistung mehrheitlich gefeiert wird. Ein zweites Interview (Video, 19:24 Minuten) wurde mit Günther Beckstein geführt.

4. “Wie die DPA vor Obama auf dem Mars landete”
(scienceblogs.de/alles-was-fliegt, Alexander Stirn)
Eine Ankündigung von Barack Obama und wie sie in deutschen Medien vermeldet wird.

5. “Das Mädchen ‘Jessica'”
(sueddeutsche.de, Stefan Ulrich)
Fragen zu Recherchen von Journalisten im Pädophilen-Milieu: “Dürfen Journalisten ihre Identität verheimlichen, um in schwer zugängliche Milieus vorzudringen? Und dürfen sie Informanten der Justiz preisgeben?”

6. “Re-publica 10: der Neidfaktor”
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Thomas Knüwer über die Berichterstattung von Zeitungen wie FAZ und SZ zum Blogger-Kongress re:publica: “Ich erwarte keine unkritische Berichterstattung – sondern eine unvoreingenommene.”

Das Erste, re:publica, Zeitungsphilister

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Jauchs Partyservice für ‘Das Erste'”
(blogmedien.de, Horst Müller)
Horst Müller fragt sich, warum die ARD ihre “große Geburtstagsshow zum Sechzigsten” nicht selbst produziert hat. “Für die öffentlich-rechtlichen Anstalten ist es wesentlich günstiger, komplette Produktionen sendefertig zu übernehmen, statt Shows, Talkrunden, aber auch Dokumentationen und Reportagen, selbst herzustellen.”

2. “Das ist nicht mein Po”
(sueddeutsche.de, E. Müller-Jentsch)
“Die Pokerspielerin Sandra Naujoks verlangt von einer Frauenzeitschrift eine Gegendarstellung: Erst wird ihr eine Affäre mit Boris Becker unterstellt, dann noch ein falscher Po gezeigt.”

3. Interview mit Clemens Verenkotte
(andremarty.com)
Clemens Verenkotte von ARD Radio in Tel Aviv gibt Auskunft über seine Arbeit: “Die Vorstellung, dass es eine Wechselwirkung zwischen der Nahost-Politik der Bundesregierungen und der Berichterstattung deutscher Korrespondenten aus Israel/Palästina gäbe, löst bei mir einfach nur Kopfschütteln aus.”

4. Interviews an der re:publica 2010
(dctp.tv, Videos)
Philip Banse trifft an der re:publica auf Peter Kruse, Jeff Jarvis, David Sasaki, Simon Schlauri, Lorenz Lorenz-Meyer, Tim Wu, Peter Sunde und andere.

5. “Alte, jämmerliche, erfolglose Säcke”
(gunnargeller.de)
Gunnar Geller hält den Text, den Marcus Jauer in der FAZ über deutsche Blogger schrieb für “tendenziös, unfair, aber in seiner Gemeinheit faszinierend”.

6. “Der Zeitungsphilister von gestern als digitaler Bohèmien von heute”
(umblaetterer.de, Marcuccio)
Marcuccio gräbt ein “Rath- und Hülfsbüchlein” der 1860er-Jahre für den Zeitungsleser aus und vergleicht die damalige Kritik an den Zeitungslesern mit der heutigen Kritik an den Online-Lesern. Zitat aus dem Büchlein: “Was er gestern gelesen hat, weiß er ohnehin meist heute schon nicht mehr; er glaubt aber jedes Mal, wenn seine Zeitungsstunde vorüber ist, wunders, was er gelernt habe, wenn nicht gar gethan habe.”

Prinz Harry & die Champagne Supernova

Natürlich könnten sich die deutschen Medien einfach selbst aufregende Geschichten aus dem englischen Königshaus ausdenken. Aber warum sollten sie sich die Mühe machen, wenn sie einfach fertige Geschichten aus der erfindungsreichen britischen Boulevardzeitung “The Sun” abschreiben können?

Am Montag zum Beispiel machte die mit der Meldung auf, Prinz Harry habe in einem Club in London so richtig einen draufgemacht: Wildfremden Menschen habe er 200 Pfund teure Flaschen Champagner spendiert, insgesamt soll er in vier Stunden 10.000 Pfund für das gute Zeug ausgegeben haben.

Deutsche Medien übernahmen die Geschichte begeistert — und machten sie teilweise noch spektakulärer, indem sie suggeriertern, Prinz Harry habe das viele Geld alleine versoffen:

Als das am Dienstag in “Bild”, “B.Z.”, “Berliner Kurier” und “Rheinischer Post” stand, war die ursprüngliche Meldung auf der Homepage der “Sun” allerdings schon nicht mehr abrufbar, und in der Zeitung stand ein merkwürdiger Artikel, den man mit viel gutem Willen als verstecktes Eingeständnis lesen konnte, dass die Geschichte von dem Champagner-Exzess möglicherweise nicht stimmte. Der Palast hatte die Darstellung der “Sun” unmissverständlich dementiert: Prinz Harry habe ein Glas Champagner und eine Flasche Bier getrunken und niemanden eingeladen. Am Mittwoch schließlich veröffentlichte die “Sun” einen kompletten Widerruf ihrer ursprünglichen Behauptungen unter der Überschrift: “SORRY, HARRY”.

Kein Wort davon in den deutschen Medien. Nur auf Bild.de ist die Ente inzwischen gelöscht — womöglich aber nur, um Platz zu machen für die die nächste aufregende Geschichte aus dem Vereinigten Königreich, die man aus der “Sun” übernimmt.

Mit Dank an Tabloid Watch!

Dokusoaps, Treberhilfe, Blogger

6 vor 9

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1. “Du bist Dokusoap!”
(fernsehkritik.tv/blog)
Der Fernsehkritiker dokumentiert Anmeldeformulare und Rollenbeschreibungen der TV-Produktionsfirma Norddeich. So teilt die Firma ihre Schauspieler in der Kategorie “Charakter” in die vier Kategorien “Sympath”, “Unsympath”, “Opfer” und “konservativ” ein.

2. “Wohlfeiles über die ‘Treberhilfe'”
(ndr.de, Video, 7:07 Minuten)
Dass der Chef der “Treberhilfe” einen Maserati fährt, ist durch einen Bericht des “Tagesspiegels” schon länger bekannt. Breite Aufmerksamkeit fand die Geschichte aber erst, als sie von Nachrichtenagenturen aufgenommen wurde.

3. “Massenepidemie. Doppelpunkt.”
(weltwoche.ch, Kurt W. Zimmermann)
Kurt W. Zimmermann glaubt angesichts der Berichterstattung über die Schweinegrippe, dass sich heutige Journalisten vielfach nicht mehr als Beschreiber der Wirklichkeit sehen. “Sie sehen sich als Gestalter der Wirklichkeit. Die Wirklichkeit ist für sie eine Knetmasse, die sich formen lässt. Die Realität ist ihr Plastilin. Das vereinigte Plastilin ergibt am Schluss eine publizistische Pandemie.”

4. “Deutsche Blogger besetzen die FAZ”
(carta.info, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal zum FAZ-Dossier “Deutsche Blogger”: “Die Tendenz der Story ist vom Anfangsmotiv vorgegeben: Willst du etwas niedermachen, vergrößere die Fallhöhe! Behaupte gleich zu Beginn, die Blogszene habe ursprünglich ein wahres Paradies schaffen wollen, sie habe hehre ‘webkommunistische’ Ziele gehabt. Dann wird die Realität – im Vergleich dazu – erst so richtig mies, kleinkariert und nichtig erscheinen.”

5. “was das blog alles kann”
(gig.antville.org, andreaffm)
Andrea Diener denkt, dass Bloggen “noch nie inhaltlich begriffen” wurde, “immer nur formal oder wirtschaftlich, und das ist der große Fehler, den alle machen.”

6. Interview mit Markus Beckedahl
(fr-online.de, Marin Majica)
Re:publica-Organisator Markus Beckedahl im Gespräch: “Blogs werden ernster genommen, der Medienwandel wird ernster genommen, weil man realisiert, dass da etwas passiert. Das war vor drei Jahren völlig anders. Da träumten noch alle davon, dass die Zeitungen 30 Jahre weiterleben werden.”

WDR, WePad, Welt Kompakt

6 vor 9

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1. “Die Seligsprechung erfolgt auf Bestellung”
(faz.net, Thomas Frickel)
Der WDR investiert 100 000 Euro, “um sich vom Deutschen Kulturrat, dem Dachverband von mehr als zweihundert Kulturverbänden und Institutionen, die Absolution für das Gesamt-Bukett seiner Kultur-Aktivitäten erteilen zu lassen”.

2. “Ein Medienphantom namens WePad”
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Stefan Winterbauer vermutet, dass die breite Berichterstattung der Medien zum WePad damit zu tun hat, dass die das Produkt herstellende Neofonie GmbH all das verspricht, “was die Verlage hören wollen”.

3. “Warum zitiert die SZ die BILD für eigene Artikel?”
(mediatrotter.wordpress.com)
Mediatrotter stellt die Frage zur Diskussion, ob es in Ordnung ist, wenn die “Süddeutsche Zeitung” einerseits die Spekulationen von “Bild” zum Flugzeugabsturz bei Smolensk kritisiert und sich andererseits “auf die BILD-Zeitung beruft, um genau das Gleiche zu schreiben”.

4. “Das moderne Unding: Die Kompaktzeitung”
(leidartikel.de, Jürgen Vielmeier)
Jürgen Vielmeier lobt die “Welt Kompakt”: “Wer nicht gerade arbeitslos oder im Ruhestand den Tag auf dem Sofa verbringt, hat doch schon längst keine zwei Stunden mehr Zeit, die die Lektüre der ‘FAZ’ oder der ‘Süddeutschen Zeitung’ zu studieren, inklusive aller Börsenkurse und Kleinanzeigen.”

5. Interview mit Peter Sunde
(blogpiloten.de, Meike Laaff)
Peter Sunde vom (noch nicht öffentlich zugänglichen) Mikrozahlungsdienst Flattr über Teilnehmer am Medienmarkt, die durch den Wandel Verluste machen: “Wir würden Öl-Konzernen doch auch nicht Abfindungen zahlen, wenn wir eine Methode entwickeln würden, dank der Autos mit Wasser fahren, oder?”

6. “‘Österreich’ übertreibt mal wieder”
(kobuk.at, Hans Kirch​meyr)
“Österreich” beschreibt den Mikrobloggingdienst Twitter mit den Worten “150 Zeichen, die die Welt bedeuten”.

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Deutschland, Deine Sex-Zellen

Nicht alle Katastrophen, Unglücksfälle und Verbrechen finden vor laufenden TV-Kameras statt wie die Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001. Genau genommen ist es eine extreme Seltenheit, dass es überhaupt Bilder von so einem Ereignis gibt: Meistens sind die Kameras ja erst hinterher vor Ort — und kommen dann nicht mal nah genug ran, weil sich Polizisten oder andere Spielverderber in den Weg stellen.

“Bild” löst dieses Problem der nicht vorhandenen Bilder seit einiger Zeit kreativ und lässt Katastrophen, Unglücksfälle und Verbrechen von Grafikern nachempfinden. Der Amoklauf von Winnenden (dessen “unangemessen sensationelle Darstellung” gegen den Pressekodex verstieß), der Absturz einer Air-France-Maschine, ein verhungertes Kleinkind — es scheint, dass sich die “Bild”-Zeichner alles vorstellen können, was man gemeinhin als “unvorstellbar” bezeichnet, um ihre oftmals blutigen Visionen dann dem Leser am Frühstückstisch aufzudrängen.

Als nun am Wochenende ein Insasse der Justizvollzugsanstalt Remscheid seine Lebensgefährtin tötete, war das für “Bild” besonders blöd: Die Tat fand in einem (von anderen Medien als “Liebeszelle”, von “Bild” als “Sex-Zelle” bezeichneten) Langzeit-Besuchsraum statt, “ohne jede Kontrolle”, wie “Bild” selbst bemerkt.

Vom Täter lag der Zeitung nur ein unscharfes Foto von 1991 vor und Außenaufnahmen der JVA Remscheid gibt es schon überall sonst zu sehen.

Aber es gibt ja immer noch die “Bild”-Zeichnerin:

In der Sex-Zelle ermordete der Knacki seine Freundin.

Beeindruckend, wie die Zeichnerin nicht nur die (notdürftige) Bekleidung von Täter und Opfer nachempfunden hat, sondern vor allem, wie detailliert sie die “Sex-Zelle” in der JVA Remscheid eingerichtet hat.

Oder auch eben nicht, denn den Raum hatte Bild.de schon gestern gezeigt. Da allerdings noch mit einer erläuternden Bildunterschrift:

Ein Raum für Langzeitbesuche in der Justizvollzugsanstalt Geldern. So ähnlich könnte auch die Liebes-Zelle der JVA Remscheid aussehen, die zum Tatort eines schlimmen Verbrechens wurde.

Nachtrag, 14. April: Noch einen Schritt weiter ging der Schweizer “Blick am Abend”, der die Gelderner Zelle in seiner gestrigen Ausgabe kurzerhand zum Tatort erklärte:

Tat hinter Gittern: In dieser Zelle erschlug Insasse Klaus-Dieter H. seine Freundin Marion.

Mit Dank an Thomas.

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