1. “Wie das ‘Kuratieren’ den Journalismus verändert” (wolfgangmichal.de)
Unter dem Deckmantel des Kuratierens finde in den Medien “eine Re-Feudalisierung hierarchischer Strukturen statt”, schreibt Wolfgang Michal: “Begünstigt wird der Entmachtungs-Prozess der Redaktionen noch durch die phlegmatische Haltung der Redaktionen selbst, die ihre ureigensten Aufgaben nicht mehr erfüllen und die aktive Autorenpflege bzw. das Auswählen und Ausprobieren neuer Autoren vernachlässigen. Zug um Zug lassen sich die Redaktionen Entscheidungs-Kompetenzen abnehmen, bis ihnen am Ende der Status einer besseren (Text-)Putzkraft bleibt oder sie – im besten Falle – in festangestellte Autorenpools umgewandelt werden.”
2. “Erst checken, dann posten – Hoax und Hetze im Netz” (blogs.stern.de/tugendlustig, Sonja Vukovic)
Sonja Vukovic gibt “ein paar Infos, Tipps und Links, wie man Falschmeldungen und Propaganda entlarven und seinen Teil dazu beitragen kann, dass Hass und Lüge nicht weiter verbreitet werden.”
3. “Branded Content – angebrannter Inhalt” (persoenlich.com, René Zeyer)
René Zeyer schreibt über die Unabhängigkeit der Medien von der Werbung: “Wer wie ich das eine oder andere kritische Wort über Finanzdienstleister wagt, erlebt häufig, welcher Gehirnschmalz darauf verwendet wird, eine Begründung zu erfinden, wieso dieser zwar gut geschriebene und überzeugend recherchierte Artikel nun leider doch nicht zur Veröffentlichung geeignet ist. Ich könnte da Namen und Beispiele nennen, aber ich will mir ja nicht meine letzten Plattformen selber abfackeln.”
4. “‘Guardian’-Digitalchef: ‘Können ohne Paywall höhere Erlöse erzielen'” (derstandard.at, Oliver Mark)
Ein Interview mit Wolfgang Blau, Digitalchef beim “Guardian”: “Für viele Verleger gibt es in der digitalen Welt einfach nichts zu gewinnen, und wir sollten ihnen nicht so rasch Verschlafenheit vorwerfen. Ihre Strategie, das alte Printgeschäft so lange zu beschützen wie möglich und ihre digitalen Aktivitäten nur als markenpflegende Begleitmusik für Print zu betreiben, ist plausibel und legitim. Verlage sind keine Stiftungen, und die meisten Tageszeitungen haben nun einmal keine plausible digitale Zukunft, sondern nur eine mittelfristige Zukunft als Printmedien, und danach ist es leider vorbei.”
5. “Reduziert auf Brüste” (sueddeutsche.de, Kathleen Hildebrand)
Kristina Lunz, Initiatorin der Kampagne “Schluss mit dem Bild-Sexismus”, die “Respekt und Wertschätzung in der Berichterstattung von BILD und BILD.de sowie die Abschaffung des BILD-Girls” fordert, findet halbnackte Männer auf der Seite 3 von Boulevardzeitungen keine gute Lösung: “Die Abwertung von Männern wäre dafür der komplett falsche Weg. Wir brauchen stattdessen eine Aufwertung von Frauen in Deutschlands einflussreichsten Medien.”
Vor gut fünf Wochen haben wir an dieser Stelle um Spenden gebeten, weil wir die Finanzierung des Blogs nicht mehr aus eigener Kraft hätten stemmen können. Die Resonanz hat uns überwältigt: Hunderte von Ihnen sind dem Aufruf gefolgt und haben uns mit Spenden, Hinweisen und Kontakten versorgt, und inzwischen haben wir genug Geld beisammen, um den Blogbetrieb für dieses Jahr zu finanzieren.
Wir freuen uns sehr darüber und bedanken uns für die wunderbare Unterstützung. Wir werden verantwortungsvoll damit umgehen.
In der Zwischenzeit ist natürlich viel passiert in den Medien. Ein bisschen was davon wollen wir uns in den nächsten Tagen noch etwas näher anschauen. Heute konzentrieren wir uns aber erstmal auf die “Bild”-Zeitung, weil es da erstens noch einiges nachzuholen gibt, und zweitens, weil wir tatsächlich immer wieder gefragt werden, warum wir die “Bild”-Zeitung immer noch so schlimm finden. Warum? Nun, weil …
1. Weil sie Profit aus dem Leid von Menschen schlägt
… und die Opfer von Unfällen und Verbrechen ein zweites Mal zu Opfern macht.
Aktuelles Beispiel: Vor Kurzem soll ein Mann in Darmstadt seine 19-jährige Tochter getötet haben. Bild.de berichtete am Samstag so über den Fall:
(Namens-Unkenntlichmachung von uns.)
Eine Quelle für das Foto des Opfers ist nicht angegeben. In der Print-Version steht nur: „privat“. Wahrscheinlich hat „Bild“ es sich, wie so oft, einfach im Facebook-Profil des Opfers besorgt. Und es ist nicht davon auszugehen, dass die Eltern des Mädchens um Erlaubnis gebeten wurden – sie sitzen beide seit Tagen in U-Haft.
Immerhin, könnte man sagen, hat Bild.de das Gesicht des Mädchens auf der Startseite unkenntlich gemacht. Dahinter stecken jedoch keine ethischen oder journalistischen oder persönlichkeitsrechtlichen Gründe — sondern wirtschaftliche. Es soll die Leser zum Abschluss eines „Bild-Plus“-Abos anregen. Hinter der Paywall ist die Unkenntlichmachung dann verschwunden. Nur wer zahlt, darf das Opfer in aller Ausführlichkeit beglotzen.
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2. Weil sie schon wieder gegen die Griechen hetzt.
… und es dabei auf die Allerärmsten abgesehen hat:
Die Autoren behaupten, die Wahlversprechen des neuen griechischen Ministerpräsidenten könnten nur auf „unsere“ Kosten umgesetzt werden, und rechnen empört vor, wie viel das sein wird:
„Die“ gegen „uns“. Faules Pack gegen fleißige Steuerzahler. Schwarzweißschreiberei ohne Platz für Grautöne, aber die interessieren bei „Bild“ ja auch niemanden. Wie sehr das Blatt die Wahrheit dabei tatsächlich entstellt, hat sich Thomas Otto vom Deutschlandfunk in diesem lesenswerten Blogpost näher angeschaut. Er schreibt zum Beispiel:
Minutiös listet das Blatt die Wahlversprechen von Alexis Tsipras auf und erweckt den Eindruck, als würden die Griechen in Saus und Braus leben – und das auf Kosten des deutschen Steuerzahlers. Vor lauter Galle, die die Autoren beim Schreiben gespuckt haben müssen, haben sie allerdings einige Fakten verdreht. Das beginnt schon bei der genannten Summe von 20 Milliarden Euro. Laut “Bild” hätten “Experten” diese Summe errechnet. Welche, das verraten die Autoren nicht. Und das könnte einen einfachen Grund haben:
Addiert man die einzelnen Posten des Wahlprogramms von Tsipras’ Syriza-Partei, so kommt man auf 11,382 Mrd. Euro – großzügig gerundet 12 Mrd. Euro. Genau diese Zahl ist auch den Autoren nicht ganz unbekannt. Eine Nachfrage beim Kieler Institut für Wirtschaftsforschung, das für die zweite genannte Zahl als Quelle angegeben wird, ergibt: Ein “Bild”-Redakteur hatte sich dort gemeldet und eine Anfrage gestellt: Wie groß wäre die Summe von 12 Mrd. Euro umgerechnet auf die Bundesrepublik? “Bild” kannte also die tatsächlich von Syriza geschätzten Kosten. Wohlwollend könnte man hier noch von einem (wiederholten) Tippfehler ausgehen – oder davon, dass 20 einfach viel besser klingt als zwölf…
Auch viele andere vermeintliche Tatsachen geben die „Bild“-Autoren auf ihrem krawalligen Feldzug kurzerhand falsch oder verzerrt wieder. Thomas Otto schreibt:
“Bild” pickt sich die Rosinen heraus, die in ihre politische Agenda passen und ignoriert die Fakten, die dem entgegenstehen. Ganz nach dem Motto “Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt”. Das entlarvt einmal mehr, dass für “Bild” nicht die Information, sondern die Empörung im Mittelpunkt ihrer “Arbeit” steht. Aber warum sollte man seine Leser auch mit störenden Fakten ablenken, wenn die sich gerade so schön aufregen.
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3. Weil sich ihr Chefredakteur auch noch einen großen Spaß daraus macht.
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4. Weil sie die Fakten verdreht, wie es ihr gerade passt.
Nicht nur, wenn es gegen die Griechen geht, sondern genauso bei Hartz-IV-Empfängern, Muslimen, Roma, der EU, der Linkspartei und den Rundfunkgebühren, um nur mal die Klassiker zu nennen. Gut zu beobachten beispielsweise in der vorletzten Ausgabe der „Bild am Sonntag“. Kategorie: Die Bekloppten von der EU schon wieder!
Normalerweise ist dafür „Bild“-Chefkorrespondent Dirk Hoeren zuständig, aber weil der ja vergangene Woche schon woanders rumhetzte, durfte diesmal „Bams“-Kollege Nils Mertens ran, der bis dato eher durch sein Talent im Ausschlachten tragischer Einzelschicksale aufgefallenwar. Jetzt also die EU.
Diesmal geht es um eine Norm namens EN 13814, die 2004 erarbeitet wurde und grundsätzlich alle „Fliegenden Bauten“ betrifft, also Karussells, Achterbahnen und so weiter. Sie soll seit dem 1. Januar 2015 für einheitliche Sicherheitsstandards in Europa sorgen, stößt bei deutschen Schaustellern aber auf wenig Begeisterung, weil viele ihre Fahrgeschäfte aufwendig umrüsten mussten. Vor allem ärgert sie, dass es keinen Bestandsschutz mehr gibt, also auch bestehende Karussells, die jahrelang als sicher galten, plötzlich umgebaut werden müssen.
So viel zum Hintergrund. Jetzt zum „Bams“-Artikel. Zum Einstieg dichtet Mertens:
Wenn du glaubst, du hast es schwer, kommt die EU daher – und dann wird’s richtig mühsam. Mit ihren Richtlinien hat es die Europäische Union bisher noch immer geschafft, die Bürger ihrer 28 Mitgliedstaaten in den Wahnsinn zu treiben. Man denke nur an die verbindlich vorgeschriebene Krümmung von Bananen.
Hach ja, die Bananen-Verordnung. Die frei erfundene Bananen-Verordnung, wie man ergänzen muss, denn eine „verbindlich vorgeschriebene Krümmung von Bananen“ hat es in Wirklichkeit nie gegeben. Ja, es gab da mal diese Gurken-Verordnung, aber auch die ist seit einigen Jahren Geschichte, und auch die gerne zitierte „EU-Verordnung zum Import von Karamellbonbons“ ist Blödsinn. Aber zurück zur „Bams“ und den Karussells. Mertens schreibt:
Jetzt hat’s die deutschen Schausteller erwischt (…). Die EU-Verordnung DIN EN 13814 regelt seit 2004 die Sicherheit von „Fliegenden Bauten und Anlagen für Veranstaltungsplätze und Vergnügungsparks“.
Das heißt unter anderem: Ein Karussell mit 20 Sitzen durfte bisher maximal 1500 Kilo Menschenmasse rumschleudern, pro Fahrgast also 75 Kilo. Bei zehn 90-Kilo-Schwergewichten hätte der Rest also Modelmaße haben müssen. Dass dem nicht so ist, blieb auch den EU-Beamten nicht verborgen.
Jeder zweite Europäer ist laut OECD zu dick. Diese neue Fettleibigkeit wird nun zur Last der Karussellbetreiber. Deren Geräte sollen künftig im Schnitt 100 Kilo [statt 75 Kilo] tragen.
Dann noch ein armer, von der EU-Willkür gebeutelter Karussellbetreiber, der über die neuen Regelungen nur noch „stöhnt wie ein 200-Pfünder beim Treppensteigen“ (höhö) — und fertig ist der EU-Aufreger:
Fragt man Leute vom Fach, stellt sich die Sache allerdings ein bisschen anders dar.
Alles Unsinn.
… sagte der damalige Leiter der Abteilung „Fliegende Bauten“ beim TÜV Süd schon vor zwei Jahren zu dem Gerücht, die neuen Regelungen habe was mit der zunehmenden Fettleibigkeit zu tun.
Auch mit der neuen Norm gehen wir noch von einem mittleren Körpergewicht von 75 Kilo aus. So wird die Dynamik des gesamten Fahrgeschäfts berechnet. Aber früher mussten auch Einzelteile, wie etwa der Sicherheitsbügel bei der Achterbahn, nur für 75 Kilo ausreichen und dort ist die Vorschrift jetzt 100 Kilo.
Das habe aber nichts mit dicker werdenden Menschen zu tun, sondern einfach damit, dass sich „bei der Technik viel getan“ habe. Aber mal ganz abgesehen von der Motivation, die hinter den neuen Regelungen steckt: Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den der „Bams“-Autor – aus gutem Grund – nicht erwähnt. Die „EU-Verordnung“, von der er spricht, ist in Wahrheit eine „EU-Norm“ — und vor allem: für die Mitgliedsstaaten freiwillig.
Die Europäische Kommission erklärt auf ihrer Internetseite:
Fakt: Grundsätzlich ist es Sache der EU Mitgliedsstaaten technische Vorschriften zu erlassen, die die Sicherheit von Karussells und anderen fliegenden Bauten betreffen. Dazu kann eine bestehende Norm von den zuständigen Behörden ganz oder teilweise für verbindlich erklärt werden. Dies liegt jedoch im Ermessen der Mitgliedsstaaten – also Deutschlands.
In der jetzt kritisierten Norm EN 13814 hat das Europäische Komitee für Normung (CEN) einheitliche Sicherheitsstandards für Karussells und andere fliegende Bauten für Jahrmärkte und Vergnügungsparks festgelegt. (…) Die Norm an sich ist jedoch freiwillig.
Hinzu kommt: Dass es in Deutschland keinen Bestandsschutz gibt — darüber ärgern sich die Schausteller ja besonders –, war keine Entscheidung der EU (in der EU-Norm ist eine solche Klausel enthalten), sondern wurde von den deutschen Behörden so festgelegt. Womöglich wäre es also sinnvoller, erstmal bei denen anzusetzen, statt gleich wild auf die EU einzuprügeln. Zumindest, wenn man an einer vernünftigen Auseinandersetzung mit der (sicherlich streitbaren) Norm oder der (zweifelsohne wahnwitzigen) EU-Bürokratie interessiert ist. Also im Gegensatz zu den Leuten von „Bild“.
Wir sind gespannt, wie lange es dauert, bis es bei denen heißt:
Mit ihren Richtlinien hat es die Europäische Union bisher noch immer geschafft, die Bürger ihrer 28 Mitgliedstaaten in den Wahnsinn zu treiben. Man denke nur an die Gaga-Verordnung für Dicke in Karussells.
Mit Dank an Jan R.!
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5. Weil sie auf die Privatsphäre prominenter Menschen pfeift.
Als Heidi Klum Ende Dezember von einem Fotografen halbnackt am Strand erwischt wurde, druckte „Bild“ die Fotos groß auf der Titelseite …
Als Uli Hoeneß am Neujahrstag Haft-Urlaub hatte und von einem Fotografen beim Wald-Spaziergang mit seiner Frau erwischt wurde, druckte „Bild“ das Foto groß auf der Titelseite …
Als die Frau von Bushido nach einem Ehekrach einkaufen war und von einem Fotografen erwischt wurde, druckte „Bild“ das Foto groß auf der Titelseite …
All diese Fotos wurden offenbar heimlich und aus einiger Entfernung aufgenommen. Wir vermuten also, dass sie ohne Einverständnis der Abgebildeten gemacht und veröffentlicht wurden. Zumindest im Fall von Herbert Grönemeyer sind wir uns sogar ziemlich sicher: Als der Sänger neulich mit einem Kameramann und einem Fotografen aneinandergeriet, zeigte Bild.de das Video der Rangelei groß auf der Startseite — und musste es später wieder runternehmen, weil der Sänger eine einstweilige Verfügung erwirkt hatte. Grönemeyer will sich auch weiterhin wehren und verlangt nun eine Gegendarstellung von der „Bild am Sonntag“. (Genaueres zu dem Fall hat Hans Leyendecker von der „Süddeutschen Zeitung“ hier und hier aufgeschrieben.)
Nun ist es eine Sache, wenn Prominente behelligt werden. Die kennen sich aus im Geschäft, haben in der Regel Medienanwälte und die nötigen Mittel, um sich gegen die medialen Attacken zu wehren. Und nicht zuletzt stehen sie, meistens jedenfalls, freiwillig in der Öffentlichkeit.
Etwas anderes ist es aber, wenn sich die „Bild“-Zeitung auf Menschen stürzt, auf die all das nicht zutrifft.
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6. Weil sie auf die Privatsphäre nicht-prominenter Menschen pfeift.
… und Schicksale über Wochen hinweg gnadenlos ausschlachtet.
Wir haben das neulich am Fall einer jungen Mutter aufgezeigt, über deren Leben und Tod „Bild“ tagelang sensationslüstern berichtet hatte: Blutige Details, unverpixelte Facebook-Fotos, private Informationen, das volle Programm.
Ähnlich, aber noch heftiger, ging es bei der Berichterstattung über eine Studentin zu, die gestorben war, nachdem sie vermutlich versucht hatte, einen Streit zu schlichten: Über 50 Artikel veröffentlichten die „Bild“-Medien allein in den ersten Tagen nach dem Vorfall, mit unzähligen Fotos des Opfers, des mutmaßlichen Täters und der trauernden Hinterbliebenen; später schaltete sich sogar die Staatsanwaltschaft ein, weil „Bild“ ein Beweismittel — das Überwachungs-Video vom Tatort — ohne Genehmigung veröffentlicht hatte.
Solche Artikelserien — „So grausam starb die junge Frau“, „Hier wird sie beerdigt“, „So trauert das Netz“ — gibt es ständig; die “Bild”-Medien bringen sie reflexartig nach fast jedem brutalen Verbrechen, und am eifrigsten sind sie, wenn das Opfer weiblich und hübsch war.
Auch in den letzten Tagen gab es wieder eine solche Serie, diesmal zum Mord an einer schwangeren Frau, die in einem Berliner Waldstück lebendig verbrannt wurde — ein gefundenes Fressen für die Geier von “Bild”:
Bisweilen saßen sechs (!) „Bild“-Autoren gleichzeitig an dem Fall und haben ganze Arbeit geleistet: Das Blatt präsentiert unverpixelte Fotos des Opfers, unverpixelte Fotos der mutmaßlichen Täter, Fotos vom Abtransport der Leiche, Fotos vom Tatort, Fotos von der Festnahme, Fotos von der Schule des Opfers, Fotos von Trauernden, Informationen aus dem Privatleben des Opfers, Informationen aus dem Privatleben der mutmaßlichen Täter. Und, klar, jede Menge grausame Details und Spekulationen zu den Hintergründen der Tat.
Selbstverständlich auch in gedruckter Form:
(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)
Und es ist sicher nur eine Frage der Zeit, bis sich die “Bild”-Medien das nächste Opfer vorknöpfen. Eine potenzielle Kandidatin (s. Punkt 1) haben sie auf jeden Fall schon gefunden.
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7. Weil ihre Mitarbeiter solche Dinge von sich geben:
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8. Weil sie kein Problem mit Schleichwerbung hat.
Einfaches Beispiel:
Sieht zwar aus wie ein normaler, redaktioneller Service-Artikel, ist aber von vorne bis hinten Werbung — für das kostenpflichtige Abnehmprogramm von Schauspielerin Ursula Karven.
Wir wollen Ihnen die PR-Hymnen ersparen. Schauen Sie sich nur mal diese Infobox an:
Ja, ganz schön toll das alles, vor allem für Frau Karven. Und am nächsten Tag ging’s sogar weiter:
Und am übernächsten Tag auch:
Bei Bild.de gibt’s außerdem noch eine Reihe von Videos mit Frau Karven, die sind aber kostenpflichtig. Verdienen wenigstens alle was daran.
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9. Weil sie unglaublich scheinheilig ist.
Wir haben uns ja schon vor der Winterpause darüber aufgeregt, dass sich „Bild“-Zeitung plötzlich als die große „Pegida“-Bekämpferin inszenierte, ausgerechnet sie, die in den Wochen und Jahren davor mit ihren Lügengeschichten immer wieder Ressentiments gegen Ausländer und Muslime geschürt hatte.
Als vor zwei Wochen dann diese Titelstory erschien …
„Bild“ will Pegida entlarven – und entlarvt vor allem sich selbst. Sie erkennt endlich, was andere schon wussten: dass sie eine rassistische Zeitung ist.
***
Wir könnten noch Dutzende andere Gründe auflisten — die Homophobie der „Bild“-Zeitung, ihren Sexismus, Paul Ronzheimer — und es werden mit Sicherheit noch viele neue dazukommen.
Gut, mit ein bisschen Glück erledigt sich die Sache ja bald von selbst. Bis dahin werden wir aber die Stellung halten. Und sind dankbar, dabei Leser wie Sie an unserer Seite zu haben.
2. “Der Versuch, ein Bild zu lizenzieren” (schmalenstroer.net)
Als Laie, “der nicht regelmäßig Bilder lizenziert”, versucht Michael Schmalenstroer, ein Foto zu lizenzieren – und scheitert: “Wenn man es aber so schwer macht, ist es aber kein Wunder, wenn die Leute Bilder einfach ohne Lizenz benutzen.”
3. “Satiremagazin Titanic veröffentlicht neue Mohammed-Karikatur” (faz.net, Hans Riebsamen)
Hans Riebsamen berichtet über die neue Ausgabe der “Titanic”: “An die ‘sehr geehrten Islamisten’ richtet die ‘Titanic’ die inständige Bitte: ‘Schießt nicht auf uns!’. Nicht nur, weil sie alle in der Redaktion gerne noch eine Weile leben möchten. Noch wichtiger sei aber, dass, wer immer von ihnen überlebe, auf keinen Fall an der Seite von Angela Merkel einen Trauermarsch anführen und von einem tränenüberströmten Bundespräsidenten Gauck abgeknutscht werden wolle. ‘Diese Vorstellung’, so ihr Appell an die Terroristen, ‘müsste doch sogar für eure Verhältnisse zu brutal sein.'” Siehe dazu auch “Das Humor-Kalifat verteilt weiter seine Fatwas” (deutschlandfunk.de, Arno Orzessek).
5. “How to Leak to The Intercept” (firstlook.org/theintercept, Micah Lee, englisch)
“The Intercept” zeigt auf, wie sich Whistleblower am Besten mit Leaks melden sollten: “Don’t contact us from work. Don’t email us, call us, or contact us on social media. Don’t tell anyone that you’re a source.”
Ab heute geht’s für BILDblog wieder in den traditionellen Winterschlaf. Diesmal werden wir das Nickerchen aber um einen Monat verlängern, also bis Ende Januar. “6 vor 9” wird in dieser Zeit nicht erscheinen und andere Einträge nur bei besonderen Anlässen.
Die kleine Pause brauchen wir, um uns mal gründlich von dem ganzen DreckderletztenMonate zu befreien. Aber vor allem aus finanziellen Gründen.
BILDblog, also unsere kleine Redaktion, besteht aus drei freien Journalisten. Hinter uns steht kein Verlag, keine Partei und kein Ölmilliardär. Wir finanzieren uns über sehr geringe Werbeeinnahmen und sonst ausschließlich über das, was Sie, unsere Leser, uns freundlicherweise spenden.
Wir stecken viel Zeit in den Kampf gegen die täglichen Beklopptheiten, und wir machen es supergerne, aber wir müssen auch unsere Miete bezahlen. Anders gesagt: Je weniger Geld reinkommt, desto weniger Zeit können wir ins BILDbloggen investieren. Und leider kommt momentan zu wenig rein.
Wenn wir BILDblog in Zukunft weiterführen wollen wie bisher, brauchen wir Ihre Unterstützung.
Wenn Sie also dabei helfen wollen, dass wir im Februar erholt aus dem Winterschlaf erwachen und wieder mit voller Power an den Start gehen können, würden wir uns sehr über eine Spende und noch mehr über einen Dauerauftrag freuen. Geht auch ganz einfach — per Überweisung, Paypal oder persönlicher Übergabe des Geldkoffers. Auf dieser Seite: bildblog.de/bildblog-unterstuetzen stehen alle Daten und Infos.
Gerade in den vergangenen Wochen hat sich in besonderer Weise gezeigt, wie fahrlässig einige Journalisten mit ihrer Macht umgehen, und wie wichtig es ist, dass solche Methoden und Fehler öffentlich gemacht werden. Wir sind froh, das hier im BILDblog tun zu können, auch wenn es uns manchmal ganz schön fertig macht und sich einiges sowieso nie ändern wird, Stichwort „EU-Gericht“, Stichwort „Opferfotos“, Stichwort „Bild“.
Wir glauben aber, dass unsere Arbeit dazu beiträgt, dass manche Journalisten zweimal überlegen, bevor sie etwas schreiben — und Leser, bevor sie etwas glauben, vor allem der “Bild”-Zeitung. Und wir wissen, dass viele von Ihnen unsere Arbeit zu schätzen wissen. Viele E-Mails, die wir erhalten, enden mit einem Dank für unsere Arbeit oder einem „Macht weiter so!“ Machen wir gerne. Ab Februar 2015. Sie können uns dabei unterstützen, indem Sie uns treu bleiben. Und spenden. Wenn Sie mögen. Vielen Dank.
Wir bedanken uns auch ganz herzlich bei allen, die uns in diesem Jahr mit Hinweisen versorgt, die uns unterstützt, gelesen und weiterempfohlen haben, ganz besonders bei:
Adrian B., Alex, Alexander K., Alexander M., Alexander S., Andreas, Andreas G., Anita, Arnd Z., Basti, Bastian M., Bene F., Benjamin K., Benjamin S., Björn S., Boerris K., Boris R., Börries, Bruesseldorfer, Carsten P., Carsten S., caschy, Christian K., Christian M., Christian M., Christian S., Christian V., Christoph, Christoph A., Christoph L., Christoph S., Christopher R., Christos, CL, Claudia, Daniel, Daniel H., David, Dominik, doppelpod, Eva, Fabian H., Felix R., Felix S., Finn S., Flavio F., Franzi, G. K., Hannes S., Heiko W., Hendrik L., Hitradio OHR, Holger A., Imre G., Ingo H., J., Jan M., Jan W., Jessica, Johannes S., Jonas, Jonas G., Jonas J., Jörg F., Julia S., Jürgen F., Jürgen L., Kai L., Karl K., Karl-Heinz U., Karsten B., Karsten D., Katharina, Katharina C., Kerstin H., Kiki, Klaus, Kuni, Kurt Wolfgang S., Lars, Lars A., levu, Lisa H., Lothar Z., Lutz K., M. R., Malte W., Manfred S., Manuel L., Marcelo S., Marcus, Marius, Markus, Martin, Martin K., Martin S., Marvin S., Matthias B., Matthias M., Matthias S., Max, max_m3000, Maximilian P., Meik, Michael M., Michael N., Michalis P., Micky M., Miriam K., Mirko V., Mo, Moritz D., Moritz N., Moritz S., Nick M., Nico W., Nils M., O. S., Oliver K., Oliver M., P. S., Pascal W., Patrik, Paul, Peter M., Peter M., Philipp, Philipp O., Philipp R., Philipp S., pottwale.de, pre, Ralf K., René K., Robert, Robert C., Robi, Robin L., Ronald, Sabine, Sabine B., Sandra M., Sarah T., Sascha, Sascha D., Sascha K., Sebastian, Sébastien Z., Sejfuddin, Sören C., spotnik, Stefan G., Stefan K., Stefan S., Stefan W., Steffen S., Stephan S., Stephan T., Steve, stitch, T. D., Thomas L., Thorben, Thure, Tjalf P., Tobias M., Tobias S., Torsten K., U. P., Uwe R., Uwe S., Veeck, Werner H., Wimo, Wolfram L., Yannick, Yannik O. — und allen anderen, auch den vielen, deren sachdienliche Hinweise wir nicht berücksichtigen konnten!
2. “Vom Nutzen des Nichtwissens” (fuw.ch, Mark Dittli)
Mark Dittli befasst sich rückblickend auf 2014 mit der Zwecklosigkeit von Wirtschaftsprognosen: “Keine Bank hat die Halbierung des Ölpreises vorhergesehen. Im Frühjahr war es unter Ökonomen weitgehend Konsens, dass sich die Wirtschaft in Europa erholen wird. Das Gegenteil geschah. Zu Beginn des Jahres lautete die allgemein akzeptierte Meinung, dass die Zinsen amerikanischer Staatsanleihen steigen, weil die US-Notenbank ihre Geldpolitik drosselt. Doch die Zinsen sanken.”
4. “Journalistin recherchiert in ‘Schwulensauna’ und ruft dann die Polizei” (tagesspiegel.de, Mohamed Amjahid)
Für ihre Doku-Serie “Schwule und Aids in Ägypten” filmt Mona Iraqi eine Polizeirazzia in einer Sauna in Kairo mit dem Handy: “In ihrer Sendung gibt sie zu, dass sie die Polizei verständigt habe: ‘Diese Praktiken sind gefährlich für unsere Gesellschaft und ich habe die Aufgabe, Ägypten vor der Ausbreitung von Aids zu schützen’, erklärt sich Iraqi in ihrer Sendung.”
5. “An Epidemic of False Video Footage Swamped Big News Stories in 2014” (pbs.org, Madeleine Bair, englisch)
Madeleine Bair befasst sich mit gefälschten Videos: “We will never be able to stop pranksters, activists, propagandists, or ‘filmmakers’ from misleading the public with fake or falsely contextualized images. Our only defense is better tools and practices — by filmers, uploaders, viewers, and tech companies — to verify that what we see is real.”
6. “Irritation durch Irritierte” (deutschlandfunk.de, Stephan Detjen)
Stephan Detjen schreibt, man müsse die öffentlichen Zusammenkünfte des Bündnisses Pegida “als Irritation durch Irritierte” verstehen: “Die angemessene Reaktion darauf dürfte nicht allein in Verurteilung und Ausgrenzung bestehen. Vielmehr wäre es ebenso nötig, zu prüfen, wo in der Medienöffentlichkeit jene blinden Flecken liegen, in deren Wahrnehmungsschatten gefährliche Gegenöffentlichkeiten entstehen.” Siehe dazu auch “Pegida und Meinungsfreiheit: Dummheit ist keine Schande” (faz.net, Friederike Haupt).
Als Beweis hat das Blatt auch den offiziellen Brief abgedruckt, der im Namen des “Bild”-Chefredakteurs Kai Diekmann an das Komitee in Oslo geschickt wurde — und dort vermutlich in irgendeiner Schublade verschwinden wird. Zeitungen sind nämlich überhaupt nichtvorschlagsberechtigt.
1. “Übertreibungen in universitären Pressemitteilungen” (nzz.ch, Alan Niederer, 18. Dezember)
Nicht Journalisten sind hauptverantwortlich für zugespitzte, verzerrte oder übertriebene Nachrichten aus der Wissenschaft – sondern die Kommunikationsabteilungen der Hochschulen, so ein Text in The BMJ: “Die Forscher haben drei Kategorien von Verzerrungen untersucht: Übertreibungen bei Gesundheitsratschlägen; Übertreibungen bei sogenannten Korrelationsstudien, aus denen in unzulässiger Weise eine Ursache-Wirkungs-Beziehung herausgelesen wird; Übertreibungen bei Tierstudien, aus denen ohne Relativierung auf den Menschen geschlossen wird.”
2. “Stefan Plöchinger: Erfolg ist eine gute Geschichte” (irights.info, Nina Galla)
Ein Interview mit Stefan Plöchinger, Chefredakteur von Sueddeutsche.de: “Im Journalismus soll es in erster Linie darum gehen, das Weltgeschehen zu dekodieren und erzählenswerte Geschichten aufzutun – nicht in erster Linie um Reichweite oder darum, seine Arbeit als Content zum Verteilen zu sehen. Erfolg ist im Journalismus: eine gute Geschichte. Reichweite kommt dann automatisch.”
3. “WhatsApp – der neue Kanal für Journalisten?” (daniel-bouhs.de)
Konrad Weber gibt Auskunft über Erfahrungen, die SRF mit Nutzerinteraktionen via WhatsApp gemacht hat: “WhatsApp ist in Deutschland aktuell die meistinstallierte App. (…) Diese riesige Verbreitung stellte uns vor die Frage, wie wir dieses Potential auch journalistisch nutzen könnten.”
4. “Fast jeder Zweite misstraut den Medien” (zeit.de)
Eine Umfrage unter 1043 Personen ergibt, dass lediglich 40 Prozent von ihnen den Eindruck haben, die Medien in Deutschland würden “im Allgemeinen objektiv und unabhängig” berichten. “Am stärksten ist das Misstrauen in die Medien im Osten. Dort halten sie laut der Umfrage 55 Prozent für einseitig und gelenkt und nur 34 Prozent für objektiv und unabhängig.”
5. “‘Pegida hat den Nerv der Bevölkerung getroffen'” (deutschlandfunk.de, Mario Dobovisek)
In einem Gespräch über das Bündnis Pegida thematisiert Mario Dobovisek einen von ihm verspürten “Hass gegen die etablierten Medien”. Werner Patzelt, Politikwissenschaftler an der TU Dresden, antwortet: “Es gibt keine Gesprächsbereitschaft zwischen den Demonstranten und den Medien, weil viele genug davon haben, in den Fernsehausschnitten oder in den Dokumentationen im Internet einfach als töricht, dumm und sozusagen im Tal der Ahnungslosen, weiterhin von relevanten Informationen abgeschnitten, dargestellt zu werden.”
Wenn die “Pegida”-Bewegung heute wieder Zuwachs bekommt, dann liegt das mit Sicherheit auch an Schlagzeilen wie dieser:
Das berichtet die “Bild”-Zeitung heute — in der Print-Version unter der Dachzeile: “Politiker fordern”.
Im Text heißt es:
Es soll eine Geste des Friedens, ein Zeichen der Verständigung sein: Christen sollen in den Gottesdiensten an Heiligabend auch ein muslimisches Lied singen!
Das regen Politiker und der Zentralrat der Muslime in Deutschland an.
„Es wäre ein tolles Zeichen des friedlichen Zusammenlebens der Religionen, wenn in der Kirche ein islamisches Lied gesungen würde und in der Moschee ein Weihnachtslied“, sagte der Grünen-Menschenrechtsexperte Omid Nouripour (39) zu BILD. (…)
Der baden-württembergische SPD-Abgeordnete Thomas Funk (52) erklärte: „Wir brauchen Verständnis, Achtung und Toleranz.“ Er fände es gut, wenn sich das „mit einem Lied befördern lässt“.
Welche muslimischen Lieder kommen infrage?
Der Chef des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek (45), macht einen Vorschlag: Tala’a al-badru alayna („Heller Mondschein leuchtet“) des Sängers Yusuf Islam (66, hieß vor der Konvertierung Cat Stevens). „Das wäre ein wunderbares Zeichen des Friedens und der Anteilnahme“, sagte Mazyek zu BILD.
Frieden und Anteilnahme waren unter den „Bild“-Lesern allerdings weniger zu spüren, sondern vor allem: Wut.
Bei Facebook schreien sie:
wir sind doch hier in deutschland oder?! wir sollten unsere kultur schützen und uns nicht in unserem eigenen land an andere anpassen! (60 Likes)
Ich glaube es hackt wenn die Muslime unsere Lieder singen, können wir weiterreden! (394 Likes)
Wie sagte ein Herr Sarazin noch…..
DEUTSCHLAND SCHAFFT SICH AB. (308 Likes)
Ich geh nachher lieber deutsche Lieder mit der PEGIDA singen (354 Likes)
Banane in der Birnen? Wird ja immer schlimmer. Geht doch mal gucken ob sie demnächst in der Moschee auch Schweineschnitzel und Glühwein verteilen als Zeichen eines GEMEINSAMEN Zusammenlebens. Lach (115 Likes)
Auch in anderen sozialen Netzwerken und in den Kommentarspalten der Islamhasserblogs brach ein (erneuter) Sturm der Empörung los.
Geht’s noch? Sollen wir den °Nicht-Christen° jetzt noch den Arsch lecken? Toll! Eher sterbe ich, als musl. Lieder zu singen!
WIE BESCHEUERT UND VERRÄTERISCH GEBEN SICH DIESE ISLAM-ARSCHKRIECHER NOCH BEI DER ABSCHAFFUNG UNSERER KULTUR UND UNSERER WERTE?!
Diese Anbiederung kann man nur noch widerlich nennen. Eine Bankrotterklärung ersten Ranges.
Bin glücklicherweise aus diesem Jesus-Verein ausgetreten.
Warum wird nicht auch das Horst-Wessel-Lied gesungen, oder “Hohe Nacht der klaren Sterne, die wie helle Brücken stehen…”?
Da ist doch auch von Brücken die Rede, die zur “Versöhnung” gebaut werden sollen.
Auf der Facebookseite des Grünen-Politikers Omid Nouripour stehen inzwischen Kommentare wie …
Auch Wolfgang Bosbach (CDU) hat sich schon zu Wort gemeldet — via “Focus Online”:
„Weihnachten ist kein Hochamt für Multikulti, sondern ein christliches Fest, bei dem traditionell nur christliche Weihnachtslieder gesungen werden. Dabei soll es bleiben“, sagte Wolfgang Bosbach am Montag zu FOCUS Online. „Mir ist auch nicht bekannt, dass in irgendeiner Moschee ,Stille Nacht, heilige Nacht‘ gesungen wird oder es entsprechende Pläne gibt“, fuhr der Innenpolitik-Experte der Union fort. „Bevor Herr Nouripour vorschlägt, dass der Muezzin zur Christmette ruft, hoffe ich sehr, dass es beim christlichen Glockenläuten bleibt.“
Und man kann ihnen (Bosbach ausgenommen) die Verunsicherung nicht mal richtig übelnehmen, schließlich erweckt die „Bild“-Zeitung den Eindruck, als sei diese Idee — diese „Forderung“ — auf Nouripours Mist gewachsen und als gebe es schon konkrete Pläne für die Umsetzung. Auch andere Medien, etwa “Spiegel Online” oder FAZ.net schreiben (bei “Bild” ab), diese “Forderung” sei von Nouripour “in die Debatte eingebracht” worden.
Die Wahrheit sieht aber ganz anders aus. Tatsächlich stammt die Idee nämlich von „Bild“.
Omid Nouripour erklärte uns das Zustandekommen des Artikels heute so: Am vergangenen Dienstag habe ihn “Bild”-Autorin Karina Mößbauer (die den Artikel zusammen mit Ralf Schuler geschrieben hat) angerufen und sinngemäß gesagt:
Wir bringen zu Weihnachten ja immer gute Nachrichten. Und da haben wir uns gefragt, ob es nicht eine schöne Idee wäre, wenn in christlichen Weihnachtsgottesdiensten muslimische Lieder gesungen würden.
Daraufhin habe er geantwortet: Nein, das sei keine gute Idee. Wenn, dann sollte es eine Art Tausch geben: Muslimische Lieder in der Kirche, christliche Lieder in der Moschee. „Tolle Idee!“, habe die „Bild“-Autorin geantwortet.
Ja, toll. Denn so musste sie nur noch ein, zwei andere passende Zitate einsammeln — und fertig war die Schlagzeile. Vermutlich stand sie sogar vorher schon fest, und die “Bild”-Autoren haben nur so lange rumtelefoniert, bis sie prominente Stimmen gefunden hatten, die dazu passten.
Die Rechnung ist jedenfalls aufgegangen: Der Artikel gehört zu den Meistgelesenen auf Bild.de, wurde bei Facebook tausendfach geteilt.
Und die “Pegida”-Leute haben ein Scheinargument mehr für ihre Demonstrationen.
Auf seiner Facebookseite schreibt Omid Nouripour heute:
Der Vorschlag, wie er da steht, ist von der BILD-Zeitung – einem Politiker muslimischen Glaubens in den Mund gelegt. Mein Vorschlag war der eines Austauschs. Es würde auch vielen deutschen Moscheen gut zu Gesicht stehen, wenn dort die Weihnachtszeit besinnlich begangen werden würde.
So manche Reaktionen auf meiner Facebook-Seite zeigen, wie richtig mein Vorschlag eigentlich ist. Der gesellschaftliche Graben, der sich in unserem Land derzeit auftut, ist nicht der zwischen Christentum und Islam, sondern der zwischen demokratischen Kräften und der Feinde der Demokratie – ob Islamisten oder Pegida. Der Schulterschluss der Demokraten ist notwendig, nicht eine weitere Spaltung der Gesellschaft – wie ihm der Artikel der BILD-Zeitung Vorschub leistet.
So gelingt es der “Bild”-Zeitung mal wieder, den Keil noch weiter zwischen die Religionen zu treiben. Das ist natürlich nichts Neues. Aber man muss schon verdammt skrupellos sein, um dafür ausgerechnet die Zitate zu missbrauchen, die genau das Gegenteil bewirken sollten.
Nachtrag, 15.45 Uhr: Bild.de hat nochmal nachgelegt. Unter der Überschrift “Große Debatte um muslimische Lieder im Weihnachtsgottesdienst” wird jetzt auch das Bosbach-Zitat („Weihnachten ist kein Multi-Kulti-Hochamt”) aufgegriffen, auch andere Politiker und Kirchenvertreter kommen zu Wort. Dabei wird weiterhin der Eindruck erweckt, es gebe die “Forderung”, muslimische Lieder in christlichen Gottesdiensten zu singen. Die Umfrage für die Bild.de-Leser (“Deutschlands schnellste Meinung”) lautet dann auch: “Sollen wir im Weihnachtsgottesdienst auch ein muslimisches Lied singen?” (Aktuell: 97% für “Nein, Weihnachten ist ein christliches Fest”.)
Vermutlich war das auch die Grundlage, auf der Bild.de die Zitate eingeholt hat. Hans-Peter Uhl (CSU) zum Beispiel rumpelt: “Die Forderung ist kompletter Unsinn! Ich beanspruche ja auch nicht, dass in einer Moschee ,Stille Nacht, heilige Nacht’ gesungen wird.” Dass ein solcher Tausch gerade Teil des Vorschlags von Nouripour war, hat ihm der zuständige Zitate-Einholer von Bild.de offenbar lieber verschwiegen.
Das Facebook-Statement von Nouripour erwähnt Bild.de natürlich ebenfalls mit keinem Wort.
Nachtrag, 16.50 Uhr: “Spiegel Online” hat den Artikel korrigiert und eine Anmerkung dazu veröffentlicht.
Nachtrag, 17.50 Uhr: Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, von dem der Vorschlag zum Cat-Stevens-Song kam, hat sich inzwischen ebenfalls vom “Bild”-Artikel distanziert. Gegenüber der Katholischen Nachrichtenagentur sagte er, er sei bei der “Bild”-Anfrage davon ausgegangen, dass eine konkrete Gemeinde vorhabe, ein Zeichen zu setzen, und deshalb um einen Tipp gebeten habe.
Nachtrag, 22.10 Uhr: Auch FAZ.net hat den Artikel (einigermaßen) korrigiert und eine Anmerkung hinzugefügt.
Nachtrag, 23. Dezember: Die “Bild”-Zeitung hat heute eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie sich allerdings nur gegen den Vorwurf wehrt, sie habe Omid Nouripour falsch zitiert. Sein Zitat sei ungekürzt und unverändert abgedruckt worden, heißt es dort, was ja auch stimmen mag, aber immer noch nicht erklärt, warum “Bild” aus einem “Vorschlag” eine “Forderung” machte und warum in der Überschrift nicht der Tausch erwähnt wird, sondern bloß die muslimischen Lieder in christlichen Gottesdiensten. “Bild” geht auch nicht darauf ein, ob die grundlegende Idee von den Politikern kam, wie der Artikel suggeriert, oder doch von der Redaktion.
Inzwischen hat sich auch der dritte Politiker, der im Text zitiert wird, Thomas Funk (SPD), zu dem Artikel geäußert. Die Initiative sei natürlich nicht von den Politikern ausgegangen, sagte er gegenüber BILDblog, sondern von “Bild”. Er sei von “Bild” gefragt worden, was er von der Idee mit dem Liedertausch halte; sein Zitat sei dann auch korrekt wiedergegeben worden. Dennoch sieht er in der Aktion im Nachinein ein “vergiftetes Geschenk”. Der Artikel sei ja augenscheinlich nicht auf Weihnachten gemünzt worden, sondern auf den “Pegida”-Montag, und “Bild” habe den Artikel genutzt, um Öl ins Feuer zu gießen.
Nachtrag, 24. Dezember: Die Bundestagsabgeordnete Ute Finckh-Krämer (SPD) hat gestern auf Facebook mitgeteilt:
Ich kann bestätigen, dass Karin Mößbauer nicht nur Omid Nouripour diesen Vorschlag gemacht hat – sie hat mich nämlich auch gefragt, ob ich einen solchen Vorschlag unterstützen würde. Meine Antwort passte dann wohl nicht so gut in den Artikel, ich habe nämlich die Hoffnung geäußert, dass in vielen Weihnachtsgottesdiensten mit Respekt über Mitbürgerinnen und Mitbürger islamischen Glaubens gesprochen wird. Egal, ob sie schon seit Generationen hier leben oder gerade als Flüchtlinge hierher gekommen sind.
Nachtrag, 17. März 2015: Die Berichterstattung ist nun auch vom Deutschen Presserat missbilligt worden.
1. “Die verlorene Ehre der Massenmedien” (tageswoche.ch, Matthias Oppliger und Thom Nagy)
Medienhäuser und ihre Journalisten rücken aus Sicht des Publikums “in gefährliche Nähe zu den manipulativen Eliten”, schreiben Matthias Oppliger und Thom Nagy in einem langen Text zur Vertrauenskrise der Medien: “Sie werden von einem wachsenden Teil der Öffentlichkeit als bewusst handelnde, aktive und ähnlich interessengesteuerte Täter wie etwa Politiker wahrgenommen.”
2. “Pegida und die ‘Lügenpresse’ – ein Begriff und seine Geschichte” (buggisch.wordpress.com)
Christian Buggisch geht dem Begriff der “Lügenpresse” nach: “In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde mit ‘Lügenpresse’ insbesondere die ausländische, als marxistisch und jüdisch geltende Presse diffamiert. Mit dem Kampfbegriff wurden die Publikationen der linken und ausländischen Zeitungen pauschal als ‘undeutsch’ und ‘vaterlandslos’ verurteilt.”
4. “Wenn Medien in den Krieg ziehen” (infosperber.ch, Roman Berger)
Im Westen müsse man wissen, dass sich in Russland “Widerstand gegen die vom Kreml gesteuerte Kriegspropaganda” rege, schreibt Roman Berger. “Auch ist die Vorstellung falsch, in Russland herrsche nur eine vom Regime trockengelegte Medienwüste. Den immer noch existierenden Oasen von Glasnost am besten geholfen wäre, wenn die westlichen Medien selber auf eine neue Kalte-Kriegs-Rhetorik verzichten und damit zu einer Deeskalation beitragen würden.”
Derzeitiger Aufreger bei Bild.de, Ressort “News aktuell”:
Das Portal keucht:
Hacker haben YouTube mit Porno-Videos bombardiert.
Wie die BBC berichtet, musste YouTube innerhalb weniger Stunden mehrere Hundert Videos löschen. Das Material wurde unter den Namen bekannter Kinder-Stars wie „Hannah Montana“ oder „The Jonas Brothers“ hochgeladen. Offenbar sollten besonders Kinder und Jugendliche die Schmuddel-Videos anschauen.
Besonders perfide: Viele der Videos begannen wie Kinder-Serien oder normale Musikvideos. Dann ein harter Schnitt, und man sieht Hardcore-Sex. (…)
Ein verstörter junger YouTube-User postete unter ein Video mit dem Titel „Jonas Brother Live On Stage“: „ Ich bin 12 Jahre alt und was ist das?“ Das Video wurde inzwischen gelöscht.
Das stimmt auch alles so weit. Bloß eine Kleinigkeit hat Bild.de beim Abschreiben des BBC-Artikels übersehen: das Datum. Die Geschichte ist über fünf Jahre alt.
Die Aktion mit den Pornovideos, auch bekannt als „Operation Porn Day“, fand bereits im Mai 2009 statt, aus dieser Zeit stammt auch der BBC-Text, den Bild.de zitiert und sogar selbst verlinkt hat. Und “die Spur” führte natürlich nicht nur “nach Deutschland”, sondern in zig verschiedene Richtungen, denn es hatten sich Leute aus der ganzen Welt beteiligt.
Der Kommentar des „verstörten“ Youtube-Nutzers (“I’m 12 years old and what is this?”) hat es übrigens auch schon zum Meme geschafft.
Mit Dank an Jan M. und Thorben.
Nachtrag, 22 Uhr:Stern.de und Nordbayern.de sind mal wieder blind hinterhergerannt. Stern.de hat den Artikel immerhin wieder gelöscht.
Das Foto bei Bild.de stammt übrigens (Danke an Stefan G. für den Hinweis!) aus keinem Porno, sondern aus dem Trailer zum Spiel “Hitman: Absolution”.
Nachtrag, 22.35 Uhr: Jetzt hat auch Bild.de den Artikel gelöscht.